GEOGRAPHISCHER HANDBÜCHER
VERLAG VON J. ENGELHORN.
1890.
[[III]]
DER
PFLANZENGEOGRAPHIE
VERLAG VON J. ENGELHORN.
1890.
[[IV]]
Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen wird vorbehalten.
Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
[[V]]
Dem Andenken
an
August Grisebach
in dankbarer Verehrung
gewidmet
vom Verfasser.
[[VI]][[VII]]
Vorwort.
Fast gleichzeitig mit der ehrenvollen Aufgabe, die
Abteilung „Pflanzenverbreitung“ in Berghaus’ physikali-
schem Atlas zu bearbeiten, traf mich die nicht minder
verpflichtende Aufforderung des Herrn Herausgebers dieser
„Handbücher“, die Pflanzengeographie in dem
Rahmen dieses ansprechenden und von einer ausgezeich-
neten Verlagsfirma liebevoll gepflegten Unternehmens
darzustellen. Ein besonderer Reiz für die Uebernahme
dieser doppelten Aufgabe lag in der inneren Ergänzung,
welche dieselben gegenseitig verknüpft, indem Karten
durch den ausführlichen Text des Handbuches, die Dar-
stellungen des Handbuches aber durch die sonst nicht in
diesem Maße verfügbare Kartographie des Atlas zu ver-
anschaulichen waren. Trotzdem die Durcharbeitung des un-
geheueren Quellenmaterials in der Auswahl, welche über-
haupt durch den Zweck und durch die Pflicht geboten war,
in absehbarer Zeit die mir gewordene Aufgabe abzuwickeln,
zunächst gleichmäßig für beide selbständige Veröffent-
lichungen vorgenommen wurde, sind dann doch noch nach
Bearbeitung des 1887 erschienenen „Atlas der Pflanzenver-
breitung“ weitere 5 Jahre mit dem Abschluss dieses
Handbuches hingegangen. Um der Masse des Materials
nur einigermaßen gerecht zu werden, ist sein Umfang
um die Hälfte des ursprünglich dafür bestimmten Um-
fangs vergrössert. Und doch wäre der spezielle Teil zu
dürftig, wenn nicht andere grosse Werke zu seiner Er-
[VIII]Vorwort.
gänzung daständen, und wenn nicht gerade ein kürzeres
Handbuch der Pflanzengeographie als Bedürfnis erschienen
wäre.
Gegen Arbeiten der hier vorliegenden Art erhebt
sich nicht selten der Vorwurf der Kompilation ohne
eigene ausreichende Erfahrung; denn selbst diejenigen
Forscher, welche in drei Kontinenten Studien und Beob-
achtungen sammeln konnten, haben nur Bruchstücke
einer Kenntnis der gesamten Vegetation der Erde heim-
gebracht, und was ihr Wissen an Ausdehnung gewonnen
hat, geht ihm an Vertiefung ab. Es ist daher richtig,
dass Spezialabhandlungen und Reiseberichte in einer zu-
sammenfassenden Pflanzengeographie mit grösserem Ge-
wichte dastehen, als Monographien in den anderen Ge-
bieten der organischen Welt, welche meistens in ihren
wichtigsten Punkten selbständig nachgeprüft werden können.
Wer aber sich in den Geist dieses Handbuches hinein-
zudenken die Mühe nehmen will, der wird, wie ich hoffe,
die Selbständigkeit des Ganzen erkennen. Hoch und
frei stehen die wissenschaftlichen Ziele der Pflanzengeo-
graphie da als Ergründung der Kausalität in der Ver-
breitungsgeschichte der Pflanzenwelt und als Ergründung
der Wechselbeziehungen zwischen Landesnatur und Vege-
tationsteppich, innig angeschlossen an umfangreiche Ma-
terien der botanischen Systematik, Physiologie und be-
sonders Biologie, und der anderweiten Disziplinen der
physischen Erdkunde, zu deren Gliede sich die Pflanzen-
geographie selbständig ausgestaltet.
In dieser freien Entwickelung richtet sie ihr eigenes
Lehrgebäude auf, und die zahllosen Gegenstände, welche
der vergleichenden Pflanzengeographie aus allen Teilen
der Erde zufliessen, erhalten hier erst den richtigen Platz
angewiesen, ihre Bedeutung für das Allgemeine erst hier
klargestellt.
Bei der Menge von Einzelheiten, welche zur Aus-
füllung des Rahmens notwendig sind, können sich je
nach dem Zustande der Forschungen in diesem oder jenem
Florengebiete Ungenauigkeiten und Fehler in die Dar-
stellung einschleichen; die Geschichte der Kritik von
[IX]Vorwort.
Grisebachs Vegetation der Erde gibt Zeugnis davon. Ich
habe von jeher der Richtigstellung bis in kleine Einzel-
heiten hinein grosse Mühe gewidmet, auch zeigen die
Litteraturregister zumal im Schlussabschnitt, in wie weit
ich mich an die botanischen Hauptquellen, die Floren-
werke, gehalten habe; aber dennoch ist mir das Allge-
meine wertvoller als die Einzelheit, deren Berichtigung
den Arbeiten geographischer Floristen, welche thatkräftig
sich zu Meistern bestimmter Vegetationsgebiete machen,
anheimfällt, und deren durchdringende Darstellung sowie
zweckentsprechende Verwendung einen langsamen, aber
stetigen Fortschritt in unserem Wissen von der geo-
graphischen Ausgestaltung der Vegetation der Erde im
Gefolge hat.
Bezüglich der Litteraturangaben durfte nach meiner
Meinung, welche sich ganz an Prof. Günthers Ausspruch
im Vorwort zum Handbuch der mathematischen Geo-
graphie anschliesst, ein derartiges „Handbuch“ nicht zu
dürftig ausfallen; ist doch sein Nutzen dann schon ein
grosser, wenn Anderen in zweckmäßiger Zusammenstel-
lung die Quellen erschlossen werden. Und im speziellen
Teile der Pflanzengeographie war dies um so mehr nötig,
als die grundlegenden floristischen Arbeiten in Hinsicht
der Vegetationsanordnung nur quellenmäßig anzunehmen
und zu verwerten sind. Daher geht in diesem Abschnitt
jeder Länderabteilung eine Litteraturübersicht voraus, auf
welche in den dann folgenden Auseinandersetzungen Be-
zug genommen wird, und welche ich grösstenteils im
Original benutzt habe. Es sind daher diese Litteratur-
übersichten zugleich meine Quellennachweise.
Seit dem Jahre 1878, wo ich an Grisebachs Stelle
die pflanzengeographischen Berichte im Gothaer „Geo-
graphischen Jahrbuch“ herauszugeben begann, sind nun
schon 24 Bogen solcher Berichte gedruckt worden, ausser
kürzeren Zusammenfassungen viele kritisch gesichtete
Auszüge enthaltend. Diese zur Verwertung heranzu-
ziehen lag nahe, und es wird daher bei seinen häufigen
Anführungen das Geographische Jahrbuch mit G. J.,
Band und Seite, abgekürzt. Grisebachs Berichte in dem-
[X]Vorwort.
selben „Jahrbuch“ von 1866—1876 sind nach seinem
Tode noch einmal abgedruckt in dem Bande: „Gesammelte
Abhandlungen und kleinere Schriften zur Pflanzengeographie,
Leipzig 1880“, S. 335—556; dieser Sammelband wird
an Stelle derselben Berichte im „Jahrbuch“ angeführt
im Texte mit Griseb. Abh. Seite ..; noch ältere Berichte
von Grisebach sind, reich an Inhalt, über die pflanzen-
geographische Litteratur der Jahre 1841—1853 in Wieg-
manns Archiv erschienen, und werden gelegentlich als
solche (Griseb. Ber. für 1841 u. s. w.) angeführt. Bei
der innigen Bezugnahme auf desselben Verfassers Vege-
tation der Erde, deren lebensvolle Bilder in dem engen
Rahmen dieses „Handbuches“ zur Ergänzung oft ange-
führt werden, ist in der Abkürzung: Griseb. V. d. E.,
Band und Seitenzahl der neuen Ausgabe (Leipzig 1884),
gemeint. Als andere häufige Abkürzungen sind ausser-
dem zu nennen: DC. Géogr. bot. für Alph. de Candolles
Géographie botanique raisonnée, Paris und Genf 1855,
ferner: Engl. Entw. d. Fl., für Englers Versuch einer
Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt, Leipzig 1879 und
1882; und Dr. Fl. d. E. für meine im Ergänzungsheft
Nr. 74 der Geographischen Mitteilungen, Gotha 1884,
entworfene kartographische Darstellung der Florenreiche
der Erde.
Einige kartographische Beigaben waren, trotz der
von mir früher erschienenen geobotanischen Erd- und
Länderkarten, auch in diesem Handbuche nicht zu ent-
behren, sind aber in methodischer Einfachheit der Dar-
stellung gehalten. Nur eine die klimatische Grundlage
der Florensonderungen in den gleichen Kontinenten dar-
stellende Hauptkarte von etwas genauerer Linien- und
Farbengebung beizufügen war mein Wunsch, und es zeigte
sich hier eine sehr günstige Gelegenheit, die Botaniker
mit einem für die Zwecke der Darstellung des Zusammen-
hanges zwischen Klima und organischer Welt eigens ge-
schaffenen Entwurfe der Klimagürtel der Erde bekannt
zu machen. Im Juniheft der „Meteorologischen Zeit-
schrift“ vom Jahre 1884 war ein Aufsatz des Herrn
Dr. W. Köppen in Hamburg über die Wärmezonen der
[XI]Vorwort.
Erde, nach der Dauer der heissen, gemässigten und kalten
Zeit und nach der Wirkung der Wärme auf die organische
Welt betrachtet, erschienen, und die ihn begleitende Karte
liegt, mit freundlicher Zustimmung ihres Verfassers, unter
den für unsere Zwecke passenden Veränderungen der
Hauptkarte dieses Handbuches zu Grunde.
Zur Vervollständigung des Zweckes, dem die Karte
hier zu dienen hat, bedurfte es jedoch noch der Hinzu-
fügung der zwingend in die Vegetationsverhältnisse ein-
greifenden Hauptverteilung der Niederschläge, für welche
Hanns Darstellungen in Berghaus’ physikalischem Atlas
die weitere Grundlage boten; und so mag man diese Karte
als einen, wie ich glaube ersten, Versuch ansehen, alle
der Pflanzenwelt gegenüber mächtig eingreifenden klima-
tischen Einflüsse auf einem einzigen Blatte vereinigt zur
Unterlage der Florenreiche verwendet zu finden, deren
Grenzen sich somit häufig in ein richtigeres Licht stellen,
als wenn die Flora selbst zur Hauptfarbengebung ver-
wendet wird. Zugleich vermag dieses Kartenbild zu illu-
strieren, was Grisebach mit seinem grossen Werke wollte,
„die Vegetation der Erde nach ihrer klimatischen An-
ordnung“.
Noch bedarf endlich die hier angewendete Unter-
bringung des floristisch-systematischen Materials einer
Erläuterung. Ein Handbuch der Pflanzengeographie darf
dasselbe nicht zu dürftig ausfallen lassen; ist doch ein
Teil der Geographen, der Forschungsreisenden unserer
Zeit mit der Flora innig vertraut, und ist doch zu hoffen,
dass, wie so viele Geographen treffliche Geognosten ge-
worden sind, auch stets mehr tüchtig geschulte Floristen
sich unter ihnen entwickeln und der Botanik ein lebens-
frisches Element neuer und thatkräftiger Jünger zuführen
werden! Andrerseits würde die Auseinandersetzung der
Grundzüge für die Verteilungsweise der Pflanzen im
strengen Anschluss an das Pflanzensystem hier lähmend
oder ermüdend wirken, wo eine andere Kette von Ge-
danken sich durchflechten soll. So ist denn versucht,
nach einer Probe von 7 Ordnungen als Prüfsteinen der
geographischen Botanik die übrigen Hinweise an die
[XII]Vorwort.
Vegetationsformationen anzuschliessen, wo ihr natürlicher
Platz erscheint. Unter den einzelnen Ländergebieten
sind dann nur kurze, registerartige Auszüge enthalten
und nur einzelne besonders wichtige Charakterarten mit
längeren Erklärungen versehen.
Was für Erfolge auf geographischem Gebiete sich
an die Lebensarbeit Grisebachs, meines verewigten Lehr-
meisters, angeschlossen haben, ist unverkennbar, und all-
seitig trotz mancher die Rolle der Entwickelungstheorie
betreffender Einwände gewürdigt. Möchte es diesem viel
bescheidener auftretenden Handbuche vergönnt sein, nur
einen kleinen Teil dieser Anregungen zum Spüren und
Forschen in den hier zusammengefassten Richtungen
zu bewirken, nur einen kleinen Teil dieses Fortschritts
in die strebsame geographisch-botanische Forscherwelt
hinauszutragen!
Dresden, im Oktober 1890.
Oscar Drude.
[[XIII]]
Inhalt.
- Seite
- Vorwort VI—XII
- Inhaltsangabe XIII—XVI
- 1. Einleitung1—14
- Begriff und Aufgabe der Pflanzengeographie 1
- Entstehung der Pflanzengeographie als eigener Wissen-
schaftszweig 5 - Richtungen in der Pflanzengeographie 8
- Stellung der Pflanzengeographie zu der physikalischen
Geographie 11 - Zweiter Abschnitt.
2. Die Beziehungen der Lebenseinrichtungen zu
den geographisch verschieden verteilten äus-
seren Einflüssen15—93 - Aufgabe der geographischen Biologie der Pflanzen 15
- 1. Geographisch wirkende Agentien 17
- Sonnenlicht 17
- Wärme 21
- Niederschläge und Luftfeuchtigkeit 26
- Periodicität in der Einwirkung der geographi-
schen Agentien 32 - Phänologie 36
- 2. Topographisch wirkende Agentien 48
- Orographischer Aufbau 49
- Lebenslage durch organische Mitbewohner 59
- 3. Biologische Verschiedenheit der Organisation 61
- Die Vegetationsformen 62
- Die Vegetationszonen der Erde 69
- Dritter Abschnitt.
3. Die Absonderung der Areale durch die geologische
Entwickelung der gegenwärtigen Oberflächen-
gestalt der Erde mit dem gegenwärtigen Klima94—161 - Seite
- Naturalisationen 96
- Die Grundlagen der Arealbetrachtung 97
- Ausbreitungstrieb, Wanderungsvermögen, Schranken 100
- Vegetationslinien 103
- Grösse der Areale 106
- Geologische Entwickelung 107
- Sonderung klimatischer Pflanzengruppen 111
- Geographische Abgeschiedenheit 115
- Vergleich der Fauna 117
- Biologische Wechselwirkungen 120
- Endemische Formen 124
- Flora der Inseln 127
- Flora hoher Gebirgsketten 138
- Flora subtropischer Wüstengebiete 143
- Abgesonderte und gemeinsame Entwickelung 147
- Hauptentwickelungsländer und ihre Scheidelinien 148
- Abgrenzung der Florenreiche und ihrer Gebiete 154
- Vergleich der Faunenreiche 159
- Vierter Abschnitt.
4. Die Bevölkerung der Florenreiche durch hervor-
ragende Gruppen des Pflanzensystems162—214 - Zahlenverhältnisse 163
- Verteilung der Ordnungen der Blütenpflanzen 167
- Ausgewählte Beispiele 169
- 1. Die Palmen 169
- 2. Die Coniferen 180
- 3. Die Cupuliferen 188
- 4. Die Ericaceen 192
- 5. Die Myrtaceen 198
- 6. Die Proteaceen 201
- 7. Die Liliaceen 206
- Schlussbetrachtung über die „geographische Bo-
tanik“ 211 - Fünfter Abschnitt.
5. Die Vergesellschaftung der Vegetationsformen zu
Formationen und die pflanzengeographische
Physiognomik215—326 - Die Ziele pflanzenphysiognomischer Gruppenbil-
dungen 215 - Der Wert physiognomischer Grundformen 217
- Vegetationsformen auf biologischer Grundlage 220
- Vegetationsformationen auf physiognomischer
Grundlage 221 - Seite
- Die für die Formationen zur Verfügung stehen-
den Hauptcharaktere 222 - Einteilung der Vegetationsformationen 229
- Die Waldformationen 230
- I. Tropische immergrüne Regenwälder 232
- II. Tropische Littoralwälder (Mangroven) 252
- III. Tropische regengrüne Wälder 254
- IV. Subtropische Wälder mit immergrünen
Laubbäumen 260 - V. Winterkalte Wälder mit periodischem Laub 265
- Die Gebüsch- und Gesträuchformationen 276
- Die Grasflur- und Staudenformationen 287
- Grasflurformationen 289
- Einteilung 290
- Wiesenmoore 291
- Grassteppen 294
- Savanen 296
- Galeriewald 298
- Campine, Prairie 299
- Hochstaudenformationen 299
- Matten- und Triftformationen 301
- Die Moos- und Flechtenformationen 304
- Felsüberzüge 308
- Mooswiesen, Tundra 310
- Moosmoore und Torfsümpfe 311
- Andere Moore 312
- Die Formationen der Binnengewässer 314
- Die ozeanischen Formationen 318
- Unzusammenhängende (gemischte) Bestände:
Die glacialen Formationen 319 - Die Steppen, Wüstensteppen, trockenen Fels-
gehänge 320 - Sechster Abschnitt.
6. Die Vegetationsregionen der Erde in geographi-
scher Anordnung327—556 - Kapitel I. Die pflanzengeographische Einteilung
der Erde 328—339 - Florenreiche und Vegetationszonen 328
- Vegetationsregionen als natürliche Einheiten 330
- Benennung der Vegetationsregionen 331
- Vegetationsformationen 333
- Florenkunde und spezielle Pflanzengeographie 334
- Methode der Schilderung pflanzengeographischer
Charaktere 337 - Seite
- Kapitel II. Die borealen Florenreiche 339—446
- Allgemeine Uebersicht 339
- 1. Arktische Inseln und Eismeerküsten 349
- 2. Nord- und Mitteleuropa 360
- 3. Pontische Steppen und Kaukasus 380
- 4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und
Orient 386 - 5. Inner-Asien 405
- 6. Sibirien 412
- 7. Ostasiatische Ländergruppe 419
- 8. Britisch Nordamerika 425, 435
- 9. Vereinsstaaten und nördliches Mexiko 425, 441
- Kapitel III. Die tropischen und australen Floren-
reiche 447—545 - Allgemeine Uebersicht 447
- 10. Sahara und Arabien 454
- 11. Tropisches Afrika und Südarabien 459
- Anhang: Inseln im Atlantischen Ozean 469
- 12. Südliches Afrika 470
- 13. Ostafrikanische Inseln 474
- 14. Indien und Sundainseln 476
- 15. Pacifische Inseln bis Neuseeland 486
- Anhang: Neuseeland 491
- 16. Australien 492
- 17. Tropisches Mexiko und Centralamerika 503
- 18. Antillen und Bahamainseln 510
- 19. Tropisches Südamerika 515
- 20. Hochanden und australes Südamerika 527
- 21. Antarktische Inseln 537
- 1. Falklandgruppe 540
- 2. Süd-Neuseelandgruppe 541
- 3. Amsterdamgruppe 544
- 4. Kerguelengruppe 545
- Kapitel IV. Das ozeanische Florenreich 546—556
- Formen und Lebensbedingungen der ozeani-
schen Vegetation 548 - Regionen 551
- Substrat 552
- Periodicität 553
- Verbreitungsverhältnisse der ozeanischen
Sippen 556 - Geographisches und Sachregister 557—566
- Alphabetisches Register der Pflanzennamen 567—582
1. Einleitung.
Begriff und Aufgabe der Pflanzengeographie. Entstehung der
Pflanzengeographie als eigener Wissenschaftszweig. Richtungen in
der Pflanzengeographie. Stellung der Pflanzengeographie zu der
physikalischen Geographie.
‘Quem nexum inter Meteorologiam, Physiologiam plan-
tarum et Physiographiam (vel stirpium cognitionem syste-
maticam) indicavi, dignus sane est, qui a viris doctis, in
naturae investigatione occupatis, magis magisque considere-
tur. Geographia plantarum enim jam nunc pars haud sper-
nenda Physices effecta est.
A. v. Humboldt, Prolegomena ad Nov. Genera et Species
plantarum, 1815.’ ()
Begriff und Aufgabe der Pflanzengeographie.
Unter Pflanzengeographie verstehen wir die wissenschaft-
liche Betrachtungsweise der Flora im Lichte der phy-
sikalischen Geographie; ihre Aufgabe besteht in der
Erforschung der Gesetzmässigkeit der verschieden-
artigen Verbreitung von den Elementen dieser Flora
über die Erdoberfläche, und in der Erforschung der
Wechselbeziehungen zwischen der Erscheinungs-
weise des Pflanzenlebens und seinen mit der geogra-
phischen Lage sich verändernden äusseren Bedingungen.
Die Pflanzengeographie ist zwar eine botanische
Disziplin, welche der systematisch ebenso wie biologisch
geschulte Florist allein ihrem ganzen Umfange nach zu
bewältigen vermag; aber sie bewegt sich in der glück-
lichen Verknüpfung mit den mannigfachsten Richtungen
Drude, Pflanzengeographie. 1
[2]Gesichtspunkte der Pflanzengeographie.
anderer geographisch arbeitender Disziplinen, mit der
speziellen Länderkunde als ihrer Grundlage, mit der
geographischen Geologie und Zoologie, der Klimatologie
und Hydrographie. Dadurch rückt die Pflanzengeographie
aus dem engeren Rahmen rein botanischer Forschung
heraus und stellt sich in den Kreis derjenigen Wissen-
schaftsgebiete, welche in ihren gegenseitigen Beziehungen
die physikalische Geographie weitesten Umfanges bilden.
Selbst mit der Kulturgeographie steht sie in nächster
Verknüpfung.
Grisebach unterschied bei seiner Besprechung des
Standpunktes der Pflanzengeographie i. J. 1866 (siehe
Abhandl. S. 307) als deren Teile eine topographische,
eine klimatologische und eine geologische Geobotanik.
Mit gewissen Umstellungen und Erweiterungen können
wir diese Einteilung auch heute noch zu der wissen-
schaftlichen Grundlage machen, indem wir folgende Ge-
sichtspunkte aufstellen:
- A. Die Pflanze in ihrer biologischen Entwickelung
(Lebensgestaltung) unter dem Einfluss bestimmter,
von Ort zu Ort wechselnder äusserer Lebens-
bedingungen. (Erweiterte klimatologische Geo-
botanik.) - B. Die Ausbildung gemeinsamer Areale für be-
stimmte einheitliche Gruppen des Pflanzensystems
im Verlauf der Erdentwickelung, und die Wirkung
der grossen Verbreitungssperren auf die an jedem
Orte sich zusammenfindende Flora. (Erweiterte
geologische Geobotanik.) - C. Der Geselligkeitsanschluss bestimmter Pflanzen-
arten unter bestimmten biologischen Grundformen
zu einer nach Standorten und Ländern verschie-
denen, zusammenhängenden oder lichten Vege-
tationsdecke. (Erweiterte topographische Geo-
botanik und Vegetations-Physiognomie.)
Diesen drei Gesichtspunkten wird durch den Ein-
fluss, welchen der Mensch auf die Umgestaltung der Erd-
oberfläche genommen hat und weiter nimmt, noch ein
vierter beigefügt:
[3]Flora, Vegetation und Physiognomie.
- D. Die Veränderungen der Pflanzenareale und der
natürlichen Vegetationsdecke durch die mensch-
liche Kultur.
Auch jede vollständige Landesflora bietet in geson-
derter oder gemischter Behandlung diese drei (bez. vier)
verschiedenartigen Gesichtspunkte: sie beginnt zumeist
mit dem statistischen Katalog aller dort wild wach-
senden oder eingeführten Pflanzensippen, erörtert dann
die Biologie aller derselben im Anschluss an die durch
die geographische Lage gebotene Jahresperiodizität und
an die besonderen Bedingungen der orographischen Glie-
derung und aller klimatologischen Einzelheiten, und sie
knüpft daran die Schilderung der die Erdoberfläche und
die Meeresküsten bedeckenden Pflanzenbestände von
einer bestimmten Physiognomie, welche sich nach der
Tracht und Lebensweise der häufigsten und in dichter
Geselligkeit vorherrschenden Sippen richtet. Man pflegt
den ersten, der Pflanzensystematik entlehnten und das
gesamte Sippenmaterial von Ordnungen, Gattungen, Arten
darstellenden Teil als „Flora“ kurz zu bezeichnen, wäh-
rend man die biologischen Eigentümlichkeiten und die
hauptsächlich durch letztere in ihrer Allgemeinheit beein-
flusste Erscheinungsweise der Pflanzendecke unter „Ve-
getation“ zusammenfasst. Gründliche biologische Unter-
suchungen auf geographischer Unterlage, zumal für
tropische und südliche Floren, sind noch jüngere Litte-
raturerscheinungen und daher in ihrer Eigenart bisher
weniger allgemein anerkannt. Dagegen bildeten die
Florenstatistiken den überwiegenden und oft einzigen Teil
der schon seit langer Zeit und mit zunehmender Voll-
endung von Botanikern ausgearbeiteten „Floren“, wäh-
rend die Vegetation in ihrer physiognomischen Eigen-
heit und Mannigfaltigkeit hauptsächlich in den Berichten
der Reisenden zur Schilderung gelangte und aus diesen
in die allgemeine Geographie übergegangen ist.
Die verschiedenen Teile der Pflanzengeographie wer-
den daher auch in verschiedener Weise gefördert: wäh-
rend Reisen in allen Weltteilen das Pflanzenmaterial zu-
sammenbringen, durch die beigefügten Einzelbemerkungen
[4]Arbeitsmethode der Pflanzengeographie.
ebenso wie durch verständnisreiche Analyse und Schil-
derung der Pflanzendecke im Zusammenhange mit dem
Bodenrelief und Substrat beleben und geographisch ver-
wertbar machen, bearbeitet der zusammenfassende Pflan-
zengeograph in den botanischen Museen das aus allen
Ländern zusammenströmende Material und kann die aus-
führliche Litteratur zahlreicher, speziellen Landeskunden
entsprechender Floren kleinerer Gebiete dabei nicht ent-
behren; er entwirft die Fundamente der Verteilungsweise
für die grösseren und kleineren Sippen des natürlichen
Systems, und ganz von selbst ergeben sich ihm dabei
die Grundlinien einer danach vollzogenen floristischen
Einteilung der Erdoberfläche. Er greift von dem aus
der lebendigen Pflanzenwelt abgeleiteten Florenbilde der
Erde zurück in die vergangenen Erdperioden, um das mit
steigendem Alter undeutlicher erhaltene und unbrauch-
barer werdende fossile Pflanzenmaterial in den erhaltenen
Spuren seiner Verbreitungsweise mit den verwandten
Sippen der Gegenwart zu vergleichen und dadurch ein
Bild von ihrer wechselnden Verteilungsweise, von der
Aufeinanderfolge verschiedener Florenbilder an demselben
Orte, von der ursächlichen Bedingtheit des jetzigen Zu-
standes durch die jüngst oder länger vorausgegangenen
verschiedenartigen Zustände, abzuleiten. So steht er in
inniger Verbindung mit der Paläontologie und mit der
Erdgeschichte überhaupt. Andererseits prüft der Pflanzen-
geograph als Biolog in freier Natur, im physiologischen
Laboratorium und an den lebenden Pflanzen der bota-
nischen Gärten die Beziehungen zwischen deren Lebens-
äusserungen und den verschiedenen Einflüssen klimatischer
Elemente, der täglichen und jährlichen Lichtperiode, der
ernährenden Unterlage, der Abhängigkeit vom Wasser,
um dann ausgerüstet mit den im kleinen gewonnenen Er-
fahrungen in die grosse Natur mit hellem Blicke einzu-
treten und die sich ihm darbietenden wechselvollen Ver-
hältnisse auf ihre nächstwirkenden Umstände zurückzu-
führen, um die Lebensarbeit der Einzelpflanzen an ihrem
Standorte zwischen bestimmten gleichartigen und un-
gleichartigen organischen Mitbewohnern zu würdigen, und
[5]Geschichte der Pflanzengeographie.
um auf diesem Wege die in ihrer Masse mit fesselndem
Liebreiz auf ihn einwirkenden Vegetationsbilder in ihren
Einzelzügen verstehen zu lernen. — So zeigt sich auch
in der Verbindung von Arbeiten, welche dem tiefsten
Wesen der Botanik angehören, mit solchen, welche auf
geographischer Grundlage stehend in die geologischen und
klimatologischen Sphären hineingreifen, die Stellung der
Pflanzengeographie als einer die organischen Naturwissen-
schaften mit der physikalischen Geographie innig ver-
knüpfenden Disziplin.
Entstehung der Pflanzengeographie als eigener
Wissenschaftszweig. Als die ersten Bausteine der Pflan-
zengeographie müssen solche Floren genannt werden,
welche das Wesen der Floristik richtig erfassten und sie
auf geographische Grundlage stellten, dabei also über den
Rahmen der Artbeschreibungen eines willkürlich abge-
grenzten Landbezirkes hinausgingen. Die älteste vor-
zügliche Landesflora von solcher Beschaffenheit scheint
Linnees Flora Lapponica (1737), später dessen Flora
Suecica (1745) gewesen zu sein; in beiden alten Werken
ist eine bewunderungswürdige Vielseitigkeit der Anschau-
ungen reich verarbeitet, und es verdiente Linnee durch
diese seine Originalarbeiten viel mehr als durch seine
unbrauchbar gewordene Systemanordnung der Nachwelt
als berühmtes Vorbild vorgehalten zu werden. Gleich
darauf folgte, ebenfalls im alt-botanischen Stil, Gmelins
umfangreiche Flora Sibirica (1757), in deren Vorrede für
die damalige Zeit fruchtbare geographisch-botanische
Gedanken entwickelt sind. Die nordischen Floren sollten
also den Hebel ansetzen, um die botanische Wissenschaft
auch auf das geographische Gebiet zu leiten, und ihnen
folgten dann in der Geschwindigkeit, wie der Stoff es
zuliess, vollständige oder fragmentarische Floren südlicherer
Länder, welche allmählich den Blick erweitern halfen und
die Idee von der vorhandenen durchgehenden Verschie-
denheit in den Floren entlegener Länder um so mehr
befestigten, als die ersten noch unvollkommenen Kennt-
nisse über tropische Floren fast nur den Blick auf den
[6]Geschichte der Pflanzengeographie
nordischen Floren durchaus fremde Pflanzenarten und
Gattungen eröffneten. Dennoch fehlte der Gedanke an
eine einheitliche geographische Disziplin der Botanik bis
zu den ersten Jahren unseres Jahrhunderts, wo als ihre
Begründer A. v. Humboldt, Pyr. de Candolle und Rob.
Brown auftraten. „Es ist wunderbar — so äussert sich
Alph. de Candolle (Géogr. bot. S. VI) darüber — wie
diese drei Männer eigenartig von ganz verschiedenen
Ideen ausgingen, entsprechend ihren besonderen Studien
und den Ländern, aus denen sie ihre Eindrücke schöpften.
A. v. Humboldt zeigte sich durchaus als physikalischer
Geograph, und ausserdem verstand er infolge einer sehr
seltenen Kombination von Fähigkeiten ein Gemälde der
schönen äquatorialen Vegetation gleichsam in dichterischer
Form zu entwerfen. P. de Candolle beschäftigte sich
mit der europäischen Flora und den Beziehungen, welche
zwischen Ackerbau und den physiologischen Bedingungen
des Pflanzenlebens bestehen. R. Brown endlich, mit ernsten
Studien über die natürliche systematische Methode in der
Ergründung der Verwandtschaft beschäftigt, die er zuerst
auf die fremdartige Flora Australiens anwendete, lenkte
seine Aufmerksamkeit auf die Verteilung der grossen
Klassen und Ordnungen des Gewächsreiches über die
Erde (1810—1814); etwas später (1818), bei Gelegenheit
der Verarbeitung des ersten Herbariums aus der Flora
des Congo, richtete er seine scharfsinnigen Untersuchungen
auf den Ursprung einzelner Kulturpflanzen, auf die Ueber-
tragungen durch Luft- und Meeresströme, sowie auf das
ihm seltsam erscheinende Vorkommen einzelner Arten
in verschiedenen Tropenfloren zugleich, da nämlich die
Verschiedenheit weit entlegener Floren auch im tropischen
Gürtel bis dahin schon als Grundgesetz erkannt war.“
Aber alle diese Arbeiten, so geistreich sie der da-
maligen Zeitlage nach erdacht waren, bildeten zuerst nur
zerstreute und unter sich nicht zusammenhängende Frag-
mente, bei deren Ausarbeitung der eine Schriftsteller
kaum durch die Resultate der anderen berührt wurde;
es bedurfte erst noch der Zusammenfassung, der Dar-
stellung der gemeinsamen Ziele, um die Pflanzengeo-
[7]von Humboldt bis Schouw.
graphie als solche zu begründen. Und hier hat wohl
schon A. v. Humboldts Arbeit, die Prolegomena in den
Nova genera et species plantarum (Bd. I, 1815; vergl.
Dr., Fl. d. E. S. 9) die erste sichere Grundlage ge-
legt, wie er schon in seinen Ideen zu einer Geographie
der Pflanzen (1805) den Anfang damit gemacht hatte.
Aus diesem Grunde darf man sagen, dass Humboldt mit
demselben Rechte der Begründer der Pflanzengeographie
zu nennen sei, wie Darwin der Begründer der Deszendenz-
lehre. Beide haben das dazu Gehörige durchaus nicht
allein gemacht; im Gegenteil waren so viele Naturforscher
von Rang auf demselben Gebiete thätig, dass man be-
haupten kann, die Forschung selbst hätte auch ohne jene
den Fortgang in der angegebenen Richtung nehmen
müssen. Aber beide machten aus diesen sie eine Zeit
lang vor allen anderen beschäftigenden Gegenständen
eine Spezialwissenschaft, führten sie als solche ein und
behandelten das vielseitige Thema nicht nur als Ausfluss
oder Anhang anderer Forschungen. Und wie es oft nur
darauf ankommt, dass ein allgemein interessanter Gegen-
stand durch eine besondere Bezeichnung Aufmerksamkeit
in weiteren Kreisen errege, so war es auch hier der Fall,
indem durch A. v. Humboldts Schriften die Pflanzen-
geographie als besonderer Zweig in der botanischen und
geographischen Wissenschaft hingestellt und weiter über-
liefert wurde.
Als nächste grössere, auf weitem Grunde aufbauende
und die Ideen der Vorgänger sammelnde Generalarbeit
erschienen dann die Grundzüge einer allgemeinen Pflanzen-
geographie von Schouw (1823), welcher später Meyens
Grundriss der Pflanzengeographie (1836) folgte. In diese
Zeit fiel auch eine sehr lebhafte Thätigkeit auf dem Ge-
biete exotischer Floristik, wozu zahlreiche Expeditionen,
sowie intensivere Forschung in den alten Ländern Ver-
anlassung gaben; infolgedessen erwuchs ein stattliches
Material, welches an die schon vorhandenen pflanzen-
geographischen Grundlinien angepasst und zu ihrer Ver-
besserung benutzt werden musste. Diese Periode legte den
Grund zu der heutigen fachgemässen Quellenlitteratur.
[8]Biologische und systematische Floristik.
Richtungen in der Pflanzengeographie. Die drei der
Natur der Sache nach gegebenen Hauptrichtungen der Pflanzen-
geographie sind oben schon besprochen; hier folgen noch einige
ausführlichere Auseinandersetzungen darüber, weil in ihrer Behand-
lungsweise Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind. — Am natür-
lichsten liegen die Verhältnisse der biologischen Richtung: Wir
sehen, selbst ohne physiologische Kenntnisse tief-wissenschaftlicher
Art, die Pflanzenwelt aller Orten in Abhängigkeit von den Jahres-
zeiten, welche einen scharfen Klimawechsel zur Folge haben; wir
sehen sie ferner in ihrer Standortsverteilung offenbar durch die
Unterlage und durch die Bewässerung bedingt, zugleich auch ab-
hängig von den durch die grossen Pflanzenbestände selbst hervor-
gerufenen sekundären Bedingungen, indem gewisse Arten beispiels-
weise den Waldesschatten aufsuchen, andere ihn fliehen. Es kann
daher diese Richtung keinen anderen Weg nehmen, als den, an
der Hand der experimentellen Physiologie die Grundlage der geo-
graphisch und topographisch verschieden verteilten Lebensbe-
dingungen zu erforschen, um dadurch eine Einsicht zu erzielen,
wie es sich mit den Anpassungserscheinungen der Pflanzenwelt
an den Charakter jeder einzelnen Landschaft verhält. Die Wege
dazu mögen verschieden sein, falsche Voraussetzungen mögen neben
richtigen dazwischen laufen: die Forschung auf diesem Gebiete
wird ihr Recht behalten, wenn dies Ziel im Anschluss an Experi-
mentalphysiologie fest im Auge behalten wird. — Die ver-
gleichende systematische Floristik hat eine sehr einfache und
unabweisliche Grundlage. Für Länder von bestimmter geographi-
scher Begrenzung werden vollständige Florenkataloge entworfen,
und in diesen bei den einzelnen Sippen die Häufigkeit, die Vertei-
lung nach Genossenschaften, eventuell das Aufhören des Areals an
bestimmten Stellen, hinzugefügt. Der geographisch-wissenschaft-
liche Schwerpunkt liegt aber naturgemäss in der Vergleichung
der Florenkataloge verschiedener Länder, um daraus eine Kenntnis
von der Arealgrösse aller das Interesse auf sich lenkenden Sippen
abzuleiten, diese unter gemeinsame Gesichtspunkte zu bringen, und
zum Nutzen der physikalischen Geographie besonders die Gemein-
samkeiten und Verschiedenheiten der grösseren oder kleineren
Länderkomplexe darzustellen. Das Endziel und das Material liegen
also auch hier klar; aber da sich für die Wissenschaft stets er-
klärende Gründe notwendig machen, unter deren Lichte erst das
statistische Material plastische Wirksamkeit erlangen kann, so
stösst hier überall die nach erklärenden Gründen verlangende Frage
auf, warum die Areale der Pflanzensippen diese und nicht etwa
eine andere Gestalt angenommen haben, warum oft mitten in einem
Ländergebiete starke Arealgrenzen sich zeigen, warum ein Teil
der Meere gleichsam als Sperre zwischen Arealen, ein anderer Teil
aber wie eine Brücke zur Vergrösserung anderer Areale gedient
hat? Bei den nahen Beziehungen, welche zwischen Klima und
Pflanzenleben seit alter Zeit beobachtet sind, konnte man nicht
unschwer feststellen, dass wirklich das Klima in erster Linie die
[9]Anschluss an die Geologie.
Grenzen bestimmt, welche man den Sippenarealen mitten im Lande
gesetzt fand, oder noch besser gesagt: die Zusammenwirkung
zwischen Boden und Klima. In der ersten Periode der Pflanzen-
geographie wurde daher nur die eine Meinung laut, dass das Klima
überall die Veranlassung einer bestimmten Flora gewesen sei, und
zwar dachte man dabei nur an das Klima in seiner gegenwärtigen
Erscheinungsweise auf der Erde. Zwischen 1840 und 1850 jedoch
traten die ersten methodisch wirkungsvollen Verbesserungen dieser
Erklärungsweise ein, welche in allmählicher Erweiterung zu einer
Reform geführt haben. Man muss nämlich in den Erklärungen
unterscheiden, warum eine bestimmte Pflanze an einer bestimmten
Lokalität auftritt, und mit welchen äusseren und inneren
Mitteln sie daselbst ihre fortdauernde Erhaltung erzielt.
Der letzte Teil der geforderten Erklärung ist nämlich wiederum
biologisch und steht daher in unmittelbarem Zusammenhange mit
dem zuerst besprochenen Gesichtspunkte: hier ist die Mitwirkung
von Klima und allen übrigen äusseren Lebensbedingungen selbst-
verständlich; beispielsweise kann eine auf warme stehende Gewässer
angewiesene Pflanze auch nur nach ähnlichen warmen Gewässern
hin sich verbreiten. Aber das Auftreten einer solchen Pflanze hier
und dort, das Vorhandensein in dem betreffenden Lande überhaupt,
ist als eine ganz getrennte Frage zu behandeln: die betreffende
Wasserpflanze kann durch wandernde Vögel mitgeschleppt und von
einem Teich zum anderen übertragen sein, sie kann hier oder dort
als Art zuerst auf der Erde entstanden, sie kann als Relikt in
einem kleinen Tümpel übrig geblieben sein, als derselbe durch
orographische Umgestaltungen von einem grösseren See, in welchem
sie allgemein verbreitet war, abgeschnitten wurde. Auf diesem
Gebiete der Fragestellung herrscht ein anderes Wesen, als auf dem
biologischen; fremdartige Teile der Naturforschung werden berührt,
mit Vorsicht und umsichtiger Erwägung ist von den verschie-
denen Möglichkeiten die wahrscheinlichste zu wählen, durch Zu-
sammentreffen vieler Wahrscheinlichkeiten sind Erklärungen aufzu-
stellen, welche der wissenschaftlichen Wahrheit möglichst nahe
kommen; doch wird immerhin die Hypothese hier, wo auch die
dunkle erste Entstehung der Arten der Zeit nach in Frage kommt,
ein freieres Spiel haben. Hier schliesst sich nun die Pflanzen-
geographie in ihrer ganzen Methode an die Geologie an und
entlehnt ihr auf geographischer Grundlage das Gerüst, mit welchem
sie ihre einzelnen Glieder aufzubauen gedenkt; und für das, was
sie der geographischen Geologie, der Entwickelungsgeschichte der
Oberfläche der Erde in ihrem gegenwärtigen orographischen Auf-
bau mit seinen alten und jungen Organismen, verdankt, zahlt sie
derselben Disziplin ihre eigenen Aufschlüsse zurück, welche oft
sichernd da auftreten, wo die Geologie selbst andere Methoden
nicht besitzt. Man bedenke, dass man die alten Klimate nach
den Pflanzenresten beurteilt, welche in den zugehörigen Schichten
abgelagert sind, von der Voraussetzung ausgehend, dass die klima-
tische Sphäre bestimmter Sippen des Pflanzenreichs in alter Zeit
[10]Die Physiognomik als
und Gegenwart ziemlich gleich gewesen sein möchte. In der Frage
nach dem Ursprunge der Sippen und nach der Erzielung ihres
jetzigen Areals ist daher die Pflanzengeographie in eine geolo-
gische (erd-entwickelungsgeschichtliche) Methode zu ihrem Heile
eingelenkt, so dass A. de Candolle jetzt mit Recht die neuere,
strenger wissenschaftliche Richtung unserer Disziplin von diesem
Zeitpunkte an rechnet.
Man möge nur nicht denken, dass dadurch die Wirkungs-
weise der im Klima, im Boden, in der Konkurrenz der anderen
Organismen liegenden äusseren Lebensbedingungen durch die geo-
logische Methode irgendwie beeinträchtigt sei; es handelt sich nur
darum, dass das heutige Klima im Anschluss an die heutige
Orographie der Erde nicht die ganze Verteilung der Pflanzen-
sippen, so wie sie vor unseren Augen steht, bewirkt hat, sondern
dass diese Verteilungsweise in ihren Grundzügen sich herleitet von
der der vorangegangenen Erdperioden, und dass die vergangene
Orographie und die Klimate vergangener Perioden dabei auch mit-
gewirkt haben; das heutige Klima hält nur die Auslese von alle-
dem, was es im Anschluss an die jüngste Erdentwickelung vorfindet,
vernichtet hier diese Sippen, fördert dort jene zur kräftigen Aus-
breitung, erlaubt den Verschlagungen hier eine bleibende, dort
eine nur vorübergehende Ansiedlungsstätte, hat aber nichts absolut
Verändertes geschaffen.
Es ist bekannt, dass Grisebach in seiner „Vegetation der Erde“
deswegen, weil er — wie schon der Name des Werkes anzeigt —
die Wechselbeziehungen zwischen Klima und Pflanzenleben darzu-
stellen beabsichtigte, die geologische Seite der Pflanzengeographie
nicht nur für besondere Behandlung ausgelassen, sondern auch
vielfach den Versuch gemacht hat, Fragen auf dem Wege klima-
tologischer Untersuchung zu lösen, wo der florenentwickelungs-
geschichtliche Weg vornehmlich zur Lösung berufen gewesen wäre.
Es ist dies besonders da der Fall, wo getrennte Areale und auf-
fällige Verbreitungsverhältnisse durch die im Augenblick wirksamen
Kräfte auffälliger Verschlagung und abnormer Ausbreitung erklärt
werden sollen, während ein Zurückgreifen auf geologische Zustände
von dem jüngsten Tertiär, von der Eiszeit vielleicht, den Schlüssel
dazu bieten würde. Wenn es bedauerlich ist, dass in dem gross-
artigen Werke so mancher Raum mit einer Hypothese der Art ge-
füllt ist, so muss doch anderseits auch betont werden, dass Grise-
bach die geologische Richtung selbst in ihrem vollen Werte aner-
kannte; vergl. in der oben angegebenen Abhandlung (1866) „Geo-
logische Geobotanik“ (Griseb. Abh. S. 324—334).
Die physiognomische Richtung der Pflanzengeographie
als letztgenannter Gesichtspunkt, den man besser als Lehre von
den Vegetationsformationen bezeichnet, hat ohne eigent-
liche feste Bahnen sich nach Ideen einzelner Pflanzengeographen
gebildet, welche vielfach voneinander abwichen. Der Grund dafür
ist leicht einzusehen: mit der biologischen Richtung einerseits und
mit der vergleichenden Betrachtung der Areale der Systemsippen
[11]Lehre von den Formationen.
sind die beiden natürlichen botanischen Gesichtspunkte erschöpft,
und mit der Physiognomik fängt ein eigener Gesichtspunkt der
physikalischen Geographie in Hinsicht auf das den Ländern in ihrer
Pflanzendecke verliehene organische Kleid an. Das zeigen schon
die Begriffe: Wälder, Wiesen, Moore, Steppen, Tundren etc., welche
zwar sich auf Pflanzenbestände beziehen, aber doch zunächst keine
Begriffe der analytischen Botanik sind. Daher urteilte man auch
sehr verschieden über die Fixierung dieser Begriffe; am meisten
verbreitet war früher die Meinung, es handle sich bei der Physio-
gnomik um malerische Schilderungen der Landschaftsbilder in wirk-
lich dem Wesen der Kunst entlehnter Auffassung. So z. B. denkt
auch Kabsch (1865) darüber. Das würde dann aber aus dem Rahmen
der strengen Naturwissenschaft heraustreten und die Physiognomik
als ein fremdartiges Anhangsgebilde behandeln heissen.
Das Aussehen der Pflanzendecke richtet sich zunächst nach
der Vegetationsform, welche hier oder da die herrschende ist, nach
dem Auftreten von Bäumen, Gesträuchen, immergrün oder blatt-
wechselnd, blattlos u. s. w. Nun aber treten in derselben Vege-
tationsform alle möglichen Sippen auf und geben ihr ein sehr ver-
schiedenartiges Aussehen; alle deutschen Laubbäume gehören zu
den blattwechselnden, sind aber doch als Eichenwald, Birkenwald,
Buchenwald verschieden genug. Es ist also die Tracht der Ge-
wächse jedes Landes gleichzeitig bestimmt durch seine Vegetations-
formen und die unter diesen auftretenden morphologischen Träger,
d. h. durch die systematischen Ordnungen, Gattungen, Arten der
Landesflora. Es läge daher in Betrachtungen darüber gar nichts
Neues, als schon unter biologischer und systematischer Richtung
zur Erörterung gelangt war, wenn nicht durch den Geselligkeits-
anschluss selbst eine bestimmte organische Kraftwirkung von hoher
Bedeutung hervorgerufen würde, welche zu den ersten Erkennungs-
merkmalen der Landschaft und ihrer klimatischen Verhältnisse ge-
hört. Die Pflanzenbestände daher wissenschaftlich zusammen-
zufassen und ihre gleichartige oder ungleichartige Verbreitung in
Abhängigkeit von den grossen Zügen der Bodenwirkung und Klima-
verteilung über die Erde zu verfolgen, ist eine unumgänglich
notwendige Aufgabe der Pflanzengeographie als Glied der physi-
kalischen Geographie.
Stellung der Pflanzengeographie zu der physi-
kalischen Geographie. Aus dem Vorhergehenden ergibt
sich schon klar, was die „Geobotanik“ der allgemeinen
und der im einzelnen schildernden Geographie nützen
kann; es zeigt sich deutlich die Pflanzengeographie als
eine Disziplin, welche mit rein botanischen Fragen an-
hebend und nur die Methoden der botanischen Richtungen
befolgend Urteile fällt, die neben der Botanik auch die
biologischen, klimatologischen und geologischen Seiten
[12]Die Pflanzengeographie ein
der physikalischen Geographie tief berühren und sich dort
in unlöslichen Zusammenhang mit ihr setzen; sie tritt
endlich hervor als eine Disziplin, welche, durch den geo-
graphischen Gesichtspunkt selbst angeregt, Fragen auf-
wirft und Methoden ersinnt, die zunächst der abstrakte
Botaniker nicht im Rahmen seiner Gedanken vorfindet und
die daher auf wirklich geographische Gebiete überführen.
Alles in allem stellt sich also die Pflanzengeographie als
eine die reine Botanik mit der reinen physikalischen Geo-
graphie verbindende selbständige Disziplin dar, und es
könnte die Frage aufgeworfen werden, wie denn in einer
Sammlung „geographischer Handbücher“ die Interessen
der Geographie zu wahren und vor Beeinträchtigung
durch die botanischen Gesichtspunkte zu schützen seien.
Gegen solche Zerteilung aber wehrt sich die Einheit der
jeder selbständigen Disziplin unterliegenden Grundgedanken,
welche nicht auf andere Weise frei und befruchtend aus-
gebildet werden können, als wenn sie jede ängstliche
Rücksichtnahme auf eine herkömmliche Einteilung der
Wissenschaften, welche nicht in allen Stücken eine not-
wendige ist, vermeidet. Mit dem Bewusstsein völliger
innerer Uebereinstimmung möge hier auf Ratzels erstes
Handbuch dieser von ihm veranstalteten Sammlung (An-
thropo-Geographie, S. 12, 13) hingewiesen werden, auf die
Bemerkung, dass bei diesen logischen Klassifikationen
die Wissenschaften nicht gefasst werden, wie sie wirklich
sind und betrieben werden, sondern wie sie im Geiste
sich gegeneinander abgrenzen.
„Ueberhaupt, wieviel von der Grenzausdehnung einer
Wissenschaft hängt nur von der Thätigkeit ab, welche auf
ihrem Gebiete entwickelt wird! Darum haben die Grenz-
fragen, unphilosophisch und im Detail aufgefasst, etwas
Müssiges, was kräftige Geister abstösst. Von den streitigen
Gebieten, die jede Wissenschaft an ihren Grenzen besitzt,
gilt dies durchaus.“
Es wird daher auch in diesem pflanzengeographischen
Handbuche der Grundsatz gelten, dass kein von der
Wissenschaft selbst rechtmässig geforderter Gesichtspunkt
ausser acht bleibt, unbekümmert um seine Dependenz
von der einen oder der anderen botanischen Richtung,
[13]Glied der physikalischen Geographie.
oder um seinen vollen Anschluss an die geographischen
Methoden. Denn nur dadurch kann sich die Pflanzen-
geographie als ein würdiges Glied in den Kreis der phy-
sikalisch-geographischen Disziplinen einreihen, dass sie
selbständig den ganzen Umfang der ihr anheimfallenden
Thatsachen beleuchtet.
In der Ausführung der Einzelheiten freilich, wo
ja doch stets eine Beschränkung eintreten muss, ist es
angemessen, da, wo es sich um Förderung der physika-
lischen Geographie handeln soll, die rein geographischen
Beziehungen in den Vordergrund treten und die rein bo-
tanischen nur in dem notwendigen Umfange auftreten zu
lassen, besonders also das ungeheuere systematisch-flo-
ristische Material auf gedrängte Auszüge zu beschränken.
Mit vollem Rechte wollen die Geographen daher in
dem, was für sie aus der Pflanzengeographie nützlich er-
scheint, zwischen dem chorographischen Moment, das bei
den organischen Naturwissenschaften zu deren eigener
Vervollständigung bearbeitet werden muss, und dem auf
die Organismen bezüglichen geographischen Moment einen
Unterschied machen und gemacht wissen; es ist dies der
bezüglich der Pflanzengeographie früher oft gemachte
Unterschied zwischen geographischer Botanik und bota-
nischer Geographie. Das ist von ihrem Standpunkte aus
recht; aber wenn man [wie Beck, vergl. G. J. Bd. X,
1884, S. 584] so weit geht, die Verbreitungsgebiete der
Pflanzen- und Tierformen als bedeutungslos für die geo-
graphischen Einteilungsglieder, für die Erdoberflächen-
teile selbst hinzustellen, so scheint das doch nur aus Be-
quemlichkeit für die Geographie zu geschehen, aus der
Besorgnis, sich in Fragen einarbeiten zu müssen, denen
der Einzelne nicht immer gewachsen sein kann. Nur die
Massenhaftigkeit des Vorkommens soll dieser Ansicht zu-
folge von Bedeutung sein; — aber wie, liegen nicht die
wichtigsten Zeugnisse des geographischen Werdens und
Seins in solchen Thatsachen, dass keine arktische Insel
organische Formen für sich besitzt, welche auf eine
längere Zeit hindurch andauernde abgeschlossene Ent-
wickelung derselben hinweisen, dass dagegen auf die Süd-
[14]Bedeutung der Pflanzengeographie.
westecken Afrikas und Australiens eine Fülle eigener
Formen beschränkt ist, als wenn diese Ecken, ozeanischen
Inseln vergleichbar, durch unübersteigliche Grenzwälle
von ihren Nachbargebieten abgeschlossen geblieben wären?
Was nützt hier die Massenhaftigkeit irgend einer Sippe
bei solchen Fragen, die die Entwickelungsgeschichte der
Festländer und Inseln betreffen! Sie sind nicht von der
geologischen Methode zu trennen und betreffen die eigen-
sten geographischen Grundfragen für ihre Einteilungs-
glieder.
Zwar kann nicht jeder Geograph in diesen Dingen
selbständig eintretend schaffen; insofern soll die Pflanzen-
geographie eine seiner Hilfswissenschaften sein, welche
für sich bearbeitet sein will. Die allgemeinen Resul-
tate der Geographie der Organismen aber auch in nur
einem natürlichen Gesichtspunkte, den sie zeigt, zu ver-
nachlässigen, würde das Fundament der allumfassenden
physikalischen Geographie in einer stützenden Säule er-
schüttern heissen.
[[15]]
2. Die Beziehungen der Lebenseinrichtungen
der Pflanzen zu den geographisch verschieden
verteilten äusseren Einflüssen.
Aufgabe der geographischen Biologie der Pflanzen. 1) Geo-
graphisch wirkende Agentien: Sonnenlicht. — Wärme; höchste und
tiefste Temperaturen ohne Beschädigung der Vegetation. — Nieder-
schläge und Luftfeuchtigkeit. — Periodicität in der Einwirkung
der geographischen Agentien. Phänologie. 2) Topographisch wir-
kende Agentien: Orographischer Aufbau. Lebenslage durch orga-
nische Mitbewohner. 3) Biologische Verschiedenheit der Organi-
sation unter den Wirkungen der geographisch-topographischen
Agentien. Vegetationsformen. Vegetationszonen der Erde: ver-
einigte periodische Zusammenwirkung von Licht, Wärme, Feuch-
tigkeit.
‘Une plante n’est point un instrument analogue au ther-
momètre, qui soit de nature à marcher parallèlement avec
celui-ci; c’est plutôt une sorte de machine faisant un travail,
et un travail très varié, sous l’impulsion des agents extérieurs,
savoir, la chaleur et la lumière, et d’un agent intérieur,
la vie, dont il est difficile de se passer pour rendre compte
des phénomènes. Si les fonctions accomplies par la plante
donnent une mesure de la chaleur, ce n’est que d’une manière
indirecte, modifiée par une foule de causes secondaires.
Alph. de Candolle, Géogr. botan. 1855.’ ()
Aufgabe der geographischen Biologie der Pflan-
zen. Es ist im ersten Abschnitt die Richtung, welche
die biologische Pflanzengeographie einzuschlagen hat, im
allgemeinen gekennzeichnet; die hauptsächlichen Themata
sind hier nun einzeln zu nennen. Zuvörderst ist wohl
selbstverständlich, dass die Pflanzengeographie bei der
[16]Die äusseren Agentien in
Prüfung der Beziehungen zwischen äusseren Einflüssen
und Pflanzenleben ihr Augenmerk nur auf die Agentien
zu lenken hat, welche nicht gleichmässig an allen Orten
vorkommen, sondern welche entweder nach den grossen
Ländermassen verschieden verteilt sind, oder welche in
jeder Ländermasse je nach deren orographischem Auf-
bau in einander entsprechender Weise die mittleren
Lebensbedingungen jedes Landes wiederum nach dieser
oder jener Richtung hin schwanken machen und mannig-
faltig gestalten. Wir haben es also hier zu thun nur
mit den im Sinne geographisch und topogra-
phisch verschiedener Verteilung wirkenden äus-
seren Agentien, indem wir die Bezeichnung „geogra-
phisch wirkend“ auf die, die Hauptzüge der Verteilungs-
weise bewirkenden Einflüsse beschränken, die Bezeichnung
„topographisch wirkend“ aber auf die Regulatoren der
Verteilungsweise nach Standorten in jedem nach grossen
Grenzen schon fertig abgesteckten Vegetationsbilde. Dass
eine scharfe Unterscheidung zwischen geographisch und
topographisch wirkenden Agentien nicht immer durchzu-
führen ist, ist uns als Naturforschern, die an solche Dinge
in der organischen Welt überhaupt gewöhnt sind, weder
unbekannt noch störend, denn für die Darstellungsweise
wird doch dadurch gewonnen. Dass die mit der geogra-
phischen Lage an sich, so und so viel Grade vom Aequator
entfernt mit einem für jede Jahreszeit bestimmten Nei-
gungswinkel der Sonnenstrahlen zur Erdoberfläche, zu-
sammenhängenden Einflüsse zu der ersten Kategorie ge-
hören, die vom Relief bedingten Verhältnisse der Wasser-
verteilung im Boden oder das Auftreten von Kalksteinen
hier und von Sandsteinen dort zu der zweiten, mag als
Beispiel für die im Prinzip festgestellte Unterscheidung
dienen.
Ausgeschlossen von der Betrachtung sind daher alle
das Pflanzenleben noch so sehr beeinflussenden Lebens-
bedingungen, wenn sie gleichmässig oder in für die Ver-
teilungsweise der Pflanzen gleichgültiger Abstufung über
die ganze Erde verteilt sind. Dahin gehört z. B. die An-
knüpfung pflanzlichen Lebens an das Vorhandensein der
[17]der Verteilung der Pflanzen.
Kohlensäure zum Zweck der Ernährung; denn dieselbe,
obgleich auch im Prozentgehalte der Atmosphäre schwan-
kend, ist überall genug vorhanden, um das pflanzliche
Leben in voller Energie aufrecht zu halten. Wenn wir
daher in einem Lehrbuch der Pflanzenphysiologie und
auch in solchen biologischen Zusammenstellungen, wie
sie Wiesner (Elem. d. wiss. Bot., Bd. III, Biologie, 1889)
überliefert hat, die einzeln aufgeführten Agentien in Bezug
auf ihre gleichmässig überall ausgeübte Wirkungsweise
oder Wirkungsmöglichkeit, oder auf ihre nach geogra-
phisch-topographischer Verschiedenheit stattfindende Ab-
änderungsfähigkeit prüfen, so haben wir dadurch eine
Auswahl der äusseren Bedingungen zu pflanzengeogra-
phischen Zwecken vorgenommen, indem wir die erstere
Kategorie beiseite lassen und uns nur mit der Wirkungs-
weise der zweiten beschäftigen. Zu dieser letzteren Ka-
tegorie gehören die Wirkungen des Sonnenlichtes, der
Wärme, der Niederschläge und der Luftfeuchtig-
keit in ihrer verschiedenartigen Verteilung über die Erde
als geographisch wirkende Agentien ersten Ranges; ferner
der jeweilige orographische Aufbau mit den durch
ihn bewirkten Bewässerungsverhältnissen, ange-
knüpft an ein bestimmtes Substrat (Bodenkrume oder
Wasser), und die durch die organischen Bewohner der
Erde selbstgeschaffenen Umänderungen als weitere Lebens-
bedingungen (welche wir kurz unter der Bezeichnung von
„Lebenslage“ zusammenfassen wollen), alle diese als
Agentien von topographischer Wirkung.
1. Geographisch wirkende Agentien. — Sonnen-
licht. In der Wirkungsweise des Erdumlaufs um die
Sonne im Jahreswechsel und in der des Wechsels von
Tag und Nacht, welche die grosse jährliche und die
kleinen täglichen Perioden des Pflanzenlebens erzeugen,
pflegt man stets von der Wärmewirkung zu sprechen,
ohne dem Lichte die gebührende Rolle zuzuerteilen. Und
dennoch muss diese vorangestellt werden, da die sich aus
der atmosphärischen Kohlensäure ernährenden grünen
Pflanzenorgane zwar diese ihre fundamentale organische
Drude, Pflanzengeographie. 2
[18]Beziehungen zum solaren Klima.
Arbeit durch Acclimatisation bei verhältnismässig niederen
Temperaturen (über Null) auszuführen lernen, aber nie-
mals das Licht entbehren können. Die Lichtperiode ist
daher der oberste Regulator des pflanzlichen Lebens.
Es gilt dieses Gesetz nicht von einer einzigen Vegetations-
erscheinung, welche in merkwürdiger scheinbarer Unabhängigkeit
vom Vorhandensein des Lichtes bekannt geworden ist, nämlich von
den Entwickelungserscheinungen ozeanischer Tange unter dem Eise
in arktischen Breiten zur Zeit der Polarnacht, von welchen unten
(Absch. 6, Kap. 4) die Rede sein wird; eine völlige Unabhängigkeit
von der Licht periode ist aber auch hier nicht vorhanden.
Es ist daher zur Beurteilung der Vegetationsenergie
und deren Verteilung auf die verschiedenen Jahreszeiten
der Vergleich des „solaren Klimas“ notwendig, welches
Hann (Handbuch der Klimatologie, S. 55 u. ff.) über-
sichtlich darstellt. Die Verteilung der Wärme, welche
nach diesem solaren Klima theoretisch beurteilt werden
soll, interessiert uns dabei weniger, weil der Pflanzen-
geograph mit den thatsächlich stattfindenden Verhält-
nissen allein zu rechnen hat; die Verteilung des Lichtes
aber, welche nur durch Bewölkung abgeändert, und nicht
wie die Wärme durch Luftströmungen und die Eigen-
schaften des Erdreichs und Wassers umgestossen werden
kann, ist nach diesem solaren Klima allein zu beurteilen:
die Grösse der geleisteten organischen Arbeit (mit an-
deren Worten die „Vegetationsfülle“) muss bei sonst
gleichen äusseren Bedingungen der Lichtintensität ent-
sprechen.
Eingehendere Litteratur zu diesem Zwecke siehe G. J. Bd. VIII
S. 231 u. 232.
Deshalb sind Betrachtungen, wie solche, dass die Ver-
teilung der Strahlenmengen (pro Tag) zur Zeit der nörd-
lichen Sommer-Sonnenwende sich verhält wie
| Nordpol | 62° N. | 43 ½° N. | Aequator | 66 ½° S. |
| 1203 | 1092 | 1109 | 881 | 0 |
wenn die den Aequator am 20. März treffende Strahlen-
menge gleich 1000 gesetzt wird; ferner die Betrachtung,
dass der Unterschied der Bestrahlungsintensität am
Aequator nur 12 % vom Mittel beträgt, dass dagegen
schon unter 30° N. die Strahlenmengen zwischen 520 und
[19]Bedeutung der Tageslänge.
1088, unter 50° N. zwischen 197 und 1105, unter 70° N.
zwischen 0 und 1130 im Winter und Sommer schwan-
ken (Hann), höchst lehrreich zur Beurteilung der zwin-
genden Lebensbedingungen, welche vom Sonnenstande als
Lichtquelle allein schon auferlegt werden. Denn wenn
z. B. durch Eigenwärme der Erde auf ihrer Oberfläche
eine überall das Pflanzenleben aufrecht erhaltende Tem-
peratur geschaffen wäre, so würde die verschiedene Ver-
teilungsweise der Bestrahlung allein schon klimatische
Zonen hervorrufen und diesen durch den verschiedenen
Ausschlag der jährlichen Periodizität einen besonderen
Stempel aufdrücken müssen.
Wie die angeführten Zahlen zeigen, holen die po-
laren Länder durch eine starke, auf kurze Zeit zusammen-
gedrängte Intensität der Bestrahlung nach, was ihnen an
Gleichförmigkeit einer zur Aufrechterhaltung grüner Ve-
getation nötigen Bestrahlung abgeht; inwiefern diese zu-
sammengehäufte Lichtfülle in kurzer Zeit eine besonders
nützliche Lebensbedingung, vielleicht auch die Ursache
mancher Besonderheiten polarer Vegetationsformen ist,
kann man schwieriger beurteilen, weil die in der Natur
selbst angestellten Beobachtungen (s. unten) nur die
Wirkung von Licht in Kombination mit Wärme erläutern.
Am leichtesten kann man sich noch durch in unseren
Laboratorien ausgeführte Experimente darüber unter-
richten, wo wir bei gleicher Wärme die Beleuchtung in
unserer Gewalt haben, indem wir Topfpflanzen zum Teil
das ganze Tageslicht geniessen lassen, zum anderen Teil
durch Hineinstellen in Dunkelschränke während bestimmter
Tagesstunden des Vorteils der langen Sommertage be-
rauben und am Schluss des Sommers durch die Wage
die an beiden Teilen geleistete organische Arbeit ver-
gleichen. Hier wissen wir schon durch Sachs’ Versuche, dass
bei einem Vergleich von lichtbedürftigen Sommergewächsen
teils in 14stündiger, teils in 7stündiger Beleuchtung die
erstere Hälfte nicht etwa die doppelte, sondern die vier-
fache Gewichtszunahme (als geleistete organische Arbeit
durch Assimilation der Kohlensäure am Licht unter Hinzutritt
der übrigen für die Ernährung notwendigen Substanzen)
[20]Insolation im hohen Norden.
aufzuweisen hatte; die erstere Hälfte blühte üppig und
setzte Früchte an, die in 7 stündiger Beleuchtung er-
zogene dagegen vermochte keine Blüthenknospe zur Ent-
wickelung zu bringen. Der besondere Vorzug der unaus-
gesetzten Bestrahlung ohne Wechsel von Tag und Nacht
im Polarsommer für die dortige kurzlebige Vegetation
lässt sich hiernach deutlich beurteilen, wenngleich der
niedere Sonnenstand selbst einer ausgiebigen Wirkung ent-
gegensteht. — Doch lässt sich aus den Wärmewirkungen
auf das Insolations-Thermometer ersehen, wie gross that-
sächlich im arktischen Hochsommer die Sonnenkraft eines
einzelnen Tages sein kann.
Bei der Seltenheit derartiger Beobachtungen möge eine von
Warming am 26. Juli 1884 zu Kristianshaab gemachte Messung
hier mitgeteilt werden:
Schwarze Thermometer-Kugel:
| 6 ½ h Vm. | 7 ½ h Vm. | 8 ½ h Vm. | 9 h Vm. | 1 h Nm. | 2 h Nm. | 4 h Nm. |
| 18°C. | 22 ½°C. | 23°C. | 30°C. | 33°C. | 35°C. | 31 ½°C. |
Blanke Thermometer-Kugel:
| 6 ½ h Vm. | 7 ½ h Vm. | 8 ½ h Vm. | 9 h Vm. | 1 h Nm. | 2 h Nm. | 4 h Nm. |
| 15°C. | 20 ½°C. | 19°C. | 24 ½°C. | 30°C. | 31°C. | 27°C. |
Zu Tesuisak wurden am 29. Juli Vm. 11 ½ h 31°, 12 ½ h
als Maximum 40°C. an der Insolationskugel abgelesen, während
die blanke Kugel 36 ½°C. zeigte. (Meddelelser om Grönland,
XII. 100.)
Dieser Insolationswirkung entspricht eine für hohe
Breiten unerwartete Totalerwärmung, deren Wirkung
sogleich hier kurz erwähnt werden mag. Auch in Grön-
land treten Zeiten ein, „wo der flachgründige Boden durch
und durch erhitzt wird und eine sengende Dürre im Boden
und in der Luft herrscht; die Flechten stehen trocken
und spröde, die Moose zusammengeschrumpft; dass die
Gefässpflanzen eigens eingerichtet sein müssen, um solche
Verhältnisse ertragen zu können, ist einleuchtend. So
merkwürdig es auch lautet, ist es doch wahr, dass wir
in einem arktischen, ein ungeheueres Eisfeld umschliessen-
den und vom Eis umschlossenen Lande wie Grönland
Vegetationsformationen finden, nämlich Heide und Fjeld-
formation, welche anatomische Verhältnisse im Blattbau
darbieten, wie sie auch in südlichen Steppen und Wüsten
zu finden sind“ (Warming).
[21]Schutzmittel. Licht im Ozean.
Die anatomischen Verhältnisse, auf welche hier hin-
gedeutet wird, bewirken sowohl Verdunstungsschutz, als
auch Schutz gegen die Zerstörung des Chlorophylls in
den zu intensiv besonnten Blättern, und sind, wie es
scheint, ziemlich gleichmässig über die Kontinente im
Bereich analoger, das offene Land und Steppenwüsten
auszeichnender Pflanzenbestände verbreitet. Wiesner hat
eine Abhandlung über die „Natürlichen Einrichtungen
zum Schutze des Chlorophylls“ (1876) herausgegeben, in
welcher als Schutzmittel gegen Lichtzerstörung die Lage
und Form der Blätter, ihr Oberhautbau und die Wirkung
von Behaarung genannt werden. —
Wie im letzten Abschnitt bei Betrachtung der See-
tangvegetation näher besprochen werden wird, bildet die
durch Absorption im Meereswasser schwindende Licht-
menge den zwingenden Grund des Abschlusses ozeanischer
Flora in geringen Tiefen von meistens nur 200 m; ohne
Licht keine Ernährung. Um so überraschender war es,
dass die Plankton-Expedition 1889 in Tiefen von 1000 bis
2200 m des Atlantischen Ozeans zahlreiche Exemplare
einer kleinen Alge: Halosphaera viridis, fand, welche als
zweite Ausnahme gegen die sonstige Allgewalt des Lichtes,
wiederum im Ozean, dastehen.
Wärme. Die Temperatur ist derjenige meteoro-
logische Faktor, dessen Wirkungsweise auf die organische
Welt, insbesondere auch auf das Pflanzenleben, von jeher
am meisten durchforscht und durchdacht ist; es liegt
dies dem Menschen um so näher, als er selbst von ihm
viel stärker in Mitleidenschaft gezogen wird als vom
Licht, dessen Mangel sich wenigstens nicht sogleich in
Funktionsstörungen seines Organismus äussert, wie es bei
den Pflanzen der Fall ist. Die Temperatur tritt übrigens,
wenngleich an die Polhöhe in erster Linie gebunden,
doch in so ganz anderer Verteilungsweise als die Licht-
menge auf, zeigt weder ihre Maxima unter dem Aequator
selbst, noch ihre Minima an den Polen, ist sogleich nach
Luft und Boden, Land und Wasser, so verschiedenartig
abgestimmt, dass man sich dieser Verschiedenheiten wohl
[22]Spezifische Nullpunkte.
bewusst bleiben muss, wenn man, wie es gewöhnlich ge-
schieht, Licht und Wärme als beide der Sonnenquelle
entstammend einer gemeinsamen Betrachtungsweise ihres
Einflusses auf das Pflanzenleben unterwirft.
Das Grundgesetz, nach welchem alle Einzelerschei-
nungen in dieser Beziehung zu beurteilen sind, ist das
Gesetz der „spezifischen Nullpunkte“: alle Vegetations-
erscheinungen sind an bestimmte Temperaturen gebunden,
welche verschieden sind sowohl für die verschiedenen
Pflanzenarten und -Individuen, als für die verschiedenen
Lebensprozesse in dem einzelnen Individuum und daher
spezifisch genannt werden; jede Lebenserscheinung tritt
erst mit einer bestimmten niederen Temperatur ein, nimmt
mit steigender Temperatur an Lebhaftigkeit zu, bis sie
bei einer viel höheren Temperatur kulminiert und dann
mit weiterer Temperaturzunahme an Lebhaftigkeit ab-
nimmt, um endlich eine zweite bestimmte obere Tempe-
raturgrenze zu erreichen.
Die unteren Grenzwerte der Temperatur verraten
meistens schon ziemlich deutlich das durchschnittliche
Wärmeklima, in welchem eine Pflanze zu vegetieren als
erbliche Anforderung überkommen hat; sie liegen in den
seltensten Fällen unter dem Gefrierpunkte des Wassers,
liegen wenig über demselben bei arktischen und hoch-
alpinen Arten, hoch über ihm bei den Arten der feucht-
heissen Tropen. Diejenigen Lebenserscheinungen, welche
in kühleren Jahreszeiten vor sich gehen müssen, sind an
niedriger liegende untere Grenzwerte gebunden als die-
jenigen, für welche dem relativen Normalklima zufolge
höhere Temperaturen zu Gebote stehen.
Die Lebensprozesse der Ernährung, des Wachstums und der
Vermehrung werden ganz entschieden schon sicher bei Tempera-
turen unter dem Gefrierpunkte des Wassers ausgeübt bei den die
sogenannte „Schnee- und Eisflora“ bildenden niederen Algen
Chlamydomonas nivalis (Sphaerella n.), Pleurococcus etc., deren Re-
gister Wittrock jüngst für Grönland sorgfältig zusammengestellt
hat (G. J., Bd. XI. S. 116). Kjellman hat während der Ueber-
winterung auf Spitzbergen 1872/73 mehr als 20 Arten von See-
tangen mit deutlicher Reproduktionsthätigkeit mitten in der Polar-
nacht unter dem Eise in — 1° bis — 2° kaltem Meerwasser beobachtet
(G. J., Bd. VII. S. 174.). Auch bei niederen Algen unserer mittel-
[23]Schwelltemperaturen; Grenzwerte.
europäischen Flora hat man bei Frostgraden Lebenserscheinungen
in aller mikroskopischen Deutlichkeit festgestellt. Sonst kann man
sagen, dass erst über dem Gefrierpunkt des süssen Wassers die
Vegetationsprozesse ihren unteren spezifischen Nullpunkt haben.
Die Keimungstemperaturen für tropische Gewächse liegen wohl
alle höher als 10°C.; Gurken und Melonen keimen erst bei 14°C.
unsere Getreidearten bei 4°, die Samen einer grossen Anzahl von
alpinen Gewächsen dagegen schon bei 2°C.
Die Temperaturen unterhalb der spezifischen Null-
punkte sind für das Pflanzenleben wirkungslos und führen,
wenn sie nicht vielleicht durch physiologische Wirkungen
des Frostes töten, zu einem Schlaf- oder Starrezustand,
welcher so lange anhält, bis eine wenigstens zu dem
spezifischen Nullpunkte ansteigende Temperatur ihn aus-
löst. Wenn demnach irgend ein Same + 8° unteren
Grenzwert für seine Keimung hat, so kann er in Boden-
temperaturen von 0 bis 8° niemals keimen trotz Bewäs-
serung und wird eher verfaulen, als ein Pflänzchen ent-
wickeln. Den unteren spezifischen Nullpunkt hat man
daher auch wohl „die Schwelle“ oder die Schwelltem-
peratur genannt, deren Ueberschreiten erst zu der erwar-
teten Lebenserscheinung führt. Was die Bodentempe-
raturen für die Keimung, ebenso für das Austreiben der
im Erdreich schlummernden Knollen, Zwiebeln, Wurzel-
stöcke und für die Wasserzufuhr durch die Wurzeln zur
Folge haben, beeinflussen die Lufttemperaturen hinsicht-
lich der Wachstumserscheinungen der Stengel und Blätter,
hinsichtlich der Ernährungsweise durch die Assimilation
der Kohlensäure, hinsichtlich der Oeffnungs- und Schlies-
sungsbewegungen an Blütenorganen zum Zweck einer
kräftigen Befruchtung, und — wie schon gesagt — an
jeder einzelnen Pflanze pflegen die Grenzwerte für jede
dieser Lebenserscheinungen andere zu sein, spezifisch für
jede Organfunktion, aber selbstverständlich einander sehr
ähnlich für die Flora eines kleinen Gebietes an einheit-
lichem Standorte.
Nach den bisher gemachten Beobachtungen mögen
die günstigsten Temperaturen für die Mehrzahl der Ge-
wächse gemässigter Klimate zwischen 20 und 25°, die
oberen Grenzwerte etwa bei 35 und 40°C. liegen; letztere
[24]Höchste Wärme- und Kältegrade,
werden auch bei den Tropengewächsen wohl schwerlich
stark in die Höhe gerückt sein, doch fehlt es darüber
noch an Beweismaterial. Jedenfalls tritt bei Temperaturen
oberhalb des oberen spezifischen Nullpunktes eine
„Wärmestarre“ ein und die Lebenserscheinungen werden
erst wiederum durch sinkende Temperaturen neu erweckt,
sofern nicht eine zu hohe Temperatur (bis etwa 50°C.
steigend oder höher) überhaupt den Tod der Pflanze her-
vorgerufen hat.
Höchste und tiefste Temperaturen ohne Beschä-
digung der Vegetation. Es ist nicht uninteressant zu
überlegen, wie weit die beobachteten Temperaturextreme
über die durchschnittlichen spezifischen Nullpunkte der
Vegetation der Erde (zwischen 0° und 40°) nach oben
und unten hinausgreifen. Zu den heissesten Gegenden
der Erde gehören die südlichen Küsten des Roten Meeres,
wo die Brunnentemperaturen in 4 bis 5 m Tiefe 34 bis
35°C., die Lufttemperaturen 54 bis 56°C. erreichen
sollen (Hann, Klimatologie, S. 261). Trotzdem ist hier
durchaus keine vegetationslose Wüste, obwohl die Tem-
peratur eine in den physiologischen Laboratorien als
sichere Tötung geltende Höhe erreicht; um dieselbe zu
überstehen, schützt sich die Pflanzenwelt durch Austrock-
nung aller oberirdischen Organe zur heissen Jahreszeit,
Abwerfen der Blätter etc., und vermag auf diese Weise
im wärmestarren Zustande ruhend dem Tode zu entgehen.
Für die höchsten Kältegrade, welche die Vegetation
auszuhalten vermag, hat Göppert eine Zusammenstellung
gemacht (Gartenflora 1881, S. 172). Es sind bekanntlich
nicht die baumlosen hocharktischen Inseln die Gebiete
der intensivsten Kälte, und wenn sie es wären, würde
man nicht wissen, wie viel Schutz man der Schnee-
bedeckung für die dortige Vegetation von Stauden und
niederen immergrünen Halbsträuchern zumuten darf. Viel
stärkere Kältegrade herrschen in Nordsibirien noch im
Bereich der letzten Wälder, und hier ist (nach Wild) der
Ort Werchojansk unter 67 ½° N. an der Yana mitten im
Bereich einer grossen Waldoase von Beständen der sibi-
[25]welche ertragen werden können.
rischen Lärche durch seine furchtbaren Kältegrade aus-
gezeichnet; der Januar hat als Mittel — 49°C., als Mi-
nimum — 60° und als Maximum — 28°, während zu
Jakutsk mit dem weniger kalten Monatsmittel von fast
— 43° doch noch ein tieferes Minimum, nämlich — 62°C.
beobachtet ist. Innerhalb der Temperatur von — 40°C.,
bei welcher Quecksilber gefriert, liegt Werchojansk für
die ganze Dauer des November, Dezember, Januar und
Februar, Jakutsk nur für Dezember und Januar, Ust-
jansk dagegen unter fast 71° N. an der Mündung der
Yana hat nur im Januar das tiefe Mittel. Der weniger
kalte nordamerikanische Kältepol fällt nördlich der Baum-
linie; doch treten an der Mündung des Yukon im Bereich
der nördlichsten Alaska-Waldungen ebenfalls einzelne
Kältegrade bis — 52°C. auf, welche immerhin an die
sibirischen nahe heranreichen. — Diese Kälten über-
stehen die Bäume, ebenso die auf ihnen befestigten Flechten;
und wenn man auch der Schneedecke einen noch so
grossen Schutz zuschiebt, was übrigens nach neueren
biologischen Beobachtungen im höchsten Norden kaum
sehr berechtigt zu sein scheint, so müssen doch sehr
viele Stauden mit ihren überwinternden Organen den
dem Januarmittel in Nordsibirien entsprechenden Tem-
peraturen von — 40° ausgesetzt sein und überstehen die-
selben, durch besondere uns im einzelnen noch unbekannte
Organisation geschützt, im tiefsten Winterschlaf, um
unter dem belebenden Einflusse des Aufsteigens der Tem-
peratur über die gewiss schon bei 0° liegende Schwelle
unbeirrt in den neuen Sommer zu treten; und anderer-
seits werden heissen Ländern entstammende Pflanzen
auch im Zustande ihrer Vegetationsruhe und mit lederigen
Blättern besetzt durch den leisesten wirklichen Frost getötet.
Die eigentliche Todesursache beim Erfrieren der Pflanzen, ob
bei Temperaturen wenig oder tief unter Null, ist noch unbekannt;
die Idee, dass die Eisbildung in den Zellen den Tod bewirke,
kann nur selten richtig sein, denn in der Mehrzahl der Fälle kommt
es zu gar keiner Eisbildung daselbst, obgleich der Tod vielleicht
schon bei — 1° eintritt. Die Temperaturerniedrigung erzielt also
molekulare Vorgänge, welche die eine Pflanze leicht, die andere
schwer, andere gar nicht ertragen.
[26]Schutzmittel gegen Frost.
Sehr auffällig ist der Unterschied in der Frostwirkung, je
nachdem dieselbe die ruhenden oder die vegetierenden Organe
trifft. Unsere Bäume ertragen ohne Beschwerde starke Fröste im
eigentlichen Winter, ein leichter Maifrost vernichtet ihr Laub. So
kann es kommen, dass Alpenpflanzen, in der viel wärmeren Ebene
kultiviert, häufig erfrieren müssen, da das wechselnde Klima der
Ebene ungleich ungünstiger für sie ist, als die lange Winterruhe
alpiner Höhen mit regelrecht eintretendem Frühling.
Auf solche Pflanzen übt die Schneedecke einen vorteilhaften
Schutz, indem sie dieselben vor zu raschem Austreiben bewahrt.
Dass sie den arktischen Pflanzen einen besonderen Schutz als
Wärmemittel liefere, bestreitet Kjellman (G. J., Bd. XI. S. 115).
Denn grosse Flächen der Polargegenden zeigen sich im Winter
schneefrei, wo trotzdem im Sommer eine arktische Flora reichlich
vertreten ist, und überhaupt haben die arktischen Pflanzen die
überwinternden Teile keineswegs vollständig in den Boden einge-
bettet, sondern vieles von den zarteren Stamm- und Blattteilen
befindet sich oberhalb der Erde und ist ohne Schneebedeckung
dem Froste völlig frei ausgesetzt.
Niederschläge und Luftfeuchtigkeit. Der dritte
und letzte grosse geographische Faktor von den meteoro-
logischen Einflüssen auf das Pflanzenleben ist die Ver-
teilung des aus der Atmosphäre zugeführten Wassers,
sei es, dass dasselbe in tropfbarer Form die Pflanze be-
netzt, das Erdreich durchfeuchtet und den Wurzeln auf
diese normale Art zu Gebote gestellt wird, sei es, dass
dasselbe im dampfförmigen Zustande die Atmosphäre er-
füllt, die Verdunstungsthätigkeit der saftigen Organe ein-
schränkt, sich bei Temperaturerniedrigungen an den
kühlen Organen der Pflanze selbst und ebenso in der
Bodenoberfläche niederschlägt und auf diesem Umwege
den Wurzeln selbst ebenfalls in kleinem Maßstabe zu
gute kommt.
Wasser verbrauchen alle Pflanzen, die einen viel, die
anderen wenig, und alle haben sich mit den durchschnitt-
lichen Niederschlagsmengen ihrer Heimat so in Ausgleich
gesetzt, dass sie ihre Ausgaben im Wasserkapital mit den zu
ihrer Vegetationszeit vorhandenen Einnahme-Möglichkeiten
decken; und wie ein dürftiger Mann oft merkwürdige
Kunstgriffe erlernen muss, um seine Ausgaben mit An-
stand zu bestreiten, die sein reicher Nachbar ohne Mühe
macht, so finden wir auch in der Vegetation ähnliche
[27]Wasserversorgung und Verdunstungsschutz.
Kunstgriffe in Hinsicht der Wasserversorgung und Wasser-
ersparnis gegenüber den Gewächsen, welche wie die
Sumpf- und Schwimmpflanzen in ihrem regulären Lebens-
verlauf keine besonderen Anstrengungen in dieser Be-
ziehung zu machen brauchen.
Die Pflanzen verbrauchen das Wasser beim Wachs-
tum zum Aufbau neuer Organe und eine gewöhnlich noch
viel grössere Menge als „Transspirationswasser“ infolge
der Verdunstung ihrer oberirdischen Organe und zumal
der flachen grünen Blätter. In trockenen Klimaten lassen
die Gewächse zumeist schon durch Verlangsamung des
Wachstums eine Wasserersparnis eintreten, in noch viel
höherem Maße durch alle Möglichkeiten von Verdun-
stungsschutz. Dieser besteht in erster Linie in Ein-
ziehung der grossen saftig ausgebreiteten Blätter, welche
entweder auf kleine (glänzend-grüne) harte, mit stark
cuticularisierter Oberhaut versehene Organe beschränkt
werden, oder welche Ersatz durch Dornen und Stacheln
finden (Cactaceae, Euphorbia, Stapelia), wobei dann freilich
die Kohlensäureernährung in die Oberfläche der Stengel-
oder Stammorgane gelegt werden muss; oder welche sich
(wie bei Agave, Aloë etc.) in dickfleischige Körper mit Ver-
dunstungsschutz ringsum in der wachsdurchzogenen Ober-
haut verwandeln. Ein anderer Verdunstungsschutz be-
steht in der Ausbildung von verhältnismässig viel hartem
Holz, dessen jugendlich-saftige Zellen die oft sehr kurze
Jahreszeit zur Entwickelung wählen, in der das Wasser
einigermaßen reichlich vorhanden ist, und in der dürren
Jahreszeit mit dem geringeren Wassergehalt fertigen
Holzes dastehen. Ein wiederum anderer vermeidet das
Ueberdauern der trockenen Perioden im safterfüllten Zu-
stande und reift rasch vor Schluss der feuchteren Pe-
riode seine Samen, welche selbst gegen Trocknis durch
ihre eigene Gewebsbildung geschützt sind, und lässt die
Mutterpflanzen absterben (einjährige Gewächse von kurzer
Vegetationsdauer). Im Bau der Oberhäute an Stengeln
und Blättern sind in neuerer Zeit die wundervollsten
Unterschiede, auf klimatologischer Unterlage sogleich zu
verstehen, beobachtet worden.
[28]Bedeutung des Wasserdampfes
Statt vieler Abhandlungen mag hier nur auf eine derselben
verwiesen werden: Tschirsch, Ueber einige Beziehungen des ana-
tomischen Baues der Assimilationsorgane zu Klima und Standort,
in Linnaea Bd. XLIII, Hft. 3 u. 4. In dieser Abhandlung ist der
geographische Standpunkt gewahrt. Andere Litteratur vergleiche
in G. J., Bd. IX, S. 149, und Bd. XI, S. 107, sowie unten: Vege-
tationsformen.
Dass diese die Wasserzufuhr und Transspiration be-
treffenden biologischen Einrichtungen nicht nur nach
Klimaten, sondern — wie auch der Titel von Tschirschs
gerühmter Abhandlung besagt — auch nach Standorten
ausgewählt sind, dass also hier ein geographisch und ein
topographisch wirkendes Moment höchsten Ranges vor-
liegt, bedarf nur eines kurzen Hinweises; in diesem Hand-
buch der Pflanzengeographie sind aber die für das All-
gemeinste wichtigen biologischen Faktoren in erklärendem
Sinne aufzuführen.
Die Pflanzen erhalten bekanntlich ihr Verbrauchs-
wasser in der Regel durch die Wurzeln zugeführt, die
Wurzeln zeigen dementsprechende Organisation, breiten
sich flach aus oder dringen mit einer unverhältnismässigen
Länge merkwürdig tief durch die oberen dürren Schichten
des Erdreichs vor zu den wasserreicheren Tiefen, und man
denkt dabei für gewöhnlich nur an das durch Regenfälle
zugeführte flüssige Wasser. Allein schon der Umstand,
dass es regenarme, ja (im beschränkten Sinne) regenlose
Länder gibt, welche trotzdem nicht vegetationslos sind,
gibt Veranlassung, darüber nachzudenken, woher diese
Pflanzen ihr Wasser entnehmen. Es kann ja ausserdem
nur noch das im gasförmigen Zustande in der Atmo-
sphäre mit einer sehr verschieden starken partiären Pres-
sion vorhandene Wasser in Betracht kommen, dessen
Menge sich übrigens im allgemeinen so reguliert, dass
da, wo es viel flüssiges Wasser aus Niederschlägen gibt,
auch viel Wasserdampf in der Atmosphäre vorhanden ist,
wo es wenig oder nichts gibt, dementsprechend wenig.
Doch lässt uns der Umstand, dass die von grossen Wasser-
flächen oder von regenreichen Ländern her wehenden
Winde auch beträchtliche Mengen von Wasserdampf in
die regenarmen oder wüsten Gegenden herüberführen,
[29]für das Pflanzenleben.
ohne sie dort gerade in der gewöhnlichen Form als
Regen absetzen zu können, in ihnen einen Aus-
gleichungsfaktor erkennen, der vielleicht allein im stande
ist, hinsichtlich des Wassers eine dürftige Vegetation da
aufrecht zu halten, wo sonst vielleicht organisationslose
Wüste wäre.
Inwiefern kommt nun den Pflanzen der atmosphä-
rische Wasserdampf zur Befriedigung ihres Bedürfnisses
nach flüssigem Wasser zu gute? Früher neigte man zu
der einfachen Behauptung, dass die Pflanzen kein Wasser
bekämen als das, was in tropfbarer Form den Boden
erreichte und dadurch den Wurzeln zugänglich würde.
Diese absprechende Meinung, nach welcher die Mengen
von Wasserdampf in der Luft nur als Verdunstungsregu-
latoren im weitesten Sinne wirkten, indem ein um so ge-
ringerer Wasserverbrauch durch die Pflanze nötig wird, je
feuchter die Atmosphäre ist, würde gerade den trockenen
Klimaten (und dürren Standorten) die bei ihnen am meisten
nötige Wasserzufuhr versagen; wir sehen aber, dass sie
da ist, z. B. in der Garuaregion von Peru.
Nun muss man sich aber der näheren Umstände er-
innern, welche bei der Entnahme von Wasser aus dem
Erdreich durch die Wurzeln in Betracht kommen, und
es mag bei ihrer Erwähnung daher auf die topographisch-
regulierenden Bodenwirkungen verwiesen werden. Längst
nicht alles Wasser, welches der Boden zugeführt erhalten
hat, wird an die Wurzeln der Pflanzen in ihm abgegeben,
sondern es steht letzteren nur ein um so kleinerer Bruch-
teil davon zu Gebote, je stärker das Wasseranziehungs-
und Absorptionsvermögen der betreffenden Bodensorte
für Wasser ist. Ein Rest von Wasser verbleibt im Boden;
die Wurzeln der Pflanzen suchen ihm im Notfall auch
diesen Rest zu entziehen, aber er bleibt an die Erd-
teilchen hygroskopisch gebunden. Nun vermag hygro-
skopisches Erdreich — und jede Bodensorte ist mehr oder
weniger hygroskopisch — aus dampferfüllter Luft Wasser
selbständig zu kondensieren, und ist dadurch sein Wasser-
gehalt wieder etwas über den äussersten Grad von Trocken-
heit gestiegen, so vermag dieser Boden auch wieder eine
[30]Wasseraufnahme in Blättern.
neue, wenn auch geringe Wassermenge an die Wurzeln
der Gewächse in ihm abzugeben. Es scheint, dass in
trockenen Klimaten mehr, als man bisher glaubt, die Ge-
wächse auf diese Wasserzufuhr angewiesen sind, da in
ihnen vielfältig in den kühlen Nächten ein starkes An-
steigen der relativen Feuchtigkeit bis zur Taubildung
eintritt.
Dann ist aber auch ausser Zweifel, dass die Pflanzen
unter gewissen Umständen im stande sind, nicht nur
Regentropfen mit ihren oberirdischen Organen (Blättern,
weichen Stengelteilen, besonders Haaren) aufzunehmen,
sondern auch auf demselben Wege den atmosphärischen
Wasserdampf für ihre eigene Wasserversorgung zu ver-
wenden, denselben auf die eine oder andere Weise zu
kondensieren. Wenn dies auch in unseren Fluren und
Kulturen nicht beobachtet werden konnte und vielleicht
nie geschieht, da es nicht nötig ist, so findet es sicher
in den Wüstenvegetationen statt.
Die einzigen bisher gewonnenen sicheren Beobachtungen sind
an wenigen Wüstenpflanzen angestellt. Volkens untersuchte die
Wasserversorgung von Reaumuria hirtella, einem ½—1 m hohen
Strauche der ägyptisch-arabischen Wüste (Sitzungsberichte der K.
Preuss. Akad. d. Wiss., Berlin 1886, Heft VI, S. 70 und Flora d. ägypt.-
arab. Wüste, G. J., Bd. XIII, S. 338). Derselbe übersteht durch
Ausscheidung eines stark hygroskopischen Salzes aus Stengeln und
Blättern die dortige lange Periode absoluten Regenmangels; diese
Salzmasse gibt sich als ein körniger, weisslicher Ueberzug zu
erkennen, auf dem Haufen würfelförmiger Krystalle bis zu Steck-
nadelkopfgrösse unregelmässig zerstreut sind. Betrachtet man im
Frühjahr Stöcke mit frischen Sprossen am Abend eines regnerischen
Tages, so erscheinen sie sämtlich lebhaft grün, jede Spur der Salz-
decke ist aufgelöst und fortgespült. Am nächsten Vormittage je-
doch bemerkt man auf allen Blättern über Oberhautdrüsen sehr
kleine Wassertröpfchen in regelmässigen Abständen; bei steigender
Verdunstungsgrösse mit dem Sonnenstande verschwinden die Tröpf-
chen und werden durch kleine Krystallconglomerate ersetzt. Folgt
nun eine längere regenfreie Zeit, so sieht man stets nachts und
früh am Morgen die Pflanzen hellgrün, mit Wassertröpfchen besät,
am Tage erscheinen sie mit einem grauweisslichen Ueberzuge, der
sich leicht fortwischen lässt; dabei nimmt die Salzbedeckung all-
mählich entschieden zu, indem auch unabhängig von den Drüsen
der Oberhaut einzelne Tröpfchen zusammenfliessen und die Fläche
allgemeiner benetzen; so entsteht schliesslich eine zusammenhän-
gende Salzdecke.
[31]Begünstigung durch Regenmenge.
Diese Ausscheidung von Salzlösung zur Nachtzeit findet jedoch
nur so lange statt, als den Wurzeln genügendes Bodenwasser zur
Verfügung steht, wahrscheinlich infolge relativ starken Wurzel-
drucks. Trotzdem aber findet man zur regenlosen Sommerzeit und
im Herbste und Winter in allen Nächten die Büsche der Reaumuria
oft von Wasser förmlich triefend in völlig dürrer Umgebung, und
dieses Wasser kann nur der Atmosphäre entstammen; die Salz-
massen, welche schon beim Anhauchen leicht zerfliessen, haben
dasselbe hygroskopisch niedergeschlagen. Durch Experimente konnte
nachgewiesen werden, dass die mit Salzlösung überzogenen Blätter
allein sich in der Sonne frisch und grün erhalten, während der
nassen Salzmasse beraubte Blätter verdorren; daraus geht aber
hervor, dass die Pflanze atmosphärischen, durch ihre eigenen Or-
gane, allerdings auf seltenem Wege, kondensierten Wasserdampf
zur Erhaltung ihres Lebens braucht und verwendet, wenn auch nur
während der Periode anhaltender Dürre. — Gegen die Annahme
einer allgemeinen Gültigkeit dieser Art der Wasserversorgung für
Wüstenpflanzen hat Marloth in den Berichten d. deutsch. botan.
Gesellsch. 1887, S. 319 berechtigte Einwände erhoben.
Es ist natürlich, dass sich dieser Teil der Biologie
mehr mit den Einrichtungen beschäftigt, welche die
Pflanzen trockener Klimate mit spärlicher oder inter-
mittierender Wasserversorgung angehen, als mit den
Lebensvorrichtungen im Wasserüberfluss. Nur die Frage
bleibt zu erörtern, ob die Länder mit den reichsten
Niederschlägen eine ganz besondere Vegetation hervor-
bringen. Es muss dabei allerdings, da doch so häufig
die Rede davon ist, dass diese oder jene Vegetation
durch Wassermangel ausgeschlossen sei von dieser oder
jener Gegend, um zu einem physiologisch klaren Schluss
zu kommen, von den in der Natur vielfach mit sehr
hohen Niederschlägen verbundenen Nebenumständen, wie
Umwölkung und Mangel an Sonnenlicht, Nebelbildungen
u. dergl., abgesehen und die Fragestellung auf das unter
sonst gleichen Umständen im Uebermaß, im normalen
Mittel, oder in kleineren Bruchteilen desselben gebotene
Wasser beschränkt werden. Alsdann ist die Antwort,
wie es scheint, sicher, dass nicht etwa übermässig hohe
Wassermengen im Boden begünstigend wirken, wohl
aber die zu geringfügigen Mengen hindernd. Experi-
mente mit deutschen Kulturpflanzen haben gezeigt,
dass ihre Ernten ziemlich gleich blieben bei Schwan-
[32]Notwendigkeit des periodischen Cyklus.
kungen des Wassergehaltes im Boden zwischen 80 und
40 %; aber die mit 20 % Wassergehalt erzogenen gaben
nur die Hälfte, die mit 10 % erzogenen nur ein Achtel
der Normalernte der ersteren. Und so sieht man denn
auch die sehr regenreichen Striche in einem sonst ein-
heitlich angelegten Florengebiete nicht so sonderlich
verschieden in ihrer Vegetation von den minder regen-
reichen, während die regenarmen Klimate sich von den
„minder regenreich“ genannten sogleich auffällig durch
sogenannte „xerophile“ Vegetationsformen unterscheiden.
Periodizität in der Einwirkung der geographi-
schen Agentien. Die eben in ihrer Wirkungsweise genann-
ten und für die geographische Verteilung der Pflanzen im
grossen wirksamen Agentien zeichnen sich nun vor den fol-
genden, topographisch wirksamen Agentien aus durch ein
alljährliches Schwanken ihrer Einwirkung, durch ein im
Verlaufe eines Jahres sich regelmässig unter Ansteigen und
Fallen abwickelndes Bild von begünstigender und ver-
zögernder oder hemmender Wirkung. Im Gegensatz dazu
bleibt z. B. die Wirkungsweise des Bodens, die Be-
ziehungen einer Pflanze zu ihrer Umgebung, sich durch-
aus gleich, oder wenn auch sie periodisch verschieden
ausfällt, verdankt sie ihre Periodizität gleichfalls den
jährlich wechselnden klimatischen Agentien.
Dieser periodische Wechsel im Cyklus eines Jahres,
dem sich die gesamte organische Welt nicht zu entziehen
vermag und der nach dem Lauf der Gestirne selbst das
Menschenleben bis in seine kleinsten Einzelheiten mit sich
reisst, hat nun in dem Gewächsreiche den in seiner Regel-
mässigkeit wundervollen Wechsel der Vegetationserschei-
nungen zur Folge, dessen Eigentümlichkeiten den ersten
und sichersten pflanzengeographischen Charakter jeder
natürlichen klimatischen Zone bilden. Nicht nur dass mit
dem Wechsel von Tag und Nacht kleine Perioden im Leben
jeder vegetierenden Pflanze verknüpft sind, viel durch-
greifender sind die Verschiedenheiten der grossen Periode
im Jahresverlauf, und es scheint wohl so, als wenn keine
Gewächsgruppe der Erde ohne Jahresperiode existierte.
[33]Vegetations- und Ruheperioden.
Man könnte eine solche überhaupt nur in der heissen Zone
suchen, wo Licht, Wärme und Feuchtigkeit bei günstiger
Zusammenwirkung das ganze Jahr hindurch genügend
vorhanden sein können; trotzdem aber gibt es auch hier
ein rhythmisches Ansteigen oder Abfallen dieser zwei Fak-
toren ein- oder zweimal im Jahre, und so sehr scheinen
die Gewächse das Bedürfnis nach Unterscheidung von
Wachstums- und Ruheperioden zu haben, dass sie sich
günstigere Zeiten im Jahr zu den ersteren auswählen,
um in den ungünstigeren zu ruhen, wenn auch die dort
„ungünstigeren“ Perioden für ausserhalb der Tropen lie-
gende Klimate vielfältig eine nie gesehene Gunst der
Verhältnisse bieten würden.
Welches der drei genannten geographisch wirksamen
Agentien in der Hervorbringung der periodischen Er-
scheinungen des Pflanzenlebens die grösste Rolle spielt,
ist kaum möglich zu sagen; bald wird es die wechselnde
Intensität des Lichtes, bald die zu- und abnehmende
Temperatur, bald die auf bestimmte Jahreszeiten ent-
fallende grössere Niederschlagsmenge, welche mit trocke-
nen Perioden wechselt, sein, der das grösste Gewicht für
ein gegebenes Land zufällt; immer aber liegt der Ur-
grund der Periodizität im Jahresumlauf der Erde um die
Sonne auf schiefgeneigter Bahn, und am häufigsten
werden alle in dieser einen Hauptursache begründeten
Einzelerscheinungen sich zum Hervorrufen der perio-
dischen Erscheinungen des Pflanzenlebens vereinigen.
So teilt sich jährlich das Pflanzenleben nach der
äusserlichen (klimatisch begründeten) Gunst oder Ungunst
der Verhältnisse in eine Vegetationsperiode und eine
damit abwechselnde Ruheperiode, und jedes Land ist nicht
nur scharf charakterisiert durch ein bestimmtes mittleres
Maß, in Tageszahlen ausgedrückt, während welcher die
Hauptmasse seiner Gewächse in Vegetationsthätigkeit sich
befindet, sondern auch durch ein bestimmtes mittleres
Datum, an welchem seine hervorragenden Vegetations-
formen in die Vegetation eintreten und dieselbe be-
schliessen. Theoretisch betrachtet kann es Länder geben,
in welchen jährlich zwei Vegetationsperioden mit denen
Drude, Pflanzengeographie. 3
[34]Länge der Vegetationsperiode.
der Ruhe abwechseln, z. B. Länder mit im Winter durch
Frost bedingter Winterschlafzeit und gleichzeitig mit im
Sommer durch Dürre bedingtem Trockenheitsschlaf; mehr
oder weniger findet es sich so auch in den Subtropen
nahe den Grenzen der Frostwirkungen, doch nicht in
einer sich auf alle Gewächse gleichmässig erstreckenden
Wirkung.
Die Länge der Vegetationsperiode in Tageszahlen als Maß
auszudrücken, ist selbstverständlich und schon lange gebräuchlich.
Den Beginn und Schluss der Vegetationsperiode findet man überall
nur durch Datumangaben bezeichnet, wodurch ja freilich die all-
gemeinst-verständliche Angabe gemacht ist, soweit die Kalender-
rechnung die gleiche ist. Da das nicht überall der Fall ist und
da ein Vergleich von weit entlegenen Gegenden, z. B. Deutschland
und Südaustralien, dadurch in Bezug auf die Einwirkung der regu-
lierenden Faktoren erschwert ist, mag man an Einführung einer
absoluten Zählung hier und für die alsbald zu besprechenden phäno-
logischen Erscheinungen denken, welche als Nullpunkte die Sonnen-
wenden in den nördlichen und südlichen Gebieten wählt, in denen
von da an durch Rückkehr des Lichtes und der Wärme das bald
rascher bald langsamer vor sich gehende Erwachen der Vegetation
vorbereitet wird. Für die nördlichen Länder fällt also der Null-
punkt auf den 21. Dezember, und die mittlere Belaubung der
Wälder einer Gegend auf den 15. April würde demnach durch den
115. Tag zu bezeichnen sein.
An allen Orten sind die heimischen Gewächse an die
mit dem Klima des Ortes notwendig verbundene Vege-
tationsperiode gewöhnt, befinden sich im normalen Cyklus
ihrer eigenen Lebenserscheinungen. Sie sind aber nicht
so streng an die spezielle Periodizität dort gebunden, dass
sie nicht leicht geringere Abweichungen davon ertrügen
und zuweilen sogar sehr starke. Das Gewöhnen an eine
mehr und mehr abweichende Jahresperiode, allmählich
oder plötzlich, dem die Gewächse bald leichter, bald
schwerer folgen, nennt man deren Acclimatisation,
und von dem Grade der Acclimatisationsfähigkeit hängt
in erster Linie, gute Wanderungsfähigkeiten vorausgesetzt,
die Ausbreitung einer Pflanzenart auf ein grösseres Areal
ab (siehe Abschnitt III).
Man hat darüber gestritten, ob die eigene Vege-
tationsperiode der Gewächse ausschliesslich auf äussere
Bedingungen zurückzuführen oder ob sie eine erbliche
[35]Acclimatisation.
Erscheinung sei. Beides ist richtig; es ist unmöglich,
ihr Zustandekommen anders aufzufassen, als durch die
gemeinsame Einwirkung der klimatischen Agentien her-
vorgerufen, als physiologische Anpassung an die gege-
benen Verhältnisse; aber gleichzeitig ist diese Biologie-
Aeusserung auch mit dem bestimmten Organismus durch
die durch Tausende von Generationen hindurch gleich-
mässig erhalten gebliebene Rhythmik so innig verwachsen,
dass sie sich von demselben nicht ohne weiteres trennen
lässt, ebensowenig wie die morphologischen Spezies-
Charaktere, und bei grosser Schmiegsamkeit über gewisse
Grenzen der Periodenverschiebung nicht hinausgeht.
Wie weit sich die Acclimatisation treiben lässt, zeigen die
Kulturen in den botanischen Gärten, die auch bei uns für die
Tropenpflanzen ein künstliches Klima durch Gewächshauseinrich-
tungen erzeugen, um wenigstens Wärme und Feuchtigkeit der
Heimat einigermassen entsprechend verteilen zu können. Für das
Sonnenlicht allerdings gibt es zur Zeit des nordischen Winters
keinen Ersatz, und die schlimme Wirkung davon, dass eine Art
von Schlafzustand durch die trüben Wintertage bei Tropenbewohnern
erregt wird, die damit nie zu rechnen haben, ist augenscheinlich.
Dennoch blühen immerhin nicht wenige derselben bei uns. —
Viele nordische Laubbäume hat man nach Madeira verpflanzen
können, wo sie aber dennoch der durch Laubabfall sich kenn-
zeichnenden Winterruhe, trotz des günstigsten Klimas, unterliegen.
Nach Heer (Verhandl. d. Schweiz. naturf. Gesellschaft 1851, S. 54)
bleibt die Buche auf dieser durch die Gleichförmigkeit ihrer Tem-
peratur während des ganzen Jahres ausgezeichneten Insel 149 Tage
blattlos, die Eiche 110 Tage, der amerikanische Tulpenbaum
(Liriodendron) 87 Tage; der Weinstock ruht blattlos 157 Tage,
und dieses alles bei einer Temperatur, welche der des Sommers in
Mitteleuropa sehr ähnlich ist, und bei einer Beleuchtung, welche
nicht entfernt an den nordischen Spätherbst erinnert. Aber in Cu-
mana trägt, wie schon Humboldt berichtete, die dort stets belaubte
Rebe Europas fortwährend Blüten und Früchte. — Die amerikani-
schen Cactus (Opuntia) sind in Südeuropa ohne irgendwelche be-
merkbare Schädigung bei annähernd gleicher Vegetationsperiode
wie wild geworden; aber die Agave americana, welche in ihrer
amerikanischen Heimat in der Zeit von meist nur 5 Jahren ihr
Leben mit der Blüte und Fruchtreife beenden soll, wird schon auf
den Kanaren doppelt so alt und erreicht in unseren Gärten ein
„hundertjähriges“ Alter bis zu demselben Entwickelungszustande.
Am stärksten erblich und also umgekehrt am langsamsten
veränderlich scheinen bei der Mehrzahl der Gewächse die unteren
spezifischen Nullpunkte ihrer Vegetationsprozesse zu sein; daher
[36]Phänologische Erscheinungen.
können wir leicht hochnordische und hochalpine Pflanzen in Kalt-
häusern überwintern, wo sie bei viel höheren Temperaturen (+ 3°,
ohne Frost) als in ihrer Heimat im Winter ruhen; aber tropische
Gewächse, in Winterszeit in Kalthäusern gehalten, sterben wegen
der unter ihre Vegetationsnullpunkte erniedrigten Temperatur ab.
Auch in den Erscheinungen des täglichen Blattschlafes zeigt
sich bei der einzelnen Pflanze ein zähes Festhalten bis zu gewissen
Punkten, wofür Experimente mit tropischen Bohnen in höheren
Breiten sprechen (siehe Griseb. Ber. für 1850, S. 61).
Phänologie. Die Wichtigkeit der Länge und Zeit-
lage der Vegetationsperiode eines Landes für die dar-
stellende Geographie hat seit lange zu strengeren sta-
tistischen Feststellungen darüber geführt, welche besonders
für die Länder der nördlich gemässigten Zone von Wich-
tigkeit sind, wo der Einzug des Frühlings mit Sehnsucht
erwartet wird und wo eine Verfrühung oder Verspätung
desselben gleichbedeutend ist mit höherer oder geringerer
Anbaufähigkeit fremder, längere Wachstumzeit erfor-
dernder Gewächse. Nun sollen zwar streng genommen
für die Beurteilung der Vegetationsperiode eines einzelnen
Gewächses dessen beginnende Wachstumserscheinungen
in Bildung neuer Blätter etc. und der Schluss dieser
Thätigkeit, der Beginn und das Ende der erst dann in
voller Intensität anhebenden Ernährungsthätigkeit, und
endlich die Entwickelung und der Reifeprozess seiner
Vermehrungsorgane (Blüte- und Fruchtbildung, Sporen-
reifung) in Betracht gezogen werden; ausserdem setzt
sich die Vegetationsperiode eines bestimmten Landes zu-
sammen aus den verschiedenen Perioden seiner einzelnen
Pflanzenbürger und beginnt z. B. in Deutschland mit dem
Treiben des Schneeglöckchens und endet kaum mit dem
Blätterfall des letzten Baumes. Doch hat man hier, um
sich nicht in Einzelheiten zu verlieren, für jedes Land
charakteristische Erscheinungen des Pflanzenlebens, welche
einen deutlichen Markstein in seiner Physiognomie be-
dingen, herausgegriffen zur Beobachtung und notiert deren
Eintritt als „phänologische Erscheinungen“, wählt
als solche die aus dem Schnee hervorlugenden Blüten in
Grönland, die Belaubung der Wälder in Deutschland, die
ersten Blütenbildungen an den nach der trockenen Jahres-
[37]Zusammenwirkende Ursachen.
zeit vorschnell damit beginnenden Bäumen in Dekhan
u. s. w. Während wir auf die charakteristischen Einzel-
erscheinungen selbst unter den einzelnen Ländern (s. Ab-
teilung 6) einzugehen haben werden, ist hier die theo-
retische Betrachtung der Grundlagen der Phänologie,
des Zusammenhanges dieser Beobachtungen mit dem
Klima, am rechten Ort, um so mehr, als die Klimato-
logie selbst daran reges Interesse nimmt (siehe Hann,
Klimatologie S. 52—54).
Es hat von jeher nicht an Versuchen gefehlt, die
Beziehungen zwischen phänologischen Erscheinungen und
Klima auf Gesetzmässigkeiten in letzterem zurückzuführen,
welche ja in irgend einer Form versteckt liegen müssen.
Thatsache ist, dass man zu bestimmten Zeiten in jedem
Lande auf eine bestimmte Physiognomie der Vegetations-
decke rechnen kann, und zu denselben Zeiten ebenso auf
ein bestimmtes Klima. Nun kennt man die Beziehungen
der Vegetation zur Temperatur im allgemeinen seit lange,
und da lag es nahe, einen parallelen Gang beider für
möglich zu halten. Zuvor sei aber von neuem hervor-
gehoben, dass Licht, Wärme und Feuchtigkeit zu-
sammen das Pflanzenleben in seiner Vegetationsperiode
bestimmen, dass wir aber kaum im stande sind, die Kraft
dieser Faktoren einzeln gegenseitig abzuwägen. Wir
nehmen an, dass die Temperaturerhöhung im Frühjahr
unsere Bäume zum Austreiben bringt, und physiologisch
scheint gegen diese Annahme nichts vorzuliegen; aber
das hat man schon längst in Erfahrung gebracht, dass
es nicht die Temperaturen allein bewirken, sondern eine
inhärente Rhythmik der Bäume, welche sich mit dem durch-
schnittlichen Klima in Ausgleich gesetzt hat. Ist aber
erst einmal der erste Schritt gethan, sind die ersten Blatt-
knospen entfaltet, so sind mindestens von dem Augen-
blick an gleichzeitig die innigsten Beziehungen zwischen
Baumleben und Lichtwirkung, Feuchtigkeit, neben den
früheren der Wärme vorhanden. Schon Alphons de Can-
dolle spricht in dieser Hinsicht die Meinung aus (Géogr.
bot. S. 45), dass der Anfangspunkt der wiederbeginnen-
den Vegetation (in unserem Klima) gleichsam der Null-
[38]Beurteilung der Wärmewirkung
punkt eines auf die spezifischen Eigenschaften der Pflanze
begründeten Thermometers sei, dass aber von da an das
organische Leben einer unter dem Einflusse von Wärme
und Licht weitergehenden Maschine gleiche, welche
nichts von dem aufhebt, was sie schon geleistet. Das
Quecksilber im Thermometer steigt und sinkt, aber die
Pflanze schreitet niemals wieder zurück; sie kann bei
später eintretenden Frösten einen intermittierenden Still-
stand zeigen, aber sie fährt bei rückkehrender Wärme
da fort, wo der Frost sie traf.
Und wenn diese Verhältnisse bei uns herrschen, noch
deutlicher im hohen Norden, so darf man sie nicht im
geringsten übertragen auf die wärmeren Klimate; alle an-
gestellten Beobachtungen zeigen, dass in den trockenen
Tropen der Beginn der Vegetationsperiode von dem Ein-
tritt der Regenzeit abhängt, ja dass sich einige regel-
mässige Vegetationserscheinungen schon vor deren Ein-
tritt mit einer Lebhaftigkeit zeigen, welche beweist,
dass die Rhythmik schon an sich in diesen Fällen eine Cha-
raktereigenschaft geworden ist, dass sie nicht erst durch
den Eintritt von Regenfällen, durch zunehmende Bewöl-
kung, ausgelöst zu werden nötig hat. Die die Periode
bestimmenden Faktoren sind daher geographisch ver-
schieden, wirken aber niemals isoliert. Diese Anschauung
mit einer gewissen Freiheit aufgefasst scheint die ganze
theoretische Phänologie beherrschen zu müssen, wenn sie
sich mit den meteorologischen Daten und unseren physio-
logischen Kenntnissen in Einklang setzen will.
Ueber die Beziehungen des Steigens und Sinkens der
Temperatur zum Beginn und Schluss der Vegetations-
periode in den nördlich-kalten und gemässigten Ländern
sind allein genügende, oft sogar umständliche Beobach-
tungen angestellt und haben vielseitige Beachtung ge-
funden. Alphons de Candolle lieferte (Géogr. bot. Livre Ier)
eine vielseitige Erörterung darüber, klassisch für die da-
malige Zeit; eine die historische Entwickelung klar zu-
sammenfassende Arbeit ist die von Hult (G. J. Bd. IX,
S. 162), dessen eigene Ableitungen ein grosses Interesse
beanspruchen.
[39]in der Phänologie.
Die Pflanzengeographie leidet in dieser Beziehung
darunter, auf die meteorologischen Tabellen hingewiesen
zu sein, während sie solche im innigsten Zusammenhange
mit den Beobachtungspflanzen angestellt benutzen sollte;
die phänologischen Beobachtungen erstrecken sich auf an
verschiedenen Orten zerstreute Pflanzen, die meteoro-
logischen sind dagegen meist nur an einer Stelle gemacht
und gelten meist nur für Schatten. Die Variationen
zwischen Mittags-Sonnentemperatur und Nachtkühle ge-
langen in keinem Berechnungsmittel zum Ausdrucke.
Auch die Höhe des Thermometers über dem Boden be-
einflusst die abgelesenen Temperaturen so sehr, dass man
die Blüte des Schneeglöckchens und der Kornelkirsche
durchaus nicht nach einem Instrument beurteilen darf,
wenn es sich bezüglich der dabei wirksamen Tempera-
turen um absolute Zahlen handeln soll. Auch ist es klar,
dass die Temperaturen des Erdbodens selbst in bestimmter
Tiefe das Hervortreiben der Frühlings-Zwiebelpflanzen u. a.
aus der Erde beeinflussen, während deren Blüte durch
die Lufttemperaturen dicht über der Erde beeinflusst
wird. Für die Sonnenpflanzen, welche meistens zur Be-
obachtung gewählt werden, sind Insolationsthermometer
unerlässlich und sind deshalb auch schon seit lange in
Giessen in Gebrauch, aber nur selten an anderen Orten.
Diese Bemerkungen enthalten so viel Einwände gegen die
Beobachtungsmethoden und teilweise unlösbare Schwie-
rigkeiten, dass, selbst wenn vom Standpunkt der Theorie
aus ein fester Zusammenhang konkreter Art zwischen
Temperatur und Vegetationsphasen zugegeben werden
müsste, man sich nicht wundern dürfte, wenn derselbe
noch nicht in irgend einer Form gefunden wäre. Nun
ist aber nicht einmal vom theoretischen Standpunkte aus
ein konkretes Verhältnis zwischen Temperatur (in irgend
welcher Form der meteorologischen Beobachtungen) und
Vegetationsphasen der Zeit nach zu fordern.
Denn nicht eine einzelne Temperatur bewirkt für
sich den Eintritt eines Gewächses in eine bestimmte Phase,
sondern die Phase ist angewiesen gewesen zugleich auf
die Temperaturen der ihrem Eintritt vorhergehenden Tage.
[40]Temperatursummen.
Man ist daher schon seit lange darauf verfallen, Tempe-
ratursummen zu bilden, z. B. für unser Klima Summen
von Temperaturen vom 1. Januar an bis zu dem Tage,
wo die bestimmte Phase eintrat, um diese Temperatur-
summe als den von der Pflanze in Hinsicht auf die be-
stimmte Entwickelungsphase geforderten Wärmebedarf
anzunehmen. Hier treten nun vielerlei neue Schwierig-
keiten auf: Von welchem Tage an soll man die Tempe-
raturen summieren? Soll man die täglichen Durchschnitte
oder die Maxima, im Schatten oder in der Sonne ge-
messen, summieren? Soll die Summe aus allen beobach-
teten Temperaturen gebildet werden? Alle diese Fragen
haben verschiedenartige Behandlungen erfahren.
So liess A. de Candolle, von der richtigen Voraus-
setzung ausgehend, dass für unsere Landpflanzen die
Temperaturen unter dem Gefrierpunkt des Wassers die Ve-
getation nicht vorwärts bringen, dass sie aber auch nicht
(als negativ) von der übrigen Temperatursumme in Ab-
zug zu bringen sind, die ersteren fort und bildete Summen
nur aus den über Null gemessenen Wärmegraden der
meteorologischen Stationen; zugleich aber auch in Er-
wägung dessen, dass längst nicht sogleich über Null die
meisten Vegetationsprozesse ausgelöst werden, sondern
dass die oben erwähnten „spezifischen Nullpunkte“ viel-
fach hoch über Null selbst für unsere Breiten liegen,
berechnete er andere, gewissermaßen zur Auswahl gestellte
Summen über den Schwelltemperaturen von 1°, 2°, 3°
bis zu 20° Wärme. Es zeigen sich auf diese Weise die
so gewonnenen meteorologischen Tafeln in einem neuen,
von der Klimatologie sonst nicht gekannten Lichte, welches
wir in dem neuen Prinzipe, Temperaturkarten ganzer
Länder nach der Andauer gewisser Temperaturen zu
entwerfen, wiederfinden.
Die Idee von den spezifischen Schwelltemperaturen,
schon von Martins in klaren Grundzügen befürwortet, ist
von Oettingen (siehe G. J., Bd. VIII, S. 231) aufgegriffen
und zur Grundlage einer ganz neuen Berechnungsweise
gemacht. Da dieser Schriftsteller aber überhaupt auf
dem Standpunkte steht, dass die spezifischen Nullpunkte,
[41]Schwelltemperaturen.
oberhalb welcher die Temperaturen erst mit verschie-
dener Kraft zu wirken beginnen, nicht durch ein physio-
logisches Experiment gefunden, sondern durch Berech-
nungen selbst abgeleitet werden sollen, so leidet seine
ganze Methode an Unklarheit, da wir ja mit ihr in ein
Raten und Probieren verfallen, wo wir messen und be-
obachten sollten.
Hoffmann dagegen (G. J., Bd. VII, S. 180; XIII,
S. 309) summiert vom 1. Januar an bis zum Eintritt der
betreffenden Phase die an einem Insolationsthermometer ab-
gelesenen höchsten Tagestemperaturen mit Hinweglassung
der etwa unter Null liegenden und findet bei wiederholten
Nachrechnungen, dass sich dabei für einen und denselben
Ort (Giessen) gute Resultate ergeben, während seine Be-
rechnungen nach Oettingens Methode nicht überein-
stimmende Werte ergaben, ein Urteil, welches auch
noch durch Staub an ungarischen phänologischen Be-
obachtungen bestätigt wurde (Englers botan. Jahrbücher,
Band III, Seite 431). Aber Schaffer, welcher nach
schweizerischen Beobachtungen Summenwerte auf dem
von Hoffmann vorgeschriebenen Wege berechnete,
fand auch diesen letzteren zu keinem Resultate führend,
da die Temperatursummen, welche annähernd gleich sein
sollten, je nach dem früheren oder späteren Eintritt der
Vegetationsphasen erhebliche Schwankungen zeigten, z. B.
für die Blütenentfaltung des Berg-Ahorns zwischen 863
und 1801 Graden C. bei 13 Tagen gegen das Mittel ver-
frühter oder bei 10 Tagen verspäteter Blütezeit (siehe
G. J., Bd. VIII, S. 230).
Nirgends aber wird in einer Methode die Schwie-
rigkeit überwunden, einen natürlichen Anfangspunkt der
Zählungen zu finden. Während dieser Anfangspunkt bei
einjährigen Pflanzen (Getreidesorten) sich von selbst er-
gibt, entweder der Tag der Saat eines gleichmässig vor-
bereiteten Samens oder der Tag des ersten Keimstadiums
für die Temperatursummen der Weiterentwickelung ist,
liegen bei den perennierenden Kräutern (Stauden) und
allen Holzgewächsen ganz andere Verhältnisse vor, welche
man nur im allgemeinen physiologisch versteht und nach
[42]Vorbereitende Wirkung
einer eingehenden Untersuchung von Askenasy (Botan.
Zeitg. 1877, vergl. G. J., Bd. VII, S. 179) noch besser
beurteilen kann.
Dieser Autor stellte an der Vogelkirsche (Prunus arium) eine
Studie darüber an, ob die winterliche Ruhe der Bäume scheinbar
oder wahr sei, da bis dahin nur eine Untersuchung Geleznoffs
darüber vorlag mit dem Resultate, dass der Stillstand in der
Knospenentwickelung nur ein scheinbarer wäre und dass bei Tem-
peraturen unter Null (die Untersuchung hatte in Moskau mit da-
maligem Januarmittel von — 14,5° stattgefunden) die Insolations-
wirkung den Knospen die zur Weiterentwickelung nötige Wärme
gewähre. Askenasy machte eigene Beobachtungen in Heidelberg
und zwar während der ganzen Vegetationsperiode. Je 100 oder
200 Knospen wurden gewogen, ihre Trockensubstanz ermittelt und
gemessen. In 3 Beobachtungsjahren ergab sich gleichmässig: „Die
Entwickelung der Blütenknospen der Kirsche zerfällt in zwei Perio-
den, welche durch eine Periode der Ruhe oder sehr geringen Wachs-
tums getrennt sind. Die erste (Sommerperiode) zeigt eine gleich-
mässige aber langsame Zunahme; in der zweiten (Frühjahrsperiode
des folgenden Jahres) ist der Massenzuwachs anfangs langsam,
nimmt aber dann stetig zu und erfolgt zuletzt rapide.“ Die Ruhe-
periode ihrerseits schwankte zwischen 2—3 Monaten, nämlich von
Anfang November bis gegen Mitte Februar, und es standen die
geringen Schwankungen in keinem Verhältnis zu der grossen Tem-
peraturverschiedenheit in jenen drei Wintern; doch fand in einem
sehr milden Winter nach völliger Ruhe im November schon ein
äusserst geringes Wachstum während der beiden folgenden Monate
statt, welche sonst ebenfalls unbedingte Ruhe zeigen. In den letzten
zwei Wochen vor dem Aufblühen steigerte sich die Zunahme stetig,
obgleich damals mehrfach Rückschläge in der Temperatur vor-
kamen; die klimatisch begünstigten Jahre zeigten hier selbstver-
ständlich im Knospenwachstum raschere Fortschritte.
Gleichzeitig wurden Versuche mit abgeschnittenen Kirsch-
zweigen gemacht, welche bei 15—20°C. im Treibhause ausschlagen
konnten: bei diesen war der Einfluss der Wärme um so günstiger,
je mehr das Datum des Abschneidens im Freien sich der normalen
Blütezeit der Kirsche näherte. Im Herbst wirkte das Treibhaus
schädlich; zu Ende Oktober abgeschnittene Zweige blieben unver-
ändert und gingen nach längerem Aufenthalte im Hause zu Grunde.
Im folgenden sind die Tageszahlen mitgeteilt, nach welchen das
verfrühte Aufblühen im Treibhause je nach dem Termin des Ab-
schneidens erfolgte:
- Zweige abgeschnitten am 14. Dezember, blühten auf nach 27 Tagen;
- „ „ „ 10. Januar, „ „ „ 18 „
- „ „ „ 2. Februar, „ „ „ 17 „
- „ „ „ 2. März, „ „ „ 12 „
- „ „ „ 23. März, „ „ „ 8 „
- „ „ „ 3. April, „ „ „ 5 „
[43]der Ruheperiode.
Dabei war aber der äussere und der sich im Gewichte zeigende
Zustand der Knospen im Freien vom Dezember bis Anfang März
ungeändert geblieben, und Askenasy macht daraus den Rückschluss,
dass die Blütenknospen auch in ihrer Ruheperiode eine innere
(wahrscheinlich chemische) Aenderung erleiden, die sich nicht in
Gewichts- oder Grössenzunahme sogleich zu erkennen gibt. Auf
diese Weise wirkt dann also die Zeitdauer der Winterruhe auch
bei Temperaturen unter Null und erst recht nahe unterhalb der
eigentlichen Schwelle dennoch als ein positiv förderndes Mittel.
Es ist dieses eine Beispiel ausführlicher mitgeteilt,
nicht nur um den in den phänologischen Beobachtungen
fast stets gesuchten Zusammenhang zwischen Temperatur
und Vegetationsphase auf ein begründetes Maß zu be-
schränken, sondern auch um einmal wenigstens zu zeigen,
wie das physiologische Experiment auf diesem Gebiete
der Pflanzengeographie eine Grundlage zu schaffen be-
stimmt ist, während alle auf Rechnung allein begründeten
Anschauungen den Keim der Schwäche in sich tragen.
Denn nach diesen Versuchen lässt sich sogleich eine sach-
liche Erörterung über den Anfangstermin der Temperatur-
beobachtungen zu phänologischen Zwecken machen; man
kann sagen, dass dieselben vom Beginn der Ruheperiode
an zu summieren seien, oder vom Beginn der Treibfähig-
keit an; jedenfalls scheint der 1. Januar schon etwas zu
spät, und um doch einen natürlichen mittleren Anfangs-
punkt zu wählen, sollte man die Temperaturen von der
Wintersonnenwende an für nordische Frühjahrsphasen
summieren, vielleicht schon vom 1. Dezember an.
Wichtiger ist noch das weitere Resultat, was auch
mit tausendfältigen anderen Beobachtungen übereinstimmt,
dass die Zeitdauer der Ruheperiode an sich mitwirkt
bei der Beschleunigung, welche Temperaturerhöhungen für
den Eintritt einer Phase ausüben können. Es zählen
daher die Tage mit Temperaturen unter Null, welche
bei der Summenbildung fortgelassen werden, doch auch
in etwas mit, insofern als es Ruhetage an sich sind
und eine bestimmte Zahl von Ruhetagen verstrichen
sein muss, bevor auch unter den günstigsten Tempera-
turen eine normale Phasenentwickelung eintreten kann.
Umgekehrt drängt sich die Phase von selbst auch bei
[44]Anschluss an die Klimaperiode.
ungünstigeren Temperaturen durch, wenn die normale
Ruhezeit weit überschritten ist. Es stellt sich also immer
wieder heraus, dass die periodischen Erscheinungen der
direkte Ausfluss einer inneren Rhythmik sind, welche sich
selbst aber wie jede andere biologische Eigenschaft mit
den äusseren Bedingungen in einen deren mittlerem
Zustande entsprechenden Ausgleich gestellt hat.
In diesem Sinne nun haben alle angestellten Be-
rechnungen, auf Vergleiche von Minimal- und Maximal-,
Schatten- und Sonnentemperaturen gestützt, wieder neuen
Reiz und Wert, den man ihnen absprechen muss, wenn
sie sich das Ziel setzen, das Pflanzenleben in der hier
vorliegenden Beziehung auf einfache Wärmewirkungen
zurückzuführen. Nicht darum kann es sich handeln, son-
dern um die Erforschung der mittleren klimatischen Be-
dingungen, auf welche das periodische Pflanzenleben im
Anschluss an die Klimaperiode jedes Landes und Stand-
ortes rechnet, auf welche es rechnen kann, weil die jähr-
lichen Schwankungen des Klimas ein bestimmtes Maß
nicht überschreiten, und weil die Lebensäusserungen der
heimischen Gewächse seit Jahrtausenden an das mittlere
Klima mit Einschluss seiner Schwankungen gewöhnt sich
mit diesem in ein Gleichgewicht gestellt haben, welches
als eine biologische Eigenschaft vererbbar nicht ohne
weiteres aufgegeben wird, sondern erst allmählichen Um-
formungen durch die Möglichkeit anderer Acclimatisation
unterliegt. Nur in diesem Sinne war es gerechtfertigt,
den vorstehenden Untersuchungen und Versuchen so viel
Raum zu gewähren.
Denn es verleiht einen hohen Reiz, mit solchen
Untersuchungen sich eine Idee von dem Spielraum zu
verschaffen, den das Klima der Lebensthätigkeit einer
bestimmten Pflanze gewährt, der ihr das Gedeihen in
weiten Länderräumen oft gestattet, ihr aber an bestimmten
Punkten angelangt zugleich ein zwingendes Halt entgegen-
setzt. Der Vergleich der Lebensthätigkeit einer solchen
an entlegenen Punkten mit verschiedenem Klima wachsen-
den Pflanze (z. B. zwischen Brüssel und Petersburg) ist
eine unzweifelhaft richtige biologisch-geographische Auf-
[45]Linssers phänologische Regeln.
gabe, und da wir an jedem Orte nicht nur verschiedene
Tage für dieselben Vegetationsphasen beobachten, sondern
auch finden, dass sowohl die einleitenden als ausführen-
den Temperaturen sich an beiden Orten ungleich ver-
halten, so versteht es sich von selbst, dass die Natur-
forschung sich nicht mit der einfachen Nachweisung einer
bestehenden Verschiedenheit begnügen darf, sondern die-
selbe in die dabei zu beobachtenden einzelnen Momente
auflöst und gewisse Regeln abzuleiten sucht, welche
innerhalb der Beobachtungsschwierigkeiten mit der theo-
retischen Anschauung sich decken.
Auf diesem Gebiete stehen noch immer unübertroffen
zwei Abhandlungen von Linsser (Die periodischen Er-
scheinungen des Pflanzenlebens, Mémoires de l’ Académie
d. sc. St. Pétersb., VII. Ser., XI. Bd., Nr. 7; XIII. Bd.,
Nr. 8, 1867 u. 1869) da, welche theoretische, nur für
die nördlich-gemässigten Klimate gültige Regeln gestützt
auf eine schwerwiegende Zahl phänologischer Beobach-
tungen abzuleiten suchen; kein Experiment ist dabei über
den Einfluss dieses oder jenes Agens gemacht, wir haben
es also nur mit phänologisch-klimatologischen (thermo-
metrischen) Vergleichungen zu thun. Diese Korrelationen
drückt Linsser folgendermassen aus: „Die an zwei ver-
schiedenen Orten den gleichen Vegetationsphasen zuge-
hörigen Summen von Temperaturen über 0° sind den
Summen aller positiven Temperaturen beider Orte pro-
portional.“
Beispiel von Brüssel und St. Petersburg. Es wer-
den 6 Gruppen von Gewächsen gebildet, deren erste die frühesten
Frühlingsblüten (Anemone, Haselstrauch) und alle folgenden die
immer später blühenden Pflanzen enthält, die sechste z. B. die
Winterlinde und Thymian. Die Blüten- und Belaubungszeiten
dieser Gruppen sind zu einem gemeinsamen Mittelwert verrechnet,
um statt vieler Einzelzahlen wenige sichere zu haben. Gleichzeitig
sind für die Stationen Temperatursummen aus allen positiven Tem-
peraturen gebildet, für Brüssel z. B. vom tiefsten Punkte der Tem-
peraturkurve am 16. Januar an, für Petersburg von dem Eintritt
der Temperatur in den Nullpunkt am 8. April an. Der mittlere
Tag der Gruppe (Blütezeit) ist für Brüssel als Datum ausgedrückt,
für Petersburg in der durch + n-Tage angegebenen Verspätung.
[46]Verhältnis von Vegetationsphasen
Die ganzen Summen aller Temperaturen über Null betragen nun
für Brüssel: 3687°C., für Petersburg 2253°C.
Dividiert man mit diesen Summen die den einzelnen Gruppen
(1—6) entsprechenden angeführten Einzelsummen, so erhält man
folgende Zahlen, welche die den gleichen Vegetationsphasen ent-
sprechenden Bruchteile der ganzen vorhandenen Summe der posi-
tiven Temperaturen (der totalen Wärmesumme) bedeuten:
In ähnlichen, sehr gleichmässig ausschauenden Ziffern be-
wegen sich die Bruchteile der aus den Wärmesummen der übrigen
13 dazu benutzten Stationen abgeleiteten Werte, so dass Linsser
das obengenannte Gesetz auch noch mit anderen Worten so aus-
zudrücken berechtigt ist: „Ein jedes Pflanzenindividuum besitzt die
Fähigkeit, seinen Lebenslauf so zu durchlaufen, wie es die Wärme-
summe seines Heimatortes erfordert und wie es seine voraus-
gegangenen Generationen gewohnt geworden sind, indem Individuen
gleicher Art an verschiedenen Orten zu gleichen Entwickelungs-
stadien gleiche Portionen der ihnen gewohnten Wärmesummen ver-
wenden. Gegen den Verlauf der Temperaturkurve unterhalb des
Nullpunktes verhält sich die Pflanzenwelt (soweit es sich nur um
Lebensäusserungen handelt) indifferent.“
Der Raum verbietet, auf die weiteren sich daran
anschliessenden Auseinandersetzungen, sowie auf Bemer-
kungen, welche man vom physiologischen Standpunkte
aus dazu machen kann, einzugehen; hinsichtlich der letzteren
ist nur noch einmal wie bei Hult (Phénomènes périodi-
ques, S. 38) an das Gesetz der spezifischen Nullpunkte für
den Eintritt jeder Funktion, also auch für das Zustande-
kommen jeder Phase zu erinnern, welche nach Pflanzen
und nach Heimatorten weit verbreiteter Pflanzen ver-
schieden sind; eine genauere Darstellung an dem Beispiel
der weit verbreiteten Birke wird hierfür im Abschnitt 5
mit Hinweis auf die zugehörigen Temperaturkurven
[47]zu den Temperatursummen.
folgen. So ergibt auch ein Vergleich der Insolations-
maxima für die Blütezeit der Bäume in Hessen und in
der Schweiz, dass die letzteren höhere Werte haben als
die ersteren. Acclimatisationen sind also nach solchen
Grundlagen zu beurteilen, wobei dann aber noch für die
Ernährungsthätigkeit, Fruchtreife und andere die ganze
Vegetationsperiode beanspruchende organische Kraftäusse-
rungen die Lichtmenge und die Niederschlagsverteilung
mit vollem Gewichte eintreten. Bezüglich der Abhängig-
keit von den Niederschlägen in regenreichen und regen-
armen Klimaten bietet die zweite Abhandlung Linssers
ebenfalls eine für weitergehende Untersuchungen nützliche
Grundlage, — Endlich mag noch daran erinnert werden,
dass der Gedanke, den Phaseneintritt bei verschiedenen
Pflanzen derselben Flora als einfache Funktion der Tem-
peratursummen, welche sie dazu nötig haben, anzusehen,
schon dadurch allein widerlegt wird, dass nicht in jedem
Jahre eine gleiche Reihenfolge in dem Aufblühen der
verschiedenen Arten hintereinander stattfindet, auch wenn
die Beobachtungen an denselben Individuen angestellt
werden; man bezeichnet dies als „phänologische Inversion“
(vergl. G. J., Bd. X. S. 150).
Von theoretischem wie praktischem Interesse sind
die mit Getreidearten angestellten vergleichenden Kultur-
versuche, da die Cerealien in alle einzelnen Länder, die
zum Vergleich dienten (westliches, mittleres und nörd-
liches Europa) erst eingeführt worden sind und von ur-
sprünglich — wie anzunehmen ist — vorhandener bio-
logischer Einförmigkeit in jeder Art sich so verschieden-
artig an die Länder ihres Kulturareales angeschmiegt
haben, dass klimatische Rassen von allerdings schwacher
Beständigkeit sich daraus herausgebildet haben. Es hat
sich dabei ein von Alphons de Candolle aufgestellte Ablei-
tung bestätigt (Sur la méthode des sommes de température
etc., in Bibl. univ. de Genève 1875, vergl. Griseb. Abh.
S. 493), nach welcher unter annähernd gleichen Breiten
die Temperatursummen für dieselbe Funktion in den
westlichen Gegenden Europas wegen des Seeklimas höher
sind, als in den östlichen. Es zeigte sich dabei ferner,
[48]Phänologische Karten.
dass, je weiter man von Osten nach Westen fortschreitet,
aus demselben Grunde stets mehr Tage zur Vegetation
erfordert werden (s. G. J., Bd. VII. S. 178).
Es handelte sich hier immer um die biologische
Grundlage der Phänologie im Vergleich mit dem Klima,
für die nordischen Gebiete besonders mit der Wärmekurve,
um die Versuche, irgendwelche thermometrischen Funk-
tionen mit den Entwickelungszeiten zu parallelisieren; es
ist nur noch hinzuzufügen, dass die geographische Sta-
tistik der phänologischen Erscheinungen, welche zunächst
ganz unabhängig von der Klimatologie arbeitet, ein höchst
wertvolles Charakteristikum der einzelnen Gebiete einer
natürlichen Vegetationszone oder eines Abschnittes daraus
bildet. Die Aufblühzeiten allgemein verbreiteter Pflanzen
und die Belaubungszeiten der Bäume etc. kartographisch
als Mittelwerte zahlreicher Beobachtungen darzustellen,
wie es Hoffmann so schön für Europa ausgeführt hat,
ist eine unabhängige, für die Geographie höchst wichtige
Aufgabe, zumal mit Rücksicht auf menschliche Kultur.
2. Topographisch wirkende Agentien. Die vor-
her besprochenen Agentien würden in ihrer zwingenden
Gewalt auf das Pflanzenleben auch dann sich zeigen, wenn
die Kontinente aus einer gleichmässig ebenen Bodenkrume
von überall gleicher Beschaffenheit beständen; die periodi-
sche Wirkung von Licht, Wärme und Niederschlägen
würde sogar alsdann am reinsten hervortreten. Die Erd-
oberfläche ist aber reich gegliedert und mannigfach zu-
sammengesetzt; die verschiedenartigsten Gesteine bilden
für die mineralische Ernährung ganz verschiedene Be-
dingungen und besitzen zugleich der Insolation gegenüber
höchst verschiedene Eigenschaften; durch den orographi-
schen Aufbau werden nicht nur in Gebirgshebungen
und Thalsenkungen Verschiebungen der sonst entlang den
Breitenkreisen über die Erdoberfläche laufenden Klimate
hervorgerufen, nicht nur klimatische Inseln in ganz fremd-
artiger Umgebung geschaffen, sondern auch durch un-
gleiche Verteilung des fliesenden Wassers eine der Erde
sonst fremde Mannigfaltigkeit der Standorte erzeugt. End-
[49]Orographischer Aufbau.
lich sind fast alle Länder mit einer dichten oder dünnen
Vegetationsdecke überzogen, welche ihrerseits mit neuen
bedingenden Eigenschaften für solche Pflanzen auftritt,
die sich zwischen ihr ansiedeln wollen, indem sie ihnen
bald dichten Schatten, bald reiche Lichtfülle in den Baum-
wipfeln zuweist und einen stetig wirkenden Kampf um
den Standort hervorruft; ausserdem ist überall eine Tier-
welt neben den Pflanzen angesiedelt, welche zu ihrer Be-
fruchtung beiträgt, ihre Samen verbreitet, oder sich feind-
lich ihnen gegenüberstellt: und so finden wir hier ausser
den periodisch wirkenden Agentien noch eine Kette anderer
Einflüsse auf die Biologie der Pflanzen, nicht direkt an
die Umlaufszeit der Erde um die Sonne und an die geo-
graphische Breite gebunden, auch nicht im grossen Maß-
stabe, sondern nur im kleineren Rahmen wirksam (sofern
wir von den durch die Gebirgserhebungen bedingten
klimatischen Verschiebungen der Zonen ineinander ab-
sehen wollen); und diese Faktoren sollen hier als Wir-
kungen des orographischen Aufbaues und der durch die
organischen Mitbewohner veranlassten allgemeinen Lebens-
lage gekennzeichnet werden.
Orographischer Aufbau. Es ist dieser eigentlich
erst das Mittel, um den Klimaten der Erde die vorhandene
grosse Mannigfaltigkeit und ihre faktischen Grenzen zu
verleihen; aber in dieser Beziehung sind die Gebirge
und Ebenen der allgemeinen Jahresperiodizität unter-
worfen und fallen in das Gebiet der vorstehend gemachten
klimatologischen Untersuchungen, immer allerdings neue
Beziehungen schaffend im Zusammenwirken von Licht,
Wärme und Niederschlägen.
Der Lauf der Thäler, die Erhebung einzelner Piks,
schafft sehr verschiedenartige Bedingungen für die Besiede-
lung durch die Exposition gegen intensive Sonnenstrah-
lung oder gegen rauhe Regenwinde; nicht nur die Höhen-
grenzen ganzer Formationen wie einzelner Bestandesglieder
werden dadurch namhaft verschoben, sondern es können
gegenüberliegende Thalgehänge durch verschiedene Exposi-
tion geradezu von verschiedenartigen Floren besiedelt sein.
Drude, Pflanzengeographie. 4
[50]Exposition.
Ein gutes Beispiel liefern die Messungen Sendtners über den
Einfluss der Exposition auf die Höhengrenze der Buche im bay-
rischen Alpen- und Waldgebiet; die Zahlen sind, ausgedrückt in
bayrischen Fussen, folgende:
Den Wechsel der Formationen entsprechend der Lage des
Thalgehänges kann man allerorts da beobachten, wo verschiedene
Regionen den Kampf um das Grenzgebiet führen. Als Beispiel
führe ich das wilde Thal der Reuse im Schweizer Jura an. Auf
dem rechten Ufer erhebt sich bis gegen 1500 m Höhe aus dem
700 m hohen Thal das steile Kalkmassiv des Creux-du-Van mit
Exposition gegen NO, dicht von Laub- und Nadelholz bewaldet,
am Gehänge mit zahlreichen Alpenpflanzen bis gegen die Thal-
sohle hin besetzt: Bellidiastrum, Dentaria pinnata, Saxifraga ro-
tundifolia, Gentiana lutea, Arabis alpina. Gegenüber türmt sich
auf dem linken Ufer zwischen Noiraigue und Chambrelien von
850—1200 m ein wilder Höhenzug auf, dessen gegen S und SO
gerichtete sonnige Gehänge mit lichtem Laubwald, Gebüschen und
Felsformationen bedeckt sind; Dianthus silvestris, Melittis Melis-
sophyllum, Teucrium-Arten, Rosa pimpinellifolia, Coronilla Emerus
und montana sind hier die Charakterpflanzen, von den alpinen
der anderen Seite keine Spur.
Warming schildert in seinen in Abschnitt 6 anzuführenden
Arbeiten über Grönlands Flora die merkwürdige Wirkung, welche
dort zuweilen die Sonnenlage im Verein mit dem Schmelzwasser
ausübt. — Aus den tropischen Gebirgen wird bisher über keinen
anderen Einfluss der Exposition, als den der Windseiten, berichtet.
Dann handelt es sich um die Wirkung des Sub-
strates, der Bodensorten von verschiedener Zusammen-
setzung, welche selbst noch für Wasserpflanzen nicht be-
deutungslos sind, für Landpflanzen aber eine sehr wichtige
Rolle spielen.
Wichtigste Litteratur, in welcher die Bodenfrage prin-
zipiell erörtert ist:
Thurmann, Essai de phytostatique appliquée à la chaîne du
Jura etc., 2 Bde., Bern 1849. (Griseb. Ber. für 1849, S. 14). Saint-
Lager, Etude de l’influence chimique exercée par le sol etc., An-
nales d. l. Société botan. de Lyon, 4 ann. 1877 Nr. 1. — Contejean,
Géographie botanique. Influence du Terrain sur la Végétation. Paris
1881; 143 S. (G. J. Bd. IX., S. 150). Magnin, Recherch. sur la
Géogr. botan. du Lyonnais; Paris 1879; und: La Végétation de la
région Lyonnaise etc. Lyon 1886, S. 278 u. folg. — Vallot, Recherch.
physico-chimiques sur la terre végétale et ses rapports avec la distri-
bution géograph. des plantes, Paris 1883. — Höck, Einige Haupt-
[51]Wirkung des Substrates.
ergebnisse der Pflanzengeographie in den letzten 20 Jahren, in
Monatl. Mittl. d. nat. Ver. Frankfurt 1888. — Drude im G. J.
Bd. XIII. S. 295—297; und Berichte d. deutsch. bot. Ges. 1887,
S. 286. — Müller, Studien über die natürlichen Humusformen u.
d. Einwirkung auf Vegetation und Boden, 1887. — Planchon, Vé-
gétation spéciale des dolomies etc., Bull. Soc. botan. de France
Bd. l. S. 218, und Bull. Soc. Languedoc. de Géographie 1879. —
Sendtner, Vegetationsverhältnisse von Südbayern 1854, und des
bayrischen Waldes, 1860. — (Ein genaues Litteraturregister von
62 Seiten Länge findet sich bei Vallot a. a. O.)
Die verschiedenen Wirkungen der Bodenzusammen-
setzung sind auffällig und seit den Zeiten genauerer
Florenkunde weder übersehen noch gering erachtet. In
den triasischen Gebieten des mittleren Deutschlands sieht
man die Flora in recht bestimmten Zügen wechseln, je
nachdem man sich auf Muschelkalk oder Buntsandstein
und Keupersandstein befindet; mitten im alluvialen Sande
am Südrande der Lüneburger Heide treten auf einigen
kleinen Kalkdurchbrüchen die Pflanzen des südlichen
Hannover wieder auf; in den Alpen findet man grosse
Gegensätze in der Flora kalkhaltiger Bodenmischungen
und der kalkarmen Urgesteine; die Kalkmassen des Jura
haben viele Aufschlüsse erteilt, da einzelne Kieselbänke
dazwischen laufen und die Gegensätze zur Kalkflora auf-
recht halten; das südöstliche Frankreich, zumal die Um-
gebung von Lyon, zeigt nach den neuesten Beobach-
tungen die Flora wirklich nach Bodengebieten geson-
dert. Die edle Kastanie stand lange Zeit in dem Rufe,
niemals auf Kalkgestein zu vegetieren (es ist dies an
gewissen Stellen in Oesterreich dennoch der Fall); in
der mediterranen Vegetation findet man besondere Art-
genossenschaften auf besonderem Boden und ihre Grenzen
mit deren Verbreitung zusammenfallend; bei den flüch-
tigeren Beobachtungen in tropischen Gebieten hat sich
doch gerade dort eine bedeutende Bodenwirkung ergeben,
indem z. B. die sogenannte Lateritformation in Barma
sich auszeichnet durch blattwechselnde offene Waldungen
im Gegensatz zu den tropisch-immergrünen. Sehr natür-
lich erscheint, dass die salzreichen Steppengebiete an
Stelle ausgetrockneter Seen und ebenso die Strandvege-
tationen ihre besonderen Arten haben.
[52]Bodenklassen.
Diese Beispiele mögen die beobachteten Thatsachen
bezeichnen; sie lassen sich so zusammenfassen, dass be-
sondere Gegensätze zwischen folgenden Gesteinen und
den von ihnen gebildeten reinen oder gemengten Boden-
sorten bestehen: Urgesteine und Basalt, Dolomite, Kalk-
gesteine, Sandsteine, Gerölle oder Geschiebe aus irgend
einem dieser Gesteine, Kochsalz als bedeutendes Beige-
mengsel zu den übrigen Bestandteilen des Bodens, Gehalt
an Nitraten im lockeren Humus. Dass die Gerölle als
besondere Bodengattung aufgeführt sind, geschieht den
Beobachtungen zufolge, dass gewisse Pflanzen ebenso gern
auf Kieselsand als Kalksand auftreten, wenn sie nur über-
haupt einen sandartigen Detritus für sich vorfinden, und
es ist wohl ziemlich klar, dass dieser besonders durch
sein lockeres Gefüge für ihre Vegetationsmittel sorgt.
Wollen wir diese etwa 10 Bodenklassen, welche in sich
selbstverständlich reiche Gliederungen auch mit Rücksicht
auf ihre Vegetationseinflüsse zeigen, auf alle zu beobach-
tenden grössten Gegensätze hin zusammenfügen und die
Pflanzen darnach benennen, so kommen die 3 Haupt-
kategorien der Kieselpflanzen, Kalkpflanzen, Salz-
pflanzen („Halophyten“) zusammen, und je nachdem
man die verschiedenen Arten von Pflanzen auf eine be-
stimmte Kategorie von Bodenarten mehr oder weniger
fest angewiesen zu finden glaubt, nennt man sie kiesel-
stet, kieselhold, kalkstet, kalkhold u. s. w., und die un-
bestimmt verbreiteten, wie z. B. eine Pflanzenart des
Kalksandes ebenso gut wie des Kieselsandes: bodenvag.
Man ist nun jetzt ziemlich allgemein darüber einig,
dass es eine streng und ausnahmslos durchgeführte Boden-
stetigkeit nicht gibt (ausgenommen vielleicht noch nicht
genauer bekannte Salzsteppenbewohner, deren physiolo-
gischer Aufbau vielleicht mit grossem Chlornatriumgehalt
rechnet), sofern man darunter die Unmöglichkeit einer
bestimmten Pflanzenart, anders als auf einer der genannten
Hauptbodenklassen ihre Lebensprozesse zu vollführen, ver-
steht. Für sehr viele Arten, welche man in einem be-
stimmten Florengebiet in Gebundenheit an bestimmten
Boden beobachtet, findet man schon andere Substratver-
[53]Kalk- und Kieselpflanzen.
hältnisse in einem entlegenen, zumal in einem wärmeren
oder kälteren Gebiete, und es scheint die Bodenstetig-
keit auch bei Beschränkung der Fälle auf die sicherer
in dieser Beziehung geprüften Arten doch nur Gültigkeit
zu haben für die gesamten Vegetationsverhältnisse eines
einzelnen, natürlich abgegrenzten und nicht zu umfang-
reichen Florenbezirks. Was z. B. in der Bodenauswahl
für die Flora von Lyon gilt, gilt in dem Maße nicht
mehr für Mitteldeutschland in Hinsicht auf die hier und
dort gemeinsam vorkommenden häufigen oder selteneren
Arten, und in der Kultur (z. B. in botanischen Gärten)
gedeiht die Mehrzahl mehr oder weniger gut auf ganz
anderem Boden. Zwar muss man hinzufügen, dass die
Mehrzahl der Bodenbeobachtungen etwas flüchtig gemacht
wird, ohne chemische Analyse, und dass dabei sowohl ein
Nebenbestandteil von Kalk als ein solcher von Kiesel-
säure unbemerkt bleiben kann. Aber mit diesen Neben-
bestandteilen ist immer zu rechnen, weil ja überhaupt
keine Pflanze ohne Kalkgehalt wie ohne Magnesiagehalt
und ohne die übrigen unentbehrlichen mineralischen Nähr-
stoffe im Boden existieren kann, und es handelt sich dann
nur noch um die Frage, wo das geringste unentbehrliche
Maß solcher Nährstoffe aufhört und jenes Uebermaß
beginnt, welches schon zu der Benennung „Kalkpflanze,
Kieselpflanze“ berechtigt. Erfahrungsmäßig, d. h. im
Anschluss an die wirklich beobachteten Vegetationsver-
schiedenheiten auf verschiedenen Böden, setzt Magnin
den Unterschied so fest, dass zu dem Begriffe eines Kalk-
bodens mindestens noch ein Gehalt von 2—3 % Calcium-
carbonat gehört, während Böden mit weniger als 1—2 %
als Kieselböden gelten; die Zwischenstufe mit 2 % ent-
behrt des ausgesprochenen Charakters. — Auch bemerkt
man noch bei einigen selteneren Gesteinen, bei keinem
mehr als beim Serpentin, eine über das gewöhnliche
Maß hinausgehende Einwirkung auf seine Vegetations-
decke, welche gewisse seltene Arten in sich zu schliessen
und andere auszuschliessen pflegt. (Asplenium Serpentini
in der deutschen Flora, Schlesien, Sachsen, eine Boden-
varietät.)
[54]Physikalische und chemische
Damit tritt man in das andere, weniger der dar-
stellenden Geographie als der experimentellen Physiologie
unterworfene Gebiet der Frage ein, ob nämlich die ver-
schiedenen Bodenarten ihren Einfluss auf die Bildung
einer bestimmten Vegetationsdecke in Auswahl aus allen
Arten des betreffenden Florengebietes ihren chemischen
oder ihren physikalischen Eigenschaften zu verdanken
haben? Der chemische Einfluss kann insofern gar nicht
geleugnet werden, als der Boden die Quelle der unent-
behrlichen Nährstoffe ist, unter denen, wie schon gesagt,
Kalk niemals fehlen darf; aber von dieser zur Aufrecht-
erhaltung der notwendigen chemischen Umsatz- und
Organbildungsprozesse in der Pflanze nötigen minimalen
Menge soll hier nicht die Rede sein, da sie nirgends zu
fehlen scheint, ebensowenig wie Eisen, Phosphate und Sul-
fate, Kali und Nitrate. Inwiefern nun überhaupt die grösseren
Mengen von Kalk oder anderen Mineralstoffen im Orga-
nismus wirken, ist zur Zeit noch unaufgeklärt, und daher
ist die Anschauung der chemischen Bodenwirkung noch
jetzt nicht sicher gestützt. Vor bald 40 Jahren erregte
Thurmanns Werk über den Jura in dieser Beziehung
grosses Aufsehen, indem es auf das entschiedenste für
die physikalische Rolle der Bodenwirkung eintrat. Der
Boden wird sich unzweifelhaft in Bezug auf sein Wärme-
leitungs- und Strahlungsvermögen, sowie in Bezug auf
sein Absorptionsvermögen für Wasser und den von der
aufgenommenen Menge abgebbaren Bruchteil an die in
ihm wurzelnden Pflanzen seiner Zusammensetzung gemäss
ganz verschieden verhalten, und Thurmann fusste be-
sonders auf seiner verschiedenartigen mechanischen Zer-
kleinerung. Die Kalkpflanzen z. B. sollten auf Kalk
wachsen, weil dieser Boden bei geringerem Zerfall fest
und trocken sei; er zeigte, dass die Wurzelbildung der
meisten Kalkpflanzen einer schwach entwickelten und
periodischer Dürre unterworfenen Erdkrume entspräche,
dass Pflanzen mit kriechenden Wurzelstöcken vorherrsch-
ten, dass sie wenige Zweige, häufiger Grundrosetten-
blätter zu entwickeln pflegten. Dagegen sollten andere
Pflanzen auf kieseligen Gesteinen wachsen, weil diese
[55]Einwirkung des Bodens.
ihnen einen für sie nötigen tiefen und lockeren Boden
lieferten.
Diese Anschauungen litten an einer grossen Einseitig-
keit, obwohl sie sehr richtige Momente herausgegriffen
haben, welche viele Forscher wenigstens im Beginn ihrer
Studien in der Flora für sich einnahmen. Der bayrische
Botaniker Sendtner zeigte alsbald, und später Nägeli
durch höchst sorgfältige Untersuchungen in der Verbrei-
tungsweise der Alpenpflanzen, die Unhaltbarkeit von Thur-
manns Lehre; und die oben angeführte Litteratur fran-
zösischer Botaniker, welche für die Bodenfrage in neuerer
Zeit ein besonderes Interesse an den Tag gelegt haben,
kommt darin überein, dass dennoch den chemischen Ein-
flüssen des Bodens das erste und hauptsächliche Gewicht
in seiner Wirkung auf die Verteilung der Pflanzen zu-
komme, den physikalischen Eigenschaften ein geringeres,
in zweite Linie fallendes Gewicht. Sehr gut möglich ist
es einstweilen, die chemische Rolle des Bodens haupt-
sächlich als einen Ausschlag gebend in dem Kampfe der
Gewächse um den Platz anzusehen, so nämlich, dass die
Kalkflora allein im stande ist, dieses Uebermaß von Kalk
im Boden auszuhalten und dem entsprechend Gegenmaß-
regeln in ihrer Organisation zur Ausbildung zu bringen,
während die Kieselpflanzen dem Uebermaß von Kalk
nicht gewachsen sind. Umgekehrt würden die letzteren
auf Silikatboden herrschen, weil sie dort mit ihrer Organi-
sation den Sieg über die geschwächten Kalkpflanzen
davontragen, wie wir ja stets einen bestimmten äusseren
Zug der Natur auch entsprechend vertreten finden durch
dafür geeignete Organisation.
So ungefähr fasst auch Contejean die Sachlage auf,
indem er darauf hinweist, dass wesentlich nur zwei in
Menge vorkommende Mineralsubstanzen die geographische
Verbreitung der Pflanzen beeinflussen, nämlich Kalk (als
kohlensaure oder schwefelsaure Verbindung) und Chlor-
natrium. Beide sind im stande, eine eigenartige Flora
herbeizurufen, und zwar dadurch, dass sie die einen
Pflanzen so ausschliesslich auf sich wohnen lassen, dass
man bei ihnen von einem Bedürfnis nach so hohem Kalk-
[56]Vereinigte Einwirkung der
oder Salzgehalt sprechen zu müssen glaubt, während andere
Pflanzen sich gleichgültiger gegen ihre Menge im Erd-
reich verhalten und endlich andere geradezu von ihnen
abgestossen werden. Auf die letzteren ist aber die schäd-
liche Wirkung von Kalk und Kochsalz sehr viel grösser,
als auf die sogenannten „kalk- und salzsteten“ Pflanzen
die direkt (chemisch) fördernde Wirkung; denn diese ge-
deihen in besonderer Pflege oder oft auch in der Natur
sehr gut ohne Kalk bezw. Salz, haben dabei aber nun
einen um so stärkeren Kampf um den Platz mit der
grossen Menge „kieselsteter“ Pflanzen auszufechten, denen
sie meistens nicht gewachsen sind, wenigstens nicht unter
den obwaltenden Verhältnissen desselben Florenbezirks.
Wenn auch dies alles als richtig gelten muss, so ist
es deswegen doch nicht nötig, die Untersuchungen Thur-
manns als überflüssig zu verwerfen. Warum soll gerade
immer in erster Linie der Charakter des Substrats chemisch,
dann erst physikalisch in Betracht kommen? Warum
nicht hier und da (vielleicht seltener) auch umgekehrt,
warum endlich nicht beiderlei Eigenschaften oft mit gleichem
Gewichte? Denn es lassen sich nun doch die Eigen-
schaften in der Natur nicht trennen, und wie der Kalk-
boden chemisch ausgezeichnet ist durch Calcium, so ist
er es auch stets zugleich durch besondere Eigenschaften
in Hinsicht auf Wasserzufuhr und Wärmeabgaben an
Wurzeln. Auf beiderlei Eigenschaften müssen die kalk-
steten und kalkholden Pflanzen eingerichtet und in dieser
ihrer einseitigen Anpassung ohne Kalk schwächlich sein.
In Hinsicht der physikalischen Eigenschaften selbst treten
dann noch bei jeder Gesteinsart darin Modifikationen auf,
dass der Boden ein harter, nur von Rissen und Sprüngen
durchzogener Fels, oder ein sandiges Gerölle, feiner Sand
oder endlich ein aus den feinsten Partikelchen besonderer
Gesteine zusammengeschlemmter Lehm ist; um die gröbsten
Unterschiede auszudrücken, bezeichnet man die Pflanzen
danach als Fels-, Sand- oder Thon-(Lehm-)Bewohner.
Thurmann schuf die Bezeichnungen dysgeogen und eu-
geogen für die harten und weicheren Gesteine und die aus ihnen
herstammenden Bodenarten, deren physikalischem Verhalten er
[57]Eigenschaften des Bodens.
den maßgebenden Einfluss auf die Vegetation zuschrieb. Das
schwer verwitternde („dysgeogene“) Kalkgestein zerfällt in fein-
pulverigen („pelischen“) Detritus, ist für Wasser sehr permeabel
oder lässt dasselbe rasch abfliessen, und schafft daher einen rasch
trocknenden, für xerophile Bestände gut geeigneten flachgründigen
Boden. Die kalkfreien Gebirgsarten, welche leicht verwittern und
„eugeogen“ zu sandigem oder sandig-lehmigem (psammitischem“
oder „pelopsammitischem“) Detritus zerfallen, erhalten wegen ge-
ringerer Permeabilität für das Wasser ihre tiefe Erdkrume feuchter,
lassen dieselbe daher für solche Gewächse besser geeignet erschei-
nen, welche an stete Befeuchtung ihrer Wurzeln höheren Anspruch
erheben. In sehr lehrreicher Weise hat Thurmann gezeigt, dass
die Wurzelbildung der meisten Kalkpflanzen einer schwach ent-
wickelten und periodischer Dürre unterworfenen Erdkrume ent-
spricht: annuelle Arten sind selten; von den perennen haben viele
kriechende oder auf dem Boden hingestreckte Rhizome; die niederen
Stengel entwickeln mehr Grundblätter in Rosetten als Verzwei-
gungen; ausserdem sind wirklich weithingehende soziale Arten
viel seltener, das Vegetationsgemisch viel bunter und auf stete
Erneuerung an günstigen Plätzen hingewiesen.
Mir selbst ist es durchaus nicht zweifelhaft, dass diese von
Thurmann hervorgehobenen Eigenschaften des Bodens, welche
nicht durchaus an den Kalkgehalt oder Kalkmangel geknüpft sind,
Veranlassung bieten, dass gar nicht so selten „Kalkpflanzen“ auf
trockenem Silikatfelsgeröll vorkommen und umgekehrt „Kiesel-
pflanzen“ im Kalk aushalten. In oben genannter Abhandlung habe
ich gezeigt, dass in Sachsen Carex humilis und andere „kalkstete“
Felspflanzen in granitischem Geröll von weniger als 2 % Kalk-
gehalt vorkommen; sie teilen dort den Platz mit der als „kiesel-
stet“ geltenden Viscaria vulgaris, welche ich aber wiederum an
anderen Stellen Sachsens direkt in Plänerkalk-Felsspalten wachsend
beobachtet habe. Cytisus nigricans, den andere Floren als kalk-
hold anführen, meidet in Sachsen die Plänerhügel und bewohnt
dicht daneben den Syenit, Granit und Gneiss. Vallot gibt in
seinem ausgezeichneten Werke Artemisia campestris und Eryngium
campestre als Kalkpflanzen an, und ich selbst habe sie zumal im süd-
lichen Frankreich so gesehen; in Sachsen stehen sie auf Böden, deren
schwacher Kalkgehalt mir aus Analysen verbürgt ist, und so scheint
es mit der Hauptmasse ihrer norddeutschen Standorte zu sein.
Es ist also unmöglich, die Ersatzfähigkeit chemischer Boden-
eigenschaften durch physikalische zu leugnen; jede einseitige
Erklärung der Bodenwirkung muss zu Fehlschlüssen führen. In
welcher Weise die Substratverteilung in jeder Flora wirke, ist un-
befangen zuvörderst festzustellen; Planchon erklärt z. B. die Wir-
kung des Kalkes in der Flora von Montpellier für von geringerer
Bedeutung als in vielen nördlicheren Floren, hat aber ebenda eine
eigenartige Dolomitvegetation, besonders durch Armeria juncea aus-
gezeichnet, vor den anderen Gesteinsklassen wohl charakterisiert
beschrieben.
[58]Wasseraufnahme. Humus.
Kaum bedarf es der Hindeutung, dass dann ausser-
dem der orographische Aufbau die Niederschläge, oder
die Schmelzwasser fern gelegener Schnee- und Eismassen,
derartig verteilt, dass überall neben den grossen klimati-
schen Trennungen nach regenreichen und regenarmen
Ländern kleine „Standortsklimate“ in Hinsicht der Be-
wässerung oft dicht nebeneinander geschaffen werden,
indem Binnengewässer neben trockenen Geländen, dürre
neben berieselten Felsen in allen Abstufungen zu finden
sind und, unterstützt durch die Verschiedenheit des Sub-
strates, die grösste Mannigfaltigkeit in die Standorts-
verhältnisse jedes nicht ganz monoton aufgebauten Landes
hineinbringen. In der Mitwirkung des Wassers aber
zeigen sich bestimmte physikalische Eigenschaften des
Bodens erst im rechten Lichte, indem sie erhaltend oder
verschwendend wirken und ausserdem sehr verschiedene
Sättigungsgrade mit Wasser annehmen, ebenso auch in
der Abgabe des letzten Restes von Wasser zu Zeiten
trockener Sonnentage sich verschieden verhalten.
Die Anhäufungen von Humus sind im stande, da,
wo sie hohe Schichten gebildet haben, die Wirkungen
des unterliegenden Gesteins zu überdecken. So kann
man auf trocknem Kalkgebirge Heidel- und Preissel-
beeren da bemerken, wo im Schutze alter Fichten ein
kleines Torflager sich gebildet hat. Hier spielt die
Eigenschaft des Humus selbst, die Durchlüftung oder
Ansäuerung des Erdreichs die wichtigste Rolle, welche
man nach dem Vorhandensein oder Fehlen der Regen-
würmer gut beurteilen kann. Ueber diese Humussorten
hat Müller aus den dänischen Forsten ausgezeichnete
Beobachtungen mitgeteilt (s. oben).
Die Wichtigkeit des Substrates für die Natur der
Pflanzenbestände wie für das Vorkommen der Einzelarten
ist also, nach allen Seiten hin betrachtet, eine sehr hohe,
die Gründe dafür aber sind mannigfaltig. Stets wird
durch den Boden aus dem gesamten Bestande von Arten
im Florengebiet hinsichtlich der Auswahl und Häufigkeit
der Standorte eine bestimmte Auslese getroffen.
[59]Beziehungen zur organischen Welt.
Lebenslage durch organische Mitbewohner. Nur
kurz braucht hier auf die Veränderungen hingewiesen zu
werden, welche die Erdoberfläche durch die Massen zu-
mal gesellig lebender Gewächse erlitten hat und wodurch
neben jenen durch die Verschiedenheit des anorganischen
Substrates bedingten Lebensverhältnissen wiederum neue,
organisch verursachte, erstehen. Die Wälder bilden eine
tiefe humusreiche Erdschicht, in welcher zahlreiche Be-
wohner mit grossem oder geringem Lichtbedürfnis ihre
eigenartigen Existenzbedingungen finden und gezwungen
sind, ihre eigene Periodizität sich nach dem wechselnden
Zustande der mächtigeren Genossen richten zu lassen.
So blühen in den deutschen Wäldern zahlreiche Anemo-
nen und Primeln vor der Belaubung der Bäume und
vollenden nahezu ihre ganze Lebensperiode im Frühjahr,
da der Sommer sie durch den Laubschmuck des Waldes
des nötigen Lichtes beraubt; im Hochsommer dagegen
kommen die chlorophylllosen Saprophyten, Pilze und
seltenere Blütenpflanzen, aus dem tiefgründigen Humus
zum Vorschein, in ihrer Ernährung auf das angewiesen,
was vorjährige Assimilationsleistungen der Bäume für sie
übrig gelassen. In den immergrünen Tropenwaldungen
findet man niemals die lichterfüllte Frühlingsperiode am
Boden der nordischen Wälder, und es fehlen daher auch
alle die darauf bezüglichen Gewächse, während zahlreiche
Epiphyten hoch in den Kronen ihre Wohnstätte einge-
richtet haben und nun also, der steten Wasserzufuhr aus
dem Erdreich beraubt, auf neue Einrichtungen zur Ge-
winnung der nötigen Feuchtigkeit sich umwandeln müssen.
Alle Parasiten teilen naturgemäss die Verbreitungsgrenzen
ihrer Wirte, sind aber unabhängiger von deren Lebens-
periode. Die Moore und Wiesen bieten andere Beispiele
für die Abhängigkeit vieler Pflanzenarten von den Lebens-
gewohnheiten der grösseren Menge ihrer Umgebung; eine
Menge der dort zahlreich und weit verbreiteten Gewächse
kommt in der Natur nur schwierig an anderen Stand-
orten fort, da sie die wassersammelnde Eigenschaft des
Sumpfmooses in einem, der dichte Rasenwuchs von Gräsern
im anderen Falle unterstützt oder im Kampfe um den
[60]Insektenwelt und Befruchtung.
Standort beschützt. Auch diese Arten sind aber gezwungen,
ihre Periode an die des Sumpfmooses oder der Wiesen-
gräser anzulehnen, die lichtvollen Zeiten auszunutzen,
mit dem in die Höhe wuchernden Moose selbst in die
Höhe zu wachsen, die durch den nassen Untergrund be-
wirkte Dauer niederer Bodentemperaturen zu ertragen.
Neue Beziehungen schafft die Tierwelt durch ihre
Beihilfe bei der Befruchtung der Blüten und als Verbrei-
tungsmittel notwendiger oder fördernder Art für Früchte
oder Samen. Die auf die Insektenkreuzung angewiesenen
Blüten müssen in ihrer Entwickelungsperiode die Flugzeit
der ersteren treffen, sie müssen auch ihre Blüten den
Insekten gegenüber zur Schau stellen. Johows Erörterungen
darüber (s. G. J., Bd. XI, S. 108) bieten gewiss ein bio-
logisch nicht zu unterschätzendes Moment, indem sie an
die Blüten nicht in morphologischer Hinsicht herangehen,
sondern sie in ihrer auf die Augen wirkenden Gesamt-
masse auffassen, wo sie nicht selten auch auf das Zu-
standekommen eines bestimmten physiognomischen Land-
schaftsbildes einen bedeutenden Einfluss üben. Die Gross-
blumigkeit der zierlichen arktischen und hocharktischen
Gewächse ist bekannt und seit lange auf die Seltenheit
der Insekten in diesen Gegenden als biologisches Moment
zurückgeführt. Die Stellung und verhältnismässige Klein-
heit der Blüten an den meisten stolzen Tropenbäumen
hat Wallace mit Geschick auf die ganz anders in ihren
Lebensgewohnheiten sich verhaltende Insektenwelt zurück-
geführt, wovon in der fünften Abteilung dieses Handbuches
die Rede sein wird. Ebenso hat man Eigentümlichkeiten
in den Schauapparaten der Blüten von der neuseeländi-
schen Flora auf bestimmende Unterschiede der dortigen
Insektenwelt bezogen.
Auf der anderen Seite sind Ausbreitungen gewisser
Pflanzenarten, deren Samen mit Haftorganen versehen sind
oder deren Fleischfrüchte gefressen werden, ja auch Ver-
schleppungen ganzer lebender Pflanzenteile (bei Wasser-
gewächsen) durch Züge von Vögeln, durch den Pelz
weidender Tiere, bekannt genug, um den Einfluss auch
dieser Organismen auf Areale und Heimatverschiebungen
[61]Organbildung in äusserer Anpassung.
der Pflanzenwelt erkennen zu lassen. Die mit Haftor-
ganen ausgerüsteten „Klettpflanzen“ sind zum Teil die
wanderungsfähigsten von allen; ihren biologischen Ein-
richtungen hat Huth eine neuere Abhandlung gewidmet
(G. J., Bd. XIII. S. 294).
So werden durch diese organischen Mitwirkungen
die Verwickelungen in den Lebensbedingungen grösser und
im Rahmen der grossen klimatischen Periode kleine Stand-
orts- und Gelegenheitsbedingungen geschaffen, welche die
sonst einfach verteilten biologischen Grundbedingungen
zu oft unentwirrbaren, im einzelnen wenigstens nur lang-
sam und schwierig auf die besonderen wirkenden Ursachen
zurückführbaren Erscheinungen umgestalten.
3. Biologische Verschiedenheit der Organisation
unter den Wirkungen der geographisch und topographisch
wirkenden Agentien. — Alle vorstehend aufgeführten
Faktoren wirken nun zusammen zur Erzeugung von Ve-
getationsbildern, denen die grossen Züge durch die perio-
dischen Wirkungen, die kleinen durch die Standortsver-
schiedenheiten aufgedrückt sind. Denn wenn z. B. in Mittel-
europa der Frühling einzieht, so zeigt sein Einzug nur
kleine Zeitverschiedenheiten in offenem oder bedecktem
Gelände, in Wald oder Wiese, Heide und Moor; überall
erwacht das Pflanzenleben ungefähr gleichzeitig, nur ein-
zelne Standorte sind im stande, gewissermaßen ein be-
sonderes Klima mit kürzerer, oder umgekehrt mit länger
ausgedehnter Periode hervorzurufen. Dagegen zeigen sich
in Teichen, Sümpfen, Wiesen, Waldungen, an trockenen
sonnigen Abhängen oder in feuchten Thalschluchten die
mannigfachsten Verschiedenheiten im Charakter der
Pflanzenformen, indem jedes Gewächs aus dem ihm ge-
botenen Wasser, Licht, Insolationswärme und Bodenwir-
kungen mit besonderen erblichen Eigenschaften sich einen
eigenartigen Aufbau mit besonderer Vegetationsperiode
nach Wachstum, Ernährung und Fortpflanzung gut ge-
gliedert errichtet hat. Indem man die Gewächse aller
Länder auf ihre Wuchsformen in Anpassung an Klima
und Standortsverhältnisse vergleichend betrachtet, ohne
[62]Die Vegetationsformen.
jedoch dabei an ihre Stellung im morphologischen System
zu denken, kommt man zu dem Begriffe der Vegeta-
tionsformen; und indem man die Hauptunterschiede
in der Periodizität und Verteilungsweise der Vegetations-
formen zusammenfasst und zu einer Einteilung der Erde
zu verwerten sucht, kommt man zu dem Begriffe der
Vegetationszonen. In beiden Begriffen kommen also
die Beziehungen der äusseren Agentien auf das in be-
stimmten morphologischen Bahnen sich dennoch frei be-
wegende Pflanzenleben zum reinen Ausdruck.
Die Vegetationsformen.
Die Vegetationsformen sind biologisch aufzufassen
und vom eigentlichen (natürlich-morphologischen) System
des Pflanzenreichs, welches zugleich den von der Wissen-
schaft den Pflanzenarten zuerteilten Namen anzeigt, ge-
trennt zu halten. Indem man sie wiederum zu höheren
Einheiten vereinigt, kommt man zum Begriffe der „Vege-
tationsklassen“; es führen also diese Betrachtungen schliess-
lich zur Aufstellung eines eigenen, biologischen Systemes.
Dies letztere hat aber eine nicht so einheitliche Grund-
lage als das morphologische (sogenannte „natürliche“)
System; denn man kann die Ausgangspunkte für die
Merkmale der einzelnen Vegetationsformen sehr verschieden
wählen, wie die botanische Litteratur zeigt. Man könnte
nach Wasser- und Landpflanzen, nach chlorophyllführen-
den und chlorophylllosen, nach licht- und schattenbedürf-
tigen Arten, nach dem Bau der Oberhäute in Bezug auf
die Wasserverdunstung durch dieselbe hindurch, oder
nach vielen anderen vegetativ wichtigen Punkten die Ein-
teilung wählen, könnte auch nach den Schauapparaten
der Blüten, nach Wind- und Insektenbestäubung Unter-
teile wählen und mit den vorigen kombinieren. Dennoch
gibt es auch hier eine einigermaßen natürliche Grund-
lage, indem der gesunde Verstand des Menschen seit
lange eine Summe biologischer Eigentümlichkeiten zu-
sammenfassend eine Reihe von Begriffen bildete, welche
als natürliche Vegetationsklassen zu betrachten sind. Als
solche gelten z. B. Bäume und Stauden; die ersteren,
[63]Einteilung der Vegetationsklassen.
mit Holzstamm und einem grossen Apparat von Einrich-
tungen der Wasserzufuhr und Schutz vor Dürre und
Frost in freier Luft, die letzteren mit Krautstengeln,
welche in jeder Vegetationsperiode von neuem aus der
sie während der Ruhezeit schützenden Erddecke hervor-
brechen, umfassen als die beiden grössten Vegetations-
klassen eine ungeheure Menge von Pflanzen, welche bei
aller systematischen Verschiedenheit und bei aller Ver-
schiedenheit des Aussehens doch eine grosse Menge von
Lebensäusserungen gleichsinnig verrichten, und deren zu-
gehörige Vegetationsformen auch — worauf hier das
Hauptgewicht zu legen ist — nach der grossen klimati-
schen Periode unter sich starke Verschiedenheiten zeigen
und dadurch ein Mittel an die Hand geben, die Vegeta-
tionszonen der Erde scharf zu kennzeichnen. Diesen aus-
dauernden Vegetationsklassen der Blütenpflanzen stehen
die einjährigen Kräuter, welche ihre ganze Reproduktion
in je einer Vegetationsperiode vollenden, gegenüber und
sind auf enger beschränkte Klimate hingewiesen.
Es bedarf hier weder einer ausführlichen Auseinander-
setzung über die trennenden Unterschiede der hauptsäch-
lichsten Vegetationsklassen (vergl. die Ausführungen in
Schenks Handbuch der Botanik, Bd. III, T. 2, S. 486
bis 489, und in Neumayers Handbuch für Reisende, Bd. II,
S. 155), noch ist es nötig, hier schon die hervorragen-
den Träger im Vegetationsbilde der Erde für die einzelnen
Vegetationsformen zu nennen, da Abschnitt 5 dieselben
unter dem erweiterten Gesichtspunkt der Formationslehre
bringen wird. Nur in Kürze sollen die Vegetationsklassen
hier aufgeführt werden.
Die Bäume und Sträucher, unter sich durch die
sanftesten Uebergänge verbunden (wie fast alle biologi-
schen Vegetationsklassen), aber trotzdem als zwei ge-
trennte Klassen aufrecht zu halten, umschliessen die
Hauptmasse aller oberirdisch ausdauernden Holzpflanzen.
Den Charakter beständiger oder periodischer Belaubung
zu ihrer weiteren Einteilung zu verwenden, liegt nach
allem, was über die klimatischen Einflüsse gesagt war,
am nächsten. Die periodisch sich belaubenden Bäume
[64]Holzgewächse. Succulenten.
tragen sämtlich eine verzweigte Krone, deren zahlreiche
Laubknospen die neue Belaubung für jede Vegetations-
periode liefern; und je nachdem die Vegetationsperiode
bei ihnen durch erhöhte Temperatur oder durch den Ein-
tritt von Regenzeiten in gleichmässig hoch temperiertem
Klima eingeleitet wird, mögen sie als sommergrüne
und als regengrüne Wipfelbäume bezeichnet werden.
Die immergrünen Bäume sind entweder ebenfalls
Wipfelbäume, d. h. sie sind in reicher Verästelung
gegliedert und mit grosser Blattzahl begabt; oder sie be-
sitzen nur eine, stetig die wenigen grossen Blätter aus
sich erzeugende Gipfelknospe am Hauptstamm oder an
seinen wenigen Gabelungen, und mögen dann Schopf-
bäume genannt werden. Für die Sträucher gelten die
gleichen Grundideen.
Die Klassen der Lianen und Mangroven, fast ganz,
bezw. ganz auf die Tropen beschränkt, enthalten in ihrer
Anpassung an die Standortsverhältnisse der heissesten Ur-
wälder und der Meeresküsten besondere biologisch aus-
gezeichnete Vegetationsformen.
Tragen die erstgenannten Klassen ständig oder perio-
disch Blätter, so folgen nun blattlose Holzgewächse, denen
die Trockenheit des Klimas oder des Standortes die bio-
logische Notwendigkeit der Kohlensäureernährung durch
den grünen Stamm selbst oder seine Zweige ganz oder
fast ganz aufzwingt. Entweder sind dabei Stamm und
Aeste fleischig angeschwollen, meistens stacheltragend an
Stelle der Blätter (wie bei Cactus, vielen Euphorbia), und
diese führen den Namen Stammsucculenten; oder die
schlanken Zweige werfen die beim ersten Austreiben ent-
wickelten kleinen Blätter rasch ab und stehen so auch
in der Vegetationsperiode unbelaubt da, und diese Ge-
wächse sollen einfach blattlose Gesträuche genannt
werden, zu denen auch die zahlreichen Dornsträucher
trockener subtropischer Klimate gehören.
Den Stammsucculenten reihen sich in manchen Eigen-
heiten der Organisation am innigsten die Blattsuccu-
lenten an, welche so kurze oder so niedere Stämme be-
sitzen, dass sie nur selten noch zu den Holzgewächsen
[65]Halbsträucher. Rosettenträger. Epiphyten.
gezählt werden können; dagegen erreichen sie (wie die
Agave) oft bedeutende Dimensionen im Blatt und ertragen
die Trockenperioden, ohne die Blätter abzuwerfen, durch
die fleischige Textur derselben mit besonderem Verdun-
stungsschutz in der Oberhaut.
Zwei andere Uebergänge von den eigentlichen Holz-
gewächsen zu den Kräutern bilden zunächst die Halb-
sträucher, deren Gezweig nach wenigen Vegetations-
perioden abstirbt und durch neue aus dem Wurzelstock
hervorschiessende Sprosse ersetzt wird, so dass sie — wie
die gewöhnliche Heide und Heidelbeere — stets niedrige
Gesträuche bilden, dabei selbst entweder immergrün oder
periodisch belaubt sind; und zweitens die Rosetten-
träger, unter welchem Namen die grossen, viele Jahre
ausdauernden und über der Erdoberfläche frei sich ent-
wickelnden Gewächse verstanden werden mögen, welche
wie die Banane (Musa) oft noch in der Grösse an kleine
Bäume erinnern, und auch noch einen kurzen, vollständig
in Blattscheiden eingehüllten „Krautstamm“ besitzen, oder
welche wie die grossen Rosettenfarne auf ganz kurzem
nackten Holzstamm stehen.
Die Epiphyten, welche ihren Wohnplatz auf an-
deren Gewächsen, vornehmlich Bäumen, nehmen, ohne
jedoch von ihren Quartiergebern mehr als den Platz und
das Regenwasser mit dem Staube ihrer Rinde zu ver-
langen, bilden dann eine wiederum reich in den Tropen
gegliederte Vegetationsklasse, deren Formenkreise von
Schimper höchst lehrreich in Hinsicht auf ihre Ernäh-
rungsweise gezeichnet sind (G. J., Bd. XI, S. 104). Wir
werden sie in der tropischen Waldformation ausführlicher
zu besprechen haben (s. Abschn. 5).
Nun folgen die eigentlichen Kräuter mit selbständigen
Wohnplätzen in den Ozeanen: Seewassergewächse
(grösstenteils Tange, sonst Seegräser), oder in den Binnen-
gewässern: Süsswassergewächse, teils mit Schwimm-
organen auf der Oberfläche, teils untergetaucht; dann die
auf dem festen Lande. Die Landgewächse zerfallen in pe-
rennierende Kräuter oder Stauden, in zwei- oder ein-
jährige Kräuter, welche alle feste Blattorganisation mit
Drude, Pflanzengeographie. 5
[66]Biologische Einteilung der Stauden.
Verdunstungsschutz durch eine besondere Oberhaut haben.
Die Klasse der Stauden ist ausgezeichnet durch eine reiche
Mannigfaltigkeit der Einrichtungen zum Ueberdauern der
Winter- oder Dürrperiode. Manche zeigen oberirdisch
immergrüne Blätter und gehen so in die Klasse der Blatt-
succulenten über; die Mehrzahl aber wirft die Blätter
alljährlich ab und schlummert mit einer vorgebildeten
Winterknospe; andere lassen den unterirdischen Stamm
oder die denselben umkleidenden Niederblätter fleischig
anschwellen, entsprechen also dadurch teilweise den Suc-
culenten, aber mit in der Erde steckenden Organen: Dies
sind die biologischen Vegetationsformen der Knollen-
und Zwiebelgewächse.
Die letzteren zeigen deutlich den bestimmenden Ein-
fluss von Klima und Standort auf ihr Auftreten; denn
wo sie zahlreich sind, ist eine kurze Vegetationsperiode
und häufig die Notwendigkeit eines guten Verdunstungs-
schutzes während einer langen und trocknen Ruheperiode
das typische. Diese beiden Gesichtspunkte: Ausdauern
und Anpassung der ernährenden Assimilations-
organe (Blätter!) an die Vegetationsperiode und den
Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre in ihr, muss man
zur Grundlage einer weiteren biologischen Einteilung der
Hauptmasse der übrigen Kräuter, die Gräser als nur eine
Hauptform derselben mit eingeschlossen, machen. Nur
in diesem Sinne kann ja der Unterschied zwischen aus-
dauernden und einjährigen Kräutern von geographisch-
biologischer Bedeutung sein, wie denn die ersteren in
polaren Klimaten fast gänzlich fehlen und auch in den
trocknen Klimaten mit Leichtigkeit die einzige, verhält-
nismässig bequeme Zeit der Wasserversorgung aussuchen
können. Anders die Stauden und Gesträuche deren Ve-
getation sich nicht so rasch vollzieht; ihre Organisation
muss sehr verschiedenartig ausfallen, je nach dem Winter-
schutz ihrer Knospen und nach dem Sommerschutz ihrer
verdunstenden Blätter. In letzterer Beziehung lassen
sich für die trockenen subtropischen Klimate, wo A. de
Candolles später (Abschn. III) zu nennenden Xerophilen-
Gruppen herrschen, besonders 8 Schutzeinrichtungen
[67]Trockenschutz.
nennen, welche bald mehr bei Kräutern, bald mehr bei
Holzgewächsen anzutreffen sind:
- 1. Kleinheit und rasche Abfälligkeit der jungen,
niemals in die trockne Periode übertretenden
Blätter, oft verbunden mit Verdornung der
Zweige. - 2. Succulenz der Blätter oder der blattlosen Stamm-
organe. Hierher gehören auch die mächtigen
Knollenstammbildungen, welche wie bei der Dios-
coreacee Testudinaria elephantipes unter gewürfel-
ter Korkrinde die schlummernden Triebe bergen
und mit Wasser versehen. - 3. Haarkleid der Blätter und Festigkeit der
Oberhaut. - 4. Sekrete der Blätter oder Stengel, Zweige, von
Wachs oder besonders von einem Firnislack.
Die letztere Organisation ist jüngst durch Volkens
näher beleuchtet und auf Harzausscheidung ent-
weder durch Drüsenhaare, oder durch jugendliche
Nebenblätter, oder durch ganze unter der Ober-
haut harzerfüllt liegende Gewebsschichten, bezw.
Hautdrüsen zurückgeführt (Berichte d. deutsch.
bot. Ges. 1890, S. 120). - 5. Gehalt an ätherischem Oel in Blättern und
Stengeln, auch wohl Schleim-Inhalt. - 6. Schutzlage der verdunstenden Spaltöffnungen
in Höhlungen, überdacht durch Haare, Schuppen
u. s. w. - 7. Einrollung langer schmaler Blätter. Dieselbe
ist besonders bei Grasblättern bedeutungsvoll und
zeichnet eine grosse Zahl von Steppengräsern
gegenüber den saftigeren „Wiesengräsern“ aus.
Tschirch, welcher diese Verhältnisse genauer unter-
suchte, findet im Zusammenfalten oder Einrollen der
Steppengrasblätter eine sehr wirkungsvollle Einrichtung
gegen Trockenheit. „Denn da die meisten, besonders die,
welche als Bewohner dürren Sandbodens bekannt sind,
nur an den Seiten ihrer Längsrinnen Spaltöffnungen be-
sitzen und auf der nach aussen gekehrten Seite mit einem
dichten Bastzellenringe gepanzert sind, so wird durch ein
[68]Moose und Thalluspflanzen.
Schliessen der Längsrinne oder ein Zusammenrollen des
Blattes die Kommunikation der wasserdampf-erfüllten
Innenräume des Blattes mit der umgebenden Atmosphäre
nahezu aufgehoben, besonders da fast ausnahmslos Rinnen
und Prismen dicht mit Haaren besetzt sind, die beim
Schliessen eng ineinander greifen.“ - 8. Salzgehalt und Salzausscheidungen (vergl. oben
S. 30).
In diesen xerophilen, wie in den entgegengesetzt
wirkenden Einrichtungen beobachten wir stets eine all-
mählich erst im einzelnen und genauer bekannt werdende
Harmonie zwischen Bau und Funktion der Or-
gane. Die Funktion aber steht in Abhängigkeit von
den äusseren Lebensbedingungen; soll daher das Auf-
stellen besonderer biologischer Gruppen von Vegetations-
formen eine natürliche Grundlage haben, so kann sie
nur auf Grund dieser Harmonie gesucht werden.
Den Kräutern schliessen sich leichtverständlich schon
deswegen, weil das morphologische System hier in ge-
wisser Weise mit dem biologischen übereinkommt, die
Klassen der Moose und Flechten (Lichenes) an, aus-
gezeichnet die ersteren durch grüne Blätter ohne Ver-
dunstungsschutz, die letzteren als Thalluspflanzen. Nun
folgen endlich noch die Pilze als hauptsächlichste Klasse
von parasitären oder saprophytischen Gewächsen, während
man die Parasiten und Saprophyten unter den Blüten-
pflanzen als Anhang zu den Stauden oder gar zu den
Holzgewächsen unter besonderen Vegetationsformen be-
handeln kann.
So ergibt sich eine Einteilung, welche, wenn es nicht
der Zufall anders macht, sich frei hält von der eigent-
lichen Pflanzensystematik. Während mit der letzteren die
Periodizität und die Standortsbedingungen an sich nichts
zu thun haben, schaffen sie alles aus den biologischen
Vegetationsformen; es sind daher sogar schon viele
Klassen derselben ganz oder vorwiegend an bestimmte
klimatische Zonen der Erde gebunden, während die spe-
ziellen Vegetationsformen mit bestimmter Organisation
nur selten aus einer einzelnen Hauptzone heraustreten.
Die Notwendigkeit, biologische Grundformen frei vom
[69]Die Vegetationszonen.
morphologischen System zu halten, obwohl auch hier
durch das Gesetz der Vererbung wichtige Beziehungen
sekundär entstehen, ist früh erkannt und von Humboldt,
Grisebach, auch von Reiter (in dessen Werke über die
Konsolidation der Physiognomik 1885, siehe G. J., Bd. XI,
S. 95) befolgt. Nur hat der Versuch, bestimmte Formen
mit bestimmten Namen zu belegen, hier schädlich ge-
wirkt, indem er das reine biologische Prinzip nicht zum
Durchbruch kommen liess. Eine weitere Hauptfrage wird
immer noch die bleiben, welche Beziehungen in der Har-
monie zwischen Bau und Funktion der Organe so sehr
die wichtigsten sind, dass sie als Grundlage der Vege-
tationsklassen gelten können. Es scheint, dass das Aus-
dauern der Organe und die Hilfsmittel gegen Schädi-
gungen während der Ruheperiode die natürlichste Grund-
lage bleiben.
Die Vegetationszonen der Erde.
Die weitergehende Rücksicht auf die biologische
Periodizität in den verschiedenen Gliedern der eben kurz
angeführten Vegetationsklassen führt zu einer Einteilung
der Erde in Vegetationszonen, welche, zwar unabhängig
von den klimatologischen Zonen der Meteorologie, doch
mit denselben wenigstens Vergleiche zulassen oder sogar
notwendig machen, um für die grossen Hauptzüge des
Vegetationsbildes unserer Erde die bestimmende Wirkung
der vereinigten Haupt- und Nebenfaktoren auf das Pflan-
zenleben in einer bestimmten Gesetzmässigkeit abzuleiten.
Die Vegetationszonen fassen die analogen
Glieder aus den Vegetationsformen, ausgezeich-
net durch gleiche Hauptperiode und auf den-
selben Zweck hinzielende Anpassungserschei-
nungen, sowie Schutzmittel, nach ihrer geo-
graphischen Ausbreitung auf der Erde zusammen.
Man muss sich dabei auf die wesentlichsten Gruppen
von Vegetationsformen stützen, dieselben auch, wie es immer
hier geschehen ist, biologisch und nicht systematisch auf-
fassen, die nadelabwerfende Lärchentanne also beispiels-
weise mit den ähnlich biologisch beanlagten nordischen
[70]Wichtigste Vegetationsformen
Laubbäumen zusammenstellen, und die trotz immergrüner
Nadeln in tiefer Winterkälte schlafenden nordischen Fichten
wohl unterscheiden von den, Frostwirkungen nicht ertra-
genden wärmeren Araucarien, obwohl beides Coniferen
sind, endlich andererseits die Vegetationsweise der grossen
baumförmigen Palmen für am nächsten verwandt mit der
der Pandanusarten halten, obwohl beide zu verschiedenen
Ordnungen des natürlichen Systems gehören.
Nicht alle Klassen von Vegetationsformen sind gleich
gut geeignet, die Beziehungen zwischen Klima und be-
sonders eingerichteter Periodizität zu zeigen; wenn wir die
wichtigsten herausgreifen wollen, obgleich schliesslich auch
die unwichtigeren sich der durch sie scharf bezeichneten
Periode mehr oder weniger ohne Aenderung anschliessen,
so sind die Bäume in ihren nach grossen Grundzügen ge-
schiedenen Vegetationsformen voranzustellen, ausserdem
mehrere auf einzelne Zonen fast allein beschränkte Vege-
tationsklassen wie die Mangroven, Lianen, Epiphyten,
Stamm- und Blattsucculenten, Dornsträucher, glaciale
Stauden und die xerophilen Formen der Staudenklasse.
Es zeigt sich das Baumleben, fast zugleich auch stets
das der grösseren, üppigeren Wuchs aufweisenden blätter-
tragenden Sträucher, ausgeschlossen von bestimmten Teilen
der Erde durch zu lange anhaltende niedere Temperaturen
oder durch zu lange anhaltende Trockenperioden oder durch
stets ungenügenden Wasservorrat im Boden und in der
Atmosphäre; die mit Baumvegetation versehenen Land-
schaften scheiden sich in solche, wo Wipfelbäume allein
vorhanden sind oder diese gemischt mit wenigen oder
vielen Formen von Schopfbäumen; die Landschaften, in
welchen die Belaubung der blattwechselnden Wipfelbäume
durch ansteigende Licht- und Wärmemenge hervorgerufen
wird, sind fast scharf geschieden von denjenigen, in welchen
die belaubte und unbelaubte Periode zusammenfällt mit
einer niederschlagsreichen und -armen klimatischen Periode.
Und so wie es hier in groben Zügen mit der Sonderung
einzelner Unterklassen der Baumformen geschah, kann
man alle weiterverbreiteten Vegetationsformen nach der
in ihrem Leben sich aussprechenden Periode und
[71]des Landschaftsbildes.
nach den bestimmten darauf hinzielenden inneren
Organisationseinrichtungen einteilen. Dabei findet
man höchst interessante Einzelbeziehungen zwischen äus-
seren Einflüssen und innerer Ausgestaltung heraus, eine
Aufgabe, deren weites Feld der Hauptsache nach noch
eingehender Bearbeitung bedarf und bei deren Lösung sich
auch die geographische Richtung der Botanik als Natur-
forschung lebender, und in jedem Zuge nur das fein-
fühligste Leben verratender Organisation glänzend aus-
breiten wird. Man findet aber auch stets wichtige Ein-
richtungen der Lebensweise zahlreich in vielen Umge-
staltungen verteilt an sehr verschiedene, im natürlichen
System weit voneinander entfernt stehende Gewächse, nur
gebunden an bestimmte Klimate, daher gebunden an be-
stimmte Zonen und dieselben höchstens an einzelnen durch
besondere Standortseinflüsse umgewandelten Stellen über-
schreitend.
Während diese grossen pflanzenbiologischen, nach der
Gesamtperiode und den durch sie beeinflussten Wuchs-
verhältnissen abgegrenzten „Vegetationszonen“ in
Berghaus’ physikalischem Atlas, Pflanzenverbreitung Bl. III
(Nr. 46) in einer die thatsächlichen Vegetationsgrenzen
möglichst genau wiedergebenden Karte zur Darstellung
gebracht sind, während auch Englers Karte (Entwickel.
d. Floreng., Bd. II) in ihrem Flächenkolorit deren Dar-
stellung in ähnlicher Weise bezweckt, ist hier eine Karte
beigefügt, welche die klimatischen Grundlagen selbst in
möglichst den pflanzenbiologischen Verhältnissen Rechnung
tragender Weise wiedergibt und dadurch die Haupt-
positionen aller Vegetationszonen zugleich auf die sie be-
einflussenden Agentien zurückführt. Der Vergleich dieser
Karte mit der genannten im physikalischen Atlas wird
zeigen, dass nicht immer, und nicht immer streng, die
klimatischen Zoneneinteilungen mit den Vegetationszonen
zusammenfallen, dass dies aber doch in der Hauptsache
wirklich der Fall ist und dass die Abweichungen zum
Teil auch darin ihren Grund haben, dass die zur beider-
seitigen Einteilung verwendeten Prinzipien stets etwas an
Erzwungenheiten leiden, manchen Uebergängen oder
[72]Köppens Wärmezonen.
manchen zwischentretenden neuen Erscheinungen keinen
Raum geben, aber bei sachlicher Erörterung befriedigend
erklärt werden können.
Die drei geographischen, die Periodizität regulieren-
den Faktoren: Licht, Wärme, Feuchtigkeit, stellt
die Karte in ihrer Zusammenwirkung dar; das Licht durch
die Einteilung nach Breitenkreisen, aus der allein die
faktisch mögliche periodisch verschieden verteilte Licht-
menge zu ermessen ist, ohne Berücksichtigung allerdings
der aus der Bewölkung sich ergebenden Abzüge von
dieser höchsten überall möglichen Lichtfülle; die Wärme-
zonen sind nach Köppens Einteilung in der originellen
Darstellung ihres Verfassers hier unverändert wieder-
gegeben (siehe G. J., Bd. XI, S. 98); für die Nieder-
schlagsmengen, aus denen die Luftfeuchtigkeit eben-
falls einigermaßen beurteilt werden kann, sind an
zerstreuten Stellen der Karte Signaturen angebracht.
Die Wärmezonen nach Köppens Darstellung sind
für unsere pflanzengeographischen Verhältnisse zunächst
etwas eingehender zu erörtern, da sie besser als irgend
eine andere bisher gemachte thermographische Darstellung
des Erdzustandes klimatisch-pflanzengeographischen Unter-
suchungen entsprechen; und daher ist zu hoffen, dass
bei späterer erneuter Bearbeitung dieses Gegenstandes und
auch besonders infolge der stetig aus bisher unerforschten
Ländern reicher zufliessenden Materialien die Präzision der
Abgrenzungslinien eine vervollkommnete werde. Dieser
inneren Vorzüge wegen, welche bei Köppens Karte in dem
für seine Wärmezonen verwendeten Einteilungsprinzipe
liegen, ist dieselbe als Unterlage für die im nächsten
Abschnitt zu besprechenden „Florenreiche“ gewählt, deren
eigene Grenzen zu den hier vorliegenden Zwecken nicht
noch einmal ausführlich dargestellt zu werden brauchten,
und für deren Abgrenzung innerhalb derselben Kontinen-
talmasse die Wärmekurven Köppens einigermaßen gültig
sind, wenn sie mit den Xerophytengrenzen verbunden
werden.
Worin ihre Bedeutung liegt, mag aus einigen vor-
hergeschickten Betrachtungen über die Korrelation be-
[73]Nördliche Baumgrenze.
stimmter Temperatur- und Zonengrenzen sich heraus-
stellen: Die nördliche Baumgrenze, welche die Grenze
der ersten und zweiten Vegetationszone bildet und welche
ihrer ganzen Natur nach auf die Wärme in irgend welcher
Gestalt als ersten klimatischen Faktor zurückzuführen ist,
fällt ziemlich gut zusammen mit der Juliisotherme von 10°,
so allerdings, dass dieselbe an einigen Stellen zu weit
nach Norden greift und gerade dort einige kleine Ver-
besserungen durch die Lage der Jahresisotherme von 0°
erfahren könnte. Ist hier ein mittleres Temperaturextrem
von bestimmendem Einfluss (und es ist ja in der That
das Zusammenfallen von der 10°-Linie mit der Baum-
grenze kein Zufall), so sehen wir sogleich, dass an an-
deren Stellen die entsprechenden Extreme nicht von
gleichem Einfluss sind. Denn es sind z. B. die von der
30°-Juliisotherme eingeschlossenen Länder zwar noch ge-
meinsam heisse Wüsten, nicht aber die Glanzpunkte der
Tropenvegetation; und die Januarisothermen von — 40°,
— 20° schneiden ebenso wie die von 0°C. mitten in
die bewaldeten nordischen Länder hinein. Auf der + 20°-
Juliisotherme der Temperaturkarten liegt Paris, Jakutsk
und die nordamerikanische Seengegend, alle drei zwar zu
derselben Vegetationszone gehörig, aber doch in sehr un-
gleichen Nebenumständen und in sehr verschiedener
Nachbarschaft; die 10°-Juliisotherme hat also schon bei
20°-Isotherme ihren auffälligen Einfluss verloren, weil
sich nun auch das Jahresmittel, resp. die Winterkälten
bestimmend eindrängen und weil es doch nicht ohne Ein-
fluss sein kann, ob ein Ort wie Paris über der 0°-Januar-
isotherme liegt, oder wie Jakutsk von der — 40°-Januar-
isotherme mit umschlossen. So sehen wir auch die
Tropenvegetationszone viel mehr als die äussersten nörd-
lichen und südlichen Zonen vom Temperatur-Jahresmittel
abhängig, in der Hauptmasse ihres Gebietes etwa in die
24°-Jahresmittel umschliessenden Isothermen hineinfallend,
wobei aber sowohl einerseits eine Erniedrigung des Jahres-
mittels auf 20° die tropische Vegetation noch nicht aus-
schliesst (z. B. in Südbrasilien), andererseits eine Erhöhung
eher die Wüstenbildung als den Reichtum der Tropen-
[74]Beziehungen zwischen Temperatur-
flora begünstigt; (Chartum und Timbuktu liegen in einer
schmalen Fläche von über 30° Jahresmittel eingeschlos-
sen!). Was wir dagegen im Gebiet der tropischen
Vegetationszone maßgebend bemerken, ist der geringe Aus-
schlag ihrer Extreme, der geringe Abstand, welchen dort
z. B. die 20°-Isotherme im Jahresmittel, im Januar und
im Juli haben, so dass natürlicherweise die Gleichförmig-
keit vor der kurz andauernden Ueberhitzung den Vorrang
hat; die Linien gleicher Wärmeschwankung von 5°, ein
höchst niedriger Betrag für das Jahr, fallen daher überall
noch mitten in die Tropenvegetation hinein.
Noch viel auffälliger würden die hier besprochenen
Erscheinungen werden, wenn wir, anstatt von Monats-
mitteln zu reden, deren mittlere Extreme im Schatten
oder die mittleren Insolationstemperaturen ausserdem zur
Verfügung hätten und nun Vergleiche anstellen könnten,
für welche einstweilen noch die grundlegenden Beobach-
tungen in der Mehrzahl der Länder fehlen.
Selbst wenn wir uns also mit den einfachsten Tem-
peraturdarstellungen (Mitteltemperatur im Schatten) be-
gnügen müssen, so haben uns die vorhergehenden Betrach-
tungen gezeigt, dass die verschiedensten Momente des
Temperaturganges in seiner jährlichen Periode zur Ge-
staltung der Vegetationszonen zusammenwirken, bald die
höchsten, bald die mittleren, bald die tiefsten Tempera-
turen, bald das geringste Maß, bald ein sehr hohes Maß
jährlicher Wärmeschwankung unter und über das Mittel.
Daher sind die auf einer einfachen Mittelnahme basier-
ten Temperaturzonen, wie die von Supan (Geogr. Mittlg.
1879, S. 349, T. 18) bei allem meteorologischen Interesse
für unsere Zwecke weniger brauchbar, und es bedarf viel-
mehr einer besonderen Ideenkombination, um diejenigen
thermometrischen Momente klar zusammenzufassen, welche
in der Gliederung der Erdoberfläche nach Vegetations-
zonen und Ländern verschieden in Wirkung treten, um
diese als „organische Wärmezonen“ mit bestimmtem, leicht
fasslichen Charakter zu versehen.
Ausgehend von der Betrachtung, dass die Vegeta-
tionserscheinungen der verschiedenen Pflanzen an ver-
[75]und Vegetationszonen.
schiedene Minimalwerte der Temperatur gebunden sind,
dass aber ausserdem, wie oben ausführlicher besprochen,
die Temperatursummen eine wichtige Rolle durch die
Notwendigkeit der Anhäufung organischer Kraft in einer
nicht unter ein bestimmtes Maß sinkenden Zeit spielen,
hat daher Köppen seine „Wärmezonen der Erde, nach
der Dauer der heissen, gemäßigten und kalten Zeit und
nach der Wirkung der Wärme auf die organische Welt
betrachtet“, auf die Zeitdauer begründet, während welcher
sich die Temperatur über oder zwischen gewissen Grenz-
werten hält. Die Annahme der Grenzwerte ist zwar immer
etwas willkürlich, doch lassen sich durch Vergleich der
Vegetation in räumlicher Anordnung mit dort bestehen-
den höchsten oder mittleren Temperaturen mit ziemlicher
Genauigkeit solche Werte wählen, welche in der Unter-
scheidung der Hauptvegetationsformen eine bedeutendere
Rolle spielen; so lässt sich z. B. die Temperatur von
10° Wärme für einen Monat Dauer als geringste For-
derung des Baumlebens erkennen; von ähnlicher Bedeu-
tung hat man schon seit lange die um 20°C. liegenden
Temperaturen für sommerliche Monatsmittel gefunden.
Köppen unterscheidet daher 7 Wärmezonen, von denen jede
nördlich wie südlich vom Aequator wiederkehrt; 1. Die tro-
pische Zone umfasst die Teile der Erdoberfläche, an denen die
normale Mitteltemperatur aller Monate über 20° liegt; gleich-
mäßig hohe Wärme mit sehr geringer jährlicher Schwankung ist
ihr Charakterzug das ganze Jahr hindurch, in welches nur die
Niederschläge eine periodische Teilung schärferer Art hineinbringen.
2. In den beiden sich an die Tropen anschliessenden Zonen
sinkt die Temperatur mindestens 1 Monat lang, höchstens aber
8 Monate lang, unter die tropische Temperatur von 20°, während
in einer mindestens 4 Monate währenden heissen Jahreszeit der
hohe Stand der Sonne zur vollen Geltung kommt. Zwei oder drei
Unterabteilungen dieser Zone, in der Karte durch einen roten und
blauen Strich geschieden, ergeben sich durch die Andauer der
kühleren Jahreszeit (weniger oder mehr als 4 Monate) und durch
das Herabsinken des kühlsten Monats nicht bis zu 10° Wärme-
mittel oder unter diese, schon sehr gemäßigte Wärmestufe.
3.—5. werden als gemäßigte Zonen den ersten beiden (tro-
pischen) gegenübergestellt; sie haben unter sich das gemeinsam,
dass die heissen Temperaturen (20° und darüber) höchstens noch
4 Monate anhalten können und in den nördlicheren Breiten ganz
verschwinden, während die eigentlichen „gemäßigten“ Temperaturen
[76]Die Wärmezonen der Erde.
von 10°—20° mindestens noch 4 Monate (an der nördlichen Grenze
der fünften Zone), meistens aber ungefähr die Hälfte des Jahres
hindurch anhalten, und unter 10° Wärmemittel liegende Monate
allerhöchstens zwei Drittel des Jahres dauern. Diese drei Zonen,
unter sich ziemlich innig und oft mit verschlungenen Grenzen
zusammenhängend, gliedern sich naturgemäß ab, je nachdem sie
entweder noch einige Monate hindurch die heissen Temperaturen
der Tropenzone teilen, oder sie sich im Gegenteil einige Monate
lang durch unter 10° sinkende Temperaturen an die kalten Klimate
anschliessen. Ueber den Ozeanen und an einigen kleinen Stellen
der Kontinente ist als eine besondere, „konstant gemäßigte“ Zone
diejenige abgehoben, in welcher kein Monat über 20° oder unter
10° Temperaturmittel zeigt; diese dritte konstant gemäßigte
und die vierte, sommerheisse Zone vertreten sich gegenseitig
nebeneinander, während die fünfte Zone polwärts sich an beide
anschliesst; die Grenze zwischen Zone 3 und 5 bildet dabei die
Isotherme von 10° des kältesten Monats, die Grenze zwischen Zone 4
und 5 aber die Isotherme von 22° des wärmsten Monats, da dem
Verf. durch 22° eine bessere Grenze als durch 20° erzielt zu werden
schien. — Auch ich halte dies für nützlich, weil anderenfalls die
vierte Zone viel zu weit polwärts sich ausdehnen würde, zumal da
anderen Karten zufolge die 22°-Isotherme des Juli weiter nach
Norden ausgreift als in Köppens Darstellung.
6. Die kalte Zone, in den Ländern der nördlichen Halbkugel
ungleich stärker entwickelt als im Süden, besitzt höchstens 4 Monate
lang, mindestens aber 1 Monat hindurch die gemäßigten Tempe-
raturen von 10°C. und darüber; ihre nördliche Grenze bildet
die oben besprochene Juliisotherme von 10°, deren Natürlichkeit
schon hervorgehoben wurde; dort ist der Juli der einzige noch
„gemäßigt“ auftretende Monat; alle anderen Monate sind mit
ihren niedrigeren Mitteln „kalt“. In dieser Zone verläuft, an
manchen Stellen sogar seiner Südgrenze ziemlich genähert, die
Südgrenze des stets gefrorenen Erdreiches nach ungefähren An-
gaben; von da an nordwärts thaut der Boden, welcher ja von
einer gewissen Tiefe an (23 m vollständig!) auch im Sommer die
mittlere Jahrestemperatur beibehält, wegen des sehr niederen
Jahresmittels gar nicht mehr auf in den der jährlichen Sonnen-
wirkung entzogenen Tiefen, obwohl nicht nur hochstämmige Wälder,
sondern zum Teil auch noch Kornfelder auf seiner Oberfläche
recht gut gedeihen.
7. Die Polarzone nimmt dann den jenseits der 10°-Isotherme
des wärmsten Monates liegenden Rest der Erde ein, abgesehen von
den hochalpinen Regionen der Hochgebirge, welche bei dem kleineren
Maßstabe der Karte keine Darstellung fanden. — Für sie ist von
Interesse noch die Untersuchung Supans über die 0°-Isotherme
des wärmsten Monats, welche der Berechnung nach am Nordpol (mit
+ 0,45° Julitemperatur) noch nicht erreicht sein würde, dagegen
auf der südlichen Hemisphäre ungefähr mit dem südlichen Polar-
kreise zusammenfällt. Da dort nach allen unseren Wahrnehmungen
[77]Mitwirkung der Niederschläge.
dem Leben höherer Blütenpflanzen ein Ziel gesteckt sein muss, so
wäre der noch unbekannte kälteste Gürtel der Erde einer neuen,
eigenen Wärmezone würdig.
Das Prinzip, Temperaturzonen auf die Dauer gewisser, nicht
unter ein bestimmtes Maß sinkender Werte zu begründen, scheint
sich in fachmännischen Kreisen erhöhter Bedeutung zu erfreuen
und beginnt für einzelne Teile der Erdoberfläche noch genauer
ausgearbeitet zu werden. So besonders von Supan für Europa
(siehe G. J., Bd. XIII, S. 809) in gesonderter Darstellung der An-
dauer der Frostperiode, der warmen und der heissen Periode. Es
ist klar, dass diese vollständigeren Ausarbeitungen das höchste
Maß der Wünsche von seiten pflanzengeographischer Forschung
erfüllen, und für kein Land lassen sich daher die klimatologischen
Begründungen von Vegetationslinien und der gesamten Vegeta-
tionsabsonderung in der Genauigkeit allgemein überblicken, als
eben für Europa nach dem Erscheinen der genannten Arbeit Su-
pans, wenn man die Extremtemperaturkarten noch dazu nimmt.
Nur die Insolationswirkungen entbehren noch zusammenhängender
Darstellung.
In diese Wärmezonen bringt nun die Verteilung der
Niederschläge und Luftfeuchtigkeit neue und höchst ge-
wichtige Charakterzüge hinein. Dieser dritte Faktor kann
naturgemäß nicht eine primäre Ursache der Abgrenzung
von den Hauptvegetationszonen auf der Erdoberfläche sein,
weil er erst dann wirksam eintritt, wenn Licht und Wärme
die Verwendung des Wassers durch die Pflanzenorgani-
sation gestatten; die Niederschläge und eine grosse Luft-
feuchtigkeit können für eine durch Licht- und Wärme-
mangel zum Winterschlaf gebrachte Vegetation nicht
nützlich sein; die Niederschläge wirken vielleicht durch
Aufspeicherung im Erdreich auch auf den Beginn der
Vegetationsperiode noch nach, aber die Luftfeuchtigkeit
geht spurlos vorüber. Deshalb sehen wir diese Faktoren
innerhalb des durch die geographische Lage verursachten
Grundzustandes der Vegetationsperiode mit scharfen Charak-
terzügen einschneiden.
Dies vorausgeschickt ist es von hohem Interesse, die
Verteilung der trockenen und feuchten Klimate allgemein
und in ihrer Wirkung auf die Vegetation zu verfolgen,
z. B. in der von Peschel (Ausland 1866; s. Griseb. Abh.
S. 335) gegebenen Darstellung, nach welcher die Ver-
teilung der fruchtbaren und öden Vegetationsgebiete an
[78]Steppen- und Wüstenzonen.
die charakteristische Konfiguration der einzelnen Konti-
nente gebunden ist. Die Massenausdehnung des Fest-
landes der östlichen Hemisphäre durch nahezu 160 Län-
genkreise von 20° N. im Westen der Ländermasse bis
50° N. in deren Osten bedingt im Bereiche des Passatwindes
den breiten, von WSW. nach ONO. gerichteten Streifen
von Steppen und Wüsten, mit der westlichsten Sahara
beginnend und der östlichen Gobi abschliessend in fast
lückenlosem Zusammenhange, indem die Niederschläge um
so seltener werden, je grösser der Abstand von dem den
Wasserdampf durch bestimmte Luftströmungen zuführen-
den Meere ist. Es hängen mit ähnlichen Umständen die
beiden grossen Steppen- und Wüstenbildungen im Süden
der östlichen Halbkugel, in Australien und Südafrika, zu-
sammen, wo beidemal die Ostküste der Kontinente selbst
regenreich, fruchtbar und mit mannigfaltiger hygrophiler
Vegetation bedeckt auftritt, während sie ein westlich sich
anschliessendes dürres Hinterland erzeugt; auf wiederum
dieselben Verhältnisse lässt sich die Verteilung der un-
fruchtbaren Steppen und Wüsten in Amerika zurück-
führen, wo die schmalere Gestalt des Kontinentes und
besonders der hart an den Westrand gerückte Zug der
Andenkette eine viel geringere Fläche der Wüsten von
Kalifornien bis Utah auf der nördlichen, in Chile nahe
dem Wendekreise und in Patagonien auf der südlichen
Hälfte dieses Erdteils zur Entwickelung gebracht hat.
Die Feuchtigkeit, welche ein Land nach seiner festen
geographischen Lage überhaupt bekommen kann, wird
nun sowohl in ihrer absoluten Menge als auch in deren
Verteilungsweise innerhalb der Vegetationsperiode durch
die Pflanzendecke selbst stark beeinflusst, wovon die ver-
schiedene Verdunstungsgrösse verschiedener Vegetations-
decken (s. G. J., Bd. VIII, S. 232) und die durch die-
selben auf Windrichtung und Windheftigkeit ausgeübte
mechanische Wirkung, sowie ihr beschattender Einfluss
auf die feuchte Erdbodenfläche die Veranlassung ist. Dies
drückt sich in dem Schlagwort zur Charakterisierung Nord-
afrikas aus: „Afrikas dürrer Sand — wo nichts wachsen
kann, weil’s dort nicht regnet — und wo’s nicht regnen
[79]Klimatische Wirkung der Wälder.
kann, weil dort nichts wächst“, und gipfelt in der oft
besprochenen Rückwirkung der Wälder auf das Klima,
welche jüngst von Woeikof (s. G. J., Bd. XI, S. 99) wie-
derum so gemäßigt und aufklärend zugleich behandelt
ist. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die
ganz regenarmen Länder, wenn man ihnen plötzlich eine
fertige Walddecke geben könnte an Stelle ihrer Wüsten-
und Steppenformationen, deshalb doch nicht Regenfälle
genügend erhalten würden zur Aufrechthaltung der
Wälder, sondern letztere verdorren lassen müssten; dass
aber in den waldbedeckten Ländern der Wald durch
Feuchtigkeitsregulierung selbst für seine Erhaltung auf
das günstigste sorgt, ist ebenso unzweifelhaft, wie dass
in einigen Ländern, wo die absolute Menge der Nieder-
schläge und ihre schroffe Abwechselung nach trockenen
und feuchteren Jahreszeiten eine Waldbedeckung fraglich
macht, die vorhandene Walddecke die Einrichtungen zu
ihrer Erhaltung besitzt, während sie — einmal vernich-
tet — schwer und nur mit Hilfe künstlicher Bewässerung
oder im langsamen Kampf jahrhundertelanger Neuent-
wickelung wiedererstehen würde. Die allgemeine Frage
gliedert sich selbst wiederum in ganz verschiedene Ge-
biete je nach der klimatischen Grundverfassung des be-
treffenden Landes und verhält sich in den gemäßigten
Zonen anders als in den subtropischen und tropischen,
immer unter Mitberücksichtigung der durch die Vegeta-
tionsdecke zugleich mit veränderten täglichen Temperatur-
periode.
Während die Waldwirkungen auf das mitteleuropäische ge-
mäßigte Klima schon durch die forstlichen meteorologischen
Stationen bekannt geworden sind, ist es weniger der Fall mit den
in den Tropen ausgeübten. Wir lassen daher in diesem Punkte
Woeikofs Meinung als Beleg folgen: „Was den Einfluss der dichten
Wälder warmer Erdstriche auf die Regen betrifft, so bin ich der
Meinung, dass, wenn die allgemeinen, klimatischen Verhältnisse
den Regen entgegen sind, auch in grossen Waldkomplexen kein
Regen fällt. Dies ist der Fall, wenn der Wind beständig ein ab-
steigender ist oder aus kühleren, trockeneren Himmelsstrichen weht,
wie vom November bis Februar in Assam, wo Nord-Ost-Winde vor-
walten. Ist eine mächtige Luftströmung aus wärmeren und feuchteren
Himmelsstrichen vorhanden, namentlich wenn sie noch eine auf-
steigende Bewegung hat, so sind die Verhältnisse dem Regen
[80]Kartographische Signaturen
günstig, sei die Gegend vorwaltend Wald, Feld oder Steppe. Aber
bei weitem nicht immer gibt es so scharf ausgeprägte Wettertypen.
Sehr oft, und namentlich in der Nähe des Aequators, sind die
Winde veränderlich oder lokal, oder es herrschen Windstillen. In
solchen Verhältnissen müssen dichte Wälder dem Regen günstig
sein, weil sie den Winden ein Hindernis entgegensetzen und da-
durch die Luft zum Aufsteigen zwingen, ausserdem die Luft im
Walde schon feucht ist. Das eine und das andere ist einer Kon-
densation günstig. Bei derselben Windrichtung muss es in wald-
losen Gegenden nicht oder weniger regnen. Bei Windstillen und
heiterer Witterung nach einer langen regenlosen Periode ist der
aufsteigende Strom über Wäldern viel feuchter, als über unbe-
waldeten Gegenden, wo der Boden ausgetrocknet, die Vegetation
verwelkt ist, daher dort wieder günstigere Verhältnisse für Regen.
Auch die Windstille selbst ist günstig für Regen des aufsteigenden
Stromes; ich erinnere nur an die häufigen Nachmittagsgewitter in
gut geschützten Alpenthälern. Gerade der häufig vorkommende
frühere Anfang der Regen in bewaldeten Tropengegenden beweist
die Richtigkeit des oben Gesagten.“
Für die Einwirkung der Niederschlagsmengen und
ihrer Verteilung auf die Absonderung der Vegetations-
zonen bedarf es besonderer Karten, welche nicht nur die
jährliche Regenmenge nebeneinander stellen, sondern viel-
mehr die Regenmenge im Verhältnis zu der faktisch statt-
findenden Vegetationsperiode kennzeichnen sollten. Es
ist ein solches Verfahren dadurch angedeutet, dass in
unserer Wärmezonenkarte Eintragungen über die Nieder-
schläge in Gestalt von Signaturen hinzugefügt sind.
Vier Windfahnen sind in der
Reihenfolge der vier allgemeinen
meteorologischen Jahreszeiten De-
zember-Februar (links oben), März-
Mai (links unten), Juni-August (rechts
oben), September-November (rechts
unten) an einem Mittelstrich gezeichnet; sind ihre Felder hell, so
fallen zu der betreffenden Jahreszeit zur Aufrechterhaltung der in
Thätigkeit befindlichen Vegetation genügende Niederschläge, sind
ihre Felder dunkel, so fehlen dieselben und veranlassen Rückgang
oder Vegetationsruhe zu der betreffenden Jahreszeit, so dass also
ein Mittelstrich mit einer hellen Fahne links unten und einer rechts
oben Niederschläge innerhalb der Vegetationsperiode vom März bis
August bedeuten würde. Die Dürre zu allen Jahreszeiten ist durch
die Signatur einer runden, schwarz umränderten Scheibe an Stelle
der Windfahnen ausgedrückt. Das Aphoristische dieser Darstel-
lungsweise liegt auf der Hand; doch da eine klimatologische Karte
mit Rücksicht auf die Vegetationszonen allen drei Agentien: Licht,
[81]für die Niederschläge.
Wärme, Feuchtigkeit, gleichmäßig gerecht werden soll, und da
sich die Verteilung der Lichtperiode auf die Jahreszeiten aus den
Breitenkreisen zugleich ergibt, so sind die Niederschläge wenigstens
im Prinzip ihrer Wirkung bezeichnet. Von besonderer Wichtig-
keit sind die Erdstriche mit Regenarmut in allen Monaten, da sie
starke Sperren für die an sie angrenzenden Floren darstellen. Die
Ausdehnung dieser trockenen Länder, der natürlichen Entwicke-
lungsherde der Xerophilen oder Xerophyten im Sinne A. de Can-
dolles, ist daher noch genauer angegeben durch Darstellung der
Grenzlinien, bis zu welchen die jährliche Niederschlagshöhe 20 cm
auf der nördlichen und 60 cm auf der südlichen Hemisphäre nicht
übersteigt. Als Quelle dienten dafür Hanns Karten im physikali-
schen Atlas. Thatsächlich rahmen diese, für den Norden und
Süden mit Absicht ungleich gewählten Niederschlagsgrenzen, be-
sonders interessante, eigenartige Florenbilder ein.
Noch 5 Gebiete sind durch rote Sterne hervorgehoben, das
mexikanische Hochland und die peruanische Küste, Somali-Land
mit Südarabien, die südafrikanische Heimat der Welwitschia, end-
lich das tropische Savanengebiet in Australien. Es sind dies
Länder, in welchen die Charaktere von ihrer geographischen Lage
nach tropischen Gebieten unter Ausschluss der die regelmäßige
Befeuchtung nicht entbehren könnenden Gattungen aus tropischen
Xerophilen von Euphorbiaceen, Cucurbitaceen, Apocynaceen, Legu-
minosen, Liliaceen etc. bestehen und sehr vereinzelt gebliebene
Sippen aufweisen; von diesen Xerophilenfloren wird im 6. Abschnitt
weiter die Rede sein.
Der Vergleich meteorologischer allgemeiner Regen-
und Temperaturkarten belehrt uns, dass in den Tropen
bei gleichmäßig hoher, aber nicht excessiver Tempe-
ratur die höchsten Niederschlagsmengen das Jahr hin-
durch fallen (Länder mit vielfach über 200 cm erreichender
jährlicher Regenhöhe), während die excessiven Hitzegrade
mit den geringsten Niederschlagsmengen vereinigt das
Wüstenklima zu stande bringen. So (immer Hanns An-
gaben in Berghaus’ physik. Atlas folgend) im nordhemi-
sphärischen Sommer das Gebiet vom Grossen Salzsee in
Utah bis zum nördlichen Wendekreise in Mexiko mit 30
bis 36° Julitemperatur und Niederschlägen grossenteils
unter 20 cm im Jahr; ferner die Sahara, Arabien, Persien
bis Jarkand mit über 34° Julitemperatur und ebenfalls
der niedrigsten Regenstufe (unter 20 cm), welche letztere
sich allerdings in Zentralasien noch weiter nordwärts
gegen die hohen Bergketten (Altai, Sajan) ausdehnt, ohne
dass hier die von 30° auf 24° und teilweise 22° Juli-
Drude, Pflanzengeographie. 6
[82]Bildung von sechs Vegetationszonen.
mittel sinkende Temperatur in gleicher Weise die Wüsten-
bildung förderte. Aehnlich im südhemisphärischen Som-
mer, wo in Südafrika über der Kalahari dieselbe niedrigste
jährliche Regenstufe (\< 20 cm) mit einem Januarmittel
von mehr als 30° zusammenfällt, ebenso im Innern Au-
straliens bei Zusammentreffen der niedrigsten Regenstufe
mit einer 32° und sogar 34° übersteigenden Januar-
temperatur; nirgends geschieht dies aber in gleicher
Weise in Südamerika, wo die Atacamawüste schon von
nur 20°-Januarisotherme geschnitten wird und also ihre
Vegetationsöde der Regenlosigkeit in erster Linie allein
verdankt.
Das Interesse, welches der Vergleich von Temperatur-
und Niederschlagskarten bietet und zugleich der im all-
gemeinen in der jetzigen Periode parallele Gang von
Licht- und Wärmeverteilung, könnten darüber hinweg-
täuschen, dass man Vegetationskarten allein auf Tempe-
raturen und Feuchtigkeitsverhältnissen errichten könnte;
allein, wenn auch die Verteilung des Lichtes nicht wie
die der Wärme und Feuchtigkeit in ihrer jährlichen
Schwankung kartographiert worden ist, so scheint jede
Vegetationskarte ohne Berücksichtigung dieses primären
Agens ungenügend. Aus dem Grunde erscheint es auch nicht
geeignet, die Vegetationszonen selbst auf die Verteilung
verschiedengradiger „thermophiler“ und „hygrophiler“
(bezw. „xerophiler“) Vegetationsformen allein zu begrün-
den, sondern auf die vereinigten periodischen Er-
scheinungen, welche alle drei Faktoren zum Urgrund
haben.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ergeben
sich uns sechs ziemlich scharf geschiedene Vegetations-
zonen (hier auf die Karte der Wärmezonen bezogen, in
genauerer Darstellung in Berghaus’ physik. Atlas, Bl. Nr. 46);
eine entspricht der tropischen Wärmezone zu beiden Seiten
des Aequators, drei den gemäßigten und kalten Wärme-
zonen der nördlichen Hemisphäre, nur zwei dagegen den
gemäßigten und kalten Wärmezonen der südlichen Hemi-
sphäre, welche wir jetzt in vom Norden her südwärts vor-
schreitender Aufzählung kurz charakterisieren wollen,
[83]Zone I und II.
indem wir zahlreiche Einzelheiten den Schilderungen des
6. Abschnittes dieses Handbuches überlassen.
I. Arktische Glacial- und Tundrazone. Am Rande
dauernder, abgesehen von einzelnen eingestreuten Algen-
flecken oder schneefreien Oasen vegetationsloser Eiswüsten
beginnend, erstreckt sich dieselbe bis zur nördlichen
Baumgrenze und hat als vorwiegenden Charakter die Ent-
wickelung wenig mannigfaltiger Halbstrauch- und Stau-
denformationen von kurzer Vegetationsperiode, neben
Moosen und Flechten, für welche alle die Hauptentfaltung
in den Juli fällt. Nicht nur die Vegetationsformen der
Bäume und normalen Sträucher sind durch die zu kurze
Zeit hindurch anhaltenden Temperaturen von 10° im
durchschnittlichen Tagesmittel ausgeschlossen, sondern auch
alle zweijährigen, fast alle einjährigen Kräuter, von der
Klasse der Süsswassergewächse fast alle zu den Blüten-
pflanzen gehörigen Vegetationsformen, die Succulenten,
und ohne Ausnahme die den höheren Gewächsen ange-
hörenden Epiphyten, Lianen, Parasiten. Die Vegetations-
periode erreicht bis zu 3 Monaten Zeit, und wo sich in
den Hochländern der nördlichen Hemisphäre durch Tem-
peraturerniedrigung dieselbe Verkürzung der Periode, auch
bei vorhandener Lichtmenge, einstellt, gesellen sich die-
selben in ganz analogen Vegetationserscheinungen dieser
ersten Zone zu, wie z. B. am ausgedehntesten auf dem
5000 m Höhe vielfach überragenden Hochland von Tibet.
— Diese Zone fällt ziemlich genau mit Köppens nörd-
licher Polarzone zusammen.
II. Zone der Zapfen- und sommergrünen Laubbäume,
der sommergrünen Moore und Wiesen. Von der nörd-
lichen Waldgrenze an erstreckt sich dieselbe südwärts bis
dahin, wo in Waldländern die Vegetationsformen immer-
grüner Laubwipfelbäume und Laubsträucher vielfältig und
tonangebend in der Physiognomie der Landschaft hervor-
treten, und wo in baumlosen Grasländern an Stelle der
freudig auch im Sommer grünenden und blühenden Wie-
sen- und Heideflächen eine sommerdürre, im Hoch-
sommer verbrannte Vegetation eintritt. In dieser Zone
ist der Stillstand nur durch die winterlichen niederen
[84]Charakter von Zone II.
Temperaturen mit anhaltender oder rasch vorübergehen-
der Schneebedeckung bedingt, während die Vegetations-
periode 3—7 Monate währt und in ihrer Mitte den Juli
als Zeit der höchsten Entwickelung einschliesst.
Von Vegetationsformen finden sich in dieser Zone
besonders die sommergrünen Wipfelbäume und die zuge-
hörigen Sträucher, welche im Herbst die Blätter gänzlich
abwerfen und mit Winterknospen die Ruhezeit überdauern;
neben ihnen die immergrünen Nadelhölzer, welche hier
nicht so sehr in ihrem systematischen Range gemeint sind
als in der Hinsicht, dass sie frostharte immergrüne Be-
laubung bilden können durch den physiologischen Schutz
des Harzes in den Blattzellen gegenüber der oft sehr
strengen Winterkälte. Nächstdem sind hier die Vegeta-
tionsklassen der Halbsträucher und Stauden, der Moose und
Flechten in einer die nordpolare Glacial- und Tundra-
zone meistens übertreffenden Mannigfaltigkeit entwickelt,
die ein- und zweijährigen Kräuter treten an entsprechen-
den Plätzen ein, Süsswassergewächse entfalten sich in
grösserem Reichtum auch von Blütenpflanzen; auch schwache
Vertretung einiger anderer Vegetationsklassen tritt auf.
Diese zweite Zone fällt ziemlich scharf mit Köppens
nördlichem „kalten Gürtel“ (1—4 Monate gemäßigt, die
übrigen kalt) und dem daran südlich sich anschliessenden,
durch „gemäßigten Sommer und kalten Winter“ charak-
terisierten Gürtel zusammen. Die Grenzlinie, welche Köppen
zwischen dem kalten und nördlich gemäßigten Gürtel
gezogen hat, und welche in Nordamerika um den 50° N.
schwankt, in der Alten Welt dagegen vom südlichen
Skandinavien über den Oberlauf der Wolga nach Sibirien
unter 55° N. zieht und endlich am Amur verschwindet,
hat auch für uns Bedeutung, indem sie eine nördliche
Abteilung der Zone mit 3—5 Monate währender, und
eine südliche Abteilung mit 5—7 Monate währender Ve-
getationsperiode trennt und in der südlicheren selbstver-
ständlich den Reichtum an Vegetationsformen wesentlich
erhöht erscheinen lässt.
Für botanische Zwecke ist es aber natürlicher, die
Regenfälle in ihrer Verteilungsweise zur Bildung von
[85]Abteilungen der Zone II.
Hauptabteilungen in dieser wie in den anderen Zonen
heranzuziehen und die eigentlichen Waldländer mit stetigen
Niederschlägen von den sommergrünen Grasländern zu
trennen. Letztere breiten sich an den Südgrenzen der
Zone einmal in der Rocky-Mountains-Gegend und deren
östlichem Abfall in Nordamerika, zweitens vom Unterlauf
der Donau an über den Dnjepr und untere Wolga zur Ba-
rabasteppe und in die Mongolei hin aus, zeigen teilweise
sogar schon durch im Hochsommer verdorrende Vegetation
grosse Verwandtschaft mit den Steppenländern der fol-
genden Zone. Da der nördliche kalte Gürtel mit 3 bis
5 Monate langer Vegetationsperiode nur Waldländer ent-
hält, der nördlich gemäßigte Gürtel dagegen teils Wald-
länder mit 5—7 Monate währender Periode, teils die ge-
nannten Grasländer, so ergeben sich aus Vereinigung der
Temperatur- und Formationsteilung die 3 Hauptteile dieser
Zone:
- 1. nördliche kalte Abteilung (Wälder, Moore, Wiesen);
- 2. südliche gemäßigte Waldlandabteilung; Regenfälle
stetig; - 3. südliche gemäßigte Graslandabteilung; Regenfälle
im Hochsommer gering.
III. Nördliche Zone immergrüner, mit sommergrünen
gemischter Sträucher, Laub- und Zapfenbäume, und der
sommerheissen Steppen und Wüsten. Indem wir die Be-
grenzung der Tropenzone (IV) bei dieser selbst geben,
sei über diese dritte Zone nichts weiter bemerkt, als dass
sie vom Südrande der zweiten Zone an die gesamten
Vegetationsgebiete bis zum Nordrande der Tropenzone in
Anspruch nimmt. Sie kennzeichnet sich in einer kürzeren,
durch Frost und wenig Schnee, oder häufiger durch nie-
dere Wärmegrade über Null bedingten und um den Januar
liegenden Vegetationsruhe, allerdings mit merkwürdigem
Wechsel in den winterlichen Temperaturen, da die nörd-
lichsten Gebiete dieser Zone noch Januarisothermen unter
— 10° haben, die südlichsten dagegen an die + 20°
Januarisotherme anstossen!
Wo, wie in Nordamerika westlich und östlich der Felsen-
gebirge, ebenso auch in den zentralasiatischen weit zusammen-
[86]Zone III.
hängenden Steppen, ein weites Steppen- und Grasland durch viele
Breitengrade sich erstreckt, ist die Grenze des von diesem zur
Zone II gehörigen Anteils von dem zu dieser Zone gehörigen in
der Regel, wo sonst keine natürlichen Grenzen vorlagen, in die
Juliisotherme von 22° gelegt, da diese Isotherme die gemässigten
Sommer von den heissen als klimatische Linie scheiden soll.
Selbstverständlich gehört noch ein grosser Teil der Hochgebirgs-
wiesen aus der immergrünen und Steppenzone in die zweite (Wiesen-)
Zone hinein.
Fast regelmäßig aber wird, wo nicht dauernde und
hohe Niederschläge das Gegenteil bewirken, die früh im
Jahre schon üppig beginnende Vegetationsperiode durch
eine hochsommerliche Trockenheit unterbrochen, auf
welche dann nochmals im Herbst ein kurzer Rest der
ganzen Vegetationsperiode bei genügender Wärme folgt;
denn diese Zone umfasst die heissesten, schon früher ge-
nannten Länder mit über 30° hinausgehender Julitempe-
ratur, eine Höhe, welche interessanterweise nach dem
Nordrande der Tropenzone selbst wiederum abfällt!
Von Vegetationsformen bringt diese Zone neben
jenen der vorigen besonders die zahlreichen Formen immer-
grüner belaubter Wipfelbäume und Gebüsche, sowohl von
mannigfaltigen Dikotylen als von den Nadelhölzern ge-
bildet, welche letztere aber hier kaum noch frostharte
Organisation zeigen. Die immergrünen Schopfbäume
treten nur höchst vereinzelt als bestimmte Ausnahme-
erscheinungen auf, meistens auf strauchartige Zwergformen
herabgedrückt. Stamm- und Blatt-Succulenten sind hier
vielfältig entwickelt, die Klasse der blattlosen (zumal
dornigen) Gesträuche reich vertreten; von den Stauden
gehören verhältnismäßig viele zu der Vegetationsform
der Zwiebelpflanzen, viele andere zeigen Schutzmittel
gegen Dürre; neben ihnen sind die einjährigen Formen
der Gräser und Kräuter besonders zahlreich. Erdflechten
sind schon stark zurückgedrängt.
Diese dritte Zone umschliesst von Köppens Wärme-
zonen zunächst die beiden noch übrigen (südlicheren, für
uns kaum verschiedenen) gemäßigten Gürtel, nämlich
den „sommerheissen“ und den „konstant gemäßigten“;
aber hier ist noch kein vollständiger Abschluss erreicht,
[87]Abteilungen der Zone III.
sondern auch der nördlichste Teil des „subtropischen Gür-
tels“, in dem etwas über 4 Monate lang die heissen
(20°C. übersteigenden) Temperaturmittel herrschen, fällt
in dieselbe Vegetationszone. Man sieht in der subtro-
pischen Wärmezone eine dicke rote Linie verlaufen, welche
die Gegenden mit wenigstens 4 Monate lang währender
kühlerer Zeit (Temperatur unter 20° im Mittel) von den Sub-
tropen mit sehr verkürzter kühler Zeit abtrennt: diese Linie
fällt ungefähr mit der Südgrenze unserer dritten Vege-
tationszone zusammen. Dass hier keine genauere Ueber-
einstimmung herrscht, ist leicht erklärlich; wie oben ge-
sagt, fallen die mit der grössten excessiven Hitze im
nordhemisphärischen (ähnlich auch im südhemisphärischen)
Sommer begabten Länder durchaus nicht mit den Glanz-
punkten der Tropenflora zusammen, sind im Gegenteil
wüste Steppenländer. Die auf die Temperaturen im
Sinne von Köppens Methode gegründeten Wärmezonen
müssen daher hier im Vergleich mit den Vegetations-
zonen den Dienst versagen; hier tritt ein anderes Ele-
ment ein, nämlich das der Vermeidung der höchsten
Hitzegrade. Und dies wird durch einen anderen meteoro-
logischen Charakter bewirkt, den wir deshalb zusammen
mit der Gleichförmigkeit der Temperatur als maßgebend
betrachten, durch den Eintritt tropischer Sommer-
regen; die Niederschlagssignaturen in der Karte geben
von dieser Grenzbildung eine Vorstellung. — Auch hier
ergeben sich uns drei natürliche Abteilungen der Vege-
tationszone:
- 1. Immergrüne und sommergrüne Wälder und Ge-
büsche vorherrschend (hauptsächlich die in Köp-
pens sommerheissen und konstant gemäßigten
Gürtel fallenden Gebiete). - 2. Steppen und Wüsten mit Winterruhe durch nie-
dere Januarmittel (etwa zwischen — 10° in den
nördlichsten Hochländern bis + 10° schwankend)
bedingt. - 3. Subtropische Wüsten mit niemals kalten Wintern
(Januarmittel von 10° bis über 20° schwankend)
und den heissesten Sommern der Erde. — Diese
[88]Zone IV.
letzte Abteilung gehört trotz der herrschenden Hitze
wegen der fehlenden Charakter-Vegetationsformen
der Tropen in diese Zone, und umfasst besonders
die Sahara, Arabien, Indische Wüste, Mohave-
Wüste.
IV. Zone der tropischen immergrünen, oder je nach
den Regenzeiten periodisch belaubten Vegetiationsformen.
Dieselbe umfasst alle Länder, in welchen eine durch
Kälte bedingte Winterruhe gar nicht existiert, in welcher
bei gleichförmig hohen Temperaturen eine der Vegetation
durchaus feindliche und zur Wüstenbildung führende Hitze
durch tropische Sommerregen verhindert wird, und in
denen die Entwickelung der Vegetationsformationen von
der Verteilung der Niederschläge über das ganze Jahr
zerstreut oder über bestimmte Abschnitte desselben aus-
gedehnt ganz allein abhängt, ohne dass die Trocken-
periode zu biologischen Verhältnissen führte, wie sie die
subtropischen Wüsten auszeichnen.
Eine Fülle besonderer Vegetationsformen, einige cha-
rakteristische und dieser Vegetationszone fast ausschliesslich
angehörige Vegetationsklassen zeichnen sie vor den übrigen
aus. Dahin gehören besonders die allein oder beigemischt
Wälder bildenden immergrünen grossbeblätterten Schopf-
bäume, deren Vegetation von keinem anderen Klima er-
halten werden kann (Palmen, Pandaneen etc.), und neben
diesen die Entwickelung vieljähriger Stauden, deren Blatt-
rosette auf einem scheidenumhüllten Stamm frei in die Luft
ragt (Musa). Die Vegetationsklasse der immergrünen Wipfel-
bäume ist neben jener der periodisch-regengrünen die
Hauptmasse des Waldes bildend; letztere (die regen-
grünen Bäume) sind für diese Zone eigentümlich. An den
Meeresküsten finden sich die Mangroven ein; die Binnen-
wälder erhalten durch die beigemischten Lianen und Epi-
phyten ein verändertes Gepräge, und beide Vegetations-
klassen umfassen in dieser Zone allein einen grossen
Formenreichtum. Selbst Holzparasiten und Saprophyten
finden hier die reichste Entwickelung, dazu fehlen auch
Stamm- und Blatt-Succulenten nicht, während die unter
der polaren Glacial- und Tundrazone genannten Vegeta-
[89]Charakter der Zone IV.
tionsformen fast ganz, die Moose ausgenommen, hinter
den anderen genannten Organisationen zurücktreten.
Die geographischen Grenzen der Zone sind daher
nach dem Auftreten von „tropischen Waldungen“ mit
den genannten Charakteren, zugleich mit dem klimatischen
Charakter regelmäßiger Sommerregen oder immerwäh-
render Niederschläge verbunden, abzustecken. Die Nord-
grenze ist also in Nordamerika am Stillen Ozean etwa
unter 26° N. um das mexikanische Hochland südwärts
ausbiegend zum Golf von Mexiko (unter 24° N.), und von
da die Südspitze Floridas schneidend und die Bahama-Inseln
noch einschliessend durchgeführt, in der Alten Welt nord-
wärts der Cap Verde-Inseln und des Senegal über das
nördliche Knie des Niger, in einem Bogen um den Tsad-
see herum und zu den Gestaden des Roten Meeres
(24° N.), von wo sie um den Küstensaum Südarabiens
herum nach Indien geführt wird, hier an der Indischen
Wüste vorbei zum Südhange des Himalaya und diesem
folgend die Oberläufe des Irawadi, Saluen und Mekong
schneidet und endlich an der Küste von Hanoi—Hong-
kong den Stillen Ozean wieder erreicht. Die Südgrenze
ist am Westhange der Peruanischen Anden zweifelhaft,
am Osthange beginnt sie etwa unter 18° S. am Mamore
in Bolivien, senkt sich südostwärts zum Wendekreise und
erreicht, um das brasilianische Hochland nordwärts aus-
biegend, in einem schmalen Küstensaume von Rio de Ja-
neiro bis Sa. Catharina den Atlantischen Ozean; in Afrika
läuft sie nördlich vom Cunene (16° S.) zum Südgestade
des Ngamisees und erreicht unter etwa 24° S. den In-
dischen Ozean, schliesst Madagaskar und die Maskarenen
ein, durchschneidet Australien in einer um den 20° S.
gebogenen Linie (an der Ostküste sich bis über 26° S.
senkend) und umfasst noch die von den Wendekreisen
umschlossenen Inseln Polynesiens.
Von Köppens Wärmezonen fällt der „tropische Gür-
tel“ vollständig in unsere tropische Vegetationszone hinein,
von dem subtropischen Gürtel aus den schon angedeu-
teten Gründen im Norden und Süden des Aequators un-
gefähr das durch die rote Grenzlinie (der 4 Monate
[90]Abteilungen der Zone IV.
anhaltenden kühlen Zeit unter 20°) abgeschnittene
Stück.
Von Abteilungen haben wir hier folgende zu unter-
scheiden:
- 1. Trockene tropische Abteilung: die Vegetation wird
durch eine scharf umgrenzte, länger als 3 Monate
währende Trockenperiode unterbrochen; Savanen
und tropische Vegetationsformen mit Trocken-
schutzorganisation sind vorherrschend. - 2. Feuchtheisse tropische Abteilung: die Vegetation
hat keine oder eine höchstens 3 Monate dauernde
Unterbrechung durch Trocknis; höchste Fülle der
hygrophilen immergrünen Vegetationsformen. - 3. Tropische Hochgebirgsabteilung: die Vegetation
wird durch ein andauerndes feuchtkühles Klima
unterhalten.
Die beiden Vegetationszonen der südlichen Hemisphäre.
In der Meteorologie findet man, welche Abgrenzungs-
prinzipien auch verwendet sein mögen, stets dieselben Zonen
nördlich und südlich vom Aequator wiederkehrend. Eine
derartige Zonenbildung darf meiner Meinung nach in der
Pflanzengeographie nicht stattfinden, denn sie würde eine
Aehnlichkeit nördlicher und südlicher Breiten vorstellen,
welche den Thatbeständen nicht entspricht. Die tropische
Zone selbst, in einer die Wendekreise fast überall nicht
erreichenden und nur selten überschreitenden Breite, ist
einheitlich, wie das nicht anders erwartet werden kann;
aber nördlich und südlich derselben herrschen nicht gleich-
artige Verhältnisse, sondern auch bei gleichartigem Klima
nur Analogien. Dies ist schon darin begründet, dass
nördlich und südlich der beiden Wendekreise
keine gemeinsam vorkommende wichtige Vege-
tationsform von denselben Pflanzen repräsen-
tiert wird, dass ferner viele einander geradezu gegen-
seitig vertretende Vegetationsformen neben diesen sich
hervorheben. Dazu kommt noch der folgende wichtige
Umstand: wie man auf Köppens Wärmezonenkarte be-
merkt, kommt zwar der gemäßigte winterkalte und der
auf 1—4 Monate allein gemäßigte, übrigens kalte Gürtel
[91]Zone V.
auf der nördlichen wie südlichen Hemisphäre in einander
entsprechenden Breiten vor, doch in der letzteren viel
weniger weit polwärts ausgedehnt und auf eine viel klei-
nere Länderfläche beschränkt. Dazu fehlt es im Süden an
einem starken Wärmeausschlage zwischen Sommer und
Winter. Daher findet sich die diesen Umständen ihr
Dasein und ihren Charakter verdankende zweite Zone
(der Zapfen- und sommergrünen Laubbäume etc.) im
Süden nicht vertreten; der Süden lässt daher nur zwei
(statt drei) auf die Tropen folgende Vegetationszonen
unterscheiden, deren Grenze am einfachsten, wenn auch
nicht scharf, durch das Aufhören des Baumwuchses be-
zeichnet wird. Auch der Süden hat blattwechselnde
sommergrüne Laubbäume; eine chilenische Buche z. B.
ist der europäischen in der Tracht ähnlich; die Vegeta-
tionsform selbst fehlt also dort nicht. Aber sie setzt
keinen eigenen Zonencharakter zusammen, sie verschwindet
unter den immergrünen Wipfelbäumen, welche in der
südlichsten Zone zu Strauchformen herabsinken, ohne ihre
immergrüne Belaubung aufzugeben; und dies mag als ein
wichtiger Zonenunterschied beider Hemisphären betrachtet
werden.
V. Südliche Zone immergrüner und periodisch be-
laubter Laubholz-Wipfelbäume und Zapfenbäume, der immer-
grünen und Dorngebüsche und sommerdürrer Steppen.
Dieselbe lässt von den auf die Tropenzone südwärts fol-
genden Ländern nur das südlichste Amerika etwa vom
46° S. und das andine Hochplateau, ferner die Maluinen,
Kerguelen und andere südlich von 48° S. gelegene
kleinere Inseln, sowie endlich Bergländer auf Tasmanien
und Neu-Seeland für die folgende (VI.) Zone frei. Die
Vegetationsperiode in ihr wird durch die um den Juli
mehr oder weniger ausgedehnte Winterruhe, nahe der Tro-
penzone auch noch durch eine um den Januar liegende
Sommerdürre unterbrochen, Verhältnisse, welche analogen
Ursachen entspringen, wie den unter der III. Zone ge-
nannten.
Der ganze südliche Wärmegürtel Köppens mit „ge-
mäßigtem Sommer, Winter kalt“ fällt mit dieser Zone
[92]Abteilungen der Zone V.
zusammen, und ausserdem der ganze südliche sommer-
heisse Gürtel und der vom subtropischen Gürtel übrig
gebliebene, oben genannte Rest. Während diese Wärme-
zonen schon für sich wichtige Unterschiede in dieser Zone
ergeben, werden noch andere durch die Verteilung der
Niederschläge gebildet:
- 1. Grasfluren und Wüstensteppen mit excessiver
Wärmeschwankung und z. T. höchsten Hitze-
graden; Niederschläge nur an bestimmte kurze
Zeiten gebunden, gering und oft ausbleibend,
meistens noch als Sommerregen fallend. (Pampas,
Kalahari, australische Grasfluren und Wüsten-
steppen.) - 2. Immergrüne Wälder vorherrschend (mit noch
einzelnen, eingestreuten Schopfbäumen). Nieder-
schläge vorwiegend als Sommer- oder Spätsommer-
regen fallend. (Uebergangsgebiete von den Tropen
zu dieser Zone: Gran Chaco, Paraguay und süd-
lichstes Brasilien; Natalküste in Afrika, Osthang
von Queensland und Neu-Süd-Wales.) - 3. Immergrüne Gebüsche vorherrschend mit wenig
oder keinen hohen Bäumen, ohne Schopfbäume.
Niederschläge vorwiegend als Winterregen fallend.
(Chile bei 30° S., südwestliches Kapland, südwest-
liches und Teile des südlichen Australiens.) - 4. Immergrüne Laubwälder und Gebüsche mit Zapfen-
bäumen gemischt, ohne merkliche Vegetations-
ruhe den milden Winter überdauernd. Sommer
mäßig warm; Niederschläge zu allen Jahreszeiten,
stark, Klima ozeanisch. (Valdivien, Victoria und
Tasmanien, südl. Neuseeland.)
VI. Antarktische Zone immergrüner niederer Busch-
und periodischer Gras- und Staudenvegetation. Sie nimmt
die unter der vorigen Zone genannten Reste der süd-
lichen Festländer und Inseln ein bis zu der im tiefen
Süden wahrscheinlichen dauernden Eisbedeckung aller aus
den Ozeanen hervorragenden Felsgestade und fällt mit
Köppens südlichem „kalten Gürtel“ (1—4 Monate ge-
mäßigt, die übrigen kalt) bis zu dem dann folgenden süd-
[93]Zone VI.
polaren Gürtel zusammen. Die Vegetationsformationen
sind im Namen der Zone schon angegeben; es sind
hier, wie im hohen Norden, die Moose, Erd- und Stein-
flechten zur Ergänzung noch hinzuzufügen. Die immer-
grünen Gebüsche würden bei stärkerer Sonnenwärme im
Sommer immergrüne Bäume darstellen; aber da die 10°
Januarisotherme das Feuerland in steil aufwärts gegen
Valdivien hin gerichtetem Bogen schneidet, so ersieht
man daraus hier unter schon verhältnismäßig niederen
Breiten die uns aus dem hohen Norden her bekannte,
mit der dortigen Baumgrenze zusammenfallende Be-
dingung des Baumlebens erschöpft. Da aber zugleich
die Juliisothermen bis zum Feuerlande und den südlichsten
bekannten Inseln hin (letztere beiden nicht mehr einge-
schlossen) noch einige Grade über Null liegen, so wird
die Buschvegetation weniger gestört und sie hört erst
in Köppens südpolarem Gürtel allmählich oder endlich
vollständig auf. Dadurch, und unter Berücksichtigung
der Niederschläge, erhalten wir hier drei Abteilungen
(während die arktische Vegetationszone keiner weiteren
Teilung bedurfte):
- 1. Gebüsche vorhanden; Niederschläge reichlich. (Pa-
zifischer Abhang der Anden in Patagonien; Auck-
lands-Inseln.) - 2. Dorngestrüppe vorhanden; Niederschläge spärlich.
(Atlantischer Abhang Patagoniens.) - 3. Gebüsche fehlen. Sommer kalt bei mildem Winter,
nur wenige Monate dauernd. (Süd-Georgien, Ker-
guelen, Hochgebirge in Neuseeland etc.)
[[94]]
3. Die Absonderung der Areale durch die geo-
logische Entwickelung der gegenwärtigen Ober-
flächengestalt der Erde mit dem gegenwärtigen
Klima.
Anschluss an den zweiten Abschnitt. Naturalisationen. Die
Grundlagen der Arealbetrachtung. Ausbreitungstrieb, Wanderungs-
vermögen und Schranken der Wanderung. Vegetationslinien.
Grösse der Areale. Geologische Entwickelung; Sonderung klima-
tischer Pflanzengruppen. Geographische Abgeschiedenheit führt zu
eigenartiger Entwickelung der Flora. Die Fauna verhält sich bis
zu gewissem Grade analog. Arealabhängigkeit von biologischen
Wechselwirkungen. Endemische und Repräsentativ-Formen; ihr
verschiedener systematischer Rang und ihr verschiedenes Alter.
Flora der Inseln, hoher Gebirgsketten, der Wüstengebiete. Abge-
sonderte und gemeinsame Entwickelung. Haupt-Entwickelungs-
länder und ihre Scheidelinien. Abgrenzung der Florenreiche und
ihrer Gebiete.
Les Géologues ne peuvent guère juger des climats et de
l’isolement ou de la contiguïté des anciennes régions, que
par la nature des espèces animales ou végétales qui s’y
retrouvent à l’état fossile. Mais sur les autres questions, sur
l’âge, l’origine et le développement des espèces, nous devons
nous efforcer tous, géologues et naturalistes, d’arriver à
une solution. On dirait en quelque sorte le siége d’une
forteresse que nous faisons ensemble par des côtés différents.
Il faut nous entendre, nous pénétrer du rôle de chacun dans
cette attaque. Nous occupons, nous autres naturalistes, la
ligne la plus importante, car c’est à nous de bien étudier
l’espèce et ses rapports avec les climats, avant que les géo-
logues tirent des conclusions du mode de distribution des
êtres organisés dans diverses époques. A nous donc d’en-
[95]Veränderlichkeit biologischer Arealgrenzen.
visager en face la question si ardue de l’espèce, de sa nature,
de ses modifications, de son origine.
Alph. de Candolle, Géogr. botan. 1855.
Der vorige Abschnitt zeigte, dass sich aller Orten
die Vegetation im Einklang mit den auf das verschieden-
artigste ausgeprägten Lebensbedingungen befindet, mit
anderen Worten, dass in Ländern und auf Standorten
mit besonderen Eigenschaften hinsichtlich der grund-
legenden äusseren Bedingungen auch eine diesem ent-
sprechend eigenartig organisierte Pflanzenwelt das Feld
behauptet.
Jede mit den äusseren Lebensbedingungen im Wider-
spruch stehende Organisation muss entweder den Wider-
spruch aufgeben, sich „ummodeln“, oder sie muss an
diesem Widerspruch zu Grunde gehen, und so sehen wir
denn in der Gegenwart, unter den ziemlich gleichmäßigen
Einwirkungen eines nur wenig nach Jahrgängen schwanken-
den Klimas und unter gleichbleibenden Standortsbe-
dingungen, in der vom Menschen und seiner Kultur nicht
beeinflussten freien Natur die Masse der Pflanzen-
arten durch Grenzen, wie sie ihnen ihre Lebens-
bedingungen vorzeichnen, gesondert, und wir
dürfen annehmen, dass da, wo eine Art mitten im Kon-
tinent eine bestimmte Grenze erreicht hat, auch irgend
welche auf Klima, Boden, allgemeine Lebenslage etc.
zurückführbare Ursachen dafür vorhanden sind und von
der biologischen Forschung aufgedeckt werden
können. Nur selten kann man die Grenzen der Arten
andeutungsweise mit den Oscillationen des Klimas schwanken
sehen, indem z. B. die Fröste eines ausnahmsweise harten
Winters die äussersten Vorposten im Areale einer
Pflanzenspezies an ihrer Frostgrenze zurückschieben, bis
dieselbe sich vielleicht in milden Jahren wieder erholt
und neue Austriebe aus den kümmerlichen Resten jenes
strengen Winters macht.
Aus diesen richtig beobachteten und grundlegenden
Thatsachen könnte man die falsche und übertriebene Vor-
stellung von einer solchen Wirkungsweise des Klimas
ableiten, als wenn dasselbe überall auf der Erde eine
[96]Naturalisation an fremdem Ort.
Organisation geschaffen hätte, welche unbedingt so sein
müsse und welche in vollkommenster Anpassung an die
äusseren Verhältnisse keinen Raum für andere Gewächse
übrig liesse: als wenn also die Ausbreitungsfähigkeit aller
Pflanzenarten durch die gegenwärtige klimatische Ab-
sonderung vollkommen und bis zur Aenderung der
äusseren Faktoren dauernd geregelt wäre, als wenn
endlich neben den genannten biologischen Bedingungen
keine anderen geographischen Ursachen auf die Areal-
grenzen einwirkten. Diese irrtümliche Auffassung, welche
in Wirklichkeit in der älteren Pflanzengeographie Jahr-
zehnte hindurch geherrscht hat und sich bis zur Gegen-
wart in schwachen Spuren erhält, vernachlässigt die
geologischen Bedingungen für eine bestimmte Ge-
stalt der Areale aller Pflanzen. Diese neue Reihe von
Bedingungen ist begründet in Trennungen der Kontinente,
in der Veränderung der Oberflächengestalt der Erde in
langen Perioden, in der Veränderung der klimatischen
Bedingungen mit den orographischen Umgestaltungen, in
Verschiebungen sekundärer Art hinsichtlich der Substrate
und hinsichtlich der durch die Mitwelt verursachten Lebens-
lage. Alle biologischen Bedingungen sind in
geologischer Umgestaltung dauernd begriffen.
Den allgemeinsten Hinweis auf die Thatsache, dass
die äusseren Bedingungen nicht etwa absolut fixierte
Areale geschaffen haben, erblicken wir in den zahlreichen
Naturalisationen neuer Arten in einer alten Flora, wo-
rauf A. de Candolle sich schon vor 35 Jahren gegenüber
klimatischen Uebertreibungen berief (Géogr. bot. S. 608).
Wir verstehen darunter die Erscheinung, dass irgend eine
Art, welche durch eine bekannte oder unbekannte Ur-
sache von ihrer Heimat fort zu einem mit ihr nicht zu-
sammenhängenden Lande gelangt, z. B. aus Peru nach
Mitteleuropa, sich dort wie eine wilde Pflanze zu verhalten
beginnt und, ohne dass der Mensch sie in Pflege nimmt,
ihr Areal vergrössert bis zu den ihr in der neuen Heimat
gesetzten Grenzen der äusseren Lebensbedingungen. Sie
nimmt sogar nicht selten mit grossem Erfolge den Kampf
gegen eine mit dem Klima des fremden Landes voll-
[97]Beispiele für Naturalisationen.
kommen in Einklang befindliche fremde Vegetation auf,
wie z. B. die peruanische Galinsoga parviflora als nord-
deutsches Gartenunkraut. Daraus geht hervor, dass die
Flora eines Landes durchaus nicht im Verlaufe der
jetzigen Erdperiode alle die Pflanzenarten bekommen hat,
welche seine Lebensbedingungen überhaupt zu erhalten
vermögen, und es vermögen auch die in einem bestimm-
ten Lande herrschenden Lebensbedingungen nicht etwa
durch Transmutation aus den dort schon vorhandenen
Arten jene Fülle von Formen selbst zu erzeugen, welche
die Flora ertragen kann. Dagegen muss natürlicherweise
alles, was in einem Lande wächst, dem dortigen Klima,
Boden und Bewässerung entsprechend organisiert sein.
Die Naturalisationen haben schon zur Zeit die Gesamtflora
der Erde nicht unerheblich umgestaltet, besonders durch Umwand-
lung ursprünglicher Formationen in Kulturland, welches neben
den eigentlichen Kulturpflanzen eine grosse Zahl gemeiner Un-
kräuter aufgenommen hat; so entsteht die „Flora adventitia“, noch
vermehrt durch Gartenflüchtlinge, welche sich den natürlichen
Beständen einmischen und deren Wanderungen aufmerksam beob-
achtet werden. Für die deutsche Flora sind die meisten Acker-
unkräuter mediterranen Ursprungs, die meisten Eindringlinge in
die natürlichen Formationen sind dagegen nordamerikanische Bür-
ger (Oenothera, Mimulus, Rudbeckia), die nordamerikanischen Un-
kräuter dagegen sind meistens europäisch.
In den Tropen haben sich in den Küsten- und Niederungs-
floren der drei Kontinentalgruppen ebenfalls gemeinsame Pflanzen-
arten vom Unkraut-Charakter herausgebildet, welche die Zahl
der Afrika, Indien und den Antillen gemeinsamen Spezies nicht
unbeträchtlich erhöhen; von manchen Arten ist die ursprüngliche
Heimat kaum noch zu bestimmen.
Im Auckland-Distrikt von Neuseeland, wo die natürliche
Flora vielleicht nur 500 Arten zählt, sind nicht weniger als
387 Arten naturalisiert (G J., Bd. XI, S. 141), von denen 280 aus
Europa, nur 14 aus Nordamerika, nur 10 aus Australien, 21 vom
Kapland, 9 aus Chile, 53 Arten aus den Tropen und Subtropen
beider Hemisphären stammen (nach Cheeseman).
Die ursprüngliche Flora von St. Helena ist durch derartige
Naturalisationen auf ein höchst bescheidenes Maß eingeschränkt;
weitere Beispiele für Umgestaltungen dieser Art liefern die Nach-
weise, welche Philippi für Chile und Semler für Kalifornien in
jüngerer Zeit in den Geographischen Mitteilungen geliefert haben.
Die Grundlagen der Arealbetrachtung. Indem wir
nun die Areale, welche die einzelnen Pflanzenformen in
Drude, Pflanzengeographie. 7
[98]Areale der Spezies.
der gegenwärtigen Erdperiode angenommen haben, zur
Grundlage der weiteren Betrachtungen machen, müssen
wir dieselben auf bestimmte Einheiten des Pflanzensystems
beziehen.
Wir hatten bei den Vegetationsformen die Bequem-
lichkeit, uns allgemein und ohne Beziehung auf die Ab-
grenzungen des Systems auszudrücken; ein tropischer,
feuchtheisses Klima und immerwährende Bodenbefeuch-
tung fordernder Schopfbaum galt uns gleich, ob er
zu dieser oder jener Gattung von Palmen, Pandaneen
oder Liliaceen gehörte; die blattwechselnde Lärchentanne
des Nordens liess sich mit den dortigen Birken gut zu
demselben biologischen Typus vereinigen. Hier hört diese
Bequemlichkeit auf: wir sind gebunden an die genauen
Trennungen des morphologischen Systems und zunächst
auf die Spezies hingewiesen.
„Die Verteilung der Pflanzenarten“, sagt A. de Can-
dolle (Geogr. bot. S. 69), „über die Oberfläche der Erde
ist die Grundlage von fast allen Betrachtungen der
Pflanzengeographie. Wenn man gut versteht, warum
diese in bestimmte Grenzen eingeschlossen sind, kann
man viel Dinge betreffs der Gattungen und Familien be-
greifen, denn diese Gruppen sind nur Gemeinschaften von
Arten. Genau so, wie man in der beschreibenden Bo-
tanik nicht wohl die Gattungen aufstellen kann, ohne
die Arten zu studieren, so muss man sich in der Pflanzen-
geographie auf die die Arten betreffenden Einzelheiten
stützen, um sich zu verallgemeinernden Gesetzen zu er-
heben.“
Hier liegt die Ursache jener nicht selten ausgesprochenen
Meinung (vergl. Cooley, G. J., Bd. X, S. 582 in Wagners Bericht),
dass die Geographie gar nicht bei dem Wesen der Tier- und
Pflanzengeographie beteiligt sei, sondern dass diese Disziplinen
nur zur Zoologie und Botanik gehörten. Allein es soll nur der
Grund dafür sein, dass auch die Geographie der Organismen
mit dem ausgedehnten Wissen der organischen Naturwissenschaften
sich verknüpfe. — Es ist dies wiederum der Grund, wesshalb andere
Geographen nur mit dem Teile der Pflanzengeographie sich be-
schäftigen wollen, der die grossen „Formationen“ vergleichend
zusammenstellt; aber auch diese Formationen bestehen aus einzel-
nen Arten, die in der ganzen Tragweite des Speziesbegriffes dabei
[99]Sippen niederen, höheren Ranges.
in Betracht kommen und ohne welche die Formationslehre zu
einer nicht charakteristischen Schilderung heruntersinkt. Jedes
wissenschaftliche Fundament liefern Areal und Biologie der „Spe-
zies“; daher die Veranlassung, die „vergleichende Florenstatistik“
mit ihren planmäßigen Listen von Arten als eine notwendige
Grundlage jeder weiteren Betrachtung der Charakterzüge eines
einzelnen Landes anzusehen.
Für manche schwierige Einzelbetrachtungen reicht
noch nicht einmal der Begriff der wohlabgerundeten „Art“
in dem von alten Zeiten überlieferten Sinne aus; es be-
darf zuweilen der Aufstellung von „Unterarten“, von
„Spielarten (Varietäten)“ zur Auseinandersetzung feiner
Unterschiede. So z. B., wenn es sich darum handelt,
nachzuweisen, dass nach der Glacialperiode in den nor-
dischen Ländern unter geographischer Isolierung sich
schwächere neue Entwickelungsgebiete herausgebildet
haben, wofür arktische Weiden auf Nowaja Semlja, Ha-
bichtskräuter in den Sudeten Beispiele liefern. — Ander-
seits kann für sehr viele Betrachtungen eine umfang-
reichere systematische Gruppenbildung angewendet werden.
Lenkt man die Aufmerksamkeit von kleinen geographi-
schen Einheiten auf immer grössere, so verschwinden in
den starken Charakterzügen der letzteren die Dinge, in
denen die Art allein mit ihren Unterabteilungen zum
vollen Rechte gelangt; die ähnlichen, die nächstverwand-
ten Artgruppen treten dafür ein, in vielen Fällen so-
gleich die ganze Gattung, sofern nämlich deren einzelne
Arten eine gleichmäßige, eine homogene Entwickelungs-
weise auf der Erde durchlaufen haben. Ja, wir werden
sehen, dass für die grössesten pflanzengeographisch zu-
sammenzufassenden Länderkomplexe der Begriff der Ord-
nungen (Familien) des natürlichen Systems in vielen
Fällen zur statistischen Grundlage gewählt werden kann.
Bleibt also auch der Artbegriff für unsere Betrach-
tungen der in Wahrheit grundlegende und der die Einzel-
heiten allein genügend erschöpfende, so hält sich die
Pflanzengeographie doch nach Möglichkeit an die höheren
Einheiten des Systems. Um daher mit kurzem Worte
systematische Einheiten irgend welchen Ranges zu be-
zeichnen, soll der Begriff „Sippe“ angewendet werden.
[100]Kampf um den Standort.
Sippen niederen Ranges sind die Unterarten und Arten,
Sippen höheren Ranges Gruppen verwandter Arten und
Gattungen, Sippen hohen und höchsten Ranges sind die
Tribus und Ordnungen (beziehungsweise Unterfamilien
und Familien) des natürlichen Systems.
Ausbreitungstrieb, Wanderungsvermögen, Schran-
ken der Wanderung. Die Areale der Sippen sind etwas
Schwankendes. Eine jede erzeugt unter normalen Ver-
hältnissen fortwährend eine grössere Zahl fortpflanzungs-
fähiger Individuen; diese Nachkommenschaft sucht die
alten Plätze festzuhalten, neue Plätze dazu zu erwerben,
aber ihr stehen als Konkurrenten auf demselben Boden
andere Sippen mit einem ähnlichen Ausbreitungstrieb
hindernd gegenüber, nicht selten auch die notwendig enge
Verteilung der Standorte überhaupt. So hat der Aus-
breitungstrieb in der sich selbst überlassenen und gleich-
bleibenden Natur selten Gelegenheit, im grossen Maßstabe
wirksame Ausbreitung zu erzielen, da sich unter gleich-
bleibenden äusseren Verhältnissen die Arten mit ihrem
gegenseitigen Kampfe in eine Art von Gleichgewicht ein-
gestellt haben, welches den Eindruck einer wirklichen
stationären Ruhe hervorruft, während thatsächlich sich
ein steter Wechsel der Anordnung im kleinsten Maße
offenbart und dadurch Zeugnis von dem Vorhandensein
eines stillen Kampfes um den Standort gibt.
Der Ausbreitungstrieb wird auch im Pflanzenreich
durch ein bald mehr bald weniger stark entwickeltes
Wanderungsvermögen unterstützt. Wandern können alle
Pflanzen schon dadurch, dass ihre Ausläufer auf Zoll-
oder Fussesweite vom Standort des Mutterstockes weiter-
kriechen, dass die Samen beim Herausfallen aus der ge-
reiften Kapsel durch den Wind eine kleine Strecke weit
fortbewegt werden; diese kleinen Schritte häufen sich in
Jahrhunderten und machen schliesslich, wenn die Um-
stände der Ausbreitung einer Art sonst günstig sind,
meilenweite, länderdurchmessende Strecken aus. Andere
Arten und Gattungen sind durch besondere organische
Eigenschaften über den Durchschnitt des Wanderungs-
[101]Verbreitungsmittel.
vermögens hinausgehoben, haben in Flugapparaten an
den Samen, in hakenförmigen Stacheln der Fruchtkapseln
auf eine starke Hilfe des Windes oder wandernder Tiere,
in deren Pelz sich die Früchte festhaken, zu rechnen,
werden in ihren fleischigen Früchten durch Beerenfresser
verbreitet, oder (bei Wasserpflanzen) als losgerissene
Stücke durch ziehende Vogelschwärme in die Weite ge-
führt. [Litteratur: Hildebrand, Verbreitungsmittel der
Pflanzen.]
Zuweilen wirkt ein durch besondere Wanderungs-
organisation unterstütztes Ausbreitungsvermögen mit eigen-
tümlichen, in der äusseren Welt liegenden günstigen
Umständen zusammen, um das bis dahin beschränkte
Areal einer Art oder Sippe höheren Ranges sehr rasch
um bedeutende Flächen zu erweitern; solche Pflanzen
können ihren Eroberungszug um die ganze Erde nehmen
und sind die deutlichsten Beispiele der „Pflanzenwande-
rung“. So sind, wie oben bemerkt, der europäischen
Kultur gewisse anspruchslose Pflanzenansiedler nach den
fernen Gestaden Nordamerikas oder der südlichen Länder
gefolgt, wo sie oft ihnen sehr zusagende äussere Lebens-
bedingungen fanden.
Auf diese Weise haben viele Pflanzen in jüngerer Zeit ein
ausserordentlich weites Areal erhalten, was bei den Genossen der
Feldfrüchte weniger bemerkenswert ist als bei solchen Pflanzen,
welche wüste Plätze, Schutthaufen, Uferdämme u. s. w. besiedeln.
Unter diesen ragen die Xanthiumarten (Compositen-Ambrosiaceen),
Kräuter mit hakigen Früchten, als gut untersuchte Beispiele her-
vor (Dr. E. Ihne in dem Ber. d. Oberh. Gesellsch. f. Natur- und
Heilk. Bd. XIX, S. 65). Die eine Art, X. spinosum, ist sogar in
ihrem Vaterlandsrecht zweifelhaft, indem neben der Meinung, dass
sie aus Südrussland entsprungen sei, die andere besteht, wonach
Südamerika ihre Heimat gewesen wäre. Hier ist sie seit 1830 in
Chile, Argentinien, Südbrasilien als gemein bemerkt; Frauenfeld
sah (1860) sich herumtreibende Pferde, deren Schweife und Mäh-
nen von Tausenden der stachligen Früchte zu einem unförmlichen
Klumpen von Mannesdicke verfilzt waren, unter dessen Last die
Tiere fast erlagen.
In Europa ist X. spinosum überall mit Ausnahme des höheren
Nordens zerstreut oder gemein, alle Anzeichen sprechen für die
russische Heimat oder für Russland wenigstens als sekundäres
Ursprungsgebiet; in Deutschland ist dieses Xanthium erst seit dem
Anfange dieses Jahrhunderts wildwachsend bekannt, ebenso in
[102]Schranken der Wanderung.
England; in Frankreich ist es nach 1700 von Montpellier aus ein-
gebürgert. Weiter hat es sich im Verlauf unseres Jahrhunderts
nach Nord- und Südafrika, Australien und nach Nordamerika ver-
breitet. In Australien hat es den Süden (mit Tasmanien) und
Osten ergriffen; nach Schomburgk zuerst um 1850 dort bemerkt,
gehört es jetzt in Südaustralien zu den Kulturunkräutern und
ebenso zu den Ansiedlern in den natürlichen Formationen, wo es
die Weiden verschlechtert und die Viehzucht stellenweise fast zur
Unmöglichkeit macht. — Solche Ausbreitungsfähigkeit ist eine sehr
seltene Erscheinung.
Aber auch die für Wanderung am besten ausge-
rüstete Art begegnet früher oder später festen, richtiger
gesagt: „nur wenig und langsam verschiebbaren“ Schranken,
welche trotz zahlreicher Nachkommenschaft mit demselben
Wanderungsvermögen das Areal in sich selbst erhalten.
An jedem Orte begegnet sie solchen Schranken in der
Verschiedenheit der Standorte, welche jeder Sippe nur
ein ganz kleines Stückchen desjenigen Erdbodens zu eigen
gibt, den die äusseren Grenzen ihres Areals umspannen;
nur die wenigsten Pflanzenarten bedecken mit einer Masse
von geselligen Individuen grössere Landstrecken nahezu
allein, und auch diese sind überall von den Standorten
anderer Pflanzen unterbrochen und haben meistens kein
starkes Wanderungsvermögen für die Ferne. Die Schranken
der Umfangsgrenzen des gesamten Areals sind im natür-
lichen Verlauf der Dinge entweder rein geographischer
Natur, oder in der Zusammenwirkung der Lebensbe-
dingungen enthalten. Die grossen Ozeane, wasserlosen
Einöden, die Gletschermassen der Polargegenden und Ge-
birgskämme, das sind rein geographische Schranken
der Areale, über welche nur ein Zufall oder die Absicht
des Menschen einzelne Arten hinausbringen kann; der
Wechsel von Höhenregionen in einem Hochgebirge, welches
sich mitten im Lande erhebt, der Wechsel von Sand-
und Kalkstein, das Begegnen von kontinentalen Frösten
und Seeklima in bestimmten Erdstrichen, die Grenze von
Sommer- oder Winterregen, Mangel oder Ueberfluss an
Luftfeuchtigkeit: das sind einzelne Züge jener anderen
Gattung von Schranken, welche unter „Zusammenwir-
kung der Lebensbedingungen“ gemeint ist. Die
geographischen Schranken begründen sich auf die Unbe-
[103]Vegetationslinien.
wohnbarkeit bestimmter Teile der Erde für ganze Vege-
tationsklassen; die Lebensbedingungsschranken begründen
sich auf Modifikationen im Zusammenwirken von Klima,
Boden und Konkurrenz der Organismen, welche einen
allmählichen Wechsel der Arten herbeiführen; erstere
bewirken daher gewöhnlich scharfe Grenzlinien, letztere
lassen die Lücken im Wohngebiet einer Art grösser und
grösser werden bis zum völligen Verschwinden.
Vegetationslinien. Die Grenzlinien der Areale von
Arten — denn nur von Sippen im Artrange kann hier
eigentlich die Rede sein — bezeichnet man als „Vegeta-
tionslinien“, sofern sich in ihnen irgend ein bestimmtes
Moment der physischen Lebensbedingungen darstellt. Die
Vegetationslinien können daher ebensowohl in den weiten
Räumen einer vom Ozean allmählich zu kontinentalen
Klimaten überleitenden Tiefebene, als in rascherer Auf-
einanderfolge an den verschiedenen Erhebungsstufen eines
Gebirges zur Beobachtung gelangen, wenn nur die Er-
scheinung natürlicher Grenzen auf klimatisch-biologischen
Ursachen im weitesten Umfange beruht.
Ebenso, wie daher die geographischen Grenzen der Länder
und Inseln, welche einer übergrossen Zahl von Pflanzenarealen ein
festes Ziel setzen, niemals als „Vegetationslinien“ zu betrachten
sind, fallen auch die Grenzen notwendiger Standorte nicht unter
diesen Begriff. Pflanzen stehender Gewässer finden also da eine
geographische Arealbegrenzung, wo der orographische Aufbau des
Landes jenen ein Ende macht; von Vegetationslinien dieser Süss-
wassergewächse würde erst da die Rede sein, wo etwa die Sommer-
temperatur zahlreich vorhandener Gewässer nicht genügend hoch
für deren Lebensprozesse steigt. Dass strenge Halophyten nur dort
vorkommen, wo Salz im Boden reichlich vorhanden ist, erscheint
an sich verständlich, und die Verteilung grösserer Salzmengen im
Boden ist eine rein geographische Ursache des Auftretens hier,
des Fehlens dort. Sonst ist die Frage nach der Bodenwirkung
nicht unwichtig für die Unterscheidung von Vegetationslinien, da
an den Grenzen ihres Areals die meisten Pflanzen auf ganz be-
stimmte physische Eigenschaften des Substrates angewiesen sind,
um im Sinne ihrer biologischen Forderungen das Klima durch den
Standort zu modifizieren (d. h. durch warmen trockenen Boden
die Jahreswärme voller zur Geltung kommen zu lassen, oder durch
dauernde Nässe die Sommerhitze zu dämpfen u. dergl.). Vergl.
Drude, Die Anwendung physiologischer Gesetze zur Erklärung der
[104]Klimatische Begründung
Vegetationslinien, Göttingen 1876, wo zahlreiche Einzelfälle, in
denen die Lebensbedingungen zu einer Vegetationslinie führen
können, methodisch geordnet und durch Beispiele erläutert sind.
Es ist kaum möglich, hier im einzelnen zu verfolgen,
welcher einzelne Zug oder welche mit einander in Ver-
bindung tretenden Züge von Wirkungen der Beleuchtung,
der Wärme, der Boden- und Luftfeuchtigkeit unter steter
Berücksichtigung der physischen Eigenschaften des Sub-
strates und der besonderen Standortsverhältnisse Vege-
tationslinien veranlassen können; bei der Möglichkeit un-
glaublich zahlreicher Abänderungen in den Ursachen
müssen wir bekennen, dass es meistens recht schwierig
ist, den wahren Grund einer thatsächlich beobachteten
reinen Vegetationslinie zu ermitteln. Es ist dies zwar
eine hohe Aufgabe der wissenschaftlichen Floristik, aber
wenig Arbeiten zu ihrer Lösung sind auch noch in den
am besten untersuchten mitteleuropäischen Floren unter-
nommen, wenige Untersuchungen von Pflanzengeographen
angestellt. Eine Untersuchungsreihe verdient besonders
unsere Anerkennung, da sie wenigstens in eine sehr tiefe
Erörterung des Temperatureinflusses auf Pflanzen der
nördlich gemäßigten und kalten Zone eingeht; dies ist
A. de Candolles Untersuchung über die Polar-, Aequa-
torial- und Höhengrenzen europäischer Pflanzen, zumal
von Holzgewächsen (Géogr. botan. S. 74—330).
Von letzteren finden sich dort ausführliche und höchst wert-
volle, nur durch die neueren meteorologischen Beobachtungen zu
ergänzende Angaben über Ilex Aquifolium, Amygdalus nana, Cha-
maerops humilis, Fagus silvatica, Fraxinus excelsior, Abies pecti-
nata (alba), Picea excelsa u. a. m. Und dennoch kann das Resul-
tat selbst insofern kein befriedigendes sein, als jedenfalls nicht
in den der Betrachtung zu Grunde gelegten Temperaturen schlecht-
hin die begründende Ursache der Vegetationslinien liegen wird,
wenigstens nur in den seltensten Fällen, und insofern, als die bio-
logischen Bedürfnisse der untersuchten Arten nicht experimentell
festgestellt werden konnten.
In manchen Fällen erkennt man die Ursachen der
Vegetationslinien aus übereinstimmenden Gründen schärfer;
dafür ist ein Beispiel von Martins mitgeteilt (G. J., Bd. VII,
S. 185). In der Olivenregion des südlichen Frankreichs
finden sich zahlreiche zur Mediterranflora gehörige Pflanzen-
[105]der Vegetationslinien.
arten, deren Grenzgebiet gegen Nordwest durch die immer
strenger werdenden extremen Fröste abgeschlossen wird.
So wie diese extreme Kältegrade (nach 25jährigem Mittel
in Montpellier —9°, Marseille —6°, Perpignan —4°,
Nizza —1°) ordnen sich die Mediterran-Arten nach ihrer
Empfindlichkeit, indem in ausnahmsweise harten Wintern
eine Anzahl von ihnen bis auf die Wurzel erfriert, aber
im kommenden Frühjahre wieder neu ausschlägt. Wo
nun also das Abfrieren bis zum besser geschützten Wurzel-
stock so oftmals stattfindet, dass die milderen Zwischen-
zeiten nicht zur völligen Wiederaufrichtung des blühenden
Bestandes genügen, muss die Vegetationslinie, hier eine
Frostgrenze, ziehen. Einzelne klimatische Ueberschrei-
tungen werden von der Flora, trotz empfindlicher momen-
taner Schädigung, ausgehalten; ein einziger Schneesturm
dieses Jahres (1890) hat in Montpellier die Schönheit
fast aller alten Pinus halepensis-Bestände vernichtet; aber
neue Generationen werden ungeschwächt heranwachsen.
Es ist oben darauf hingewiesen (S. 25), dass die
nördliche Baumgrenze in Sibirien und Kanada ganz
anderen Ursachen folgt, dass die stärksten Fröste dort
nicht die endgültige Wirkung ausmachen. Jeder einzelne
Fall ist daher für sich zu untersuchen. Im allgemeinen
jedoch gilt die Regel von A. de Candolle (Géogr. botan.
S. 394), dass in mittleren und polaren Breiten die Tem-
peratur die hauptsächliche Rolle spielt, dass aber weder
die jährlichen Temperaturmittel, noch die der Jahreszeiten,
noch diejenigen einzelner Jahresperioden hier die Grund-
lage für die Vegetationslinien bieten, sondern, wenn es
nicht irgend welche Extreme anzeigen, am ehesten die
über einem gewissen Temperaturminimum liegenden Wärme-
summen während der Vegetationszeit. In antarktischen
Klimaten dürfte sich vielleicht auch dieses ändern und
vielmehr das Erreichen für kurze Zeit eines bestimmten
Temperaturmaximums im Sommer von grösserer Bedeu-
tung sein. In den Tropen und Subtropen dagegen ist
die Trockenheit oder Feuchtigkeit des Erdreichs und der
Atmosphäre von hauptsächlichster Bedeutung für die
Begrenzung der Arten, und — wie oben gezeigt wurde —
[106]Wechselnder Umfang
steht ja auch die Wärmeverteilung damit im bestimmten
Zusammenhange; die Trockenheit des Bodens während
einer bestimmten Jahreszeit ist auch noch von prinzipieller
Bedeutung für die Vegetationslinien der Steppenpflanzen
Europas, Mittelasiens und der nördlichsten Prairien.
Grösse der Areale. Die Areale der Arten, und
durch sie die der Sippen von höherem Range, sind nach
den vorhergegangenen Betrachtungen einmal von den
geographischen Schranken, und zweitens von den mit
ihrer Acclimatisationsfähigkeit zusammenhängenden Vege-
tationslinien abhängig.
So sind fast alle Pflanzenarten, ja die überwiegende
Anzahl der Gattungen, in den amerikanischen Tropen
und in denen der Alten Welt auf je einen Kontinent be-
schränkt, da der Atlantische und Stille Ozean als geo-
graphische Sperren, und in den aussertropischen Breiten
die eine oder die andere Vegetationslinie, oder eine Wüste
als neue geographische Sperre, sie zurückhalten. Die-
selben Gründe lassen die meisten Areale von Südafrika,
dem extratropischen Australien, Neuseeland, dem extra-
tropischen Südamerika voneinander gesondert, ohne dass
die hier und da stattgefundenen Verbindungen als Ver-
schlagungen erklärlicher Art besonderes Aufsehen zu er-
regen brauchen. Dagegen sind vom mittleren und nörd-
lichen Europa, Asien und Nordamerika viele weit aus-
gedehnte Areale zu nennen, weil deren geographische
Grenzen durch Aneinanderrücken der Kontinente an der
Behringsstrasse noch jetzt nicht einmal eng gesteckt sind
und hier also acclimatisationsfähige Arten innerhalb weiter
Vegetationslinien sich grosse Länderflächen erobern konnten.
Immer ist aber diese Möglichkeit nur von einem Bruch-
teil der Arten befolgt, und überall zeigen sich in den
Kontinenten aus besonderen biologischen Grundursachen
weite Areale mit besonders engen gemischt.
Arten, welche weit zerstreut unter allen möglichen
Breiten und im Osten und Westen zugleich entsprechend
dem oben (S. 101) angeführten Beispiel von Xanthium
spinosum vorkommen, sind äusserst selten und fehlen
[107]der Areale.
naturgemäß wenigstens dem polaren Klima, während eine
geschickte Vereinigung von tropischer und gemäßigter
Anpassung mit notwendigen Beschränkungen möglich ist.
Unkräuter, Ruderal- und Wasserpflanzen haben von allen
biologischen Pflanzenformen die weiteste Verbreitung,
und von solchen mag es etwa 25 Arten geben, deren
Areal einen Raum gleich der halben Landoberfläche des
Erdballs umspannt, und mehr als etwa 100 Arten mit
einem Arealraum gleich einem Drittel Landoberfläche.
Allein dies sind doch immer nur verschwindende Aus-
nahmen gegen die allgemeine Regel, dass die Arten sich
innerhalb der Grenzen ihres bestimmten Florenreichs samt
dessen Ausstrahlungen halten, dass die Mehrzahl von
ihnen aber nur sehr viel kleinere Räume mit ihren äusser-
sten Grenzen umspannt, indem sie bestimmte natürliche
Glieder eines einzelnen Florenreichs bewohnen. Ein Blick
auf die beigefügte Karte, in welcher die Florenreiche
eingetragen sind, zeigt daher die durchschnittlich
grösseste Ausdehnung der Areale solcher Arten,
welche nicht der menschlichen Kultur gefolgt sind. Viel
mehr Arten endlich, als wir wirklich weit über grosse
Länderstrecken verbreitet finden, sind im Gegenteil auf
sehr enge Räume beschränkt, auf eine einzelne Insel,
auf ein bestimmtes Bergland, ja auf einzelne kleine Stücke
eines Gebirges. Man sieht daher, dass die Arealgrösse
der Arten etwas sehr Wechselvolles ist, abhängig von
dem Ausbreitungstrieb, der Wanderungsfähigkeit, der
Acclimatisationsfähigkeit und der Mitwirkung oder der
Versagung von äusseren Hilfskräften für die Verbreitung.
Die Gattungen und Sippen höheren Ranges nehmen
an diesem Wechsel der Arealgrösse ebenso teil, über-
treffen natürlich die durchschnittliche Arealgrösse der
Arten in dem Verhältnis ihres zunehmenden Formen-
reichtums.
Geologische Entwickelung. Es ist bisher immer
in der Weise die Rede gewesen von den geographischen
Grenzen, der Verteilung der äusseren Lebensbedingungen
und den durch sie bedingten Vegetationslinien einer be-
[108]Umformung der Arten
stimmten Arealgrösse und Arealform der Sippen, wie wir
sie jetzt vor uns sehen. Längst nicht das meiste von
dem, was die pflanzengeographische Forschung in dieser
Hinsicht enthüllt hat, ist aber nach diesem gegenwärtigen
Verteilungszustande von Wanderungsmöglichkeiten und
Lebensbedingungen zu erklären; mit einer schwer wiegen-
den Menge grundlegender Thatsachen werden wir zur
Erklärung auf die Verhältnisse, wie sie allmählich ge-
worden sind, hingewiesen. Zweierlei ist dabei im Zu-
sammenhange zu erwägen: 1. die Umformung der
organischen Welt von einer zur anderen Erdperiode,
die Entstehung neuer Sippen neben den alten, so dass
die verschiedenen im selben Lande nebeneinander woh-
nenden Sippen sehr verschiedenes geologisches Alter haben
können, so aber, dass der Reichtum an Formen mit zu-
nehmendem Alter der Erde stetig wächst; 2. die Um-
formung der äusseren Wanderungs-, Verteilungs-
und Lebensbedingungen dadurch, dass die geographi-
schen Grenzen der Kontinente sich verändert haben, dass
Stücke von ihnen in dieser oder jener Periode als Inseln
abgetrennt nun einer umschränkten Selbstentwickelung
überlassen bleiben oder umgekehrt Inselgruppen sich zu
neuen Ländermassen vereinigten; ferner die Umformung
der Bedingungen durch Erhebung neuer Gebirgsketten
mit wesentlichem Einfluss auf Verteilung der Nieder-
schläge und die Hydrographie des von ihnen abhängigen
Flachlandes, endlich durch die jede Erdperiode beglei-
tende allgemeine Temperaturänderung der Erde und durch
die, kosmischen oder geographischen Ursachen zuzu-
schreibenden periodischen Oscillationen des Klimas, welche
z. B. in dem der Gegenwart jüngst vorhergegangenen
Zeitabschnitt die Eisbedeckung einer gewaltigen Länder-
masse in mittleren und höheren Breiten der nördlichen
Hemisphäre hervorgerufen und wieder zum Verschwinden
gebracht haben.
Die Umformung der Pflanzenwelt durch Transmu-
tation und die Umgestaltung ihrer Wohnorts- und Wan-
derungsbedingungen ist in Zusammenwirkung die Grund-
ursache der gegenwärtigen Verteilungsweise bestimmter
[109]und ihrer Areale.
systematischer Sippen nach bestimmten Ländern. Die
vorhin ausführlich betrachteten, der gegenwärtigen
Beobachtung und dem Experiment zugänglichen Wir-
kungen äusserer Agentien auf die Ausbreitung oder Be-
schränkung der jetzigen Arten verlieren dadurch nicht
im geringsten an Wert; sie erscheinen aber nur als ein
einziges, uns am genauesten bekanntes Glied in einer
langen Kette ununterbrochen gleichsinnig (aber mit
schwankender Energie) wirkender Einflüsse, welches
ebenso auf die künftigen Jahrhunderte und Jahrtausende
eine nachhaltige Wirkung ausüben wird, wie die in den
Vorzeiten dagewesenen Glieder ihre damalige Wirkung
noch um so schärfer ausgeprägt hinterlassen haben, je
näher sie der Gegenwart stehen. Aus dem Grunde sind
die durch geologische Forschung bekannt gewordenen Um-
änderungen, welche die Erdoberfläche während oder nach
der Tertiärperiode erlitt, im Zusammenhang mit den
phytopaläontologischen — leider nur zu oft fragmentari-
schen — Bestimmungen aus jenen Perioden für uns die
wichtigsten zur Erklärung derjenigen Verteilungsverhält-
nisse, welche nicht als unmittelbare Wirkungen der
Gegenwart dastehen.
Das Klima, welches als wirksames Mittel die gegen-
wärtigen Vegetationszonen auf der Erdoberfläche von-
einander scheidet, muss auf die im Laufe der Erdent-
wickelung vorgekommenen Veränderungen in den grossen
Klimazonen von bestimmendem Einfluss gewesen sein.
Auch die letzteren sind also geworden, haben sich all-
mählich auf den Zustand ihrer heutigen Abgrenzung
herausgebildet. Wenn wir nun über veränderte Licht-
perioden im Lauf der geologischen Perioden nichts Sicheres
wissen und wohl annehmen dürfen, dass die frühere Licht-
verteilung der jetzigen immer sehr ähnlich, wenn nicht
gleich gewesen sein wird, so ist doch aus geophysischen
Forschungen eine bedeutende Veränderung der Durch-
schnittstemperaturen unter hohen und mittleren Breiten
von den primären und sekundären Perioden durch das
Tertiär hindurch bis zur Gegenwart hervorgegangen, und
eine ganz andere Verteilung der Niederschläge in alten
[110]Erblichkeit klimatischer Ansprüche.
und jüngeren Zeiten ist ebenfalls sicher. Dieses allge-
meine Wissen ist nun durch den Vergleich der früheren
Verteilung charakteristischer biologischer Vegetations-
formen (wie z. B. immergrüner Schopfbäume) mit der
gegenwärtigen, soweit die Paläontologie einen solchen
Vergleich sicher zulässt, bedeutend erhöht, indem man
dabei von der Voraussetzung ausgegangen ist, dass in
älteren wie jüngeren geologischen Epochen die biologi-
schen Vegetationsformen ziemlich gleichmässig in ihren
Ansprüchen hinsichtlich der Vermeidung bestimmter
Temperaturminima, im Verlangen nach bestimmten Durch-
schnittsmaßen der Jahrestemperatur und der ihnen jetzt
zukommenden Wärmesummen, und ebenso hinsichtlich
genügender Feuchtigkeit während der Vegetationsperiode
geblieben sind. Diese Voraussetzung begründet sich
wiederum auf bestimmte organische Erfahrungen; so kann
man die morphologischen Charaktere einer festen Art
viel leichter durch Bildung von Spielarten zu einem bunten
Wechsel (innerhalb der durch die Kürze solcher Versuche
bedingten engen Grenzen) veranlassen, als dass man bei
ihr einen wirklich durchgreifenden Periodizitätswechsel
hervorzurufen oder sie an erheblich niedere Durchschnitts-
temperaturen und Flüssigkeitsverbrauchsmengen zu ge-
wöhnen vermag. Es ist die Annahme daher sehr be-
rechtigt, dass, bevor eine Sippe von bestimmtem biolo-
gischen Charakter denselben aufgibt, sie schon lange
vorher durch Transmutation ihre früheren morphologischen
Charaktere aufgegeben habe. Und darin spricht sich also
der Grundgedanke aus, dass die biologischen Vegetations-
formen solcher Zonen, welche, wie die arktische und ant-
arktische, in alten Zeiten der Erde nicht existiert haben,
zwar aus den in alten Zeiten an derselben oder an be-
nachbarter Stelle angesiedelten biologischen Vegetations-
formen mit anderen klimatischen Ansprüchen entstanden
sind, aber dass sie nicht ohne gänzlichen Formenwechsel
äusserer Art, d. h. nicht ohne neue Arten, Gattungen
oder Sippen von höherem Range zu bilden, diese ihre
alten biologischen Ansprüche und Eigenschaften verlieren
und mit neuen vertauschen konnten. Umgekehrt darf
[111]Entstehung der Vegetationszonen.
man dann also schliessen, dass da, wo wir im Tertiär
oder etwa in einer noch älteren Erdperiode paläonto-
logisch eine wohl charakterisierte Vegetationsform von
bestimmten Durchschnittsansprüchen biologischer Art an
das Klima nachweisen können, dass da in jener älteren
Periode ein Klima geherrscht habe, entsprechend dem,
unter welchem wir dieselbe Vegetationsform noch heute
kraftvoll sich entfalten sehen.
Daraus geht dann also gleichzeitig hervor, dass die
Sippen des Systems nicht wie zufällig zerstreut sein können,
sondern dass ihre Heimat den biologischen Gewohnheiten
gemäß beschränkt ist. Diese Beschränkung gilt sogar
noch für die grössere Zahl der Sippen vom Ordnungs-
range, weil nämlich die in dem morphologischen System
miteinander verwandten Glieder des Pflanzenreichs zu-
gleich auch biologische Verwandtschaft zu besitzen pflegen,
oder anders ausgedrückt, weil auch in Sippen von höherem
Range möglichst lange gleichartige Lebensgewohnheiten
festgehalten werden.
Sonderung klimatischer Pflanzengruppen. Die
Phyto-Paläontologie gibt also durch Vergleich der früheren
Verbreitung systematisch und biologisch wohlbekannter
Sippen, wie es z. B. die Palmen sind, mit deren heutigem
Areal eine langsame, aber gewaltige Verschiebung der
Vegetationszonen zu erkennen, sie zeigt eine allmäh-
liche Entstehung der von uns für die Gegenwart
unterschiedenen Vegetationszonen. Hierüber hat
A. de Candolle eine lehrreiche Studie angestellt (Archives
des sciences de la Biblioth. univers., Genève 1874), indem
er zuvörderst eine Einteilung der Gewächse in biologische
Gruppen ganz allein nach ihrem Verhalten gegen Wärme,
bezüglich gegen Wärme mit Feuchtigkeit zusammen und
unter Vernachlässigung der Lichtperiode, vollzog, welche
einigermaßen der Grundlage unserer oben betrachteten
Vegetationszonen entspricht. Die 5 Abteilungen sind
folgende;
1. Megathermen (deutlicher gesagt „Hydromegathermen“)
mit den Ansprüchen an hohe Temperaturen (20°C. und darüber)
[112]A. de Candolles’ physiologische Gruppen.
ohne Jahresschwankung und zugleich an starke Feuchtigkeit.
Tropenbewohner der Gegenwart.
2. Xerophilen. Auch diese beanspruchen hohe Tempera-
turen, lieben aber zugleich Trockenheit und stärkere Temperatur-
ausschläge. Sie bewohnen die Tropen mit längeren Trockenperio-
den und die subtropischen Wüsten und Wüstensteppen.
3. Mesothermen. Diese Gruppe beansprucht gemäßigte
Wärme (15—20°C.) und gemäßigte Feuchtigkeitsmengen, ein Teil
von ihnen verlangt hohe Sommertemperaturen, ein anderer Teil
meidet niedere Wintertemperaturen, ein dritter Teil meidet im
Gegensatz zu dem ersten die mit hohen Sommertemperaturen ver-
bundene Trockenheit. — Diese Gruppe bewohnt heute die Azoren
und Canaren, Mittelmeerländer, China-Japan, die südlichen Ver-
einigten Staaten, und auf der südlichen Halbkugel Chile, Argen-
tinien, Tasmanien und das südliche Australien, Neuseeland.
4. Mikrothermen, mit Ansprüchen an mittlere Jahres-
temperaturen von 14° bis Null, weniger hoher Sommerwärme und
Ertragungsfähigkeit von Frost. Jetzige Bewohner unserer zweiten
Vegetationszone, sowie auf der südlichen Halbkugel des südlichen
Chiles bis zum Cap Horn, der Falklandsinseln etc.
5. Hekistothermen, die biologischen Pflanzengruppen der
arktischen, und der strauchlosen antarktischen Vegetationszone
umfassend, welcher ich selbst auch allerdings die Kergueleninseln
anschliesse; es sind dies Pflanzen mit den geringsten Wärme-
ansprüchen.
Die Gleichheiten und Ungleichheiten dieser Einteilung ent-
gegen unserer, auf die Zusammenwirkung aller geographischer
Agentien begründeten Vegetationszonen-Einteilung sind von selbst
klar; mit Ausnahme der Xerophilen lässt sie einen direkten Ver-
gleich mit Köppens Wärmezonen zu und stellt ebenso wie diese
ihre Gruppen symmetrisch auf beide Seiten des Aequators. Eine
wesentliche Aufgabe sucht alsdann de Candolle im paläontologischen
Verfolgen dieser physiologischen Gruppen in den verschiedenen
Ländern der Erde, worüber er höchst anregende Einzelheiten
vorführt.
Eine Wärme-Feuchtigkeitsgruppe ist heutzutage
kaum mehr auf der Erde vertreten, nämlich die als
„Megistothermen“ zu bezeichnenden Algen heisser (30°C.)
Quellen; sie lassen sich zwar nicht als Abkömmlinge,
doch als analoge biologische Erscheinungen mit den-
jenigen Gewächsen vergleichen, welche in den ältesten
geologischen Epochen das Feld wahrscheinlich beherrscht
haben und als deren Nachfolger auf der Erde wir die
Algen, Farne, Lycopodiaceen und Equisetaceen der Stein-
kohlenperiode betrachten. Die Megathermen, welche in
den sekundären Erdformationen ausser ersteren wohl allein
[113]Deren geologische Entwickelung.
vorhanden gewesen sind und auch im Tertiär noch eine
enorme Ausdehnung besessen haben, sind gegenwärtig
(seit dem Eocän) auf einen einzigen, schmal gewordenen
äquatorialen Gürtel beschränkt, und einen grossen Teil
ihrer Plätze haben die Xerophilen eingenommen, deren
reichliche Gegenwart auch im Tertiär paläontologisch
noch nicht hinreichend erwiesen ist und welche daher als
eine biologische Gruppe jüngeren Alters erscheinen. Die
Mesothermen waren, nach den über sie am besten be-
kannt gewordenen paläontologischen Verbreitungsfeststel-
lungen, noch im älteren Tertiär von Spitzbergen, Island,
Grönland durch das nördliche Europa hindurch bis zu
ihren heutigen Plätzen in Südeuropa hin verbreitet, wäh-
rend sie jetzt durch die Nordgrenze immergrüner Laub-
bäume von den nördlichen (und ebenso südlichen, palä-
ontologisch noch nicht untersuchten) Gebieten ausge-
schlossen sind. Diese sind von den Mikrothermen und
Hekistothermen an ihrer Stelle erfüllt, und während der
zu beiden Seiten des Atlantischen Ozeans ausgebreiteten
Vergletscherung zur Glacialzeit haben die Hekistothermen
sogar nach mittleren Breiten hin eine grössere Ausdeh-
nung besessen und Plätze inne gehabt, aus denen sie
durch erhöhte Jahrestemperaturen geographischer Klima-
umformung von den Mikrothermen wiederum verdrängt
sind. So sind die Vegetationszonen allmählich entstanden.
Fügen wir nun noch hinzu, dass, wie schon zu Beginn
dieser Betrachtung hervorgehoben, jede thermo-hygro-
phile Gruppe vorzugsweise von besonderen Sippen des
Systems getragen wird, dass also auch die jüngeren Grup-
pen (Xerophilen, Mikro- und Hekistothermen) auf durch
Transmutationswege entstandenen geologisch jüngeren
Arten, Gattungen, Gattungsgruppen oder Sippen von noch
höherem Range, aufbauen, so haben wir dadurch ein Bild
von dem Umwandlungsgange der Vegetation der Erde
im Anschluss an deren grosse Klimazonen und die in
diesen vorgegangenen Veränderungen im Verlaufe langer
geologischer Perioden.
Das Eigentümliche und wissenschaftlich Neue der
angeführten Gruppenbildung von A. de Candolle besteht
Drude, Pflanzengeographie. 8
[114]Primäre Charaktere der Flora.
darin, dass sie weder auf das System, noch auf die geo-
graphisch abgegrenzten Floren der Erde, noch endlich
auf die sonstige Einteilung der Gewächsformen nach
Bäumen, Stauden in ihren verschiedenen Trachten, Wasser-
pflanzen etc. zurückgreift, sondern alles dieses nur unter
dem Gesichtspunkte eines gleichen klimatischen Grund-
bedürfnisses zusammenfügt. Insofern sind es wirklich,
was der Verfasser wollte, groupes physiologiques applicables
à la géographie botanique ancienne et moderne. Es besagt
die Nützlichkeit dieser Gruppenbildung, welche sich am
leichtesten auf Erdkarten darstellen lässt (siehe Englers
Karte im Vers. Entw. d. Fl. Bd. II.) und in den „Vege-
tationszonen der Erde“ in Berghaus’ physikalischem Atlas
eine entsprechende Erweiterung gefunden hat, dass in
diesen Bedürfnissen sich entsprechende Kreise von Ord-
nungen und Gattungen einerseits, von biologischen Lebe-
formen andererseits zusammenfinden, und dass diese für
die primären Charaktere der Flora und Vegetation um-
fassender, analog gebildeter Erdräume einen Vorrang
behaupten. Es finden sich z. B. in der Gruppe (2) der
Xerophilen, welche hauptsächlich den Strich beider Wende-
kreise einnehmen und bis in die Mediterranregion, nach
China und in die Prairien Nordamerikas vordringen, von
Familien bestimmte Tribus und Gattungen der Labiaten
und Borragineen, Asclepiadeen und Compositen, auch
wiederum von den zugleich ganz andere Klimate auf-
suchenden Palmen und Liliaceen, Myrtaceen und selbst
Cycadeen, und besonders charakteristisch sind fleischige
Euphorbiaceen in Vertretung mit Cacteen, die Zygophyl-
leen, Ficoideen und Proteaceen, letztere allerdings im
Wasserbedürfnis zu der dritten Gruppe hinneigend. Diese
und andere Systemgruppen finden sich daselbst zusammen
in den Lebeformen von Blatt- und Stammsucculenten,
von Zwiebel- und Knollengewächsen, von dornigen Ge-
sträuchen mit periodischer Belaubung oder mit Trocken-
schutzeinrichtungen, welche wie bei den Blättern der
Stauden alle jene mannigfaltigen Mittel durchmachen;
oder sie finden sich als rasch ihre Vegetation durchlaufende
annuelle Gewächse. Diese ganzen System- und Organi-
[115]Die beiden Grundlagen der Florenreiche.
sationsverschiedenheiten werden in dem einen Ausdruck
„Xerophilen“ zusammengefasst, welcher durch direkte
Beziehung auf bestimmte Eigenschaften der Länder zu
höherer geographischer Bedeutung gelangt. Das Problem,
wie stark die Erblichkeit in den Eigenschaften dieser
Gruppen die Veränderungen in geologischen Zeiträumen
überdauert, ist allerdings zur Zeit nicht zu beurteilen.
Geographische Abgeschiedenheit führt zu eigen-
artiger Entwickelung der Flora. Die vorhergehenden
Auseinandersetzungen bringen in Erinnerung, dass in der
nach Erdperioden vollzogenen Scheidung der Klimate die
eine Wurzel der Scheidung in „Florenreiche“ enthalten
lag. Wenn Pflanzengruppen einer bestimmten Verwandt-
schaft sich am liebsten unter einem bestimmten Maß
klimatischer Einflüsse entwickeln, so bilden die Vege-
tationszonen auch eine Grundlage der Florenreiche. Aber
auch nur eine; diese Beziehung sagt nur aus, dass den
tropischen Vegetationszonen auch tropische Florenreiche
entsprechen werden, und thatsächlich gibt Hooker jüngst
an, dass er die primäre Scheidung der Floren auf der
Erde ansehe als eine solche zwischen tropischen und
temperierten Gliedern. Aber analoges Klima hat in geo-
graphisch weit getrennten, niemals nachweislich in direk-
tem Zusammenhange gestandenen Länderräumen nie zur
Entstehung gleichartiger Formen des Pflanzenreichs ge-
führt; getrennte Räume haben verschiedene Gestalten des
Systems mit sich proportional den Zeiten steigernden
Verschiedenheiten ihrer erblichen Organisation zur Ent-
wickelung gebracht, während andererseits die Fälle häufig
sind, wo eine bestimmte Sippe des Systems aus ihrer
engeren klimatischen Sphäre hinaustretend sich in geo-
graphisch benachbarten Gebieten unter biologischer An-
passung einheimisch gemacht hat: bestehen doch die
Ordnungen der Palmen, Bromeliaceen, Cycadeen und viele
andere sowohl aus Megathermen, als Xerophilen und
Mesothermen. Die andere Grundlage der Florenreiche
lässt sich daher so ausdrücken: Die in gleichartige Klima-
gürtel der Erde fallenden geographisch selbständigen
[116]Geographische Isolierung der Sippen.
Ländergebiete haben, bei Aufrechthaltung ihrer Abge-
schlossenheit, eine eigenartige Flora zur Entwickelung
gebracht; die beigemischten gleichartigen Züge, welche
als Verbindungsglieder fremder Floren auftreten, sind
entweder den gleichartigen Ausgängen zu verdanken,
welche die Pflanzenwelt in älteren Erdperioden besass,
oder der Wanderungsmöglichkeit unter Zuhilfenahme von
Verschlagungen aller Art, welche in selteneren Fällen
sehr weite geographische Entfernungen überbrückt.
Um diese Grundsätze richtig anzuwenden, vergleicht
man zweckmäßig gewisse weite und reich gegliederte,
aber geographisch weit entlegene Ländergebiete, in denen
man bei ihrer Vielgestaltigkeit des Bodens mit wechseln-
der Geneigtheit und Niederschlags-Empfänglichkeit nicht
ängstlich zu fragen braucht, ob wirklich die äusseren
klimatischen Bedingungen gleichartig sind und früher
gewesen sind. Solche Länder sind z. B. Mexiko bis zum
tropischen Centralamerika hin, der Orient von Griechen-
land bis Turkestan und zu den indischen Grenzgebirgen,
endlich Australien mit Ausschluss des eigentlichen Tropen-
anteils; alle diese 3 Länder vermitteln in wechselnder
Gestaltung zwischen dürren Steppen oder Wüsten und
reichen Tropengebieten. Aber nach Hemsleys Zusammen-
stellungen sind von 1100 Gattungen der höheren Gewächse
des Orients weniger als 400, und von den zugehörigen
9500 Arten des Orients weniger als 350 überhaupt in
Amerika. Sind in diesen beiden Vergleichsgebieten
wenigstens noch die meisten Ordnungen der Mono- und
Dikotylen die gleichen, so wird der Unterschied noch
stärker beim Vergleich mit Australien: 50 mexikanische
Ordnungen fehlen daselbst. Die absoluten Verschieden-
heiten in der Flora steigern sich natürlich mit dem Grade
der nicht gemeinsam vorhandenen Sippen; die höchsten
Verschiedenheiten drücken sich aus im ungleichen Auf-
treten der Mehrzahl von Ordnungen, deren Verschieden-
heit an sich schon die Möglichkeit gleicher Gattungen
und Arten ausschliesst; dann folgt die besonders in den
Gattungen liegende Verschiedenheit bei einer Hauptsumme
gleicher Ordnungen; der geringste Grad eigenartiger
[117]Undeutlichkeit der Grenzbildungen.
Entwickelung zeigt sich in dem Besitz einer grösseren
oder geringeren Menge ungleicher Arten, welche aber
zu einer Hauptmasse gleicher Gattungen gehören.
In den „Florenreichen“ S. 6 ist dies näher ausgeführt und
dabei diesen drei Graden von Verschiedenheiten folgend der Cha-
rakter gesonderter Florenreichsgruppen, einzelner Florenreiche und
einzelner Florengebiete bezeichnet.
Lägen alle Länder so geographisch abgeschlossen
wie die der herausgegriffenen drei Beispiele, hingen diese
letzteren selbst nicht mit Nord- und Centralamerika,
nicht mit Nordafrika und Westeuropa und dem Pontus,
nicht mit den indischen Tropen auf das innigste zu-
sammen, so würden sich die Florenreichsgrenzen voraus-
sichtlich scharf umzogen und allseitig verständlich ab-
heben; aber die Unnatürlichkeit geographischer Abgren-
zung macht auch den Charakter der Florenreiche unsicher.
So sind zur Zeit die Prinzipien klar erkannt und allseitig
anerkannt, doch Unbestimmtheit liegt im Ausdruck dessen,
was in bestimmte Form unter Vernachlässigung der Ueber-
gänge gegossen werden soll. Kein eigentlicher Wider-
streit der Meinungen, nur langsames Vorschreiten zur
Anerkennung gewisser Kernpunkte der Florenentwicke-
lung beherrscht dies Feld.
Vergleich der Fauna. Hier ist der Ort, zum ersten-
male nachdrücklich die Beziehungen sowohl direkter Art
als in Gestalt von Analogien zwischen Pflanzen- und
Tierwelt, zwischen Floren und Faunen hervorzuheben.
Beide organischen Reiche haben an gleichem Orte eine
gemeinsame, vielfältig voneinander abhängige Entwicke-
lung in gegenseitiger Förderung oder Bekämpfung er-
fahren; wo Wanderungswege für Pflanzen offen und zu-
gänglich waren, sind sie es im allgemeinen auch für Tiere
gewesen, nur hat stets beider Reiche verschiedene Orga-
nisation auch verschiedenartige Wirkungen im Gefolge
gehabt. Das Pflanzenreich ist stets unmittelbar vom
Klima abhängig; Schutzmittel in Gestalt von Anpassungs-
vorkehrungen sind möglich und zahlreich vorhanden,
aber nur in biologischer Reihenfolge nachweisbar, beson-
[118]Aehnliche Absonderung der Fauna.
ders in der Knospenbildung und in der mannigfaltigsten
Gestaltung der Blattorgane und ihrer Oberhäute. Die
Tierwelt ergreift andere Schutzmaßregeln; Eingraben in
Erdlöcher, periodisches Fortwandern bis zur Wiederkehr
der günstigeren Jahreszeit, täglicher Besuch spärlicher
Wasserquellen sind Dinge, welche der Pflanzenwelt ver-
sagt bleiben. Die Wanderungsfähigkeit der Tiere er-
scheint auf den ersten Blick als die grössere und ist es
auch bei kleinen trennenden Zwischenräumen; bei ge-
nauerer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass die
Pflanzen sich durchschnittlich viel leichter zum Ver-
schlagen auf weite Erdräume hin eignen, als jene. Schon
die verschiedene Fortpflanzung und die Bildung ruhender,
auf das höchste geschützter Samen lässt die Pflanzen
zum Ueberspringen weiter trennender Hindernisse geeig-
neter erscheinen, während ein einzelnes verschlagenes
Tier in der Regel nicht zur Fortpflanzung gelangt, und
fortgetriebene Eier bei der Hilflosigkeit der Jugend-
zustände so sehr vieler Tierklassen in diesen ihre Aus-
breitungswirkung verfehlen. So überwindet die Pflanzen-
welt, trotz engerer klimatischer Lebenssphäre, dennoch
leichter die durch Entwickelung in bestimmtem geogra-
phischen Gebiet gezogenen Grenzen, und so ist es auch
wohl zu erklären, dass zumal eine ganz besonders auf-
fällige Verbreitungsgrenze der Fauna durchaus nicht in
dem gleichen Maße von Schärfe in der Flora auftritt.
Diese Grenze ist der Abschluss Australiens, Neuseelands
und der malayischen Inselwelt bis nach Celebes gegen-
über Indien und der übrigen Welt ringsum in Hinsicht
auf seine höheren Tierklassen. Auch einige andere Gegen-
sätze in Tier- und Pflanzengrenzen von geringerer Be-
deutung lassen sich namhaft machen; das Gebiet der
Antillen ist z. B. in faunistischer Hinsicht viel mehr ab-
geschlossen und reicher an eigentümlichen Formen als in
Bezug auf seine Flora. Nachdem also diese Einschrän-
kungen gemeinsamer Verbreitungsgesetze für Tier- und
Pflanzenwelt beleuchtet sind, bleibt trotzdem im allge-
meinen der Satz bestehen, dass der Absonderung eigen-
tümlicher Floren auch eine analoge eigentümlicher Faunen
[119]Gleichheit der Einflüsse.
entspricht, dass ein gleichartiges Entwickelungsgesetz die
organische Welt beherrscht.
Wallace hat in seiner „Geographical distribution of
Animals“ (Bd. I, S. 35) die Hauptfaktoren aufgezählt,
welche zur Absonderung oder Vermischung der Faunen
je nach dem Grade ihres Auftretens in Wechselwirkung
hinzielen; dieselben sind: 1. Proportion von Land und
Wasser; 2. Grenzen und Verteilungsweise der Konti-
nente; 3. Tiefe der Ozeane und Seen, Richtung und Ge-
schwindigkeit der ozeanischen Ströme; 4. Lage von In-
seln; 5. Höhe, Richtung und Anschluss von Gebirgs-
ketten; 6. Lage und Ausdehnung von Wüsten, Seen,
Waldgebieten; 7. Herrschende Windrichtungen und
Stürme; 8. Klima und seine Jahresschwankung in Tem-
peratur, Regenmenge, Eis- und Schneefall sowohl in
Mitteln als Extremen; 9. Rückwirkung des Vegetations-
wechsels. Alle diese Faktoren lassen sich ohne weiteres,
oder in Umkehrung der Wechselwirkungen zwischen
beiden organischen Reichen in gleichem Einfluss auf die
Absonderung oder Vermischung der Floren aufführen:
Punkt 1—5 sind rein geographische Grundlagen dazu,
teilweise auch Punkt 6. Wenn sich einmal ein Land zur
Bedeckung mit weitausgedehnten und zusammenhängen-
den Wäldern eignet, so bildet dieser Waldgürtel, so lange
als er stationär ist, selbst eine Vegetationsschranke gegen
fremde Elemente, schützt dagegen in seinem Bereich die
kleineren an ihn angelehnten Gewächse. Punkt 8 aber
fällt für die Pflanzenwelt als biologischer Kausalfaktor
in erste Linie und Punkt 9 verwandelt sich in die Wechsel-
beziehungen zum Tierreich. Punkt 7 ist gleichsinnig und
bedeutet die Ausstreuungsrichtung der Samen; es ist ja
z. B. beim Föhn im Alpengebiet nachgewiesen, in wel-
cher Weise derselbe nachhaltig für Besiedelung süd-
licherer Pflanzenarten in den seiner Streichrichtung ge-
öffneten Thälern wirkt. Was Wallace nicht besonders
genannt hat, für die im Erdreich wurzelnde Pflanzenwelt
aber unerlässlich hinzuzufügen bleibt, ist dann noch die
physikalisch-chemische Eigenschaft des Substrats. Durch
die Vegetationsdecke wirkt dieselbe dann auch schwächer
[120]Förderung der Verbreitung
auf das Tierreich zurück. Fauna und Flora der Erde
sind bestimmt, die gleichen Schicksale, wie sie das Erd-
bild schafft, zu teilen, aber sie unterliegen nicht in ganz
gleichem Grade denselben Einflüssen.
Die Geographie hat längst das Bedürfnis erkannt, an der
Einheit in der organischen Welt, insoweit als sie sich hinsicht-
lich bestimmter Verbreitungs- und Absonderungsverhältnisse nach-
weisen lässt und auf gleiche treibende Kräfte hinweist, festzuhalten
und über die Verschiedenheiten im Ausdruck bestimmter Floren-
und Faunenreiche hinwegsehend das Gemeinsame im Grundgedanken
ausgesprochen-eigenartiger Entwickelungen zu erfassen. Nirgends
finde ich dasselbe schärfer und richtiger betont, als bei Supan
(Grundz. d. phys. Erdk. Kap. X). Es war nur richtig, dass Zoo-
logie und Botanik zunächst selbständig ihre eigenen Gebiete ohne
gegenseitige Rücksicht durchmusterten und ihre Ableitungen in
bestimmter Form hinstellten. Die Geographie dagegen hat die
Aufgabe, aus diesen Ableitungen noch höher stehende Allgemein-
regeln zu schöpfen. Denn es kommt darauf an, im Sinne der
geographischen Wissenschaft die Wechselwirkungen zu erläutern,
in denen die Pflanzenwelt teils bedingt erscheint, teils selbst im
Einfluss auf die allgemeine physische Natur zurückwirkt. Und
die meisten der hier aufgeworfenen Fragen können sogleich be-
züglich der Tierwelt wiederholt werden. Solche allgemein gegebene
geographische Bedingungen sind aber die Lage, Form und das
geologische Alter der Kontinente samt der Geschichte ihrer oro-
graphischen Gliederung, der Einfluss von Höhen und Tiefen mit
dem Klima zusammen als Scheiden, der Einfluss bestimmt gerich-
teter Luft- und Wasserströmungen als Verbindungswege.
Biologische Wechselwirkungen. Auch die gegen-
seitigen Anpassungen eines Organismus an den anderen,
sowohl von verschiedenen Pflanzen unter sich als von
Pflanzen und Tieren untereinander, sind solche geo-
graphische Wechselwirkungen, welche mit der Grösse
der Areale, mit der Möglichkeit weiterer Verbreitung
und Ansiedelung in fremden Erdteilen bei zufälligen
Verschlagungen je nach Umständen innig zusammen-
hängen. Während oben die Vegetationslinien auf ihre
im Klima und Boden liegenden Grundursachen zurück-
geführt wurden, tritt hier also ein neues Moment hinzu,
organisch bedingte Verbreitungsmittel und Verbreitungs-
schranken. Von ersteren sind viele bekannt oder in ihrer
Wirkung leicht zu durchschauen. Im Schutze der Wäl-
der, oder in den Tropen auf ihren Aesten, gedeihen viele
[121]durch organische Wechselwirkung.
Pflanzen, welche ohne dieselben kaum geeignete Wohn-
plätze finden würden; nicht wenige derselben sind direkt
von der Verbreitung gewisser Waldbaumformationen ab-
hängig, zumal die Schmarotzer und Humuspflanzen. Die
Sumpfmoose gewähren mit ihrer eigentümlichen Organi-
sation in ihrer zusammenhängenden Decke manchen Arten
Wohnstätten, welche ohne sie häufig genug im Sommer
durch periodische Dürre Schaden erleiden würden; ihre
massenhafte Vegetation sorgt also auch für die Verbrei-
tung der beigemischten Arten. Weidende Tiere ver-
schleppen die in ihrem Fell hängenbleibenden Stachel-
früchte; beerenfressende Vögel streuen die Samen ihrer
Futterpflanzen auf weite Entfernungen aus, und in den
Floren ozeanischer Inseln gehören daher die beerentragen-
den Arten, welche oft nicht gering an Zahl sind, zu den
am leichtesten auf weitere Wanderzüge zurückzuführenden
Formen, ohne dass sie selbständig und ohne Mitwirkung
wandernder Tiere diese Verbreitung hätten erreichen
können.
Nach den organischen Verbreitungsmitteln der Samen kann
man überhaupt 6 Kategorien unter diesen unterscheiden, nämlich
1. die Einbettung in eine süsse Fruchtmasse, welche Tiere zum
Fressen anlockt; 2. der Besitz von Haken und Stacheln, mittels
derer sie sich an wandernde Tiere anheften können; 3. Flugapparate
an Samen oder Früchten, welche auch schwerere Körper auf weite
Strecken hin transportfähig gestalten; 4. Kleinheit der Samen,
welche wie bei Orchideen und Pyrolaceen, Rhododendron, Nepen-
thes etc. eine Verschlagung mit Stürmen ebenso leicht gestattet;
5. elastisches Aufspringen und Fortschnellen der Früchte, was
zumal bei Berührungen durch ein Tier wirken kann; 6. Erhaltung
der Keimkraft im Meereswasser verbunden mit Schwimmfähigkeit.
Die beiden ersten Kategorien rechnen absolut mit der Verbreitungs-
weise durch Tiere. — Beccari setzt auseinander (Malesia III), dass
ein Vogel, welcher auf einem Berge im Innern der Insel Ceram
eine Mahlzeit von Vaccinium-Früchten eingenommen hätte, nach
3 oder 4 Stunden deren Samen auf einem Berge Neuguineas ab-
setzen könnte. — Auf dieselbe Verbreitungsweise nimmt Hemsley
in seinen Untersuchungen über die Floren der Inseln ausgedehnte
Rücksicht und man handelt richtig, jede einzelne Flora auf die
Verbreitungsorganisation hin zu prüfen.
Am interessantesten werden diejenigen Wechselbe-
ziehungen, in denen ein bestimmter, abgeschlossener or-
ganischer Formenkreis mit einem anderen bestimmt abge-
[122]Wirkung der Insekten-Befruchtung.
schlossenen Formenkreise im gegenseitigen Nützlichkeits-
verhältnis steht. Am weitesten ausgedehnt ist dieses zu
beobachten zwischen Blumen mit klebrigem Pollen und
den von diesem oder von Zuckersäften der Blumen lebenden
Insekten, welche zugleich durch Wechselbefruchtung eine
samentüchtige Nachkommenschaft erzielen.
Dies umfangreiche biologische Kapitel kann hier nur in seiner
geographischen Wirkung angedeutet werden. Eine ausgedehnte
Litteratur ist darüber vorhanden, aus welcher hier nur einige all-
gemein zusammenfassende Schriften genannt werden mögen:
Hildebrand, Die Geschlechterverteilung bei den Pflanzen und das
Gesetz der vermiedenen und unvorteilhaften stetigen Selbstbefruch-
tung; Leipzig 1867. — Darwin, The Effects of Cross- and Self-
Fertilisation, London 1876 (übersetzt 1877). — Kerner, Schutz-
mittel der Blüten gegen unberufene Gäste, Wien 1876. — Dr. H.
Müller, Die Befruchtung der Blumen durch Insekten und die
gegenseitigen Anpassungen beider, Leipzig 1873; ergänzt durch
desselben Verf.: Alpenblumen, ihre Befruchtung durch Insekten,
Leipzig 1881. — Erréra, Sur la structure et les modes de fécon-
dation des fleurs, Gand 1878 (Bull. Soc. roy. de botan. de Belgi-
que XVII). — Schenks Handbuch d. Botan. Bd. 1. S. 1—112. —
In Verbindung mit anderen Abhängigkeitsverhältnissen der Fort-
pflanzung und Verbreitung bespricht Wiesner den Gegenstand in
klarer Zusammenfassung in „Elemente d. wiss. Botanik“, Bd. III
(Pflanzenbiologie) unter den biologischen Verhältnissen der Fort-
pflanzung; mit Recht ist in diesem einzigen Lehrbuch der Biologie
die Wechselwirkung der Organisation in Anschluss an geographi-
sche Verbreitung gebracht.
Die Wirkung dieses Gegenseitigkeitsverhältnisses ist
in der grossen Natur eine zwiefache: erstens die Wirkung
auf die Ausbreitung, die Areale, mithin auf den Charakter
der Florengebiete, und zweitens die Wirkung auf die
Physiognomie der Vegetation, insofern als in der Schau-
stellung der Honig darbietenden und auf Kreuzbefruch-
tung wartenden Blumen neben den unscheinbareren sich
selbst mit Hilfe der Luftströmungen befruchtenden „Wind-
blütlern“ und in der Bevorzugung der einen vor den
anderen ein bestimmter landschaftlicher Eindruck hervor-
gerufen werden kann.
Die Wirkung auf das Areal ist natürlich nur dann eine
zwingende, wenn bestimmte Insekten auf bestimmte Blumen
oder umgekehrt angewiesen sind. So ist es neuerdings für
die Aconitum- und Bombus-Arten von Kronfeld dargelegt.
[123]Aconitum und Bombus.
Das Beispiel erscheint so lehrreich, dass es ausführlicher be-
sprochen werden mag unter Beihilfe der Originalfigur aus den
Botan. Jahrbüchern für Systematik etc. Bd. XI. S. 19. Kronfeld
hat gefunden, dass die Blüten des Eisenhutes, der Ranunculaceen-
Gattung Aconitum, dem Insektenbesuche zur Kreuzungsvermitte-
lung von Hummeln, ja so gut wie ausschliesslich aus Gründen der
Körpergrösse und Blütenorganisation dem Besuch von der Hyme-
nopteren Gattung Bombus angepasst sei; wo immer Aconitum
blühend angetroffen wurde, sah man die Blüten von Hummeln
besucht. Zur Erzielung kräftigen Samens ist demnach die Gattung
Aconitum von Bombus abhängig, und zwar viel mehr, als Bombus
zum Nahrungsgewinn von Aconitum, da nicht eine einzige Bom-
[124]Endemismus.
busart bisher nur auf Aconitum sammelnd beobachtet ist. Hier-
mit steht die Geographie beider Gattungen im vollsten Einklang,
indem das Areal von Aconitum in das von Bombus hineinfällt.
In Amerika ist das Areal von Bombus beträchtlich über den
Aequator südwärts ausgedehnt, während Aconitum sich in den
gemeinsamen Grenzen vieler borealer Gattungen hält.
Was hier von solchen Wechselwirkungen gesagt oder
auch nur angedeutet ist, das muss für beide organische
Reiche im Anschluss an die Deszendenztheorie und Trans-
mutationslehre in seiner Entwickelung nach Dauer von
Erdperioden ermessen werden. So kann, oder vielmehr
so muss es kommen, dass die geographische Trennung
immer weiter wirkend einander fremdartige Organisa-
tionen erzeugt, indem irgend eine neu aufgetretene Be-
ziehung ansteckend wirkt und nachhaltige Umformungen
hervorruft: „every change becomes the centre of an ever-
widening circle of effects“ (Wallace, Geogr. distrib. Anim.
I. 44).
Endemische Formen. Ist irgend eine Pflanzensippe
mit abgeschlossenem Formenkreise zu einer bestimmten
Erdperiode weit verbreitet in zusammenhängendem Areal
gewesen, haben sich aus ihr im Sinne der Deszendenz-
theorie an verschiedenen Stellen dieses Areals verschie-
dene, einander verwandte Formen herausgebildet, während
zugleich das Schicksal der weiteren Erdentwickelung es
mit sich gebracht hat, dass in das zusammenhängende
Areal oder in die dort herrschenden Verbreitungsmöglich-
keiten grosse Lücken gerissen wurden, so sind die neu
entstandenen Formen mit Beziehung auf das kleine, zu-
nächst von ihnen eingenommene Areal in demselben
„endemisch“. Die verschiedenen, neu entstandenen
Ableitungsformen weisen in ihren verschiedenen Ursprungs-
orten auf einen gemeinsamen Anfang ihrer Bildung hin,
sind „korrespondierende“ oder „vicariierende“ Formen,
„Repräsentativformen“. Andere endemische Formen,
gewöhnlich ohne repräsentative Schwesterformen, ent-
stehen dadurch, dass die Lebensbedingungen einer ur-
sprünglich sehr weit verbreiteten Art in der weiteren
Erdentwickelung nur in einem beschränkten Areal sich
[125]Endemische Sippen verschiedenen Ranges.
noch erhalten: sie bilden die Relikt-Endemismen
dieses Areals. Durch frühere Verdrängung hier und
Fortwandern dorthin kann dieses Areal in ein Land fallen,
in welchem die betreffende Art niemals ihre Entstehung
genommen hat; es gibt also Endemismen, welche im Ge-
biet entstanden, und solche, welche zugewandert sind.
Die letzteren entwickeln sich dann häufig noch durch
weitere Transmutation ihrer morphologischen Charaktere
zu sekundär an Ort und Stelle entstandenen, besser ge-
sagt „umgeformten“ Endemismen. Diese werden mit
Rücksicht auf ihre jüngeren Merkmale und Eigenschaften
richtig im Gebiete endemisch. Mit Bezug auf das oben
(S. 99) Gesagte gibt es Endemismen von sehr verschie-
denem morphologischen Range, endemische Sippen vom
Range blosser Varietäten, Unterarten, Arten, Gattungs-
sektionen, Gattungen, Tribus natürlicher Ordnungen,
ganzer Ordnungen des natürlichen Systems. Der Wert
der endemischen Sippen für die geographische Charakte-
risierung steigt mit ihrem morphologischen Range: Ge-
biete mit eigenen, auf ein kleines Gebiet beschränkten Tribus
und Ordnungen sind durch diese sehr ausgezeichnet und
im allgemeinen als von sehr abgeschlossen selbständiger
Entwickelung zu betrachten.
Die Sippen vom höheren Range gebrauchen zwar
im allgemeinen mehr Zeit zu ihrer Herausbildung als
diejenigen niederen Ranges; doch kann es auch anders
sein, da wir die endemischen Bildungen lokal entstandener
und diejenigen durch Aussterben ringsum lokal erhaltener
Art nur selten unterscheiden können. Aber auch die
Sippen von einheitlichem Range, z. B. gleichwertige
Arten, sind sehr ungleich alt, und während es solche
gibt, welche seit der Pliocenzeit und seit länger sich
anscheinend nicht verändert haben, wie die Conifere
Taxodium distichum im jetzigen nordamerikanischen
Florenreich mit früher weit-borealer Verbreitung, sind
viele andere unzweifelhaft jung. Um so mehr wird das
Alter der endemischen Arten, d. h. die Zeit, während
welcher eine Art ein bestimmtes Gebiet charakterisierte,
schwankend sein.
[126]Verschiedenes Alter der Endemismen.
Die auf den Hochgebirgen der boreal-gemäßigten Zone zahl-
reich zerstreuten Saxifraga-Arten liefern für Pyrenäen, Alpen,
Kaukasus, Himalaya, Rocky Mts. etc. zahlreiche Endemismen,
welche gleichzeitig repräsentativ sind; bei naher Verwandtschaft
wird ihr Alter im Artcharakter nicht hoch sein. Die auch die
Ostalpen zierende Scrophulariacee Wulfenia ist in nur 4 Arten
beschränkt auf dieses Gebirge, auf das westliche Asien und den
Himalaya und hat dabei Repräsentativarten. Die Gattung Erica
mit 400 Arten beschränkt sich auf die Alte Welt von Mittel- und
Südeuropa und Südafrika; das tropische Afrika scheidet die Arten
der beiden Hauptgebiete vollkommen, und die Hauptmasse jener
400 ist im südwestlichen Kaplande auf sehr beschränktem Areal
endemisch; aber nicht ganz wenige Arten sind repräsentativ. — Salis-
burya oder Gingko biloba, diese merkwürdige Conifere, hat nur
noch eine Art lebend in Ostasien; in früheren Erdperioden ist die-
selbe formenreich und weit in den borealen Gebieten verbreitet
gewesen; die Gattung ist also endemisch durch Aussterben ge-
worden, die lebende Art als solche mag in Ostasien ursprünglich
sein. — Grönland besitzt eine Reihe endemischer Unterarten, welche
sonst nirgends vorkommen, aber alle sehr nahe verwandt sind mit
übrigens weit arktisch-boreal verbreiteten Arten; sie sind vielleicht
alle inter- oder postglacialen Ursprungs durch lokale Transmuta-
tion ihrer morphologischen Charaktere unter dem Einfluss der be-
sonderen Existenzbedingungen. — Scalesia ist eine 10 Arten zäh-
lende, auf den Galapagos-Inseln endemische und dort den Busch-
wald bildende Compositengattung; die verschiedenen Arten aber
schliessen sich aus und bewohnen repräsentativ die verschiedenen
Inseln.
Der Begriff des Endemismus schwankt mit der Grösse
des der Betrachtung zu Grunde gelegten Areals und mit
dessen pflanzengeographischer „Natürlichkeit“. Deutsch-
land z. B. ist ein pflanzengeographisch unhaltbarer Be-
griff und besitzt keine endemische Art; die Alpenkette
ist natürlich abgegrenzt und von nicht grosser Ausdeh-
nung, sie besitzt circa 200 starke endemische Arten. Für
die Beurteilung der eigenartigen Entwickelung spielen
die endemischen Sippen höheren Ranges die wichtigste
Rolle; nach ihrer Erstreckung werden die Ländergebiete
abgegrenzt und gelten als um so natürlicher, je mehr
endemische Sippen bei der Form der gewählten Grenzen
in dieselben fallen. Diese, einem circulus vitiosus bis zu
gewissem Grade unterworfene Operation bildet die wissen-
schaftliche Unterlage der Florenreiche: einem Floren-
reich gehört nicht nur die Hauptmasse der Arten, sondern
[127]Flora der Inseln.
auch der überwiegende Teil von eng umgrenzten Gat-
tungen und ausserdem Sektionen aus den weit verbreiteten
Gattungen zu eigen an, auch können einzelne Tribus oder
kleine Ordnungen in ihm endemisch sein; das Florenreich
zerfällt in Gebiete, welche sich durch den Besitz von
Repräsentativarten der Charaktergattungen auszeichnen.
Flora der Inseln.
Litteraturhinweise: Alph. de Candolle, Géogr. bot. rais. S. 1278.
— Hookers Vortrag über die Eigentümlichkeiten ozeanischer Insel-
floren zu Nottingham, British Association 1866; vergl. Griseb. Abh.
S. 336, und Kny in Zeitschr. für Erdk., Berlin 1867. — Peschel,
Die Tier- und Pflanzenwelt der Inseln in „Neue Probleme d. vergl.
Erdk.“ Abh. 4. — Wallace, Island Life, London 1880. — Grisebach,
Vegetation der Erde, Kap. XXIV. (2. Aufl. II. S. 472). — Hemsley,
Introduction to Reports on insular Floras (Challenger Reports,
Botany, London 1885). —
„Eine hohe Wichtigkeit kommt jenen entlegenen
Archipelen und Inseln des Ozeans zu, wo die Bahnen,
auf denen die Vermischung der Floren erfolgt ist, sich
leichter erkennen lassen, wo die endemischen Gewächse
selbst von denen aller Festländer oft bedeutend in ihrem
Bau abweichen und wo die ursprüngliche Anordnung der
Centren sich reiner als anderswo erhalten hat.“ Mit
diesen Worten bezeichnet Grisebach das für die Floren-
entwickelung in den Inselgebieten liegende Charakte-
ristische und Lehrreiche, lehrreich auch für die geogra-
phische Auffassung und Einteilung der Inseln überhaupt;
denn dieselben sind sowohl einer geologischen Charakte-
risierung fähig, wie es Peschel in seiner Abhandlung
über den „Ursprung der Inseln“ zeigte, als der aus
dem Pflanzen- und Tierreiche entnommenen und damit
im innigen Zusammenhang stehenden biologischen. Wenn
nach Hahns „Inselstudien“ das erstere in der Geographie
zum Leitgedanken erhoben ist, so sollte doch die Wich-
tigkeit des biologischen Momentes niemals ausser acht
gelassen werden.
Seit Darwins epochemachenden Untersuchungen und
Werken, in denen die Inselwelten als Beispiele scharfer
Fragestellungen und Antworten für die Entstehung der
[128]Abgeschlossene Entwickelung der Inseln.
Arten eine wichtige Rolle spielen, ist der Grundsatz
herrschend geworden, dass die endemischen Inselfloren
eine Transformation der kontinentalen Hauptstämme aus
den zugehörigen Florenreichen mit Einschluss fremder Ein-
wanderungen seien. Was Grisebach dagegen anzuführen
unternahm (Abh. S. 337), ist mehr geeignet, die Schwie-
rigkeiten einer einheitlichen Erklärung zu erläutern und
vor gewissen einseitigen Uebertreibungen zu warnen, als
dass es ein wirklich neues Moment hinzugefügt hätte.
Das Hauptmoment aber, was durch vergleichende Unter-
suchungen erfahrener Floristen allmählich klarer zum
Bewusstsein gekommen ist, liegt darin, dass die Flora
der Inseln nicht etwa nur als Transmutation der jetzt
lebenden Kontinentalfloren erfasst werden darf, sondern
dass auf vielen Inseln unzweifelhaft eine Weiterentwicke-
lung alter, vielleicht den Charakter irgend einer älteren
tertiären Periode repräsentierender Stammfloren statt-
gefunden hat, welche sich hier im Schutze der Abge-
schiedenheit fern von dem Einfluss kontinentaler Um-
wälzungserscheinungen sicher erhalten konnten. Durch
diesen Charakter zeichnen sich auch die Inselfloren vor
den oft mit ihnen in Bezug auf reiche Entfaltung des
Endemismus verglichenen Hochgebirgsfloren aus, deren
Vertreter viel weniger selten einen direkt verwandtschaft-
lichen Anschluss an Formen der kontinentalen Tiefländer
zeigen.
Durch diese Hinzufügung wird die theoretische Lösung
für das reiche Bild der gesammelten und einander oft
scheinbar widersinnigen Beobachtungen zwar ermöglicht,
die Erklärung einer einzelnen Inselflora in ihrem gegen-
wärtigen Zustande aber erschwert. Denn wir sehen die
Einwanderungsfähigkeit vieler kontinentaler Arten durch
besondere weitwirkende Verbreitungsmittel (s. oben S. 121)
vor unseren Augen; dieselbe Einwanderungsfähigkeit an-
derer, älterer Arten muss in den vergangenen Erdperioden
ebenfalls bestanden haben und hat dann einen ganz
anderen Grundstock geliefert; es können aber damals die
Einwanderungswege durch veränderte Windrichtung,
Meeresströme, Gestalt und Ausdehnung der Kontinente
[129]Die Atlantis.
selbst im Vergleich mit der uns allein gut bekannten
Gegenwart andere gewesen sein, und es können die jetzigen
Inseln mehr oder weniger vollständig in Land- oder Insel-
reihenverbindung gestanden haben und dadurch dem
breiten Einwanderungswege einer ganz bestimmten Flora
eröffnet gewesen sein.
Für die Canaren, Madeira und Azoren, die an endemischen
Formen reiche makaronesische Inselgruppe mit vorwiegend medi-
terran-westeuropäischem Florencharakter, war wohl die Idee zuerst
aufgestellt und durch sichere Hinweise, den Vergleich ihrer jetzigen
Flora mit der westeuropäischen Tertiärflora, gestützt, dass diese
Endemismen von tertiärem Charakter seien. Die damals in Europa
verbreiteten Persea-, Phoebe- und Laurus-Arten, Arbutus etc., sind
seit jener Periode transformiert und repräsentativ zerstreut. Lau-
rus und Arbutus canariensis repräsentieren die jetzt mediterranen
Laurus nobilis und Arbutus Unedo, A. Andrachne; Persea und Phoebe
sind nur noch in Makaronesien; die Sapotacee Sideroxylon auf
Madeira ist wenigstens familiär mit Argania Sideroxylon in Ma-
rokko verwandt, beide bilden sonst aber die einzigen Formen
dieser Gruppe im atlantischen Florengebiet der Jetztwelt; der einzige
endemische Baum von Madeira, Clethra arborea, gehört zu einer
unstreitig alttertiären, den Ericaceen nahestehenden Lebeform, deren
Repräsentanten jetzt in Europa fehlen, in Amerika von Virginien
bis Brasilien häufig sind. Hier haben wir einige Thatsachen, auf
welche hin die Hypothese der „Atlantis“ als eines atlantischen,
Westeuropa und Amerika auf Wanderungswegen verbindenden und
jetzt versunkenen Festlandes von Unger 1850 ausgesprochen und
von Heer 1855 scharfsinnig unterstützt wurde. In diesem ozeani-
schen, von keiner Glacialzeit gestörten Klima hätten sich die Ab-
kömmlinge der tertiären Mischflora viel reiner erhalten können,
doch ist es selbstverständlich, dass ihre Artcharaktere im Kreise
der gemeinsamen Gattungen, oft auch die letzteren selbst, reprä-
sentativ geworden sind; der europäische Gesamtcharakter dagegen
erklärte sich durch die geographische Lage und durch die viel
länger bestehende Verbindung dieser Inseln mit Europa (vergl.
„Oswald Heer, Lebensbild“ von Schröter, Zürich 1888, S. 313).
Diese Idee der Atlantis ist in Rücksicht auf ein ganz anderes Floren-
gebiet unhaltbar, mindestens unnötig, gemacht: Miquel hatte die
grosse Verwandtschaft zwischen der Flora Japans und des öst-
lichen Nordamerikas hervorgehoben, Asa Gray diese Thatsache in
vorzüglicher Weise zur Grundlage pflanzengeographischer Betrach-
tungen gemacht, und die damals gemachte Ableitung gilt auch
heute, dass nämlich die Gemeinsamkeit nicht aus Wanderungen
von Japan nach Carolina oder umgekehrt herrührt, sondern aus
der altgeologischen Gemeinsamkeit der vom Norden her in beide
völlig getrennte Ländergebiete einwandernden Besiedelungselemente,
welche hier wie dort repräsentativ umgebildet sind. In diesem
Drude, Pflanzengeographie. 9
[130]Bedingungen der Inselfloren.
Sinne ist auch der Florencharakter des makaronesischen Inselge-
bietes zu erklären: es ist schon zur Tertiärzeit auf Wegen, deren
Wirkung wir noch heute sehen, von Elementen besiedelt, welche
seit jener Zeit in Europa geschwunden, zerstreut oder transformiert
sind; die Inseln boten für diese ein günstiges Erhaltungs- und
Weiterentwickelungsgebiet, von „ursprünglichem Schöpfungsgebiet“
kann dabei keine Rede sein, wenigstens in keinem höheren Grade
als von jeder Stelle, wo Transformismus einer älteren Stammform
einen eigenen Endemismus hervorrief.
Fassen wir nach diesem, die verschiedenen Probleme
und Hypothesen erläuternden Beispiel die Charaktere der
Inselfloren nach einzelnen zur Beurteilung dienenden
Hauptpunkten zusammen.
1. Die Flora jeder Insel ist abhängig von der
Zeit, seit welcher sie entweder durch Auftauchen aus dem
Meere, oder durch Untersinken der sie mit dem Festlande
in Verbindung haltenden Landstriche, entstand. Diese
Art des Entstehens ist schon von Grund aus bedeutungs-
voll, da im ersteren Fall eine jeder Besiedelung offene
Vegetationsöde geschaffen ist, im letzteren Fall dagegen
ein der selbständigeren Weiterentwickelung überlassenes
und vegetationsbedecktes Festlandsstück von anfänglich
bestimmtem Florencharakter. Die Flora ist ferner ab-
hängig von den auch im Inselcharakter in bestimmte
Bahnen gelenkten Besiedelungen, denen sie durch Nähe
einer Kontinentalflora und durch von dort kommende oder
dieser Richtung entgegenwirkende Verbreitungswege aus-
gesetzt ist. Sie ist endlich abhängig von den bleibenden
oder periodisch veränderlichen Existenzbedingungen, welche
aus der ursprünglich schon vorhandenen oder durch Be-
siedelung dort ansässig gewordenen Vegetation eine be-
günstigte Auswahl treffen, dieselbe zu stärkerer Ent-
wickelung gegenüber anderen unterdrückten Formen
bringen, alte Repräsentanten deswegen leichter erhalten,
weil durch die geographische Isolierung die Gefahren
rasch wechselnder kontinentaler Invasionen bedeutend
herabgesetzt sind, und weil in der Regel das insulare
Klima zu grösserer Gleichmässigkeit hinneigt als das der
Festländer. Dadurch wird der Einfluss klimatisch wech-
selnder Perioden auch für aussertropische Inselgebiete
bedeutend herabgesetzt.
[131]Insulare Endemismen.
2. Abhängig von der Zeit ihrer Entstehung und
den für die Anfangsflora maßgebenden Ursachen ist der
jetzt sich zeigende und im Prozentsatz der Gesamtflora
sich ausdrückende endemische Charakter der Insel-
flora, welcher durch die später erfolgenden Besiedelungen
eine jüngere, häufig fremdartige Verstärkung erfährt,
sofern die äusseren Umstände der Insel zu einem Trans-
formismus der neuen Ansiedler drängen. Das letztere
wird besonders durch die biologischen Eigentümlichkeiten
der schon vorhandenen Organisation unter Mitwirkung
des insularen Klimas erzielt; Zeit im geologischen Sinne
ist dazu um so mehr erforderlich gewesen, je grösser die
morphologische Differenz zwischen den verwandten Insel-
und Festlandssippen ist. Daher ist der Besitz eigener
endemischer Gattungen von viel höherer Bedeutung als
der von eigenen Arten; am niedersten stehen Inseln mit
wenig von Festlandsarten abweichenden Formen (Unter-
arten und Varietäten) in der Entwickelung ihrer ende-
mischen Charaktere.
3. Es lassen sich daher die ozeanischen Inseln nach
dem Werte ihres endemischen Charakters in absteigende
Reihen zusammenstellen, deren Beurteilung nur dadurch
einer erheblichen Schwankung unterworfen ist, dass dem
Werte von Gattungsendemismen häufig eine grössere Zahl
von Artendemismen gegenübersteht. Es folgt hier eine
Tabelle der wichtigeren Inseln, in welcher die Mehrzahl
der angegebenen Gattungs- und Artenzahlen Hemsleys
schöner Arbeit entlehnt ist; einige Zahlen sind nach
neueren Floren verbessert, bei einigen ist eine erklärende
Bemerkung hinzugefügt. Die Tabelle schliesst alle jene
Inselgruppen aus, welche sich ihrem ganzen floristischen
Verhalten nach wie eigene Festlandsflorenreiche oder wie
dicht nebeneinander liegende Teile eines solchen Fest-
landsflorenreichs verhalten, also Madagaskar, die Philip-
pinen, Sundainseln und die einzelnen polynesischen Insel-
gruppen (in welchen letzteren ein einheitlicher Floren-
reichscharakter mit verschiedener Ausprägung und starker
endemischer Isolierung der einzelnen Teile enthalten ist),
die Antillen, die Küsteninseln Kaliforniens, die mediter-
[132]Statistik der
ranen Inseln, Grossbritannien etc. In Bezug auf Neu-
seeland kann man zweifelhaft sein, ob man dieses grosse
Gebiet als selbständig oder insular in Bezug auf die
Florenreichsgliederung hinstellen soll; es ist das letztere
hier geschehen und Neuseeland mit seinem sehr stark
endemischen Element vorangestellt; es folgen dann aber
Inseln mit noch stärkerer endemischer Ausprägung.
[133]Inselfloren.
4. Trotz der grossen Zahl auf den ozeanischen
Inselfloren zerstreuter endemischer Sippen gibt es doch
kaum etwas auf ihnen, was morphologisch und verwandt-
schaftlich ausser Zusammenhang mit den Festlandsfloren
stände. Besonders gibt es keine eigentliche Pflanzen-
familie, die nur auf den endemischen Gattungssippen
irgend einer ozeanischen Inselgruppe beruhte. Allein
Lactoris fernandeziana von Juan Fernandez ist als ein
bis jetzt ziemlich isoliert dastehender Repräsentant aus
dem Verwandtschaftskreise der Magnoliaceen zu nennen,
der wenigstens eine besondere Tribus — angeschlossen
an die andine Gattung Drimys — zu bilden hat. Sonst
ist das nicht der Fall, und selbst die, ozeanische intra-
[134]Verwandtschaft der Inselfloren.
tropische Inseln mannigfach auszeichnenden Compositen-
bäume (Hesperomannia von den Sandwichinseln, die ein-
zige von den pacifischen Inseln bekannte Gattung der
Tribus Mutisiaceae!) stehen durchaus nicht vereinzelt da,
obwohl sie nicht an vielen Stellen der Erde ihr Analogon
finden. Die strauchigen Caryophylleen Schiedea und
Alsinidendron von den Sandwichinseln gehören ebenfalls
zu sehr merkwürdigen Bildungen, lassen sich aber den-
noch unter die kontinentalen Verwandtschaften einreihen.
Ebenso die mächtigste Eigentümlichkeit der Seychellen,
die Palme Lodoicea Sechellarum, deren Blütenkolben- und
Fruchtbildung sonst unerreicht dasteht, aber trotz mancher
Besonderheiten doch unschwer an die afrikanisch-indische
Festlandsgattung Borassus sich anschliessen lässt.
Die grössten Besonderheiten müssen natürlich solchen
Inseln zugeschrieben werden, in deren Flora eine grössere
Zahl von Gattungen sich verwandtschaftlich nicht direkt
an ein bestimmtes Festlandsgebiet anschliessen lässt; da
steht die ursprüngliche, jetzt leider verdrängte Flora von
St. Helena unzweifelhaft obenan, und in der Vielseitigkeit
ihrer Beziehungen folgen alsdann die Sandwichinseln,
dann Neuseeland. Die Galapagosinseln, berühmt durch
ihre gesondert-endemische Entwickelung, haben doch
ganz amerikanischen Florencharakter, wie sich das aus
ihrer geographischen Lage erwarten lässt.
Die abweichenden Sippen von höherem systematischen
Range sind solche, welche in sehr alter Zeit auf die be-
treffenden Inseln gelangt sind, als ihre Verwandten viel-
leicht auch in den Kontinentalgebieten häufig waren, und
sie sind dann also „lebende Petrefakten“. Oder aber es
sind solche Sippen, welche sich auf der Insel selbst in
langen Zeiträumen so fremdartig weiter entwickelt haben.
Zwischen beiden Möglichkeiten kann man meistens gar
nicht oder nur in sehr zweifelhafter Weise entscheiden,
und am häufigsten mag wohl beides Hand in Hand ge-
gangen sein.
Auch das lässt sich nicht zweifelsfrei entscheiden
und ist doch für die Beurteilung des insularen Floren-
charakters von Wichtigkeit, ob die nicht endemischen
[135]Wanderung von oder nach Inseln.
Bestandteile von den Kontinentalgebieten abstammen oder
gerade dorthin wieder zurückgewandert sind. Eins der
gewöhnlichsten Heidegesträuche auf den Azoren ist der
Queiro, Daboecia polifolia, neben Erica azorica, Vacci-
nium cylindraceum und longiflorum (alle endemisch) und
Calluna vulgaris, der gewöhnlichen mitteleuropäischen
Heide, die Bergzüge in Fayal, Pico, Flores bedeckend
und bis zum Gipfel hinaufgehend. Auf dem europäischen
Festlande ist diese Art selten, nämlich in Portugal und
Nordspanien, im Bereich der Pyrenäen und auch noch
in Irland (Connemara). Sie gilt stets als „eingewandert“
von Europa. Es mag so sein, und es wird dann ver-
mutlich auch schon in alter Zeit geschehen sein, als die
Daboecia noch weitere Verbreitung besass; zwingend ist
die Annahme jedenfalls nicht, wenn eine Inselgruppe
eine Reihe anderer endemischer Ericaceen besitzt, und
es bleibt nach dem Gesagten nichts übrig, als die faktische
Gemeinsamkeit der Verbreitung, eine Thatsache ohne
innere Begründung wie sie zu stande kam, hinzustellen.
Der Möglichkeiten sind zu viele, und das Schicksal der
Arten in ihrer Verbreitung ist gewiss oft wechselvoll
gewesen. Sind doch die Areale auf den Inseln selbst
auch zuweilen sehr klein, „so dass die einen kleinen
Strauch bildende Glockenblume der Azoren, Campanula
Vidalii, nur auf einem einzigen meerumspülten Felsen
unweit der Ostküste von Flores gefunden ward“ (Grise-
bach, V. d. E.). Die andere Glockenblume, Campanula
Erinus, bewohnt dagegen den ganzen Archipel.
5. Es gibt nun noch einige andere Punkte von
minderer Allgemeinheit und Bedeutung, welche mit dem
endemischen Charakter und der insularen Isolierung zu-
sammenhängen. Zunächst ist von Interesse, dass die
Proportionen von Ordnungen, Gattungen und Arten des
Pflanzenreichs sich in den Inselfloren abweichend von
den Kontinenten verhalten, indem in ersteren im allge-
meinen mehr Ordnungen und mehr Gattungen auf eine
bestimmte Artenzahl entfallen. In Deutschland, Oester-
reich und der Schweiz finden sich in runden Zahlen
120 Ordnungen (die stärkeren Unterordnungen als selb-
[136]Verhältniszahlen der Inseln.
ständig mitgezählt), 800 Gattungen und 3500 Arten von
Blütenpflanzen, welche also die Verhältniszahlen von
1 : 6,6 : 29,2 bilden; auf jede Ordnung entfallen durch-
schnittlich mehr als 29, auf jede Gattung durchschnitt-
lich 4 bis 5 Arten. Diese Verhältniszahlen ändern sich
auf den ozeanischen Inseln derartig, dass nur 3 oder 2
oder noch weniger als 2 Arten auf eine Gattung entfallen,
wofür die mitgeteilte Tabelle genug Belege gibt; und
die Ordnungsziffern nähern sich zumal bei kleinen Inseln
mit absolut niedrigen Artenzahlen sehr stark den Gat-
tungsziffern, d. h. die Mehrzahl der wenigen dort lebenden
Gattungen gehört je einer besonderen Familie an. Viele
Ausnahmen durchbrechen bei genauerer Betrachtung der
Verhältnisse die allgemeine Regel auf den grösseren
Inseln; so zählen auf den Sandwichinseln die endemischen
Gattungen Schiedea 17, Pelea 20, Phyllostegia 16, Steno-
gyne 17, Labordia 9, Rollandia 6, Delissea 7, Cyanea 28,
Kadna 16 und Raillardia 12 Arten, so dass überhaupt
allein 250 Arten der 575 endemischen Blütenpflanzen auf
die 40 endemischen Gattungen entfallen, mit dem Ver-
hältnis von Gattung zu Art = 1 : 6,2. Diese endemischen
Sippen haben also zu einer reichen Fortentwickelung
Gelegenheit gefunden und verteilen sich oft repräsentativ
auf den verschiedenen Inseln der Gruppe.
Hiervon hängt natürlich auch das Verhältnis der
Artenzahl zur Gesamtfläche der Inseln ab. Im allgemeinen
ist dasselbe niedriger, als bei gleich grossen, unter gleicher
Breite gelegenen und ebenso mannigfaltig im Gelände
gegliederten Festlandsstücken, und A. de Candolle, der
dies genauer untersucht hat, hebt hervor, dass die rela-
tive Artenarmut besonders bei weit vom Festlande ent-
fernten Inseln eine auffällige sei. Auch das ergibt sich
aus der mitgeteilten Tabelle.
So ist es denn auch erklärlich, wenn subtropische
und temperierte ozeanische Inseln, welche durch ihre Lage
von Kontinentalunkräutern frei blieben, nach Berührung
mit der menschlichen Kultur und ihren Begleitern nun-
mehr von einer Invasion gemeiner Kontinentalarten ver-
heert werden, so dass die interessante altangesessene
[137]Vegetation der Inseln.
Inselflora zurückweicht und ausstirbt. Dies Schicksal hat
einen grossen Teil von St. Helenas Flora ereilt; wie stark
die Besiedelung in Neuseelands eigener Flora jetzt schon
geworden ist, geht aus den 387 zur Zeit im Auckland-
distrikt beobachteten Fremdlingen hervor.
Ueberall auf den ozeanischen Inseln sind die ein-
jährigen Gewächse selten, und um so leichter wandern die
einjährigen Unkräuter ein. Holzige Gewächse, Gebüsche
und Gesträuche mit einzelnen Baumarten walten auf den
subtropischen und intratropischen Inseln, sogar noch auf
den australen vor, während die arktischen und antarkti-
schen Inseln durch Staudenreichtum glänzen. Diese
letzteren nehmen teil an der wanderungsfähigen Glacial-
flora, welche sich nicht auf kleine Areale zu beschränken
und daher nur in Sippen jüngeren Alters, vom Unterart-
range, einzelne Inseln (Grönland!) auszuzeichnen pflegt.
Die Bergstöcke der wärmer klimatisierten, besonders der
intratropischen Inseln haben keine eigentlich alpine Flora
im Sinne unserer Kontinentalfloren ausgebildet und die
Höhengrenzen einzelner vorherrschender Arten scheinen
weniger eng bestimmt zu sein; meistens gehen besondere
biologische Anpassungsformen aus den niederen Höhen
auf die grösseren hinauf, bilden dort mit sehr ähnlichem
Artbestande Krummholzformen an Stelle von Bäumen etc.
Und überall in grösserer Höhe dieser Inseln ist die Welt
der Farne, deren Gattungsrepräsentanten nicht zu Ende-
mismen neigen, aber als Arten doch zahlreich genug den
einzelnen Inseln eigentümlich sind, prächtig entwickelt
und geradezu charaktergebend.
6. Treub hat an der durch die bekannte Vulkan-
verheerung vegetationslos gewordenen Insel Krakatoa
höchst interessante Beobachtungen über die ersten Be-
siedelungen neuer Flora gemacht und dabei für die mit
Geröll bedeckten, trockenen und im Sonnenbrande glühend
heissen Berggehänge die vorwaltende Farnansiedelung fest-
gestellt. Sie bedürfen eines Vorgängers, damit ihre Sporen
zur Keimung und Festhaftung ohne Humuserde gelangen
können, und dieser Vorgänger stellt sich in zarten, minu-
tiöse Teppichüberzüge auf dem Gestein bildenden grau-
[138]Erste Besiedelung der Inseln.
grünen Algenfäden ein. Es scheint demnach, dass die Farne
die zuerst von ihnen besetzten Stellen später nicht mehr
aufgeben, wie überall der „beatus possessor“ seine Fahne
entfalten kann, und dass sie aus diesem Grunde einen
bleibenden Reichtum der Inselfloren, unterstützt durch
deren klimatische Bedingungen, bilden. Die Besiedelung
des insularen Küstenstriches erfolgt dagegen zunächst
vom Meere aus; einige Samen schwemmen an, keimen,
entwickeln sich und bilden Humus, andere folgen nach,
sogar Epiphyten. Beerenfressende Vögel lassen sich auf
den Zweigen zuerst angesiedelter Küstenbäume nieder und
bringen weitere Keime mit. In Krakatoa ist der Anfang
auch dieser Küstenbesiedelung beobachtet, wie man ihn von
den Atolls abgeleitet hatte; interessanterweise ist die
Küstenvegetation fast ganz verschieden gewesen von der
auf dem Berggeröll angesiedelten: hier fast nur Farne,
dort nur küstenbewohnende Blütenpflanzen. Hemsley hat
(a. a. O., S. 42) die vorher gesammelten Erfahrungen
verarbeitet und Listen von Pflanzen zusammengestellt,
deren Verbreitung durch Meeresströme und Vögel wahr-
scheinlich ist. Bei den arktischen und antarktischen
Inseln spielt nun noch die Kraft des Erde und Geröll
übertragenden Eises mit, deren bekanntlich grosse Be-
deutung wir durch die Wirkungen der Eiszeit vor Augen
haben.
Flora hoher Gebirgsketten. Nächst den Inseln
sind hohe, gut gegliederte und durch reichere Entfaltung
verschiedenartiger Lebensbedingungen zu besonderen
Standorten geeignete Gebirgsketten und Gebirgsländer
durch ihren Reichtum an endemischen Formen ausge-
zeichnet. Dies geht soweit, dass man die Ansicht hat
aussprechen hören, die Floren der Erde seien überhaupt
in Gebirgsländern entstanden, die dort nicht mehr ende-
mischen Arten seien frühzeitig ausgewandert und hätten
in mannigfacher Umgestaltung die Floren der anstossen-
den Ebenen zusammengesetzt. Dies ist aber Uebertreibung;
denn es besitzt beispielsweise eines der an endemischen
Formen reichsten Florengebiete der Erde, nämlich Südwest-
[139]Flora der Gebirge.
australien, kein Hochgebirge und nicht einmal besondere
Mannigfaltigkeit der Standorte. Ausgeschlossen vom Besitz
endemischer Sippen vom Range guter Arten sind die
nordischen Gebirge; weder Island noch die norwegischen
Alpen, wie es scheint auch Kamtschatkas hohes Bergland
nicht, haben endemische Arten. Wohl aber zeichnen
sich die Hochländer aller anderen Gebiete durch solche
aus, obwohl bei dem mangelhaften Zustande aller flori-
stischen Erkenntnis in manchen Gebieten ein genügender
Beweis dafür noch nicht erbracht werden kann. Für
Neuguinea, in dessen hohem Gebirgsland man eine aus-
gezeichnete Flora vermutete, ist der Beweis jüngst durch
Mac Gregor erbracht. Erfahrungsgemäss spricht eine ge-
wisse Wahrscheinlichkeit für endemischen Besitz, wenn
man den Begriff des einzelnen Gebirgslandes nicht zu eng,
den Raum zur Abschätzung der Endemismen also nicht
zu klein an Fläche wählt; und dann darf man also unter
Zugrundelegung eines bestimmten Maßes, etwa 1600 m
Höhe als Abscheidung des Gebirgslandes, sagen, dass alle
über dieser unteren Grenze entwickelten Gebirge zwischen
55° N. und 50° S. einen mehr oder minder grossen
Reichtum an endemischen Arten sich bewahrt haben.
Bekannt ist derselbe seit lange von den europäischen
Alpen, Pyrenäen, Sierra Nevada, den Gebirgen der Balkan-
halbinsel und den Karpaten, dem Kaukasus; ein ent-
sprechender Reichtum hat sich dann ausserhalb Europas
gefunden im Bereiche des west- und mittelasiatischen
Gebirgssystems, im Thianschan, Altai, Himalaya und den
Hochländern von Yünnan, in den nordamerikanischen
Felsengebirgen und ihren Anschlussketten in Mexiko,
Guatemala-Costarica, dann wieder auf den tropischen und
chilenischen Anden, welche sowohl einzelnen zusammen-
hängenden Gattungsarealen eine wohlumgrenzte Heimat
gegeben als zu vielfachen beschränkten Art-Endemismen
geführt haben; ebenso im Gebirgslande von Venezuela.
Von besonderem Interesse ist in den Anden, dass dieser als
gemeinsamer und langausgedehnter Wall emporstrebende Gebirgs-
zug nicht in seiner Totalität als Entwickelungsgebiet einheitlichen
Charakters aufzufassen ist, sondern in mehrere Gruppen sich sondert,
obwohl er anderseits wie kein zweiter Gebirgswall zum gegen-
[140]Endemismen der Gebirgsländer.
seitigen Austausch borealer und australer Sippen über den Aequa-
tor hinweg geeignet gewesen ist. Darüber sagt Engler (Entw. d.
H. Bd. II, S. 233) folgendes: „Bei weitem der grösste Teil der den
Anden eigentümlichen Gattungen ist von beschränkter Verbreitung,
entweder nur im Hochland von Kolumbien bis Peru oder nur in
Chile angetroffen; auch enthalten die meisten nur wenige Arten;
mit Rücksicht auf den Endemismus kann man daher die Region
der tropischen Anden von der Chiles wohl trennen; indessen ge-
hören doch die Gattungen der nördlichen Anden und des südlich
der Wüste Atacama gelegenen Chile denselben engeren Gruppen
an …“ Aus den dann von Engler mitgeteilten Verbreitungslisten
der hochandinen Flora geht hervor, dass dieselbe grösstenteils
endemisch ist und dass die Arten meistens auf engere Bezirke be-
schränkt sind.
Die Alpen von Neuseeland und Victoria haben dann
wieder ihre beschränkten Artareale, in dem indischen
Florenreich zwischen Neuguinea und Ceylon kommt der
insulare Charakter mit den Gebirgseinflüssen zur Erzeu-
gung beschränkter Arten zusammen; besonders reich aber
ist dann noch an Endemismen das abessinische Hochland.
Vom brasilianischen Berglande kennt man Endemismen
des Itatiaya, ja sogar Gattungen, welche die Bergregion
unter dem südlichen Wendekreise nicht verlassen. Im
sudanesischen Berglande sind die einzelnen berühmten
Gipfel, der Kilimandscharo besonders, zugleich Fundstätten
eigener Arten geworden; aber es lässt sich nicht erwarten,
dass hier ein starker Endemismus in kleineren Arealen
aufgefunden werden wird. Auch das südafrikanische
Hochland, mit 1400 bis 1600 m Höhe zum Oranje hin
abfallend, nimmt an dem so wohlbekannten, unvergleich-
lichen Artreichtum des südafrikanischen Florenreichs einen
besonderen Anteil, indem man z. B. die sonderbare Passi-
floraceengattung Guthriea nur in den höchsten Teilen der
Sneeuwberge gefunden hat, wo zugleich besondere Com-
positen auftreten, wenige endemische Eriken etc. Doch
ist hier der Artenreichtum (total noch nicht 1000) viel
geringer als im eigentlichen Kaplande, und diese Berge
dienen mehr als Sperren gegenüber der im äussersten
Südwestwinkel des Landes zusammengehäuften Fülle von
Arten, deren Gesamtzahl in der an Fläche sehr kleinen
Vegetationsregion nach Bolus 2000 beträgt.
[141]Gebirge bilden Wanderungswege.
Geht aus dem Gesagten der allgemeine endemische
Charakter von Gebirgsländern, nach Ausschluss der bo-
realen, hervor, so ist andererseits nicht zu vergessen,
dass die Gebirge, ganz im Gegensatz zu den Inseln, zu-
gleich Wanderungswege für ihre Entwickelungsformen
vom einen zum anderen darbieten und daher, je nach
ihrer Lage und Erstreckung, zur Verbreitung bestimmter
Florenelemente in ein denselben ursprünglich ganz frem-
des Gebiet gedient haben. Da dies auch in älteren geo-
logischen Perioden ebenso der Fall gewesen sein wird,
so muss man diesem Umstande bei der Beurteilung vieler
Fragen Rechnung tragen; dass beispielsweise neben der
allgemeinen Sonderung Amerikas in ein nördlich-sub-
tropisches, in ein tropisches und ein australes Entwicke-
lungsgebiet zugleich in allen dreien vielfältig gemeinsame
„amerikanische“ Züge sich vorfinden, mag in der Ent-
wickelung des westlichen Gebirgssystems vom Feuerlande
bis Alaska seine teilweise Erklärung finden, während in
jüngerer Zeit derselbe Gebirgszug vom Norden her das
arktisch-boreal-alpine Florenelement südwärts weit ver-
breiten und sich mit dem amerikanischen Typus ver-
mischen geholfen hat. Auf den mexikanisch-central-
amerikanischen Cordilleren begegnen Arten der die Rho-
dodendren in Columbien vertretenden „Andesrose“ Bejaria,
ferner Arten der in Patagonien, Chile, dann in den tro-
pischen Hochanden reich entwickelten beerentragenden
Ericacee Pernettya der wundervollen Eichenvegetation
vom boreal-subtropischen Typus, den letzten Vertretern
der nördlichen Tannen (Abies religiosa), und strauchige
Compositen kreuzen ihre Verbreitungsrichtungen mit denen
der im nordischen Florenreich entwickelten Staudengat-
tungen. Andererseits leben Saxifragen, Gentiana-, Draba-,
Valeriana-Arten von eigentümlichem Artcharakter, aber
doch borealer Repräsentation auf den Anden weit südlich
vom Aequator. — In Ostasien ist eine solche Gebirgs-
wanderungslinie trotz des Inselcharakters der Hauptstücke
in dem von Malakka bis Neucaledonien sich erstreckenden
Florenreich ebenfalls unschwer herauszufinden; hier be-
gegnen sich Eichen mit Araucarien, Casuarinen sind in
[142]Beispiele für Gebirgswanderung.
nordwestlicher Richtung vorgedrungen, und Rhododendron,
dessen Artreichtum aus Yünnan neuerdings bekannt wurde,
hat eine Art (Rhododendron Lochae) als Vorposten süd-
lichster Art auf den höchsten Berg des tropischen Austra-
liens, den Mt. Bellenden-Ker, in 1600 m Höhe neben
eine indische Vacciniacee: Agapetes Meiniana, verpflanzt;
zwei andere Arten, Rhododendron Arfakianum und Rho-
dodendron Celebicum, zeigen schon in ihrem Namen die
Zwischenstationen des sprungweisen Wanderungsweges.
— Auch im tropischen A rika zeigen die Hochgebirge
diese Vermischungsrolle; in der östlichen Kette begegnet
unter dem Aequator die abessinische Flora der südafri-
kanischen. Mit ersterer ist ein Charakterstrauch der
Mittelmeerländer: Erica arborea, gegen die zahlreichen
Eriken vom Kaplande vorgeschoben, ja auch Juniperus
procera als einziger Repräsentant einer borealen Conifere
im Herzen von Afrika, wo sonst diese Ordnung nur die
australen Podocarpusarten aufweist; umgekehrt sind die
südafrikanischen Proteaceen nach Norden gegangen, und
die schöne Protea abyssinica bedeckt die Wände der Ra-
vinen am Kilima-Ndjaro zusammen mit tropisch-afrika-
nischen Lobelien. Die Kamerunberge besitzen oberhalb
1000 m nur etwa ein Viertel ihrer Arten aus Tropen-
gattungen entstammend, ein zweites Viertel ist unbestimmt,
fast die Hälfte gehört Gattungen gemäßigter Klimate
an; diese letzteren sind grösstenteils wiederum abessinisch
(zugleich auch weit in Europa verbreitet), andere ver-
binden die Kapflora mit den Tropen. —
In den nördlich vom 55.° N. gelegenen Gebirgen ist
in unserer gegenwärtigen Erdperiode nur die Gemeinsam-
keit der Verbreitung nordischer Glacial- und Alpenpflanzen
zum Ausdrucke gelangt, die Entwickelung endemischer
Charaktere hat seit den Wanderungen der Eiszeit noch
nicht wieder Platz greifen können.
Dieselben Glacialpflanzen sind dann auch gleichzeitig viel-
fältig auf denjenigen Hochgebirgen zu finden, welche neben ihnen
endemische Arten in reicher Menge besitzen, wie Alpen, Altai-
Himalaya, Rocky Mts.; daraus hat sich die Meinung herausgebildet,
als ob man beim Betreten höherer Gebirgsregionen immer dieselbe
„alpine Flora“ vorfände. Dem ist natürlich nicht so. Man sollte
[143]Subtropische Wüsten.
von „alpinen Floren“ dem Ursprung des Namens gemäss nur in-
soweit, als sich die boreal-arktischen Hochgebirgspflanzen reprä-
sentiert finden, reden, die Gleichartigkeit der äusseren Erscheinung
in der Vegetation (Mangel an Bäumen, Krummholz- und Stauden-
Entwickelung, Frostschutz-Einrichtungen im Ausdauern) aber als
Physiognomie der „Hochgebirgsfloren“ bezeichnen. Für Süd-
amerika ist es z. B. üblich geworden, die Bezeichnung „hochandin“
anzuwenden, und mit Recht; denn die Zahl der Arten vom syste-
matischen Typus unserer europäischen Alpen ist dort sehr gering-
fügig gegenüber dem endemischen andinen Element. Man vergisst
zu leicht bei der Bezeichnung tropischer und australer Hochge-
birgsfloren als „alpiner“, dass ausser einzelnen sehr weit verbrei-
teten Gattungen von vermutlich borealem Ursprung in jenen die
besonderen Gattungen ihrer Florenreiche und die Verbreitungs-
formen des antarktischen Florenelements enthalten sind, und man
sollte daher eine entsprechendere Ausdrucksweise anwenden.
Flora subtropischer Wüstengebiete. Wo von dem
endemischen Charakter einzelner Landstriche, von Ver-
mittelung oder Beschränkung der Wanderungen die Rede
ist, darf die eigentliche Rolle der subtropischen Wüsten-
steppen und der Wüsten im ausgesprochenen Sinne nicht
ausser acht gelassen werden. Werden als solche die-
jenigen Gebiete, welche zwischen 40° N. und 40° S.
gelegen sich durch eine Regenhöhe unter 25 cm auszeich-
nen, zusammengefasst, so treffen wir dieselben an im
westlichen Nordamerika, in Afrika von der Sahara durch
Arabien bis gegen Indien, und dann als innerasiatische
Fortsetzung von Turkestan bis zur Gobi; dann in der
südlichen Hemisphäre vom westlichen Peru durch die
Atacama bis zum Osthange der Anden in Argentinien,
in Westafrika um den südlichen Wendekreis, und im
Innern von Australien. Dass diese Wüstengebiete sich
den sie umgebenden Floren gegenüber wie trennende
Meere verhalten, dass also die Wanderungen von Wald-
pflanzen nicht durch sie hindurch, sondern nur über
sie hinweg oder neben ihnen vorbei stattfinden können,
ist schon oben besprochen. Aber eine besondere Eigen-
schaft liegt auch in der Abgeschlossenheit jeder einzelnen
Flora im Vergleich mit den anderen Wüstenfloren; hier
kehren nicht die Gemeinsamkeiten ähnlicher Klimalage
analog den Hochgebirgsfloren mit ihrer häufig sprung-
[144]Endemischer Charakter der Wüsten.
weisen Verbreitung wieder. Jedes der soeben aufgezählten
Wüstengebiete hat der Hauptsache nach seine eigene
Flora, und nur zwischen den nordafrikanischen und inner-
asiatischen Wüstensteppen hat, der geographischen Lage
und dem unmittelbaren Aneinanderschluss entsprechend,
ein engerer Austausch stattgefunden, so dass manche dem
Ursprunge nach unzweifelhaft turkestanische Sippen auch
noch in der Sahara und in der Gobi wiederkehren.
Es lassen sich also alle die genannten Gebiete durch
gewisse, ihnen allein zukommende Hauptarten kennzeich-
nen, und diese sind als Arten nur dann nicht in kleinerem
Gebiete endemisch, wenn wie im Fall der nordafrikanisch-
arabischen und innerasiatischen Wüsten eine Ausbreitungs-
fähigkeit vom einen zum anderen Entwickelungsgebiet
innerhalb eines grossen Ländercomplexes sich von selbst
bot. Eine sehr grosse, überwiegende Anzahl von Arten
aber gehört zu Gattungen, welche in den entfernt liegen-
den Wüstengebieten durchaus fehlen und auch als Gat-
tungen eine viel engere Verbreitung besitzen; und ausser-
dem werden diese Charaktergattungen von merkwürdig
verschiedenen Familien geliefert: Cucurbitaceen, Liliaceen,
Polygoneen, Compositen bunt durcheinander, aber in
jedem Wüstengebiet besondere Formen. Nur eine Haupt-
ordnung des Gewächsreichs ist als eine typische Wüsten-
und besonders Salzsteppenfamilie allen gemeinsam zu
nennen: die Salsolaceen (Chenopodiaceen), von denen
hingegen die Gattungen nach den verschiedenen Wüsten-
gebieten gegliedert und beschränkt verbreitet sind. Ausser-
dem sind von den Leguminosen-Mimoseen die xerophilen
Gattungen Acacia und Prosopis in den subtropischen
Wüsten gemeinsam, aber nach Artcharakter verschieden
verbreitet; gewisse andere Gemeinsamkeiten zeigen sich
z. B. im Auftreten der Traganthsträucher (Astragalus),
der Artemisien im Bereich der borealen Steppen, wie z. B.
Artemisia judaica im Orient und Artemisia tridentata in
Montana-Colorado unter dem Namen Sage-brush allge-
mein berüchtigt, so dass Salzstrauch-, Dornstrauch- und
Wermutsteppen in fast allen Wüstengebieten wieder-
kehren.
[145]Charakter der Wüstenfloren.
Einige Charakterarten der genannten hauptsächlichen Wüsten-
und Steppengebiete, so wie dieselben in der im physikalischen
Atlas verwendeten Regionscharakterisierung herausgehoben sind,
mögen auf ihre Ordnungszugehörigkeit und das Verbreitungsareal
ihrer Gattungen verglichen werden.
I. Nevada-Utah-Colorado-Arizona. Cereus giganteus,
Echinocactus-Arten, alle zu den Cacteen als typisch-amerikanischer
Ordnung gehörig, die Arten von denen der südamerikanischen
Wüsten ganz verschieden, die Hauptzahl beschränkter Arten hier
entwickelt. Larrea mexicana, eine Zygophyllee, von der 4 Arten
auf das wärmere Amerika beschränkt sind. Yucca Draconis, Li-
liacee, 20 Arten von Centralamerika bis Mexiko und südwestlicher
Union; Dasylirion: ebenfalls Liliaceen-Gattung mit 50 von Mexiko
bis Texas einheimischen Arten. Fouquieria splendens, eigene Tri-
bus der Tamariscineen mit nur 3 Arten im wärmeren Nordamerika
endemisch. Algarobia glandulosa, eine amerikanische Untergattung
von Prosopis (Leguminosae). Astragalus, boreale Gattung, die
amerikanischen Arten alle endemisch.
II. Kleinasien-Persien-Turkestan. Folgende Salsolaceen
sind zunächst zu nennen: Haloxylon Ammodendron; von 9 Arten
dieser Gattung sind 7 in Centralasien, 2 im Mittelmeergebiet (und
Orient) verbreitet. Borsczowia aralo-caspica, einzige Art der ende-
mischen Gattung. Camforosma, 7 Arten von Spanien und Nord-
west-Afrika bis Persien und Turkestan verbreitet. Die nächsten
Charakterarten liefern die Polygonaceen: Calligonum Caput me-
dusae; 22 Arten dieser Gattung verbreitet von Innerasien-West-
asien-Sahara; dazu eine besondere Sektion Pterococcus. Atraphaxis
spinosa; 17 Arten dieser Gattung halten sich in dem Areal von
Calligonum. Alhagi „Kameeldorn“; 6 nahe verwandte Arten in
Centralasien, dem Orient und bis Griechenland verbreitet. Astra-
galus (vergl. unter I.): zahlreiche endemische Arten; ebenso Acan-
tholimon.
III. Mongolei. Agriophyllum gobicum, Salsolacee, die Art
endemisch, die 4 anderen Arten der Gattung im westkaspischen
Gebiet, Afghanistan, Turkestan. Pugionium cornutum; endemische
Cruciferen-Gattung mit 2 Arten. Rheum, Rhabarber; 20 Arten
dieser Polygoneen-Gattung verbreitet in Ost- und Centralasien bis
zum Himalaya. Hedysarum fruticosum; Gattung der Leguminosen
von weiter Verbreitung in den borealen Gebieten, aber die strauchi-
gen Arten nur im innerasiatischen Steppengebiet, H. multijugum,
laeve, Arbuscula und scoparium, letzteres vom Saissan-nor und
dem südlichen Thian-schan durch die Mongolei bis zum Fuss des
Ala-schan verbreitet. Potaninia mongolica, einzige Art einer en-
demischen Rosaceen-Gattung vom Habitus einer strauchigen Po-
tentilla.
IV. Sahara-Arabien. Calligonum und andere mit dem
turkestanischen Orient gemeinsame Gattungen siehe unter II.
Retama, eine von Südspanien durch Nordafrika verbreitete ende-
Drude, Pflanzengeographie. 10
[146]Charakter der Wüstenflora.
mische Untergattung von Genista, welche Leguminosen-Gattung
selbst artenreich das Mittelmeerbecken und mittlere Europa be-
herrscht. Traganum nudatum, endemisch in der östlichen Sahara
und Arabien, die zweite Art dieser Salsolaceen-Gattung in dem
makaronesischen Inselgebiet. Citrullus Colocynthis, Cucurbitaceae,
3 Arten in Afrika und Indien einheimisch. Acacia-Arten, dem
tropisch-afrikanischen Element angehörig, von den südafrikanischen
Arten getrennt.
V. Damara-Namaqua-Betschuanenland. Welwitschia
mirabilis, einzige Art dieser endemischen Gnetaceen-Gattung. Acan-
thosicyos horrida, Cucurbitacee, wie vorige endemisch. Aloë dicho-
toma, Liliaceen-Gattung von etwa 85 Arten mit hauptsächlicher
Verbreitung in Südafrika, ausserdem sporadisch bis zu den Cana-
ren und dem Mittelmeerbecken. Portulacaria afra, einzige Art
einer in Südafrika endemischen Portulaceen-Gaftung. Schotia
speciosa, Gattung der Leguminosen mit 5 süd- und tropisch-afri-
kanischen Arten. Acacia detinens, horrida und andere Arten:
siehe unter Sahara.
VI. Inneres West- und Süd-Australien. Rhagodia,
Salsolaceen-Gattung von 11 Arten, in Australien endemisch; Atri-
plex nummularia, endemische Art einer weit in allen Steppenge-
bieten verbreiteten Gattung der Salsolaceen. Gräser von endemi-
schem Artcharakter, aber weiter Verbreitung der Gattung: Triodia,
Spinifex, Anthistiria. Mühlenbeckia, Gattung der Polygonaceen
mit 15 Arten in Australien, Neuseeland und Südamerika. Ere-
mophila, endemische Gattung Australiens mit 40 Arten der Ord-
nung Myoporaceen, von denen fast alle Arten auf Australien be-
schränkt sind. Acacia aneura u. a. A.; australische Sektionen
dieser weit verbreiteten Gattung. Eucalyptus incrassata, Lepto-
spermum-A., Myrtaceen von in Australien fast allein vorkommenden,
artenreichen Gattungen.
Es bestätigt diese Liste, dass die Charakterarten der
Wüstenfloren auf Sondergebiete beschränkt sind und mei-
stens zu Gattungen von wenig weitem Areal gehören;
ausser Acacia kehrt fast niemals derselbe Gattungsname
in den verschiedenen Wüstenfloren dieser Liste wieder.
Die sogenannten „xerophilen“ Vegetationen sind daher
ihren systematischen Typen nach überhaupt abgeschlosse-
ner als die montan-alpinen Vegetationen. Ihrem eigenen
Ursprunge nach schliessen sie sich stets am nächsten an
die Flora der sie umgebenden niederschlagsreicheren Ge-
biete an, aus welcher sie aber eine strenge Auswahl
treffen, gewisse Typen ausschliessen, andere zu reicher
Entfaltung mit neuen endemischen Arten bringen. So
z. B. die Scrub-bildenden Myrtaceen und Acacien in
[147]Zusammenfassung.
Australien, woselbst eben diese Myrtaceengattungen und
die betreffende Section der Gattung Acacia so ungemein
vielgestaltig entwickelt ist, die Aloë in Südafrika, die
Retemsträucher in der Sahara, die Traganthsträucher in
Turkestan, Persien, Armenien, die Wermutstauden in
Südosteuropa, dem Orient und in Montana, wo Astragalus
und Artemisia ihr Verbreitungscentrum haben. Hier ge-
winnt man durchaus den Eindruck, dass aus dem schon
sonst vorhandenen Formenreichtum dieser Gattungen ge-
wisse xerophile Arten in einseitiger Anpassung an das
Wüstenklima sich herausentwickelt und die Wüstensteppen
bevölkert haben. Schwieriger ist zu entscheiden, wie und
wo die artenarmen Wüstengattungen (solche wie Wel-
witschia, Acanthosicyos, Pugionium, Fouquieria, Agrio-
phyllum) ihren Ursprung genommen haben; ihre Ver-
breitung kann ebensowohl in das Innere der Wüstensteppe
hinein- als aus ihr herausgegangen sein.
Abgesonderte und gemeinsame Entwickelung.
Ueberblicken wir nun alles bisher Gesagte zur Zusammen-
fassung in wenige Sätze, so finden wir die Floren der
Erde sich bevölkern und in Mischung sich zusammen-
setzen aus einem Widerstreit des Ausbreitungs- und
Wanderungsvermögens der Pflanzenarten gegeneinander,
abgestuft nach sehr verschiedenen Graden, gegenüber den
Schranken, welche geographische, orographische und kli-
matologische Grenzbildungen diesem Ausbreitungsvermögen
entgegenstellen. Dazu kommt der überall erkennbare,
aber nach Periode und Ort sehr verschieden abgestufte
Transformismus, welcher die ursprünglich gleichartigen
Sippen in repräsentative umwandelt und Endemismen auf
kleinem Areal neu erzeugt. Wo die Wanderungswege
geebnet sind und der Ausbreitung geringere klimatische
Differenzen gegenüberstehen, überwiegt die gemeinsame
Florenentwickelung in weiten Ländergebieten, und so
zeigt es sich am deutlichsten im Bereich der arktischen
Flora und in den sich südlich daran anschliessenden,
grösstenteils nadelholz-bewachsenen Strecken von Nord-
europa, Sibirien, Kanada. Ueberall sonst hat seit dem
[148]Sonderung der Areale.
Beginn der Quartärzeit die abgesonderte Florenentwicke-
lung geherrscht, sehr stark und deutlich z. B. an den
Südspitzen der drei grossen Kontinentalmassen Afrika,
Asien (Australien) und Amerika. Wie die Sonderungen
sich vollzogen haben, ist leicht einzusehen; zunächst
spaltet die klimatische Scheide der Tropenzone alle Länder
und Inseln in boreale, tropische und australe Gebiete;
die borealen und australen können einander vielfältig
entsprechen, da gleichartige Klimate sich in ihnen finden,
aber getrennt durch die Tropen hat hüben und drüben
eine fremdartige Entwickelung Platz greifen müssen.
Dann haben die kontinentalen Grenzen durch Zwischen-
schaltung weiter Meeresräume vom Süden beginnend und
nach Norden abgeschwächt verlaufend den Unterschied
und die Sonderentwickelung von Amerika gegenüber der
Alten Welt, und in dieser eine schwächere Sonderent-
wickelung von Afrika gegenüber Asien mit Australien
und Polynesien, bewirkt. Weitere Sonderungen ergeben
sich dann aus dem über die Wüstengebiete und Gebirgs-
länder Gesagten und vollenden die Zerschneidung des
Florenteppichs der Erde in Bilder von besonderem Muster.
Endlich kommen die Inseln mit ihren wiederum beson-
deren Florenbildern in ausgesprochenem oder undeutlichem
Anschluss an andere Kontinentalformen dazu. Die Meeres-
räume selbst haben ihre aus höchst verschiedenartigen
Tangen und wenigen Seegräsern gebildete, auf die Küsten
angewiesene und nicht wesentlich tiefer als 100 Faden
herabsteigende ozeanische Flora, allen Landfloren durch-
aus fremdartig, ganz allein für sich behalten; sie gliedern
sich sehr viel schwächer, als die unzusammenhängenden
Festländer und zerstreuten Eilande, nach warmen und
kalten Meeresküsten mit Berücksichtigung der Verbindung
oder Trennung durch geeignete Meeresströme bez. durch
weite vegetationslose und gewissermaßen „wüste“ Meeres-
flächen.
Hauptentwickelungsländer und ihre Scheidelinien.
Es ergibt sich daraus ein Zerfall der Gesamtflora der
Erde in eine Reihe natürlicher Einzelfloren, welche an
[149]Land- und Seefloren.
ihren Grenzen Uebergänge zeigen und welche unter sich
mehr oder weniger verwandt sind. „Verwandt“ nennen
wir dieselben in um so höherem Grade, je mehr gleich-
artige Pflanzensippen höheren Systemgrades in ihnen
enthalten sind. Es findet sich ein Zerfall nach ganzen
Klassen des Pflanzenreichs nur zwischen Land- und ozea-
nischen Floren, indem die letzteren eine grosse Fülle von
Algenfamilien für sich besitzen, welche den Landfloren
ganz abgehen, dagegen gar keine Moose, Farne, und von
Blütenpflanzen nur die paar Seegrasgattungen. Die Land-
floren gliedern sich nach dem Vorkommen bestimmter,
zu den Monokotylen, Dikotylen, Gymnospermen, Pteri-
dophyten, Moosen, Süsswasseralgen, Flechten und Pilzen
gehörenden Ordnungen, und innerhalb der gleichartigen
Ordnungen nach dem Auftreten bestimmter Gattungen.
In der Verschiedenheit der Arten liegen dann schwächere
Unterschiede, noch schwächere im Auftreten besonderer
Spielarten und in der Anordnung gemeinsamer Arten zu
Beständen von verschiedener Häufigkeit. „Florenreiche“
nenne ich die durch die Hauptmasse eigener Gattun-
gen in bestimmten vorherrschenden Ordnungen
ausgezeichneten Areale, „Florengebiete“ deren nach
Arten und dem Vorherrschen verschiedener Gattungen
geschiedene Unterabteilungen. Um deren Anordnung
prinzipiell zu verstehen, ist es viel wichtiger, sich erst
mit den Hauptscheidelinien der Sippen des Pflan-
zenreichs, und hier wiederum bezüglich der Landfloren
mit denen der Blütenpflanzen, vertraut zu machen, als
sogleich die Florenreiche wie in starre Grenzen gegossene
Einheiten namhaft zu machen. Denn die Grenzen der-
selben sind ungleichwertig.
Dies sucht die beigefügte Karte zu veranschaulichen,
welche die Scheidelinien durch Dicke des Striches und
Reihenfolge der Buchstaben in eine bestimmte Rang-
ordnung zu bringen strebt, wobei dann auch durch
Schlängelung die allmähliche Mischung mehrerer „Floren-
elemente“ angedeutet ist. So mischen sich in der Sahara
das nordafrikanische (atlantisch-mediterrane) Florenelement
mit dem tropisch-sudanesischen; dass dabei die Wüste
[150]Hauptscheidelinien der Flora.
einen einheitlichen physiognomischen Charakter durch
Ausbildung von nur xerophilen Vegetationsformen trägt,
ist insofern gleichgültig, als hier nur der Gesichtspunkt
bestimmter Systemzugehörigkeit obwaltet.
Der Reihe nach sind diese Scheidelinien folgende:
Eine um den nördlichen Wendekreis in mannigfachen
Auszackungen hin- und herlaufende Linie A scheidet in
Amerika und der Alten Welt die borealen Floren von
der Tropenflora. Eine zweite sehr starke Doppelscheide-
linie B scheidet durch den Atlantischen und Stillen Ozean
Amerika von der altweltlichen Florenentwickelung ab;
zu letzterer gehören viel mehr Inselreiche als zu Amerika.
Die Scheidelinie verliert beim Ueberschreiten des nörd-
lichen Wendekreises sehr viel an Intensität, und hört
nach Ueberschreitung des 40.° bis 50.° Breitenkreises
auf, als Scheide ersten und zweiten Ranges zu wirken,
hat endlich bei 60° nicht einmal mehr für Gebietstren-
nung irgend eine Bedeutung; auch nach der Südspitze
des Kontinents hin büsst sie an Kraft ein, so dass also
nur die tropischen und subtropischen Floren Amerikas
ihre starke Eigentümlichkeit zeigen. Eine dritte Linie C
zeigt alsdann die Abgeschlossenheit Australiens an, aber
als Linie ersten Grades nur an der West- und Südküste.
Eine vierte Linie D trennt Südafrika von den übrigen
australen Gebieten und minder stark gegen das tropische
Afrika ab. Eine fünfte Linie E, schwächer als vorige,
so dass man mit ihr die Linien zweiten Grades beginnen
kann, scheidet ebenso die subtropische und westliche
Flora Südamerikas von der brasilianischen Tropenflora.
Aehnlich verhält sich die sechste Line F in Australien,
welche die Nordostküste dieses Kontinents den indisch-
polynesischen Monsunlandschaften anfügt, an der nord-
westlichen Küste des Landes aber sich mit der hier zur
Trennungslinie zweiten Grades herabsinkenden Scheide C
vereinigt, um allmählich schwächer werdend die Bali-
Lombok- und Makassarstrasse zur Scheide zwischen Me-
lanesien und den Sundainseln zu machen.
Nun folgen Scheidelinien dritten Grades, zunächst
in den borealen Floren. Nördlich vom Himalaya schaltet
[][]
[]
[][151]Scheidelinien dritten Grades.
sich Centralasien mit zwei Linien G1 und G2 als Trenn-
gebiet zwischen die ostasiatische und die orientalische
Subtropenflora ein. Während hierdurch und durch die
Ozeane vier grössere Entwickelungsgebiete der borealen
Subtropen geschaffen sind, hört deren Scheide nach Nor-
den an Wirksamkeit so auf, dass im Gegenteil der Gegen-
satz zwischen nördlicher und mittlerer Breite in demselben
Kontinent bedeutender wird als zwischen Ost und West
unter gleicher Breite. Es ist also beispielsweise der
Gegensatz in den Floren des mexikanischen Hochplateaus
und des nordamerikanischen Seengebietes oder noch mehr
Labradors grösser, als zwischen dem letzteren und Finn-
land oder Kamtschatka. So verläuft die Scheidelinie H,
am stärksten in Europa ausgeprägt (H1), weniger in
Ostasien (H2), am schwächsten in den amerikanischen
Prärien (H3) in westöstlicher Richtung um den 40. und
45.° N. laufend. Eine ähnliche Scheideline J trennt das
antarktische Südamerika von der australen Subtropenflora
und findet Verbindung nach Neuseeland, Tasmanien und
einigen südlichen Inselgruppen. Zwei Scheidelinien K
und L vollenden die Absonderungen in den Tropenfloren
der Alten Welt: die erstere drückt die Absonderung der
malagassischen Inselgruppe gegenüber Afrika und Indien
aus, die zweite scheidet Indien vom Sudan.
Bis soweit drücken die Scheidelinien nach meiner
eigenen Ueberzeugung Absonderungen bis zum Range der
Florenreiche aus; schwächere Scheidelinien, welche hier
nicht weiter verfolgt zu werden brauchen, sondern nun
stärker und schwächer charakterisierte Florengebiete von-
einander ab; der Zug der Anden in Südamerika und der
Rocky Mountains in den Vereinigten Staaten, dann die
Wüstentrennung im Innern Westaustraliens mag aber als
Hinweis auf die in der Reihe folgenden stärksten Ge-
bietsabsonderungen in einzelnen Florenreichen gelten.
Um auch die Scheidelinien floristisch in ihren all-
meinsten Zügen zu kennzeichnen, so dient die Linie A
zur Scheidung der tropischen Palmen, Musaceen, Zingi-
beraceen, Dioscoreaceen, der Pandanaceen im Bereich der
Alten Welt, der Hauptmasse von Gesneraceen, Bignonia-
[152]Charakteristische Ordnungen.
ceen, Loganiaceen, Sapotaceen und Diospyraceen, der
Melastomaceen und Rhizophoraceen, Combretaceen, Be-
goniaceen, Malpighiaceen, Meliaceen, Burseraceen, Clusia-
ceen, Bixaceen, Myristicaceen, Moraceen (Artocarpus!
Ficus!) und Piperaceen von den borealen Floren, welche
ihrerseits durch den Hauptbesitz von Primulaceen und
Plumbagineen, Pyrolaceen, Umbelliferen, Rosaceen und
Amygdalaceen (ausschliesslich der tropischen Chrysoba-
laneen), Eläagnaceen, Caryophylleen, Cistaceen, Tama-
riscineen, Berberidineen, Ranunculaceen, Salicineen, Jug-
landeen, Betulaceen, Cupuliferen (ausschliesslich der
tropisch-indischen Quercusarten und der australen Fagus),
endlich der Gattungen Pinus, Abies, Picea, Larix, Cedrus
und Juniperus unter den Coniferen sich auszeichnen.
Die amerikanischen Scheidelinien B beschränken die
Bromeliaceen, Rapateaceen, Cyclanthaceen, eine Haupt-
masse von Polemoniaceen und Hydrophyllaceen, Lennoa,
Papaya, die Cactaceen, Limnantheen, Tropaeolum, Marc-
gravia, Sarracenia, Leitneria und andere Vertreter vom
Range kleiner dikotyledoner Familien auf diesen Kon-
tinent.
Um nur noch der Bedeutung der Scheidelinie C in
Südwestaustralien zu gedenken, welche durch die viel
schwächere Scheidelinie F auch gegen Indien sich fort-
setzt, so sind auch hier noch (wie schliesslich im süd-
westlichen Afrika) einige Ordnungen durch diese Schranken
festgehalten, nämlich die Hämodoraceen, Stylidiaceen,
Goodeniaceen, die meisten Myoporaceen, Epacridineen,
die Stackhousiaceen, Tremandraceen, Casuarinen und
einige andere; dass die schwächere Schranke F vielfältig
überschritten wird, liegt in ihrer geringfügigen Wirkung.
Ausserdem aber teilen zahlreiche Tribus grösserer Ord-
nungen und besondere reich entwickelte Charaktergattun-
gen die Verbreitungsschranke C bis F; unter ihnen sind
besonders hervorzuheben die Kingien, Xanthorrhöen,
Xerotideen, die strauchigen Labiaten aus der Westringien-
gruppe, die Tribus Chamälaucieen der Myrtaceen mit
Eucalyptus!, Leptospermum!, alle Gattungen der Pro-
teaceen, eine besondere Section der mit circa 300 ende-
[153]Charakteristische Ordnungen.
mischen Arten auftretenden Gattung Acacia, die Dille-
niaceen und die Boronieen von der Ordnung der Ru-
taceen.
Aehnliches lässt sich noch vom südwestlichen Afrika
berichten; dann aber verliert sich die Charakterisierung
der Scheidelinien zweiten Ranges in eine immer grösser
werdende Masse von Einzelheiten, deren jede nicht von
so hoher Bedeutung ist, als die vorher genannten eigenen
Ordnungen oder Unterordnungen des Pflanzenreichs sie
besitzen. Die Gattungen treten nunmehr an Stelle der
Ordnungen und Tribus in Betrachtung. Schon das Ge-
sagte über die Bedeutung der Scheiden A, B und C zeigt
das Ermüdende in langer Aufzählung, welche gleichwohl
die Grundlage des Thatsachenmaterials für die „geogra-
phische Botanik“ ist; hier genügt es, an der Hand
einiger Angaben von besonderer Bedeutung hervorgehoben
zu haben, dass die Areale der Ordnungen, Unterordnungen
und Gattungen des Pflanzenreichs nicht regellos zerstreut,
sondern zu bestimmten Gruppen vereinigt und in gewisse
starke Grenzen eingeschlossen sind, über welche hinaus
nur eine geringere Zahl sogenannter „ubiquitärer“ Gat-
tungen von der unbeschränkten Ausbreitungsfähigkeit
einzelner Typen Zeugnis ablegen.
Ein Hauptergebnis dieser Betrachtung ist dann weiter,
dass die Tropenländer beider Halbkugeln sich als pflanzen-
geographische Scheidungsareale zwischen die nördlich
wie südlich folgenden subtropischen wie temperierten und
kalten Länder einschalten; und zwar wird ihre nördliche
Grenze von einer zusammenhängenden, bez. gleichartigen
Scheidelinie (A—A) ersten Ranges gebildet, ihre südliche
von jeweilig getrennten Scheidelinien in den einzelnen
Kontinenten: D, E, F. Indem nun die südlichen Gebiete,
zwar voneinander viel mehr geschieden als die nördlich-
subtropischen in Amerika und in der Alten Welt, doch
immerhin eine vielfältig analoge Flora besitzen, bilden
die Floren in Rücksicht ihres systematischen Charakters
drei Hauptgruppen: die Gruppe der borealen, der
tropischen und der australen Florenreiche; unter
diesen ist die boreale Gruppe schärfer von der tropischen
[154]Abgrenzung der Florenreiche.
und australen geschieden, als letztere beide Gruppen
unter sich.
Abgrenzung der Florenreiche und ihrer Gebiete.
Die mitgeteilten Absonderungslinien der Systemgruppen
des Pflanzenreiches in der Flora der Erde stehen fest,
höchstens kann man über ihren geographischen Verlauf
und über ihre Rangordnung bis zu gewissem Grade ver-
schiedener Meinung sein. An diese Linien knüpft sich
die floristische Einteilung der Länder. Wir nennen die
Entwickelungsgebiete ersten Ranges [d. h. diejenigen
Länder, in deren Umkreis ein bestimmter Charakter von
Pflanzenordnungen und Gattungen zur hauptsächlichen
und vielfältigen Ausbildung gelangt ist, während jenseits
ihres Umkreises ein fremdartiger Charakter anhebt],
Florenreiche, deren engere Teile von geringerer Ver-
schiedenheit Florengebiete.
Bei einer genaueren Kartographie und der Auswahl
der Zahl der primären Teile müssen allerdings die Mei-
nungen über das Maß der Verschiedenheit und über die
günstigste Auswahl der Grenzen stark zum Ausdruck
kommen, und so darf es nicht wunder nehmen, dass die
Florenreichskarten in den Darstellungen verschiedener
Autoren ein erheblich verschiedenes Aussehen zeigen.
Dies habe ich weitläufiger an früherer Stelle (Florenreiche
d. Erde, S. 3—7) besprochen und das von mir selbst ange-
nommene Maß unter Zusammenfassung von drei primären
Gruppen von Florenreichen (1. boreal, 2. tropisch, 3. au-
stral) angegeben. Danach kennzeichnen sich die Floren-
reiche durch das Vorwiegen einzelner ausgezeichneter
Ordnungen und durch den Alleinbesitz bez. hauptsäch-
lichen Besitz einzelner Unterordnungen und Tribus, be-
sonders aber durch eine überwiegende Menge reich in
ihnen allein entwickelter Gattungen (bez. Gattungssek-
tionen von weiter verbreiteten Gattungen); ferner sind in
den verwandten Florenreichen die gemeinsamen Gattungen
in besonderen Repräsentativarten entwickelt, so dass die
Zahl gemeinsamer Arten im Prozentsatz sehr bedeutend
geringer zu sein pflegt, als die Zahl gemeinsamer Gat-
[155]Statistische Grundlage.
tungen. Eine Ausnahme hiervon machen selbstverständ-
lich die in dem breiten Uebergangsgebiete zweier anein-
ander stossender Florenreiche lebenden Arten, welche am
besten von der Betrachtung zunächst ausgeschaltet bleiben,
und die ubiquitären Arten der menschlichen Kultur mit
zweifelhafter Heimat. Die Florengebiete innerhalb eines
natürlichen Florenreichs haben sodann alle Merkmale um
eine systematische Rangstufe geringwertiger und kenn-
zeichnen sich daher besonders durch eine überwiegende
Menge weit in ihnen allein verbreiteter und die Forma-
tionen hauptsächlich zusammensetzender Arten. — Wie-
wohl diese Einteilungsmethode sich aus der geologischen
Entwickelungsweise der Flora der Länder und Meere
herausschält und mit der Geschichte der Flora im innigsten
Zusammenhang steht, ist sie doch auf den gegenwärtigen
Zustand der Areale begründet und also eine statistische.
Diese statistische Methode zeigt ihren ersten deut-
lichen Ausdruck schon in der von Shouw vorgenommenen
und in der ersten Auflage von Berghaus’ physikalischem
Atlas zur Darstellung gewählten pflanzengeographischen
Einteilung der Länder „in pflanzengeographische Reiche,
d. h. in solche Teile der Erde, welche wesentliche Vege-
tationsunterschiede darbieten“, wenngleich sie sich un-
günstigerweise hier vornehmlich in Prozentzahlen weit
verbreiteter Ordnungen anstatt in abgeschlossenen Arealen
hervorragender Ordnungen, Tribus und Gattungen äusserte
(vergl. Dr., Fl. d. E., S. 12—13). Sie erhielt einen
ganz anderen Ausdruck durch Grisebach, der mit der
Abschätzung der Endemismen die Frage nach der kli-
matischen Grundlage verband und dadurch dem von
A. de Candolle eingeführten Verfahren (siehe oben S. 111)
nahe trat.
Die andere Methode der Ableitung hat Engler (Entw.
d. Fl.) in der ausgesprochenen Berücksichtigung von
florengeschichtlicher Entwickelung auf paläontologischer
Grundlage bethätigt und dadurch die klimatischen Be-
gründungen auf ein richtiges Maß beschränkt.
Dieselbe verfolgt die statistische Methode in der
Aufeinanderfolge der Perioden, zumal in den Areal-
[156]Geologische Grundlage.
veränderungen während und seit dem Tertiär bis zur
Gegenwart, und erklärt die Gegenwart geschichtlich. Sie
liefert den wissenschaftlichen Schlüssel, gerade wie das
Bild der jetzigen politischen Karte von Europa für
wissenschaftliche Geschichtsforschung zurückzuführen ist
auf die untergegangenen Reiche mächtiger Völker, der
Vorfahren der jetzigen Europäer. Die Entwickelungs-
geschichte der Floren läuft doch schliesslich immer auf
ihren jetzigen Zustand hinaus, und die verschiedenen
Ansichten, welche man über die Herausbildung heutiger
Floren hegt und hegen kann (vergl. Schenks Handb. d.
Botanik Bd. III T. 2, S. 190—203), haben noch niemals
einen wesentlichen Einfluss auf die Darstellung der Floren-
reiche in gegenwärtigen Grenzen gehabt. Es ist ja leider
das paläontologische Material der untergegangenen Floren
zu dürftig, um für sich allein klare Aufschlüsse zu geben,
während es im Verein mit der lebenden Flora eine Haupt-
säule für die Betrachtung der wechselnden Klima- und
Lebeverhältnisse auf dem Erdball liefert.
Engler hat vier grosse „Florenreiche“ aus solchen
Florenelementen gebildet, welche schon im Tertiär ihre
Wirksamkeit zu erkennen geben; sein arkto-tertiäres
Element entspricht im wesentlichen den nördlich der
Florenscheide A—A (Karte S. 150) zur Entfaltung ge-
kommenen Sippen, sein paläotropisches Element und sein
neotropisches Element zusammengenommen den daselbst
umgrenzten Tropenfloren südlich der Linie A—A, mit
starker Abscheidung Amerikas durch die Linien B und B.
Als altozeanisches Element bezeichnet dann Engler das
Entwickelungsgemisch südlich der Linien D, E, F, welches
aber nach Kontinenten in kleinere Einheiten zerfällt,
wenn schon das tropische Element nach östlicher und
westlicher Hemisphäre geschieden war.
Man beachte die Fortsetzung der Scheidelinie B zumal an
der pacifisch amerikanischen Küste in ungeschwächter Bedeutung
bis zu 40° S., die ihr an Rang nicht nachstehende Scheidelinie C
in Australien, D in Südafrika. Vergl. ferner Dr. Fl. d. E., S. 33
über diesen Gegenstand.
Die Grundlage der Florenreiche, wie sie die hier
gegebene Hauptkarte im Anschluss an Köppens Wärme-
[157]Geographische Anordnung der Florenreiche.
zonen zeigt, trennt zunächst die ozeanische Tang- und
Seegrasflora der Küsten von den gänzlich verschiedenen
Land- und Inselfloren auf festem Grunde und in süssen
Gewässern, und sondert die letzteren gemäß dem Ver-
lauf der oben kartographirten Scheidelinien in 14 Floren-
reiche. Dieselben sind im Ergänzungsheft a. a. O. 1884,
dann in Berghaus’ physikalischem Atlas mit genaueren
Grenzen und mit Angabe der verbindenden Uebergänge
kartographiert, in der Karte dieses „Handbuches“ aber
mit Absicht ohne genaue Grenzangaben eingetragen, welche
man sich besser einesteils nach den geschlängelten Linien
der Karte auf S. 150 ergänzt und durch breite Ueber-
gangsstreifen ausgefüllt denkt, anderenteils aber in der
Unterlage der klimatischen Faktoren, von Wärme und
Niederschlägen, gegeben betrachtet.
Eine Aenderung ist gegen früher darin eingetreten, dass
Neuseeland als eigenes Florenreich aufgehoben wurde, dafür aber
Neuguinea und die ostaustralischen Küsten- und Inselgebiete vom
indischen Florenreich abgetrennt und mit Neuseeland zu einem
eigenen „melanesisch-neuseeländischen Florenreiche“ vereinigt
worden sind. Es scheint dies die zweckmäßigste Lösung der mehr-
fach diskutierten Mittelstellung Neuseelands und gleichzeitig der
Frage nach der floristischen Absonderung westlich und östlich der
Bali-Lombok und Makassarstrasse zu sein; näheres im speziellen
Teile. Neuseelands Gebirgs- und Südteil fällt dabei an das ant-
arktische Florenreich, wie auch früher geschehen.
Ordnen wir die Florenreiche geographisch, d. h. unter
gleichzeitiger Berücksichtigung der floristischen und der
rein geographischen, auch in der Flora höchst bemerkens-
werten Gliederungen, so erscheint die in Neumayers
„Anleitung“ getroffene Reihenfolge zweckmäßig:
- I. Gruppe der um den Nordpol gelagerten Länder;
1. Nordisches Florenreich. - II. Gruppe der an Westasien und Afrika angeschlos-
senen subtropischen und tropischen Floren: 2. Innerasien;
3. Mittelmeerländer und Orient; 4. Tropisches Afrika
und Südarabien; 5. Ostafrikanische Inseln; 6. Südafrika. - III. Gruppe der an Südostasien angeschlossenen sub-
tropischen und tropischen Floren (Ostasien, Indien und
Australasien): 7. Ostasien; 8. Indien und Sundainseln;
[158]Weitere Anordnungen.
9. Melanesisch-neuseeländisches Florenreich mit Inbegriff
der nordostaustralischen Tropenflora; 10. Australien nach
Ausschluss der vorigen. - IV. Gruppe der an Amerika angeschlossenen sub-
tropischen und tropischen Floren: 11. Mittleres Nord-
amerika; 12. Tropisches Amerika; 13. Andines Floren-
reich (subtropisches Südamerika). - V. Gruppe der südlich der Subtropen folgenden,
dem Südpol genäherten Länder und zerstreuten Inseln:
14. Antarktisches Florenreich (Patagonien, Maluinen,
Kerguelen, südliches Neuseeland etc.). - VI. Ozeanisches Florenreich, sämtliche von den
Meeresalgenfamilien besetzten Küsten und Flachmeere
umfassend.
Meiner eigenen Meinung nach ist es günstig für pflanzen-
geographische Methodik und durch die thatsächliche Arealsonde-
rung geboten, wenn nach der Zerfällung der Land- und Inselgebiete
in die ersten grossen Räume von durchgehend verschiedener flori-
stischer Zusammensetzung, wie sie im Charakter der borealen,
tropischen und australen Gruppe liegt, nunmehr die Einheiten auf
Floren begründet werden, deren Charakter auch wirklich ein
systematisch abgerundeter und gleichmäßiger ist; daher die engere
Umgrenzung des Florenreichsbegriffes und Aufstellung von 14 Reichen.
Dass man anders darüber denken kann, hat jüngst Hemsley in
der Einleitung zur Flora von Mexiko und Centralamerika gezeigt
(Biologia centrali-americana, Botany, Introduction 1888), in welcher
er die gegenwärtigen pflanzengeographischen Systeme einer Kritik
unterzieht und sich für die Aufstellung einer geringeren Zahl von
Hauptgruppen entscheidet. Seine eigene Einteilung in 5 Haupt-
bezirke (die nördliche, afrikanische, indische, südamerikanische und
australasische Hauptregion) erscheint vom Standpunkt der primären
Scheidelinien nicht harmonisch; die andere von ihm beigefügte
„welche mehr in Uebereinstimmung mit vieler Botaniker Schriften ist
und welche einige praktische Vorzüge über die zuerst vorge-
schlagene besitzt“, erscheint dagegen innerlich viel mehr begründet:
- I. Northern Region.
- II. Neotropical Region.
- III. Palaeotropical Region.
- IV. Andine Region.
- V. Cape Region.
- VI. Australasian Region.
In dieser letzteren sind die oben aufgeführten Florenreiche
wieder enthalten, nur in stärkerer Zusammenfassung; unter I. steckt
das von mir mit 1, 2, 3, 7 und 11 bezeichnete Florenreich, deren
schwächere Trennungen die Karte (S. 150) anzeigt; II. fällt mit
[159]Vergleich der Faunenreiche.
dem Florenreich 12, III. mit den Florenreichen 4, 5 und 8 zu-
sammen, IV. mit 13, V. mit 6, VI. endlich umfasst ziemlich Floren-
reich 9 und 10; die „fragmentarische“ antarktische Flora (Nr. 14)
hat auch Hemsley als Anhang, ebenso die Sandwich-Inseln, deren
die oben ausgeführte Florenreichseinteilung keine besondere Er-
wähnung thut. —
Gleichsam zur Illustration dafür, dass die Methode der Zu-
sammenfassung recht verschieden gehandhabt werden kann, setzt
an gleicher Stelle Hooker seine Ansichten über die primären
Floren der Erde auseinander, als welche er zunächst nur zwei:
die tropische und die temperierte Flora, ansieht. Dies ist vom
Standpunkt der Arealbetrachtung insofern ungenügend, als die
austral-temperierten Floren und die boreal-temperierten in Hinsicht
auf Verteilung der Gattungen und Ordnungen die schwerwiegend-
sten Verschiedenheiten zeigen. Hooker teilt dann zwei nördlich-
temperierte Floren, eine in der Alten und eine in der Neuen Welt,
ab, indem er dabei mit Recht den exklusiven Charakter von Nord-
amerika in subtropischen Breiten hervorhebt, dann zwei Tropen-
floren der Alten und der Neuen Welt, und endlich drei südlich-
temperierte Floren in Amerika, Afrika und Australien. In diesen
7 besser umgrenzten Floren nähert auch dieser hervorragende
Pflanzengeograph sich wieder der hier betonten Grundlage in
Anerkennung ähnlicher primärer Scheidelinien.
Wenn nun auch nach alledem längst noch nicht die Arbeiten
über diesen, gewissermaßen eine Quintessenz der geographischen
Botanik enthaltenden Gegenstand formell bis zu einem allseitig
befriedigenden Abschlusse gediehen sind, so ist dennoch mit einer
gewissen Genugthuung hervorzuheben, dass die Ansichten über die
primären Scheiden meistens übereinstimmen und dass der Ausbau
jeder eigenartigen Anschauung zu einer Reihe gleichartiger Ab-
teilungen der Erde führt. Eine Formfrage von geringerer Bedeu-
tung ist es ja, ob dieselben in mehrere verwandte Abteilungen
von schwächerem Charakter zerfällt werden, oder ungeteilt als
grössere Einheiten bestehen sollen.
Vergleich der Faunenreiche. Nach den oben
(S. 117) gemachten Bemerkungen ist noch einmal auf den
Vergleich der faunistischen Einteilung nach Wallaces
Werk zurückzukommen. Es ist einleuchtend, dass, bei
den ungeklärten Meinungen über die Ausführung der
Florenreichsgruppierung, in diesem Zustand der Wissen-
schaft ein befriedigender Vergleich mit den ebenfalls noch
in Gärung begriffenen Grenzbildungen der Hauptfaunen
noch nicht ausgeführt werden kann. Ein Vergleich der
Hauptscheidelinien, der vielleicht im zoogeographischen
Bande weiter ausgeführt werden möchte, kann aber an-
[160]Faunen- und Florenscheiden.
gedeutet werden. Es fallen da zwei Hauptpunkte auf:
während die Florenscheide C nur sehr stark im extra-
tropischen Australien zumal mit der Westküste zusammen-
fallend ausgeprägt ist, setzt sich die Faunenscheide an
gleicher Stelle mit fast ungeschwächtem Charakter durch
den Indischen Archipel (Bali-Lombok und Makassarstrasse)
fort und bezeugt einen höchst exklusiven Charakter der
gesamten australasischen Fauna gegenüber den indischen
und allen anderen Faunen; Neuseeland wird von dieser
Exklusivität mit betroffen, scheidet sich aber selbst fau-
nistisch vom australischen Kontinent noch mehr als in
seiner Flora. Als zweite Abweichung der Faunenscheiden
ist der Umstand zu betrachten, dass die kontinentalen
Eigentümlichkeiten der Alten und Neuen Welt über
höhere Breiten hinaus ausgeprägt sind, als die Floren-
scheiden. Da die um den nördlichen Wendekreis sich
herumziehende primäre Trennungslinie der borealen und
tropischen Faunen neben diesen kontinentalen Scheide-
linien von hauptsächlicher Bedeutung ist, so werden auch
nördlich vom Aequator dadurch sogleich zwei Hauptfaunen
bezeichnet, die paläarktische und die nearktische. In
Südamerika und in Afrika sind dagegen die den Floren-
scheiden D und E (Karte S. 150) entsprechenden Scheide-
linien schwächer, so dass Wallace primäre Reiche auf die
südlichen Anteile nicht hat begründen wollen. — Weitere
Ergründung verdient die Zusammenfassung eines eigenen
circumpolaren nordischen Faunenreichs, für welches ge-
wichtige Stimmen und einleuchtende Thatsachen der Ver-
breitung sprechen. Dies würde einen weiteren Anschluss
an die Florenreiche bedeuten; denn hier ist die gemein-
same circumpolare Verbreitung so evident, dass sogar
bei Hemsley und Hooker ihr besonders Rechnung formell
getragen wird.
Viel Stoff zu weiteren Arbeiten, welche sich auf
umfassende Kenntnis der Formen, ihrer Areale, ihrer
Verwandtschaft zu stützen haben, ist hier gegeben und
wird vielleicht auf dem Wege monographischer Behand-
lung einzelner grosser Sippen von Pflanzen und Tieren
mehr noch als bisher gesichtet werden können, indem die
[161]Formelle Fragen der Abgrenzung.
Gruppen höherer Verwandtschaft zur Prüfung der Scheide-
linien benutzt werden.
Doch ist andererseits klar, dass stets ein gewisser,
schon jetzt übersehbarer Rest von formellen Fragen übrig
bleiben wird, welcher Streitigkeiten über die richtigste
Anzahl und Grenzbildung der Florenreiche und -Gebiete
müssig macht. Es sind deswegen auch im speziellen
Teile dieses Handbuches (Abschnitt VI) die Florenreiche
nicht mehr, als zweckdienlich war, zur weiteren Grund-
lage verwendet, sondern einerseits mit den natürlichen
geographischen Einheiten möglichst ausgeglichen, anderer-
seits durch die Erfassung der natürlichen Vegetations-
formationen zum Zweck einer ergiebigen Regionsbildung
mit im Klima und Boden gegebenen reellen Vegetations-
linien so zerlegt, dass die fraglichen Uebergangsländer,
zumal auch die auf der Karte angezeigten Xerophyten-
floren als Uebergang von Tropen zu Subtropen, zu ihrem
selbständigen Rechte gelangen. Insofern behält die oft
als These hingestellte Meinung Recht, dass die pflanzen-
geographischen Einteilungen klimatische sein müssten, und
A. de Candolle hat eine der anregendsten Lösungen in
seinen physiologischen Gruppenbildungen gegeben, sofern
diese mit bestimmten äusseren Bedingungen die Ver-
erbung in bestimmten systematischen Gruppen verbinden.
Drude, Pflanzengeographie. 11
[[162]]
4. Die Bevölkerung der Florenreiche durch
hervorragende Gruppen des Pflanzensystems.
Zahlenverhältnisse der die Pflanzendecke der Erde bildenden
Ordnungen, Gattungen, Arten. Die Verteilung der Blütenpflanzen-
Ordnungen. Ausgewählte Beispiele für die Verbreitungsverhält-
nisse hervorragender Ordnungen: 1. Die Palmen. 2. Die Coniferen.
3. Die Cupuliferen. 4. Die Ericaceen. 5. Die Myrtaceen. 6. Die
Proteaceen; die tertiären Proteaceen in Europa. 7. Die Liliaceen.
— Schlussbetrachtung über die „geographische Botanik“.
‘Ne tamen obliviscare, quemadmodum Physiologia ani-
malium sine Anatome esse non potest, neque Geologia sine
Oryctognosia, eodem modo te Geographiam plantarum pe-
nitus inspicere non posse, nisi Botanicae innitens singularum
specierum notas, characteres, nomina accuratissime dignoscas.
A. v. Humboldt, Prolegomena 1815.’ ()
Sobald als von dem Florencharakter einer Gegend,
einer Insel, eines Florenreichs, von den Hauptentwicke-
lungsreichen der Erde im Zusammenhange die Rede ist,
kann es nicht ausbleiben, dass alle Ausführungen an-
knüpfen an bestimmt benannte Sippen des Pflanzenreichs,
sei es dass ihre Artenliste ausführlich aufgezählt wird,
sei es dass zur Schilderung der grössten Florenabteilungen
die hervorragenden Ordnungen zu nennen sind. Bilden
auch die Namen der Pflanzensippen nur ein Mittel zur
gegenseitigen Verständigung und haben sie nichts mit
der Natur gemein, so kann doch ihre stete Anwendung
zum Zweck dieser Verständigung nicht ausbleiben; sie
ist lästig, aber unabweislich, und jeder muss sich daran
gewöhnen. Doch ist die Anwendung der Namen selbst
[163]Die Gesamtflora der Erde.
etwas Hohles, wenn nicht die lebensvolle Erfassung
dessen, was darunter begriffen wird, dahinter steht; so
war es, ehe die Pflanzengeographie ihr eigenes Lehrge-
bäude schuf, so war es, als sie sich in die Reihe der
geographischen Disziplinen einreihte und von der Geo-
graphie als eine Brücke zur organischen Welt aufge-
nommen wurde, so wird es allezeit bleiben und zur Folge
haben müssen, dass trotz des landschaftlichen Momentes
der Vegetationsformationen und anderer wertvoller Be-
ziehungen der Pflanzengeographie zu dem gesamten geo-
graphischen Wissen dieselbe immer eine vornehmlich
botanische Wissenschaft bleibt.
Der hier folgende Abschnitt kann daher in einer
Sammlung geographischer Handbücher nur den Zweck
haben, anzudeuten, welche unter der Pflanzensystematik in-
begriffenen Gegenstände der Geograph hauptsächlich sich
zu eigen machen muss, wenn er irgendwie ein selbstän-
diges Urteil über die einschlägigen Fragen der Flora und
ihrer mit dem Lande wechselnden Charaktere sich er-
werben will.
Zahlenverhältnisse der die Pflanzendecke der
Erde bildenden Ordnungen, Gattungen, Arten. — In
runder Summe wird die Gesamtflora der Erde gewöhn-
lich auf 150000 Arten geschätzt, was nicht zu hoch er-
scheint unter Berücksichtigung der zahlreichen Nach-
träge, welche das Pflanzensystem aus den exotischen
Ländern zu erwarten hat. Für die Pflanzengeographie
spielen die Blütenpflanzen mit den Farnen die wichtigste
Rolle, werden allerdings an den ozeanischen Küsten fast
gänzlich durch die Seetange ersetzt. Es sollen die letzteren
hier zunächst ausgeschlossen und ihre Betrachtung zur
Vermeidung von Wiederholungen für das dem Pflanzen-
leben der Meere im speziellen Abschnitt gewidmete Kapitel
aufbewahrt bleiben.
Die Blütenpflanzen bringt das System in die
drei sehr ungleich grossen Entwickelungsreiche der Mono-
kotyledonen, Dikotyledonen und Gymnospermen, welche
letzteren nur die Coniferen, Gnetaceen und Cycadeen um-
[164]Zahlenverhältnisse der Blütenpflanzen.
fassen. Hemsley hat in einer nach dem System von
Bentham und Hooker angeordneten Zählung die jetzt
bekannten Blütenpflanzen in folgenden Zahlen abgeschätzt:
Die in Klammern hinzugefügten Ordnungszahlen be-
ziehen sich auf eine von mir im Jahre 1887 ausgeführte
Registrierung der Blütenpflanzen und zeigen die Ver-
schiedenartigkeit der Zählung, je nach Vorliebe für
grössere oder kleinere Gruppenbildung in bestimmten
Fällen des natürlichen Systems.
Von den Pflanzenordnungen haben diejenigen eine
hervorragende Bedeutung, welche sehr hohe Artenzahlen
umschliessen und dabei fast alle in der Mehrzahl der
Florenreiche enthalten sind.
Hemsley zählt 25 solcher Ordnungen mit mehr als 1000 Arten
(in sehr runden Summen) auf, welche zusammen schon über
60000 Arten umschliessen, also gegen ⅔ der Blütenpflanzenwelt.
Von seiner Liste (Introduction in Botany of Biologia centrali-
americana, 1888) habe ich die Ericaceen mit den Vacciniaceen etc.
vereinigt und demgemäß im Range erhöht, die Sapindaceen zu-
gefügt, andere Veränderungen aber nicht vorgenommen.
Es ist durch hinzugefügte Zeichen auf die Art der Verbrei-
tung dieser artenreichen Ordnungen hingewiesen, so kurz es durch
wenige Signaturen ausgedrückt werden kann. Die in allen Floren-
reichsgruppen und in nahezu allen Florenreichen vorkommenden
sind durch * ausgezeichnet; diejenigen, welche kältere Klimate
meiden und daher in das nordische Florenreich kaum oder nur
spärlich eintreten und im antarktischen zu fehlen pflegen, sind
durch cl. (plantae calidae) hervorgehoben. Sonst bedeuten die
Buchstaben b. boreal, t. tropisch, a. austral, am. amerikanisch.
Die letztere Bezeichnung findet sich nur bei den Cacteen; alle
übrigen sind sowohl alt- als neuweltlich, und oft in gleichen
Mengenverhältnissen hüben und drüben.
Nach den Blütenpflanzen spielen die Farne die her-
vorragendste Rolle in der Vegetation der Erde; in der
Bergflora zahlreicher tropisch-australer Inseln beherrschen
sie alles andere. Ihre Gesamtzahl beträgt bei kaum
100 starken Gattungen über 3000 Arten. Mit einigen
in der Vorzeit viel bedeutender entwickelt gewesenen
Gruppen höherer Sporenpflanzen, den Schachtelhalmen,
Bärlappen etc., fasst man die Farne als Abteilung der
Leitbündel-Kryptogamen oder Pteridophyten zu-
sammen.
Von bedeutender Wirkung für einzelne Formationen
feucht-kühler oder kalter Florengebiete sind dann die
Sumpf- und Laubmoose, weniger die Lebermoose.
Bei den ungeklärten Ansichten über die Abgrenzung der
Gattungen und Arten ist es kaum möglich, bestimmte
[166]Algen, Pilze und Flechten.
Zahlen verhältnisse dafür anzugeben; sehr hoch werden
dieselben aber bei nicht zu enger Abgrenzung der Sippen
nicht liegen, vielleicht 150 Gattungen und zwischen 2000
bis 3000 Arten.
Die Süsswasseralgen sind bei hohen Artenzahlen
dennoch bislang nicht zu pflanzengeographischen Cha-
rakterisierungen verwendet; in den bestbekannten euro-
päischen Floren hat man begonnen, ihre Sonderung nach
Höhenzonen und nach dem Substrat ausführlich zu be-
obachten. Bei der mikroskopischen Kleinheit ihrer Or-
ganisation bedürfen sie auch am ehesten eines besonderen
Studiums und fallen trotz ihrer Mannigfaltigkeit gegen
die begleitenden phanerogamen schwimmenden Bewohner
der Teiche und Bäche fort. Sie bilden aber gelegentlich
kleine Formationen für sich von bedeutenderer Wichtig-
keit, und wie alsdann faserige Torfmassen aus ihnen sich
bilden können, so setzen die Bacillariaceen (minder richtig
Diatomeen genannt) ihre, den zehnten bis hundertsten
Teil eines Millimeters messenden Kieselpanzer oft in so
bedeutenden Massen auf dem Grunde ab, dass sie eigene
Schlammbänke bilden und als recent-fossile Reste unter
dem Namen „Kieselguhr“ an manchen Orten, z. B. bei
Oberohe in der Lüneburger Heide, mächtige Lager haben
entstehen lassen.
Von allen Sporenpflanzen zählt das grosse Reich der
Pilze die mannigfaltigsten Ordnungen, Gattungen und
Arten. Aber als Parasiten auf andere Organismen, oder
als Saprophyten (Humusbewohner) auf die faulenden
Reste der Bäume und Rasendecke angewiesen, ist die
Rolle ihrer geographischen Verbreitung auch nur eine
sekundäre, liegt ihre Bedeutung auf einem anderen Ge-
biete. Nur eine grosse, selbständige und ganz verschieden-
artig biologisch ausgerüstete Abteilung von ihnen, die
Lichenen oder Flechten, welche im gesamten Aufbau
zum Entwickelungsreich der Pilze gehören, sonst aber
durch eine selbständige Ernährung mit Algenzellen weit
geschieden sind, sind durch letztere befähigt, gesellig mit
trockeneren Laubmoosen torfig-sandigen Boden oder gar
für sich allein hartes Felsgestein zu überziehen, und
[167]Die Verteilung der Ordnungen der Blütenpflanzen.
während sie nirgends ganz fehlen, bilden sie in den käl-
testen Zonen der Erde eigenartige Formationen, deren
Bedeutung mit dem Schwinden der Blütenpflanzen zunimmt.
Die Verteilung der Ordnungen der Blütenpflanzen.
Aus dem Vorhergehenden ergibt sich von selbst, dass
für die pflanzengeographische Beurteilung eines Landes
seine Blütenpflanzenflora von weitaus der grössesten Be-
deutung ist. Dieselbe erhöht sich aber noch beträchtlich
durch den Umstand, dass allein bei den Blütenpflanzen
eine schärfere geographische Sonderung der Ordnungen
im System stattgefunden hat, während in Hinsicht der
Sporenpflanzen nur weniger scharf einschneidende Fälle
zu nennen sind, in welchen systematische und geographi-
sche Absonderung zusammenfällt. Es ist daher von In-
teresse, die Zahlen der Ordnungen von Blütenpflanzen, welche
weit oder eng verbreitet sind, miteinander zu vergleichen.
An einer anderen Stelle (Schenks Handb. d. Bot.,
III. T. II. S. 459—481) habe ich dies in ausführlicher
Weise unter Zugrundelegung eines Systems von 240 Ord-
nungen gethan und beschränke mich hier auf Wiedergabe
der zusammenfassenden Tabelle:
[168]Die Verteilung der Ordnungen der Blütenpflanzen.
Zur Erläuterung sei bemerkt, dass die Dikotylen in 5 syste-
matische Hauptgruppen zusammengefasst sind, welche als Gamo-
petalae, Calyciflorae, Disciflorae (incl. Cyclospermae), Thalamiflorae
und Monochlamydeae bezeichnet werden; die Prozente, welche
dieselben zu den weit oder eng verbreiteten Ordnungen der Blüten-
pflanzen liefern, sind nicht ganz gleichwertig, da die Monochla-
mydeen den geringsten Anteil, die Discifloren etc. den grössesten
Anteil zu den allgemein in den Florenreichen vorkommenden
Ordnungen beitragen. Die Monokotylen und Gymnospermen sind
im Durchschnitt weniger weit und weniger allgemein verbreitet,
als die Dikotylen.
Wie man daraus ersieht, überwiegen unter den Blüten-
pflanzen diejenigen Ordnungen, welche nicht allgemein
in allen Florenreichen vorkommen. Die Zahl der enger
verbreiteten Ordnungen würde sich noch bedeutend er-
höhen, wenn man diejenigen herausheben wollte, welche
wie die Umbelliferen im Norden und Süden sehr formen-
reich, in den Tropen aber sehr armselig oder nur in
wenigen Florengebieten der Gebirge auftreten, oder die-
jenigen, welche wie die Lauraceen und Myrtaceen die
[169]Beispiele der Verbreitung von Ordnungen.
borealen Florenreiche nur in wenigen dem arktotertiären
Florenelement angehörigen Sippen auszeichnen, während
ihre hauptsächliche Entwickelung tropisch und, nach
Kontinenten gesondert, austral ist. Von Interesse ist
ausserdem, dass von den nicht allgemein verbreiteten die
tropischen Charakterordnungen die grösseste Anzahl bilden.
Während in der mitgeteilten Liste alle, auch die
kleinsten, Ordnungen mitgezählt sind, bedarf es für den
geographischen Ueberblick zunächst nur gewisser typi-
scher Schildträger, um den Charakter der Flora danach
zu kennzeichnen. Man findet sie in einigen leicht er-
kennbaren Gattungen (Ravenala, Bambusa, Pandanus z. B.),
und grossenteils in der obigen Aufzählung der wichtigeren,
die Flora der Erde zusammensetzenden Ordnungen von
Blütenpflanzen. An einzelnen längeren Verbreitungs-
schilderungen derjenigen unter ihnen, welche gleichzeitig
durch ihre den Landschaftscharakter beeinflussende Phy-
siognomie eine hervorragende Rolle einnehmen und sich
zugleich durch eine bedeutende Verbreitung auszeichnen,
sei ein Stück dieses unendlich reichen Materials auch hier
geboten, und ich wähle dazu die Ordnungen der Palmen,
der Coniferen, Cupuliferen, Ericaceen, Myrtaceen,
Proteaceen und Liliaceen als bedeutendste für geo-
graphische Zwecke oder wenigstens als hervorragende
Beispiele.
1. Die Palmen.
Martius, Ueber die geographischen Verhältnisse der Palmen
mit besonderer Berücksichtigung der Haupt-Florenreiche. [Gelehrte
Anzeigen der K. bayer. Akademie zu München, Bd. VI (1838),
VIII und IX (1839).] — Martius, Palmarum rationes geographicae.
[Martius, Historia naturalis Palmarum, Bd. I, S. 165 u. flgd. Ta-
bulae geogr. I—IV.] — Drude, Die geographische Verbreitung der
Palmen. [Peterm. Geogr. Mitteilungen 1878, S. 15 und 94 mit
Taf. 2.] — Berghaus’ Physik. Atlas, Blatt Nr. 45 (Pflanzenverbrei-
tung Nr. II).
Die Palmen werden mit Recht als die den Tropen
zugehörende Krone der monokotyledonen Schöpfung an-
gesehen, den Menschen überraschend durch die giganti-
schen Formen, die hier im Blatt, den Blütenkolben, den
[170]1. Die Palmen.
Fruchtrispen einer einzelnen Pflanze entwickelt sein
können. Solche Formen bedürfen auch zu ihrer Ent-
wickelung unausgesetzter Vegetationszeiten, wie sie nur
in feuchten Tropen vorhanden sein können: als Beispiel
ist hier die berühmte Lodoicea Sechellarum zu nennen,
die ihre 1½—2 Fuss im Durchmesser haltenden Nüsse
erst im Zeitraum von 10 Jahren reift (Swinburn-Ward).
Die Eigentümlichkeit der Palmen und verwandten Mono-
kotyledonen, erst dann einen Stamm zu bilden, wenn die
durch stetig aufeinander folgende Blätter sich vergrössernde
Grundfläche, aus der die Wurzeln unmittelbar an der
Oberfläche der Erde entspringen, einen Durchmesser be-
sitzt, der dem Durchmesser des auf dieser Grundfläche
sich später erhebenden Stammes ungefähr gleichkommt,
bewirkt, dass schon stammlose Blattrosetten riesenhafte
Grössen erlangen und einen weiten Raum beanspruchen,
bevor die stolze Krone in die Lüfte emporgetragen wird;
und aus demselben Grunde trägt die Bildung des Holz-
stammes nichts zur Vergrösserung der Blattrosette bei,
so dass sogar einige fast ganz stammlose Palmen die
grössesten Blätter zur Entwickelung bringen (Raphia,
Metroxylon, Attalea). Durch diese physiognomischen Er-
scheinungen sind die Palmen so ausgezeichnet, und die-
selben sind so sehr in den durch tropische Fülle am
meisten anziehenden Ländern in den Vordergrund getreten,
dass auch die in botanischer Systematik ungeübten Reisen-
den gerade diese Ordnung stets erkennen können und,
angezogen durch den Reiz ihrer Erscheinung, von ihrem
Vorkommen ausführliche Schilderungen entwerfen. Frhr.
v. Thielmann 1) bezeichnet die Palmen als beste Vertreter
der Tropenlandschaft, die durch sie erst den Stempel
des Lichtes und des Adels aufgedrückt erhält, während
der Farnbaum in der weiten Landschaft keine Stelle hat
und nur in tiefer Waldesnacht den Reichtum seines so
ungleich zarter gefiederten Laubes entfaltet. Obgleich
nicht alle Palmen grosse Dimensionen annehmen, so ist
die Grazie des Wuchses doch nicht minder bei kleinen
[171]Reiche Entwickelungsgebiete der Palmen.
Arten entfaltet, und um dieser Eigenschaften willen werden
bei den Durchforschungen der unbekannten Tropenländer
die auffälligen Palmen häufiger als andere Gewächse von
den Reisenden erwähnt.
Die Organisation der Palmen macht eine Beschrän-
kung ihres Vorkommens auf Gegenden ohne Winterfrost
und anhaltende Sommer- oder Winterdürre notwendig;
eine einigermaßen reich entwickelte Palmenvegetation
findet sich daher auch nur: in Amerika von der Ostküste
Brasiliens unter 30° S. B. bis zu Mexikos Westabhang
des Centralplateaus unter 20° N. B. und bis Cuba in
den atlantischen Gewässern; in Afrika von 20° S. B. an
der Ostküste bis gegen den 20.° N. B. an der Westküste
und ausserdem entlang dem oberen Nil bis 11° N. B.
und dem unteren Lauf des Niger bis zu seinem nörd-
lichen Knie; auf Madagaskar, den Maskarenen und Sey-
chellen; von der Ostküste Australiens unter 25° S. B.
dem östlichen Küstensaume folgend durch das ganze
Inselreich hindurch bis zur Ostküste Asiens unter dem
Wendekreise, im kontinentalen Indien bis zum Himalaya-
Südabhang (29° S. B.), aber nicht über den Indus west-
wärts sich ausdehnend.
Ueber diese hier genannten Centren ihrer stärksten
Entwickelung an Gattungs-, Arten- und Individuenzahl
sind allerdings die Palmen noch nordwärts wie südwärts
über weite Länderstrecken ausgebreitet, in denen wenige
Formen, oft nur eine einzige, den extratropischen Gebieten
eigentümlich zugehörende Art, zerstreut vorkommen, die
selten oder nie zu ausgedehnten Hainen sich gesellen.
Dies schwach mit Palmen besetzte Gebiet beginnt in
Südamerika mit der argentinischen Provinz Entre-Rios
und erstreckt sich durch den Gran Chaco hindurch bis
nach Ostbolivien, während es an der Westküste den
schmalen Küstenstrich vom 31°—35° S., und nur in der
Andenregion bis gegen den Aequator hin, einnimmt; an
der Westküste Nordamerikas bildet es die Fortsetzung
des südmexikanischen, palmenreichen Distriktes (Oaxaca)
in einem schmalen Streif bis zum Südrande der Staaten
Kalifornien und Arizona, während es an der Ostküste
[172]Nord- und Südgrenze der Palmen.
den Unterlauf des Rio del Norte, das Mündungsgebiet
des Mississippi und die Staaten Florida, Georgia und
Südcarolina in stets verschmälertem Küstenstreif einnimmt.
Im südlichen Afrika gibt es von der Südgrenze der noch
erträglich palmenreichen Distrikte von Benguëla und des
ganzen Congo wie der Ostküste bis zum unteren Zambezi
noch einige zerstreute Arten bis gegen den Wendekreis,
von wo an weiter nach Süden nur 2 Phönix-Arten an
der Ostküste bis zur Algoa-Bai sich finden; nördlich vom
Aequator dehnt sich ein weites, nur wenig von Palm-
bäumen bestandenes Gebiet aus, in Arabien und Sahara
nur mit der durch Fischer 1) ausgezeichnet monographisch
behandelten Dattelpalme oasenweise besetzt, der sich im
wärmsten Teil Südeuropas die einzige Zwergpalme an-
schliesst (Südspanien, Balearen, nördlichster Punkt bei
Nizza, Südcorsica, Neapel, Sizilien, Griechenland). Aehn-
liche Palmen bilden in Indien die Nordgrenze des palmen-
armen Gebietes im Himalaya, am Südabhang des Hindu-
kusch in Afghanistan und an denen der kurdistanischen
Gebirge gegen Euphrat und Tigris, während dieselbe sich
in Ostasien über den palmenreichen Bezirken von Birma
und Cochinchina bis zu 30° N. B. an der Küste erhebt
und in Japan vielleicht bei 35° N. B. liegend betrachtet
werden kann, ohne Berücksichtigung der durch die Garten-
kultur noch weiter nordwärts vorgeschobenen Arten. Dem
palmenreichen indischen Archipel und Nordaustralien
schliesst sich auf letzterem Kontinent eine schmale, palmen-
arme Uebergangszone zu dem fast palmenlosen Inneren
Australiens an, und zwar beginnt diese an der Nordwest-
küste mit 22° S. (Fortescue-Fluss), sinkt südlich vom
Carpentaria-Golf bis unter den 20° S. B. und folgt dann
im allgemeinen der Wasserscheide gegen das Innere hin
bis zu der Ostküste von Neusüdwales und Victoria mit
letztem vorgeschobenen Posten unter 37½° S. B.; auf
Neuseeland geht eine Palme bis 43½° S. B., und die-
selbe bildet auf dem zu den Chatham-Inseln gehörigen
[173]Ansteigen der Palmen in Gebirgen.
Pitt-Eilande unter fast 45° S. B. den südlichsten vor-
geschobenen Posten.
Wie weit sich vereinzelte Arten nach Norden oder
Süden vorschieben, hängt naturgemäß von deren beson-
deren physiologischen Beanlagungen und den jedesmaligen
äusseren Bedingungen ab; wollen wir aber die hier be-
trachtete Palmenverbreitung unter einem geographischen
Gesichtspunkt zusammenfassen, so ist es die Hervorhebung
des Gegensatzes zwischen entwässerten Abdachungen und
kontinentalen Binnengebieten. Denn die Entwickelungs-
centren der Palmen liegen in den zum Stillen, Atlanti-
schen und Indischen Weltmeer gehörenden Stromgebieten
derartig verteilt, dass sie nur an Südamerikas Ostküste
und an den Abhängen des Himalaya die beiden Wende-
kreise beträchtlich überschreiten, während die auch inner-
halb der Wendekreise palmenlosen oder -armen Länder
entweder wirklich abgeschlossene Binnengebiete sind, oder
es sind einzelne sehr schmale Küstenstreifen steil ab-
fallender Gebirge mit dürrem Klima.
Hier ist von Interesse noch das Innere von Australien
dadurch, dass an einer einzigen Stelle, im Glen of Palms
am Südabhang der Macdonald Ranges in der Nähe des
Wendekreises, eine einzige, an der Nordküste des Kon-
tinents häufigere Palme Livistona Mariae entdeckt ist.
Andere Formen sind zum Ertragen des feuchten Gebirgs-
klimas höherer Regionen gut geeignet, allen voran hier
die Gattung Ceroxylon, deren schöne Vertreter in den
Bergketten von Colombia und Venezuela zwischen 1750
bis 3000 m einheimisch sind; Arten von Oreodoxa und
Euterpe steigen in den Anden von Colombia und Bolivia
nach Orbigny bis 3000 m hoch, eine Cocos wächst nach
Thielmann in Ibarra noch bei 2225 m; in Mexiko steigen
die Chamädoreen bis 1000 m hoch, auf Java die Cala-
meen und Caryoteen bis 2200 m, Trachycarpus Martiana
und Khasyana im Himalaya bis 1525 m nach Griffith.
Die südeuropäische Zwergpalme Chamaerops humilis wächst
auf den Balearen am Galatzo nach Willkomm noch bei
860 m Meereshöhe.
Bisher war von den Palmen nur als gesamter Ord-
[174]Trennung der alt- und neuweltlichen Palmen.
nung in ihrer allgemeinen Verbreitung die Rede, um
dadurch den tropischen, gegen Weltmeere geöffneten Ge-
bieten einen besonderen Charakter vor den extratropi-
schen Gebieten und tropischen Binnengebieten zu geben;
über diesen allgemeinen Verbreitungsregeln sind aber
nicht die besonderen der Palmentribus und ihrer Gattungen
zu vernachlässigen, durch welche die einzelnen Kontinente
innerhalb der Wendekreise scharfe Charaktere erhalten.
Es ist überhaupt Grundsatz für die Verbreitung der
Palmen, dass die einzelnen Arten zumeist ziemlich enge
Bezirke bewohnen und nur wenige Arten (wie Cocos nu-
cifera, Elaeis guineensis, Phoenix dactylifera, Borassus
flabelliformis) über grosse Strecken mehrerer oder auch
nur eines Kontinents sich zu verbreiten vermocht haben.
Dies hat schon Schouw richtig erkannt und erläutert;
nur konnte er wegen der damals geringeren Kenntnis des
Palmensystems nicht schon die Beschränkung fast aller
Gattungen auf bestimmte Kontinente in der gegenwärtigen
Schärfe betonen. Es ist nämlich in den geographisch
weit getrennten Gebieten auch eine fast ausnahmslos weit
verschiedene Palmenvegetation zu finden, derart, dass
die schärfste Trennung zwischen der westlichen und der
gesamten östlichen Hemisphäre besteht, deren jede ihre
eigenen Palmengattungen besitzt, und ausserdem auch je
einige Unterabteilungen der ganzen Ordnung auf sich be-
schränkt hält. Nur zwischen der Westküste des äqua-
torialen Afrikas und der Ostküste des äquatorialen Amerikas
hat ein Austausch von zwei Arten stattgefunden, und
ausserdem hat die Cocosnusspalme die Heimat ihrer Tri-
busgenossen, Amerika, verlassen, so dass der von etwa
1000 Arten befolgten Grundregel nur drei erhebliche
Ausnahmefälle gegenüberstehen. Geht man in dieser
Untersuchung weiter, so findet man, dass Amerika zwar
in Bezug auf seine Palmen eine Einheit darstellt, dass
aber in der östlichen Hemisphäre zunächst wiederum ein
greller Unterschied zwischen den Palmengattungen Hinter-
indiens (mit Malesien-Ostaustralien) und Afrikas besteht,
und dass endlich auch ein nicht ganz so grosser, aber
doch noch sehr erheblicher Unterschied zwischen den
[175]Vier Entwickelungsgebiete der Palmen.
Palmen des afrikanischen Kontinentes und denen der
Seychellen und Mascarenen, weniger schon denen Mada-
gaskars herrscht, so dass man folgende vier hauptsäch-
liche und übergangslose Entwickelungscentren der ganzen
Ordnung in gegenwärtiger Erdperiode annehmen kann:
1. Amerika innerhalb der Wendekreise; 2. Afrika im
Gebiet des unteren Niger, oberen Nils, des Congo und
unteren Zambezi; 3. Madagaskar, die Mascarenen und
Seychellen; 4. Hinterindien, Sunda-Inseln, dann mit
eigener Entwickelung Neu-Guinea und die grösseren
Inselgruppen südostwärts bis zu den Lord Howe-Inseln,
dazu auch Australiens Nordostküste.
Um dieses pflanzengeographisch bedeutungsvolle Ver-
hältnis noch etwas eingehender erörtern zu können, be-
darf es einer kurzen Auseinandersetzung über die syste-
matischen Hauptgruppen der Palmen; dieselben zerfallen
zunächst in 4 Unterordnungen:
- 1. Coryphinae, mit einsamigen Beeren und Fächerblättern (nur
Phönix besitzt gefiederte Blätter mit nach oben rinnenartigen
Fiedern); Stacheln höchstens an den beiden Seitenkanten der
Blattstiele oder an den Blattscheiden. Phönix. Sabaleen. - 2. Borassinae, mit grossen glatten 1—3samigen Steinkern-
früchten und Fächerblättern. - 3. Lepidocaryinae, ausgezeichnet durch den Schuppenpanzer
der beerenartigen, mit einem dicken Samen versehenen Früchte;
Fieder- oder Fächerblätter (Mauritia) mit vielen zerstreuten Stacheln. - 4. Ceroxylinae, mit einsamigen Beeren oder 1—3samigen
Steinkernfrüchten; Fiederblätter in allen Formen, bei einem Teile
der Gattungen häufig starke Stacheln. Arecineen. Cocoineen.
Von diesen Unterordnungen zeigt eine, nämlich die
Borassinen, nur beschränkte Verbreitung in der Alten
Welt, hauptsächlich in Afrika: der ganze Sudan, Ober-
ägypten und das glückliche Arabien, das Congo- und
Zambezi-Gebiet bis gegen die Kalahari hin, ferner Mada-
gaskar, die Maskarenen, Seychellen, Vorder- und Hinter-
indien bis zu den Sunda-Inseln (wo noch die zweifelhafte
Gattung Pholidocarpus vorkommt) bilden ihr alleiniges
Vaterland; Borassus und Hyphaene sind innerhalb dieses
Areals die weitverbreiteten Gattungen, Latania auf den
Maskarenen, Lodoicea auf den Seychellen. — Sind nun
zwar die anderen drei Unterordnungen sowohl altweltlich
[176]Areale der Palmen-Systemgruppen.
als amerikanisch, so sind deren Tribus und Gattungen
ebenso streng an einzelne Florenreiche gebunden. Von
den Coryphinen gehört Phoenix, die bekannteste Palmen-
gattung, in 11 Arten zu ganz Afrika, Arabien, Vorder-
indien, und erreicht schon an den Sunda-Inseln ihre
Grenze, (sie teilt also das Vaterland der Borassinen, geht
aber nordwärts weiter, ohne die Seychellen und mala-
gassischen Inseln zu berühren). Die Sabaleen fehlen im
tropischen Afrika, einschliesslich der Inseln; sie meiden
in der Mehrzahl die feuchtheissen Gebiete, haben dagegen
in den Subtropen eine um so weitere Verbreitung: Livi-
stona von China bis zum Innern Australiens und Victoria,
Copernicia und Trithrinax in Argentinien und Südbrasilien,
Sabal und Thrinax im tropischen Süd- und Nordamerika,
Chamaerops im Mittelmeergebiet, Trachycarpus u. a. im
Himalaya. Die Gattungen vertreten sich, keine berührt
das Verbreitungsgebiet der anderen.
Die Lepidocaryinen weisen zunächst die unter ihnen
allein mit Fächerblättern versehene Tribus der Mauritieen
auf, nur zwei ganz auf das tropische Amerika beschränkte
Gattungen, unter denen die Mauritia-(Moriche-)Palmen
durch Humboldts Schilderungen eine alte Berühmtheit
erlangt haben; eine Bogenlinie durch Trinidad-Rio Negro-
Goyaz-Bahia umschreibt das Areal der ganzen Gruppe.
Dagegen sind die Raphieen, von denen Raphia vinifera
die berühmte Weinpalme von Kamerun vorstellt, mit
4 Gattungen alle tropisch-afrikanisch; die Calameen aber
sind nur indisch, mit weiterem Gebiete zwischen dem
Südhange des Himalaya, Neu-Guinea und dem östlichen
Australien südlich herab bis Moreton-Bai und Brisbane
River. Zu dieser letzteren Tribus gehört die fast an
200 Arten zählende Gattung Calamus selbst (einschliess-
lich Daemonorops), die Rotang-Palmen, von welcher Nord-
ost-Australien noch 4 Arten besitzt und die in Borneo
ihr Maximum zu erreichen scheint, furchtbar durch die
stacheltragenden Geisseln ihrer die verwachsenen Dschun-
gels unwegsam machenden Blattspitzen und Kolbenzweige;
ihr gehören auch die Sagopalmen (Metroxylon und Piga-
fetta) von Java bis zu den Fidji-Inseln an.
[177]Areale der Palmen-Ceroxylinen.
Nunmehr bleibt die grösste Unterordnung, die der
Ceroxylinen, übrig, welche in Afrika sehr schwach ver-
treten ist, sonst aber innerhalb der Ordnungsgrenze nur
den Coryphinen-Sabaleen an Umfang des Areales erheb-
lich nachsteht. Sie gliedert sich in zwei Hälften: die
Arecineen erreichen ihr Maximum zwar im indisch-ma-
layischen Florenreich bis Neuseeland südwärts, sind aber
in besonderen Gruppen auch kräftig in den amerikanischen
Tropen und in den mittleren Cordilleren-Regionen ent-
wickelt; die andere Hälfte aber, die Cocoineen, ist mit
Ausnahme der bekannten Cocosnusspalme und der afri-
kanischen Oelpalme, welche nur Verschlagungs-Ausnahmen
sein können, durchaus und rein amerikanisch.
Unter den Arecineen sind Caryota und Arenga zu-
nächst berühmte Bäume des indischen Florenreichs; Arenga
saccharifera (die Gomutipalme) gehört zu den besten
Nutzpflanzen ihrer Ordnung. Geonoma und ihre Ver-
wandten dagegen bilden artenreiche Geschlechter zierlicher
Buschpalmen im tropischen Amerika, und während die
merkwürdige Manicaria succifera mit ungeteilten Riesen-
wedeln einerseits eine ebenfalls amerikanische Verwandte
ist, finden sich zwei andere monotypische Gattungen in
Westafrika am Gabun als neues merkwürdiges Zeichen
einer gelegentlichen systematischen Verwandtschaft in den
Tropen von Amerika und Afrika zu beiden Seiten des
Atlantischen Ozeans. Die Iriarteen bilden dann eine andere,
Amerika zugehörige Gruppe der Arecineen, zu welcher
auch Ceroxylon selbst mit seinen 5 Arten von Wachs-
palmen in der andinen Bergregion von Colombien und
Ecuador gehört. Die dann folgende Tribus der Hyo-
phorbeen (oder Morenieen) enthält eine Gattung Hyophorbe
als stolzen Baum auf den Maskarenen; die übrigen sind
grösstenteils kleine Rohrpalmen (Chamaedorea 60 Arten),
und zwar sämtlich amerikanisch zwischen Florida-Mexiko-
Bolivien und Rio de Janeiro. Mit 44 Gattungen folgt
dann die Areca-Tribus selbst, fehlend im kontinentalen
Afrika, schwach im Florenreich der ostafrikanischen Inseln
entwickelt (6 Gattungen, 5 davon nur mit je einer Art);
mit reichster Gattungsfülle tritt sie in Indien, den Sunda-
Drude, Pflanzengeographie. 12
[178]Areale der Arecineen, Cocoineen.
Inseln, Neuguinea, Ostaustralien bis Lord Howe-Inseln
und Neukaledonien auf, mit Kentia sapida auf Neusee-
land und den Chatham-Inseln die Südgrenze erreichend, und
hierher gehören die echten Areca-Palmen (14 Arten von
Malakka bis Neuguinea, 1 in Australien), 40 Pinanga,
die Archontophönix- und Ptychosperma-Arten Australiens
und der östlich angrenzenden Inseln. Wenige, aber be-
rühmte Palmengattungen Amerikas schliessen sich in
naher Verwandtschaft an diese indischen Gattungen an:
Euterpe von Rio zu den Anden und Antillen, Oenocarpus
in Colombien und bis zum Amazonas-Stromgebiet, Oreo-
doxa auf den Antillen, Hyospathe und 2 andere. Aber
nun folgt der schon angedeutete amerikanische Reichtum
an 14 Gattungen und etwa 225 Arten von Cocoineen,
von der Südgrenze der Palmen in Argentinien (Cocos
australis) bis nach Mexiko und den Antillen (Acrocomia),
besonders in den imposanten Formen von Attalea, Maxi-
miliana, Orbignya, Cocos (!), und in den Stachelstämme
mit Stachelblättern tragenden Gattungen Astrocaryum.
Bactris (niedere Buschpalmen, 90 Arten) und den klet-
ternden Desmoncus reich entwickelt.
Zwei abnorme, für den Landschaftscharakter wichtige
Gattungen schliessen als letzte Gruppe die Ordnung ab:
Phytelephas, die Stammpflanze der colombischen Stein-
nüsse, und die monotypische Nipa fruticans im malayischen
Archipel bis zu den Philippinen und über Neuguinea
hinaus, Tausende von Hektaren Landes an den brackischen
Gestaden der Inseln bedeckend und die Flussläufe nahe
ihrer Mündung zugleich mit Bestandteilen der Mangroven
umsäumend.
In jedem Falle ist es nach der Darlegung der that-
sächlichen Verbreitungsverhältnisse einer hervorragenden
Ordnung notwendig, als Zweck dieser Darlegung und in
dem Gedanken an die allgemeine Absonderung der Flora
nach Kontinenten und Vegetationszonen besondere, für
Ergründung der Kausalität lehrreiche Ableitungen zum
Schluss zusammenzustellen. Für die Palmen betrachte ich
folgende Ableitungen für wichtig: 1. die boreal-sub-
tropischen Florenreiche, obwohl arm an Palmen, haben
[179]Ableitungen aus den Palmenarten.
einen eigenen endemischen Anteil an denselben, welcher
zeigt, dass periodisch sehr trockene Klimate und kurz
vorübergehende Winterkälten ertragen werden können;
Beispiel: Chamaerops, Rhapis, Trachycarpus, Rhapido-
phyllum. Es soll hier nicht entschieden werden, ob
dieser Bestandteil als ein Vordringling aus den südlich
anstossenden tropischen Klimaten, oder als ein Relikt aus
der Tertiärflora zu betrachten sei; die paläontologischen
Befunde lassen aber auf das letztere schliessen.
2. Um so wichtiger erscheint es, dass den sonst so
viel mehr in Repräsentativgattungen mit den Tropenfloren
übereinstimmenden australen Floren endemische Anteile an
den Palmen höchstens bezüglich der Artcharaktere zukommen,
dass sie aber im übrigen den rein tropischen Elementen
innerhalb der klimatischen Grenzen südwärts vorzudringen
gestatten. Nur Jubaea spectabilis in der nordchilenischen
Flora erscheint wie eine endemische Entwickelung, die
mit Ceroxylon verwandte endemische Palme der Insel
Juan Fernandez erscheint dagegen als eine normale Wieder-
kehr tropisch-montaner Sippen unter höheren Breiten.
In Südafrika bilden ebenso wie in Australien und Neu-
seeland die temperierten Arten der direkt anstossenden
tropischen Sippen die Palmen-Südgrenze (Phoenix recli-
nata, Livistona australis, Kentia sapida). Ebenso Cocos
australis in Argentinien, im direkten Anschluss an die
Cocos-Bevölkerung Brasiliens. —
3. Aus diesen Gründen enthält das Areal der Palmen-
tribus nur gegen die borealen Subtropen hin Dislokationen,
erscheint sonst als an die auch sonst in ihrer Absonde-
rung bekannten tropischen Florenreiche gebunden und
daher nach Kontinenten und Inselreichen intratropisch ge-
gliedert.
4. Unter der grossen Zahl von 128 guten Gattungen
sind nur 9 zu nennen, welche durch Vorkommen in ver-
schiedenen Florenreichen, oder in entlegenen Florengebieten
nördlich und südlich vom Aequator mit einer unbesetzten
Verbindungslinie Anspruch darauf haben, für weitverbreitet
zu gelten; als solche sehe ich an: Phoenix, Livistona,
[180]2. Die Coniferen.
Pritchardia, Copernicia, Borassus, Calamus, Chamaedorea,
Elaeis, Cocos.
5. Die übrigen Gattungen sind entweder in einem
und demselben Florenreich, oder in den Grenzgebieten
zweier zusammenhängender Florenreiche (wie z. B. Sunda-
Inseln, Neuguinea, Nordaustralien), von einem ersicht-
lichen Anhäufungsmaximum aus nach den Grenzen dieses
Areals hin abnehmend, aber lückenlos, verbreitet; oder
sie sind nur auf ein einzelnes kleines Florengebiet, viele
auf einen einzelnen Gebirgszug, auf einzelne Inseln etc.,
beschränkt. Die Palmensystematik hat daher für die
Entwickelungsgeschichte der Tropenfloren einen hohen
theoretischen, für deren Charakteristik einen hohen prak-
tischen Wert. —
6. Die betonte Beschränkung der Gattungen verstärkt
sich bei den Arten der Palmen, und scheint in der ge-
ringen Verbreitungsfähigkeit schwerer Steinbeeren, in der
rasch erlöschenden Keimfähigkeit, und endlich in der
strengeren spezifischen Anlehnung an die lokalen Klima-
und Bodenbedingungen allgemein begründet. Auf die
Verteilung der Arten sind alle vorstehenden Ableitungen
zurückzuführen (vergl. oben, S. 98).
2. Die Coniferen.
Beinling, Ueber die geographische Verbreitung der Coniferen.
— Hildebrand, Die Verbreitung der Coniferen in der Jetztzeit und
in den früheren geologischen Perioden. Verhandl. des naturh.
Vereins d. Rheinlande u. Westf. Bd. XVIII, S. 199—384 mit Tab.
u. Profilen. — Brown, Die geographische Verbreitung der Coni-
feren und Gnetaceen. (Geograph. Mittlgn. 1872, S. 41 mit Taf. 3.)
— Engler-Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien, Bd. II, T. 1,
S. 53—64. — Berghaus’ Physikal. Atlas, Blatt Nr. 45.
Es gibt in der Waldvegetation der Erde keine
Pflanzengruppe, welche in dem Maße wie die Nadelhölzer
durch geselliges Auftreten einzelner hochwüchsiger Arten
weite Länderstrecken in gleichförmige Physiognomie
kleidete. Selbst da, wo die Laubhölzer ihnen den Rang
streitig machen, scheuen die Coniferen ein buntes Ge-
misch und bilden eingesprengte Oasen, in denen wie-
[][]
[]
[][181]Wachstumsverhältnisse der Coniferen.
derum die einzelne ungemischte Art sich zum Herrn der
Vegetationsformation macht. Ob nun gleich die 34 Gat-
tungen mit 350 Arten zählende Gruppe durchaus nicht
zu den besonders umfangreichen im Pflanzenreich gehört,
so ist ihre Bedeutung in dem Vegetationskleide der Erde
und in den Rückbeziehungen der Pflanzenwelt auf den
Menschen doch eine sehr grosse, wenngleich von ganz
überwiegender Bedeutung nur für die borealen Floren
und einige kleine Abschnitte auf der südlichen kälteren
Erdhälfte. Physiognomisch stehen die Coniferen sehr
wohl charakterisiert da: ein schlanker, gerade und auf-
wärts gerichtet sich verjüngender Stamm ist so regel-
mäßig wie die immergrüne, entweder in Nadel- oder in
klein anliegenden Schuppenblättern entwickelte, harzduf-
tende Belaubung. Ausnahmen sind wohl bekannt; die
alten Kiefern erscheinen knorrig gewachsen, der Gingko
hat breite, flache Blätter und wirft wie die Lärche im
Herbste ab; auch stellen sich die Blätter der amerikani-
schen Araucarien sehr anders dar als unsere Tannen-
nadeln, und Dammara-Zweige erinnern an Cycas; aber
der Grundton in dieser kräftigen, eigenartigen Physiog-
nomie bleibt doch erhalten und lässt selbst für Laien
kaum jemals Verwechslungen mit anderen Gehölzen zu;
so dass bei der leichten systematischen Uebersichtlichkeit
der Gruppe, von welcher nur die Gattung Pinus eine
Ausnahme macht, die Geographie von jeher in den Stand
gesetzt worden ist, in den Coniferen wichtige Anhalts-
punkte zur Beurteilung des Florencharakters zu erhalten.
Infolge dieser Verhältnisse sind denn auch die Areale der
meisten Coniferen als Arten sehr wohl bekannt geworden.
Während sie in den winterkalten, genügend mit
periodischen Niederschlägen versehenen Landschaften ein
starkes Uebergewicht bei zunehmenden Schwierigkeiten
des allgemeinen Baumlebens erhalten, scheuen sie die
feuchtheissen Tropen und mischen sich überhaupt niemals
in die unten zu besprechenden Formationen der tropisch-
immergrünen Regenwälder. Es kann daher die von Brown
in den Geographischen Mitteilungen veröffentlichte Karte
mit ihrer nach Ausschluss des tropischen Afrika fast das
[182]Gesamtareal der Coniferen.
ganze Erdreich deckenden Coniferen-Bezeichnung zu Irr-
tümern Veranlassung geben, sofern man nicht bedenkt,
dass das Vorkommen einer einzelnen selteneren Art von
Coniferen in den Florenprovinzen dieses Schriftstellers
schon dazu genügenden Anlass geboten hat. Etwas
natürlicher erscheint daher bei Weglassung einer Menge
kleinerer buschartiger Coniferen die von mir für Berg-
haus’ Atlas entworfene Karte, auf welcher jedoch anderer
Zwecke wegen die meisten Cupressaceen fortgelassen
werden mussten, und welche daher von Coniferen-Arealen
nicht genügend bedeckt ist.
Die Verteilung der Coniferen in ihrer Gesamtaus-
dehnung über die Erde ist etwa folgende: Ueber die
Baumgrenze hinaus dringt der Zwergwachholder in Grön-
land an beiden Küsten noch über den Polarkreis vor,
zugleich in Taimyrland, Island und in den Hochgebirgs-
regionen verbreitet. Sonst aber wird meistens die Nord-
grenze der Coniferen auch mit der nördlichen Baumgrenze
zusammenfallend gefunden, da nur die Birke stellenweise
über erstere hinausgeht. Südlich der Baumlinie folgt
also in Europa, Sibirien und Kanada ein breiter Coni-
ferengürtel, in welchem Repräsentanten der Abietineen:
Lärchen, Fichten, Kiefern und einige Tannen, nach Arten
oder Unterarten in den Hauptgebieten dieses nordischen
Florenreichs meist gut geschieden, eine nach Süden all-
mählich abnehmende Hauptrolle spielen. Es endet dieser
Gürtel in Europa mit der Edeltannenregion, im Kaukasus
mit Picea orientalis, in Thian-schan mit Picea Schrenkiana,
in Nordamerika mit Picea sitchensis und dem weiten
Gebiet der Weymutskiefer Pinus Strobus und Tsuga
canadensis, um durch bunter zusammengesetzte Coniferen-
bestände abgelöst zu werden, in welche sich die nordischen
Fichten und die Lärchen nur noch in den oberen Ge-
birgsregionen hineinmischen. Die reicheren Mischungs-
gebiete sind zu beiden Seiten des Stillen Ozeans, nämlich
in Ostasien und von Columbien bis Kalifornien in die
Rocky Mts. hinein, am besten entwickelt. Das mandschu-
risch-japanische Entwickelungsgebiet hat neben endemi-
schen Gebirgslärchen, Pinus-, Picea- und Abiesarten die Gat-
[183]Charakter-Coniferen in Nordamerika.
tung Tsuga mit Nordamerika gemeinsam; hier ist Ce-
phalotaxus, Pseudolarix, Cunninghamia, Cryptomeria, Scia-
dopitys, Thujopsis, Chamaecyparis und der durch seine
alte Geschichte als Rest einer grossen Gattung berühmte
Ginkgo zu Hause, fast alle jetzt endemisch, und es finden
sich nordwärts vorgedrungen die ersten Podocarpus. Dazu
kommt in Yünnan Libocedrus macrolepis. — Das kali-
fornisch-oregonische Entwickelungsgebiet glänzt durch
die endemische Gattung Pseudotsuga (die Douglasfichte),
durch die beiden Sequoien, von denen Sequoia (Welling-
tonia) gigantea zu den berühmtesten Bäumen des Erd-
balls, auf kleines Areal beschränkt, gehört, durch Cha-
maecyparis nutkaënsis, Cupressus Lawsoniana, Thuja gi-
gantea und Libocedrus decurrens. Zahlreiche neue
endemische Arten von Abies, Tsuga, Pinus und auch
Picea, selbst noch die mit den nordischen verwandten
Larix occidentalis und Lyallii, vervollständigen das an-
ziehende Bild. — Durch die Prärien davon getrennt folgt
ostwärts ein schwächerer Reichtum in dem virginisch-
floridanischen Entwickelungsgebiet, Taxodium distichum
(welches im europäischen Tertiär fossil von vielen Stellen
bekannt ist) mit Chamaecyparis thujoides oder sphae-
roidea, Thuja occidentalis, Juniperus virginiana und einer
grossen Reihe von Kiefern.
Noch eine letzte neue Umänderung, aber ohne den
Reichtum an Gattungen irgendwie zu vermehren, erhalten
diese borealen Formen Amerikas in dem mexikanischen
Entwickelungsgebiete, in welchem besonders eine grosse
Zahl von Pinus (Montezumae, Ayacahuite etc., etwa
30 Arten), auch Abies (religiosa), Taxodium mexicanum,
mehrere Cupressus und Chamaecyparis in ihren Artcha-
rakteren sich endemisch verhalten.
Aehnlich verhält sich in der Alten Welt der Hima-
laya, auf welchem mehrere, längst nicht mit dem mexi-
kanischen Reichtum wetteifernde Pinus (excelsa etc.),
Abies (Webbiana und Pindrow), Picea, Tsuja (dumosa),
Larix (Griffithii) mit der ersten, östlichsten Art der Ceder:
Cedrus Deodara neben Juniperus-Arten und einem Podo-
carpus auftreten. — Das Mittelmeergebiet endlich und
[184]Charakter-Coniferen in der Alten Welt.
der Orient haben die Ceder (mit Einschluss der ebenge-
nannten Deodara im westlichen Himalaya) als alleinige
endemische Gattung der Coniferen in Kleinasien und dem
Atlas, sonst nur einen grossen Reichtum an Pinus (P.
Pinea!), einigen Tannen, die orientalische Cypresse, und
einen grossen Vorrat an Juniperus-Arten; auch auf den
Canaren ist Pinus canariensis ein endemischer Charakter-
baum, nicht aber auf Madeira. Von der sonst nur in
den südlichen Florenreichen der Alten Welt heimischen
Gattung Callitris kommt eine, von den übrigen als Unter-
gattung zu trennende Art: C. quadrixalvis in Nordafrika
auf dem Atlas und bei Tetuan vor; die übrigen Bäume
der Coniferen aber gehören in den borealen und australen
Subtropen der Jetztwelt verschiedenen Gattungen an. —
Nur einige vorgeschobene Posten und ganze Gebiete, in
welchen auch unter den Tropen die borealen Coniferen-
Gattungen herrschen, sind noch zu nennen, nämlich be-
sonders die weite Verbreitung von Juniperus procera in
das tropische Afrika hinein und die Coniferen der Antillen
und tropischen Anden bis zum Aequator. Der genannte
Juniperus, sehr charakteristisch für Abessinien, ist durch
Thomson in der afrikanischen Hochgebirgsflora unter dem
Aequator gefunden worden, ein Zeichen einsamer, höchst
lehrreicher Wanderung mitten in ein sonst den Coniferen
gar keine Wohnstätte bietendes Land hinein (G. J. XI,
S. 136). Aehnlich rückt Pinus, aber in eigenen Arten
(P. insularis), auf den Philippinen, Borneo und Sumatra
als Gebirgspflanzen in das Herz der malayischen Tropen,
und erreicht auf Timor den 10.° S. als äussersten Vor-
posten; auf den Anden rücken die mexikanisch-central-
amerikanischen Arten nicht so weit südwärts (wahrschein-
lich nur bis 12° N., vergl. Hemsley), aber die gleichen
Gattungen haben ausserdem noch im Antillengebiet eine
nicht ganz geringfügige Eigenentwickelung gefunden.
Der Wachholder der Bermudasinseln auf Jamaika, dann
aber ganz besonders die Kiefernwälder von Pinus occi-
dentalis in St. Domingo unter 18° N., über welche Eggers
berichtet, die bis nach Honduras hinübergreifenden ent-
sprechenden Kiefernbestände von Cuba, das sind zu-
[185]Charakter-Coniferen Australasiens.
sammen mit Podocarpus-Arten die Coniferen-Züge dieses
Gebietes.
Ein breiter Gürtel tropischer Regenwälder, Savanen
und dürrer Wüstensteppen trennt nun die bisher ge-
schilderten borealen und boreal-subtropischen Coniferen
von den austral-subtropischen, welche in fast gänzlich
neuen Gattungen auftreten. So ist besonders in Afrika
das coniferenfreie Gebiet in mächtiger Breite entwickelt;
auch das tropische Südamerika wirkt als breite Sperre,
doch im nordöstlichen Australien und im anstossenden
Papuasien wie Polynesien ist ein neues Coniferengebiet
so nahe bei den letzten Kieferwäldern entwickelt, dass
man beide sich fast berühren sieht. Auch systematisch
ist dies hier mehr als anderswo der Fall, da die Cun-
ninghamieen (oder Taxodieen) an zerstreuten Punkten
von Japan bis Tasmanien die Küsten und Inseln des
Stillen Ozeans verknüpfen. Das hauptsächliche Interesse
knüpft sich hier an die Gattungen Araucaria und Dam-
mara (oder Agathis), von welchen herrliche, zum Teil aus-
gedehnte Wälder bildende und jeweilig verschiedene
Arten in Queensland bis gegen den 30.° S. und bis 140 km
landeinwärts, ferner in Neukaledonien, der Norfolk-Insel,
ja sogar noch auf dem Arfak-Gebirge im nordwestlichen
Neuguinea sich finden. Der reiche Coniferenstrich zieht
sich in Ostaustralien bis Tasmanien herunter und nimmt
nach Westaustralien hin sehr ab, wo neben einem Podo-
carpus nur einige endemische Arten von Callitris und
Actinostrobus vorkommen; Tasmanien selbst aber hat
noch endemische Gattungen und teilt andere mit Neusee-
land und Valdivien, Phyllocladus, Fitzroya, Athrotaxis.
So zählt der australische Kontinent mit Tasmanien 29 Coni-
feren-Arten, von denen nur die Gattung Dammara den
Aequator nordwärts überschreitet (bis zu den Molukken,
Borneo und Philippinen). Auf Neuseeland kommt dann
eine Libocedrus dazu, ein zweiter interessanter Fall von
Gattungsgemeinschaft zwischen borealen und australen
Subtropen.
In Südamerika ist das reichste Coniferengebiet an
der Westküste zwischen 35° und 50º S., bemerkenswert
[186]Charakter-Coniferen Südamerikas und Südafrikas.
durch die andine und bis zur Schneegrenze in die Höhe
steigende Araucaria imbricata, durch 2 weitere Gattungs-
genossen der eben erwähnten Libocedrus (von welchen
die südlichste L. tetragona bis zur Magellansstrasse geht),
und durch die Sumpfwälder der Fitzroya patagonica, ein
Dacrydium, Saxegothaea und Podocarpus. Wenig über-
schreitet die andine Araucarie das Gebirge ostwärts; in
die atlantischen Ebenen steigt keins dieser Nadelhölzer
herab. Aber noch einmal finden sich ausgedehnte Tannen-
wälder in Südbrasilien von 30° S. nordwärts und bis 15°
in das Gebiet des San Francisco hinein: sie werden von
Araucaria brasiliana gebildet. — Nur schwach sind die
Coniferen im südlichen Afrika vertreten, wo die vorhin
unter dem Mittelmeergebiet genannte Gattung Callitris in
verschiedenen Arten der Untergattung Widdringtonia im
Kaplande, auf Madagaskar und Mauritius auftritt; sonst
nur Podocarpus, im Kaplande sogar waldbildend, von
dem auch eine einzige Art bis unter den Aequator an
der Westküste, bis gegen 2500 m hoch auf der Insel
St. Thomas, vorgeschoben ist. Keine der südlich der
Linie Kap Horn—Kap der guten Hoffnung—Tasmanien
und Neuseeland liegenden Inseln hat irgend etwas von
Coniferen aufzuweisen.
Nach der Besprechung des Gesamtareals und der in ihm haupt-
sächlich waldbildend oder sonstwie charakteristischen Gattungen
von Coniferen ist auch bei dieser Ordnung ein kurzer Einblick in
die systematische Gliederung notwendig, um die allgemeinen Ver-
breitungsregeln abzuleiten. Die von Eichler jüngst gegebene Ein-
teilung in Tribus weicht vor der im physikalischen Atlas auf dem
der Verbreitung der Coniferen mit gewidmetem Blatte in einigen
Punkten ab, welche ich aber hier annehme. Zwei Hauptreihen
teilen sich in die 34 Gattungen, welche wir als Araucariaceen und
Taxaceen unterscheiden wollen; beide sind in ihren Arealen nicht
voneinander gesondert. Die ersteren bilden wiederum die beiden
Unterordnungen der Abietinen und Cupressinen, deren Areale sich
ebenfalls noch nicht zusammenfassend sondern. Die Sonderung
beginnt vielmehr erst mit den Tribus, deren 3 auf die Abietinen
entfallen.
- Tribus 1. Araucarieen: Nur 2 Gattungen Araucaria und Dam-
mara(·Agathis), also durchaus austral-subtropisches und tropisch-
montanes Areal, letzteres nur im malayischen Archipel, wo allein
der Aequator überschritten wird (Philippinen).
[187]Areal der Tribus der Coniferen.
- Tribus 2. Abieteen, echte Kiefern, Fichten und Tannen: Alle
7 Gattungen, Larix, Picea, Abies, Tsuga, Pinus, Pseudolarix und
Cedrus sind ausschliesslich boreal und boreal-subtropisch, treten
übrigens gleich der vorigen Tribus, nunmehr aber in südlicher
Richtung vorgeschoben, in die westindischen Tropen und das
centralamerikanische Bergland ein. Es ist die artenreichste Tribus;
nur 2 Gattungen sind auf je ein Florenreich beschränkt. - Tribus 3. Taxodieen (oder Cunninghamieen): 7 Gattungen,
meistens boreal, nämlich Sequoia und Taxodium in Nordamerika,
Glyptostrobus mit Cryptomeria, Cunninghamia und Sciadopitys in
je 1—2 Arten in China-Japan; nur eine Gattung, Athrotaxis mit
3 Arten in Tasmanien, tritt im äussersten Coniferenwinkel unter
gleichen Meridianen austral auf, durch die ganze Breite der Tropen
getrennt. (Im phys. Atlas, Bl. 45, war Dammara zu den Cunning-
hamieen gerechnet, das ostasiatische Areal dieser Tribus daher in
offener tropischer Verbindung dargestellt. Dagegen war Taxodium
zu den Cupressinen gebracht.) - Vier weitere Tribus entfallen nun auf die Cupressinen, nämlich:
- Tribus 4. Actinostrobeen: 3 Gattungen; eine: Callitris mit
dem zerstreuten Areal auf dem Atlas, Südafrika, Madagaskar,
Australien und Neukaledonien; die beiden anderen austral be-
schränkt, Actinostrobus auf Südwest-Australien, Fitzroya mit 2 als
Untergattungen verschiedenen Arten in Tasmanien (Diselma Archeri)
und im südlichen Chile. - Tribus 5. Thujopsideen: Von den 3 [Gattungen] hat eine,
Libocedrus, wiederum ein sehr zerstreutes Areal zwischen Japan,
Neuseeland, Neukaledonien, Kalifornien, Chile; die 2 anderen sind
boreal-subtropisch in Japan und Nordamerika (Thuja). - Tribus 6. Cupresseen, echte Cypressen: Nur 2 boreal-sub-
tropische Gattungen in allen Florenreichen, Cupressus und Cha-
maecyparis. - Tribus 7. Junipereen, Wachholdersträucher: 1 Gattung (Juni-
perus) mit 30 Arten in der ganzen nördlichen Zone zerstreut. - Die Taxaceen (oder als Unterordnung Taxinen) bilden nur
2 kleinere Tribus, nämlich: - Tribus 8. Podocarpeen: 4 Gattungen von australer Heimat,
Podocarpus selbst in Ostasien über den nördlichen Wendekreis
vorgedrungen, die übrigen in Patagonien, Tasmanien, Neuseeland,
Dacrydium zugleich in Chile und im malayischen Gebiet auf
Borneo etc. - Tribus 9. Taxeen: 5 Gattungen mit gemischtem Areal, Taxus
in der nördlich gemässigten Zone; Gingko, Torreya und Cephalo-
taxus boreal-subtropisch in Ostasien und Nordamerika, endlich
Phyllocladus auf Borneo, Neuseeland und Tasmanien.
Für die Coniferen-Verbreitung lassen sich daher ganz
andere Verbreitungsregeln ableiten, als für die der Palmen.
1. Zunächst erkennen wir als Heimat der Nadelhölzer
[188]Ableitung aus den Coniferen-Arealen.
deutlich die borealen, boreal-subtropischen und austral-
subtropischen Florenreiche; wo bestimmte Arten in den
Tropen vorkommen, sind sie auf Gebirgsregionen ange-
wiesen, oder es sind die gleichen Gattungen weiter süd-
wärts zu finden (z. B. Araucarieen). — 2. Da also die
Tropen sich als Trennungsgebiet, überbrückt nur im
malayischen Archipel und schwächer in Centralamerika
durch zusammenhängende oder zerstreute Gebirgsgruppen,
zwischenschieben, ist es natürlich, dass die hauptsächliche
Sonderung der Coniferen in boreale und australe Sippen
sich vollzogen hat. Von den 9 Tribus sind 3 rein boreal
und boreal-subtropisch mit tropischen Vordringlingen,
2 rein austral-subtropisch mit tropischen Bergarealen,
4 Tribus allein sind gemischter Heimat. — 3. Nur wenige
Gattungen aus den letzteren 4 Tribus sind zugleich nörd-
lich und südlich vom Aequator, aber auch dann stets in
besonderen Arten, hüben und drüben, verbreitet; sonst
sind sämtliche Gattungen in ihrem Areal geschieden. —
4. Die wenigen Gattungen mit auffallend zerstreutem
Areal (Lilocedrus, Callitris) deuten auf ein hohes geo-
logisches Alter, mit welchem die fossilen Funde anderer,
jetzt weit beschränkterer Gattungen übereinstimmen. —
5. Die kontinentalen Verschiedenheiten, welche bei den
Palmen unausgesetzt ihr Recht behaupten, kommen bei
den Coniferen erst sekundär in Betracht. Abgesehen von
den im nordischen Florenreich über Europa, Asien und
Nordamerika gemeinsam verbreiteten grossen Gattungen
gibt es auch viele subtropische Gattungsgenossen oder
Gattungsverwandte in beiden Hemisphären, zumal zwischen
Ostasien und Kalifornien-Virginien, noch mehr aber
zwischen Tasmanien, Neuseeland und dem westlichen
Südamerika. — 6. Die Arten der Coniferen sind immer
auf je ein Florenreich beschränkt, und es ist daher ihre
klimatische Beschränkung, oder ihre organische Verände-
rung unter anderen klimatischen Umständen, eine strenge.
3. Die Cupuliferen.
Liebmann, Amerikas Egevegetation. Kopenhagen 1851. —
Kotschy, Die Eichen Europas und des Orients. Andere Litteratur
[189]3. Die Cupuliferen.
über Eichen angeführt im Geogr. Jahrb. Bd. VII. S. 184 und 241,
Bd. XI, S. 108, besonders Wenzigs Aufzählung der Eichenarten
im Jahrbuch d. Berliner botan. Gartens Bd. III und IV. — Engler-
Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien, Bd. III.
Unter dem Namen „Cupuliferen“ sollen hier 10 Gat-
tungen verstanden werden, welche von den Systematikern
meistens als 2 oder 3 getrennte Ordnungen behandelt
sind, nämlich als Betulaceen, Corylaceen und Fagaceen
(oder Castaneaceen). In Berghaus’ Physikalischem Atlas,
Arealkarte Nr. 45, sind wenigstens die beiden Gruppen
der Betulaceen und Cupuliferen (Fagaceen) im engeren
Sinne auseinander gehalten, was für geographische Zwecke
bequem ist.
Zu den Corylinen gehört Corylus, der Haselstrauch, selbst
mit den Baumgattungen Ostrya (in allen subtropisch-borealen Floren-
reichen), Carpinus (wie vorige, aber weiter nordwärts verbreitet;
Carpinus Betulus: die deutsche Hainbuche), und Ostryopsis (1 Art
in der östlichen Mongolei). — Zu den Betulinen gehört Betula selbst
(35 Arten im nordischen Florenreich und den borealen Subtropen
bis zum Himalaya) und Alnus (14 Arten von ähnlicher Verbreitung,
südwärts bis zum tropischen Vorderindien und entlang den Anden
bis nach Argentinien). — Zu den Fagaceen endlich gehört die
Hauptgattung der echten und der malayischen Eichen (Quercus
und Untergattung Pasania) mit zusammen gegen 300 Arten, dann
Castanea mit Castanopsis (an 30 Arten), die Buche (4 Arten Fagus),
und die 12 australen Buchen der von voriger abgetrennten Gattung
Nothofagus; die Verbreitung dieser letzteren Gruppe soll ausführ-
licher besprochen werden.
Die beiden ersten Unterordnungen sind entschieden
boreal und boreal-subtropisch; denn nur Alnus acuminata
erstreckt sich in den Anden von Mexiko bis nach Argen-
tinien und bildet hier eine eigene, nach ihr „Aliso-Region“
benannte abgegrenzte Waldformation. Sonst sind die
Betulinen gerade für die höheren Breiten charakteristisch,
indem sie — wie auf der genannten Arealkarte im physi-
kalischen Atlas dargestellt ist — nördlich des Eichen-
und Buchengürtels eine weitere Zone nördlicher Laub-
bäume in die Coniferenbestände von Tannen und Lärchen
hineinmischen, und endlich in der allen Polarreisenden
wohlbekannten Zwergform der Straucherlen und Zwerg-
birken (Betula nana und andere Arten) nördlich der Baum-
grenze noch die systematischen Repräsentanten des
[190]Areal der Cupuliferen-Gattungen.
Waldes erhalten, und zwar noch in den Breiten von
Spitzbergen, dem nördlichst bekannten Ostgrönland und
in Taimyrland.
Die letzte, durch das Gewicht ihrer zahlreich und
weit verbreiteten Arten bei weitem interessanteste Unter-
ordnung mit Eiche, Kastanie und Buche zeigt zwei be-
sondere Eigentümlichkeiten: erstens einmal ist eine Eichen-
gruppe (Pasania) in direkt-geographischem Anschluss an
die ostasiatischen Arten der echten Eichen vom Himalaya
an bis zu den Bergen der malayischen Inselwelt in Be-
rührung mit tropischen Elementen eigenartig entwickelt,
und 1 Art (Quercus pseudomolucca) findet sich auch in
Neuseeland; dass eine zweite einzelne Art (Qu. densiflora)
in Kalifornien lebt, dürfte weniger auf direkte Wander-
verbindung, als auf analoge Umbildung in zwei selb-
ständigen Florenreichen hinweisen.
Noch eigentümlicher ist das Verhältnis der Buchen,
welche in sehr gleichartigen Formen im gemäßigten
Europa, Japan und Nordamerika verbreitet sind, ohne
subtropische Arten auszubilden, die ganzen Tropen über-
springen, und dann auf beschränktem, aber zerstreutem
Gebiet in der gemäßigten südlichen Zone wiederkehren,
nämlich von Valdivien bis Feuerland, auf den australi-
schen Alpen in Tasmanien, und in Neuseeland. Diese
australen Buchen werden unter der eigenen Gattung No-
thofagus zusammengefasst (Engler-Prantl, Bd. III, T. 1,
S. 52); die meisten ihrer Arten sind immergrün, aber
einige (N. obliqua und procera) sommergrün und in der
Tracht den nordischen Buchen sehr ähnlich.
Afrika ist in allen diesen Fällen ausgeschlossen; wie
dieser Kontinent schon eine auffallende Armut an Nadel-
hölzern zeigt, so in noch höherem Grade an Cupuliferen;
nur das atlantische Gebiet im Nordwesten nimmt teil
an den immergrünen Eichen der Mittelmeerregion mit
Quercus Ilex; das ist alles.
Gegen 200 echte Eichen und gegen 100 der Pasania-
Gruppe (die starken Unterarten als selbständig mitgezählt)
verteilen sich nun auf das wärmere Nordamerika, das
Mediterrangebiet und den Orient, Ostasien und das tro-
[191]Areal von Quercus und Castanea.
pisch-indische Bergland. Nach Norden erstrecken sich
die härteren, Winterfröste ertragenden sommergrünen
Arten etwa so weit oder etwas weiter als die Buchen und
bilden sowohl in Kanada als in Mitteleuropa noch einen
beträchtlichen Anteil der Waldbestände. Nicht eine Art
geht von einem Kontinent zum andern, ausgenommen
natürlich den innigen Zusammenhang Europas und Asiens
in der Flora des Orients, die eine Hälfte der Arten ist
alt-, die andere neuweltlich, ungefähr 20 sind süd- und
mitteleuropäisch, eine auf den Kanaren; ebenfalls etwa
20 Arten besitzt Japan und 40 die Vereinsstaaten Nord-
amerikas. Die grösste Artenzahl und Formenschönheit
ist im Bereich der Tropen entwickelt (Sunda-Inseln, deren
Reichtum jüngst King dargestellt hat, und Mexiko).
Der Eichenbestand Amerikas reicht von über 50° N.
bis 2° N. mit Ausschluss der Antillen, und endet mit
3 Arten in Neugranada, ohne den Aequator berührt zu
haben (Qu. tolimensis, Humboldtii, 2000 m hoch). Die
Eichen-Nordgrenze liegt an der amerikanischen Westküste
beim Nutka-Sunde, im Innern von Kanada kommen Eichen
bis zum Südrande des Winipegsees in grossen Beständen
vor (Qu. stellata), an der Ostküste sollen sie der Haupt-
sache nach bei Quebec enden; die nördlichste Art ist
hier Qu. alba. Ihr Maximum erreichen sie in Mexiko
und steigen hier von der Küste bis 3500 m, stets mit
verschiedenen Arten in den Hauptregionen, wovon im
letzten Abschnitt die Rede sein wird.
Die letzte Gattung Castanea besteht aus zahlreichen
Arten der Gruppe Castanopsis von den Molukken bis
Hongkong und zum Himalaya, 1 Art auch in Kalifornien
(C. chrysophylla, ein westamerikanischer Charakterbaum!),
und aus nur 2 Arten in formenreichen Varietäten der
echten Kastanie C. vesca. Diese ist ein gemeinsames
Merkmal der boreal-subtropischen Florenreiche, da sie
mit unverändertem Artcharakter Südeuropa und den Orient
bis zum Karabagh und Taurus, das nördliche China und
Japan, endlich in Nordamerika von den Gebirgen Süd-
Carolinas bis nach Ohio, Maine und Michigan hin ein
weites Areal in voneinander jetzt völlig isolierten Par-
[192]Ableitungen aus den Cupuliferen-Arealen.
zellen inne hat. Die andere Art (C. pumila) hat ihre
Heimat von Florida bis Texas und Pennsylvanien.
Will man die jetzige Verteilung der Cupuliferen verstehen,
so ist hier der Verfolg ihrer geologischen Entwickelungsgeschichte
durch zahlreich erhaltene Reste und gute Bearbeitungen ermög-
licht. Vergl. Krasan (G. J., XIII. 306) und Saporta in den Comp-
tes rendus 12. Febr. 1877 S. 287. — Die ältesten Eichen sind in
Europa aus der Flora von Gelinden bekannt geworden; die gegen-
wärtig in Mitteleuropa am weitesten verbreiteten Formen sind
verhältnismäßig jung, ihre direkten Vorgänger an Ort und Stelle
sind Eichen gewesen, deren Formenkreis jetzt auf den Süden be-
schränkt ist.
Fassen wir die wesentlichsten Züge des Cupuliferen-
Verbreitungsbildes zusammen, so liegt sein Interesse in
der Zerstückelung der Areale gleicher oder nächst ver-
wandter Arten. Ganz anders, als etwa bei den Lärchen
und Fichten, von denen eine Art die andere ablöst, ist
das Areal der Kastanie, oder das der 4 sehr nahe ver-
wandten nördlichen Buchen, durch weite Strecken Landes
zerklüftet, in denen Faginen überhaupt fehlen; die Betu-
linen dagegen hängen wie die Abietinen zusammen. Durch
solche Erscheinungen, wie die der Aliso-Erle in Argen-
tinien, wird übrigens ein Hinweis zur Erklärung der Be-
ziehungen von Fagus und Nothofagus als borealer und
australer Gattungen gegeben: wir verstehen solche Areale
leicht, so lange wir sie noch in ungestörtem oder spuren-
weis zu verfolgendem Zusammenhange sehen; die ganz
getrennten Areale sind nur durch Hypothesen zu verbin-
den, aber wir können erwarten, dass sie ursprünglich
verbunden waren. — Unentschieden aber muss bleiben,
ob die Pasanien eine alte, ursprünglich tropische Eichen-
form, oder aber eine tropische Umformung von südwärts
wandernden borealen Eichenformen darstellen.
4. Die Ericaceen.
Litteratur sehr zerstreut. Wertvolle Beiträge von Breitfeld
und Niedenzu in Engler’s botan. Jahrbüchern Bd. IX und XI.
Siehe auch meine Bearbeitung der Ericaceen in Engler-Prantl,
Natürl. Pflanzenfamilien Bd. IV. T. 1. S. 29.
[193]4. Die Ericaceen.
Holzgewächse allerdings, aber nicht gesellige Bäume,
sondern hohe und niedere Sträucher, noch häufiger dicht-
buschige Halbsträucher, bilden diese etwa 1350 Arten
umfassende grosse Ordnung; sie liefert wertvolle Merk-
male für die Vegetation der einzelnen Ländergebiete, ist
vom höchsten Norden bis zum Feuerlande und Tasmanien
wechselvoll und oft eigene Formationen bildend verbreitet,
lässt in diesem Gesamtareal aber sowohl weite Lücken
von Bedeutung, als auch zeigt sie in ihren Unterord-
nungen der Kontinental-Absonderung oder den nach Nord
und Süd geschiedenen Hauptflorenreichen entsprechende
Verteilung.
Die gedrängte Skizze über die Ericaceenflora der
Erde mag im hohen Norden beginnen. Hier sind ihre
immergrünen Halbsträucher als seltene Vegetationsform
in diesen kalten Klimaten trotzdem noch verhältnismäßig
artenreich und häufig, die Ausbildung laubabwerfender
eigener Gattungen (Arctous alpina) kaum zu verzeichnen.
Grönland zählt noch 16 Ericaceen, darunter 3 Vaccinien,
von denen 7 Arten bis in die nördlichste Zone (76° bis
83°) nach Warmings Einteilung entweder auf der West-
oder Ostküste, oder zugleich beiderseits, sich erstrecken.
Diese nördlichsten Arten sind Arctous (Arctostaphylos) alpina,
Cassiope tetragona, Ledum palustre, Loiseleuria procumbens, Rho-
dodendron lapponicum, Vaccinium Vitis idaea und uliginosum;
ihre Auswahl ist zugleich bezeichnend für die Hauptgattungen im
Bereich der nordischen Tundren und Coniferenwälder. Nicht ganz
soweit nach Norden gehen die anderen Charakterformen Phyllodoce
taxifolia und Andromeda polifolia. — Auf Spitzbergen gibt es nur
2 Ericaceen: Cassiope tetragona und hypnoides, in Taimyrland die
erstere neben Ledum, Arctous, Andromeda.
In den südlicheren Gebieten des nordischen Floren-
reichs treten zahlreichere Gattungen auf, zum Teil aber
schon nach Kontinenten verschieden. Calluna, die ge-
wöhnliche Heide (C. vulgaris = Erica vulgaris) ist europäisch;
die paar verschlagenen Standorte im atlantischen Nord-
amerika, welches Kalmia, Epigaea und Chiogenes dafür
sein eigen nennt, zählen nicht mit. An beiden Küsten
des nördlichen Stillen Ozeans tritt Menziesia auf. Die
Heidelbeeren und Preisselbeeren sind zahlreich, und zumal
Drude, Pflanzengeographie. 13
[194]Verbreitung der nordischen Ericaceen.
ist die gewöhnlichste, V. Myrtillus, eine weit verbreitete
Art, V. Oxycoccus ein häufiger Moorbewohner; die von
diesen rein oder untermischt bedeckten Strecken Landes
sind weit und ausgedehnt in allen drei nördlichen Konti-
nenten, doch erreicht V. uliginosum früher als die anderen
seine Südgrenze.
Besonders gross ist der Reichtum an nordischen
Ericaceen in Kanada, wo 60 Arten zusammenleben,
unter ihnen 19 Vaccinieen (G. J., Bd. XI, S. 131). Hier
mehrt sich nun auch die Zahl der südlich der arktisch-
borealen Halbsträucher und Vaccinien als vornehmster
Charaktergattung zu nennenden Rhododendren, welche teils
aus immergrünen, teils aus laubabwerfenden Arten (die
meisten Azaleen) bestehen. Die „Alpenrosen“ der euro-
päischen Alpen, Karpaten und des Kaukasus werden von
denen des westlichen und östlichen Nordamerikas an
Mannigfaltigkeit weit übertroffen, aber zur reichsten Ent-
wickelung ist diese Gattung in der oberen und mittleren
Region des südlichen Himalaya, in Nepal, Bhutan und
in den verschlungenen Bergketten von Yünnan gelangt,
wo kleine Gesträuche und hohe Gebüsche mit leuchtenden
grossen Blumen, ja selbst kleinere Bäume wechselvolle
Bestände bilden; andere eigentümliche Arten finden sich
in Japan, Ostsibirien und Kamtschatka. Die Südgrenze
findet Rhododendron im tropischen Nordaustralien (Rh.
Lochae einzige Art); die bisher offen gebliebene Areal-
lücke ist in allerjüngster Zeit durch Mac Gregors Erstei-
gung des Mt. Owen-Stanley-Gebirges in Neuguinea aus-
gefüllt, indem er gelbblühende Alpenrosen auch von dort
mitbrachte.
Die Steppengebiete der borealen Subtropen werden
von den Ericaceen gemieden; nur auf niederschlagsreichen
Gebirgen vermögen sie sich noch zu halten, selbst da
nicht immer. So fehlen dem Thian-schan, mit den Moor-
formationen im allgemeinen, alle Vaccinien. Im Gebiete
der Osthänge der Rocky Mts., Colorado, Wyoming, Mon-
tana und dem westlichen Dakota-Kansas gibt es 3 Vac-
cinien (darunter auch V. Myrtillus), Arctostaphylos Uva-
ursi, 1 Gaultheria, 1 Phyllodoce, 1 Kalmia, 1 Ledum,
[195]Verbreitung der amerikanischen Ericaceen.
meistens vereinzelt in Gebirgsmooren und selten weiter
verbreitet; sie alle sind spärliche Eindringlinge der reichen
Ericaceenflora von Columbien, Oregon, Kalifornien.
Bis hierher konnten die 3 Kontinente in zusammen-
hängenden Vergleich gebracht werden; von nun an werden
die kontinentalen Eigentümlichkeiten überwiegend.
Schon das virginische Florengebiet, also die atlan-
tischen Staaten Nordamerikas, enthalten eine grössere Fülle
von eigenen Andromedeengattungen, z. B. den „Sour-wood“
Oxydendrum arboreum, einen Baum von 5—12 m Höhe,
von Florida bis über Mississippi hinaus. Zu der gewöhn-
lichen Andromeda gesellen sich Lyonia- und Leucothoë-
Arten, und hier trifft der ziemlich seltene Fall ein, dass
von derselben letztgenannten Gattung eine viel grössere
Zahl neuer Arten in Brasilien mit Ueberspringung des
Amazonasgebietes wiederkehrt. Eine ähnliche Erscheinung
zeigt die Vaccinium verwandte Gattung Gaylussacia:
gegen 40 Arten sind von Rio durch die brasilianischen
Centralprovinzen bis zu den Anden hin verbreitet, keine
erreicht Centralamerika; aber ein neuer, kleiner Formen-
kreis findet sich in den atlantischen Staaten, drei Arten
noch bei New York. Viele Vaccinium-Arten, aber noch
viel mehr Thibaudien bewohnen die Anden zwischen
15° N. und 15° S. In Mexiko begegnen den borealen
Arbutus- und Arctostaphylos-Arten die nördlichsten „Anden-
rosen“ der Gattung Bejaria. Diese schöne, an die Stelle
von Rhododendron in den tropischen Anden tretende rein
amerikanische Gattung von 15 Arten hat in Columbia
ihr Entwickelungscentrum und bildet hier in niederer
Baumform, z. B. in der Sierra Nevada nach Sievers, eine
besondere Region in 2800—3100 m Höhe; über Peru
geht sie südwärts nicht heraus, Florida erreicht sie noch
in einer Art. Von viel breiterer Erstreckung ist das
Areal von Pernettya, welches ebenfalls in Mexiko seine
Nordgrenze erreicht; im ganzen Zuge der Anden vom
Feuerlande bis dorthin sind die Arten dieser Gattung
verteilt, am zahlreichsten in Chile; sie kommt aber zu-
gleich noch in Neuseeland und Tasmanien vor, erinnert
also in Hinsicht auf Verbreitung an manche australen
[196]Ericaceen in Indien, Südeuropa, Afrika.
Coniferen; überflügelt wird sie noch von der ihr ver-
wandten Gattung Gaultheria, welche nur in Amerika an
beiden Küsten bis zu winterkalten Breiten nordwärts vor-
gedrungen ist, in den tropischen Anden selbst zwischen
Chile und Mexiko sehr artenreich entwickelt sich zeigt,
mit 10 Arten im malayischen Archipel und im Himalaya,
mit 6 in Neuseeland, mit 3 in Südostaustralien und Tas-
manien, mit 1 in Japan auftritt.
Von allen diesen Gattungen hat Europa, speziell das
atlantische Mittelmeergebiet, ebensowenig etwas als Afrika.
Arbutus bildet auf den Canaren und rings um die Mittel-
meergestade einen Schmuck baumartiger Ericaceen mit
fleischigen Früchten; Daboecia geht von den Azoren, wo
sie auf den Berghöhen verbreitet ist und gesellig mit
Calluna rasenförmige Polster bildet, über Nordspanien
bis Irland. Aber der Hauptreichtum liegt hier in der
Entwickelung der Gattung Erica in Halbsträuchern oder
höheren Büschen, unter denen Erica arborea in weiter
Verbreitung als charakteristischer Bestandteil der Maquis
hervorragt; andere Arten, wie Erica Tetralix und Erica
carnea, sind in Mitteleuropa weit gegen Norden vorge-
schoben, und die schon erwähnte gemeine Heide (Calluna
vulgaris) schliesst sich, sie überflügelnd, diesen letzteren
an. Echte Heiden, Erica-Arten und ihre Verwandten, gibt
es also nur in Europa (einschliesslich Westasien) und
Afrika: hier sind sie ausserhalb des Mittelmeerbereichs
in erstaunlicher Artenfülle im letzten südwestlichen Winkel
des Kaplandes zusammengedrängt, und nur einige wenige
Arten sind ausserdem zerstreut auf Bergeshöhen des
tropischen Afrikas. Ausserdem zählt das tropische Ost-
afrika und Madagaskar nur noch einige Andromedeen,
Agauria-Arten. In Asien beginnt erst südöstlich vom
Mittelkamm des Himalaya ein neuer Reichtum tropischer
Ericaceen; einige Andromedeen, der Gattung Lyonia
(Pieris) angehörig, schliessen sich an Amerika an, En-
kyanthus ist in Ostasien endemisch, ebenso Diplycosia,
Gaultherien gibt es auch hier. Aber die Vaccinien haben
hier die den Thibaudien auf den Anden entsprechenden
epiphytischen Sträucher der Agapetesgruppe mit leder-
[197]Ableitungen aus den Ericaceen-Arealen.
artig grossen Blättern und lang-röhrenförmigen Blumen
entwickelt und enden im nördlichsten Australien und auf
den Fidji-Inseln. Tasmanien hat 4 Ericaceen (Gaultheria,
Pernettya), Victoria noch eine endemische Gattung mit
einer Art, sonst hat Australien nichts aufzuweisen und
ersetzt bekanntlich die Ericaceen durch einen neuen Reich-
tum der in den übrigen Weltteilen so gut wie fehlenden
Epacridineen.
Die systematische Einteilung der Ericaceen und Verteilung
dieser Gruppen in die verschiedenen eben genannten Gebiete des
Gesamtareals mag hier in Kürze folgen: Die Rhododendrinen bilden
die erste grosse Unterordnung, ausgeschlossen von Afrika; in
Südamerika liegt ihre Südgrenze im Areal von Bejaria, auf den
Azoren im Areal von Daboecia polifolia, in Spanien, im Kaukasus
und im malayischen Archipel, in der Südgrenze von Rhododendron
selbst; sie ist daher als eine arktische, boreale, boreal-subtropische
und tropisch-montane Gruppe anzusehen.
Die zweite Unterordnung der Arbutinen ist besonders in der
Tribus Andromedeen und Gaultherieen am weitesten verbreitet,
fast so weit als das Gesamtareal der Ordnung reicht, doch mit
Ausschluss des Kaplandes; die Gruppe von Andromeda selbst ist
am allgemeinsten zu finden, fehlt aber in Australien. Dasselbe
gilt auch im allgemeinen von der dritten Unterordnung der Vacci-
ninen, von welcher Vaccinium selbst eine enorme Verbreitung von
Grönland an durch alle borealen Florenreiche, auf der Andenkette
bis Peru (nicht aber südwärts vordringend), auf den Sandwich-
und den ostafrikanischen Inseln besitzt. Die beiden tropischen
Florenreiche von Amerika und Indien-Malesien aber haben die
epiphytischen Thibaudieen für sich allein, Amerika mit Thibaudia,
Indien mit Agapetes.
Die vierte Unterordnung endlich, die der Ericinen, ist auf
Europa, das Mittelmeerbecken und Südafrika nebst einigen Zwischen-
stationen im tropischen Afrika beschränkt.
Die besonderen Züge der Ericaceenverteilung liegen
also in der Weite und Zerstreutheit des Gesamtareals,
wobei ziemlich verschiedene Klimate ohne starke Ver-
änderung der Vegetationsorgane ertragen werden. Die
Absonderung der kontinentalen Florenreiche zeigt sich
in einigen scharfen Gruppenumgrenzungen, zumal für die
echten Heiden. Andererseits finden sich in dieser Familie
mehrere Fälle auffallender Verwandtschaft zwischen Tropen-
und borealen Floren; nicht nur haben die Gaylussacien
Brasiliens in Nordamerika Gattungsgenossen und in den
[198]5. Die Myrtaceen.
Heidelbeeren Verwandte, sondern die Andromedagruppe
ist gleichzeitig in Brasilien und Virginien (am üppigsten),
in Ostafrika (schwach), in Indien und Ostasien, dann aber
mit einigen kühleren Arten und besonders mit der cir-
cumpolar verbreiteten und hoch gen Norden reichenden
Andromeda polifolia in einer die scharfen Florenreichs-
grenzen überbrückenden Analogie entwickelt.
5. Die Myrtaceen.
Gut bei uns bekannt durch die südeuropische Myrte
und die australischen Gumbäume bildet diese artenreiche,
sicherlich über 2000 gute Arten zählende und in den
einzelnen Floren einen um mehrere Hunderte haltenden
Artbestand aufweisende Ordnung einen wertvollen Cha-
rakterzug der tropischen und subtropischen Holzpflanzen-
Vegetation, sei es in hohen Bäumen der Regenwälder
oder der immergrünen, trockenere Jahreszeiten ertragen-
den Baumbestände, sei es als hohe Gebüsche oder niedere
Gesträuche, da nur einige Ausnahmen (Careya herbacea)
krautartige Formen darstellen.
Das Areal der Myrtaceen ist auf Karte Nr. 45 in
Berghaus’ Physikalischem Atlas ebenfalls dargestellt: In
Amerika liegt die Nordgrenze im mittleren Mexiko und
südlichen Florida, woselbst noch mehrere Eugenia-Arten
und Calyptranthes Chytraculia, alles kleine Bäume, vor-
kommen. In Europa wird das Areal von der Nordgrenze
des einzigen Repräsentanten im Mittelmeergebiet und im
Orient: Myrtus communis, abgeschlossen, schliesst dann
mit den im tropischen Himalaya ansteigenden Arten und
endlich mit einigen wenigen noch in Japan lebenden
Arten (Rhodomyrtus tomentosa, Metrosideros etc.) ab.
Die borealen Subtropenländer sind also entweder (wie
Kalifornien) ganz vom Myrtaceenareal ausgeschlossen,
oder von einigen sehr wenigen Arten weit verbreiteter
Gattungen bewohnt. Im Süden ist ihr Gebiet verhält-
nismäßig weiter ausgedehnt, indem eine Art, Myrtus
nummularia, als niederliegender, 2 oder höchstens 5 bis
[199]Die Charakter-Myrtaceen Australasiens.
10 Zoll sich erhebender Halbstrauch einen häufigen Nieder-
buschbestand der Flora der Maluinen bildet; das Kap-
land, ganz Australien und Tasmanien, Neuseeland und
auch die Aucklandinseln haben alle ihre mehr oder we-
niger reiche Myrtaceenflora.
Systematisch zerfällt die Ordnung in drei wohl zu unter-
scheidende Unterordnungen: 1. Die Myrtinen selbst bilden a) die
Gruppe der trocken-(kapsel-)früchtigen Sippen mit den grossen
Gattungen Baeckea, Leptospermum, Melaleuca, Metrosideros und
besonders Eucalyptus, dann b) die Gruppe der saftig-(beeren-)früch-
tigen mit den hervorragenden Gattungen Campomanesia, Psidium,
Calyptranthes, Myrtus, und besonders den, nach den Floren je 400
bis 500 Arten zählenden Myrcia und Eugenia. 2. Die Barringto-
ninen bestehen aus nur 6 Gattungen mit etwa 40 Arten, unter
denen Barringtonia in Asien und Afrika, Gustavia in Amerika den
Vorrang haben. 3. Die Lecythidinen mit ihren, riesigen Deckel-
krügen oder Hohlkugeln vergleichbaren Holzkapseln bestehen aus
5 amerikanischen Gattungen, Lecythis mit 50 Arten obenan, be-
rühmt auch Couratari, Couroupita, und die Brasilnuss liefernde
Bertholletia excelsa.
Tritt also auch in der Verteilung von Barringtonia
und Lecythis samt ihren nächsten Genossen der oft her-
vorgehobene Unterschied nach kontinentaler Absonderung
hervor, so zeigt sich etwas besonders Interessantes in der
Verteilung der kapsel- und der beerenfrüchtigen Myrtinen.
Es ist hervorgehoben, dass Australien mit Neuseeland und
den nördlich angrenzenden Inseln bis zur Makassarstrasse
sich floristisch durchaus nicht so scharf von Indien und
Afrika abhebt, als faunistisch, so dass ja sogar die Kon-
struktion einer Florenreichsgrenze an dieser Stelle nicht
ein altbekanntes oder allgemein angenommenes Prinzip
ist. Nun wohl, die Myrtaceen entsprechen allerdings
einer solchen Florenabsonderung, indem fast alle trocken-
früchtigen Gattungen in Australien und im Inselreich nur
wenig westwärts und nordwärts von Celebes zu Hause
sind, während die durch Myrcia und Eugenia charakte-
risierten beerenfrüchtigen Gattungen mit der Hauptmasse
ihrer Arten in Indien und im tropischen Amerika stecken,
ausserdem die schwache Myrtaceenbevölkerung Afrikas
bilden. Aber man ersieht auch hier, wie die berühmte
Makassarstrasse für Florenabgrenzung keine zwingende
[200]Die Charakter-Myrtaceen Amerikas etc.
Scheidelinie hat sein können, weil die Leichtigkeit der
pflanzlichen Wanderung oder Verschlagung sie überbrückt.
Denn nicht nur gehen nach Birma und dem britischen
Vorderindien noch 9 Arten kapselfrüchtiger Gattungen
(Melaleuca Leucadendron, Tristania etc.), sondern umge-
kehrt sind auch von den beerenfrüchtigen Gattungen 7
mit 43 Arten (Myrtus, Rhodomyrtus, Rhodamnia, Euge-
nia etc.) an der Ostküste (keine an der Westküste)
Australiens, fast alle in Queensland, verbreitet und begeg-
nen hier also den Eucalyptus-, Melaleuca-, Baeckea-,
Calycothrix- und Darwinia-Arten, welche ihrerseits ihr
Hauptentwickelungsgebiet im südwestlichen Australien
haben. 32 Gattungen trockenfrüchtiger Myrtaceen sind
auf Australien beschränkt, die Hälfte davon allein auf
Westaustralien.
In zweiter Stelle an Reichtum eigener Gattungen
steht das tropische Amerika da (etwa 22 endemische
Gattungen oder Untergattungen), während Indien, mit
Nord- und Nordostaustralien in Verbindung gedacht, viel
weniger eigene Gattungen entwickelt hat. Auch sind die
Artenzahlen in Indien viel geringer: Britisch-Indien zählt
etwa 160 Arten, das holländische Indien etwa 200; Bra-
silien zählt dagegen nach Berg, welcher allerdings die
Arten etwas zersplittert haben mag, 700 Arten, von denen
176 allein auf das Amazonasgebiet beschränkt, 188 im
nordöstlichen Teil des Landes, 442 in der Camposregion,
310 im atlantischen Küstenstrich Bahia-Rio, 117 endlich
in Südbrasilien heimisch sind und nur 67 eine weitere
Verbreitung zwischen diesen Landesteilen zeigen. Und
noch über 80 Arten finden sich im nördlichen Myrtaceen-
areal Amerikas zwischen Panama und den südlichen
Staaten von Mexiko, darunter 38 Eugenia. Auch Chile
zählt noch 63 Arten, unter denen Myrten und Eugenien
vorwiegen.
Diesen Zahlenverhältnissen gegenüber ist die Armut
Afrikas sehr auffallend: im ganzen Kontinent steckt nur
etwa ein Dutzend Arten, von denen Myrtus communis
nur die Mediterranregion bewohnt, dann auf die trockene
Wüste und Savane ohne Myrtaceen erst in Ober- und
[201]Ableitungen aus den Myrtaceen-Arealen.
Niederguinea einige Eugenia-Arten, auch Petersia africana
in Angola, dann einige andere Arten im oberen Nilgebiet,
am Zambesi und bis Natal herab folgen; 4 Arten kann
man als richtige Kaplandbewohner ansehen, Metrosideros
angustifolia und Eugenia capensis mit 2 anderen Arten,
unter denen Metrosideros die einzige Gattung der kapsel-
früchtigen Myrtaceen darstellt mit sehr weitem altwelt-
lichem Gebiete (Australien, Malesien, Neukaledonien, Ost-
asien, Südafrika, südliche Inseln bis zur Aucklandgruppe).
Folgendes sind also die wesentlichen Züge der Myr-
taceenverbreitung: die Ordnung ist vorwiegend tropisch,
in den Subtropen nur auf der südlichen Halbkugel noch
stark entwickelt. Die Hauptscheide hat sich zwischen
Australien einer-, und allen anderen Tropengebieten an-
dererseits herausgebildet; der tropische Nordosten dieses
Kontinents wirkt aber auch hier vermittelnd. Afrika hat
nur eine ärmliche Eigenentwickelung aufzuweisen. Die
amerikanischen Sippen der Myrtaceen sind zwar diesen
und den indischen verwandt, sind aber nach vielen Gat-
tungen und fast allen Arten geschieden, und es sind die
Lecythideen alle auf das tropische Amerika beschränkt.
6. Die Proteaceen.
R. Brown, Verm. botan. Schriften Bd. II, S. 62—69. — Drude
in Schenks Handbuch der Botanik Bd. III, T. 2, S. 200 und 217.
— Engler in Engler-Prantls Natürlichen Pflanzenfamilien Bd. III,
Abt. 1, S. 125. — Untersuchung der fossilen Proteaceen in Europa:
Ettingshausen, viele Einzelschriften im Jahrbuch der K. K. geolog.
Reichsanstalt, Denkschriften und Sitzungsberichte der K. Akademie
zu Wien, zusammengefasst in einer Broschüre: Das australische
Florenelement in Europa. Graz 1890. — Schenk, Paläophytologie
(Handb. d. Paläontologie), S. 645—665.
Fast tausend Arten von kleineren, seltener hohen
Bäumen und mächtigen oder niedrigen Sträuchern, mit
lederig-immergrünen, sehr vielgestaltigen Blättern, nur
ausnahmsweise frühzeitig blühend und dann wie einjährige
Gewächse erscheinend, besiedeln hauptsächlich die australen
Florenreiche und zeigen sich sporadisch in den Tropen,
ohne in die boreal-subtropischen Gebiete einzudringen.
[202]6. Die Proteaceen.
In dem gesamten, dennoch nicht so ganz engen Areal
der ganzen Ordnung spielen jedoch die Bestände der
Tropen und selbst die des südlichen Amerikas, wo sie
sich nur an der Westküste finden, eine so mäßige Rolle,
dass man bei dem Namen „Proteaceen“ alle Ursache hat,
sogleich an die Flora des Kaplandes und des extratropi-
schen Australiens, hier vornehmlich wiederum an die des
südwestlichen Australiens, zu denken. Nach Englers
Darstellung entfallen auf Australien 591 (auf Südwest-
australien 376!), auf das südwestliche Kapland 262 Arten,
während Neukaledonien 27, das indisch-malayische Floren-
gebiet vom Himalaya bis Cochinchina 25, Neuseeland
nur 2, dann das tropische Südamerika 36, Chile bis Kap
Horn 7, das tropisch-afrikanische Gebirgsland bis Abes-
sinien 5, Madagaskar wiederum nur 2 Proteaceen-Arten
besitzt; alle diese Zahlen kann man im allgemeinen als
zugleich die Zahl der Endemismen bezeichnend ansehen.
Hieraus folgert Engler mit Recht eine allgemeine
klimatische Sphäre der Ordnung, für deren Entwickelung
regenreiche Gebiete ungünstig wirken und nur bei we-
nigen Gattungen (Roupala, Helicia, Knightia, auch einigen
Embothrien im antarktischen Amerika) Erfolg hatten;
die grosse Mehrzahl der Proteaceen ist auf die australen
Subtropen mit regelmäßigem Wechsel von reichlichen
Niederschlägen und trockenen Ruheperioden angewiesen,
und in die Wüsten oder auch nur regenunsicheren Steppen-
gebiete gehen ihre Arten nicht hinein. Aber auch hier
schon sei sogleich bemerkt, dass klimatische Gründe für
das Fehlen der Proteaceen im atlantischen Südeuropa,
in China-Japan (wo wenigstens als tropisch-indische Gat-
tung Helicia lancifolia das Gebiet berührt), oder im mexi-
kanisch-floridanischen Gebiet sich nicht ersehen lassen.
Die landschaftliche Rolle dieser interessanten Ord-
nung ist wenig eingehend geschildert. Nach R. Brown,
der jedem Charakterzuge der Natur seine Aufmerksam-
keit schenkte, sind nur sehr wenige Proteaceen den ge-
selligen Arten, welche in ausgedehntem Zuge ihre Ver-
wandten ausschliessen, zuzuzählen. Den Silberbaum:
Leucadendron argenteum, gibt schon er als passendstes
[203]Allgemeine Verbreitung der Proteaceen.
Beispiel solcher Charakterpflanzen dieser Ordnung unter
den südafrikanischen Arten an, ausserdem die Protea
mellifera, und von australischen Arten nennt er Banksia
speciosa als einziges Beispiel eines solchen Vorkommens.
Der Lieblingsstandort der Proteaceen ist auf trocknen,
steinigen Triften besonders der Küstenstriche, wo sie auch,
wiewohl seltner, im lockeren Sande vorkommen; keine
Art verlangt in Australien guten Boden, wenige sind
sumpfliebend, und eine, Embothrium ferrugineum, liebt
salzige Moräste. Andere Arten, dieser letzteren verwandt,
beobachtete R. Brown über 1000 m hoch auf den Ge-
birgen Tasmaniens ansteigend.
Auch bei dieser Ordnung hat die Gruppenbildung nach
System und Wohngebieten nun wiederum ein hohes Interesse unter
dem Gesichtspunkte, ob die Tribus alle getrennte oder hier und
da zerstreute Areale innehaben. Wären die Tribusareale alle nach
Kontinentalflorenreichen gesondert, so würde das für eine lang-
andauernde Sonderentwickelung sprechen; wären sie alle zerstreut
und wäre die Gattungszugehörigkeit von Südamerika bis zum
Kapland und Australien im allgemeinen gleichartig, so würde das
für einen sehr deutlichen gemeinsamen Ursprung reden, so wie
wir dies Resultat bei den borealen Cupuliferen und Abietineen ge-
zogen haben. Thatsächlich sprechen die Areale mehr für die
Sonderentwickelung, aber nicht so deutlich, dass nicht auch die
Verbreitung einzelner Gattungen über weitere Meeresräume hinweg
daneben anzunehmen wäre; also die Verschlagungen oder die ge-
meinsame Weiterentwickelung eines ursprünglich gleichen Stammes
an verschiedenen Punkten der Erde beanspruchen ebenfalls ihr
Recht. — Unter diesem Gesichtspunkte verdienen die Tribus mit
ihrem ungefähren Areal hier namentlich angeführt zu werden, da
über alle Diskussion erhaben die Kenntnis der thatsächlichen Vor-
kommnisse steht:
Tribus 1. Persoonieen: 10 Gattungen fast nur in Australien,
berühmt besonders die 60 Arten zählende Gattung Persoonia, von
der 1 in Neuseeland vorkommt; ein Monotyp: Brabeium, zählt aus
der Kapflora hierher.
Tribus 2. Franklandieen: Nur 2 Arten der westaustralischen
Gattung Franklandia.
Tribus 3. Proteen: 14 Gattungen in Australien und Afrika;
durch Artenreichtum ausgezeichnet besonders Petrophila (35 Arten
Australiens, davon 30 Westaustralien allein angehörig), Serruria
mit 50 Kaplandarten, Protea selbst mit 60 Arten am Kap und 2
montanen im tropischen Afrika, Leucospermum (Kap); 1 Art geht
bis Abessynien: L. Rochetianum), und Leucadendron mit zahl-
reichen Kaplandarten, unter denen L. argenteum als eigene Be-
stände bildend besonders berühmt ist (G. J., XI, 137).
[204]Areale der Tribus der Proteaceen.
Tribus 4. Conospermeen, enthält nur 2 australische, haupt-
sächlich westaustralische Gattungen.
Tribus 5 und 6. Grevilleen und Embothrieen, mit 16, bezw.
6 Gattungen, sind von weiterer Verbreitung, aber fehlen in
Afrika. Grevillea selbst ist mit 156 Arten die grösseste austra-
lische Proteaceen-Gattung, ebenso ist Hakea mit 100 Arten rein
australisch. Dagegen ist Helicia mit 25 Arten von Silhet im öst-
lichen Himalaya und von Ceylon bis Cochinchina und im malayi-
schen Archipel verbreitet, ihr Analogon Roupala mit 36 Arten in
Guyana, den Anden von Peru, Columbien und Guatemala, und
hauptsächlich im tropischen Brasilien, sehr schwach in Australien
und Neukaledonien; ebenso sind noch Panopsis und Euplassa je
8 Arten zählende brasilianische Tropengattungen. Kermadecia ist
mit 4 Arten neukaledonisch und ihr Vorkommen in Ostaustralien
ist zweifelhaft; Guevina Avellana endlich ist die einzige, „Hasel-
nüsse“ liefernde Art der chilenischen Gebirgswälder bis 45° S.
herab. — Hier tritt uns also die erste austral-amerikanische West-
küsten-Gattung entgegen, in Embothrium die zweite, von der Ma-
gellanstrasse bis Valdivien, Peru und Quito verbreitete, zu der
aber eine Art (E. Wickhami) weitab von diesem Hauptareal zu
den australischen Proteaceen in Queensland gehört. Von Lomatia
bewohnen 4 Arten Australien, 2 Tasmanien, 3 Chile, endlich von
Knightia 2 Arten Neukaledonien und 1 Neuseeland; Roupala,
Embothrium und Lomatia sind also amerikanisch
und australisch.
Tribus 7. Banksieen: Nur 2 sehr grosse Gattungen: Banksia
enthält 46 australische Arten im ganzen Kontinent bis Neuguinea,
Dryandra 47 durchaus auf Westaustralien beschränkte Arten. —
Es sind also 3 Tribus (mit allerdings nur 5 Gattungen) in Austra-
lien endemisch, 2 andere zwischen Australien und Südafrika ge-
meinsam, die 2 letzten teilt Australien mit dem indischen Insel-
reich und Neuseeland und Südamerika, aber diese beiden fehlen
im Kaplande. Es ist also keine Tribus von allgemeinerer Ver-
breitung, geschweige denn irgend eine der 50 oder mehr Gat-
tungen.
Wir sehen daher in der Verbreitung der Proteaceen
für die australen Florenreiche etwa ein Analogon zu den
Verteilungsverhältnissen der Palmen in den Tropen ge-
bildet: keine Tribus gemeinsam zwischen Südafrika,
Australien, Südamerika; keine Gattung zwischen Kapland
und Australien gemeinsam; nur 4 Gattungen gemeinsam
zwischen der australen asiatischen und der australen west-
amerikanischen Gebietsgruppe; in Südafrika eigentlich
nur eine einzige Tribus (Protea) kräftig entwickelt; in
Australien fehlt keine Gruppe ganz und sind mehrere
ganz endemisch. In diesem letztgenannten Punkte weichen
[205]Problem der tertiären Proteaceen in Europa.
die Proteaceen von den als Vergleich hingestellten Pal-
men ab; denn diese verteilen sich gleichmäßiger zwischen
Indien und Amerika, ohne dass ein Florenreich mit allen
Hauptgruppen des Palmensystems genannt werden könnte.
Diese jetzige Verteilungsweise und kontinentale Ab-
geschlossenheit bestimmter Gruppen muss man erwägen,
um das Befremdende der Annahme, dass in geologischer
Vergangenheit auch Europa Proteaceen besessen habe, zu
würdigen. Dryandra- und Banksia-Arten sollen in den
Tertiärschichten Europas, zumal Oesterreichs, fossil er-
halten geblieben sein, und als Beweis dafür werden ausser
schlecht erhaltenen Früchten einzelne Blattabdrücke von
gewiss den Proteaceen entsprechender Form und Nervation,
doch nicht unumstösslich zwingend wegen der Aehnlich-
keit weit im System abstehender Pflanzengruppen, vor-
gebracht. Ettingshausen ist der hauptsächliche Verteidiger
der „tertiären Mischlingsflora“ australischer Typen in den
borealen Floren und umgekehrt, so dass nach dieser An-
schauung erst durch Aussterben verschiedener Sippen in
verschiedenen Gebieten die gegenwärtige Arealabsonde-
rung der meisten herrschenden Systemgruppen entstanden
wäre. Dieser Meinung gegenüber steht die andere von
dem allmählichen Herausbilden dieser Verteilung durch
abgesonderte Entwickelung auch schon in der Tertiär-
periode; denn es ist thatsächlich auch bei den Proteaceen
nicht zu verstehen, warum sie alle im Mediterranfloren-
reich spurlos hätten verschwinden müssen, wo doch in
Abessinien wenigstens Arten der südafrikanischen Gruppe
vorhanden sind, welche man ebensowohl als Resterschei-
nungen, wie als montane Verbreitungssiedler deuten kann.
Wäre z. B. an Stelle des abessynischen Leucospermum
Rochetianum dort eine Dryandra, welche Gattung jetzt
ja nur in Westaustralien artenreich lebt, so lägen die
Verhältnisse schon in etwas anders. Da aber die Be-
stimmung fossiler Blattabdrücke höchstens für Gattungen,
streng genommen nur für Artgruppen, zwingenden Wert
hat, so kann man sich auch nicht damit trösten, dass die
europäischen Tertiärproteaceen vielleicht Protea-Tribusge-
nossen gewesen seien.
[206]7. Die Liliaceen.
Zwei ganz verschiedene Ableitungen stehen sich hier
gegenüber: die Bestimmung fossiler Blütenpflanzen aus
Blättern und mangelhaften Fruchtresten, welche unsicher
ist, und die aus der Pflanzengeographie in Verbindung
mit einer summarischen Kenntnis paläontologischer Be-
funde abgeleitete Anschauung von Florenentwickelung,
welche trügerisch sein kann. Fallen beide Ableitungen
zu demselben Resultat zusammen, so ist man geneigt,
dasselbe als gesichert zu betrachten; ersteht ein Wider-
spruch zwischen beiden, so tritt das Unsichere in beider
Grundlagen um so deutlicher hervor. Doch liegt es im
Interesse der Forschung, die Frage lieber als offen zu
betrachten, weil dieser Zustand zum Aufsuchen exakterer
Gründe und Beweismaterien Veranlassung gibt.
7. Die Liliaceen.
S. Watson, Contributions to american botany, in Proceedings
of the American Academy of arts and sc. XIV. (1879) S. 285. —
Engler in Natürl. Pflanzenfamilien II, T. 5, S. 16. — Grisebach,
Veget. d. Erde Bd. II, S. 210 (Xanthorrhoea).
Die Liliaceen zählen 200 Gattungen und das Zehn-
fache an Arten (vielleicht 2300), verbreitet vom hohen
Norden bis zu den australen Gebieten südwärts herab.
Die überwiegende Zahl ihrer Formen bildet ausdauernde
Kräuter mit kriechendem, fleischigem oder in Zwiebeln
umgebildetem Wurzelstock, mit saftig-frischen, jährlich
sich erneuernden Blättern; andere sind Holzpflanzen (die
Dracänen- und Xantorrhöengruppe) mit kurzem dicken
Stamm und schmalen immergrünen Blättern; andere end-
lich entwickeln als Schutz gegen Dürre dickfleischige und
ausdauernde Blätter (Aloë).
Dieser Mannigfaltigkeit der Vegetationsorgane mag
es zuzuschreiben sein, dass die Liliaceen in sehr ver-
schiedenen Klimaten sich heimisch gemacht und oft zu
seltsamen, wenigstens dem Europäer fremdartigen Cha-
raktertypen geführt haben. Sie scheuen den hohen Norden
nicht: Lloydia serotina ist im Taimyrlande von Midden-
[207]Allgemeine Verbreitung der Liliaceen.
dorff noch bis 75° N. beobachtet worden; zwei Arten
anderer Unterordnungen, nämlich Tofieldia borealis und
Streptopus amplexifolius, gehen in Grönland 10° über den
Polarkreis hinaus oder bis zu diesem. Im nordischen
Florenreich sind die Convallarien, Allium-Arten, in Europa
und Afrika dazu der Reichtum der Hyacintheen und Scil-
leen entwickelt. Fast überall in den Tropen finden sich
Smilax-Arten; über die den sommerdürren Klimaten der
beiden subtropischen Ländergruppen angepassten Gruppen
wird noch besonders die Rede sein. Während die süd-
amerikanische Westküste ihre eigenen Gattungen hat,
leben etwa 15 Arten aus gewöhnlicheren Gruppen auch
in Argentinien (Allium, Herreria, Smilax etc.); ein reicher
Liliaceenflor ist zusammen mit anderen Zwiebelgewächsen
im südafrikanischen Florenreich entwickelt.
Die Systematik der Liliaceen ist schwierig, ihre grossen Züge
sind zudem nicht für geographische Zwecke zu verwerten, weil
eine Harmonie zwischen Verwandtschaft und Heimat erst in den
kleineren Gruppen, in den Tribus oder deren Gattungen, klar zu
Tage tritt. Es mag daher hier nur erwähnt werden, dass ich die
Liliaceen hier in dem weiten Sinne der unter dem Ordnungsnamen
angeführten Litteratur verstehe, nach welcher also die Asphodelinen
mit Asphodelus, Hemerocallis, Aloë, die australischen Xanthorrhöen
und ihre Verwandten, ferner Allium, die Tulipa- und Scilla-Tribus,
dann die beerentragenden, als Asparageen oder Smilacineen sonst
unter eigenem Ordnungsnamen zusammengefassten Gattungen, die
Drachenbäume (Tribus der Dracaena und Yucca), endlich auch
noch die sonst als Colchicaceen von den echten Liliaceen getrennt
gehaltenen Tribus von Colchicum, Veratrum, Uvularia und Tofieldia
alle unter dieser einen grossen Ordnung zusammengefasst werden.
Sie bildet bei Engler danach nicht weniger als 31 Tribus, und
einige derselben sollen nun im folgenden wegen ihrer charakteri-
stischen Verbreitung näher geschildert werden.
Die Xanthorrhöengruppe Australiens. —
Auch in der Liliaceenordnung besitzt Australien einige
Absonderlichkeiten, welche wert sind, hervorgehoben zu
werden. Schon die krautartige Tribus der Johnsonieen
ist mit 7 Gattungen dort endemisch. Viel merkwürdiger
sind die baumartigen Xanthorrhöen. Ihr Habitus ist
als Vegetationsform unter eigenem Namen von Grise-
bach schön geschildert; der Name der englischen Ko-
lonisten „Grass-trees“ oder „Black-boys“ zeigt genugsam
[208]Die Xanthorrhöen in Australien.
an, dass sie dem Ansiedler auffällig sind und einen her-
vorragenden Zug in gewissen Teilen der australischen
Landschaft ausmachen. Ein monokotyler, kurzer und
dicker Stamm nach Art dicker Dracänen, einfach oder
in wenige gleiche Aeste gegabelt, mit einer dicken Ro-
sette langer Grasblätter auf der Stamm- oder Astspitze,
aus der die Blütenstiele mit reicher Blütenähre oder mit
dickem kugligen Blütenkopf sich in Ein- oder Mehrzahl
erheben: das ist das Wesentliche. Die Stammhöhe bleibt
bei den meisten Arten gering (unter 1 m), geht nur selten
auf 2—5 m hinauf (bei der am Swan River gemeinen
Xanthorrhoea Preissii), und soll bei Kingia australis das
Maximum von 7—9 m erreichen; die Blätter haben da-
gegen oft die Länge von 1 m bei nur 2—4 mm Breite,
sind dabei starr und mit scharfen Rändern versehen, mit
seidenhaarigen Ueberbleibseln nach ihrem Abfall von den
unteren Ringen des Stammes. Nur Dasylirion im mexi-
kanischen Gebiet hat ähnliche Blätter! — Mit Ausnahme
einer Art, Xerotes Banksii, welche Australien und Neu-
kaledonien gemeinsam ist, sind alle hierher gehörigen
Pflanzen auf Australien und Tasmanien beschränkt, scheinen
auch dem Nordwesten des Kontinents vom Gascoyne River
an bis zum Gebiet des Roper River in Nordaustralien
gänzlich zu fehlen, sind auch wohl stellenweise in den
Wüsten des Innern selten, sonst aber in dem ganzen
Areal vom Carpentaria-Golf und Kap York an der Ost-,
Süd- und Südwestküste zahlreich an Arten und Pflanzen
entwickelt, am formenreichsten und häufigsten in dem
westaustralischen Gebiete vom King George Sunde bis
zum Swan River, in weniger besonderen Arten in Neu-
südwales und benachbartem Gebiet.
Die Gruppe zerfällt in 2 Tribus: 1. Die Xerotideen (oder
Lomandreen) bestehen aus 4 Gattungen, darunter Xanthorrhoea
selbst. Diese zählt 11 Arten; keine hat eine Fundstelle in Nord-
australien, aber 5 sind auf Fundstellen an der Ostküste von Rock-
hampton bis Port Jackson und den Blue Mts. beschränkt, während
eine 6. ebendort und zugleich in Victoria und Tasmanien vor-
kommt; die beiden letzteren Gebiete haben eine andere Art auf
sich beschränkt; Südaustralien hat 2 Arten endemisch; Südwest-
australien besitzt in der zwischen Albany und Perth gelegenen
Ecke 2 andere Arten (X. gracilis und Preissii) endemisch. Die
[209]Andere Liliaceen-Gruppen.
Gattung Dasypogon mit 2 Arten ist ebenfalls nur dort gefunden,
ebenso noch 2 andere Gattungen.
Xerotes ist die grösste Gattung dieser Gruppe mit 29 Arten,
von denen einige die Inseln der Nordküste und zahlreiche Stand-
orte der tropischen und extratropischen Ostküste allein bewohnen,
viele sich bis zur Südküste verbreiten, und andere in der West-
ecke des Kontinents allein vorkommen.
2. Die Calectasien umfassen 3 Gattungen mit nur je einer Art,
die wiederum alle im südwestlichen Gebiete einheimisch sind und
von denen nur Calectasia cyanea über die Südküste bis zu den
Grampian Mts. in Victoria sich verbreitet hat; Kingia australis
am Swan River und King Georges Sund charakterisiert mit den
Verwandten Lomandra und Dasypogon aus der ersten Tribus das
Landschaftsbild. — Es ist also auch diese Gruppe zugleich sehr
geeignet, ein kleines Beispiel für die endemischen Charakterzüge
in der australischen Flora zu bieten.
Die australen Luzuriageen. Diese Gruppe gehört
zu den beerentragenden und ist den Smilaceen verwandt;
ihre Gattungen sind meist kletternd, strauchförmig, zu-
weilen sogar epiphytisch wachsend; ihr Habitus ist von
einer herrlichen Kalthauspflanze unserer Gartenkultur:
Lapageria rosea, ziemlich bekannt. Die ganze Gruppe
besteht aus nur 6 oder 7 Gattungen, von denen die
meisten wiederum nur je 1 Art enthalten; 3 Gattungen
finden sich an der südamerikanischen Westküste von
Peru bis zur Magellanstrasse, 2 andere sind im östlichen
Australien endemisch, 1 Gattung im östlichen Südafrika.
Eine neukaledonisch-pazifische Gattung ist noch nahe
verwandt; Luzuriaga selbst aber, die zu den südamerika-
nischen Gattungen gerechnet war, hat eine von Patagonien
und dem Feuerlande bis zu den Falklandsinseln und nach
Neuseeland verbreitete Art (Luzuriaga marginata). Da
diese Tribus sonst nirgends vorkommt, so gehört sie zu
den wenigen erlesenen Systemgruppen, in denen sich eine
gleichmäßige Florenentwickelung der australen Gebiete:
Chile-Feuerland, Neuseeland, Ostaustralien, Südafrika,
ausspricht, und sie entspricht darin also den Proteaceen.
Allium und Gilliesia. Während die Lauchgattung
Allium mit 270 Arten, von denen eine Hauptmasse in
Turkestan und Westasien, Süd- und Mitteleuropa steckt,
weite Verbreitung besitzt (Nord- und Südamerika, Nord-
afrika bis Abessinien; — fehlt in Australien gänzlich!),
Drude, Pflanzengeographie. 14
[210]Liliaceen: Dracaena, Aloë.
auch noch mehrere verwandte Gattungen diese Heimat
teilen und Mexiko oder Chile hinzufügen, so hat die kleine,
nach Gilliesia benannte, 7 Gattungen mit nur 10 Arten
zählende Gruppe eine sehr beengte Heimat an der West-
küste Südamerikas in Chile, 1 Art noch um Lima. Sie
gleichen den Allien sehr stark im Gesamtaussehen, haben
aber so abweichend-unregelmäßige Blüten, dass eine be-
sondere Familie auf sie begründet worden war: derartig
abweichende Formen pflegen häufig ein enges Areal zu
besitzen.
Die Drachenbaumgruppe. Dieselbe ist von den
kaltgemäßigten Gebieten ausgeschlossen. Zunächst stellt
Yucca eine circa 20 Arten zählende, berühmte Gattung
der südlichen Union und Mexikos dar, ihr folgen Nolina
(oder Beaucarnea) und Dasylirion mit je 10 Arten im
gleichen Gebiet, niedrige Bäume mit dickem Stamm, an
Wuchs den australischen Grasbäumen vergleichbar. Die
echten Drachenbäume, aus den Gattungen Cordyline und
Dracaena bestehend, sind mit gegen 50 Arten in den
wärmeren Ländern der Alten Welt zerstreut: Dracaena
Draco, bis 18 m hoch, auf den Canaren; ähnliche Arten
in Ostafrika, andere im tropischen Afrika, auf den Mas-
karenen, im Himalaya, in Ostaustralien und auf Neusee-
land; nur 1 Cordyline-Art wird aus Amerika angegeben.
Zu erwähnen ist noch als weitere verwandte Gattung
Astelia, welche sich in ihrer subtropisch-australen Ver-
breitung zwischen Australiens Alpen, Neuseeland und der
südamerikanischen Westküste wiederum den obengenannten
Luzuriageen anschliesst.
Aloëen. Die durch ihre dickfleischigen Blätter aus-
gezeichnete Aloëgruppe, aus nur 5 Gattungen mit vielen
Arten bestehend, ist ein richtig-afrikanischer, hauptsäch-
lich südafrikanischer Typus. Aloë selbst mit 85 Arten
durchdringt vom Kaplande aus die trockenen Berg- und
Savanenländer Afrikas bis Abessinien, geht mit einer
Art (Aloë vera) sogar bis weit in das Mediterrangebiet
hinein, und findet sich auf den malagassischen Inseln bis
Rodriguez. Drei andere Gattungen mit zusammen über
100 Arten sind auf das Kapland fast beschränkt; die
[211]Ableitungen aus den Liliaceen-Arealen.
letzte (Lomatophyllum) mit Holzstamm und breiten Fleisch-
blättern bewohnt Mauritius und Bourbon.
Die borealen Liliaceentribus. Eine Reihe von
Gruppen zeigt gegenüber den eben in ihrer Verbreitung
gezeichneten eine Beschränkung auf die kalten oder
montan-subtropischen Gebiete der nördlichen Zone; ihre
Arten bewohnen Nordamerika, Ostasien und den Hima-
laya, Sibirien und Europa, manche bevölkern auch die
centralasiatischen Steppengebiete. Zu den Waldgebiets-
genossen gehören vornehmlich die Convallarieen, die Mai-
blumen nebst Polygonatum, Majanthemum, Streptopus etc.
umfassend, von welcher nur eine Gattung südwärts die
Sundainseln erreicht, ferner die Paris-Gruppe mit Trillium
in Ostasien und Nordamerika.
Die Verbreitung der Liliaceen zeigt daher folgende
Züge: Ueber die ganze Erde verbreitet liegt in ihrem
Auftreten zunächst durchaus nicht so viel Charakteristi-
sches, als es Palmen, Protaceen etc. hervorrufen. Ja es
gibt einzelne Tribus und Gattungen, welche ebenfalls ein
ungeheuer weites Areal bewohnen. Die meisten Tribus
aber fallen vorwiegend auf ein bestimmtes Areal, und
dieses ist entweder an einen einzelnen Kontinent gebun-
den (Aloë, Xantorrhoea), oder aber es deutet die be-
kannten, in der Florenreichsabscheidung benutzten Wander-
linien und Verwandtschaftszüge an (Luzuriageen, Astelia;
— Convallaria, Paris). Endlich sind gewisse Gruppen
von sehr enger Verbreitung wiederum in dem grossen
gemeinsamen Ordnungsareal ausgesondert, wie z. B. die
Gilliesiagruppe.
Schlussbetrachtung über die „geographische
Botanik“. Der Umfang der hier nur an sieben, aller-
dings formenreichen und mit Absicht so ausgewählten
Ordnungen hinsichtlich ihres Areals und der sich in ihm
bildenden Verwandtschaftsgruppen gemachten Ausein-
andersetzungen lässt den weiten Umfang dessen ahnen,
was man gewöhnlich unter „geographischer Botanik“
versteht. Ist auch dieser Gegenstand in höherem Grade
geeignet, das Interesse von Pflanzenkennern herauszu-
fordern als das der Geographen, so ist doch zu bedenken,
[212]Vergleichende Gesichtspunkte
dass die Pflanzengeographie eine wissenschaftliche Einheit
darstellt, welche mannigfache Berührungspunkte in sich
vereinigt. Die Richtigkeit des von Humboldt angeführten
Ausspruches als Motto dieses Abschnittes wird dadurch
bewiesen sein. Hier müssen die sieben Proben von Ord-
nungsarealen genügen, um einen Begriff von der geo-
graphischen Sonderung im einzelnen zu geben; die Re-
sultate der Gesamtstudien auf diesem Felde legt die
Pflanzengeographie in die Unterscheidung ihrer Floren-
reiche. Einige kürzere Arealbetrachtungen wird im An-
schluss an die Vegetationsformationen noch der nächste
Abschnitt bringen; im übrigen ist auf solche Werke zu
verweisen, welche wie Engler-Prantls „Natürliche Pflanzen-
familien“ die Areale der Ordnungen und Gattungen unter
den systematischen Merkmalen angeben und zugleich ein
anschauliches Bild der Erscheinungsformen darbieten.
Was für allgemeine Lehren lassen sich nun endlich
noch aus dem Vergleich der besprochenen sieben Ord-
nungsareale ziehen? Zunächst ist die starke Verschieden-
artigkeit derselben, welche allerdings mit Absicht ge-
zeigt werden sollte, am meisten in die Augen springend.
Bestimmte Länder werden bevorzugt, andere gemieden;
ist eine Ordnung im ganzen gleichmäßiger, so erscheint
die ungleichmäßige Verteilung in deren Unterordnungen
oder Tribus; wenn nicht in diesen allen, so doch um so
mehr in einzelnen. Diese Absonderung ist nicht von
jeher so gewesen, sondern sie hat sich geologisch ent-
wickelt; denn die paläontologischen — oft nur leider zur
scharfen Systembestimmung nicht genügend gut erhal-
tenen — Nachweise zeigen ein anderes Bild. Aus im
geologischen Sinne sehr alten Ordnungen, wie die Nadel-
hölzer sind, lassen sich daher die zerstreuten Vorkomm-
nisse einzelner Gattungen an weit entlegenen Stellen der
Erde sehr wohl verstehen; dieselben auf Wanderungen
in der jüngsten Erdperiode zurückzuführen, würde ein
müssiger Versuch voll gewagter Hypothesen an Stelle
einer Vertrauen erweckenden Erklärung sein.
Die Absonderungen haben sich an den besprochenen
Arealen ungefähr so bewahrheitet, wie es nach dem oben
[213]der geographischen Botanik.
(S. 150) über die Florenreiche Gesagten zu fordern war.
Zugleich aber treten Verschiedenheiten hervor, welche
verstehen lassen, dass die Florenreichsabsonderungen
keine vollendeten sind. Je nachdem man diese oder jene
Systemareale hauptsächlich berücksichtigt, gelangt man
zu etwas verschiedenen Bildern; man vergleiche in dieser
Beziehung unter den tropischen Ordnungen die Palmen
mit den Myrtaceen, ebenso die Coniferen mit den Erica-
ceen. Die Ericaceen zeigen z. B. einen verwandtschaft-
lichen Zug in der ganzen Andenkette vom Kap Horn
bis Mexiko, dann erst werden sie nordwärts durch neue
Gruppen abgelöst. Die antarktisch-amerikanischen Coni-
feren sind bis auf Libocedrus ganz andere als die mexi-
kanischen, diesmal der borealen Gattungsgruppe zuge-
hörigen Formen.
Der zusammenhängende Zug gleichartiger Areale von
Europa, dem kalten und warm-gemäßigten Asien und
Nordamerika hat im vorhergehenden viele deutliche Be-
lege gefunden; aber auch die Gleichartigkeit in den süd-
lichen Florenreichen, nur mit leichterem Maß gemessen.
Denn immer Verwandtes, höchst selten etwas Gleiches,
zeigt sich am Kap, im extratropischen Australien, Neu-
seeland und Südamerika, und im letzteren Kontinent
immer nur auf der pazifischen Seite, was übrigens in
der geologischen Landesgeschichte des südlichen Argen-
tiniens seinen Grund hat. Und neben diesem gemeinsam
Verwandten hat jeder südliche Kontinent selbst viel
Eigenartiges für sich; am eigensinnigsten verhält sich
in dieser Beziehung das australe Afrika gegenüber
Australasien.
Von besonderem Interesse ist noch die Frage (s. S. 111),
ob wohl auch die grossen Ordnungen eine bestimmt-
erkennbare klimatische Verbreitungssphäre besitzen. Selbst
von den Palmen kann man dies ja nicht ohne weiteres
zugeben, wenn man die Standorte der mediterranen
Zwergpalme mit denen der Amazonenstrom-Stachel-
dickichte oder der andinen Wachspalme vergleicht. Fol-
gendes aber scheint dennoch als richtig anzuerkennen zu
sein: Irgend eine klimatische Hauptneigung scheint zu
[214]Klimatische Sphäre von Ordnungen.
den Charakteren der meisten Ordnungen, auch derer von
weiter Verbreitung, zu gehören; dieselbe zeigt sich ge-
wöhnlich in der massigen Entwickelung von verschiedenen
Formen unter bestimmten, gleichartigen Klimaten. Aber
bestimmte Zweige der Ordnung zeigen sich der klima-
tischen Anpassung freier zugänglich und können die
engere Sphäre bis zu weiten Grenzen überschreiten; diese
Zweige zeigen dann bestimmte Schutzeinrichtungen in
ihren Vegetationsorganen, z. B. Trockenschutz. — Ord-
nungen von sehr weiter Verbreitung nicht nur von Nord
zu Süd, sondern auch von tropischer Niederschlagsfülle
zu sommerdürren Steppen zeigen dagegen entweder gleich-
artige Schutzorganisationen gegenüber ungleichen Angriffen,
wie z. B. das Ausdauern in Zwiebelform sowohl gegen
den Winterfrost als gegen Sommerdürre gerichtet ist;
oder sie zeigen überhaupt ein sehr ungleiches Verhalten
der Vegetationsorgane, und bringen daher unter ungleichen
Klimaten gewöhnlich verschiedene Sippen zur Entwicke-
lung, wie von den Liliaceen die Dracänen gegenüber
der Lapageria rosea, den Zwiebeln von Allium und dem
Rhizomwuchs von Convallaria, Paris etc. zeigen.
Solche vergleichende Gesichtspunkte erheben die
„geographische Botanik“ über die einfache Aufzählung
von Thatsachen hinaus, regen zu einer Verwertung des
riesigen Stoffes an und bedingen die Erforschung der
Kausalität, welche unser letztes Endziel bleiben soll.
[[215]]
5. Die Vergesellschaftung der Vegetationsformen
zu Formationen und die pflanzengeographische
Physiognomik.
Die Ziele pflanzenphysiognomischer Gruppenbildungen. Der
Wert physiognomischer Grundformen. Die Vegetationsformen
müssen biologisch gewählt, und die Physiognomik muss in die
Formationen gelegt werden. Die für die Vegetationsformationen
zur Verfügung stehenden Hauptcharaktere: a) die Grade der Häu-
figkeit; b) die biologischen Wachstumsformen; c) die klimati-
schen Anforderungen; d) die Anforderungen an Wasserverteilung
im Boden und an den stofflichen Bodencharakter; e) ernährungs-
physiologische Eigenheiten und Anpassungseigentümlichkeiten an
die Aussenwelt. — Einteilung der Vegetationsformationen: Die Wald-
formationen; I. tropische Regenwälder; II. tropische Littoralwälder;
III. tropische regengrüne Wälder; IV. subtropische Wälder mit
immergrünen Laubbäumen; V. winterkalte Wälder mit periodischen
Laub- und immergrünen Nadelhölzern. — Die Gebüsch- und Ge-
sträuchformationen. — Die Grasflur- und Staudenformationen:
Wiesen, Wiesenmoore, Grassteppen, Savanen, Hochstauden, Matten
und Triften. — Die Moos- und Flechtenformationen. — Die For-
mationen der Binnengewässer, der Ozeane. — Die unzusammen-
hängenden Bestände: Glacial- und Steppenformationen, Felsbestände;
Halophyten.
‘Unser Hauptaugenmerk richten wir auf jene grossen
Pflanzengemeinschaften, die Grisebach Vegetationsforma-
tionen genannt hat, und deren Ausbildung und Verbreitung
zum grössten Teil durch das gegenwärtige Klima bedingt ist.
A. Supan, Physische Erdkunde 1884.’ ()
Die Ziele pflanzenphysiognomischer Gruppenbil-
dungen. Das Bedürfnis, die reiche Gliederung der Pflanzen-
[216]Die Vegetationsformationen.
welt, wie sie jedem Wanderer um so mehr entgegentritt,
je mehr verschiedenartige Länder er in der Höhe der
Vegetationszeiten betrat, nach geographischen Gesichts-
punkten zu ordnen und in dieser Weise der Vielgestaltig-
keit der Formen Herr zu werden, ist ein sehr zwingendes,
und es ist als dritter Leitgedanke (C.) oben auf Seite 2
für die Pflanzengeographie genannt. Wissenschaftlich
gipfelt derselbe jetzt in der Lehre von den Vegeta-
tionsformationen; diese verlieren ihre geographische
Allgemeinheit bezüglich der natürlichen Begriffe von
Wald, Wiese, Moor, Steppe, Gebüsch oder Wüste durch
Hinzuthun der biologischen und botanisch-systematischen
Verwandtschaft. Geschieht dies in richtiger Weise, so
führt diese Betrachtung in richtigem Verfolg zur Ab-
grenzung von Florenbezirken, in welchen die einzelnen
Grundglieder der Florenreiche enthalten sind; letz-
tere aber enthalten allein das abschliessende Bild für die
geographische Gliederung der Pflanzenwelt, und so sagen
wir mit Supan 1): „Die Resultate dieser Arbeit bieten das
höchste geographische Interesse, indem sie das Gemälde
von der Erdoberfläche als etwas allmählich Gewordenem
und in beständiger Umbildung Begriffenem vervollständigen.“
Seit Humboldts berühmten Arbeiten in der physi-
schen Geographie hat sich aber das Bedürfnis, geographisch
wichtige Pflanzengruppen zu bilden, welche zunächst vom
Lehrsystem der botanischen Systematik ganz unabhängig
sein sollten (vergl. oben S. 10 und 11), noch in einer
anderen Weise Bahn gebrochen, welche nun, nachdem
die entwickelungsgeschichtliche Auffassung der Pflanzen-
geographie als Grundlage dieser Wissenschaft anerkannt
ist, nicht länger gleich einem eigenen und kräftigen
Zweige von ihr aufrecht erhalten werden kann, trotzdem
viele bedeutende Männer und hochgeachtete geographische
Schriftsteller, unter ihnen auch Grisebach, sich Mühe
gegeben haben, diese besondere Richtung als „Pflanzen-
physiognomik“ zu vervollkommnen und ihr eine festere
Basis zu verleihen.
[217]Humboldts physiognomische Grundformen.
Der Wert physiognomischer Grundformen. Der
Grundgedanke dieser von Humboldt in das Leben ge-
rufenen physiognomischen Anschauung, an welcher die
übrigen älteren Begründer der rationellen Pflanzengeo-
graphie wie R. Brown und P. de Candolle niemals mit
ihrer eigenen Erfindungsgabe Anteil genommen haben,
ist etwa so zu bezeichnen: Aus der Vielheit der Pflanzen-
formen in jedem Lande heben sich für den geographisch-
vergleichenden Blick stets gewisse als durch die Masse
herrschend oder als besonders in die Augen fallend heraus,
während viele andere, so verschiedenen Ordnungen des
Systems sie auch angehören mögen, einerseits kaum auf-
fallen, andererseits aber für geographische Betrachtungs-
weise als gleichartig gelten können.
Um zu dem letzteren sogleich ein Beispiel zu geben,
so ist es vom landschaftlichen Standpunkte für einen
Reisenden, der in Spitzbergen die weissen und gelben
Blumen der Ranunculus neben denen der Saxifraga und
Potentilla, sowie der Draba beobachtet, ziemlich gleich-
gültig, dass dieselben zu ebenso vielen Ordnungen der
Ranunculaceen, Saxifragaceen, Rosaceen und Cruciferen
gehören; es lassen sich diese Pflanzen etwa als eine ge-
mischte Staudendecke von Glacialpflanzen zusammenfassen
und diese neue Einheit lässt sich vergleichen vielleicht
mit Moosteppichen, Rasen von Renntierflechte u. a., die,
wenn auch nur aus einer Art oder aus gleichartigen
Spezies gebildet, doch in der Bodenbedeckung einen selb-
ständigen Rang neben ersteren einnehmen. Dieser erste
Teil der Betrachtungsweise ist ebenso richtig wie unent-
behrlich, da die Charaktere der die Florenbezirke zu-
sammensetzenden Einzelstücke hieraus hervorgehen. Denn
die Rolle, welche ein Gewächs in der Bildung der Vege-
tationsdecke der Erde spielt, hängt einfach von seiner
Häufigkeit und eigenen Grösse ab; während die geselligen
oder über anderen dominierenden Pflanzen für sich auf-
fallen, wirken andere ebenso oft nur durch ihre Ver-
brüderung mit gleichartigen, ebenso zerstreut und ver-
einzelt wachsenden Spezies anderer Verwandtschaft.
Nun hat aber weiter die von Humboldt begonnene
[218]Unnatürlichkeit eines eigenen
physiognomische Betrachtungsweise ihr Augenmerk auf
besonders in die Augen fallende Pflanzenformen als
Typen eines eigenen Systems gerichtet, hat versucht,
mit diesem physiognomischen Klassensystem den Charakter
einer Gegend in kurzer Schilderung zu zeichnen, und sie
hat sich in dieser physiognomischen Einteilung vom ver-
wandtschaftlich-morphologischen Pflanzensystem zu be-
freien gesucht. Hierin liegt eine Unnatürlichkeit.
Die Gleichheit landschaftlicher Erscheinungsweise
ist auch den natürlichsten Familien fremd. Humboldt
führt unter seinen 15 pflanzenphysiognomischen Charak-
terformen (vergl. Fl. d. E., S. 11) beispielsweise auch
die Palmen an und wird sich dabei gewiss der Zustim-
mung vieler Reisenden in den Tropen erfreuen; sähe
man aber im amerikanischen Urwalde eine stammlose
Geonoma mit langen ungeteilten Blättern neben einem
indischen Calamus mit hundert Fuss langem, an Bäumen
emporkletternden Stamm, ein dichtes Gebüsch von durch
ihre Stacheln furchtbaren, aus der Wurzel sprossenden
Bactris neben dem säulengleichen Stamme eines hoch in
die Berglüfte ragenden Ceroxylon, die kurzstruppigen
Chamaerops in den südspanischen Ebenen neben den dicken
Sagopalmen (Metroxylon) mit riesigen Wedeln, so würde
man sich fragen, mit welchem Rechte dies eine land-
schaftliche Einheit genannt werden dürfe? Die Verwandt-
schaft ist zwar da, die botanische Systematik gibt sie
an und lehrt die Gründe dafür; aber eine physiognomische
Einheit ist nicht da, und jeder Palmenart kommt eine
eigene Rolle in der Teilhaberschaft an der Vegetationsdecke
der Tropen zu. — Dasselbe lässt sich sagen von einer
grossen Fülle anderer monokotyler Charakterformen, deren
jede sozusagen einen Typus für sich bildet, von den
Bananen, Heliconien und Strelitzien im Vergleich mit
der Ravenala von Madagaskar, den Agaven, Yucca- und
Dasylirion-Arten, den Xanthorrhöen und Kingien Austra-
liens im Vergleich mit den Pandanusarten der Tropen
der Alten Welt, u. s. w.
Von allen diesen ist die Physiognomie ihrer Form
so eigenartig, dass nur mit dem grössten Zwange ein
[219]physiognomischen Systems.
landschaftlicher Vergleich mit den anderen, sogenann-
ten physiognomischen Hauptformen möglich ist, und
welchen Formen sollen wir den Rang eines besonderen
Typus zuerkennen?
Man sieht ganz leicht ein, dass beim weiteren Verfolg dieses
Prinzipes sozusagen ein neues Pflanzensystem entsteht, welches sich
von dem auf Verwandtschaft begründeten System der botanischen
Familien nur durch stete Vernachlässigung der von der Blüte her-
geleiteten Merkmale unterscheidet. Ist auch diese Vernachlässi-
gung für die pflanzengeographischen Zwecke durchaus angebracht,
so liegt doch darin noch keine Notwendigkeit, ein eigenes System
von „Formen“ aufzustellen.
Grisebach hat daher, um den Mängeln von Humboldts
etwas zu sparsam bemessenen physiognomischen Klassen-
formen abzuhelfen, deren Zahl ausserordentlich vermehrt.
Aber der weitere Ausbau eines in seiner Grundlage
schwachen Systems kann nur dazu dienen, diese Schwäche
zu offenbaren. Dafür ein Beispiel: Die Bäume unserer
centraleuropäischen Wälder gliedern sich nach Grisebachs
physiognomischer Einteilung in die der Buchenform mit
breitem Laub, die der Weidenform mit schmalem Laub,
und die der Esche mit Fiederblättern. Es ist aber klar,
dass Ahorn und Eiche ein Recht hätten, als besondere
Formen neben der Buche zu stehen, und Aesculus und
Robinia wollen sich den Eschenformen nicht fügen. Was
kommt heraus? Hier ist das Gemeinsame nur, dass dieses
alles Bäume mit abfälligem Laube sind, und das bedeutet
eine biologische Einheit mit bestimmten klimatischen
Forderungen, dargestellt von im System verschiedenartig
gestellten Gewächsen; aber in der besonderen Form
hat jede Baumart ihr eigenes Recht.
Das Wesen der Gesamtform hat das natürliche
Pflanzensystem auch für seine Zwecke benutzt und gibt
darüber genaue Rechenschaft; die Pflanzengeographie
kann daher zunächst nichts weiter thun, als die systema-
tischen Gruppen fertig gebildet und wissenschaftlich be-
gründet zu übernehmen, deren biologische Eigenschaften
in Hinsicht auf Wuchsform und Alter zu vergleichen,
und dann diejenigen Pflanzen-Ordnungen, Gattungen, Arten
in ihrer Verbreitung durch die verschiedenen Länder zu
[220]Biologische Grundlage der Vegetationsform.
betrachten, welche in irgend welcher Weise für die Zu-
sammensetzung der Vegetationsdecke eine hervorragende
Rolle spielen.
Vegetationsformen auf biologischer Grundlage.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass, wie überhaupt
der morphologische und der physiologische Gesichtspunkt
sich in der organischen Naturwissenschaft durchdringen
und in die Betrachtungen teilen, dass so auch hier in
der Schilderung von „Flora“ und „Vegetation“ nur das
morphologische Pflanzensystem einerseits und die biolo-
gische Gruppenbildung andererseits ein Recht auf gegen-
seitige Ergänzung haben; alles neu Hinzukommende ist
erfunden und nicht natürlich begründet. Das, was wir
in der Pflanzendecke an verschiedenen Stellen der Erde
Charakteristisches bemerken, liegt entweder im Auftreten
bestimmter Pflanzenarten, oder aber — und dies letztere
ist allgemeiner auffällig — in der Annahme bestimmter
Lebensweise unter dem Einfluss bestimmter geographischer
Lage und Topographie des Bodens, und im Vorherrschen
bestimmter, am günstigsten wirkender Lebeformen. Die
oben (S. 62—70) genannten biologischen Vegetations-
klassen bilden daher neben dem System die zweite Grund-
lage zu einer wissenschaftlichen Pflanzengeographie; sie
können Ordnungen des morphologisch-verwandtschaft-
lichen Systems zerschneiden, indem sie z. B. die grana-
dinische Chamaerops den sonnigen Gräsern und Steppen-
sträuchern, die schlingenden Calamus dagegen den diko-
tyledonen Lianen der Tropenwälder, die Mauritia als
Waldbäume mit langsam sich erneuernder Blattkrone
anderen Schopf bäumen, die nordischen Picea und Larix
dagegen den frostharten und in ähnlicher Weise periodisch
beanlagten nordischen dikotyledonen Laubhölzern beige-
sellen und von systematisch Verwandtem trennen. Wenn
es möglich ist, für natürliche Ordnungen auch zugleich
einen oder mehrere Grundzüge einheitlicher Biologie von
geographisch hoher Bedeutung aufzufinden, so liegt darin
allein die Möglichkeit eines innigeren Anschlusses von
dem Einteilungsbilde der „Flora“ an das der „Vegetation“.
[221]Physiognomische Grundlage der Formation.
Denn die Zusammenfassung der biologischen Formen er-
gibt das oben (S. 83 und folgende) besprochene Bild der
Vegetationszonen, für welche im folgenden die genaueren
Einzelheiten mitgeteilt werden.
Vegetationsformationen auf physiognomischer
Grundlage. In dem Moment der Geselligkeit und
des verschiedenartigen Anschlusses zu Beständen
kommt nun erklärend ein landschaftlicher, in sich selbst
natürlich begründeter und wesentlich geographischer
Gesichtspunkt zu den vorher genannten hinzu, und dieser
bildet die Grundlage der Vegetationsformationen. Sie
sind daher die Säule der Physiognomik, unendlich mannig-
faltig durch die Mischungen systematischer und biologi-
scher Typen in ihnen, unendlich wechselnd mit wechseln-
dem Klima, Boden und Bewässerung, und unter Be-
nutzung des genannten Momentes der Geselligkeit eines
eigenen Systems fähig. Jede biologische Vegeta-
tionsform ist in geselligem Anschluss einer be-
sonderen Formationsbildung fähig; Wälder sind
gesellige Baumbestände, Triften sind gesellige perennie-
rende, in keiner Jahreszeit von der Erdoberfläche schwin-
dende Krautbestände auf trockner, Moore solche auf
sumpfiger Unterlage etc. Aber die wenigsten Bestände
sind rein und ungemischt; die meisten bieten anderen
biologischen Formen neue Plätze und erhalten durch sie
neue Charaktere, wie die Tropenwälder durch Lianen und
Epiphyten, die heimischen Wälder durch den sich hier
vor der Belaubungszeit entfaltenden Blumenteppich von
Stauden. Und indem nun die geselligen Arten als
Träger gleicher Vegetationsformen von Land zu Land
wechseln, die Schwarzwald-Tannen durch die sibirische,
durch die kanadische Balsamtanne ersetzt, die Borassus-
Bestände Afrikas und Indiens durch Mauritia-Bestände
am Amazonas vertreten werden im ungefähren Gleichsinn
landschaftlicher Erscheinung, so treten die speziell-flori-
stischen Merkmale auch in diese Formationsunterschei-
dungen ein und es potenziert sich die Mannigfaltigkeit.
Es mag daher kurz wiederholt werden: Die Flora
[222]Grundlage der Pflanzenphysiognomik.
eines Landes wird erkannt nach dem Systemcha-
rakter, die Vegetation nach den biologischen
Merkmalen seiner Bürger; die Geselligkeit be-
stimmter Arten mit bestimmten biologischen Er-
scheinungen ist maßgebend für die Landesphy-
siognomie und findet ihren wissenschaftlichen
Ausdruck in den Formationen. Die Geselligkeit,
welche für die Bedeckung der Erdoberfläche und seichten
Küsten mit dichtem oder lockerem Pflanzenteppich sorgt,
ist, insoweit natürliche Einflüsse ihr zu Grunde liegen
(besonders in Beeinflussung der biologischen Eigenschaften
durch Klima und Bewässerung), ein Vergleichsmoment
der Landschaften, welches die sonst parallel laufende
Tiergeographie nicht in dieser Weise kennt und welches
der Pflanzengeographie eine ungemein tiefer dringende
geographische Bedeutung sichert. So allein ist es mög-
lich, dass Landschaftsbilder so leicht ihren Ursprung
durch Ueberblicke über die Vegetation ungefähr beurteilen
lassen, obgleich kaum eine einzige Pflanzenart deutlich
„zum Bestimmen“ hervortritt.
Die für die Formationen zur Verfügung stehen-
den Hauptcharaktere. Die Wichtigkeit dessen, was für
die Pflanzengeographie die Lehre von den Vegetations-
formationen zu bedeuten hat, und die Begründung des
in ihnen liegenden eigenen Einteilungsprinzipes wird sich
aus dem Vorhergehenden ergeben haben; es handelt sich
jetzt darum, zu prüfen, welche Charaktere botanischer
und geographischer Art sich benutzen lassen, um den
Pflanzenteppich der Erde nach Formationen wissenschaft-
lich zu gliedern, und welchen Rang diese Charaktere
etwa in gegenseitiger Abschätzung ihres Wertes ein-
nehmen. Fünf Hauptpunkte, welche als Maßstab an jede
einzelne Pflanzenart hinsichtlich deren Bedeutung für die
Vegetationsformationen angelegt werden können, ergeben
sich hier, nämlich a) der Grad der Häufigkeit, in welchem
sie auftritt; b) die Wachstumsform, unter welcher sie im
Anschluss an die Jahresperiode im erwachsenen Zustande
sich zeigt, und welche zugleich ihr Aussehen im Land-
[223]Häufigkeitsgrade der Pflanzenarten.
schaftsbilde bestimmt; c) die klimatische Sphäre, inner-
halb welcher sie ihren Vegetationscyklus zu vollziehen
gezwungen ist und deren Grenze zugleich ihr Aufhören
im Formationsbilde im Gefolge hat; d) die Standorts-
verhältnisse, welche durch Wasserverteilung, Bodenwir-
kung, Belichtung oder Beschattung zu ihren eigenartigen
Forderungen gehören; e) besondere Eigentümlichkeiten
in der Ernährung oder Fortpflanzung, welche die be-
treffende Pflanze in notwendigen Zusammenhang mit
anderen pflanzlichen oder tierischen Organismen bringen.
Hierzu noch einige Erläuterungen.
a) Die Grade der Häufigkeit. Den höchsten
Grad der Häufigkeit erreichen die geselligen Pflanzen
(plantae sociales, abgekürzt in Formationsskizzen soc.),
von denen eine einzige Pflanzenart für sich allein eine
ganze Formation zu bilden im stande ist. Kommt dies
auch höchst selten vor — denn selbst im dürren Kiefern-
wald ist wenigstens der Boden noch mit anderen Pflanzen
bedeckt und die Pilze fehlen nie, sind oft für einen Wald
physiologisch notwendige Begleiter — so ragen doch oft
einzelne Arten so über die anderen hervor, dass sie un-
bedingt in erste Linie zu stellen sind. Oder aber mehrere,
unter sich ziemlich gleichmäßig gemischte Arten bilden
zusammen einen geschlossenen Bestand, wie die Eiche
mit Kiefer und Birke zusammen, und es werden alsdann
diese mehreren Arten als „unter sich sozial“ zusammen-
gefasst. — In dem Bestande gewisser Hauptarten be-
setzen häufig andere, diesem fremde Arten kleine Partien
des Bodens selbständig allein, aber niemals in zusammen-
hängenden Strecken; die von mir angewendete, ursprüng-
lich Grisebach entlehnte Bezeichnungsweise nennt diese
Arten herden- oder truppweise angeschlossen (plantae
gregariae, abgekürzt gr.), wie z. B. grosse Staudengruppen
hie und da in einer sonst von fast reiner Grasnarbe ge-
bildeten Bergwiese. — Nun folgen die nicht zusammen-
hängend eigene Strecken bedeckenden, sondern überall
und zahlreich in vereinzelten Exemplaren zwischen die
geselligen oder truppweise angeordneten Arten beige-
mischten Formationsglieder (plantae copiose intermixtae,
[224]Gleichförmige und ungleichförmige Formationen.
abgekürzt cop.), wobei es sich empfiehlt, die abnehmen-
den Grade des häufigen Vorkommens in Beimischung mit
cop.3, cop.2 und cop.1 zu unterscheiden. — Nur vereinzelt
und sehr dünn gesäete, in grossen Zwischenräumen hie
und da eingestreute (nicht mehr „beigemischte“) Arten
(plantae sparsae oder p. sporadice intermixtae, abgekürzt
sp.) führen zu den ganz seltenen Formationsgliedern über,
welche als „vereinzelt“ (plantae solitariae, abgekürzt sol.)
bezeichnet werden.
Beispiele für die Anwendung dieser Signaturen zu kurzen
Formationsskizzen siehe in Neumayers Anleitung zu wissenschaft-
lichen Beobachtungen auf Reisen, 2. Ausg. Bd. II, S. 187. — Wie
man sieht, hat der Begriff der „Seltenheit“, die Bezeichnung als
plantae rarae, in der Formationslehre keine Anwendung; solche
Arten sind „selten“ in Bezug auf die Zahl der Standorte in einem
abgerundeten Florenbezirk, können dabei aber an diesen wenigen
Stellen ebensowohl gesellig auftreten wie vereinzelt.
b) Die biologischen Wachstumsformen. Hier-
unter sind die oben (S. 62) kurz zusammengefassten,
für das Landschaftsbild ungemein wichtigen Abteilungen
der Holzgewächse, Kräuter, schwimmenden Wasserpflanzen
u. s. w. zu verstehen, welche allerdings für ein genaues
Vegetationsbild viel ausführlicher zu gliedern sind. Für
die Formationslehre erwächst daraus noch das bedeutungs-
volle Motiv für gleichförmig oder ungleichförmig
zusammengesetzte Formationen. Erstere bestehen nämlich
aus einer einheitlichen Klasse von Vegetationsformen,
wenn auch aus verschiedenen Arten, wie es etwa ein
gleichmäßiger, aus ca. einem halben Dutzend verschiede-
ner Grasarten gebildeter Rasen zeigt. In den ungleich-
förmigen Formationen mischen sich, oft in gegenseitiger
oder noch häufiger in einseitiger Bedingtheit, verschiedene
Klassen von Vegetationsformen miteinander, wie z. B. die
deutschen Heiden vielfältig aus immergrünen und blatt-
wechselnden Halbsträuchern mit einzelnen Stauden oder
auch einjährigen rasch vergänglichen Kräutern, mit
Flechten oder trocknen Moosen gemischt zu sein pflegen.
Die Mischungsglieder nehmen dabei oft verschiedene
Wachstumshöhen ein, so dass stets die herrschenden
Pflanzenformen und Arten die weniger auffälligen be-
[225]Klimatische Beschränkung der Formationen.
schatten; in unseren Wäldern haben wir solche „mehr-
schichtige“ Formationen sehr deutlich vor uns, wenn ein
gleichmäßiger Dom hoher Bäume unter sich Gruppen
von Sträuchern eingestreut enthält, unter welchen wiede-
rum teils niedere Halbsträucher (Heidelbeeren), teils aus-
dauernde Kräuter, und endlich am Boden selbst und
diesen oft mit eigener Narbe streckenweise zudeckend die
Moose auftreten. Mehrschichtige Formationen sind daher
stets ungleichförmig zusammengesetzt.
c) Die klimatischen Anforderungen gehören
in dem ganzen, oben (S. 32 und 36) besprochenen Um-
fange hierher, aber übertragen von der Einzelpflanze auf
die Formationsbestände. Es sind nämlich deren klima-
tische Grenzen enger gezogen als die der einzelnen Arten,
weil die einzelne Art noch, aus dem gewohnten Forma-
tionsbestande heraustretend, schützende Standorte in neuem
Verbande aufsuchen kann. So sehen wir nordische Stauden
aus ihren in sonnigen Matten vergesellschafteten Be-
ständen vereinzelt noch den tiefen Schatten feuchter
Wälder südlicherer Breiten aufsuchen, wo der nordische
Mattenbestand längst keine Heimat mehr hat. Um so
wichtiger für die Pflanzengeographie sind die Beziehungen
zwischen Klima und Formationsgrenzen, z. B. die Tempe-
raturgrenzen der Epiphyten und der die tropischen Regen-
wälder zusammensetzenden Formen von Schopf- und
immergrünen Wipfelbäumen, die der immergrünen Nadel-
wälder, der sommergrünen Laubwälder, die durch Regen-
höhen oder Regenverteilung bedingten Grenzen der Xero-
phyten-Formationen gegenüber den ständiger Bewässerung
bedürfenden Grasmatten, blätterreichen Gebüschen etc.
Dieselben gipfeln in der Abgrenzung der „Vegetations-
zonen“, siehe oben S. 69—93.
d) Die Anforderungen an Wasserverteilung
im Boden und an den stofflichen Bodencharak-
ter. Wie das Klima in grossen Zügen, so gliedert die
Topographie mit ihrem Gefolge verschiedener Boden-
klassen und Bewässerung im kleineren Maßstabe die
Formationen, macht aber erst das richtige Bild derselben
fertig. Wie vorhin lässt sich auch hier sagen, dass die
Drude, Pflanzengeographie. 15
[226]Abhängigkeit vom Boden und Anpassungen.
Formationen empfindlicher sind als die einzelnen Pflanzen-
arten; in reich gegliedertem Gelände wird immer ein
bunter Formationswechsel zu erwarten sein, aber trotz-
dem können einzelne anpassungsfähige Arten von der
einen Formation zur anderen übertreten. Der Boden kann
noch unter ungünstigerem Klima einer bestimmten For-
mation Vorschub leisten und deren geographisches Areal
erweitern, wie z. B. arktische Formationen in der ge-
mäßigt-warmen Ebene in Mooren, trockenheisse ebenda-
selbst auf Kalkhügeln enden. Kleine Ungleichheiten
können oft ausschlaggebend in diesem oder jenem Sinne
wirken, und die einseitige Erschöpfung des Bodens muss
dann endlich zu Formationswechseln führen.
e) Ernährungsphysiologische Eigenheiten
und Anpassungseigentümlichkeiten an die
Aussenwelt. Hierunter sind die für manche Forma-
tionen schon jetzt nachgewiesenen, für andere noch ver-
borgen ruhenden Wechselwirkungen zumal organischer
Art zu verstehen, welche die Biologie in ihren Bereich
zieht. Ob beispielsweise Regenwürmer in einer Boden-
krume hausen oder nicht, ist für die in dieser wurzeln-
den Gewächse der gesamten Formation von grosser Be-
deutung; oder umgekehrt ist die Gegenwart der Regen-
würmer an bestimmte Formationen gebunden. Die in
den Tropen von Malesien und Amerika, ja selbst bei uns
in jüngerer Zeit aufgedeckten Beziehungen zwischen
Ameisen und einer ganzen Reihe durch sie begünstigter
„myrmekophiler“ Pflanzen sind nicht nur für diese Arten
an sich, sondern für deren ganze Bestände von Bedeutung.
Die Veränderung, der die Formationen durch weidende
Tiere unterliegen, ist sehr bekannt. Das Aufwerfen von
Maulwurfshügeln inmitten einer Wiese führt zu fremd-
artigen Besiedelungen in einem sonst einheitlichen For-
mationsbilde. — Es wiederholt sich also hier für die
Formation, was für die Begrenzung der Einzelarten im
Abschnitt 3 (Seite 120—124) hervorgehoben war, aber
eine Wechselwirkung im grösseren Sinne!
Die Beziehungen verschiedener Organismen zu einander als
biologische Charaktere, welche sich im Formationsbilde zu er-
[227]Organische Wechselbeziehungen in den Formationen.
kennen geben, aufzufassen, geschieht weil die Ausbreitungsfähig-
keit dieser oder jener Pflanzenart durch eine ausserhalb ihres
Vermögens liegende Kraft alsdann gehoben, der Rang, welchen sie
in der Formation einnimmt, dadurch gesteigert und ihr Aussehen
verändert wird. Die ganze Insektenauswahl der Blumen zum
Zwecke des Nahrungssammelns und mit dem Erfolge gesicherter
Fremdbestäubung gehört insofern hierher. — Viel weniger bekannt
sind noch die „myrmekophilen Pflanzenarten“. Ein Beispiel aus
der Wiener Flora liefert uns neuerdings dafür Wettstein von
Jurinea mollis, einer mit grossen rotvioletten Blütenköpfen die
Wiesen zierenden Composite: man findet die jungen noch nicht
geöffneten Blütenköpfe stets von mehreren Individuen einer an
Nektaraussonderungen der Hüllschuppen saugenden Ameisenart
besetzt, und zwar lassen die Ameisen alsdann kein anderes Insekt
an die Blütenköpfe heran. Sobald man sie künstlich ausschliesst,
haben sonstige Feinde Zugang, so dass von 50 ameisenfrei gehal-
tenen Blütenköpfen 17 angefressen, angestochen, teilweise zerstört
gefunden wurden; die Ameisen selbst schaden dagegen der Jurinee
gar nichts, üben also für diese Art einen wirksamen Schutz aus.
Noch ein weiteres Beispiel möge dafür folgen, wie die
Wechselbeziehungen der Blütenpflanzen zu den sie bei ihrer Nah-
rungssuche befruchtenden Insekten Veranlassung zu Forschungen
über die Schaustellung der Blüten in der Landschafts-Physiognomie
geben können. Das Beispiel lehrt zugleich Vorsicht in Bezug auf
allzu schnelle Entscheidung durch die nächst liegenden Gründe.
Es handelt sich um Erklärung der Armut an leuchtenden und
grossen, gefärbten Blumen in den neuseeländischen Gebüsch- und
Staudenformationen, wofür die nähere Litteratur im G. J., Bd. X,
S. 194—195 sich findet: Gemäß der gegenseitigen Anpassung von
Blumen und Insekten aneinander, wie sie jetzt in allen biologi-
schen Lehrbüchern breit auseinandergesetzt zu werden pflegt, hatte
Wallace die Blumenarmut und die geringe Auffälligkeit der
meistens auch duftlosen Blüten in der Flora Neuseelands auf einen
äussersten Mangel an Insekten zurückzuführen sich bemüht. Im
ganzen genommen gilt nämlich die genannte Inselflora als am
meisten grünliche, unansehnliche, wenig zur Schau gestellte Blumen
hervorbringend, mehr als ein anderes Land, und in jenem Länder-
bereich um so mehr kontrastierend mit den glänzenden australischen
Blumen, zu welchen ein entsprechend grosser Reichtum von Insek-
ten gehört; und dieser Farbenmangel gilt besonders für die auf
Neuseeland beschränkten Endemismen. Es lag nun nahe, mit Wal-
lace folgenden Rückschluss zu machen; die Entwickelung der neu-
seeländischen Blütenpflanzen ist nur unter geringem Einfluss der
Insektenwelt vor sich gegangen, und es muss daher die Armut
an Insekten in diesem Florengebiete eine sehr alte (im geologischen
Sinne) sein, weil sich sonst wie in anderen Ländern eigene Wechsel-
beziehungen hätten herausbilden können. Die andauernde Insekten-
armut ist nun aber zugleich ein neues und wichtiges Argument
gegen die Idee einer früheren Landverbindung von Neuseeland
[228]Problem des Blumenmangels in Neuseeland.
mit Australien oder Südamerika, da von diesen Gebieten her
Insekten hätten einwandern und eigene Beziehungen zur Blumen-
befruchtung im eigenen Interesse hätten ausbilden müssen. —
Dieser geistreiche Gedankengang hat inzwischen einer Richtig-
darstellung der Grundlagen weichen müssen. Thomson hat nach-
gewiesen, dass weder die Insektenarmut Neuseelands irgendwie
den Voraussetzungen entspricht, noch auch die Blumenbefruch-
tungen durch Insekten das vermutete geringe Maß wirklich er-
reichen; unter 262 genauer untersuchten Blütenpflanzen fand er
110 mit Notwendigkeit auf Insektenbefruchtung angewiesene Arten
mit allen in Europas Flora beobachteten sexuellen Adaptionen,
und unter den übrigen 152 fand er noch etwa 96, denen der In-
sektenbesuch für die Samenerzeugung günstig erscheint. Anderer-
seits fand er zahlreiche Beispiele von bestimmten, durchaus auf
gewisse Blumen zur Wohnstätte angewiesenen Insekten, z. B. einen
Käfer Oropterus auf Fuchsia excorticata, andere auf Compositen-
köpfen, fand aber zugleich als hervorstechende Eigentümlichkeit
der neuseeländischen Insektenwelt, dass nicht die Hymenopteren
(erst 10 Binnenarten waren damals bekannt!), sondern die Dipteren
an Formenreichtum vorwiegen, und dass daher in Abweichung von
unserem europäischen Blütenpflanzenleben die Blumenbestäubung
hauptsächlich durch Fliegen und Käfer ausgeführt wird. — Es
entsteht nach dieser Berichtigung also die weitere Frage: sind viel-
leicht die Lebensziele dieser Fremdbestäuber Veranlassung zu einer
sich so merkwürdig äussernden Verschiedenheit der Blumenschau-
stellung auf Neuseeland? Oder liegt deren Begründung, ganz un-
abhängig von der Insektenwelt, in den spontanen Entwickelungs-
prozessen der Flora von Neuseeland, im Klima, in den vorherr-
schenden Systemformen? Es bedarf hier nur des Hinweises auf
ein solches Problem, um die Weite und Tiefe der geographischen
Forschung im Anschluss an die Biologie zum Verständnis beson-
derer Züge in der Formationsentwickelung zu charakterisieren:
durch die Verknüpfung der verschiedenartigsten Wissenszweige
zur Erzielung eines eindringenden Verständnisses zeichnet sich die
moderne Naturforschung aus!
Das hier über die 5 Punkte Angeführte lässt sich
dahin zusammenfassen, dass die Häufigkeit bestimmter
Arten und deren Wachstumsformen im Anschluss an die
Jahresperiode zusammen die kräftigsten Landschaftszüge
der Vegetationsformationen liefern, während im Klima
und Relief des Bodens nach Standortsverschiedenheiten
die Bedingungen zur dauernden Abgrenzung verschiede-
ner Formationen wiederum gegeben sind; die biologischen
Wechselwirkungen leiten dahin, die Formation nicht als
ein Gemisch zusammenhangsloser Stücke, sondern als
einen innigen Verband von gemeinsam, bald einander
[229]Haupt- und Einzelformationen.
gegenseitig mehr förderlich, bald mehr schädlich, der
Jahresperiode unterworfenen und sich häufig nur in diesem
Verbande haltenden Organisationen anzusehen.
Einteilung der Vegetationsformationen. Die Ve-
getationsformationen ergeben sich aus der primären Ein-
teilung der gesamten Vegetationsdecke der Erde in solche
reine oder gemischte Bestände, welche den Charakter der
Landschaft am auffälligsten kennzeichnen, und dabei also
den Grad der Bodenbedeckung, die Rückwirkung auf den
Boden selbst durch die erzeugte organische Substanz, die
Höhe und Schaustellung von Blättern und Blüten zuerst
in Betracht ziehen.
Das liefert also die Einteilungsgründe für die grossen
Gruppen, welche als Klassen und Abteilungen von Ve-
getationsformationen (s. Pflanzengeographie in „Neumayers
Anleitung“ 2. Ausgabe Bd. II, S. 168) bezeichnet werden.
Dabei ist jedoch immer auf die Hauptvegetationszonen
zurückzukommen: eine natürliche Vegetationszone ist ein
solches Stück Erde, auf welchem ein Komplex von nach dem
Relief und dem Bewässerungsgrade verschiedenen Vege-
tationsformationen ein in sich abgerundetes, gleichförmiges
Bild gegenüber ganz verschiedenen Bildern in den Nach-
barzonen zeigt. Die Hauptbegriffe der Formationseintei-
lung sind oft zu unbestimmt; wie weit reicht z. B. nicht
der „Wald“ auf der Erdoberfläche! Aber die botanisch-
charakterisierten Abteilungen dieser Formationsklassen
sind es, welche am besten den Landschaftscharakter be-
zeichnen. Die Formationsklasse der Wälder zerfällt also
sogleich in Abteilungen und Glieder (sogenannte Einzel-
formationen), welche sich in den verschiedenen klima-
tischen Zonen von grösster Verschiedenheit, u. z. sowohl
von floristischer als vegetativ-biologischer Verschiedenheit,
verhalten. Dasselbe ist der Fall mit den Grasbeständen,
von denen die deutschen Wiesen doch nur eine Charak-
terabteilung darstellen, u. s. w. Die Formationen der
Tropen also haben gewisse Gemeinsamkeiten, die nun
einmal zum Charakter der tropischen Landschaft zuge-
hören und unter denen die frostfreie Ruheperiode eine
[230]Gruppenbildung der Formationen.
der bemerkenswertesten ist; auch ist es ja viel leichter
möglich, dass z. B. irgend eine Pflanzenart des tropischen
Waldes übertritt in eine tropische Savane, oder ein
nordischer Laubbaum sich in eine Wiese verirrt, als dass
jene tropische Waldform mit dem nordischen Laubbaum
vergesellschaftet eine Uebergangsformation darstellte.
Es ergibt sich daraus, dass für eine klar zusammen-
fassende pflanzengeographische Uebersicht der Erde stets
nur die Vegetationszonen, bezw. die sich an diese an-
schliessenden Florenreiche, als primäre Einteilung ge-
wählt werden dürfen, erst sekundär die Vegetationsfor-
mationen in diesen. So wird es also auch in dem fol-
genden speziellen, den einzelnen Ländern gewidmeten
Abschnitt gehandhabt werden; jetzt zunächst aber sollen
hier die Vegetationsformationen zur Vorbereitung für das
später Folgende in ihrer selbständigen Gliederung gekenn-
zeichnet und die Ordnungen und Gattungen, welche jedes-
mal hauptsächlich in ihnen wirksam sind und die wesent-
lichen physiognomischen Formationszüge bewirken, bei-
gefügt werden. Im Anschluss an die Wachstumsweise
und an die durch das Substrat hervorgerufenen Anpas-
sungsformen der Pflanzenwelt gliedere ich die Vegeta-
tionsformationen in die Klassen der Baumbestände oder
Wälder, Strauchbestände oder Gebüsche, Halbstrauch-
bestände oder Gesträuche, Staudenbestände mit breitem
Blatt, Gräserbestände, Moos- und Flechtenbestände, Süss-
wasserbestände und ozeanischen Bestände, und in unzu-
sammenhängende gemischte oder auf ein bestimmtes Sub-
strat hinweisende Bestände. Dem Ausdruck „Bestand“
entspricht im Gebrauch der Name „Formation“.
Die Waldformationen.
Unzweifelhaft als bedeutendste aller Formations-
klassen in Hinsicht auf Beurteilung des pflanzengeo-
graphischen Charakters weiter Ländermassen, auf Be-
wohnbarkeit und Fruchtbarkeit des Bodens, bedeckt Wald
oder das an seine Stelle getretene Kulturland einen Haupt-
teil der Erde; er fehlt nur den oben bei der Verbreitung
der Palmen und Coniferen in Abschnitt 4 erwähnten
[231]Die Klasse der Wälder.
Binnengebieten fast gänzlich, reicht von der Südgrenze
der arktischen Zone bis zur antarktischen, ist in analogen
Bildern unter entsprechenden Breiten der grossen Konti-
nente, und zeigt je nach dem Florenreichscharakter ein
äusserst mannigfaltiges Bild. Wohl die Hälfte der Ord-
nungen von Blütenpflanzen beteiligen sich an seinen
sozial wechselnden, mit starken Holzstämmen in die Höhe
gehenden Genossen. Physiognomisch liefert der Wald
das am stärksten ausgeprägte Landschaftsbild, auch er-
zeugt er in sich allein die tiefgründigsten Humusschichten
auf dem Erdboden; ob die stärkste Produktion organi-
scher Substanz, quantitativ nach Fläche gemessen, der
tropischen Waldformation zufällt, wie man leicht an-
nehmen möchte, erscheint den von Feldgewächsen herge-
leiteten Erfahrungen gegenüber doch zweifelhaft.
Obgleich auch die Wälder sogar in der nördlich-
gemäßigten Zone meistens, in den subtropischen und
der tropischen Zone aber fast ausschliesslich aus ver-
schiedenen, und oft aus sehr vielen Arten gemischt sind
und die Wälder einfachen Baumschlages seltenere Er-
scheinungen bilden, so ist doch vielleicht keine andere
Hauptformation noch verhältnismäßig so häufig aus reinen
Beständen einer einzelnen Art gebildet, als gerade gewisse
Waldformationen. Nicht nur düstere Fichten-, Kiefern-
und Tannenwälder des Nordens gehören dazu, sondern
auch die Araucariawälder der südlichen Subtropen und
die weitzusammenhängenden Bestände der Mauritiapalmen
mit ihrem einförmig-säulenförmigen Dom am Amazonas,
die argentinischen Bestände der Cocos australis u. a.,
seltener allerdings — wie es scheint — solche von diko-
tyledonen Laubbäumen. Es möchte eine dankenswerte
Aufgabe für weitgereiste Geographen sein, diejenigen
Arten von Bäumen, welche für sich allein Waldungen
zu bilden vermögen, mit ihrer Verbreitung zusammen-
zustellen.
In der Regel, und zwar mit zunehmender Arten-
mischung des Hauptbestandes stets häufiger, ist die
Waldformation mehrschichtig, indem im Baumschatten
zerstreute Gebüsche, Gesträuche, Stauden und Moose,
[232]I. Immergrüne tropische Regenwälder.
Flechten und Pilze den Boden mit kürzerer Oberflächen-
schicht bedecken. Daher können auch verschiedene Ve-
getationsformen und Arten, die frei vom Walde zu selb-
ständigen Formationen zusammentreten, den im Walde
gebotenen Raum als Nebenbestände ausfüllen.
I. Den höchsten Grad der Mannigfaltigkeit und hoch-
gradigen Differenzierung erreichen die Wälder in den
Formationen der (immergrünen) tropischen Regen-
wälder, welchen Namen Pechuël-Lösche für die feuchten
Urwälder der tropischen Vegetationszone vorgeschlagen
hat. Dieselben sind typisch stark gemischt, aus sehr
vielen verschiedenen Arten gleichzeitig zusammengesetzt,
von denen die Mehrzahl immergrünes Laub trägt, mehr-
schichtig, so dass oft die höchsten Baumkronen über
einen Wald aus niederen Arten emporragen, welche ihrer-
seits vielleicht noch viel niedrigere Baumfarne, oder zier-
liche und kaum Stämme bildende Zwergpalmen beschatten;
der Boden ist in diesen Fällen häufig kahl, aber die
Nebenbestände sind stets als hoch und weithin schlingende
Lianen und als auf den Aesten hoch in der luftigen Krone
angesiedelte Epiphyten in einer den subtropischen und
temperierten Klimaten fehlenden Mannigfaltigkeit ent-
wickelt. Weder Frost noch Dürre stören die Entwicke-
lung, obwohl periodische Schwankungen auch hier zur
Regel erhoben sind.
Lianen. Das Bild jeder echten tropischen Waldvegetation
zeigt die Lianen als herabhängende, gebogene oder korkzieher-
artig gewundene, runde oder abgeflachte, ja sogar breit bandartige
dünne oder armsdicke Holzseile zwischen dem Gezweig, von Stamm
zu Stamm Verbindungsdrähte ziehend, oben in den Kronen mit
ihrem Blätterwerk zwischen dem der Stütze voll entwickelt. Die
Art ihres Wachstums wird von Wallace in seinem, durch eigene
Anschauung der Tropen zweier Weltteile so ausgezeichnet origi-
nellen Werke „Tropical Nature“ (1878) beredt geschildert. Er
gibt an, dass man selten ermitteln kann, wo irgend eine Liane
wurzelt; denn ihr Längswachstum ist fast unbegrenzt, und wenn
sie in dem Wipfel des sie stützenden Baumes volle Entwickelung
gefunden hat, stürzt sie vielleicht mit eben dieser Stütze in nächster
Zeit wieder zu Boden und hat nun, unter neuer Bildung rasch
aufschiessender Seitenzweige, irgend einen neuen Stamm aufzu-
suchen, um an diesem neu in die Höhe zu ranken. Fast nie blühen
die Lianen, oder bringen auch nur Laub hervor, im Schatten; in
[233]Lianen und Epiphyten.
grösster Eile streben sie zum Licht. Im kleinen Maßstabe beob-
achtete ich im Dresdner botanischen Garten seit mehreren Jahren
das Wachstum einer Malpighiaceen-Liane: einzelne Triebe sind
zum Längswachstum bestimmt und schiessen mit einer nur bei
Tropengewächsen vorkommenden Energie aus den sie bildenden
Achselknospen hervor; sie nehmen sich gar keine Zeit zur Ausbil-
dung von Blättern, selbst da nicht, wo das Licht es begünstigen
würde; sondern mit rudimentären, den schwanken Trieb knotig-
gliedernden Blattandeutungen klimmen sie, an einen Stamm schwach
angelehnt und in dessen Blätter hineinfahrend, in die Höhe und
erreichen leicht in wenigen Wochen 5—6 m Länge (im Gewächs-
haus ausgepflanzt); ein nebenstehender alter Pandanus wurde
durchwachsen und das eine oder andere Blatt mit ein paar kurzen
Windungen umwickelt; nun hörte das rapide Längswachstum auf,
die Spitze dorrte ab; sogleich aber trieben nun in den Achseln
der nur angedeuteten Blätter kräftige Seitenzweige mit schöner,
glänzend immergrüner Belaubung, und auf kurzen Trieben öffneten
einige Monate nach dem Beginn des Austreibens schon Blüten-
stände hoch oben hängend die rasch gezeitigten Blumen. Später
erstarkt das Holz des Triebes und neue Seitenzweige wachsen nun
langsamer weiter, bis der ganze Trieb durch einen zweiten abge-
löst wird. In freier Natur würden wahrscheinlich mehrere neben-
und auseinander sich fortentwickeln.
Die Pflanzenordnungen, denen diese Lianen angehören, sind
systematisch recht verschieden und bilden zumeist grosse Formen-
kreise, denen auch meist andere, aufrecht wachsende, breitästige
Bäume der gewöhnlichen Wipfelform angehören. Am berühmtesten
ist die Ordnung der Sapindaceen durch ihre Lianen, denen im
tropischen Amerika besonders die grossen Gattungen Serjania und
Paullinia angehören. Andere dikotyle Ordnungen sind die Bi-
gnoniaceen, die Ampelideen (Ampelocissus, Cissus) und Piperaceen.
Unter den Monokotylen bilden besonders die Palmen hochwüchsige
Lianen aus, hier die Gattung Calamus, Plectocomia und verwandte
in Asien und Malesien, die Gattung Desmoncus in Südamerika;
dünnere aber mit sehr zähem Stengel lang-kletternde Lianen ge-
hören dann zu den Smilaceen (Smilax, 200 hauptsächlich intra-
tropische Arten).
Ein zweiter allgemeiner Charakterzug der tropischen
Regenwälder, ja auch der trockeneren Tropenwälder, liegt
in ihrer epiphytischen Vegetation. Als solche be-
zeichnet man diejenige Pflanzenform, deren Individuen
ohne parasitische Eigenschaften die Baumrinde, breite
Aeste und zumal die Astwinkel als Standorte für sich
aussuchen, um nahe am Lichte in einer absonderlichen
Ernährungsweise, wo zumal die Wasserversorgung und
die Wasserspeicherung für die trockeneren Jahreszeiten
[234]Schimpers Arbeiten über die
Schwierigkeiten bereitet und eigene Organisationsmaß-
regeln herausfordert, ein kräftiges Leben zu führen. Man
sagt deshalb oft von den Tropenwäldern, dass man in
ihnen in den Baumkronen, anstatt unter ihnen wie bei
uns, auf die kleineren Pflanzen achtend botanisieren
müsse. Die Charakterzüge der Epiphyten liegen also in
ihrem Standort, und diesem angemessen in ihrer Luft-
wurzel- oder Kriechwurzelbildung, im Verdunstungsschutz
der in der Regel immergrünen Blattorgane, im Lichtbe-
dürfnis zur Entfaltung ihrer oft grossen und schön ge-
färbten Blumen, besonders auch in der Samenverbreitung
und Keimung auf neuen epiphytischen Plätzen. Doch
sei sogleich bemerkt, dass nicht wenige Epiphyten ihre
Standorte auch gern mit sonnigen Felsen etc. vertauschen,
viele allerdings nur Baumbewohner sind.
Eine ausführliche Darstellung der biologischen Verhältnisse
innerhalb der amerikanischen Epiphytenvegetation verdanken wir
mehreren ausgezeichneten Arbeiten Schimpers (Die epiphyt. Vegetat.
Amerikas, in Bot. Mitteil. aus den Tropen, Heft 2); vergl. G. J.,
XIII, 312 und XI, 104—106. Der Raum gestattet hier leider nicht,
die Verteilung der Epiphyten innerhalb ihrer Verbreitungsbezirke
ausführlicher danach zu referieren, nur das Prinzipielle sei auch
hier hervorgehoben, wie solche botanisch-biologische Monographien
das Wesen der Formationsphysiognomik wissenschaftlich erfassen,
die Pflanzengeographie mit der Physiologie verknüpfen. Da herrscht
keine Willkür in der Schaffung irgend welcher Begriffe, sondern
Erforschung von Thatsachen, welche ein wirkliches Naturverständ-
nis eröffnen!
Die Epiphyten sind aus einem kleineren Kreise tropischer
oder allgemeiner verbreiteter Ordnungen auserlesen: wenige Lyco-
podiaceen, sehr viele Farne, Bromeliaceen und Cacteen (letztere in
den trockneren Gebieten, besonders Rhipsalis) und Cyclanthaceen
in Amerika, Araceen und eine übergrosse Zahl von Orchideen,
Piperaceen, einige Clusiaceen, Melastomaceen, dann Ericaceen-
Vaccinieen als starke Sträucher, eine Menge von Gesneraceen, Ru-
biaceen und einige weniger bedeutende Ordnungen liefern das
Hauptmaterial dazu. Notwendig erscheint, dass der Samenbau
der betreffenden Pflanzen ein geringes Gewicht, oder einen be-
sonderen Flugapparat, oder endlich durch Beerenbildung (Vacci-
nieen) eine tierische Hilfsverbreitung besitzt, um in den Baum-
kronen sich verbreiten und keimen zu können.
Im übrigen sind die Organe der „atmosphärischen Vegeta-
tion“ höchst mannigfaltig, was Schimper drastisch in dem Satze
ausdrückt, dass Aëranthus, eine epiphytische Orchidee, fast nur
aus Wurzeln besteht, welche die ganze Ernährung zu besorgen
[235]Epiphyten Amerikas.
haben, während die Tillandsia usneoides, die weitverbreitetste wie
Bartmoos schlingende epiphytische Bromeliacee Amerikas, der
Wurzeln völlig entbehrt, zugleich auch fast niemals blüht, sondern
sich aus abgerissenen (sogar aus zum Nestbau von Vögeln zu-
sammengetragenen!) Zweigen mit grosser Lebenszähigkeit zu er-
halten vermag: dennoch gleichen sich beide sehr im Habitus, Lebens-
weise und inneren Bau. Andere Epiphyten, wie die Vaccinieen
der Gruppe Thibaudia, Agapetes und Epigynium, die Rubiaceen etc.
sind Sträucher oder kleine Bäume, welche den parasitischen Loran-
thaceen bis auf ihre selbständige Ernährung gleichen. Als ein
berühmtes Beispiel Westindiens schildert Schimper hier die Clusia
rosea: ein reich belaubter mittelgrosser epiphytischer Baum, dessen
frei wachsender Stamm sich nach unten in eine oft über arms-
dicke scheinbare Hauptwurzel fortsetzt, welche meistens der Rinde
des bewohnten Baumes dicht angedrückt senkrecht bis in den
Boden geht. Zahlreiche dünnere Nebenwurzeln entspringen ihr,
sämtlich auf der Rinde kriechend, um teils in den Boden zu
wachsen, teils den stützenden Stamm fest zu umklammern. Ausser-
dem entspringen aus den belaubten Aesten zahlreiche Neben-
wurzeln, die teilweise mit ungeheurer Länge senkrecht nach unten
bis zum Boden wachsen, teilweise ebenfalls als kurze und starke
Haftorgane ausgebildet sind, welche oft über fingersdick sich
rankenartig um die erfassten Gegenstände krümmen. — Epiphyten
dieser Art vermögen auch auf dem Erdboden zu keimen und ent-
sprechen den Banyanenbäumen, welche interessante Ficus-Vegeta-
tionsform durch Ersticken und Ueberwuchern eines anderen Baum-
stammes ihre bizarren Stammformen erhält.
Je nach der Lichtfülle und atmosphärischen Feuchtigkeit ist
die Regenwald-Epiphytenvegetation im unteren und oberen Teile
der Krone verschieden; soweit der Stamm sich im Walddunkel
befindet, trägt er nur spärliche und wenig mannigfaltige Epiphyten;
seine lichteren dickeren Aeste tragen die formenreichste und
üppigste Vegetation, nach oben zu aber werden solche Formen
vorherrschend, welche zugleich auf den Bäumen der Savanen-
formationen allein vorkommen, graue Tillandsien, dickblätterige
und meist knollenlose Orchideen, lederartige Farne (Polypodien).
Die sich hieran naturgemäß anknüpfende Frage, ob diese letzte
Epiphytenkategorie aus dem Regenwalde in die Savane, oder
umgekehrt, eingewandert sei, beantwortet Schimper im ersteren
Sinne, doch vielleicht, wie es scheint, zu allgemein; denn was auch
für die erstere Ansicht spricht, braucht nicht für alle, z. B. die
Cacteen, zu gelten. — Dass die Art der die Wirte bildenden Bäume
durch die Beschaffenheit ihrer Rinde einen grossen Einfluss auf
die Besiedelungsfähigkeit durch Epiphyten hat, ist klar; Crescentia
ist z. B. im tropischen Amerika mit ihnen beladen, die ihre Borke
abwerfenden Myrtaceen sind meist leer davon.
Einige wenige Epiphyten haben ein sehr weites, das einheit-
liche Florenreich überragendes Areal, wie Rhipsalis Cassytha und
Tillandsia usneoides. Im allgemeinen aber sind die Epiphytenfloren
[236]Verbreitung und Statistik der Orchideen.
da, wo der Urwaldsgürtel selbst gesondert ist wechselnd wie die
Alpenfloren getrennter Gebirge; jedes tropische Florenreich hat auch
seine gesonderten, oft nach engen Gebieten rasch wechselnden
Epiphyten. Die Thatsache gewisser sehr weiter Areale scheint
Schimper veranlasst zu haben, die allgemeine und gleichartige
Verbreitung der Epiphyten zu sehr zu betonen.
Unter den Ordnungen der Blütenpflanzen, welche
so recht eigentlich in epiphytischen Arten glänzen, ragen
die Orchideen in ihrer weiten Verbreitung über die
ganze Erde hervor. Darin liegt zugleich begründet, dass
ein anderer grosser Teil dieser interessanten Pflanzen-
gruppe nicht zu den Charakteren der Tropenwaldungen
gehört, und es mag hier eine kurze Bemerkung über die
Verbreitung der ganzen Ordnung Platz finden.
Orchideen. Die ganze Ordnung nimmt mit 410 Gattungen
in dem Artreichtum von circa 10000 Spezies die dritte Stelle ein,
mit Hauptentwickelung in den tropischen Florenreichen. Geringer
ist die Zahl der erdbewohnenden Arten, welche in den gemäßigten
Klimaten allein vorhanden sind und bis zu hohen Breiten vor-
rücken: noch 4 Arten finden sich beispielsweise in Grönland zwischen
64—70° N. In den mittleren Regionen feucht-tropischer Gebirge
überflügeln sie an Arten- und Individuenreichtum die meisten Ord-
nungen, denen sie sonst nachzustehen pflegen, bilden z. B. die
artenreichste im Khasyagebiet des Himalaya; 500 Arten werden
allein für Birma angegeben. Ohne sich vollständig auszuschliessen,
sind doch die meisten grösseren Tribus in bestimmten Floren-
reichsgruppen vorzugsweise entwickelt, erst recht sind bedeutende
Gattungen einzelnen Florenreichen eigentümlich. So beschränken
sich beispielsweise die erdbewohnenden Ophrydinen-Serapiadeen,
zu welchen die meisten mitteleuropäischen Orchideen gehören, fast
ganz auf das Mediterran- und anstossende mittel-europäische Ge-
biet, wo besonders Ophrys und Orchis verbreitet sind; die Ophry-
dinen-Habenarieen gehören dagegen der Hauptmasse nach den
Tropen an, und fast alle Ophrydinen-Satyrieen gehören zum süd-
afrikanischen Florenreich. Sehr artenreiche tropische Gattungen
sind: Habenaria (300 Arten), Masdevallia (100), Stelis (150), Pleu-
rothallis (400), Epidendrum (über 400), Dendrobium (300), Eria
(80), Bolbophyllum (100), Maxillaria (über 100), Odontoglossum
(100), Oncidium (über 300), welche also zusammen nach Pfitzers
Abschätzung schon 2300 Arten umfassen.
In der Tropenwaldzone sind nun die Orchideen fast
allgegenwärtig; sie wachsen auf den Stämmen, in Gabe-
lungen der Zweige, auf gestürztem Holz; daneben breiten
sie sich über Felsen aus und hängen an den Stirnflächen
[237]Wachstum epiphytischer Orchideen.
steiler Felsgründe herab; nur wenige wachsen gleich den
nordischen Formen zwischen Gras und Kraut auf dem
Erdreich. Wallace, der in seiner „Tropical Nature“
ein prächtiges Bild auch von diesem Zuge der tropischen
Waldflora entwirft, hebt übrigens hervor, dass die in den
Gärten Europas zu schauenden Kollektionen eine nicht
zutreffende Vorstellung über den Blütenreichtum und die
Farbenpracht der Orchideen erwecken, weil im Heimat-
lande sehr viele mit unansehnlichen Blüten angetroffen
werden, welche der Kultur nicht wert sind; ausserdem
blühen sie in allzu verschiedenen Zeiten. Ausserordent-
lich variabel sind sie an Grösse; einige winzig kleine
kriechende Stämmchen gleichen mit kleiner und flacher
Beblätterung Moosen, andere, so die grossen Grammato-
phyllum-Arten Borneos, bilden eine Masse von 3 m langen
laubreichen Schüssen. Mason berichtet aus Birma über
die mächtige Vanda gigantea mit über fusslangen, hän-
genden Blütentrauben von gelbleuchtender Farbe, deren
einzelnes vom Baume herabgehauenes Exemplar eine schwere
Manneslast ausmacht; auch diese üppige Form ist zu-
gleich ein Beispiel enger geographischer Beschränkung,
da sie nur an wenigen Plätzen, und dort recht reichlich,
vorkommt. Aber solche Erscheinungen müssen selten
sein, denn Wallace haben sich nur wenige Fälle mit ent-
zückendem Reiz, wie in unseren Orchideenhäusern, bei
seinen langen Tropenwanderungen eingeprägt: die goldenen
Oncidien der überfluteten Wälder des oberen Amazonas, die
gewaltigen Cattleyas der trockeneren Wälder, dann die
Coelogynes der Sümpfe, und die Vanda Lowii der Hügel-
wälder von Borneo mit 8 Fuss langen Blütentrauben.
Amerika besitzt vor den altweltlichen Tropen eine
interessante Epiphytenordnung voraus, nämlich die Bro-
meliaceen; aber deren Arten sind längst nicht alle
feuchtliebende Epiphyten, sondern in grosser Anzahl
trockensonnige Xerophyten. Aber im Gegensatz zu den
Orchideen geht von den über 500 zählenden Arten nur
ein ganz kleiner Teil über die Tropen hinaus (z. B. Til-
landsia usneoides bis Nordcarolina).
Bromeliaceen. Wittmack hebt in seiner Verbreitungszu-
[238]Epiphytische Bromeliaceen, Araceen.
sammenstellung (Natürl. Pflanzenfam. T. II) hervor, dass zwar die
meisten die niederen Regionen bewohnen, doch einige auch be-
deutende Höhen ersteigen (Gipfel des Itatiahy, Anden Perus bis
über 4000 m); die Gattung Puya bewohnt die trockenen, aber um-
nebelten Centralprovinzen von Peru und Chile, durch ihre bis zu
3 m hohen Blütenschäfte den Landschaftscharakter stark belebend.
Diese vegetieren auf Erd- und Felsboden; zum grössten Teile aber
leben die Bromeliaceen epiphytisch auf Bäumen, zumeist hoch in
den lichten Kronen; ihre biologischen Einrichtungen und ihre
geographische Verteilung sind von Schimper an genannter Stelle
in ausgezeichneter Weise monographisch behandelt (G. J., XI, 104
und XIII, 312). Durch Zahl und Grösse der Individuen stehen sie
unter allen amerikanischen Epiphyten obenan, und man sagt, dass
sie hier den Landschaftscharakter weit mehr als die Orchideen be-
einflussen; die epiphytische Vegetation in den amerikanischen
Savanen verdankt ihre Eigentümlichkeit hauptsächlich dem Vor-
herrschen stark beschuppter und daher weisslichgrau erscheinen-
der Bromeliaceen.
Noch eine dritte Ordnung von überwiegend tropi-
schem Charakter ist unter den Epiphyten zu nennen, die
mit knotig gegliedertem, weich bleibenden, Luftwurzeln
aussendenden Stamme kletternden Araceen (Aroïdeen),
unter denen die den tropischen Regenwald aller drei Kon-
tinente bewohnenden Arten neben solchen auf nassem
Grund und Boden entlang der im Walde strömenden
Flüsse die zahlreichsten sind. Nur wenige Arten treten
von dieser Ordnung in die gemäßigten Klimate ein.
Araceen. Von den etwa 900 Arten sind nach Engler 92 %
tropisch und die übrigen 8 % verteilen sich auf die wärmeren
Gebiete nördlich und südlich, ohne die kalten Zonen zu berühren.
Die Mehrzahl ihrer 105 Gattungen ist auf die östliche oder die
westliche Hemisphäre beschränkt, die Arten sind auf kleinere Be-
zirke angewiesen. Am formenreichsten von allen ist das malayische
Gebiet, 100 Arten schon aus Borneo und Neuguinea bekannt. Her-
vorragende Gattungen sind: Pothos (Indien), Anthurium (über
200 Arten im tropischen Amerika), Monstera (Amerika), Dracon-
tium (ausgezeichnet durch gigantische Blätter und Kolben, unter
denen ein Mensch verschwindet; Amerika), Amorphophallus (Asien;
dahin der riesige A. Titanum aus dem malayischen Archipel), Phi-
lodendron (über 100 Arten im tropischen Amerika); Alocasia und
Colocasia in den indischen Tropen enthalten einige wichtige Nutz-
pflanzen (Taro-Knollen); Arum (Mediterrangebiet und Mitteleuropa).
Endlich besitzt Amerika unter den kletternden Epi-
phyten noch wiederum eine eigene kleine Ordnung, die
[239]Waldbildende Hauptbestände. Palmen.
der Cyclanthaceen. Alle hier Genannten gehören zu den
Monokotyledonen; keine dikotyle Ordnung erscheint epi-
phytisch so bemerkenswert.
Nachdem einige der hervorstechendsten Nebenformen
der tropischen Waldformationen erläutert sind, kehren
wir zu den baumbildenden Hauptbeständen zurück, fragen
nach den in ihnen vertretenen biologischen Typen und
nach den sie hauptsächlich zusammensetzenden Ordnun-
gen oder hervorragenden Gattungen. Auch hier liegt
sehr viel Bemerkenswertes in dem Beigemisch oder im
gelegentlich geselligen Auftreten einer Reihe monokotyler
Gattungen neben der Hauptmasse ungemein im systema-
tischen Charakter wechselnder Dikotyledonen, welche aber
doch fast gänzlich aus anderen Ordnungen herstammen
als die Bäume der kühler gemäßigten Zonen.
Unter den Monokotyledonen stehen die Palmen obenan,
und es bedarf unter Verweisung auf das im Abschnitt 4
über ihre Verbreitung Gesagte nur noch einiger physio-
gnomischer Bemerkungen. Am häufigsten sind einzelne
Individuen im Walde verteilt, ragen oft auf langen, dün-
nen Stämmen über das herrschende Laubwerk hinaus,
oder sie bilden gesellige Gruppen an feuchten Plätzen,
bekleiden die Ufer mit stammlosen Rosetten von riesigen
Fiederwedeln, oder aber sie nehmen an der Waldvegeta-
tion mit einer Masse kleiner Arten, die dem Charakter
unseres Unterholzes entsprechen und sich oft mit den
ebenfalls meist in niedrigeren Gruppen haltenden Baum-
farnen mischen, teil und entfalten hier in der Regel eine
grössere Mannigfaltigkeit als in den Palmbäumen. So
glänzt besonders das tropische Amerika durch die Masse
zierlicher, den Waldesschatten mit wunderschön geschnit-
tenen, breiten Blättern in Rosetten zierender Geonoma-
Arten, ferner durch die, Stämme von Spazierstockdicke
entwickelnden stacheligen Bactris-Gebüsche oder durch die
üppigeren Astrocaryen, denen sich als dünne Rohrpalmen
in Centralamerika und Südmexiko die Chamädorea-Arten
der schon kühleren Bergwälder anschliessen. In Indien
gibt es ähnliche, aber in verschiedenen Gattungen an-
derer Tribus steckende Formen; es überwiegt hier die
[240]Verbreitung und Habitus der Pandaneen.
Arecaform, und merkwürdig erscheinen mit fischschwanz-
ähnlichen Fiedern die Caryoten. Afrika hat solcher zier-
licher Formen wenige in seinen Wäldern.
Dafür besitzen die tropisch-afrikanischen und asia-
tisch-ozeanischen Florengebiete in den Pandaneen einen
anderen, Amerika durchaus fehlenden Charaktertypus aus
den Schopfbäumen, ausgezeichnet durch die schmale, wie
riesige Grasblätter geformte und dicht gedrängte Belaubung.
Die Pandaneen. Pandanus bildet mit mehreren Untergat-
tungen und mit der kleinere Pflanzen umschliessenden selbständigen
Gattung Freycinetia allein die Ordnung der Pandaneen, zu der
früher fälschlich gewisse abweichend gebaute, berühmte Palmen
(Phytelephas, Nipa fruticans) gezählt wurden. Die so gereinigte
Ordnung lebt nur innerhalb der Tropen der östlichen Hemisphäre,
und zwar Pandanus selbst von Senegambien und Unterguinea
durch Inner- und Ostafrika hindurch auf Madagaskar, den Mas-
karenen, Seychellen, auf dem indischen Festland von Bengalen bis
über Hongkong hinaus, mit 5 Arten an der Nord- und tropischen
Ostküste Australiens bis zum 30° S. B. hinab, auf der Lord Howes
Insel, sehr zahlreich auf Neucaledonien, und endlich auf allen
intratropischen ozeanischen Inselgruppen ostwärts bis zu den Sand-
wichinseln. Die Gattung Freycinetia ist in etwas engere Grenzen
eingeschlossen: sie beginnt erst auf Sumatra im Westen und den
Philippinen und Marianen im Norden des malayischen Archipels,
in welchem sie ihr Entwickelungscentrum besitzt, kommt auch am
Südrande ihres Areals in 3 Arten an Australiens Nord- und Ost-
küste bis 25° S. B. vor und auf der nördlichen Insel Neuseelands
(F. Banksii); nordwärts ist sie ebenfalls bis zu den Sandwichinseln
und bis nach Tahiti verbreitet. — Der Habitus dieser Pflanzen,
gut wiedergegeben in einer Holzschnitttafel „Riesenpandanus an
der Loangobai“ in dem Loango-Reisewerke von Pechuël-Lösche,
hat mit den Palmen den hohen, auf Luftwurzeln gestützten Stamm
und die schopfige Blätterkrone gemeinsam; während aber die
Palmenstämme wenige und in der Regel sehr breite Blätter gleich-
zeitig tragen, sind die Kronen der Pandanen dicht aus 40 bis
100 Blättern schraubig zusammengedrängt, schmal und ausser-
ordentlich lang mit parallelen Nerven, dazu in der Regel auf der
Rückseite des Mittelnerven und an den beiden Seitenkanten mit
regelmäßig verteilten hakenförmigen Stacheln bewehrt. Während
der Palmenstamm sich nur selten gabelt, geschieht dies häufig bei
dem Pandanus-Stamm, so dass dann mehrere Kronen an einer
Pflanze entwickelt sind (P. furcatus, Candelabrum u. a.). Mächtige
Blütenstände mit Blüten von sehr einfachem Bau hängen lang aus
dem Blattschopfe herab.
Eine andere, in den Tropen beider Hemisphären ver-
[241]Form und Verbreitung der Scitamineen.
breitete Vegetationsform ist die der monokotylen Ro-
settenträger, ihr bekanntester Repräsentant die Banane
(Pisangform und Scitamineenform nach Grisebach in „Neu-
mayers Anleitung“). Das Blatt der Banane ist bekannt-
lich breit in die Länge gezogen und ganzrandig, dabei
glatt und wie eine Fieder geadert; die Scheidenstiele
dieser grossen Blätter stellen riesige Hohlcylinder dar,
von denen jeder ältere alle jüngeren umschliesst, so dass
ein hochragendes stammartiges Gebilde entsteht; in die-
sem nimmt aber ein eigentlicher Stamm nur den unter-
sten und innersten, tief in den Blättern verborgenen Teil
ein; das, was man sieht, besteht aus den fest übereinan-
der gepressten Blattstielscheiden, ist also ein „Kraut-
stamm“. Und während bei der Banane (Musa) die Blät-
ter eine allseitig abstehende Krone bilden, trägt Ravenata
madagascariensis ihre Blätter in zwei scharf gegenüber-
stehenden Längszeilen, welche nach oben aufgerichtet
zusammenhängen, so dass hier ein höchst anziehender Ve-
getationstypus vorliegt. Die grossen Formen (Musaceen)
haben aber in sehr viel kleineren, welche zuweilen schlanke
und fingersdicke Stämme treiben mit kurzen Blattrosetten
auf der Spitze und an Aesten, ihre zahlreichen Verwand-
ten, die ihrerseits wenig Auffälliges besitzen. Sie alle
fallen in die Systemgruppe der Scitamineen.
Scitamineen. Die Ordnung der Musaceen einerseits und
die drei, eine zweite natürliche Hauptordnung (Zingiberaceen i. w.
S.) bildenden Gruppen von Zingiber, Canna und Maranta, ent-
halten lauter wesentlich tropische Areale, aus deren Bezirk nur
wenige Gattungen in die angrenzenden Subtropen hinausgegangen
sind. Die Musaceen bilden zwei abgesonderte Tribus, die Museen
in der Alten- und die Heliconieen in der Neuen Welt; Musa, Ra-
venala und Strelitzia sind die Gattungen der ersteren Tribus, He-
liconia die einzige, etwa 30 Arten umfassende Gattung Amerikas.
Musa, die Banane (M. sapientum), mit vielleicht 20 Arten und
einer grossen Zahl Kulturrassen, ist die berühmteste Gattung; die
altweltliche Heimat ist bei ihr bestritten worden, doch gewiss mit
Unrecht, obgleich festzustehen scheint, dass die Banane schon vor
1492 in Amerika angepflanzt gewesen sein wird. — Die Zingiberinen
(Zingiber: Ingwer, Amomum: Cardamom) haben ihr Verbreitungs-
centrum im indisch-malayischen Gebiet, die Gattung Canna im
tropischen und subtropischen Amerika, die Marantinen gleichfalls
im tropischen Amerika (Maranta arundinacea Arrowroot liefernd),
Drude, Pflanzengeographie. 16
[242]Form und Verbreitung der Bambusen.
als beredte Beispiele für repräsentative Ordnungsvertretung in den
Tropen beider Hemisphären.
Als letzter monokotyler, sehr eigenartiger Vegeta-
tionsform ist nun noch der baumartigen Gräser, der Bam-
busenform zu gedenken. Wallace allerdings macht von
diesen die Bemerkung, dass sie nicht als allgemein cha-
rakteristisch für die Tropen gelten könnten, da sie dem
afrikanischen Kontinent fast fehlten und in Südamerika
selten seien, ausserdem in Indien und Ostasien die tro-
pische Vegetationsgrenze weit überschritten. Doch gilt
dasselbe ja auch von Palmen und Pandaneen; die Ord-
nungsareale fallen eben nur selten mit den Grenzen von
Vegetationszonen zusammen. Auch gehören die Bam-
busen wohl nur zum kleineren Teile der Regenwaldfor-
mation an; die Mehrzahl ihrer Vertreter soll trockenere
Hochlandstationen vorziehen, während andere an Fluss-
ufern entlang und wenige im finsteren Walde wachsen.
Bei allen diesen Beschränkungen aber gehören die Bam-
busen zu den wertvollsten Repräsentanten der Tropenflora
und erreichen nur nahe dem Aequator ihre volle Ent-
wickelung, Grösse und Schönheit. In erstaunlicher Ge-
schwindigkeit schiessen während der Regenzeit die „Baum-
halme“ empor, um erst in bedeutenderer Höhe und nach
dem ersten Lebensjahre ihr zierliches Blattwerk breiter,
an schlanken Zweigen wie gefiedert erscheinender Gras-
blätter zu entwickeln. Meistens in dichten Gebüschen
zu undurchdringlichen, zuweilen stacheltragenden Klumpen
gesellt, haben sie hier einen steten Nachwuchs; Stamm
folgt auf Stamm aus einem viele Jahre ausdauernden
Rhizom, wie in unseren Rohrgebüschen die Halme sich
jährlich erneuen. Die Dicke ihrer Stämme sehen wir in
Kunstprodukten aller Art vor uns, welche sie den Ein-
geborenen so wertvoll macht; ihre Höhe erreicht leicht
bis über 30 m, wo dann die sich verdünnenden Stamm-
spitzen in anmutigen Bogenformen überhängen und, als
Ganzes, hohen Trauerweiden in der Erscheinungsweise
nicht unähnlich sind. Bambuswälder bestehen aus solchen
haufenweise nebeneinander sprossenden Riesenbüschen,
gemischt mit Laubbäumen; oder aber sie bestehen aus
[243]Blüte der Bambusen. Farne.
einzeln stehenden „Halmen“, und nach Brandis (in Eng-
ler-Prantls Natürlichen Pflanzenfamilien, wo eine wert-
volle Abhandlung enthalten ist) bedeckt auch diese seltenere
Wachstumsform oft ausgedehnte Landstriche mit dichtem
Walde. Sehr interessante Verhältnisse bietet auch die
Blüte: viele Arten blühen jährlich; „bei anderen Arten
bedecken sich nicht nur alle Halme eines Busches mit
Blüten, nachdem sie ihre Blätter abgeworfen haben, son-
dern es blühen auch alle Büsche derselben Art, die in
derselben Gegend wachsen, zu gleicher Zeit. Ueber grosse
Landstriche sieht man dann den ganzen Bambuswald,
soweit er aus einer Art besteht, in Blüte.“
23 Gattungen setzen die Gräser-Tribus Bambuseae zusammen:
150 Arten wachsen im indischen Monsungebiete, nur 5 (auf 4 Gat-
tungen verteilte) Arten sind bis jetzt aus dem tropischen Afrika
bekannt geworden, darunter Oxytenanthera abyssinica dort überall
verbreitet. Die Untergattung Eu-Bambusa ist mit circa 30 Arten
altweltlich; zu ihr gehört die sehr bekannte B. arundinacea, von
welcher das gleichzeitige Blühen in Zwischenräumen von 32 Jahren,
nämlich 1804, 1836, 1868 bekannt geworden ist; die zweite Unter-
gattung Guadua ist mit 15 Arten amerikanisch, in Brasilien als
Taguara bekannt; die dritte Untergattung Guaduella ist mit
1 Art am Gabun westafrikanisch. Die andere hauptsächliche
amerikanische Gattung ist Chusquea mit 35 Arten der hohen Anden
und des brasilianischen Hochlandes, eine andere bekannte asiatische
Dendrocalamus, darunter D. strictus = Male Bamboo in Indien.
Die Farne spielen auch im Tropenwalde eine mäch-
tige Rolle, wenn auch niemals in primären Stellen. Denn
obgleich der Besitz der übrigens ziemlich weit gen Süden
(Viktoria etc.) herabreichenden Baumfarne einen starken
Unterschied gegenüber den extratropischen Wäldern aus-
macht, so sind doch auch die Baumfarne von mäßiger
Höhe und die höheren überhaupt (den Gattungen Cyathea,
Alsophila und Dicksonia angehörig) nicht allzu häufig.
In der Masse kleiner, unseren vertrauten Formen ähn-
licher Farne liegt eine dem sammelnden Floristen be-
kannte Eigentümlichkeit tropischer Bergwälder, wo sie
an den Stämmen kriechen, in der Rinde wurzeln, von
den Aesten wie Epheu herabhängen, und dann wieder
den Grund bedecken oder Felsen überkleiden. Am Pom-
gerango auf Java sollen allein 300 verschiedene Farn-
arten vorkommen.
[244]Wuchs der dikotylen Tropenbäume.
Es bleibt nun eine Besprechung der Eigentümlich-
keiten der dikotylen Laubbäume im Tropenwalde
übrig, jener Hauptmasse von Bäumen, welche im bunten
Wechsel vieler Arten aus allen möglichen Ordnungen
doch die Hauptbestände bilden, obwohl die Palmen, Sci-
tamineen, Farne etc. physiognomisch viel reizvoller auf-
treten. Ja wenn in Tropenwäldern, wie es z. B. an den
Berggehängen von Neuguinea die Regel zu sein scheint,
die monokotylen Beimischungen oder herdenweise reinen
Bestände selten sind und ganz zurücktreten, dann liest
man oft von den Reisenden, welche sie durchzogen, den
Eindruck, dass sie von heimischen finsteren Laubwäldern
nicht so erheblich im Gesamteindruck abweichen. Wal-
lace hat die unterscheidenden Züge mit Bestimmtheit aus-
zudrücken versucht: die verschiedenen, und doch sym-
metrisch mit vollständiger Geradheit astlos bis zu grosser
Höhe nebeneinander in ziemlich weiten Entfernungen auf-
strebenden Stämme, ähnlich den Säulen eines riesigen
Gebäudes, bezeichnet er als den ersten packenden Zug;
erst hoch, vielleicht 30 m über der Erde, beginnt das
fast ununterbrochene Laubdach, aus den verschiedenartig-
sten Blättern bis zum völligen Abschluss des Himmels-
lichtes dicht gemischt, sich auszubreiten und bewirkt für
den Waldboden ein schweigsames Düster. Die bunte
Zusammensetzung des Waldes ist so gross (ob in allen
Fällen?), dass des Beobachters Auge selten zugleich auf
zwei Repräsentanten derselben Art trifft; das gibt sich
schon aus den verschiedenen Formen der Stämme und
aus deren Ansatz unmittelbar über dem Grunde zu er-
kennen.
Viele derselben verbreiten sich über der Erde in
strahlenartig verlaufende, auf hoher Kante wie Bretter
gestellte Lamellen, durch welche sie einen mächtigen Um-
fang erhalten; denn zwischen den Lamellen solcher Wald-
riesen verschwindet, wie gute Abbildungen von Martius
und v. Kittlitz zeigen, die menschliche Grösse. Andere
Stämme wieder sind unten so tief ausgefurcht, als be-
ständen sie aus einer Reihe verschmolzener Bäume; diese
Wachstumsweise führt Wallace auf die frühzeitige Bil-
[245]Typische Baumformen der Regenwälder.
dung von Luftwurzeln zurück. Andere Stämme, darunter
besonders solche von Ficusarten, behalten ihr ganzes
Leben lang kräftige, verworren durcheinander laufende
Luftwurzeln bei, wie sie als halbe Parasiten auf einem
anderen von ihnen getöteten Baume sich zu entwickeln
begonnen hatten. Dies ist Grisebachs Banyanenform.
In der Belaubung sind vielfältig nicht gerade besondere
Abweichungen von dem in Mitteleuropa Gewohntem zu
sehen, aber zwei Ausprägungen, die wir nicht besitzen,
häufig untermischt: es ist das höchst zart gefiederte oder
doppelt gefiederte Laub mit kleinen und oft sensitiven
immergrünen Fiederblättchen, welches Grisebach zur Auf-
stellung seiner Tamarindenform und Mimoseenform Ver-
anlassung gab; und zweitens ein Laub aus dicken, lederig-
glänzenden tiefgrünen, an starken Stielen massig ent-
wickelten und steif dastehenden Blättern, welches der
vielbekannte ostindische Kautschukbaum Ficus elastica
als deutlicher Typus zeigt. Grisebach hat für diese so
sehr charakteristische Belaubung keine besondere Form-
benennung ausgewählt, da seine Lorbeerform die kleinen,
glänzend-immergrünen Blätter im Auge hat, welche mehr
den trockenen Subtropen als Charakter verliehen sind.
Seine Bombaceenform erwähnt dann noch die breiten,
weichen Blätter mit handförmiger Nervatur und Stern-
haarfilz, getragen von in der Mitte breit angeschwollenem
Stamm (Eriodendron anfractuosum, Bombax etc.). Aber
es ist klar, dass die Auswahl einiger weniger Typen hier
wie immer nicht genügen kann, wo schon durch die
Kombination und Permutation einiger weniger Haupt-
merkmale des Wachstums in Stamm, Gezweig und Be-
blätterung eine viel grössere Anzahl reell vorhandener
Formen sich ergibt. — Durchaus nicht alle Bäume des
tropischen Regenwaldes sind übrigens immergrün; immer
gibt es (wenigstens wohl im betreffenden Florengebiet)
einzelne Arten mit periodischer Belaubung, welche darin
den nordischen Bäumen am meisten ähneln.
Unter dem zusammenhängenden Dom der hohen
Laubkronen gibt es oft noch einen zweiten Wald von
bescheidener Höhe, dessen vielleicht 10—15 m erreichende
[246]Blüte und Frucht der Tropenbäume.
Wipfel kaum zu den untersten Zweigen des Hauptwaldes
heranreichen; es sind dies schattenliebende Arten, welche
zugleich den Nachwuchs der hohen Bäume zurückhalten,
bis durch Zusammenstürzen einiger Waldriesen Licht und
Luft frei wird. Unter diesem niederen Walde findet sich
dann oft erst der Unterwuchs aus kleinen, 2—3 m hohen
dikotylen Bäumchen, niederen Palmen und gigantischen
Farnen, so dass, wenn nun noch der Erdboden selbst
nicht vegetationslos mit Trümmern von Holz und Laub-
werk bedeckt daliegt, sondern noch Selaginella-Arten und
krautige Dikotylen, Moose oder schattenliebende Humus-
pflanzen (Saprophyten als chlorophylllose Vegetationsform)
aufnimmt, das sprichwörtlich gewordene Bild von den
vier Vegetationsschichten des Tropenwaldes ausgeprägt ist.
Hinsichtlich der Blüten, von denen man sich im
landschaftlichen Eindruck der Tropenvegetation eine zu
grosse Vorstellung im Anschluss an gewisse herrliche
Zierblumen der Gartenkultur zu machen pflegt, stellt
schon Wallace die allgemeine Regel auf, dass im Durch-
schnitt die Blüten um so mehr zurückstehen, je reicher
die Vegetationsfülle ist; die hocharktischen und hoch-
alpinen Formationen sind es, welche auf kleinblätterigem
Rasen die leuchtendsten Blumen hervorbringen, wenngleich
hier die Kontrastwirkung der sich wenig verkleinernden
Blumen mit den auf winzige Maße herabschwindenden
Blättern als eine Täuschwirkung mit in Rechnung zu
ziehen ist. Thatsächlich aber geben aufmerksame Reisende
übereinstimmend an, dass sie in den grossen, feuchtheis-
sen Urwäldern von Blüten wenig Eindruck empfangen
haben; die meisten Arten haben unansehnliche, grünliche
oder weisse Blüten, und grosse Massen auffälliger Blu-
men sind selten, obgleich immerhin einzelne Arten von
Bäumen und Sträuchern in glänzenden Farben prangen,
noch mehr die Lianen oder einzelne Epiphyten (siehe
oben S. 60). Um so mehr Gewicht wird auf die Aus-
bildung grosser Früchte gelegt, welche oft mit den Blu-
men in gar keinem richtigen Verhältnis zu stehen schei-
nen, welche aber auch längst nicht alle schon in einer
Vegetationsperiode reifen. Die Palme Lodoicea Sechella-
[247]Gemischte Zusammensetzung des Regenwaldes.
rum braucht nach Swinburn-Ward zum Reifen ihrer
„Doppelcocosnüsse“, der grössten Baumfrucht der Welt,
10 Jahre; von vielen anderen Arten sind noch nie sichere
Beobachtungen über diesen interessanten biologischen
Charakter gewonnen. Hinsichtlich der Fruchtgrösse selbst
braucht nur an den Kakaobaum, an die wie Kanonen-
kugeln aus grosser Höhe herabsausenden Behälter der
Paranüsse (Bertholletia excelsa), an Lecythis ollaria, an
die Klappenfrüchte der Bignoniaceen, an andere grosse
Palmen etc. erinnert zu werden.
Hinsichtlich der Blütenstellung ist noch eine besondere, über
die tropischen Regenwälder nur wenig hinaus verbreitete, seltner
vorkommende Eigentümlichkeit die, dass manche Arten am Stamme
selbst oder am alten Holz der Zweige Blütentriebe entwickeln,
welche sonst an den jungen, beblätterten Trieben hervorzubrechen
pflegen. Der Kakaobaum liefert dafür in seinen vielfältig ver-
breiteten Abbildungen das beste Beispiel, aber nicht wenige Sa-
potaceen, Myrtaceen, Urticaceen, Melastomaceen, Ficus 1) etc. zeigen
dieselbe Eigenschaft. Sie ist von Esser in den Verhandl. des
naturh. Vereins der Rheinlande und Westfalen, Jahrg. 44, S. 69,
zum Gegenstande einer botanischen Studie gemacht, wofür das
tropische Material nur spärlich vorlag.
Hinsichtlich der systematisch-floristischen Zusammen-
setzung ist die ausserordentliche Mannigfaltigkeit schon
als erster gemeinsamer Charakter der Tropenwaldungen
hervorgehoben; diese erschwert die Uebersichtlichkeit so
sehr, dass man wohl Listen aller Baumarten, welche
überhaupt zum tropischen Regenwalde in diesem oder
jenem Lande zusammentreten, besitzt, dass aber eine
Wertabschätzung nach Häufigkeit der Individuen einer
Art oder Gattung kaum gemacht ist. „Wenn der Reisende
eine bestimmte Art sich merkt und mehr Exemplare von
ihr zu sehen wünscht,“ gibt Wallace an, „so mag er
oft vergeblich danach Umschau halten; Bäume der
verschiedensten Grösse, Gestalt und Färbung umgeben
ihn, aber er sieht selten einen Gegenstand sich wieder-
[248]Charakterordnungen der Tropenwälder.
holen. Ein über das andere Mal geht er auf einen Baum
los, dem ähnlich, den er zu sehen wünscht, aber bei
näherer Prüfung zeigt er sich als ein verschiedener.
Schliesslich begegnet ihm vielleicht ein zweites Exemplar
eine halbe Meile vom ersten, oder er findet gar kein zwei-
tes, bis er bei anderer Gelegenheit ganz zufällig wieder
auf ein solches trifft.“ Es fehlen also die Species sociales
oder gregariae, und Wallace will dies auf die gemeinsam
günstigen klimatischen Wachstumsbedingungen als auf
die erklärende Ursache zurückgeführt sehen, welche die
Auslese an Arten im Kampf um das Dasein viel umfang-
reicher gestaltet und Abwechselung zulässt, anstatt das
Gelände zu „monopolisieren“.
Es lassen sich jedoch einige Ordnungen nennen,
welche fast in allen Tropen gleichmäßig viele und wich-
tige Repräsentanten zu den Regenwäldern liefern, und
von denen die Mehrzahl, mindestens die Gattungen, so-
gar den subtropischen Wäldern fern bleibt, stets aber
den extratropischen Klimaten fehlt. Es sind dies die
baumartigen Leguminosen, von den Urticaceen die
Gruppen der Artocarpeen und Moreen, die Euphor-
biaceen, Lauraceen, Myrtaceen und Melastoma-
ceen; die Clusiaceen, dann die Malvenbäume, Bütt-
neriaceen und Sterculiaceen, von denen aber viele
an den trockeneren Tropenwaldungen Anteil nehmen, die
Meliaceen und Malpighiaceen, die Rubiaceen, Lo-
ganiaceen, Bignoniaceen und viele andere mehr.
Auch fehlt es nicht an lokaler beschränkten dikotylen
Ordnungen, für welche als Analogon schon bei Pandanus
hingewiesen wurde; die Dipterocarpaceen sind eine
solche ausgezeichnete, nur auf die indisch-malesischen
Tropen beschränkte Ordnung. Ueber einige der hier
genannten mögen noch ausführende Erläuterungen folgen.
Leguminosen. Von dieser an Artenzahl (7000 und mehr
Arten mäßig geschätzt, in circa 450 Gattungen) nur den Compo-
siten nachstehenden, an floristischer und ökonomischer Bedeutung
und an Wert für die Vegetationsformationen der genannten arten-
reichsten Ordnung weit überlegenen Pflanzengruppe ist das Areal
ein ubiquitäres; nur im antarktischen äussersten Süden hört ihre
Heimat auf. Die verschiedensten Formationen erhalten ihren An-
[249]Leguminosen. Moraceen, Artocarpeen.
teil von den Leguminosen; baumartige sind von besonderer Wich-
tigkeit auch für trockene tropische und subtropische Wälder. In
den tropischen Regenwäldern zeichnen sich besonders solche Tribus
oder ganze Unterordnungen aus, welche den gemäßigten Klimaten
fehlen; so beschränkt sich die Tribus der Swartzieen auf das
tropische Amerika und Afrika, die Gattung Swartzia zählt aber
allein in Brasilien schon 50 Arten von Bäumen oder hohen Sträuchern.
Die nach Caesalpinia und Mimosa benannten Unterordnungen ent-
falten in Brasilien einen grösseren Formenreichtum, als die eigent-
lichen Papilionaceen von meistens krautartigem Wuchs, und gegen
200 gehören zu einer der grössten tropischen Baumgattungen
Cassia. Copaifera, Hymenaea, Haematoxylon, Bauhinia sind einige
andere, teils amerikanische, teils allgemein-intratropische Gattungen,
welchen Bäume der Regenwälder von mächtigem Wuchs ange-
hören; aber wohl selten sind die Arten formenreicher Gattungen
auf diese beschränkt, treten im Gegenteil mit anderen Arten auch
meistens in die winterdürren Vegetationsformationen ein.
Moraceen-Artocarpinen. Die nach dem Brotbaum, Arto-
carpus, benannte Untergruppe der Maulbeerbaum- und Brennessel-
gewächse, welche zusammen mit 110 Gattungen und gewiss über
1600 Arten eine weit ausgedehnte und formenreiche Pflanzengruppe
bilden, enthält viele der allerwichtigsten Laubbaumformen der
tropischen Regenwälder, wie sie überhaupt über die Wendekreise
hinaus ärmlich wird. Eine Riesengattung ist die der Banyanen,
Ficus, von der die orientalische Feige nur einen schwachen Ab-
glanz zeigt; etwa 600 Arten verteilen sich in den Tropen der
ganzen Erde, gipfeln aber im Formenreichtum in Indien und dem
malayischen Archipel; die stattliche Monographie von King über
die indo-malayischen Arten zählt deren allein mehr als 200. Manche
Stämme zeigen die auffallenden Wurzellamellen in besonders hohem
Grade, andere entwickeln zahlreiche Luftwurzeln, auf welche sich
die stark verbreiterte Krone stützen kann. Oder die Luftwurzeln
umspinnen irgend einen mächtigen anderen Baumstamm (in Indien
z. B. häufig eine Palmyrapalme), der dem heranwachsenden Ficus
zunächst als Stütze dient, dann aber, immer mächtiger (wie von
Epheu) rings umsponnen und in der Kronenentwickelung durch
das üppige Laubwerk des Eindringlings gehemmt dem Tode ver-
fällt und den Stützstamm verfaulen lässt; der Ficus steht dann
auf merkwürdig geformtem Wurzelwerk selbständig da. Dieser
interessanten Vegetationsweise gab Grisebach in seiner „Banyanen-
form“ Ausdruck. In der Belaubung zeigt Ficus die grösste Mannig-
faltigkeit von lederig-glänzenden glatten, zu weichen rostrot be-
haarten, ganzrandigen, gesägten, sehr breiten und grossen oder
kleinen Formen; auch ist schon der Eigentümlichkeit, häufig am
alten Holze zu blühen, Erwähnung geschehen. Brosimum ist eine
kleine Gattung des tropischen Amerika, Antiaris (A. toxicaria der
Upasbaum) eine indische; Artocarpus selbst erstreckt sich mit
40 Arten von Ceylon ostwärts durch den indisch-malayischen Archipel.
[250]Euphorbiaceen. Lauraceen. Clusiaceen.
Euphorbiaceen. Auch diese Ordnung gehört mit mehr als
200 Gattungen und 3000 Arten zu den grössten des Pflanzen-
reichs, welche innerhalb der Tropen ihr Maximum erreichen und
sich an allen Formationen daselbst beteiligen; (sogar eine schwim-
mende Wasserpflanze, Phyllanthus fluitans, fehlt in Brasilien nicht).
Hohe Bäume treten in die tropischen Regenwaldbestände mit ein,
während Ordnungsgenossen von niedrig-strauchigem Wuchs und
oft mit starker Haarbekleidung die winterdürren Formationen auf-
suchen. (Von den fleischigen Euphorbien wird unten die Rede
sein.) Die beiden artenreichsten, überall in den Tropen verbreiteten
Gattungen mit etwa je 500 und mehr Spezies sind Phyllanthus
und die oft in buntem (gelbem) Laubschmuck prangenden Croton,
welche letztere auch in Neuguinea sehr charakteristisch für die
reichen Regenwälder zu sein scheinen. Andere durch ihren hohen
Wuchs oder durch einzelne Arten berühmt gewordene Charakter-
gattungen sind Jatropha, Manihot, Stillingia, Aleurites; Hevea ist
der beste Kautschukbaum des tropischen Südamerikas, und die
„Seringueiras“ zeigen allemal dort das Vorhandensein einer reich-
tropischen Waldformation an.
Lauraceen. 42 Gattungen und 900 Arten kennzeichnen
diese Ordnung als eine mittelgrosse. Die Arten selbst aber be-
schränken sich mit einem, etwa den Palmen vergleichbaren Prozent-
satz auf die Tropen, nur mit dem Unterschiede, dass der afrika-
nische Kontinent nur einen sehr geringen Anteil an der Lauraceen-
flora besitzt. Hinsichtlich Australiens lässt sich der Vergleich
dagegen weiter führen; denn — abgesehen von der biologisch
sehr abweichenden Gattung Cassytha — sind die 24 Lauraceen
daselbst alle auf Nordaustralien, Queensland und Neusüdwales be-
schränkt. Zwei Hauptgebiete für die Ordnung in wechselseitiger
Vertretung der Gattungen und Arten gibt es daher nur: Indien
mit Malesien einerseits und das tropische Amerika, zumal das
Amazonasgebiet mit Brasilien, andererseits. Dies tritt beim ersten
Anblick der von Schumann im Ergänzungsheft 73 der geographi-
schen Mitteilungen entworfenen Karte hervor. Das glänzend grüne
aromatische und glatte Laub mit 3—5gabeligen Nerven verleiht
den grossen Hauptgattungen Cinnamomum (von der 130 Spezies
für Indien und Ostasien angegeben werden), Persea (Asien, Amerika
etc.) und Oreodaphne = Ocotea (Amerika, Maskarenen und Afrika),
Nectandra (Amerika) einen besonderen Spezialcharakter.
Clusiaceen (Guttiferen). Obwohl diese Ordnung im engeren
Sinne, wodurch sie allein ihren echten Tropencharakter behält,
nur etwa 400 Spezies zählt, so ist sie dennoch durch das charak-
teristische Vorwiegen derselben in den Regenwäldern, zugleich durch
die Form der grossen, lederartigen, oft wie beim Gummibaum
(Ficus elastica) gestalteten, aber stets genau gegenständig-gekreuzten
Blätter und durch zum Teil sehr grosse kugelige Blumen auffällig
und besonderer Beachtung wert; man rechnet die Ordnung etwa
[251]Rubiaceen. Meliaceen.
wie die Bananen zu den deutlichen Anzeichen der feuchten Tropen-
vegetation. Wiederum vertreten sich ihre Gattungen in den Haupt-
reichen in der üblichen Weise: alle zur Tribus Clusia, diese Gattung
mit 80 Arten an der Spitze, gehörenden sind amerikanisch, da-
gegen alle zur Tribus Garcinia gehörigen indisch-afrikanisch und
nur Rheedia aus derselben Gruppe zugleich amerikanisch; zwei
andere kleine Gruppen sind nicht so scharf geschieden.
Rubiaceen. Diese Ordnung zählt als Ganzes, ausgebreitet
mit ihren äussersten Posten zwischen beiden Polarkreisen, in
366 Gattungen (nach Schumanns Liste in der Flora brasiliensis)
circa 4500 Arten, steht daher hinsichtlich ihres Artreichtums an
vierter Stelle. Von dieser grossen Anzahl sind etwa 75 % tropisch,
und in den Tropen selbst werden besonders die feuchtwarmen
Waldgebiete aufgesucht. Wie Schumann auseinandersetzt, sind
z. B. von den in Brasilien einheimischen 1000 Arten 64 % in der
sogenannten Region der Najaden und Dryaden einheimisch, d. h.
in der Hyläa und dem sich an der atlantischen Küste Brasiliens
hinziehenden feuchten Gebiete; hier zumal und in den analogen
Gebieten des tropischen Afrika und Asiens lebt die grosse Masse
stattlicher Bäume oder hoher Sträucher der nach den Gattungen
Cinchona, Nauclea, Condaminea, Mussaenda, Gardenia, Psychotria
(Rudgea) benannten Tribus. Von den Gattungen selbst sind wie
immer sehr grosse Prozentsätze entweder altweltlich oder ameri-
kanisch, von den Tribus sind nur einige kleinere einer der beiden
Hemisphären eigentümlich; so sind z. B. die Alberteen und Van-
guerieen hauptsächlich afrikanisch und fehlen in Amerika, die Tri-
bus der Ixoreen, zu der die berühmte Gattung Coffea gehört, ist
wenigstens vorwiegend afrikanisch. — In der physiognomischen
Erscheinung der Einzelzweige fallen die Rubiaceen durch die
scharf gegenständig-gekreuzten, meistens grossen und breiten, glän-
zend entwickelten Blätter, zwischen denen am dicken Blattstiel-
knoten noch ein ebenfalls gegenständiges Schuppenpaar zu finden
ist, auf; ebenso gehören sie zu den grossblumigeren Holzgewächsen
des Tropenwaldes mit Blumen, welche vielfältig an die Form von
Syringa erinnern, dabei aber oft mit über fingerlangen, dünnen
Blumenkronröhrchen auf den Zweigspitzen gehäuft einen impo-
santen Eindruck gewähren.
Meliaceen. Mit etwa 600 Arten ist diese Ordnung nicht
überall durch Formenfülle hervortretend, doch gerade recht cha-
rakteristische Bestandteile der Tropenwaldungen liefernd, zumal
sie nur wenig die Tropen überschreitet (bis Peking einerseits, und
mit der einzigen neuseeländischen Meliacee: Dysoxylum spectabile,
andererseits zu australen Breiten). Die Gattungen verteilen sich
wie gewöhnlich nach den alt- und neuweltlichen Tropen gesondert,
wenige sind gemeinsam, und in diesem Falle sind die Beziehungen
Brasiliens und der Antillen zu Afrika lebhafter als zu Indien.
Cedrela ist mit 25 Arten gemeinsam intratropisch; Flindersia ist
[252]II. Mangrove-Wälder.
eine berühmte, 12 Arten zählende Gattung in Australien und Neu-
caledonien; Swietenia (Mahagoniholz!) ist Amerika und Afrika
gemeinsam, von Carapa soll sogar eine Art wirklich gemeinsam
wild in Guinea und Guiana sein, was übrigens ähnlich wie Elaeis
guineensis aufzufassen sein könnte. Ausserdem sind durch Arten-
reichtum hervorragend Trichilia (111 Spezies) in Amerika und
Afrika, Aglaia (60 Spez.) in Indien—Australien, Guarea (70 Spez.)
in Amerika, aber mit 1 afrikanischen Art; Dysoxylum (85 Spez.)
in Indien, Australien, Ozeanien bis Neuseeland, und die durch ihre
Beschränkung auf Brasilien ausgezeichnete Gattung Cabralea
(30 Spez.). — Casimir de Candolle hat der geographischen Ver-
breitung dieser Ordnung in den „Transactions of the Linnean So-
ciety“ eine ausführliche Abhandlung gewidmet.
II. Eng an die heissen Klimate (Zone IV) gebunden
ist die dort an schmalen Küstensäumen weit im Bereich
der Ebbe und Flut verbreitete und oft das ganze Ge-
stade dicht und zusammenhängend umsäumende Forma-
tion der tropischen Littoralwälder oder der „Man-
groven.“
Ueberall begrüsst sie den Ankömmling vom Meere
her mit demselben eigentümlichen Gesamteindruck, ob-
wohl sie durchaus nicht überall aus denselben System-
arten sich zusammensetzt. Einen Hauptbeitrag stellt die
Ordnung der Rhizophoraceen, von welcher Rhizophora
selbst, mit der bekanntesten Art Rh. Mangle, alle tropi-
schen Küsten besiedelt, während Bruguiera, Kandelia und
Ceriops nur in der Alten Welt und besonders in Indien
verbreitet sind. Ausserdem aber beteiligen sich Combre-
taceen (Languncularia racemosa, Conocarpus und Bucida)
in Afrika und Amerika, mehrere Verbenaceen (Avicennia!),
Myrsineen (Aegiceras) und Myrtaceen (Sonneratia) etc.
in allen Tropen an dieser Formation.
Göbel hebt in einer der Wachstumsweise der Mangroven
gewidmeten Abhandlung (Pflanzenbiologische Schilderun-
gen 1889, Kap. II) den Einfluss der Uferbeschaffenheit
auf das Vorkommen derselben hervor. „Für viele Stellen
ist die Mangrovenvegetation ausserordentlich charakte-
ristisch. Aber sie ist keineswegs überall verbreitet. Sie
findet sich nur da, wo die Küste flach und nicht felsig
ist, sondern ganz allmählich in den Meeresboden über-
geht, an Stellen also, an denen keine Brandung herrscht
[253]Wachstum von Rhizophora Mangle.
und die, wo die Gezeiten stärker hervortreten, von der
Flut überspült werden, bei Ebbe aber vom Wasser ent-
blösst sind. Besonders bevorzugt sind die Mündungen
der Flüsse, den letzteren entlang gehen die Vertreter
der Mangroveformation auch ins Innere hinein.“ Diese
in Indien gemachten Beobachtungen finde ich auch von
anderen Reisenden für Polynesien, Amerika und Afrika
bestätigt, so dass sie trotz der systematischen Mannig-
faltigkeit der Arten gemeinsame Formationscharaktere
darstellen werden. Göbel bezweifelt auch, dass die Man-
groven überhaupt an einen bestimmten Salzgehalt im
Boden gebunden seien; wenigstens hat er Bruguiera im
hochgelegenen botanischen Garten zu Buitenzorg gut ge-
deihend gefunden.
Als 5—15 m hohe, locker oder dicht gestellte Kü-
stenwäldchen wurzeln sie im an faulenden Auswurfstoffen
reichen Schlamme und entfalten dort auf niedrigem
Stamm eine reich verzweigte Krone mit lederartig-immer-
grüner Belaubung. Die eigentümliche Erscheinungsweise
besonders von Rhizophora Mangle, welche aus zahl-
reichen Abbildungen bekannt geworden ist, erklärt sich
einmal aus den sparrig-ausgreifenden und in wiederholten
Verzweigungen zur Ebbezeit hoch über der Wasserfläche
strahlenförmig aufragenden Hauptwurzeln, und besonders
aus den überall von der Krone sich herabsenkenden
Wurzeln. Diese „Luftwurzeln“ bilden ein dichtes Ge-
wirr, in welchem Seetiere einen willkommenen Aufent-
halt finden, und welches zu durchdringen zuweilen fast
unmöglich ist.
Es ist eine fälschlich verbreitete, in Grisebachs Vegetation
d. E. zu findende Angabe, dass diese Luftwurzeln von den schon
auf dem Mutterbaum selbst keimenden Früchten herstammten,
deren Pfahlwurzel lang abwärts wachsend das Wasser erreichte
und nun Tochtergenerationen dem Mutterstamm in inniger Ver-
bindung zufügte. Schon ältere Beschreibungen, z. B. Martius in
der Flora brasiliensis (Physiognom. Tafel 12) geben den Sach-
verhalt richtig an: „Es bietet sich ein Wald dar, dessen Stämme
sich auf vielen Bogen zu stützen scheinen, und in welchem die
Baumäste, als wenn ihre Stämme zu schwach getragen würden
gegenüber dem Anprall der Fluten, aus einer Höhe von 10, 20 oder
mehr Fuss herab Wurzeln auf Wurzeln entsenden, so dass der Baum
[254]Keimentwickelung von Rhizophora.
überall hin sowohl Wurzeln als Aeste und Blätter zu entwickeln
scheint. Aber wie der eine, so sind auch alle benachbarten Bäume
aufgebaut, und alle diese sind ausserdem so sehr unter sich ver-
schmolzen und innig verwirrt, dass man die einzelnen Stämme
nicht deutlich zu erkennen vermag in Hinsicht auf den Ursprung
der ihnen zugehörigen Aeste.“ Diese aus der Höhe herabkommen-
den Wurzeln sind also die Zweig-Luftwurzeln, im Gegensatz zu
den strahlenförmig wie die Speichen eines Regenschirmes sich auf-
lösenden, viel niedrigeren Stamm-Luftwurzeln. Richtig ist dagegen,
dass die Pflanze wie wohl die meisten Formationsgenossen zu
den „lebendig gebärenden“ gehört, indem der Keimling schon an
der Mutterpflanze in fortwährender Weiterentwickelung bleibt und
endlich mit einem lang ausgewachsenen keuligen Stengelgliede
von seinem einzigen, leer im Samen steckenbleibenden Keimblatt
abfällt; die lange Keulenform dient zum Einbohren der Keim-
pflanze in den Schlamm hinein. Hierüber hat Warming in den
Botan. Jahrb. für Systematik u. Geogr., Bd. IV, S. 519, ausführ-
lich, und ebenso Göbel auch für andere Arten der indischen
Mangroven, berichtet.
Das Aeussere des interessanten Baumes schildert Warming als
ähnlich einem frischen und dichtlaubigen Lorbeerbaum, dessen
üppige Krone, von immergrünen, glänzend-lederartigen Blättern
geziert, oft ganz bis zum Wasserspiegel reiche und immer abge-
rundete Umrisse darbiete. Die Rinde ist glatt und graubraun.
Wir haben hier also das interessante Bild einer
wahrhaft biologisch abgegrenzten, d. h. anpassungsmässig
an die Natur ihres Standortes und die äusseren Erhal-
tungsbedingungen angelehnten, eindeutigen Vegetations-
formation vor uns, welches zugleich den Formations-
charakter selbst, und was man darunter zu verstehen hat,
gut widerspiegelt.
III. Tropische regengrüne Wälder. Bekannt-
lich sind im Bereich der Tropenzone die zur Zeit des
Zenitstandes der Sonne erfolgenden „Tropenregen“ Regel,
dehnen sich in der Nähe des Aequators, zweimal ein-
setzend, über einen grösseren Teil des Jahres aus und
beschränken sich nahe den Wendekreisen einmal auf
mehrere regenreiche Monate. Der „Winter“ ist hier
also die regenarme oder regenlose Zeit, und in Klimaten,
wo die hohe Temperatur niemals der Vegetation das Ge-
deihen versagt, muss der winterliche Mangel an Nieder-
schlägen die Ruheperiode der Vegetation bewirken.
Die Ausdehnung der regenarmen Winter in der Tropenzone
siehe kurz zusammengefasst auf Taf. XII in Supans Grundzügen
[255]III. Tropische regengrüne Wälder.
der phys. Erdkunde. Am weitesten nach Norden erstrecken sich
dieselben in Ostasien (bis über 55°) und gerade hier gehen einzelne
Tropenformen am weitesten ebenfalls nach Norden.
Sobald nun die Trockenzeiten einen erheblicheren
Teil des Jahres einnehmen, als die immergrün-saftige
Vegetation zu ertragen vermag, besonders in den Land-
gebieten, wo aus geographischen Gründen der Gebirgs-
lagerung oder Plateauerhebung, oder aus Gründen der
Bodenbeschaffenheit, eine geringfügigere absolute Wasser-
menge im Jahreswechsel den Pflanzen geboten wird,
müssen die üppigen tropischen Wälder mit ihrem höchsten
Reichtum immerwährender Fruchtbarkeit einer trockene-
ren Waldformation Platz machen, welche ich als tropische
regengrüne Wälder zu den ersteren in Gegensatz bringe.
Man könnte sie auch „winterdürre“ Tropenwälder nennen,
doch scheint es besser, den temperierten Klimaten ent-
lehnten Begriff des Winters hinter dem der belebenden
Regenzeit zurückstehen zu lassen.
Diese grosse Formationsabteilung nimmt vielleicht
einen grösseren Teil der Tropenwaldzone ein, als die
immergrünen Regenwälder selbst; in Afrika überwiegen
sie bei weitem, in Indien sind sie mächtig ausgedehnt
(⅔ des Waldlandes von Birma werden auf die „Mixed
forests“ dieser Formation gerechnet), in Brasilien gehen
sie von der Provinz Bahia weit durch das Innere des
Landes als die „Region der Hamadryaden“ im Ausdruck
von Martius, kehren auch auf den Antillen wieder. Eine
genauere Arealunterscheidung bleibt allerdings der Zu-
kunft vorbehalten; zunächst gilt Abteilung 1 der Zone IV
(s. S. 90) als ihr Entwickelungsreich.
Dass die tropischen regengrünen Waldformationen,
in innigster Berührung mit den tropischen Regenwäldern
stehend, die mannigfachsten Uebergänge zu letzteren zeigen,
ist nur natürlich; so ist es mit allen Formationsabteilun-
gen in gleicher Vegetationszone der Fall. Ihr Merkmal
liegt in den gegen die Trockenzeiten gerichteten, über-
mäßig zu Tage tretenden biologischen Schutzeinrichtun-
gen, welche nicht allein eine weitaus häufigere Entlaubung
der dikotylen Bäume herbeiführt, sondern die xerophyti-
[256]Charakterbäume der regengrünen Wälder.
schen Vegetationsformen, wie Succulenten (fleischige Eu-
phorbiaceen, in Amerika Cacteen etc.) zulässt und die
eigentlichen Hygrophyten auf die kleinen Plätze perma-
nenten Bodenwassers beschränkt. Während im gleichen
Florengebiet dieselben Ordnungen beiderlei Waldformatio-
nen bilden können (denn auch die Palmen fehlen bei-
spielsweise in den regengrünen Waldungen nicht und
bilden einen hervorstechenden immergrünen Anteil), so
sind daher die Gattungen häufig-, die Arten wohl fast
ausnahmslos verschieden; sowie sich wohl die immergrüne
Ficusform zu dem Charakterbaum des Sudans: Ficus
Sycomorus verhält, auf welchen Grisebach seine Sykomoren-
charakterform begründete.
Um die Charakterzüge nennen zu können, hier, wo
zusammenfassende Abhandlungen aus den Tropen aller
Erdteile viel weniger als in Hinsicht auf die feuchten
Tropenwaldungen vorliegen, erscheint es zweckmäßig,
als typisches Beispiel die Schilderung von Martius aus
den Caa-tinga-Wäldern Brasiliens zu wählen, insoweit, als
ich annehmen darf, dass dieselbe auf die Eigenschaften
der Gesamtformation Bezug hat. — Die 10. Tafel der
als Anhang zur Flora brasiliensis erschienenen Land-
schaftsbilder stellt einen solchen „Caa-tinga“, d. h. einen
„ausgelichteten“ (in der Trockenzeit licht dastehenden)
Wald dar, im Begriff seine ersten Blätter wieder zu ent-
falten; nur einige hohe Palmen (Cocos coronata) und
immergrüne Büsche verraten sogleich die Tropenland-
schaft; sonst könnte man an einen lichten nordischen
Hain denken, wenn nicht die überall aufstrebenden riesi-
gen verzweigten Kandelaber der Cacteen (in diesem Fall
eine rein amerikanische Ordnung) und die merkwürdi-
gen Tonnenstämme einer Bombacee zu sehr exotisch
aussähen.
Die Bombaceen bilden eine Tribus der weit verbreiteten,
aber in den Tropen am reichsten entwickelten, etwa 800 Arten
zählenden Ordnung der Malvaceen von meistens baumartigem
Wuchs. Ihre Stämme erreichen oft starken Durchmesser und sind
nicht selten in der Mitte am dicksten geschwollen; es gilt diese
Wachstumsweise als ein Schutzmittel gegen Dürre durch Wasser-
speicherung im Holzkörper, wofür andere noch deutlichere Bei-
[257]Zusammensetzung der regengrünen Wälder.
spiele bei Spondias vorliegen. In allen Tropen verbreitet sind
die Hauptgattungen Bombax und Eriodendron; Adansonia, der
Baobab, ist mit 2 Arten afrikanisch-indisch; Cavanillesia ist deren
Vertreter in den Caa-tinga-Wäldern; auch die anderen Gattungen
sind auf je ein tropisches Florenreich beschränkt.
Die Bäume erreichen hier nicht die gigantische Höhe,
wie in den regenreichen Urwäldern; es bleibt daher auch
mehr als in diesen die Form und das Gezweig jedes ein-
zelnen, jeder einzelnen Art in dem auch hier sehr bunten
Gemisch, zu durchschauen; und wenn die Blätter abge-
worfen sind, ist jeder einzelne Epiphyt, jeder Vogel auf
den Aesten schon von weitem als solcher zu erkennen.
Gewisse Formen, zumal kleinere Bäume und Sträucher,
bleiben allerdings auch hier immergrün; aber ihre Blätter
sind dann lederartig-hart mit dicht anliegendem Filz-
kleid als Strahlungsschutz, wie denn auch die nicht fehlen-
den Lianen und Epiphyten derartig organisiert sind und
oft aus anderen Familien bestehen; an Stelle der seltene-
ren Orchideen sieht man viele echte Parasiten aus den
Loranthaceen: Mistelarten und Riemenblumen mit zum
Teil prächtigen roten, gelben Blumen hoch in den Kro-
nen. Vollständig fehlt (nach Schimper) die Epiphyten-
vegetation auch in den trockeneren Gebieten des tropi-
schen Amerika „beinahe nirgendwo auf grössere Strecken“;
sie wird aber mit abnehmender Dampfsättigung arm an
Arten und spärlicher an Individuen. — Von höchstem
Interesse ist hier naturgemäss das Einsetzen der Vege-
tationsperiode mit dem Beginn der Regen; es knüpfen
sich daran alle Erwartungen, wie an das Erwachen den
Frühlings im nordischen Klima.
Martius gibt an, dass ausnahmsweise die Caa-tinga-Wälder
ein, ja sogar mehrere Jahre in der Belaubung aussetzen könnten,
falls sich der nötige Regen so lange hinausschöbe. Obwohl der
berühmte Reisende hier gewiss seine mit der Landesnatur wohl
vertrauten Berichterstatter und Begleiter als Gewährsmänner benutzt,
scheint mir ein solcher Fall doch mit der Biologie des Baumlebens
unverträglich. Ich meine, dass da, wo der Regen ein bis mehrere
Jahre ausbleiben kann, nicht Wald-, sondern Steppenformationen
ausgebreitet sein werden, zu denen allerdings auch Holzgewächse
gehören können. Genaue Mitteilungen würden sehr erwünscht sein.
Mit wunderbarer Geschwindigkeit entfalten sich dann
beim Einsetzen des Regens die Triebknospen; „leicht
Drude, Pflanzengeographie. 17
[258]Periodische Erscheinungen
kann es geschehen, dass der Reisende an einem heissen
Abend in einem blattlosen Walde sein Lager aufschlägt,
und, wenn es in der Nacht geregnet hat, anderen Tages
durch einen Wald zieht, der, wie durch ein Wunder zum
Leben gebracht, ein zartes grünes Gewand von kleinen
und herrlich duftenden Blättern angelegt hat.“ Die
Früchte, weniger fleischig und oft dafür um so holziger,
pflegen erst nach dem Laubfall grösstenteils zu reifen;
aber so sehr hängt die Belaubung von der Bewässerung
ab, dass ganz dieselbe Waldformation auch gelegentlich
immergrün soll bleiben können. Das besondere Art-
gemisch, die schärfere Periodizität, die harzigen Säfte, Be-
haarungen, Milchsäfte und andere bis jetzt nur sehr unvoll-
kommen als Trockenschutz-Einrichtungen erkannte Eigen-
tümlichkeiten, die niedrigen Dimensionen der Gesamtphysio-
gnomie würden auch in diesem Falle diese Gruppe von Wald-
formationen von den eigentlichen Regenwäldern abheben.
Für die organische Periodizität, welche durch Registrierung
der Phänologie zugleich mit meteorologischen Beobachtungen in
Europa so vielseitig zu erforschen in Angriff genommen ist, liegen
aus den Tropen nur Fragmente vor, welche ein hohes Interesse
dieses Gegenstandes verraten und auf das Verhalten der Bäume
gegenüber Wasserdampfschwankungen als erklärende Ursache hin-
weisen. Das gründlichste mir bekannt gewordene Fragment hat
Ernst aus der Vegetation Venezuelas geliefert (Botan. Zeitung
1876, S. 38): Viele Holzgewächse verlieren dort in der trockenen
Jahreszeit ihre ganze Belaubung, selbst wenn man durch reich-
liches Begiessen dies zu verhindern sucht; derartige Bäume sind
ausser den Bombaceen, vielen Leguminosen, mehreren grossblätterigen
Ficus, auch Amyrideen, Euphorbia caracasana, Jatropha Curcas
und gossypifolia, öfters auch Cedrela und Swietenia. Die neue
Belaubung tritt bei diesen gewöhnlich beim Beginn der Regenzeit
ein; wenn sich aber dieselbe verzögert, so findet man viele Bäume
mit schwellenden Knospen und mehr oder weniger entfalteten
Blättern selbst auf dürrem, hartem Felsboden zu einer Zeit, wo
die tropische Hitze ihr Jahresmaximum erreicht und die Trocken-
heit der Atmosphäre ganz ausserordentlich ist. Mit Recht bemerkt
Ernst, dass diese periodische Erscheinung viel befremdlicher wirke
und physiologisch schwieriger zu erklären sei, als der entsprechende
Vorgang im nordischen Klima bei verzögertem Eintritt der warmen
Frühlingszeit. — Das Abwerfen der Blätter bringt Ernst in direkten
Zusammenhang mit dem mangelnden Verdunstungsschutz der
meistens zusammengesetzten und weichen Blätter dieser Bäume,
welche alsbald in heisser trockener Luft ein Uebermaß von Feuchtig-
[259]der regengrünen Wälder.
keit verbrauchen und damit die in den Zweigen und im Stamm
enthaltenen Vorräte erschöpfen. In dem blattlosen Zustande ver-
bleiben die Bäume dann bis Ende April oder Anfang Mai, wo
feuchte Nordwestwinde als Vorläufer des tropischen Regens sie
neu beleben. Als nun aber beispielsweise 1875 der ganze Monat
Mai mit trockenem Ostwinde tief blauen Himmel zeigte, die Tem-
peratur an mehreren Tagen in der Sonne auf 35°C., im Schatten
bis auf 28°C. stieg, waren trotzdem schon Mitte April die Ery-
thrinen in feuerfarbenem Blütenschmuck und entfalteten die Bom-
baceen (B. Ceiba und Eriodendron anfractuosum) in wenigen
Tagen ihre handförmigen Blätter, viele andere Holzgewächse gaben
ebenfalls die auffallendsten Beweise einer sehr kräftig beginnenden
neuen Vegetationsperiode, obwohl von Feuchtigkeit im Boden
keine Spur zu finden war. (Es enthält bekanntlich auch der
dürrste Boden eine seiner Hygroskopizität entsprechende Menge
von Wasser, welches ihm aber die Wurzeln nicht mehr zu ent-
ziehen vermögen.)
Die einzige Möglichkeit eines Erklärungsversuches aus vor-
handenen äusseren Anlässen findet Ernst in den lebhaften Tem-
peraturschwankungen, welche die trockene Jahreszeit zumal an
ihrem Abschluss charakterisieren (30—35°C. im Sonnenschein und
15—20°C. in der Nacht). Die in dem gerade bei diesen Bäumen
weichen und schwammigen Holze eingeschlossenen Gase, bezw.
verdünnter Wasserdampf, sollen durch wechselnde Ausdehnungen
und Zusammenziehungen den Saftfluss erregen und die Vege-
tationserscheinungen auslösen, welche die Pflanze vernichten würden,
wenn nicht bald nachher die feuchte Jahreszeit wirklich einsetzen
würde. Es erscheint Ernst wahrscheinlich, dass in ähnlicher Weise,
wie die Pflanzen einer gewissen Wärmesumme bedürfen, um von
dem Tage des Ausschlagens der Blätter bis zur Blütenentfaltung
zu gelangen, so auch gewisse Arten eine bestimmte Summe von
Wärmedifferenzen brauchen, um jene Schwankungen ihrer inneren
Temperatur hervorzubringen, die sich später durch äusserlich sicht-
bare Vegetationserscheinungen kund geben. Wird diese Summe
schon während der trockenen Jahreszeit erreicht, so beginnen auch
schon dann die entsprechenden Phasen, und der Baum zehrt bis
zum Eintreten von Niederschlägen von dem in seinem Gewebe
aufgespeicherten Wasser.
Für die tropische Kultur und Verwertung pflanz-
licher Rohstoffe scheinen die periodisch-belaubten Wälder
nicht selten eine höhere Bedeutung als die immergrünen
Regenwälder zu haben; so gibt wenigstens auch Kurz
aus Britisch-Birma an, dass die tropische Forstkultur
dorten hauptsächlich mit jenen zu thun habe, weil die
meisten wichtigen Nutzholzbäume sich unter ihnen fin-
den. Das reichere Artgemisch aber heftet sich immer
[260]IV. Subtropische Wälder.
an die immergrüne Abteilung, und so wechselvoll auch die
Bestände der anderen sein mögen, so sind sie doch un-
gleich leichter zu überschauen und in ihrem systemati-
schen Charakter zu definieren.
IV. Subtropische Wälder mit immergrünen
Laubbäumen. Lianen, Epiphyten, Beigemisch hoher
Palmbäume und anderer stolzer Monokotylen charakteri-
sierten die eigentlichen Tropenwaldungen; jenseit der
Grenze der artenreichen Epiphytenvegetation im Walde,
welche für einige Länder ziemlich bestimmt angegeben
wird (beispielsweise für Mexiko), beginnt eine neue Wald-
formation: ihre Genossen können lange Winterkälten nicht
ertragen, selbst die hier schon zahlreichen Coniferen nicht;
die tropische Ueppigkeit in Belaubung fehlt, breite Riesen-
blätter gibt es nicht mehr; die kleineren, kräftig ge-
bauten Blätter sind immergrün, oder die Bäume werfen
ab: so entstehen gemischte Waldformationen hauptsächlich
aus der Lorbeer-, Oliven, Eucalyptus-, Cypressen- und
Nadelholzform im Sinne Grisebachs. Diese Formationen
bilden hauptsächlich die Wälder der III. und V. Vege-
tationszone (S. 85—87, und S. 91—92). Nach Süden hin
sind ihnen auf den drei grossen Kontinentalausläufern
keine scharfen Grenzen, selbst nicht in Südamerikas
antarktisch genannten Breiten, gesetzt, obgleich die Di-
mensionen des Waldes stets sinken und immergrüne Ge-
büsche mit zunehmender Polhöhe an seine Stelle treten;
auch sei gleich hier bemerkt, dass die selbständigen
immergrünen Gebüschformationen gerade den hier zu be-
sprechenden Wäldern am innigsten gesellt sind und sich
mit ihnen in grosse Länderstrecken, oft nicht zu Gunsten
der Waldausdehnung, teilen. Nach Norden hin, wo noch
das riesige Gebiet der letzten Hauptformation der Wälder
folgt, fällt ihre Grenze zusammen mit dem Eintritt einer
langen und vielfältig mit strengeren Frösten verbundenen
Winterdauer, welcher die immergrünen Laubbäume sämt-
lich, und die grössere Zahl der Coniferengattungen wei-
chen müssen; zugleich aber hat, wie es scheint, zuerst
Schumann ausdrücklich hervorgehoben, dass für sehr viele
Teilhaber der immergrünen dikotylen Waldvegetation
[261]Nordgrenze immergrüner Laubbäume.
gemäßigter Klimate eine dauernde Befeuchtung durch
atmosphärische Niederschläge notwendiger sei als ein
milder Winter.
Schumann hat diese Betrachtungen angeknüpft an seine
Studien über die Verbreitung der Lauraceen und besonders von
Cinnamomum (s. oben S. 250), von denen hervorzuheben ist, dass
sie meist früher verschwinden als die übrigen immergrünen Laub-
hölzer; so Cinnamomum daphnoides in Ostasien bei 33½°, und
der Kampferbaum schon etwas südlicher, wild vielleicht nur wenig
über 30° N. hinaus. Immergrüne Eichen und Camellien ertragen
dagegen in Ostasien die Winterkälte um etwa 3 Breitengrade
nördlicher. „In Nordamerika reicht die polare Grenze der Lau-
raceen ungewöhnlich weit nach Norden, wenn wir die übrigen
Vegetationstypen damit vergleichen. Hier wird noch aus dem
Staate Delaware unter 38° N. Persea carolinensis angegeben, und
es scheint fast, als ob auf dieser Seite der Vereinigten Staaten
durch dieses Gewächs der Beschluss der höheren immergrünen
Pflanzen gemacht würde. Auf der Westseite dieses Kontinents
gehen die immergrünen Bestandteile der Wälder, begünstigt durch
das weniger excessive Klima, weiter nach Norden. Tetranthera
californica und mehrere Eichenarten bilden mit der charakteristi-
schen Castanopsis chrysophylla immergrüne Haine, die aber streng
an das kalifornische Gebiet gebunden sind; nur die letzterwähnte
passiert den Oregon, überragt also hier auch in polarer Richtung
die Lauraceen, welche ungefähr mit dem 45.° N. verschwinden.“
Ebenso scheint an den meisten Stationen Südeuropas das natür-
liche Vorkommen der immergrünen Eiche, Quercus Ilex, dasjenige
des Lorbeers, Laurus nobilis, zu übertreffen, wenngleich letzterer
im westlichen Frankreich hoch nach Norden geht, Grisebach zu-
folge bis 50° N.
In weiter Ausdehnung nehmen die Nadelhölzer,
welche den Tropenwäldern fast überall durchaus fehlen,
an der Zusammensetzung dieser subtropisch-gemischten
Waldformation teil. Man kann sagen, dass sie die Pal-
men ersetzen, wie sich ja meistens die Areale der ge-
nannten beiden mächtigen Pflanzenordnungen umgehen
und in den Wäldern wechselweise ergänzen. Es ist wohl
nur im nordostaustralischen, sich auf Neucaledonien hin-
aus erstreckenden Araucariengebiete der Fall, dass Coni-
feren mit einer mannigfaltigen Palmenvegetation in
innigere Berührung treten, und dass die Araucarien selbst
nicht so weit nach Süden reichen, als hochstämmige
Palmen der Gattung Livistona. In Südostbrasilien wieder-
holt es sich mit dem Ineinandergriff der Areale von
[262]Hauptglieder der
Araucaria brasiliana und Cocos australis in geschlossenen
Hainen nicht in dem Maße, und beide Formationen schei-
nen mehr aneinander vorbeizuschieben, als gesellig auf
nahem Raume beisammen zu sein. So ist eine Reihe
berühmter Gattungen, in erster Linie: Araucaria, Dam-
mara und Fitzroya auf der südlichen, Cedrus, Cupressus,
Cunninghamia und Sequoia auf der nördlichen Halbkugel,
von Nadelhölzern zu nennen, welche in den Bestand
dieser subtropischen Waldformation eintreten oder in
ihrem Bereich selbständige Waldungen darstellen. Ist
dies letztere der Fall, so ist damit noch keine Veran-
lassung gegeben, die ganze Abteilung der subtropischen
Wälder in zwei Kategorien, die der Nadel- und die der
Laubwälder, zu scheiden; jede einzelne selbständig wald-
bildende Art von gut ausgesprochenem physiognomischen
Habitus kann dasselbe Recht beanspruchen, und die wei-
tere Einteilung der grossen und sehr mannigfaltigen
Formation hat meiner Meinung nach ganz anderen, viel-
mehr auf die pflanzengeographische Zugehörigkeit und
die klimatische Biologie Rücksicht nehmenden Prinzipien
zu geschehen. Drei Hauptglieder scheinen sich da als
natürlich zu ergeben:
a) Feuchte Subtropenwaldformationen mit zahlreichen
Vertretern aus den früher als die tropischen Waldungen
charakterisierend bezeichneten Ordnungen; hier zahlreiche
und noch hochstämmige Lauraceen, hier noch einzelne
kühleres Klima liebende baumartige Monokotylen, z. B.
Cordyline (Liliaceen), hier auch noch eigene Epiphyten
(Luzuriaga, Astelia) nichttropischer Gattungen, epiphy-
tische Farne und besonders noch zahlreiche Baumfarne als
Unterholz im Schatten der typisch nie ihre Blätter abwerfen-
den, der Trockenschutzeinrichtungen entbehrenden Bäume.
b) Trockene Subtropenwaldformationen mit zwar
immergrünen Blättern, die aber doch einer Trockenschutzein-
richtung nicht entbehren, und sich gegenüber dem vorigen
Typus durch schmaleres, weniger freudiggrünes Laub
auszeichnen. Baumfarne fehlen; die dikotylen Ordnungen
werden besonders durch Oleaceen, Myrtaceen und Pro-
teaceen bezeichnet.
[263]subtropischen Waldformationen.
c) Trockenere, seltener feuchtliebende, Subtropen-
waldformationen mit reichlicher Beimischung von Ele-
menten, welche vor der kühlen Jahreszeit ihr Laub gänzlich
abwerfen und darin die ausgesprochene Winterschutz-
einrichtung zeigen. Baumfarne fehlen; unter den diko-
tylen Ordnungen treten die tropischen Vertreter ganz
zurück und einzelne besondere Familien (z. B. Platanen)
erscheinen. Die Eiche dient als Beispiel einer immer-
grünen und laubabwerfenden Gattung.
Die beiden ersteren Typen haben ihre hauptsächliche
Entwickelung im südöstlichen Australien, in Neuseeland,
Valdivien, am Himalaya-Südhang, auf beschränktem Raum
auch am Kap gefunden; der letztere Typus nördlich der
Tropenzone. Das Abwerfen des Laubes ist thatsächlich nörd-
lich vom Wendekreis des Krebses viel umfangreicher, auch
schon unter den subtropischen Formationsgenossen, ausge-
bildet als an den Südspitzen der grossen Kontinente. Es
wäre nicht unmöglich, dass die Rückwirkung der breit nach
Norden hin entwickelten Landflächen mit rauhem Konti-
nentalwinter seit dem Tertiär dazu die Veranlassung ge-
boten hätte. Die beiden einzigen echten Lauraceen,
welche ihr Laub abwerfen, nämlich Lindera und Sassa-
fras, bewohnen Ostasien und die Vereinigten Staaten.
Die Wallnüsse, Platanen, Maulbeerbäume, der Liquidam-
bar, die carische Feige, alle werfen ihre Blätter im
Herbst ab und besitzen boreal-subtropische Areale. Die
nördlichsten Bäume der Leguminosen (Robinia, Gymno-
cladus, Gleditschia) zeigen dasselbe. In ihnen ruht wohl
das Stammmaterial, aus welchem die Kinder der nordi-
schen Waldvegetation entsprungen sind, und auf den
Gebirgen mischen sich letztere in die subtropischen For-
mationen mit Bäumen der Lorbeer- und Myrtengruppe
hinein.
So ist denn, nach Florenreichen und dem von ihnen
zur Verfügung gestellten systematischen Material geschie-
den, in dieser Waldformationsabteilung eine grössere
Mannigfaltigkeit, als vielleicht in jeder der beiden Tropen-
waldformationen, entwickelt und bietet ein wechselvolles
Bild, welches erst das genaue Eingehen auf die Einzel-
[264]Verschiedenheit auf der nördl. und südl. Halbkugel.
bestände selbst, unter Wahrung des Florenreichscharakters,
klar entrollen kann. Die Eichenwälder mit Cedern,
Kiefern, der Manna-Esche, ihren Ahornbäumen, Pistacien,
der Olive, Juglans und Pterocarya, Diospyros, Liquidam-
bar und Platanus orientalis im Mittelmeergebiet und Orient
sind weit verschieden von den mit ganz anderen immer-
grünen Eichen gemischten Magnoliaceen und Ternströ-
miaceen, Lauraceen und endemischen Nadelholzgattungen
Ostasiens. Dem letzteren Gebiete ähnlicher sind die ent-
sprechenden Bestände im westlichen, mehr noch im öst-
lichen subtropisch temperierten Nordamerika. Aber wel-
cher Kontrast entsteht nun beim Vergleich der Eucalypten-
waldungen von Neusüdwales und Victoria, wo hohe
Farnstämme von Dicksonia gesellig im Schatten wachsen,
Doryanthes als baumartige Liliacee erscheint, und die
südlichen Nadelholzgattungen den tropischen Rubiaceen,
Meliaceen (Cedrela australis, die „rote Ceder“ von Queens-
land) etc. begegnen. Oder wenn man mit den ersteren
die Wälder Neuseelands vergleicht, wo die eine der beiden
Proteaceen: Knightia excelsa, als pappelähnlicher stolzer
Baum erscheint, Metrosideros von den Myrtaceen, Wein-
mannia von den Saxifragaceen, Atherosperma und Peumus
von den Monimiaceen, Dammara und Phyllocladus von
den Nadelhölzern die Charakterzüge bildet. Oder wenn
man den Leucadendron-Wald des Kaplandes, die immer-
grünen Wälder Valdiviens mit der antarktischen Magno-
liacee Drimys und den dortigen Proteaceen: Embothrium
und Lomatia, ja mit sogar dem höchsten Compositen-
baum von 30 m Höhe, Chuquiragua, mit Luzuriaga als
epiphytischer Liliacee, ferner mit der andinen Araucaria,
Libocedrus und Fitzroya aus den Nadelhölzern im Cha-
rakter der Formen vergleichend prüft.
Es ergibt sich bei diesem Vergleiche, dass wenig-
stens zwischen den auf der nördlichen und den auf der
südlichen Erdhälfte thatsächlich entwickelten subtropi-
schen Waldformationen so viel schneidende Kontraste in
Hinsicht auf die Ausprägung durch verschiedene Pflan-
zenformen bestehen, dass die hier gebildeten Vegetations-
zonen zwar als einander klimatisch analog, aber niemals
[265]V. Winterkalte Laub- und Nadelwälder.
als in ihrer erdgeschichtlichen Wirkung zusammenfallend
zu betrachten sind.
V. Winterkalte Wälder mit periodischer Be-
laubung und immergrün-frostharten Nadelhöl-
zern. Schon unter der Gruppe c) der subtropischen
Waldformationen befanden sich zahlreiche, allerdings nie-
mals weit nach den kaltgemäßigten Breiten sich er-
streckende Baumformen mit Laubabfall bei Eintritt der
kühlen oder kalten Jahreszeit, sogar Lauraceen, vornehm-
lich aber neue Ordnungen, wie Platanus, Juglans. Zu-
nächst tritt diese Vegetationsform noch mit den immer-
grünen Bäumen geographisch vereinigt, topographisch
vielleicht häufiger schon getrennt, auf; alsbald aber
herrscht sie in der nördlichen Zone allein, entwickelt
sich zu anhaltend-strenge Winter ertragenden Formen, deren
Vegetationszeit sich dementsprechend zu verkürzen ver-
mag, wechselt die Nadelhölzer aus, indem die frostun-
sicheren verschwinden und frostharte dafür an die Stelle
treten, und endet schliesslich in einer dem Polarkreise
nahe kommenden oder diesen sogar stellenweise über-
schreitenden Linie mit den frosthärtesten Baumformen,
wo alle übertroffen werden durch einen Nadelbaum, der
nun aber selbst zu den wenigen laubwechselnden dieser
Ordnung gehört: die Lärche.
Die anderen laubwechselnden Coniferen sind boreal-subtropisch,
der Gingko (Gingko biloba) und Pseudolarix Kämpferi in China-
Japan; das schöne Taxodium distichum, jetzt im mittleren Nord-
amerika, ist im Tertiär viel höher nach Norden und weiter cir-
cumpolar verbreitet gewesen.
Die Wirkung des Klimas auf die Ausbildung und
Verbreitung dieser Vegetationsform im Verlauf der jünge-
ren Erdentwickelung liegt also als ausgezeichnetes Bei-
spiel hier offenkundig zu Tage. Es ist demnach auch
verständlich, wie ein allmählicher Uebergang im For-
mationsbestande durch Mischung verschieden organisierter
Typen entstehen muss, der eine strenge Scheidung der
hier genannten Abteilungen von Wäldern verhindert. Da
aber die Temperaturen hier für die Verbreitungsweise
ausschlaggebend sind, so ist es leicht, an der Hand
unserer Karte mit Köppens Wärmegürteln die Verbrei-
[266]Nordgrenze der sommergrünen Bäume.
tungssphären ungefähr anzugeben. Der sommerheisse
Gürtel im gemässigten Klima der nördlichen Halbkugel
enthält grösstenteils das Mischungsgebiet der immer-
grünen mit den sommergrünen Laubhölzern; in Nord-
amerika aber besteht die Bewaldung dieses Striches schon
grösstenteils aus laubabwerfenden Bäumen, was bei Ver-
gleich der Wintertemperaturen, auf die es nun wieder
besonders ankommt, nur erklärlich, ja notwendig erscheint.
Der dann folgende Gürtel mit gemäßigtem Sommer und
kaltem Winter hat nur in den mit Seeklima ausgerüste-
ten Ländern (im atlantischen Europa, in Japan, Kali-
fornien) noch immergrüne Laubbäume, sonst aber schon
überall frostharte Nadelhölzer gemischt mit im Herbst
laubabwerfenden Dikotylen. Dieser Gürtel reicht auch
noch für die Kultur der sommergrünen Bäume aus dem
südlicheren wärmeren Gürtel mehr oder weniger aus, um
so mehr, je ozeanisch-gemilderter seine Winter sind;
streckenweise gedeiht aus anderen Gründen überhaupt
gar kein Wald. Der letzte sehr breite Klimagürtel, als
kalter bezeichnet, reicht noch gerade für das Baumleben
bis ungefähr zu seiner mit der nördlichen Baumgrenze
ziemlich gut zusammenfallenden Nordgrenze aus, zeigt
aber einförmige Wälder von überwiegenden Coniferen-
beständen und von Alnus und Betula, Salix und Populus
als fast einzigen kräftig gedeihenden und eigene Bestände
bildenden Laubhölzern. Auf einige Gebiete des sommer-
gemäßigten und winterkalten Gürtels häuft sich daher
die grösste Mannigfaltigkeit und der bunteste Bestandes-
wechsel der schönen Formation, die hier unter Abt. V
begriffen wird und welche die Zone II (siehe oben S. 83
bis 85) auszeichnet, zusammen.
Die Wirkung des ozeanischen Klimas ist wohl die
Ursache der merkwürdigen Erscheinung, dass diese im
Norden so ungeheuer breit und imposant entwickelte
Formation als solche im antarktischen Süden nicht wieder-
kehrt. Auch der Süden hat seine laubabwerfenden Laub-
hölzer; eine stolze chilenische Buche soll im Gesamt-
charakter ausserordentlich der europäischen gleichen;
aber der südliche kalte Gürtel hat nicht das sommerliche,
[267]Mangel derselben im Süden.
sondern das immergrüne Laub zur Entwickelung ge-
bracht, und er lässt eher die stolzen subtropischen Laub-
hölzer verkrüppeln und zu immergrüne Blätter behalten-
den Strauchformen oder strauchigen Repräsentativarten
herabsinken, als einen neu in eigener Formkraft glän-
zenden winterharten Wald erstehen; ausserdem hat er
nichts den ertragungsfähigen nordischen Coniferen Ent-
sprechendes aufzuweisen. Dafür muss man die mangelnde
Sommerwärme verantwortlich machen, deren hohen Wert
man in Sibirien so klar erkennt; denn die klimatische
Gesamtsignatur vom südlichen Amerika und Skandinavien,
Sibirien und Kanada ist dieselbe.
Die Sommerwärme im kontinentalen Norden ist es
allein, welche einzelne Baumarten in unveränderter syste-
matischer wie biologischer Erscheinung die excessivsten
Kältegrade der Erde ertragen lässt (vergl. oben, S. 24).
Wieweit die Acclimatisationsfähigkeit einzelner Formen
hier geht, ergibt sich am besten aus den Areal- und
Klimavergleichen über die Birken, welche als die här-
testen sommergrünen Laubhölzer zu betrachten sind.
Unter Hinweis auf das oben (S. 189) besprochene Gesamt-
areal der Unterordnung Betulinae von den Cupuliferen möge hier
das der nordischen Weissbirke, Betula alba L., in der für diese
Art von Willkomm in seiner Forstlichen Flora von Deutschl. u.
Oesterreich gegebenen Umgrenzung folgen; dasselbe ist auch zu
ersehen aus Berghaus’ Physik. Atlas Nr. 45 u. Nr. 48 (Pflanzen-
verbreitung Bl. II. u. V). Ihre in mehrere nicht sehr verschiedene
Varietäten gegliederten Bestände reichen aus den trockenen Ebenen
und Mooren, Torfbrüchen, Mittel- und Nordeuropas bis zum Nord-
kap durch das nördliche Russland bis an die Küste des Eismeeres
und dann durch Sibirien hindurch bis Kamtschatka; denn die im
nördlichen Ural und die bei Jakutsk, am Aldangebirge und bei
Petropawlowsk beobachtete Weissbirke ist als eine Art anerkannt,
sogar noch die grönländische unter 62° N. beobachtete Form in
4—5 m Höhe und 1½—2 cm Durchmesser des Stammes. Doch
werden hier von den Reisenden mehr Gebüsche als Wälder von
Birken angegeben, wogegen die Bäume im östlichen Sibirien statt-
liche und nutzbare Waldbestände bilden. Die Grenze der Weiss-
birke durchschneidet in Europa die Halbinsel Kola, trifft die Ost-
küste des Weissen Meeres unter 67¼° N., senkt sich am Ob auf
66¼°, steigt wiederum am Jenisei auf 69½°, sinkt, und steigt
weiter ostwärts an der Kolyma bis 68° und erreicht in der durch
Lücken vielfach um die Gebirgszüge herum sich schlingenden Form
[268]Nordgrenze der Weissbirke.
der ostsibirischen Vegetationsgrenzen dann die Ostküste Kamt-
schatkas, vielleicht auch noch die Küste Alaskas.
In diesem weiten Gebiete nun hat der Birkenwald
mit Klimaten zu thun, deren Amplitude in Monats-
mittelwerten ausgedrückt unter 14° im westlichen Europa
sinkt und hoch über 60° im Gebiet der Lena (62° Ampli-
tude bei Jakutsk) steigt, mit Klimaten, in denen das
Januarmittel 0° und —40° bis —48°C. beträgt, wo-
gegen allerdings die Sommertemperaturen, die Mittel-
werte des wärmsten Monates, weniger stark schwanken,
nämlich nur zwischen ungefähr 20° und 14° (bei Aus-
[269]Temperatursphäre nordischer Bäume.
schluss der wenigen für Birkenwuchs gut geeigneten
Stellen im südlichen Grönland, deren lokale klimatischen
Begünstigungen erst noch näher zu erforschen sind).
Der Gegenstand ist wichtig genug, um beispielsweise ein-
gehender betrachtet zu werden, zumal nachher bei der Acclimati-
sationsfrage wiederum die Birke zum Beispiel gewählt werden
soll. Es sind daher in der nebenstehenden Figur 4 Temperatur-
kurven dargestellt, welche so ziemlich ein Bild, in welchem Maße
das der Birke zur Entwickelung dienende Klima schwanken darf,
wiedergeben; doch sind durchaus nicht die allergrössesten Extreme
nach der einen oder anderen Seite hin benutzt. Für Mitteleuropa
ist Dresden zum Anhalt genommen; das nordeuropäische Klima cha-
rakterisiert die Kurve von Tornea, das ostsibirische Binnen- und
Küstenklima die von Jakutsk und von Petropawlowsk, wo die
Weissbirke noch gutes Schiffsbauholz liefern soll. Die Kurven
sind zum bequemeren Vergleich der Amplitude in zwei Hälften
gezeichnet, deren obere die Vegetationsmonate in Europa umfasst,
während die gleichsinnig unten herum weiterlaufende Hälfte die
winterkalten Monate umschliesst. Wie unten gezeigt werden wird,
kann man ziemlich allgemein 9°C. Mitteltemperatur als Belau-
bungs-, 8°C. als Entlaubungsphase der Weissbirke ansehen; es sind
daher diese Temperaturen (im Juli ineinander überführend) als die
die Vegetation der Birke von ihrem Ruhezustande trennenden be-
sonders hervorgehoben. Die vorbereitenden Wärmegrade für die
Belaubung des Baumes sind daraus zwar nicht zu ersehen, haben
aber auch ohne die nötigen höheren, später folgenden Tempera-
turen keinen Zweck. Es ersieht sich daraus mit einem Blick,
welchen Teil der Jahreskurve die Birke zur Ausnutzung für
sich hat.
In Hinsicht auf biologische Vegetationsformen zeich-
nen sich die winterkalten Wälder durch das vollständige
Fehlen aller Schopfbaumtypen, mithin aller Monokotylen,
aus; selbst die Farne sind nur noch als alljährlich ihre
Wedelrosetten erneuernde, niedrig über der Erde ver-
bleibende oder mit kriechendem Wurzelstock an der Erd-
oberfläche ausdauernde Formen vertreten, ohne die Eigen-
heit ihrer Erscheinung jedoch gänzlich einzubüssen. Die
wenigen hier vertretenen Ordnungen bewirken eine ge-
wisse Monotonie, nur im mittleren Nordamerika durch
die dort noch zahlreich in die winterkalten Gebiete ein-
tretenden subtropischen Abkömmlinge, von denen unten
die Rede sein wird, unterbrochen. Sonst sind nur Ahorn,
Linde und Esche als allgemein verbreitete Baumgat-
tungen mit subtropischer Beziehung zur Belebung der
[270]Physiognomie der winterkalten Wälder.
herrschenden Kätzchenbaum-Laubformen und der Nadel-
hölzer zu nennen.
Mehr als sonst irgendwo herrschen daher hier Wäl-
der eines Schlages, in denen eine einzelne Baumart auf
weite Strecken Landes die Herrschaft führt, oder Wälder
aus wenigen Arten gemischt, wie in Deutschland Buche,
Fichte und Tanne, oder Eiche, Kiefer und Birke. Ob
das eine oder andere eintritt, ob eine oder mehrere Baum-
arten die Hauptmasse des Waldes bilden, scheint allzu-
sehr von örtlichen Einflüssen abzuhängen, als dass ein
dauernder Bestand in der Landesphysiognomie damit ver-
bunden sein könnte; jedenfalls strebt die Natur nach
Wechseln, und es ist ebenso wahrscheinlich, dass ein
gemischter Bestand seine Hauptarten an den einzelnen
Stellen wechseln lässt, als dass bald diese bald jene Art
vorübergehend zur Vorherrschaft gelangt, als dass end-
lich ein Wald eines Schlages nach Erschöpfung in sich
selbst nun durch einen ganz anderen Schlag abgelöst
wird. Wie ich in Englers botan. Jahrb. Bd. XI, S. 21
bei Besprechung der mitteldeutschen Formationen aus-
einandersetzen konnte, erscheint es daher auch unange-
bracht, nach diesen sich zwar zunächst aufdrängenden,
aber doch das Wesen der Sache nicht erschöpfenden An-
ordnungen zu einfachen oder gemischten Beständen unsere
Formationen weiter zu zersplittern. Am ehesten ist noch
die Scheidung geschlossener Nadelwälder und geschlossener
Laubwälder statthaft, nur dass sie überbrückt wird durch
zahllose Bestände, in welchen diese beiden Vegetations-
formen in gegenseitigem Frieden und wechselseitig sich
unterstützend durcheinander gemischt sind.
Sobald allerdings die südlichere Zone der winter-
kalten Waldformationen überschritten ist, gelangt der
Coniferenwald zur überwiegenden Herrschaft, mischt sich
aber an vielen Stellen selbst aus mehreren Arten, welche
im westlichen Nordamerika noch eine reichere Fülle an-
nehmen. So bietet Nordamerika wohl überhaupt die
wechselndsten und anregendsten Bilder für diese Formation,
in welcher die bunten Laubwälder Virginiens, die regen-
reichen Nadelwälder von Kolumbien bis Sitcha herauf,
[271]Artgemisch. Nebenbestandteile.
die monotonen Tannen- und Fichtenwälder mit Birken
und Espen im nördlichen Kanada im Artgemisch, in
ihren Nebenbeständen und folglich in ihrer Physiogno-
mie höchst wechselvoll sich verhalten.
Hoch in die Wipfel hineinrankende Lianen gehören
nicht mehr zu den Nebenformen der winterkalten Wald-
formationen; Epiphyten sind neben wenigen Baumpara-
siten (Viscum) wohl zahlreich vorhanden, aber sie gehö-
ren, ausser an der Stammborke reichlich sich einfindenden
Moosen, alle zu der Klasse der Flechten (Lichenen) und
nie zu den bewurzelten Blütenpflanzen.
Hinsichtlich der Lichenen tritt wiederum die der tropischen
Epiphytenvegetation analoge Erscheinung ein, dass dieselbe
Pflanzenklasse, welche die an der Stamm- und Zweigrinde haftende,
besonders auf die feuchteren kühleren Klimate angewiesenen Epi-
phyten liefert, zugleich in anderen Repräsentanten den trockenen
Fels-, Sand- oder Heideboden allein oder mit anderen Pflanzen
gemischt deckt.
Drei Schichten verschiedener biologischer Vegetations-
formen sind auch in den winterkalten Wäldern noch
häufig: ausser dem grünen Laubdach noch eine Schicht
von lockerem Unterholz aus hohen Sträuchern gemischt
mit heranwachsenden Bäumen, und dann die Bodenschicht
gemischter Stauden, Gräser, Farne. Oder aber an Stelle
der beiden Unterschichten findet sich eine fest zusammen-
hängende Gesträuchdecke (wie z. B. von der Heidelbeere),
oder zumal im geschlossenen Nadelwalde nur eine Moos-
decke mit wenigen eingestreuten Stauden. Pilze fehlen
niemals, bilden aber nur vereinzelte Gruppen oder Einzel-
stücke. Der Reichtum an Stauden (d. h. also an aus-
dauernden, meistens mit unterirdischem Wurzelstock über-
winternden Kräutern) ist im gemischten Bergwalde oft
ein grosser, und hier zeigt sich dann auch wohl fast
allgemein die mit dem Lichtwechsel im unbelaubten und
belaubten Walde zusammenhängende Erscheinung, dass
im Vorfrühling der Waldboden vielfältig eine zusammen-
hängende Decke schön blühender Stauden zeigt, welche
rasch ihre Blätter entwickeln und die für sie lichtreiche,
mäßig warme Jahreszeit zur Vollendung der eigenen
Periode ausnutzen, während derselbe Waldboden vom
[272]Humuspflanzen. Laubentfaltung, Blütezeit.
Schluss des Mai an, wo die genannten Stauden nur noch
unterirdische Vegetationsthätigkeit zeigen, kahl dasteht
und höchstens noch im Hochsommer von einzelnen Gruppen
lichtscheuer Humuspflanzen (Monotropa, Neottia, Epi-
pogium) ausser von Pilzen besiedelt wird. Diese sogen.
Saprophyten aber bilden gerade so charakteristische Ne-
benbestände, wie die Epiphyten im Tropenwald, sind
auch in letzterem vorhanden in ganz anderen Gattungen
(Voyria, Burmannia), und sind, als dem ernährenden
Lichte entzogen, auf Benutzung der modernden organi-
schen Waldreste hingewiesen.
In den biologischen Einrichtungen steht die Ge-
schwindigkeit der Laubentfaltung bei eintretendem Früh-
ling, das beschleunigte Blühen oft schon vor der Laub-
entfaltung, und die günstigste Ausnutzung der ganzen
Vegetationsperiode obenan.
Diese Verhältnisse sind auf botanisch-morphologischem Wege
besonders von F. W. C. Areschoug mehrfach erläutert worden;
siehe z. B. dessen zusammenfassende Abhandlung in Englers
botan. Jahrb. IX, S. 70. Die meisten Bäume blühen sehr früh-
zeitig im Frühjahr (Ausnahme: Linde!), aus schon im Vorjahr bis
zu hochgradiger Entwickelung angelegten Knospen. Diese über-
wintern sogar bei einigen (Birken, Erlen etc.) nackt aus den Knospen
hervorgetreten, und zur Zeit der Blütenstaubentleerung in den
ersten warmen Frühlingstagen ist das Pistill bei diesen Arten
noch nicht weit genug zur Befruchtung vorgeschritten. Areschoug
bringt auch die beschleunigte Entwickelung im Blühen in Zu-
sammenhang mit der einfachen Organisation in den Blüten der
nordischen Bäume, welche ja bekanntlich Kätzchenträger sind, und
meint, es werde dadurch der Vorteil gewonnen, dass der Baum
den grösseren Teil seiner vegetativen Kraft auf das Verstärken
und Vergrössern von Stamm und Zweigen verwenden könne. Doch
sei an die für die Mehrzahl der Tropenbäume festgestellte Blumen-
kleinheit hier zurückerinnert, und auch die Frucht- und Samen-
produktion steht bei den nordischen Bäumen in einem nicht
geringfügigeren Verhältnis.
Die Geschwindigkeit der Entwickelung zwingt natur-
gemäß unter höheren Breiten zum Ausnutzen niederer
Temperaturen, sei es auf die eine oder die andere Weise
in Hinsicht auf den Beginn der Phase oder auf die ganze
für die Vegetationsperiode verwendete Temperatursumme.
Unter Verweis auf das früher allgemein darüber Gesagte
[273]Vegetationskurven der Weissbirke.
(vergl. Abschn. 2, S. 46) sei dieser Frage nach der Art
und Weise der Acclimatisation im Baumleben hier an
der Hand des weiter auszuführenden Beispieles der nor-
dischen Weissbirke nochmals gedacht, unter Hinweis auf
die oben allgemein nach Linssers Gesetzen daran ange-
knüpften biologischen Zielpunkte. Die vorstehend (S. 268)
dargestellten Kurven würden am ehesten zu der Vermu-
tung veranlassen, dass die Birke der Verkürzung des
Sommers durch Austreiben der Blätter bei immer niederer
beginnenden Anfangstemperaturen entgegenwirke. Ein
Blick auf die hier aus Skandinavien mitgeteilten phäno-
logischen Beobachtungsresultate lehrt das Gegenteil:
der Phasenbeginn fällt ungefähr auf die gleichen, in
nördlichen Gegenden aber noch etwas erhöhten Tempe-
raturen in der aufsteigenden Frühlingskurve.
Die hier mitgeteilten Daten entstammen aus gründlichen Be-
obachtungsreihen, welche am Upsala-Observatorium zur Durch-
Drude, Pflanzengeographie. 18
[274]Belaubungs- und Entlaubungsdaten.
arbeitung durch Arnell und später durch Hult gelangten, welcher
letztere die schöne Abhandlung: Recherches sur les phénomènes
périodiques des plantes, Ges. d. Wissensch. zu Upsala, Nova Acta
Ser. III, 1881, darüber veröffentlichte. Die Temperaturkurven a
bis e beziehen sich auf 1873—1878; an der Stelle der Kurve, auf
welche der erste Beblätterungstermin der Birke in dem gleichen
Zeitraum von Jahren fällt, ist ein starker Querstrich eingetragen,
und diese Marken sind zu einer eigenen Kurve verbunden. Das-
selbe ist mit der vom September bis Oktober fallenden Entlau-
bung vollzogen. Für die Frühlingsphase habe ich das kleine Stück
der Dresdener Temperaturkurve im 40jährigen Mittel hinzugefügt,
welches die mittlere Belaubungszeit der Birke (20. April) ein-
schliesst. Man sieht, dass die Belaubungstemperatur nur zwischen
8,6° (Upsala) und 10° schwankt, die viel ungenauer zu ermittelnde
Entlaubungstemperatur zwischen 7° und 10°C.; in Dresden fällt
erstere auf 9°, ist in Schonen 1° höher, sinkt dann unter 9°, um
im nördlichen Lappland wiederum bis gegen 10° zu steigen. Hult
hat diese Erscheinung ganz allgemein auf die Regel zurückgeführt,
dass jede Spezies ihre Phasenentwickelung bei einer bestimmten,
ziemlich gleichmäßigen und konstanten Temperatur eintreten
lässt; wenn aber die Temperaturkurve so rasch steigt, dass sie
die Geschwindigkeit der Zeit-erfordernden organischen Entwicke-
lung überflügelt, so wird letztere dadurch auf ein Datum ver-
schoben, an welchem schon eine höhere Mitteltemperatur fällig
ist. Berücksichtigt man nämlich die Geschwindigkeit des An-
steigens der Temperaturkurve in den hochnordischen Gebieten, so
ergibt sich, dass die dortigen Pflanzen die ersten vorbereitenden
Anfänge für die spätere Belaubung oder Blüte schon bei niede-
reren Temperaturen vor sich gehen lassen, als in südlicheren Ge-
bieten desselben Art-Areals; aber die Phase selbst bricht doch bei
noch etwas höheren Temperaturen erst durch. — So ist es auch
erklärlich, dass das raschere Herabsinken der herbstlichen Tempe-
raturkurve die Entlaubung auf eine tiefere Mitteltemperatur fallen
lässt, als es die südlicheren Gebiete zeigen.
Verbindet man nun durch eine gerade Linie die
Belaubungs- und Entblätterungsdaten, so erhält man
dadurch ein graphisches Bild von der Länge der Vege-
tationsperiode an den einzelnen Orten, wie es in vor-
stehender Figur mit der Birke im nördlichen Lappland
geschehen ist. Im Mittelwert ist die Länge der Vege-
tationsperiode auch mit 9°, bez. 8° in der Figur (S. 268)
vermerkt. Es würde interessant sein, auch zu diesen
Vergleichen die von Hoffmann empfohlenen Insolations-
temperaturen zur Verfügung zu haben; vielleicht würden
dieselben noch schärfere Zahlenwerte ergeben, zumal wenn
[275]Grisebachs Phytoisothermen.
die Tagessummen gezogen würden; soweit sind wir aber
noch nicht gediehen.
Die Mittel der Schattentemperaturen lehren sehr
überzeugend, dass zunächst einmal die jedem Baum an
den südlichen und nördlichen Grenzen seines Areals zur
Verfügung stehenden Temperatursummen sehr ungleich
sind; man sieht sie in den hier gegebenen Figuren in
Flächenunterschieden vor sich. Aber sie lassen auch
Grisebachs Phytoisothermen-Gesetz richtiger beurteilen,
wie er es in V. d. E. I, 78 eingeschränkt mitgeteilt hat.
Ursprünglich von der Voraussetzung ausgehend, dass die
Vegetationszeit des borealen Waldgebiets überall eine
nahezu gleiche Mitteltemperatur („Phytoisotherme“) be-
sitze, z. B. die von den drei Sommermonaten zu Jakutsk
(13,2° R.) fast gleich mit den acht Monaten der Vege-
tationsperiode zu Bordeaux (13,9° R.), fand Grisebach
später, dass an den nördlichen Arealgrenzen diese hohen
Temperaturen nicht erreicht werden, z. B. in Alten
(Lappland) nur 9,5° R. im Mittel erreichen. Ein Blick
auf die skandinavischen Kurven zeigt aber, dass die
Mitteltemperatur der Vegetationsperiode mit zunehmender
Breite ganz allmählich abnehmen muss, da der ungefähr
gleiche Temperaturanfang der Vegetation in südlicheren
Breiten den Gesetzen der allgemeinen Wärmeverteilung
zufolge alsbald zu höheren Temperaturen aufgetrieben
wird, und die Vegetationsperiode dann auch bei höheren
Temperaturen ihr Ende erreicht. Die Berechnung aus
Insolationstemperaturen würde die Differenz wahrschein-
lich nur noch verstärken.
Aus dieser Betrachtung lässt sich endlich noch eine
einfache Schlussfolgerung für die klimatische Grenze der
nördlichsten Bäume ableiten: dort wird ihr Areal zu
Ende sein müssen, wo die Anfangsentwickelungsphase
(Belaubung bei 9°C.) so nahe am oberen Kulminations-
punkt der jährlichen Temperaturkurve liegt, dass die fort-
schreitende Baumentwickelung alsbald mit der wieder ab-
steigenden Temperaturkurve herabgedrückt werden muss;
in Lappland folgen auf die Anfangsphase noch etwa
40 Tage aufsteigender oder in der Höhe bleibender Tem-
[276]Gebüsch- und Gesträuchformationen.
peratur, dann etwa noch 50 Tage absteigender Tempe-
ratur bis zur Entblätterung. Grisebachs Ableitung, dass
die Vegetationsperiode eine Verkürzung unter drei Monate
nicht vertrage, gibt dieselbe Regel summarisch nach
Zeit ausgedrückt.
Die Gebüsch- und Gesträuchformationen.
Die eben ausführlich besprochenen Wälderformatio-
nen stehen insofern allen übrigen voran, als sie das höchst
erreichbare Ziel einer gleichmäßig dichten Bestandes-
decke über dem Erdboden bezeichnen, welche an den ge-
eigneten Plätzen die meisten übrigen Vegetationsformen
als untergeordnete Formationselemente zulässt. Wo Lich-
tungen im Walde auftreten, finden die Sträucher, zwi-
schen und neben diesen oder im Halbschatten der Bäume
auch die Halbsträucher und die zahlreichen Stauden, ihre
besonderen Plätze; Gräser sind nicht ausgeschlossen und
bedecken bei lichter Belaubung (wie in unseren Birken-
wäldern) sogar gesellig den Boden; auch gehen die Bäume
noch vereinzelt und in besonderen widerstandsfähigen
Arten in die auf strenge Substrat- und Bewässerungs-
eigentümlichkeiten gegründeten Formationen hinein: über-
decken den Fels, wenn sie im Moosteppich Wurzel ge-
schlagen haben, wagen sich in die Steppe, in die Moore,
umkleiden sogar das süsse und brackische Wasser. Wo
aber die Vegetationsbedingungen des Baumlebens denen
anderer Vegetationsformen nachstehen, gewinnen letztere
die Oberhand und werden zu eigenen Formationen, von
denen die Gebüsch- und Gesträuchformationen die niederen
und kleinen Holzgewächse, die Grasflur- und Stauden-
formationen die nicht verholzenden ausdauernden Kräuter
umfassen.
Gebüsche nennen wir die Bestände höherer Sträu-
cher mit lang in die Höhe wachsenden und dichtes Ge-
zweig bildenden kleineren, in dichten Haufen beisammen-
stehenden Stämmen; Gesträuche nennen wir die aus
niederen Halbsträuchern gebildeten Bestände. Letztere
werden an Höhe oft genug von hochwüchsigen Stauden
übertroffen, aber sie haben doch das Charakteristische
[277]Bildung der Strauchbestände.
der oberirdisch-verholzten Stämmchen oder Hauptzweige
für sich, welche die zahlreich wechselnden beblätterten
und blühenden Seitenzweiglein treiben und selbst ab-
sterben, sobald sie einen Cyklus mehrerer kräftiger Vege-
tationsperioden hinter sich haben; durch dieses schnellere
Absterben bleibt die Höhe gering und die Vegetations-
fülle mäßig. Es ist bisher noch nicht versucht worden,
etwas schärfere biologische Unterschiede in die kleinen
Bäume, grossen und kleinen Sträucher und endlich Halb-
sträucher hineinzulegen, sondern man hat sich bislang
mit den das Wesentliche treffenden landläufigen Bezeich-
nungen begnügt; sollen die Unterschiede besser gefasst
werden, so wird man auf die Bildung der Hauptachse
und auf das Vorhandensein eines kriechenden Wurzel-
stockes oder unterirdischer Ausläufer, wie sie viele Halb-
sträucher zeigen, das Hauptgewicht zu legen haben. Dass
scharfe Fassung dieser Begriffe sich nicht immer er-
möglichen lässt, beweist schon, dass waldbildende Bäume
auch zu Gebüschen herabsinken können, wie die Eichen-
kratts in Schleswig-Holstein.
Für eine allgemeine Anschauung der Gebüschforma-
tionen möge Grisebachs kurze Zusammenfassung in Neu-
mayers „Anleitung“ hier Platz finden: „Mit Sträuchern
bedeckte Landschaftsgliederungen sind für das subtropische
Klima besonders charakteristisch und haben in deren Be-
reich die mannigfachsten Bezeichnungen erhalten. . . .
Grosse Verschiedenheiten zeigen ihre Bestände in der
Höhe des Wuchses, in der immergrünen oder periodi-
schen Belaubung und in den Vegetationsformen, die sie
zusammensetzen. Die Nebenbestandteile treten weit mehr
zurück, als in den Wäldern, weil die Sträucher gewöhn-
lich dem Boden eine dichte Bekleidung geben; in ein-
zelnen Fällen nehmen sie auch Bäume auf, die sich einzeln
oder gruppenweise aus dem Gesträuch erheben. Auch
eine Mischung verschiedener Vegetationsformen ist in
den Gebüschformationen eine viel seltenere Erscheinung
als in den Wäldern. Denn wiewohl sie ebenfalls bald
aus einer einzigen gesellig wachsenden Art bestehen, bald
aus vielen verschiedenen Sträuchern zusammengesetzt sind,
[278]Grisebachs Strauchformen.
so ist doch im letzteren Falle die Bildungsweise der
Vegetationsorgane einförmiger als bei den Bäumen.“
Da im vorhergehenden vielfach Bezug auf die Vegetations-
formen der Sträucher im physiognomischen Sinne genommen wird,
so mögen die Grisebach’schen Bezeichnungen derselben insoweit
hier folgen, als sie zu selbständigen Beständen zusammentretend
vorkommen. Die Rhamnusform hat weiche biegsame Blätter mit
sommergrüner Belaubung; ihnen schliesst sich die Weidenform
mit schmalerem Laube an. Die Krummholzform umfasst die
strauchigen Nadelhölzer mit immergrüner, starr-nadelartiger Be-
laubung. Die Myrtenform zeigt glänzend-immergrüne und starre,
kleine Beblätterung, die Oleanderform ebensolche aber mit
grösseren Blättern (über Zollgrösse.) Die Tamariskenform zeigt
anliegende Blätter von sehr geringer Grösse mit schuppenartigem
Eindruck (vergl. Cypressen). Die Oschurform hat starre, blaugrün-
glanzlose, gegen Dürre besonders stark geschützte Blätter; ähnlich
auch die Proteaceenform.
Es folgen nun noch einige Strauchformen, welche durch
Unterdrückung der Blätter eine andere Art des Trockenschutzes
zeigen, als er bei den mit starrem, dicklederig-immergrünem
Laube ausgerüsteten Sträuchern ausgeprägt ist; es sind dies die
Formen der Casuarinen, dann die nach dem heimischen Besen-
strauch und seinen mediterranen Verwandten benannte Spartium-
form, endlich die Vegetationsform der Dornsträucher, d. h. solcher
Gebüsche und Gesträuche, deren Zweige zu kräftigen Dornen aus-
wachsen, welche immergrün erhalten bleiben, während die kleinen
Blättchen rasch abfallen (Colletia cruciata!). Hinzuzufügen ist
noch die Form dickfleischiger Succulenten in Strauchform.
Ueberblickt man die hier genannten Vegetations-
formen Grisebachs vom Standpunkte einer biologischen
Organbildung in greifbarer Anpassung an die umgeben-
den klimatischen Verhältnisse, so müssen natürlich die
Unterschiede zwischen kleineren oder grösseren Blättern,
sowie die im morphologischen System liegenden aufge-
geben werden, und ausser den zwischen Gebüschen und
Gesträuchen angedeuteten Differenzen sind dann nur die
klimatischen Charaktere des sommergrünen, regengrünen,
saftig-immergrünen oder trockenschutz-immergrünen
Strauchwerkes, sowie endlich die des winterhart-immer-
grünen Laubes nordischer Coniferengebüsche, Ericaceen-
sträucher und -Halbsträucher haltbar, zu denen die
Klasse der „blattlosen Gesträuche“ eine weitere vorzüg-
liche Anschmiegung an das subtropische Wüsten- und
Steppenklima repräsentiert. Es ist dabei hervorzuheben,
[279]Weite Verbreitung der Sträucher.
dass die immergrünen Gesträuche, wenn auch in Zwerg-
formen, bis zum höchsten Norden gehen und hier nicht
im Kreise derselben Familie ersetzt werden durch blatt-
abwerfende Arten (wie es die Lärche unter den Nadel-
holzbäumen zeigte;) denn die Ericaceen sind gerade in
ihren nördlichsten Formen, Rhododendron, Phyllodoce, Cas-
siope, immergrün, und entwickeln noch breitere, derb
lederige Blätter, gehen auch über den Verbreitungskreis
der Nadelhölzer noch weit hinaus. Und ebenso gedeihen
im Bereich der sommergrünen nordischen Laubwälder
noch stattliche immergrüne Gebüsche, welche wie Ilex
Aquifolium im nordwestlichen Europa weit den Bereich
der immergrünen Waldbäume (in diesem Falle den der
Quercus Ilex) überschreiten. Weder die Winterkälte, noch
die subtropische Dürre heisser Steppen hat daher auch
nur annähernd in dem Maße die Verbreitung der Sträu-
cher und Halbsträucher eingeschränkt, wie die der Bäume.
Um so zahlreicher würden daher auch die Typen der
Strauchformationen in dem weiten Umfange ihrer Ver-
breitung sein, wenn nicht ihre Selbständigkeit im Bereich
der tropischen Regenwälder eine geringe zu sein schiene
und wenn sie nicht in den Subtropen und in den ge-
mässigten Klimaten nur Wiederholungen der Baumbio-
logie in einfacherer Form, also von neuen Dingen in
eigenartiger Entwickelung doch eigentlich nur die fleischig-
blattlosen und steppendürren Dorngesträuche, ausserdem
die frostharten immergrünen Laubblattgesträuche dar-
böten.
Aber freilich, vor einer Monotonie bewahrt in der
sich wirklich in der gesamten Vegetation der Erde dar-
bietenden Sträucher- und Halbstrauchformations-Fülle die
systematische Verschiedenheit derjenigen Arten,
welche in den einzelnen Gebieten vorherrschen, einzeln
oder vereinigt die Bestände bilden. Hier ist vielleicht
die Mannigfaltigkeit noch grösser als in den Waldforma-
tionen, was bei den weiteren Arealen geselliger Sträucher
und Halbsträucher begreiflich erscheint. Kaum lassen
sich in kurzen Zügen diejenigen Familien schildern, wel-
chen die Hauptleistung für die hier in Rede stehenden
[280]Nordische Strauch- und Halbstrauchbestände.
Formationsabteilungen zukommt, da auch gelegentlich
Gattungen von Compositen, Salsolaceen, Verbenaceen etc.
gesellige Hauptbestände bilden, deren Ordnungsgenossen
in anderen Formationen tonangebend zu sein pflegen.
Es mögen daher hier einzelne ausgewählte Beispiele zur
Erläuterung der mannigfaltigen Zusammensetzung in bio-
logischer und systematischer Hinsicht folgen.
Schon die winterkalten Klimate besitzen nicht wenige
Gebüsch- und Gesträuchformationen. Den Krummholz-
(oder Zwergkiefer-) Beständen von Pinus montana in Mittel-
europas Berglandschaften schliessen sich Zwergarven-Be-
stände in Ostsibirien, gebildet von einer strauchigen Varie-
tät der Pinus Cembra an; Wacholdern (Juniperus) bilden
in verschiedenen Arten sowohl in der Ebene als in den
Gebirgen gelegentlich selbständige Bestände. Diesen immer-
grünen Coniferen schliessen sich ebensolche Repräsen-
tanten aus der Ordnung der Ericaceen an: die Alpen-
rosen, im Himalaya, in Ostasien und Nordamerika
vertreten durch viel mächtigere Gebüsche der gleichen
Gattung Rhododendron; und dieselbe Gattung bildet dann
hinwiederum sommergrüne Strauchbestände, für welche
die pontische Azalee (Rhododendron flavum) ein bekann-
tes Beispiel liefert. Zahlreiche Gesträuchformationen ent-
stammen anderen Ericaceen-Unterordnungen und Gattungen;
so besonders die „Heiden“ selbst, welche bei uns ja als
Formationsbegriff unzertrennbar mit Erica und Calluna
vulgaris zusammenhängen, und deren Namen man auch
am besten nur auf gesellige Ericaceen beschränkt. Die
Heidelbeer- und Preisselbeergesträuche zeigen weitere
Beispiele davon in geselligen Vaccinium-Arten, erstere blatt-
wechselnd, die Preisselbeeren immergrün. Diese immer-
grünen Bestände gehen hoch über den Polarkreis hinaus,
und es ist oben (S. 20) an dem Beispiel von Grönland
gezeigt, dass im hohen Norden von ihnen sogar noch
Trockenschutzeinrichtungen getroffen werden müssen. —
Weniger ausgedehnt sind im nordischen Florenreich som-
mergrüne Gebüsche von hohem Wuchs, sobald wir von
dem Unterholz der Wälder absehen: Weidengebüsche an
Flüssen und Seen, dann wiederum ganz aus anderen,
[281]Maquis. Scrub. Bosjes.
alpinen Arten zusammengesetzte Weidengesträuche über
der Baumgrenze in den Gebirgen, oder das bergbewoh-
nende Grünerlengesträuch von Alnus viridis mögen mit den
aus Crataegus-, Prunus-, Rosa- und Rubus-Arten in dich-
ten Gruppen zusammengesetzten Vertretern der „Dorn-
gebüsche“ als bekannte Beispiele genannt werden. Die
Leguminosen-Genisteen bilden sogar bei uns kleine Be-
stände einer anderen Art von Dorngestrüpp oder blatt-
lose Rutengestrüppe: der Besenstrauch, Sarothamnus sco-
parius, dann die Ginsterarten und Ulex europaeus sind
zumal im westlichen Europa schon über und neben der
Erikenheide auf weite Strecken dominierend, womit ihr
Charakter als der einer eigenen Formation vollendet wird.
Verlassen wir nun die mitteleuropäischen Strauch-
formationen, so finden wir in den mediterran-orientali-
schen Maquis einen ganz anderen prägnanten Typus.
Gemischt aus mancherlei Arten der verschiedensten Ord-
nungen, aus Myrte, Lorbeer, Olive und Phillyrea (Olea-
ceen), Oleander, Erica arborea und Arbutus (Ericaceen),
Cistus, Pistacia (Mastixstrauch) und Buchsbaum wird das
immergrüne, glänzend-lederige Blatt in den verschieden-
sten Formen ausgeprägt; der eine oder andere Strauch
herrscht auch für sich allein, wie z. B. der Cistus lada-
niferus mit schmalen immergrünen Blättern auf der spa-
nischen Sierra Morena in Ausdehnung von ganzen Qua-
dratmeilen (Griseb. V. d. E. I. S. 282). — Noch viel
bunter und artenreicher sind die als „Scrub“ allbekann-
ten, immergrünen australischen Gebüschformationen ent-
wickelt, von denen im Schlussabschnitt ausführlicher die
Rede sein wird. Leguminosen (Acacia, Oxylobium, Cho-
rizema etc.), Myrtaceen (Eucalyptus, Leptospermum), Pro-
teaceen, Thymelaeaceen (Pimelea), Epacridineen, Myopo-
raceen bilden ihre Hauptgemengteile, von denen viel-
fältig im Mittelmeerbecken nicht einmal die Ordnungen,
aber niemals die gleichen Gattungen wiederkehren. —
Mehr mit den an die Ericaceen geknüpften west-
europäischen Gebüschformationen stimmt das als „Bosjes“
von den holländischen Kolonisten bezeichnete Buschland
am Kap, soweit die regelmässigen Niederschläge reichen.
[282]Kapheiden. Carrascos. Wolfsmilchgebüsche.
„Von der Küste bis zu den Karroofeldern sich ausbrei-
tend, bestimmt die Gebüschvegetation die Physiognomie
der Landschaft. In den meisten Gegenden wachsen diese
niedrigen Sträucher nicht so dicht gedrängt, dass nicht
der Erdboden kahl zwischen ihnen sichtbar wäre, oder
den Stauden, den Zwiebelgewächsen und Succulenten
Raum liesse. Auf der südwestlichen Küstenfläche und
an den Bergen, zu denen sie sich erhebt, ist die Mi-
schung der Straucharten am grössten; ein geselliges Zu-
sammenwachsen derselben Art gehört zu den seltenen
Erscheinungen. Doch gibt es bei der Kapstadt einzelne
Strecken, die mit gewissen Erica-Arten oder Proteaceen
gleichmäßig bekleidet sind.“ (Griseb. V. d. E. II. S. 182.)
In Brasilien bedeckt eine „Carrascos“ genannte Busch-
formation in den Campos auf weite Strecken den Boden
für sich allein; sie sind niedrig, oder hindern wenigstens
nicht die freie Umschau eines Reiters; als „Carrascei-
nos“ erheben sie sich zu 6—9 m Höhe; Acacia dumeto-
rum gemischt mit Melastomaceen und der Myrtaceen-
gattung Eugenia bezeichnet hier den Charakterbestand.
Kommen wir aber nun zu den Typen der Gebüsche und
Gesträuche mit auffallenden Trockenschutzeinrichtungen
gegenüber einer langen Dürre und steinigem Geröllboden,
welche die Verbindung mit echten Steppenlandschaften
vermitteln, so erscheinen die Euphorbiaceen-Bestände Afrikas
wohl als das merkwürdigste Bild. Verzweigt wie ein
Besenstrauch, aber von der Höhe kleiner Bäume und mit
bogig in die Höhe gekrümmten, kandelaberartigen Aesten
und Zweigen, jeder Zweig noch wie ein Säulencactus
unserer Topfkulturen an Dicke und Gestalt, bilden diese
succulenten Wolfsmilche, die an Stelle der Blätter nur
Dornpaare aufzuweisen haben, undurchdringliche und
hohe Gebüsche, welche beispielsweise Paulitschke aus
Harar als natürliche Hecken mit Einlassthoren zu den
Kulturstätten beschreibt und abbildet (siehe Globus 1889,
Bd. 56 Nr. 2). Auf der Höhe der chilenischen Anden
herrscht stellenweise dürftiges Dorngesträuch gemischt
mit Cacteen, die hier — in geringerer Vegetationsfülle,
und nicht für sich allein, wie es scheint, Gebüsche bil-
[283]Espinales und Chanar in Südamerika.
dend — die Euphorbien ersetzen, und zum Teil wie
die herrschenden Compositensträucher (Chuquiragua!) in
dichte Wolle gekleidet sind. Die Dorngebüsche der nie-
deren nordchilenischen Region führen als Formation die
Bezeichnung der „Espinales“; sie setzen sich aus den
schon kurz angeführten merkwürdigen Rhamneen Colletia
mit immergrünen, kreuzweis stehenden Dornzweigen in
dichtem Gestrüpp zusammen, zwischen denen ebenfalls
als echte amerikanische Sippen die Cacteen und trocken-
harten Bromeliaceen nicht fehlen.
In Argentinien sind die Bestände des Chanarstrauches
Gourliea decorticans (Leguminosen-Sophoreen) weit ver-
breitet, bilden in Mendoza die Hauptmasse der Legumi-
nosengesträuche. Ihre Physiognomie mag nach Lorenz’
Reiseskizzen hier folgen: „Wie bei uns die Beerenge-
büsche auf Mooren oder im Walde sanfte Erhöhungen
bilden …, zwischen denen der Regen das Erdreich weg-
gewaschen, so bedeckt hier ein dichter Rasen niederen
Gebüsches ganz ähnliche kleine Erhöhungen mit freudi-
gem Grün, zwischen denen überall das kahle Erdreich
zu Tage tritt. Aber hüte sich der Wanderer wohl, sich
darauf niederzulassen: es ist eine niedrige mimosenartige
Pflanze mit sehr starken Stacheln, ein fast unnahbares
Gewächs. Hier bedeckt es bis Chanar weite Strecken
des flachwelligen Landes, offenbar die dürrsten und trocken-
sten … Eine Verbene (wahrscheinlich Verbena junipe-
rina, var. campestris), ebenfalls hart und stachelig, mischt
sich in diese Mimosen; ausser ihr nur einige spärliche
Gräser und Retamobüsche, eine Ephedra und Palmenge-
strüpp; nicht vergessen wollen wir dabei der Cactus,
gelbblühenden Opuntien, oder der grossen Mamillarien,
welche fast keinem dieser Hügel fehlen und den stach-
ligen Charakter des Ganzen nicht vermindern. Es ist
eine der traurigsten und sterilsten Vegetationsformen, die
man sehen kann, wahrer Heidevegetation vergleichbar.“
Im nördlichen Mexiko, Arizona, Texas, entsprechen
die „Chaparals“ dieser Dornstrauchformation, in ähnlichen
Mimoseen als Mezquitesträucher (Prosopis glandulosa und
pubescens u. a. A.) auftretend, deren zuckerhaltige Hülsen
[284]Chaparals. Rhinocerosbusch. Tropengebüsche.
ebenso wie das Holz ihres Gezweigs nutzbringend sind.
Vom Rio Colorado an westwärts wird ihnen durch die
überaus häufige Zygophyllee Larrea mexicana, den als
widerwärtig geschilderten Kreosotstrauch, ein eigener Stem-
pel verliehen, indem er dichte Gruppen mit leuchtendem
Grün bildet auf dem allerschlechtesten Boden. — In
Südafrika endlich, hinter jenen üppiggrünen Gebüschen
des südwestlichen Kaplandes landeinwärts, ziehen sich
solche Dorngesträuche als Ersatz der Eriken über die
Hochfläche der Karrooterrasse; hier ist der herrschende,
nur etwa ½ m hohe Strauch ein geselliges Gewächs aus
der Ordnung der Compositen, der Rhinocerosbusch, Ely-
tropappus rhinocerotis, welcher, von Succulenten (Mesem-
bryanthemum), Zygophylleen, Zwiebelgewächsen etc. spär-
lich begleitet, weite Strecken ausschliesslich bedeckt.
Schliesslich sei noch an die sich den tropischen Regen-
wäldern anschliessenden höheren Gebüsche erinnert, welche
aus buschigen Bambussen, niederen, glattstämmigen und
stachligen Rohrpalmen, grossblätterigen, immergrünen
Sträuchern, hohen Kräutern und Schlingpflanzen gebildet,
hier und da den Tropenwald selbständig abzulösen schei-
nen, über welche aber im einzelnen wenig ausführliches
berichtet ist.
Zum Schluss dieser Formationsklasse mag auf einige
der wichtigsten, in gemeinsamer oder beschränkter Ver-
breitung charakteristische Glieder der Gebüsche und Ge-
sträuche liefernde Ordnungen kurz hingewiesen werden:
Leguminosen. Sehr zahlreiche Arten, von welchen schon
vorhin einige Beispiele genannt wurden, gehören zu dieser riesigen,
in fast allen Formationen und über die ganze Erde verbreiteten
Ordnung. Manche nur in einer einzigen Art auftretende Gat-
tungen, wie z. B. Gourliea decorticans in den Chanarregionen
Argentiniens, sind doch für einzelne Ländergebiete von bedeuten-
der Wichtigkeit.
Rosaceen. Einzelne Tribus dieser mit circa 1500 Arten zu
den grösseren zählenden Ordnung liefern zahlreiche Gebüsche
zumal für die borealen Floren, wo sie sommergrün aufzutreten
pflegen. Spiraea ist dort hervorzuheben, Rubus (über die ganze
Erde mit Ausschluss der kalten Länder verbreitet) als Bestandteil
der Dorngebüsche, Rosa (in den borealen Floren allein), und die
[285]Sträucher liefernde Ordnungen.
Reihe der Pomaceenbüsche aus den Gattungen Pyrus, Crataegus,
Cotoneaster, Photinia etc.
Myrtaceen. Zahlreiche Gattungen der immergrünen Gruppe
im Bereich der oben (S. 198) besprochenen Verbreitung.
Compositen. In den trockenen tropischen und besonders
in den australen Floren herrschen an vielen Orten strauchige Ver-
treter dieser ubiquitären Ordnung von ansehnlicher Höhe und
massigem Wuchs, so z. B. die Gattung Baccharis mit circa 300 ameri-
kanischen Arten von Virginien bis Argentinien, die Aster verwand-
ten Olearien in Australasien, Elytropappus, Senecio, Euryops etc.
in Südafrika.
Caprifoliaceen, Cornaceen. Kleinere Strauchfamilien, wel-
che besonders für die borealen Floren durch einige grössere Gat-
tungen: Cornus (Griselinia ist austral), Viburnum, Lonicera von Wich-
tigkeit sind. Zahlreiche Gattungen von Sträuchern liefert für die
Tropen und Subtropen die verwandte Ordnung der Rubiaceen.
Oleaceen, Jasmineen. Zusammen etwa 300 Arten von meist
niederen Holzgewächsen aller Floren, darunter einige Gattungen
grosser Bäume (Fraxinus). Jasminum, Olea, Phillyrea, Ligustrum,
Syringa, Forsythia die bekanntesten.
Myrsinaceen, Sapotaceen, Diospyraceen sind gleichfalls
verwandte Ordnungen von Holzgewächsen, welche zahlreiche
Sträucher für die tropischen, weniger für die subtropischen Floren
liefern.
Ericaceen. Hervorragende Ordnung von Sträuchern und
Halbsträuchern, deren Verbreitung oben (S. 192—198) speziell geschil-
dert wurde, und welche für die borealen Floren durch immergrüne
Belaubung physiognomisch von hervorragender Bedeutung sind.
Epacridineen. Der vorigen verwandte Ordnung von be-
schränkter Verbreitung in Australasien, nämlich ausser einer
Feuerlandsgattung nur in Australien (gegen 300 Arten), Neusee-
land, Neukaledonien etc. und Sandwichinseln vorkommend. In
den genannten Gebieten, besonders aber in Westaustralien, Süd-
ostaustralien und Tasmanien, sind sie von hervorragender Wichtig-
keit als Vertreter der Heiden; die meisten Arten leben gesellig
im feuchteren Scrub der Küstenlandschaften, manche gehen in die
Sandhügelwüsten, andere hoch hinauf in die Hochgebirgsregionen,
wo einige bei 1000—2000 m in Torfmooren gesellig oder häufig sind.
Terebinthinen. Unter diesem Klassennamen pflegen mehrere
Ordnungen mit zahlreichen wichtigen Gattungen der Gebüsch-
formationen zusammengefasst zu werden. Die Citraceen (Auran-
tiaceen) sind grösstenteils tropisch, Citrus selbst im indischen
Florenreich. Die Rutaceen enthalten viele duftende Halbsträucher,
von denen die Diosmeen im Kaplande (Agathosma 100 Arten), die
[286]Sträucher liefernde Ordnungen.
Boronieen in Australien und Neukaledonien, Ruta selbst (50 Arten)
im Mittelmeergebiet und Orient vorkommen. Die Zanthoxyleen
(Zanthoxylum 110 Arten) sind grösstenteils tropisch oder in den
trockenheissen Subtropen. Die Anacardiaceen stellen eine gegen
450 Arten zählende, auch viele Bäume enthaltende Ordnung dar,
deren Hauptgattung Rhus ¼ des ganzen umfasst; diese ist auch
allein auf der nördlichen und südlichen Erdhälfte entwickelt, mit
guter Scheidung nach natürlichen Sektionen, worüber Engler eine
ausführliche Abhandlung (Botan. Jahrbücher I, S. 407) zu danken
ist. Für das Mittelmeergebiet von Interesse sind Cotinus und Pistacia.
Rhamnaceen, Ilicineen, Celastraceen. Gegen 1000 Holz-
gewächse enthaltende Ordnungen, von denen je eine Gattung
(Rhamnus 70 zerstreute Arten, Evonymus 45 hauptsächlich boreale
Arten, Ilex 175 über den ganzen Erdkreis mit Ausschluss der
kalten Klimate verbreitete Arten) auch für die mitteleuropäischen
Gebüschformationen von Wichtigkeit ist. Celastrus (75 Arten)
reicht von Spanien bis Madagaskar, Nordamerika und Australien;
unter den Rhamneen sind noch Ceanothus in Nordamerika, Phy-
lica in Südafrika, Pomaderris und Cryptandra in Australien und
Neuseeland, endlich die Dornsträucher der Colletieen von grösserer
Bedeutung.
Ternströmiaceen. Eine besonders durch die ostasiatischen
Sträucher: Camellia, Thea, Eurya, Actinidia bekannte, übrigens
allgemein intratropische Ordnung.
Berberideen. Etwa 100 Berberitzen bilden einen wichtigen
Strauchbestandteil in Europa, Asien, Nord- und Südamerika.
Elaeagnaceen, Thymelaeaceen. Die erstere kleine boreale,
in Asien bis Australien südwärts verbreitete Ordnung umfasst die
von Schuppen silberglänzenden Strauchgattungen Elaeagnus, She-
pherdia (Nordamerika) und Hippophaë. Die letztere, 400 Arten
zählende ist in der Alten Welt durch Daphne und Thymelaea, in
Südafrika durch Gnidia und Struthiola, in den australischen Scrubs
durch Pimelea hervorragend vertreten.
Proteaceen. Vergl. das oben (S. 201—204) über diese für
die Gebüschformationen Australiens und des Kaplandes ungemein
wichtige, zugleich aber auch waldbildend auftretende Ordnung
Gesagte.
Salicineen. Die Weidenarten, an Zahl etwa 160, mit vielen
Bastarden und Varietäten, hauptsächlich Sträucher neben Bäumen
und arktisch-alpinen kriechenden Halbsträuchern, sind über den
ganzen Erdkreis mit Ausschluss von Malesien und Australien
verbreitet.
Die hier getroffene Auswahl von Strauch- und Halb-
strauchfamilien wäre noch um die niedrig wachsenden
Formen der oben als waldbildend aufgeführten Charakter-
[287]Grasfluren und Staudenformationen.
ordnungen zu ergänzen. Dass auch dann noch viele
Lücken offen gelassen sind, bedarf kaum einer Erwäh-
nung. Nur die schon in den Hauptbeständen herrschende
Mannigfaltigkeit systematisch zu erörtern, und diese an
Stelle der früheren „Formen“ im physiognomisch-schil-
dernden Sinne zu setzen, war hier die Absicht.
Die Grasflur- und Staudenformationen.
Nach Besprechung der von Holzgewächsen gebilde-
ten Vegetationsgenossenschaften bleiben noch die von
ausdauernden krautartigen Pflanzenformen gebildeten für
die Betrachtung übrig. Einjährige Kräuter bilden nir-
gends, soweit bisher genauere Vegetationsaufnahmen be-
kannt geworden sind, zussammenhängend-geschlossene
Vegetationsdecken und treten daher nur als Nebenbestände
auf. Wohl aber sind dann ausserdem die von niederen
Sporenpflanzen gebildeten Formationen in ihrer land-
schaftlichen Wirkung und in ihrem ganz anderen bio-
logischen Verhalten von denen der herrschenden Blüten-
pflanzen zu trennen.
Die ausdauernden Kräuter, welche die botanische
Zeichensprache mit dem einheitlichen 4 zusammenfasst,
sind in ihrem biologischen Verhalten unstreitig sehr viel
mannigfaltiger organisiert, als die Halbsträucher (♄), Sträu-
cher (♄̅) und Bäume (♄̿) zusammengenommen. Auf einige
solcher für das Landschaftsbild wichtigen Züge ist noch
in Ergänzung des oben (S. 66) Gesagten hinzuweisen.
Sie betreffen zuerst die Langlebigkeit der beblätterten
Sprosse über der Erde, wo sie allein einen Eindruck in
den Formationen machen können. Vom immergrünen
Zustande bis zur vergänglichen Vegetation für wenige
Wochen sind hier alle Uebergänge. Wir sehen die Wie-
sen in ihrem Hauptbestande mit fahl gewordenem Grün
in den Winter eingehen, und bald nach der Schneeschmelze
ein neues grünes Frühlingsgewand anlegen; aber die
jungen Blätter kommen nicht unangemeldet aus der Erde,
sondern ihre Plätze sind durch die stehenbleibenden Bü-
schel äusserlich genau vorgezeichnet. Die Herbstzeitlose
dagegen erscheint bei uns überraschend und verschwindet
[288]Einteilung der Krautgewächs-Bestände.
ebenso, um im Frühling mit den in Blätterschöpfe ein-
gehüllten Kapseln neu wiederzukehren und im Hochsom-
mer wieder unsichtbar zu werden. Die Narcissen, die
Crocus, die Scillen, sie alle sind früh im Jahre mit Blüten
da; die Blätter bleiben noch bis zum Sommerbeginn
stehen, aber die ganzen Pflanzen verschwinden alsdann
unter Rasen oder Humusdecke und dauern als Zwiebeln
vom Hochsommer bis zum Winter aus. Solche Gewächse
würden nicht beständige Formationen bilden können; nur
die Schutzleistung anderer sichert ihnen ihre Plätze.
Hier ist nun keine Pflanzenordnung wirksamer, als die
Gräser und nach diesen die Riedgräser, sofern sie in dich-
ter Verzweigung ihres Wurzelstockes Rasen bilden kön-
nen; keine ausdauernden krautartigen Pflanzen bedecken
daher auch so weite Landstrecken mit geselligem Wuchs,
als diese, und dringen so einflussreich mit hartem Gesträuch
vereint in die Steppen ein. So hebt man die von Gra-
mineen, untermischt mit Cyperaceen und Juncaceen ge-
bildeten Bestände als Grasfluren von den aus geselligen
Stauden anderer Familien gebildeten heraus. Diese letz-
teren bieten noch zwei hauptsächlich verschieden aus-
sehende Abteilungen nach der Höhe ihres Wuchses: den
Grasfluren am ähnlichsten verhalten sich die Matten,
welche gleichfalls aus dichtem verfilzten Rasen niedriger,
aus kurzem oder kriechendem Wurzelstock mit breiteren,
oberirdisch ausdauernden Rosetten von Laubblättern sich
erhebender Pflanzen in einer grossen Anzahl dikotyler
Ordnungen bestehen und vielfältig entweder Grasrasen
oder Halbsträucher (wie die Heide) oder beides in sich
aufnehmen. Die echten „Stauden-“, deutlicher gesagt
die Hochstaudenformationen, bestehen aus ansehn-
lichen Gewächsen von schlankem Wuchs mit zerstreuten
Blättern am schnell zu Beginn der Vegetationszeit in die
Höhe schiessenden Stengel, welche aber zur Ruhezeit
wenig bemerkbar zu sein pflegen; die Fingerhut- und
Weidenröschenformation (Digitalis purpurea, Epilobium
angustifolium) im westdeutschen Bergland mag als Bei-
spiel für dieses Aussehen dienen, oder monokotyle Pflan-
zen vom Wuchs des Veratrum und Lilium bulbiferum.
[289]Die Grasfluren.
Sie können sich sehr wohl mit einzelnen Gräsern verge-
sellschaften, aber diese erweisen sich dann in der Regel
als andere Arten, wie die den Wiesenrasen bildenden.
Zahlreiche Uebergänge verbinden die genannten Gruppen,
und sehr häufig treten Arten der Hochstauden als reich-
liche Beimischungen in die Grasfluren ein, wie beispiels-
weise in Deutschland die hohen Doldengewächse (He-
racleum, Angelica) in die fruchtbaren Thalwiesen.
Wie man sieht, ist kein prinzipieller Unterschied im bio-
logischen Verhalten zwischen Gräsern und den oberirdisch mit
Resten von Blättern und zwischen ihnen eingeschlossenen Trieb-
knospen überwinternden Stauden. Da aber die Gräser und die
ihnen nahestehenden Cyperaceen einen sehr ausgeprägt-eigenartigen
Habitus haben, so wird der Unterschied im Landschaftsbilde stärker.
So wie sich Stauden von niederem und hohem Wuchs in die
Grasrasen eindrängen, so fehlen auch die Gräser nicht zwischen
den Staudenbeständen, und sehr häufig ist eine so innige Mischung
beider, dass die Entscheidung schwer fällt, welche Bestandesabtei-
lung überwiegt. — Die in Neumayers Anleitung (Bd. II, S. 174)
gemachte Einteilung der Staudenformationen nach ihren Bei-
mischungen von Halbsträuchern, Gräsern und Moosen, oder als Flech-
tengemische, erscheint mir bei weiterer Prüfung nicht sehr glück-
lich gewählt zu sein, weil Beimischungen zwar stets den Charakter
der Bestände verändern, aber nur dann als deren Merkmal gelten
dürfen, wenn verschiedene Lebensbedingungen des Hauptbestandes
auch die Ursache verschiedenartiger Beimengungen sind. Da nun
z. B. die Alpenmatten alle drei Beimengungen in sich vereinigen,
so scheint die gemachte Einteilung nicht zuzutreffen. Dagegen
zeigt die Bodenbedeckung von filzig sich zu einer festen Decke
von niederem Wuchse verwebenden Stauden und üppig wie Busch-
werk in die Höhe schiessenden Hochstauden tiefere Verschieden-
heiten. Kerner nennt die erstere Abteilung „Filzpflanzen“, ein
Gefilz; die zweite entspricht dem Vulgärbegriff der Stauden, wor-
unter der Deutsche hoch emporschiessende Triebe zu verstehen
pflegt und sogar Sträucher („Haselstaude“) fälschlich ab und zu
so benennt; diese bilden ein „Gestäude“.
Grasflur-Formationen. Für die überwiegend
aus geselligen Gräsern und in bestimmten Abteilungen
aus geselligen Riedgräsern (Cyperaceen) gebildeten Be-
stände, zu welchen ausser allen möglichen Stauden noch
Halbsträucher und Sträucher, ja sogar lichte Bäume als
charakteristische Nebenbestandteile treten können, mag
folgendes Einteilungsschema die Hauptabteilungen aus-
einanderhalten.
Drude, Pflanzengeographie. 19
[290]Einteilung der Grasflurformationen.
- A. Winterruhe, während der warmen Jahreszeit ständig
frisch-grün; als Nebenbestandteile Stauden und
Halbsträucher, Moose; Bäume fehlen. Grasrasen
geschlossen.- a. Vorwiegend Gramineen, süsse Gräser, mit
kurzem Rasen: Wiesen. - b. Vorwiegend Cyperaceen, Riedgräser und saure
Gräser, mit kurzem Rasen den torfig-moori-
gen Boden bedeckend: Grasmoore, Wie-
senmoore.
- a. Vorwiegend Gramineen, süsse Gräser, mit
- B. Winterruhe, in der heissen Jahreszeit in dürren
Zustand übergehend; als Nebenbestandteile hoch-
wüchsige, vielfältig wollige oder aromatische Stau-
den, Knollen- und Zwiebelgewächse, trockene
Sträucher; Rasen locker: Grassteppen. - C. Ruhe in der trockenen Jahreszeit, nach derselben
rasch zu üppigem Wuchs in hohen Gräserbüscheln
sich entfaltend; als Nebenbestandteile bestimmte
gegen Trockenperiode geschützte Bäume mit gleich-
artig organisierter Epiphytenvegetation: Savanen.
Die Ordnung der Gräser ist mit mehr als 300 Gattungen
und wenigstens 3500, von einigen Autoren noch viel zahlreicher
geschätzten Arten nicht nur eine der grössesten des Pflanzenreichs,
sondern sie ist auch kosmopolitisch im ganzen Bereich der Blüten-
pflanzenvegetation der Erde verbreitet, geht in die Steppen wie
in die Moore, in die feuchten Tropen wie in die Hochgebirge bis
zur Schneeregion, vom höchsten Norden bis zu den antarktischen
Inseln.
Wie die ganze Ordnung, so sind auch deren hauptsächliche
Untergruppen nicht auf enge Gebiete beschränkt. Die Bambuseen
zeichnen die Tropen aus und nehmen auch darin an den Charak-
teren anderer, mehr beschränkter Pflanzengruppen teil, dass von
ihren 23 Gattungen nur 2 zugleich alt- und neuweltlich sind; aber
sie sind wichtiger Bestandteil der Tropenwaldungen, oder sie bilden
— wie in den Anden — geschlossene Strauchformationen („Cari-
zales“). Die übrigen Tribus sind gleichmäßiger verteilt und werfen
nur bald auf die kälteren, bald auf die wärmeren Klimate die
Hauptmenge ihrer Arten; so die Tribus von Festuca, Avena und
Hordeum auf die nördlich-gemäßigte Zone, die von Panicum und
Andropogon auf die Tropen und Subtropen; ähnlich auch die
kleinere nach Oryza, dem Reis, benannte Tribus mit fast nur tro-
pischen und subtropischen Arten, deren Areal dann aber doch
Leersia in der nördlich gemäßigten Zone der Alten Welt und
[291]Verbreitung und Biologie der Gräser.
Zizania aquatica, die Tuscarora-Reispflanze im nordamerikanischen
Seengebiet und im nordöstlichen Asien, boreal sehr ausdehnen. In
der neuesten Bearbeitung der Gräser gibt Hackel an, dass keine
einzige Tribus auf nur eine Hemisphäre, und keine einzige
artenreiche Gattung auf nur ein Florenreich beschränkt sei. —
Eine solche Ordnung muss eine grosse Menge biologischer An-
passungen an die verschiedenartigen Klimate und Standortsver-
hältnisse ihres Areals zeigen; man möge dabei bedenken, dass
ausser den von Gräsern allein oder hauptsächlich gebildeten Be-
ständen noch Formationsgenossen in die Bestände der fliessenden
und stehenden Gewässer, in die Wälder, Steppen etc. geliefert
werden. Die inneren Organisationsverschiedenheiten hat Güntz
vor kurzem mit Rücksicht auf die Grasflurbestände der verschiede-
nen Klimate untersucht (G. J., XIII, 312) und hat dabei ausser
der Bambusengruppe die Wiesen-, Steppen- und Savanengräser
als natürlich begründet gefunden, freilich nicht ganz adäquat der
geographischen Formationslehre, welche die Steppengräser nicht
im arktischen Gebiet und die Wiesengräser nicht im Sudan als
vorhanden betrachtet. Hierüber werden ausführlichere Untersuch-
ungen der aussereuropäischen Formationen belehren. Güntz stellte
als Verbreitungsländer der Wiesengräser das arktische Florengebiet,
das Waldgebiet des nordischen Florenreichs, das kalifornische
Küstengebiet, reine Marschen Australiens und Anteile der Pampas,
Prairien und Tropen auf; als Verbreitungsländer der Steppengräser
die asiatischen Steppen, Teile des Mediterrangebiets, die Sahara,
Kalahari, die Prairien, Pampas und andinen Plateaus, grosse
Strecken Australiens, und endlich einzelne trockene Gegenden auch
von Mitteleuropa und der arktischen Flora. Die Form der Sa-
vanengräser aber hält sich ihm zufolge fast ganz in den Grenzen
der Tropen.
Die Unterscheidung zwischen eigentlichen (süssen)
Wiesen und Gras- oder Wiesenmooren (Grünmooren),
welche bei Zunahme des Wassers zu den Sumpfforma-
tionen überleiten und sich mit den Moosmooren derartig
ergänzen, dass sie letzteren oft als Unterlage dienen und
sie umsäumen, liegt in der eigentümlichen Rückwirkung
des von den Grasmooren gebildeten torfigen Substrats auf
die fernere Besiedelung begründet. Wie nur wenige
Gräser gleichzeitig in der Wiese und im Moor stand-
halten, so zieht sich überhaupt diese Ordnung vor nassem
Torf zurück und überlässt hier den Cyperaceen und Jun-
caceen das Feld, in welchen beiden Ordnungen aber die-
selben rasenbildenden Eigenschaften entwickelt sind.
Die Cyperaceen zählen zwischen 60 und 70 Gattungen mit
circa 3000 Arten, gehören also ebenfalls zu den bedeutendsten der
[292]Die Cyperaceen und Juncaceen.
Vegetation der Erde. 6 Gattungen zählen hundert oder mehrere
Hunderte von Arten: Cyperus (700), dessen Mehrzahl an Arten in
den tropischen Gebieten enthalten ist und nicht an Sumpf- und
Torfgrund gebunden zu sein scheint; Fimbristylis (300) hauptsäch-
lich in den Tropen und Subtropen, Scirpus (300) vom hohen Nor-
den bis zu den australen Gebieten, Rhynchospora (200) in den
Tropen und gemäßigten Klimaten, Scleria (100) in den Tropen und
Subtropen, endlich die bekannteste und für die kalten und ge-
mäßigten Klimate ungleich wichtigste Gattung Carex (800), von
welcher nur wenige Arten in die Tropen sich hineinerstrecken.
Noch einige andere Gattungen sind durch Geselligkeit einzelner
weniger Arten charakteristisch für einzelne Formationen, so Erio-
phorum im nordischen Florenreich („Wollgras“), und Kobresia im
centralen Hochasien, wie überhaupt die Cyperaceen mehr als die
Gräser zum Ueberwiegenlassen einzelner geselliger Arten neigen.
Die Juncaceen bilden eine viel kleinere Ordnung. Buche-
nau hat darüber wertvolle monographische Arbeiten geliefert,
nach welchen auch ihre Verbreitung in Berghaus’ physik. Atlas
Bl. Nr. 45 kartographiert wurde. Eine grosse Gattung Juncus
(165 Arten), eine mittelgrosse Luzula (51 Arten) und 5 kleine, die
letzteren sämtlich entweder im westlichen Südamerika von Peru bis
Südgeorgien, oder auf Neuseeland und den anliegenden antarktischen
Inseln, 1 Monotyp (Prionium) am Kap stellen den ganzen, von
Buchenau in Englers botan. Jahrb. I, S. 118 tabellarisch in geo-
graphische Uebersicht gebrachten Artenreichtum vor. Danach sind
die Arten von Juncus und Luzula, Binse und Hainsimse, haupt-
sächlich teils arktisch-boreal, teils im Kapland zu Hause, andere
wieder in Kalifornien, auch im Mediterranflorenreich, und einzelne
in allen möglichen anderen Gebieten endemisch, so dass hier eine
wirklich ubiquitäre systematische Vegetationsform vorliegt. In-
teressant sind auch hier wieder die verbindenden Gruppen vom
Kaplande durch Centralafrika nach Abessinien, dem steinigen
Arabien und dem Sinai.
Es ist durch genauere Untersuchungen in Mittel-
europa bekannt geworden, wie verschiedene auf das Wasser
angewiesene Formationen mit dessen Schwinden nach ein-
ander auftreten, um dann endlich einer zusammenhängen-
den Rasendecke (oder aber einem Moosmoor) Platz zu
machen. Vielleicht ist das am besten zu solchen Studien
geeignete europäische Gebiet Ungarn. Kerner schildert
in seinem „Pflanzenleben der Donauländer“ die Trocken-
legung der Teiche, welche zuerst am Rande eine mächtige
Schilfvegetation besitzen, mit diesen schwimmende Inseln
auf torfiger Unterlage bilden, den offenen Wasserspiegel
beengen und endlich in ein „Röhricht“ verwandeln. Nun
[293]Wechsel der Grasformationen.
siedelt sich aber ein riesige Polster bildendes Riedgras
an, die Carex stricta (vergl. die Abbildung in den Ver-
handlungen des zoologisch-botanischen Vereins zu Wien
1858, S. 315, Taf. 7), welches nach dem Verdrängen
des Schilfes oft zu Tausenden dichter Büschel, von 2
bis 3 Fuss unter dem Wasser säulenartig aufragender
Rasenhöhe beisammenstehend, aus seinen abgestorbe-
nen Blättern und Stengeln Torf bildet, während die
Spitze über dem Wasser fortgrünt und einen Schopf
grüner, starr und steif nach allen Richtungen ausein-
anderstehender Blätter und aufragende Halme trägt. Von
weitem gesehen erscheint diese ungarische „Zsombek-
formation“ wie eine üppige Wiese, weil der die Rasen
umflutende Wasserspiegel vom Blattwerk verhüllt wird;
aber noch sind die Rasen isoliert, Tümpel breiten sich
zwischen ihnen aus, die durch ein förmliches Wassernetz
miteinander verbunden werden. Es ist jetzt ein eigen-
artiger, zwischen Sumpf und Grasmoor die Mitte halten-
der Bestand; auf dem Scheitel der Riedgrasrasen siedeln
sich buntblumige Pflanzen als Gesellschafter an, selbst
Disteln und Orchideen, während im Wasser noch Teich-
rosen schwimmen. „Aber auch die Zsombekformation hat
für die Länge keinen Bestand, und indem sich durch
die Wasserpflanzen, welche zwischen den einzelnen Rasen
fort und fort wachsen, immer neue torfige Substanz
bildet, werden endlich die Zwischenräume hiermit aus-
gefüllt, überkleiden sich mit Gräsern, Stendeln und an-
deren Wiesenpflanzen, und aus dem mit Riedgrasrasen
bewachsenen Sumpfe ist jetzt ein mit ununterbrochener
Vegetationsdecke überkleidetes Wiesenland geworden.“
Auf die Faktoren, welche bei diesem Vegetations-
wechsel in Mitwirkung kommen, um den Prozess zu be-
schleunigen, zu verlangsamen, oder ihm zumal nach der
herrschenden Windrichtung einen chorologisch bestimm-
ten Anfang und ein bestimmtes Ende zu geben, hat
jüngst in einer sehr bemerkenswerten Studie über die
baltischen Moore Klinge aufmerksam gemacht (Englers
bot. Jahrb. XI, S. 264).
Es ist eine Eigentümlichkeit der Wiesenmoore, wie
[294]Charakter der Grassteppen.
allerdings überhaupt der Moorbestände und Sümpfe, ihre
Vegetationsperiode sehr spät nach dem Einzuge des Früh-
lings beginnen zu lassen. In dieser Beziehung bilden
sie den schärfsten Gegensatz zu den Grassteppen, welche
am frühesten, früher und rascher vorübergehend als die
normalen Wiesen, zu treiben beginnen und die Neben-
bestandteile ihrer bunten Blumen entwickeln, wie sie ja
überhaupt als trockene Formationen die feuchte Früh-
lingszeit ausnutzen müssen. Ihre Gegenwart in einem
Lande hängt daher von der dortigen Verteilung der Nie-
derschläge ab, welche nach dem Fortschaffen des stän-
digen, fliessenden oder stehenden Wassers infolge von
Ausfüllung allein den Grasrasen netzen und grün er-
halten; im trockenen Klima geht also ein Wiesenmoor
allmählich in eine Grassteppe über, während es im feuchten
Klima sich entweder dauernd erhält oder mit Moosmoo-
ren wechselt. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet,
kann die südrussische schwarze Steppenrasenerde aus
Moor- und Wiesenmoor-Formationen sich ableiten 1). Aehn-
lich denkt sich Brendel die Entstehung der nordameri-
kanischen Prairieen (siehe G. J. X. 176).
Die Grassteppen stehen dem Namen und Wesen
nach den später zu besprechenden Steppenformationen
nahe, aber auch nicht mehr. Sie unterscheiden sich von
den Wiesen durch die lockere und nach Einzelbüscheln
vielfach getrennte Rasenbildung, zwischen welchen anstatt
der saftigen Wiesenhochstauden nunmehr aromatische,
Dürre ertragende, zuweilen stachelige und wollige Stau-
den aus der rasenbildenden oder hochstengelbildenden
Grundform wachsen, oder rascher vergängliche Frühlings-
blüher und Zwiebelgewächse. Aber die Grasflur herrscht
als weitaus überwiegende, und im Aeusseren einer trocke-
neren Wiese deshalb gleichende Bestandesform vor und
gibt den Grundton zu dem Bilde, dessen Ausschmückung
neben den Stauden auch viele annuelle Gewächse über-
nehmen. Die volle Lebensthätigkeit der Grassteppen ist
[295]Federgras-, Goldbart-, Alang-Formation.
auf den kürzeren Zeitraum vom Frühlingserwachen bis
gegen den heissen Hochsommer hin beschränkt, und wie
im Sommer die Dürre, so bewirkt im Winter extreme
Temperaturerniedrigung völligen Vegetationsstillstand.
Um mit den Beispielen für solche Grassteppen in dem-
selben Gebiete, wie vorhin, zu bleiben, sei an die „Feder-
gras- und Goldbartfluren“ der von Kerner so schön ge-
gliederten pontischen Vegetationsformationen erinnert.
Die Federgrasflur wird von Stipa (Thyrsa) gebildet, einer
etwa 100 Arten zählenden und überhaupt für die Steppenfluren
charakteristischen, subtropisch-temperiert klimatisierten Gräser-
gattung. (So wird auch die nordafrikanische Halfa- oder Esparto-
grasformation in Spanien und Algerien von Stipa, Sektion Macro-
chloa, gebildet.) Die lang wehenden Grannen erinnern an Reiher-
federn und sind in Ungarn unter der Bezeichnung Arvaléanyhaj
mit Liedern und Märchen verwoben. Zahlreiche Leguminosen und
Compositen, Iris, Allium und andere Zwiebelgewächse schalten sich
in die Lücken auf dem sandigen Erdreich ein. Auf lehmigem
Boden wird das Federgras durch Stipa capillata mit einem ander-
weiten Tross von Nebenbestandteilen ersetzt. Die Goldbartflur,
von Pollinia Gryllus gebildet, hat das Ansehen einer hochgrasigen
Wiese; der Boden ist mit grossen Polstern, deren goldig schim-
mernde Rispen sich auf meterhohen Halmen wiegen, dicht bestockt,
und Labiaten, Compositen und Leguminosen schliessen sich in die
hier festgeschlossene Pflanzendecke ein. — Vergl. Kerner in Oester-
reich Ungarns Pflanzenwelt, S. 210.
Uebergänge in den einzelnen Abteilungen der Vege-
tationsformationen erscheinen so häufig und vielseitig, sie
sind ausserdem so selbstverständlich, dass man kaum dar-
nach zu fragen braucht. Es ist also auch meistens eine
Sache der Konvenienz, ob man den einen oder anderen
aus bestimmten Arten und Wuchsformen gebildeten Be-
stand zu dieser oder jener Abteilung rechnen will. Doch
scheint es wichtig, darauf hinzuweisen, dass unter den
Tropen auch Grassteppen, die sich nur durch vorwiegend
andere Arten und vielleicht durch höheren Wuchs von
den eben besprochenen unterscheiden, weite Fluren be-
decken, welche man nicht ohne weiteres als Savanen
betrachten kann. Als solche im indischen Florenreich
weit verbreitete tropische Grassteppe gilt mir auch die
Alanggrasflur von Imperata cylindrica, zugleich einheimisch
in Afrika und dem Mediterrangebiet, „welches 3—5 Fuss
[296]Uebergang von Grassteppen zu Savanen.
hoch Halm an Halm wie auf einem Getreidefelde ent-
wickelt“ (Griseb. V. d. E. II, S. 36).
In Neumayers Anleitung zu wiss. Beob. auf Reisen, Bd. II,
S. 175, sind allerdings gerade die Alangfluren unter die Savanen
gesetzt; allein ich glaube dies dennoch umändern zu sollen, da
ich ausser dem veränderten Klima, unter welchem sie stehen, im
Formationsbestande keinen Unterschied gegenüber den Grassteppen
finde. Das Klima bedingt wohl die Formationsabteilungen, macht
aber ihre Merkmale nicht aus. Die Schwierigkeit, in solchen
Fragen zu entscheiden, ist allerdings vom grünen Tische aus recht
gross, und hier wie in so vielen anderen Stücken bedarf es einer
mit Sachkenntnis durch Vergleich etwa der tropisch-afrikanischen
Savanen mit diesen ausgeführten Entscheidung auf eigenen Augen-
schein hin. — Es scheinen auch Uebergänge zu tropischen Savanen
in der Alangformation selbst vorzukommen, da von den Sunda-
inseln Bestände angegeben werden, in denen ausser dieser Imperata
und einem gleich hohen Andropogon grosse Gruppen des Glagah-
grases: Saccharum spontaneum, von 3—4 m Höhe, und ähnliche,
wie Antisthiria arundinacea, Rottboellia exaltata, riesige Büschel
bilden, auch kleine Myrtaceen in die Gesellschaft eintreten.
Denn nicht nur die Höhe der Gräser, sondern die
Untermischung mit tropischen Vegetationsbestandteilen
der regengrünen oder wenigstens gegen längere Trocknis
geschützten Holzgewächse nebst Epiphyten, kraut- und
holzartigen Schlingpflanzen bildet das eigentliche Merkmal
gut ausgeprägter Savanen. So ist ihre Charakteristik
beispielsweise für Afrika bei Grisebach (V. d. E. II,
109—111). Eine typische Schilderung entwirft Schom-
burgk von ihnen in seinen „Botanical Reminiscences“
aus Britisch-Guyana (1876). Die dortige Savanaregion
ist wohl bewässert, aber die kleineren Bäche sind mei-
stens wasserlos in der trockenen Jahreszeit; wo das Wasser
ausdauert, zeigt sich zugleich der reiche Tropenwald,
Gruppen von Palmen (Mauritia), Farnen, Scitamineen etc.,
welche auch sonst auf feuchterem Grunde kleine Oasen
bilden. Die Regenzeit währt hier von April bis Anfang
August; aber dann wird die für Aufrechterhaltung der
Vegetation nötige Feuchtigkeit noch für Monate durch
starke Thaubildung geliefert, so stark, dass am Morgen
die Pflanzen benetzt sind, als wäre Regen gefallen. Die
Rasen werden hier von Cyperaceen (Cyperus, Isolepis,
Hypolytrum), von Gräsern der Tribus Chlorideen und
[297]Die Savane von Guyana.
Festuceen gebildet, und zwischen ihnen sind zahlreiche
stachligen Kräuter und Holzpflanzen zerstreut, niedrige
Bäume zumal auf den Höhen: Curatella americana, und
mit silberglänzenden Blättern Byrsonima verbascifolia;
zahlreich sind die Myrtaceen, Leguminosen, Rubiaceen,
Menispermeen, Apocyneen und Convolvulaceen, und viele
von ihnen, z. B. Phaseolus, klimmen hoch empor an den
vergilbten Halmen des vorigen Jahres, die noch aus dem
grünen Teppich herausragen. Die Proteacee Roupala
bildet oft eigene Gruppen von merkwürdigem Ansehen.
Zu Beginn der Regenzeit erscheint die Savane so üppig
grün wie irgend ein nordisches Land; zugleich mit dem
Treiben der Gräser und Cyperaceen öffnen sich grosse
Blumen von starkem Duft, oder überschütten sich die
Curatellen, Myrtaceen, Malpighiaceen mit einer Masse
kleiner Blüten. In der Mitte des Oktober ändert sich
das Bild, welches bisher im üppigen Grün beharrte; die
Gräser und Blütenstengel werden bleich und die Savane
„mag mit einem reifen, aber sehr dünn gesätem Korn-
feld verglichen werden, und behält während der trockenen
Jahreszeit ihre bleichgelbe melancholische Färbung“.
Wie dies ausführlicher angeführte Beispiel lehrt, ist
also besonders auf die Nebenbestandteile zu achten, um
die Grasformationen in ein bestimmtes System zu bringen:
die Baumlosigkeit ist von jeher als ein richtiger Charakter
der Steppen und Grassteppen hingestellt (vergl. Kerner
a. a. O.), die Beimischung tropischer Holzgewächse mit
Kletterern und Epiphyten zeichnet die Savanen, eine
solche von winterharten saftigen Stauden die sommer-
grünen Wiesen und Wiesenmoore aus, ohne dass jedoch
durch diese Teilung die Mannigfaltigkeit der Natur er-
schöpfend angedeutet wäre.
Mischung der Grasfluren mit Wald und Hoch-
stauden. Nicht überall sind die Formationen so scharf
gesondert, dass auch nur kleinere Stücke einer Land-
schaft sich in sie zerlegen liessen; gewisse Gebiete, und
in geringerem Grade von allen gewisse Areale, zeichnen
sich dadurch aus, dass sie wie ein Gemisch mehrerer
Formationen erscheinen, ohne dass aber aus diesem
[298]Mischung von Wald- und Grasland.
Grunde die Einzelformationen ihr Recht verlören. Sie
durchdringen sich vielmehr gegenseitig so innig, dass
geringe Unterschiede in der Bewässerung genügen, um
hier diese, dort jene Formation hervorzurufen. Dies mag
hier in Anknüpfung an die Grasfluren kurz berührt wer-
den, da dieselben in einem derartigen gemischten Land-
schaftsbilde selten fehlen.
Waldland und Grasland stehen zunächst im dauern-
den Kampfe miteinander, sogar in der Savane. Denn
die Savane hat in sich einzelne Holzgewächse der Tropen-
formationen aufgenommen, aber ebendieselben bilden
keinen tropischen Regenwald. Wo ein dauernder Wasser-
fluss die Savane durchzieht, entscheidet dieser Umstand
gewöhnlich zu Gunsten des Tropenwaldes, der, eng an
den Bereich der Feuchtigkeit gebunden, nunmehr als
„Galeriewald“ mit Palmen, dickblätterigen Laubbäumen etc.
schon von weitem den Flusslauf in seiner ganzen Aus-
dehnung verrät, wie dies aus dem tropischen Afrika
zur Genüge bekannt geworden ist, übrigens in den an-
deren Erdteilen geradeso stattfindet. Die ganze Landschaft
aber erhält dann, wenn zahlreiche dauernde Wasser-
stellen in ein grosses Savanengebiet eingestreut sind, ein
sehr verändertes Gepräge: sie mischt zwei verschiedene
Formationsbilder ineinander.
Oft bewirkt der menschliche Eingriff eine Verände-
rung der von der Natur aufgebauten Formationsgrenzen,
und zwar immer zu Ungunsten der Waldlandschaften,
wo es rücksichtslos und nicht mit planmäßiger Ueber-
legung zum Schutze der Bäume geschah. Alsdann brei-
ten sich vielfältig in den Savanenländern die Grasbestände
über Baumland aus, und zumal regelmäßige Brände,
welche den Baumnachwuchs töten, aber den abgedorrten
Gräsern und ihren Begleitern nicht schaden, halten die
einmal eingeleitete Verschiebung fest. Solche Grasland-
schaften verdanken aber ihre Existenz nicht dem regen-
armen Klima oder dem sterilen Boden, und würden da-
her allmählich dem Walde wieder Platz machen, wenn
die Natur sich selbst überlassen bliebe. Für viele weite
Ländergebiete ist daher schon die Frage nach der natür-
[299]Campine, Prairie, Parklandschaft.
lichen Ursprünglichkeit der Grasbedeckung aufgeworfen,
zumal für jene Uebergangsgebiete zwischen Wald- und
Grasland, welche in dem noch zahlreich vorhandenen
Baumbestande die Möglichkeit eines reicheren Holznach-
wuchses zu enthalten scheinen. „Campine“ nennt Pechuël-
Lösche eine solche Mischlandschaft im tropischen Afrika,
„Prairie“ nennt sie Sargent in der nordamerikanischen
Union, soweit noch 10—20 % der Bodenfläche von Bäu-
men, das übrige aber von Grassteppe bedeckt wird.
In seinen Vegetationsschilderungen vom Congo (Ausland 1886)
fasst Pechuël-Lösche die Savane als ein verarmtes Waldland, als
Uebergangsglied zur Steppe auf; „die Grasfluren derselben, welche
gewöhnlich eine derartig geringe Ausdehnung besitzen, dass der
umherschweifende Blick allenthalben durch Waldbestände einge-
schränkt wird, sind am besten mit dem im Unterguinea üblichen
Namen Campinen zu benennen.“
Ein anderes, von der Natur selbst gebautes und in
seiner Ursprünglichkeit höchst anziehendes Bild gewähren
die im nordischen Florenreich zumal an beiden Seiten
des Stillen Ozeans entwickelten „Parklandschaften“, die
besonders vom Amur und von Kamtschatka berühmt sind.
Waldgruppen wechseln mit Wiesenflächen rasch und
mannigfaltig; die Hochstauden nehmen wiederum weite
Plätze für sich ein und treten mit den Gräsern gemischt
so üppig und übermächtig auf, dass man eher nach ihnen
als nach jenen die Formation bezeichnen möchte. So
die herrlichen Doldenlandschaften am Kamtschatka, welche
Kittlitz bildlich dargestellt hat, in denen baumartige
Heracleum-Arten eine Wiesenfläche überschatten; und an
anderen Orten drängen sich kleinere, aber immer noch
meterhohe Stauden zu dichten Gruppen an den Wald,
an den Fluss mit seinen Wiesen heran.
Die Hochstauden. Dadurch werden wir nochmals
auf diese interessante Vegetationsform hingelenkt, welche
allerdings nur selten grosse Flächen für sich allein be-
setzt, immerhin aber doch durch ihr Artgemisch sehr
auffällig ist und das, was sie nicht für sich allein vermag,
durch Eindringen in und Zusammenleben mit den Wiesen-
und Grassteppen-Rasenbildnern zu stande bringt. Oftmals
sind mit ihnen die einjährigen Kräuter, welche in die
[300]Ordnungen der Hochstauden.
kurzrasigen Matten schwerer einzudringen vermögen, so
verbunden, dass dieselben im Frühjahr zeitiger erschei-
nen, oder dass sie einzelne aus trockenerem Sande gebil-
dete, der Staudenvegetation unzugängliche Stellen des
Bodens wie kleine Steppenoasen besetzt halten. Solche
Bestände sind von Grisebach, Reuter und anderen aus
verschiedenen Gebieten des mediterranen Florenreichs ge-
schildert, in denen die annuellen Kräuter, hauptsächlich
Cruciferen, die Stauden und einige zu ihnen gehörige
oberirdisch verholzende Halbsträucher aus Umbelliferen,
Labiaten, Compositen (Centaureen, Cirsien etc.) und
Sileneen bestanden.
Die hauptsächlichsten Ordnungen dieser Formationsgruppe
sind, soweit sich dies bisher beurteilen lässt, folgende:
Leguminosen. Bei der massenhaften Entwickelung dieser
Ordnung bildet sie auch viele Stauden.
Onagrarien, Lythraceen. Die Weidenröschen Epilobium,
Nachtkerzen Oenotheren, die Gattung Lythrum selbst und viele
andere bilden hochwüchsige und gesellige, schön blühende Arten.
Umbelliferen (Apiaceen). Grosse Ordnung von circa 180
vielfältig ähnlichen Gattungen und 1400 Arten, teils einjährig,
teils ausdauernd und sehr selten verholzend, welche fast alle zu
hoch aufrechtem Wuchs neigen. In den borealen Florenreichen
am stärksten vertreten bilden sie hier ein belebendes Nebenelement
der Wiesen und Triften; in den Subtropen treten sie mit noch
gigantischen Formen in die Steppenformationen ein, oft dicke
Wurzelknollen entwickelnd (Ferula). In den australen Floren-
reichen sind neue Gattungen minder reich entwickelt, neben diesen
aber auch dem Norden und Süden gemeinsame.
Campanulaceen, Lobeliaceen. Jede Ordnung mit circa 540
Arten, die letztere hauptsächlich tropisch.
Compositen (Asteraceen und Lactucaceen). Die grösste
Ordnung des Pflanzenreichs mit weit über 10000 Arten, unter
denen Bäume selten und klein, Gesträuche in den australen und
tropischen Florenreichen häufiger, am häufigsten aber Stauden und
seltener wiederum einjährige Gewächse über die ganze Erde ver-
breitet sind. Einige Gattungen haben eine enorme Ausdehnung
und Artenzahl: Senecio (900), Eupatorium (500), Vernonia (400),
Centaurea (350) sind die wichtigsten. In den amerikanischen und
indischen Tropenwäldern spielen aber auch die Compositen eine
geringfügige Rolle und treten weit hinter den ihnen verwandten
Rubiaceen zurück. Die Tribus bevorzugen kleinere Areale, noch
mehr die Gattungen; fast alle Centaureen sind europäisch-orien-
[301]Wiesen, Matten, Triften.
talisch, ähnlich ist die Verbreitung der Tribus von Inula, Anthemis,
während die von Eupatorium und Helianthus amerikanisch, und
die Mutisieen tropisch-amerikanisch sind.
Asclepiadeen, Apocynaceen. Unter den 1700, bez. 1100
Arten sind viele milchende Hochstauden.
Scrophulariaceen, Acanthaceen, Labiaten (Salviaceen).
Sehr grosse artenreiche Ordnungen, unter deren aus 2000, bez.
1500 und 2700 bestehenden Arten viele Hochstauden hervorgehen.
Die Scrophulariaceen überwiegen in den kühleren Gegenden allein,
in trockenen Subtropen herrschen die Labiaten, in den Tropen die
Acanthaceen. Salvia gehört mit gegen 500 Arten zu den grössten
und weitest verbreiteten Gattungen.
Malvaceen mit 800, Geraniaceen mit 1000 Arten, darunter
viele halbstrauchig im Kaplande.
Cruciferen (Brassicaceen), 190 Gattungen mit 1550 Arten.
Ranunculaceen, 30 Gattungen mit 1350 Arten.
Letztere beide Ordnungen sind hauptsächlich zwei boreal
verbreitete mit zahlreichen Stauden. Die Aconitumformation der
europäischen Bergländer gehört dazu.
Polygonaceen, 30 Gattungen mit 750 Arten.
Sileneen und Alsineen, 1100 Arten überwiegend boreal-
subtropisch.
Wiesen, Matten- und Triftformationen. Es
sind oben den Wiesen die Matten im allgemeinen durch
die in den letzteren vorherrschenden geselligen Stauden
gegenübergestellt. Hierauf ist noch näher einzugehen.
Es gibt nämlich einen allmählichen Uebergang von erste-
ren zu letzteren, derart, dass zunächst noch gesellige
Gräser anderer Gruppen, als sie in der langhalmigen
Wiese mit Hochstauden gemischt auftreten, die Boden-
decke zusammen mit einem bunten Teppich niedriger Rasen-
und Rosettenstauden bilden: diese Gruppe soll als Matten-
formation bezeichnet werden, — während dann in ande-
ren, von Stauden allerlei Wachstumsformen und zutretenden
Halbsträuchern gebildeten Formationen die Gräser nicht
mehr rasenbildend auftreten, sondern nur vereinzelten
Stauden gleichwertig: diese letztere Gruppe mag als
Triftformation unterschieden werden. Beispiele finden
wir im engeren Vaterlande von der Alpenhöhe bis zu dem
mitteldeutschen Hügellande in reicher Fülle. So hat
[302]Beispiele der Matten-
Kerner in seinem, das „Pflanzenleben der Donauländer“
so überaus plastisch und in der Methode lehrreich ent-
wickelnden Werke (1863, S. 228 u. folgd.) die Wiesen
der Alpenländer in eine Reihe von Formationen aufgelöst,
von denen eine grössere Zahl zu den Matten zu rechnen
ist. Eine normale Wiesen- oder Sumpfwiesenformation
ist die der Rasenschmiele (Aira caespitosa) mit Cirsien,
Umbelliferen, Bistorta-Knöterich; eine zweite Wiesenfor-
mation, die typischste von allen, ist die der saftigen
Alpenweiden, gebildet aus Lieschgras, Ruchgras, Gold-
hafer, Zittergras, Agrostis- und Festucaarten, alle lang-
halmig und zum Mähen geeignet, dazwischen die Hoch-
stauden, Crepis, Meum. u. a. A. Dies vorangestellt, wird
man ohne weiteres demgegenüber grosse Unterschiede
in der die Mittagsseite sonnigtrockener Bergabhänge be-
kleidenden Formation der „niederen Segge“ (Carex humilis)
mit Prunella und Globularia und Teucrium montanum,
oder in der „Bergseggenformation“ von Carex montana
mit prächtigen Nelken und Enzianen, dem Bergklee
Trifolium montanum und Orchideen (Ophrys muscifera)
finden, obwohl einzelne langhalmige Gräser hier herden-
weise mit eintreten. Auch die Formation der „rostfar-
bigen Segge“ Carex ferruginea oberhalb der Buchen-
region mit Soldanella alpina, Gentiana acaulis, den Alpen-
Aurikeln und -Anemonen, dazu die Nigritella als Ver-
treterin der Orchideen, dann die noch höher gelegene
Formation von Carex firma mit Dryas, Alsine und Silene
acaulis, alpinen Saxifraga-, Pedicularis-, Ehrenpreis und
Hahnenfussarten, macht einen von langhalmigen Wiesen
durch die Mannigfaltigkeit der eingewebten Stauden stark
verschiedenen vegetativen wie floristischen Eindruck, und
mag wohl viel richtiger und für das deutsche Sprach-
gefühl bezeichnender als „Alpenmatte“, wie als eine
Wiesenformation aufgeführt werden, mit welcher man
den Begriff der Langhalmigkeit und Schnittfähigkeit und
dauernder Berieselung des dicht mit Grasnarbe über-
zogenen Bodens unmittelbar zu verbinden pflegt.
So erscheint es demgemäß, und trotz der Schwierig-
keit in jedem einzelnen Falle eine präzise Grenzbestim-
[303]und der Triftformationen.
mung zwischen Wiesen, Wiesenmooren und Matten zu
finden, richtiger, die dem Thongrund angehörige „Borsten-
grasformation“ von Nardus stricta auf den Höhen der
mitteleuropäischen Gebirge, wo sie mit der gewöhnlichen
Heide abwechselnd stundenlange baumlose Halden über-
kleidet und Stauden wie Potentilla aurea und Geum mon-
tanum, Campanula barbata, Arnica montana, Lycopodium
alpinum, Gräser und Simsen, wie Aira, Luzula albida
und spicata in sich aufnimmt, auch Flechten (Cetrarien)
und Preisselbeeren, den Mattenformationen zuzuzählen,
als sie an die Wiesen anzuschliessen. Es ist also das
Charakteristische dieser Matten, rasenbildende Gräser,
Seggen und Binsen zuzulassen und sie sogar noch bei
ihrer vegetativen Kraft zu tonangebenden Gliedern zu
erheben, in deren Lücken allerdings die Stauden, oder
sogar Moose und Flechten, eine ungleich wichtigere Zu-
gabe bilden als in den Wiesen; denn alle die genannten
Stauden können so dicht zusammenschliessen, dass die
Gräser und Seggen wie von ihnen aufgenommen er-
scheinen, und unterscheiden sich dadurch von den Wiesen.
Ueberwiegt der gemischte Zusammenschluss, so
wird eine neue Staudenmatte fertig, welche in buntem
Wechsel mit eingeschalteten Halbsträuchern, stellenweise
sogar Gesträuchen, die Bezeichnung der Triftformation
führen mag.
Ich habe dieselbe beispielsweise in der Unterscheidung der
Vegetationsformationen im hercynischen Berglande aufgeführt
(Engl. botan. Jahrb. XI, S. 42). Die Muschelkalkhügel von Thü-
ringen und westwärts bieten dafür ausgezeichnete Beispiele. So
findet man stellenweise als häufigste Stauden, aber immer mit-
einander abwechselnd und niemals eine allein auf weite Strecken
vorherrschend, Centaurea Jacea und Scabiosa, Poterium Sanguisorba,
Silene inflata, Anthemis tinctoria, die echten Scabiosen, Thymian,
Kreuzblumen, Erdbeeren, von Gräsern vereinzelt oder herdenweise
ausser dem Schafschwingel in der kleinen Triftform Brachypodium
pinnatum und die Koelerie, ausserdem noch Avena-Arten; einzelne
Rosen und Schlehdorngebüsche besetzen die steinigen Halden.
Wohlriechende Labiaten, überhaupt starkriechende Blätter und
Blüten der verschiedensten Familien, sind hier häufig. — Von
dieser „trockenen Hügeltrift“ ist die Berg- und Alpentrift natürlich
im biologischen Verhalten und somit in der Zusammensetzung weit
verschieden, doch als Triftformation entsprechend.
[304]Moos- und Flechtenformationen.
Die hauptsächlichen Ordnungen, welche ausser Grä-
sern, Seggen, Binsen und Simsen den Teppich der Mat-
ten und Triften zu bilden pflegen, deren allgemeine Be-
teiligung aber ausserhalb der borealen Florenreiche noch
sehr wenig bekannt geworden ist, sind teils in den vor-
hergehenden Beispielen schon deutlich genug hervor-
getreten, teils stimmen sie mit den die Hochstauden
liefernden (siehe S. 300) überein. Als Ergänzung mögen
aber noch die dort nicht genannten Rosaceen, zumal deren
Unterabteilung Dryadinen, als wichtig für boreale Matten-
formationen aufgeführt werden, auch noch die Saxi-
frageen, Gentianeen, Valerianeen, Primulaceen und ein-
zelne Plumbagineen („Grasnelken“); die Sileneen und
Alsineen sind wohl in den Matten und Triften ungleich
häufigere Bestandteile, als in den Wiesen oder als Teil-
nehmer an den Hochstaudenformationen.
Die Moos- und Flechtenformationen.
Den Gefässpflanzen gegenüber verhalten sich die
Zellenpflanzen in ihrem Geselligkeitsanschluss, in ihrer
Vermehrungs- und Verbreitungsweise, in ihrem Verhalten
gegenüber dem Klima und Boden und, wie sich von selbst
versteht, in ihrer physiognomischen Erscheinungsweise
so eigenartig, dass da, wo sie zu besonderen Formationen
zusammenschliessen, ihre Eigenartigkeit in diesen beson-
ders klar hervortritt. Die Moose und Flechten sind im
stande, solche Formationen auf dem festen Erdreich, auf
hartem Gestein und endlich als Besiedelung wasserüber-
strömter Geschiebe und Ablagerungen zu bilden, wobei
die Flechten gegenüber den Moosen die trockeneren Stand-
orte bevorzugen; die Algen herrschen im süssen Wasser
mit mannigfaltigen Blütenpflanzen zusammen, bilden aber
im Ozean die Formationen so gut wie allein; die Pilze
endlich vermögen bei ihrer abweichenden Ernährungs-
weise überhaupt keine eigenen Formationen zu bilden.
Die Moose und Flechten scheuen mit wenigen Aus-
nahmen das fliessende Wasser. Bei der Kleinheit ihres
Wuchses bilden sie im geselligen Zustande die niedersten
Formationen; aber sie verstärken sich durch Aufnahme
[305]Wichtigkeit derselben in kalten Klimaten.
von Blütenpflanzen und Farnen, denen sie häufig erst die
Wohnstätte bereiten. Mit zunehmenden Polhöhen nimmt
ihre Bedeutung für die Vegetation der Erde, zugleich
ihre relative Artenzahl zu, wie folgender Vergleich der
Artenzahlen von Moosen und allen Gefässpflanzen ergibt:
- Flora von Deutschland (ausseralpin): Moose ca. 600, Gefässpfl. 3000.
- „ „ Faröer: „ „ 149, „ 329.
- „ „ Island: „ „ 212, „ 417.
- „ „ Grönland: „ „ 262, „ 386.
- „ „ Spitzbergen: „ „ 180, „ 124.
Unter Moosen sind hier nur die Laubmoose ver-
standen, die Lebermoose fortgelassen; die letzteren sind
von weit geringerer Bedeutung, betragen aber z. B. doch
auch noch an Artenzahl 39 in der spitzbergenschen Flora.
Den Artenzahlen kann man nicht anmerken, in welcher
Weise die Moose in höheren Breiten wichtig für den
physiognomischen Charakter der Landschaft werden; sie
werden es aber dadurch, dass sie nicht, wie in den Wald-
gegenden, in grosser Menge unter dem Schutze der Bäume
den Boden als Formations-Nebenbestandteile überziehen
oder kleine Lücken in grösseren Beständen ausfüllen,
sondern auf sumpfigem oder feuchtem Erdreich, mit
Flechten gemischt auch auf trockenerem und felsigem
Boden, oder endlich in Beständen von ungemischten
Krusten- und blattartigen Flechten auf nacktem Fels
reine und nur mit Nebengliedern versehene Formationen
selbständig bilden, daher besonders die Zone I (S. 83)
auszeichnen. Eine ähnliche Rolle, aber auf kleineren
Räumen und mit Bevorzugung der felsigen Standorte,
spielen alsdann diese beiden Klassen von Zellenpflanzen
in den Hochgebirgen oberhalb der Waldregion.
Mit der erwähnten Kleinheit des organischen Auf-
baues von Moosen und Flechten geht aber eine ebenso
grosse Zähigkeit und langjährige Ausdauer Hand in Hand.
Bei den Flechten hat man sie geradezu vor Augen, aber
wenig Beobachtungen sind über die Langsamkeit der Be-
siedelung von Felsen durch sie angestellt, Beobachtungen,
deren zeitliche Ausdehnung sie überhaupt nur als ge-
legentliche Notizen gegenüber der zu lösenden Aufgabe
Drude, Pflanzengeographie. 20
[306]Alter der Moosrasen.
erscheinen lässt. Besondere Ueberwinterungsorgane fehlen
hier vollständig; der Frostschutz muss in der Zellorgani-
sation selbst gesucht werden. Anders bei den Moosen,
welche aus ihrem Wurzelfilz eine leichte und lebhafte
Erneuerung der grünenden Rasen vollziehen können, doch
aber ebenfalls mit den Flechten die Eigentümlichkeit
teilen; grün in den Winter einzutreten und nach der
Schneeschmelze mit noch unverändertem Rasen dazustehen.
Und vielfältig wachsen auch dieselben zierlich beblätter-
ten Stengel an ihrer Spitze oder in seitlicher Verzwei-
gung direkt weiter; so besonders Sumpfmoose und ihnen
entsprechende Formen mit kriechendem Stengel, deren
hinteres Ende gemäß dem Fortwachsen allmählich ab-
stirbt. Reichhardt hat im Jahre 1860 eine Berechnung
angestellt, welcher zufolge tuffbildende Moose, welche im
Wiener Becken mehrere Fuss, an einigen Stellen fünf
Klafter mächtige Tuffschichten durch Ueberrieselung mit
doppeltkohlensaurem Quellwasser gebildet haben, diese
Mächtigkeit durch Fortwachsen derselben Hauptstengel
im Alter von circa 1500 Jahren erreicht haben werden,
dass sonach diese Moosstengel im Alter von riesigen
Bäumen stehen, ohne jemals ihre Zierlichkeit und Schwäche
abgelegt zu haben.
Die Vermehrung aus dem Wurzelfilz ersetzt bei den
Moosen vielfältig diejenige aus Sporen, da in rauhen
Klimaten die Früchte verhältnismäßig selten, und bei
wenigen Arten sicher, reifen. Auch den unteren Stengel-
gliedern fällt die Erhaltung der Bodenbesetzung zu. „In
einem Klima, wo fast zu jeder Jahreszeit die Feuchtig-
keit hinreichend ist, um das Leben in ihnen zu erhalten,
können diese Teile, wenn sie wie die älteren Wurzeln
mit Nahrungsstoff reichlich versehen sind, lange Zeit in
diesem Zustande verharren, bis die Verhältnisse ihre wei-
tere Entwickelung befördern,“ so sagt Berggren nach
Beobachtungen in Spitzbergen darüber. „Es haben die
Moose überhaupt, und besonders die spitzbergenschen,
welche selten Früchte entwickeln, dieser Kraft der Vege-
tationsorgane zu verdanken, dass sie an Stellen, wo sie
zufällig hingebracht worden sind, erhalten werden. Wie
[307]Zuwachs und Wasserversorgung der Moose.
die Flechten, mit Hilfe der Gonidien verbreitet, weite
Strecken an kalten, windigen, trockenen Stellen in der
Polarzone bedecken, so wurzeln die Moose auf feuchtem
Boden und bekleiden ihn mit einem breiten, vermittelst
des Wurzelfilzes zusammenhängenden Rasen, in welchem
die Samen höherer Pflanzen keimen können. Diese bei-
den Pflanzengruppen nehmen deshalb nicht nur unter den
Kryptogamen, sondern auch von der ganzen Vegetation
den ersten Raum in der höheren Polarzone ein.“
Die Moosstengel, selbst bei denjenigen Arten, welche nor-
malerweise auf dem Boden kriechende Stengel haben, stehen in
den spitzbergenschen Formationen aufrecht und dichtgedrängt,
erheben sich bei ihrem überhaupt langsamen Zuwachs aber nur
wenig über den Boden, oder sie bilden in den Boden eingesenkte
Rasen. Die Torfmoore Spitzbergens haben des langsamen Zu-
wachses der Moose wegen nur eine geringe Tiefe. Ihre unteren
Stengelteile vermodern zugleich sehr langsam. Demzufolge findet
man bisweilen Moospflanzen, die bis 20 Jahrestriebe übereinander
zählen, wie z. B. bei Cinclidium arcticum, wo sie regelmäßige
Bänder darstellen. Auch bei den Seitenästchen zeigt sich die Nei-
gung, aufrecht und dichtgedrängt zu stehen.
Die Wasserversorgung, welche auch im arktischen
Sommer nicht immer ohne jede Schwierigkeit sich er-
halten lässt, ist nach Oltmanns Untersuchungen (G. J.,
XI, 103) an den Laubmoosen viel mehr auf Fortleitung
in kapillaren Räumen zwischen dem Stengel und Blät-
tern, also auf äusserliche Benetzung, angewiesen, als auf
das Aufsaugen durch den Wurzelfilz und Fortleitung im
Innern des Stämmchens. Es hat sich daher auch zwi-
schen toten und lebenden Moospflanzen in der Leitungs-
und Verdunstungsfähigkeit kein grosser Unterschied her-
ausgestellt; lebende und abgestorbene Moosrasen ver-
schluckten und verdunsteten gleichviel Wasser.
Es sei hinzugefügt, dass die Rasen der Sumpfmoose. Sphagnum,
bei 84 % relativer Luftfeuchtigkeit das Fünffache eines freien,
gleiche Oberfläche einnehmenden Wasserraums zur Verdunstung
brachten; daher deren starke Wirkung auf Nebelbildung und Nieder-
schläge über den Mooren!
Dies ist zu wissen notwendig, um die Beschränkung
grosser selbständiger Moosbestände auf die kalten, einer
warmen Trockenperiode entbehrenden Klimate, und die
[308]Einteilung der Moos- und Flechtenformationen.
Standorte, welche grössere Moosgesellschaften im Klima
von Deutschland zeigen, zu verstehen. Die Flechten sind
wohl der Trocknis gegenüber die unempfindlichsten Pflan-
zen, da sie auf dem Felsgestein in Wüsten nicht fehlen;
sie fahren nach gelegentlichen Benetzungen fort zu
wachsen; aber dass eine häufige und regelmäßige Durch-
feuchtung zu ihren günstigen Wachstumsbedingungen
gehört, ersieht man aus der Entfaltung ihres Form- und
Artenreichtums allein im Hochgebirge und in feuchtkalten
oder feuchtgemäßigten Ebenen. In den Tropen be-
schränkt sich ihre Bildung in unbedeutenden Formen
hauptsächlich auf die Borken der Bäume, während ihre
Masse im arktischen Nordamerika hinreicht, das Leben
von Polarfahrern zu fristen und weidende Tiere zu nähren.
Die weitere Einteilung der Moos- und Flechten-
formationen, welche hier mancher gemeinsamer Gesichts-
punkte wegen unter gemeinsame Behandlung gebracht
sind, bestimmt sich erstens nach ihrem Standort auf
reinem, einer Humusschicht entbehrenden Felsen, oder
auf schwarzer, torfiger oder sandiger oder lehmiger Erde,
oder im wasserdurchsickerten Moor, welches sich selbst
auf überrieseltem Geröll aufgebaut oder in Teiche hin-
eingewuchert hat; und zweitens nach ihrer Zusammen-
setzung aus reinen Moosen, reinen Flechten, gemischten
Moosen und Flechten, mit oder ohne Hinzutreten be-
stimmter Gruppen höherer Gefässpflanzen. Indem der
letztere Gesichtspunkt in untergeordnete Bedeutung ge-
bracht wird, gliedern sich die Bestände zunächst in Fels-
formationen (Moos- und Flechtenfelsüberzüge), terrestrische
Formationen (Mooswiesen, Moos- und Flechtentundra),
und in Sumpfformationen (Moosmoore, Torfmoossümpfe,
schwappende Tundren).
Unter den Felsüberzügen der Zellenpflanzen spielen
die Steinflechten die wichtigste Rolle. Wie man an den
Blöcken der mitteldeutschen Bergländer mit Trümmer-
gestein von Graniten, Gneisen etc. wahrnehmen kann,
überzieht eine anspruchslose Decke (ein „Gekruste“ im
Kernerschen Ausdruck) von Flechtenschorf oft mächtige
Felsstücke; zwischen ihnen siedeln sich grössere, wie
[309]Felsüberzüge von Flechten und Moosen.
Fledermäuse eingenistete Lappen anderer Flechtenfami-
lien, zumal der Umbilicarien, an, oder ein flach hinge-
strecktes, vielfältig zerteiltes Laub von Parmelien, eben-
falls in innigster Verwachsung mit dem Gestein, tritt
mit den Krustenflechten in Wettstreit. Moose, z. B.
Andreaeen, Racomitrien, Grimmien, gesellen sich dazu,
zerstreute kleine Polster bildend oder ganze Felsseiten
überziehend; im Sommer sind sie wie abgestorben, pul-
verig-trocken, und doch erwachen sie alljährlich zu neuem
Leben, während das Alter der Gesteinsflechten sich auch
nicht annähernd schätzen lässt. In die höher und dichter
werdenden Moospolster treten auch Strauchflechten, Cetra-
rien und Cladonien, in grösserer Menge ein; dann finden
sich Vacciniengesträuche oder eine Lycopodium-Art, und
der Uebergang zu einer Art dürftiger Flechtenheide wird
schon hier auf dem Fels geboten. Von ungemeiner Be-
deutung für den Aufbau der Formation aus diesen oder
jenen Arten ist hier allemal der Gesteinscharakter, in
erster Linie der Unterschied zwischen Kalk- und Silicat-
gesteinen, dann aber auch die Verschiedenheiten in Härte,
Erwärmungsfähigkeit und Spaltbarkeit, wie sie zwischen
Granit, Thonschiefer, Porphyren zur Geltung kommen.
Auf Spitzbergen z. B. ist in den Kalk- und Schiefergebirgen
die Artenzahl an Laubmoosen verhältnismäßig gross, in den Granit-
und Gneisgegenden kaum die Hälfte der ersteren, dagegen die
Individuenmenge hier grösser. Der Sandstein steht gleichsam auf
der Grenze von beiden, stimmt in Bezug auf physikalische Eigen-
schaften und Wirkungen mit den sedimentären Gesteinen, dagegen
in Bezug auf die chemischen Eigenschaften mit dem Granit und
Gneis überein. Alle Arten der Gattung Sphagnum sind hier
absolut kalkfeindlich; diese und ihre Genossen bewohnen die
Gegenden der Urformation, können aber auch Sandsteinfelsen be-
siedeln. — Aehnliche Unterschiede macht Pfeffer für den Gesteins-
charakter geltend, dem wir in lehrreichster Weise geschriebene
„bryogeographische Studien aus den rätischen Alpen“ verdanken
(1869); die Massenvegetation der Moose ist nach ihm stets auf den
kalkhaltigen Gesteinen weniger auffallend, von hoher physiogno-
mischer Bedeutung dagegen auf den Trümmerfeldern der Kiesel-
gesteine. Die Oberfläche der Kalkblöcke ist meist kahl, wenig
zahlreiche kleine Rasen einer Grimmia und Weisia haben sich ange-
siedelt. Aber auf den Kieselgesteinen kehren alle Moose des kalk-
haltigen Gesteins wieder und zahlreiche nur in grossen Massen
auftretende. — In Spitzbergens höchster Region des sedimentären
[310]Mooswiesen.
Gebirgsbodens gibt es nur eine Moosart als treue Begleiterin des
feuchten Bodens nahe dem Eisrande: Seligeria polaris; auf dem
krystallinischen Boden dagegen gibt es mehrere solcher Arten,
teils mit dem skandinavischen Hochgebirge, teils mit den Alpen
gemeinsam.
Die Mooswiesen, die trockenen Moos- und
Flechtentundren ersetzen unter den allgemein ge-
nannten Bedingungen die Grasfluren der temperierten
Zone. In den Alpen tritt häufig der gletscherliebende
Widerthon (Polytrichum septentrionale) als geselliges Moos
an den von Gletschern verlassenen und mit Moränenschutt
überlagerten Stellen auf, bis eine kräftigere Formation
ihn von dort verdrängt. In den schattigen Kesseln des
Hochgebirges, und endlich da, wo der Grasrasen nicht
mehr zum Schluss gelangen kann, erhält sich diese Moos-
wiese dauernd und überzieht dort, wo der Schnee kaum
alljährlich schmilzt, grosse Strecken mit seinem dunkel-
grünen Rasen dicht gedrängter Stämmchen. In den ark-
tischen Ländern und Inseln sind solche Stellen viel mehr,
und unter den von Flechten und Moosen bewachsenen
Felsabstürzen ist auch der ebene Boden oft zu wahren
Mooswiesen umgewandelt. Breitblätterige Arten der Hyp-
naceen und Bryinen (z. B. Aulacomnium palustre) bedecken
nach Berggren hier weite wiesenähnliche Flächen mit
üppigem Grün, welche den Renntieren zu Weideplätzen
dienen.
An einem solchen Platz hatten die Tiere am Fuss der Felsen-
wand einen sehr betretenen Steig zu dieser Weidestelle gebahnt,
welcher zeigte, dass sie das Moos nicht zufällig zur Nahrung be-
nutzten; ihre Exkremente zeigten nur Blattreste von den dort
wachsenden Moosen. (Ber. üb. d. Unters. der Moosflora Spitz-
bergens.)
Mit dem Namen der „Mooswiese“ würden, wie hier,
die saftiggrünen, aber nicht versumpften Flächen zu be-
legen sein. Weit ausgedehnte Landstrecken aber sind mit
an periodische Trocknis gewöhnten Arten von Flechten
und Moosen bedeckt; sie sind nass zur Zeit der Schnee-
schmelze und bei jedem sommerlichen Niederschlag, der
nicht zu lange fehlen darf, trocknen aber rasch ober-
flächlich ab. Diese weiten Strecken hat man mit dem
Formationsnamen der „Tundra“ belegt, in welchen die
[311]Tundren.
Flechten hauptsächlich aus den Gattungen Cladonia und
Cetraria, die Moose hauptsächlich aus Polytrichum-Arten
bestehen, dazu Dicranum u. a. Je nach den Uneben-
heiten des Bodens wechseln trockenere Tundra- mit
feuchteren Mooswiesenstreifen, wofür Grisebach nach Bärs
Beobachtungen die Halbinsel Kola als charakteristisches
Beispiel anführt (V. d. E., Kap. I Anm. 26). Im Taimyr-
lande fand Middendorff auf trockenem, festen Boden eine
karge Vegetation, unvermögend den zum Grunde dienen-
den Geröllsand zu verdecken (Anhang zur Florula taimy-
rensis, S. 77). Moos mit Riedgras, nämlich Polytrichum
mit Eriophorum und Luzula hyperborea, bilden ziemlich
zur Hälfte die Bedeckung dieser Oberfläche: „von dem
schmutzig-gelbbraunen Moose stechen nur wenig die ab-
gestorbenen gelben Grasspitzen ab, und nur unrein, wie
durch einen Flor, schimmert die noch grüne untere Hälfte
der Grashalme hervor“.
Es verdient die kurze Bemerkung hier eingeschaltet zu werden,
dass ab und an wegen der genannten nicht völlig schliessenden
Bodenbedeckung durch Moos und Cyperaceen für solche Tundren
der Formationsname „Steppen“ Anwendung gefunden hat. Der
Begriff der Steppen liegt aber nicht so sehr in der lückenhaften
Bodenbedeckung selbst, als vielmehr in dem Ausschluss des Baum-
lebens durch Dürre und durch Einführung getrennter Rasen,
Halbsträucher und vereinzelter Büsche mit Trockenschutzeinrich-
tungen an die geeigneten Plätze. Gegen diesen Uebergriff in der
Anwendung der Bezeichnung als Steppe hat sich daher mit Recht
Schneider bei Gelegenheit des Dresdener Geographentages 1886 ge-
wendet.
Während in den bisher genannten Formationsgliedern
die Moose und Flechten entweder gemischt vorkommen,
oder sich wechselseitig an geeigneten Standorten in einer
äusserlich verschiedenen Gesamtwirkung vertreten, fehlen
die Flechten gemäß ihrer Vorliebe für trockene Stand-
orte in den Moosmooren und von Sphagneten erfüllten
Torfsümpfen, welche man dann, wenn sie in weiterer
Ausdehnung zwischen den nordischen Moos- und Flechten-
tundren eingestreut sind, zum Unterschied gegen diese
auch wohl als „schwappende Tundra“ bezeichnet hat.
Sie setzen zu ihrer Bildung rieselndes Wasser, am häu-
figsten auf Kiesgrund, voraus; sie erhalten durch die
[312]Moosmoore und Moostorf-Sümpfe.
eigentümliche Organisation der Sphagnaceen, der Torf-
moose, welche hier mit einigen treulich ihnen folgenden
Bryaceen das Feld beherrschen, sich diese Wasserfülle
selbst, indem diese Moose wie schwammartig saugende
Körper flüssiges Wasser in sich zu halten vermögen und
dasselbe während der kurz vorübergehenden niederschlags-
losen Zeiten im Sommer zur Speisung der Ernährungs-
zellen verwenden. Sie haben die Fähigkeit, in stehendes
Wasser hinein tiefgründige Moosinseln zur Ausfüllung
vorzusenden, andererseits Wiesenmoore bei ständiger Be-
rieselung in Moosmoore zu verwandeln, überhaupt da, wo
sich in langer Ausdauer grössere Mengen abgestorbener
Moosreste ansammeln können, Moor mit Torfunterlage
zu erzeugen, in welches einzelne Stauden, besonders aber
Riedgräser (Scirpus, Eriophorum, Carex) und Ericaceen
aufgenommen werden. Auch Gebüsche können dazutreten,
wie Knieholz und Sumpfbirken.
Die Moorbildung geht überall da vor sich, wo unter der Wir-
kung von ständig im Ueberschuss vorhandenem, aber nicht zu zu-
sammenhängender Flüssigkeit gesammeltem Wasser die gewöhn-
liche Humusbildung und Vermoderung der jährlich absterbenden
Vegetationstriebe durch eine Torfbildung ersetzt wird. Je nach
den Beständen, welche auf solchem versumpften Boden wachsen
und mit ihren Resten torfbildend auftreten, gibt es daher Wald-
moore, Strauchmoore, Wiesen- (Gras-) Moore und Moosmoore. Die
letztgenannten sind die häufigsten, da der Wald nur selten eine
dauernde Vertorfung erträgt und in solchen Fällen vielmehr durch
eingenistete Sphagneten allmählich in ein Moosmoor umgewandelt
wird. Die Schilfmoore leiten, da sie sich aus stehendem Wasser
erheben, zu den alsbald zu besprechenden Formationen des Süss-
wassers über, dauern aber, wie oben gezeigt, nicht aus, sondern
machen Wiesenmooren Platz.
Die Moosmoore sind weit über die Erde verbreitet,
scheinen aber in grossen Flächen nur im Nordischen und
Antarktischen Florenreich vorzukommen. Sie finden sich
nach Warmings Beobachtungen in Grönland noch 600
bis 1000 m hoch unter 70° N., bilden aber auf dieser
arktischen Insel, wie es scheint, nur sehr selten Torf;
Nathorst hat unter 76° N. bei Kap York die Torfbildung
selbst noch als vorhanden bestätigt. Bei Egedesminde
sah Warming die Entstehung von „Torfinseln“ durch
[313]Entwickelung der Moosmoore.
Webera nutans, welche mit leichter, brauner und schwam-
miger Masse die Oberfläche einer niedrigen Granitinsel
deckte und dabei zwei Fuss an Mächtigkeit erreichte;
diese Moosmassen werden als Lampendochte verwendet
(Englers botan. Jahrb. Bd. X, S. 390). Es geht daraus
hervor, dass nicht jedes „Moosmoor“ zu einem „Hoch-
moor“, d. h. zu einem mächtig sich in die Höhe wöl-
benden, auf tiefen Massen von Torf und oft über abge-
storbenen Wald- und Wiesenresten sich aufbauenden
Moore wird, sondern dass die Heranbildung eines Torf-
moores von den Umständen abhängt.
Grisebach hat in einer, von botanischer Seite seitdem noch nicht
wieder so vielseitig durchdachten Abhandlung (Griseb. Abh. S. 52
bis 135) schon im Jahre 1846 über den Aufbau der ausgedehnten
Torflager im Emsgebiet berichtet. Das Auftürmen zu bedeutenderer
Höhe, als das Niveau in der Nähe befindlicher Bäche, und zwar
mit eigenen, in dieser Höhe aus eigenem Moorwasser gespeisten
Moorseen im Gipfel der Wölbung, zeigt die Undurchlässigkeit des
Torfes, in welchem die Selbsterhaltung des Moores begründet ist.
Denn dort bildet Sand den Untergrund unter dem Torfe. „Nicht
stetig und in unbestimmtem Maße wachsen die Hochmoore empor,
sondern nur so lange, bis die durch Bäche auf der Oberfläche ver-
mittelte Entwässerung mit der Befeuchtung der Substanz in Gleich-
gewicht getreten ist. Dann kann, ohne dass der Mensch eingreift,
die Gestalt des Moores sich nicht mehr ändern und neuer Torf
nicht weiter erzeugt werden.“ Ist dies in voller Ausdehnung richtig,
so würde damit ein Grund gegeben sein, welcher einen Forma-
tionswechsel bedingen und aus dem nassen Moor einen Wald auf
Torfgrund aufbauen könnte. Blytts scharfsinnig durchdachte Theorie
bringt diese Aenderung mit einem Wechsel klimatischer Perioden
in Zusammenhang, welcher die Schichtung so vieler skandinavischer
Torfmoore auf glacialem Grunde mit abwechselnden Wald- und
Moorformationsresten nach trockenen und regenreichen, aus kos-
mischen Gründen wechselnden Zehntausenden von Jahren bewirkte
(vergl. Anleitung zur deutschen Landes- und Volksforschung,
S. 222). Da weder alle Moore geschichtet sind, noch auch alle
geschichteten Moore eine gleiche Anzahl von Schichten zeigen, so
scheint es sehr wahrscheinlich, dass die klimatischen Perioden in
Verbindung mit den eigenen, in der Organisation des Moores
liegenden Wechselbedingungen in kombinierte Wirkung treten.
Jedenfalls mag an dieser Stelle auf das hohe Interesse hin-
gewiesen werden, welches die Torfmoore dadurch besitzen, dass
sie die jüngere Florenentwickelung und wechselnde Umgestaltung
von Pflanzenbeständen, welche alle heute im gleichen Florengebiet
vorkommen, in der Prüfung zugänglichen Beweismitteln uns auf-
bewahrt haben.
[314]Süsswasser-Formationen.
Bei der Kleinheit und dem geringen Gewicht der
Sporen könnte man sowohl für Moose als auch für Flech-
ten an eine geschwinde Verbreitung über grosse Flächen
im Wechsel der klimatischen Perioden denken. Aller-
dings kann man die im Vergleich mit Blütenpflanzen er-
sichtlich grössere Weite des Artenareals wohl darauf
zurückführen, doch hat Hult 1881 durch Studien in den
lappländischen Moosformationen ebenfalls eine grössere
Stabilität nachgewiesen (s. G. J., XI, 117). Auch die
Moos- und Flechtenformationen scheinen in langsamer
Wanderung und häufig unter gegenseitiger Verdrängung
sich auszudehnen; unter der Flechtenformation der nor-
wegischen Fjelde lagern die Reste von Moostorf.
Die Formationen der Binnengewässer.
Das stehende oder fliessende süsse Wasser, ja auch
die versumpften Ränder salziger Binnengewässer und
Salzseen selbst verhalten sich sehr abweichend von dem
Pflanzenleben der Ozeane. Während das letztere ganz
eigenartig organisiert ist, finden wir in den Binnenland-
gewässern einen direkten Zusammenhang zwischen den
Formationen des Wassers selbst und denen feuchter Stand-
orte, wir finden zuweilen dieselben Arten in verschiede-
nen Wachstumsformen hier wie dort, wir sehen Schilf-
Dickichte sich an Binsenformationen oder an langhalmige
süsse Wiesen anschliessen, und nur die Vegetationsform
der „schwimmenden Wassergewächse“, nicht ihr syste-
matischer Charakter, macht das Eigenartige der Süss-
wasserformationen aus.
Man unterscheidet daher zwischen den unterge-
tauchten Wasserpflanzen, zwischen den mit grossen
oder kleinen Laubblättern auf der Wasseroberfläche schwim-
menden und mit der Atmosphäre im direkten Ernährungs-
zusammenhange stehenden Schwimmpflanzen, und
zwischen den nach Art des Schilfes zwar unter Wasser
keimenden und wurzelnden, aber mit kräftigem Stengel
das seichte Wasser durchsetzenden und sich über seiner
Oberfläche nach Art der Landpflanzen erhebenden Sumpf-
pflanzen (oder „aufrechten Wasserpflanzen“), und es
[315]Ordnungen der Wassergewächse.
pflegen diese drei Wachstumsformen, die nur selten in
demselben Artkreise wechseln können, in Gemeinschaft
die Binnenwasser-Formationen zu bilden, so dass die tief-
sten Becken nur von wurzellosen Schwimm- und Tauch-
pflanzen bevölkert werden, die flacheren Stellen von im
Grunde wurzelnden, schwimmenden und untergetaucht
flutenden, zu denen dann auf seichtem Grunde das Heer
der Sumpfpflanzen, zuerst im Kampf mit den vorigen
und endlich allein, sich gesellt und selbst vielleicht da,
wo das Wasser nicht mehr stehend ist, durch eine Sumpf-
wiese oder durch ein Moor abgelöst wird.
Ordnungen. Charakteristische eigene Familien finden sich
für die Wasserformationen nur unter den untergetaucht oder
schwimmend, jedenfalls ganz auf das flüssige Wasser angewiesenen
Formen. Die Sumpfpflanzen dagegen werden von zahllosen Gat-
tungen der Stauden- und Grasflurformationen geliefert, wie denn
das Schilf, die Binsen, viele Dolden etc. die bekanntesten Ufer-
und Sumpfgewächse darstellen. Phragmites communis hat sehr
weite Verbreitung und bildet z. B. zusammenhängende Röhricht-
dickichte in den Sumpfresten des Lob-nor; seine Leistung zur Ueber-
führung seichter Sümpfe in Sumpfwiesen und endlich in Wiesen-
moore durch Ausfüllung mit organischen Resten ist wahrscheinlich
eine sehr grosse.
Auch die Ordnungen der flutenden und schwimmenden Wasser-
gewächse sind noch zahlreich und meistens mit den Landgewächsen
in näherer Verbindung. Nur die Süsswasseralgen stehen zu-
sammenhangslos da und sind höchst verschiedenartig entwickelt,
doch nicht entfernt von der Kraft und von dem Formenreichtum,
mit dem die ozeanischen Tangfamilien auftreten. Die Süsswasser-
algen sind grösstenteils grün, also Chlorophyceen aus allen Ord-
nungen, ausserdem blaugrün in den Gruppen der Spaltalgen; aus
diesen sieht man Oscillatorien oft ganze Strecken im Bach mit
weichem Filz überziehen. Die Kieselalgen, Bacillariaceen, mit
eisenocherbraunen Schleimlagern oder rostgelblichen Haufen, ver-
dienen ebenfalls noch Erwähnung, sind aber alle mikroskopisch
klein. Von Gefässkryptogamen sind die sogen. Wasserfarne
hier zu nennen, Salvinia und Azolla mit Schwimmblättern. Unter
den Dikotylen sind die Nymphaeaceen mit 8 Gattungen und
etwa 35 Arten die bedeutendste Wasserordnung, wenngleich einige
Gattungen wie Nelumbium mehr amphibisch hochragende Sumpf-
formen bilden. Nymphaea ist mit 25 Arten fast über den Erdkreis
verbreitet, meidet aber die polaren Klimate: Nuphar ist boreal,
in Indien und China lebt Euryale wie Barclaya, im tropischen
Südamerika der Riese unter den schwimmenden Wasserpflanzen:
Victoria regia. — Andere Ordnungen enthalten einzelne Gattungen,
auch wohl selbständige kleine Familien von Wassergewächsen, so
[316]Verbreitung der Wassergewächse.
die Gattung Trapa, Callitriche, Ceratophyllum, Myriophyllum,
Limnanthemum, Utricularia, Hottonia, Aldrovanda; von anderen
grossen Gattungen, wie Ranunculus und Polygonum, sind einzelne
Arten flutend und schwimmend. Bestimmtere Verwandtschaftskreise
treten von den Monokotylen in die Wasserpflanzenformationen
ein, nämlich die Najadeen (mit Potamogeton), die Hydrocharideen,
die Lemnaceen und die Alismaceen, letztere allerdings zusammen
mit Juncagineen, Typhaceen, Pontederiaceen u. a. grösstenteils
aufrecht wachsenden Sumpfpflanzen.
In keiner weit über die Erde verbreiteten Formation
scheint nach übereinstimmenden Berichten ein so gemein-
samer Zug ähnlicher Formen und Arten zu herrschen,
als in dieser der Wasserpflanzen. Alle Arten haben
überhaupt ungewöhnlich weite Areale, so dass auch weni-
ger die kleineren Florenreiche, als vielmehr nur die pri-
mären Vegetationszonen der Erde sich durch besondere
Merkmale auszeichnen. In den borealen und boreal-sub-
tropischen Gewässern werden Schwimmdecken auf den
Teichen von Lemna-, Hydrocharis-, Nuphar- und Nym-
phaea-Arten gebildet, in denen des tropischen Südamerikas
findet sich die weit in der heissen Zone verbreitete Pistia
an Stelle der Lemna, Limnobium und Ottelia für Hydro-
charis, neben Nymphaeen die berühmte Victoria regia;
Vallisneria ist in den wärmeren Gewässern weit verbreitet;
hohe Cyperaceen bilden überall einen grossen Teil der
Ufersumpfbestände; in den borealen Seichtwässern sind
die Rohrkolben der Gattung Typha sehr gesellig, aber
auch sonst in Ostindien, im tropischen Westafrika, am
Kap u. s. w. Die Pontederiaceen, eine mit blauen, oft
grossen und schönen Blumen die tropischen Flussufer
und Lagunen schmückende Ordnung aus der Verwandt-
schaft der Liliaceen, ersetzen mit Limnocharis und Hy-
drocleis den nordischen Butomus; die Froschlöffelgewächse
Alisma und Sagittaria aber sind schon wieder von den
gemäßigten Gebieten durch die Tropen bis zu den süd-
lichen Florenreichen verbreitet.
Der hohe Norden hat keine eigenen Arten, keine
eigene Süsswasserformation; wo es den im Bereich des
Waldgebietes vorkommenden Arten zu kalt wird, hört
die ganze Formation auf oder beschränkt sich auf die
[317]Biologie der Wassergewächse.
niederen Zellenpflanzen. Warming fand mitten im Sommer
die grönländischen Teiche entweder ganz pflanzenarm, oder
ausser weit nach Norden gehenden Pflanzen, wie Hippuris
und einer halbschwimmenden Form von Ranunculus hyper-
boreus bemerkte er nur zu dichten Filzen zusammenge-
webte Fadenalgen und Wassermoose.
Wie weit die im mittleren Europa häufigen Wasser-
gewächse sowohl gegen Norden als in die wärmeren
Länder hinein verbreitet vorkommen, geht aus einer über-
sichtlichen, in Schenks „Biologie der Wassergewächse“
(S. 150) zusammengestellten Tabelle hervor.
Zwei Beispiele mögen herausgegriffen werden: Myriophyllum
spicatum von den untergetauchten Wasserpflanzen lebt in fast ganz
Europa, auf Island, auf Grönland noch bis über den Polarkreis
hinaus, in Labrador, im gemäßigten und montanen Nordamerika
bis Arkansas, in Algerien, auf den Canaren. Nymphaea alba von
den Schwimmpflanzen lebt in Europa von den Mittelmeerinseln
bis zum nördlichsten Norwegen, Grossbritannien bis Shetland und
Hebriden; in Asien vom Himalaya bis zu der Waldgrenze in Sibirien,
in Nordamerika, wird durch N. odorata in den südlichen Vereins-
staaten vertreten, dann auch in Nordafrika. Die ihr in diesen
Ländern zum Standort dienenden Gewässer müssen sicherlich sehr
verschiedenartige Temperaturmittel, also auch verschieden lange
Warmwasserperioden zeigen, doch möchte gerade in dem Aus-
gleichen durch das Wasser ein Erklärungsgrund für die Breite
des Areals liegen.
Unter den von Schenk für die borealen phanero-
gamen Wasserpflanzen genauer im einzelnen untersuchten
und geschilderten biologischen Eigenschaften ist vom
Standpunkte der Formationslehre aus das Zusammen-
wachsen, die Erhaltung und Verjüngung von Interesse.
Fast alles sind ausdauernde Kräuter, welche entweder
mit kriechend im Schlamm hingestrecktem Wurzelstock
überwintern, oder deren Triebe im Herbst besondere sich
zu Boden senkende Winterknospen ausbilden. Die Haupt-
unterschiede darin bewirkt die Bewurzelung am festen
Ort oder das wurzellose Freischwimmen. Die Schwimmer
bilden bei lebhafter Vegetation und in starker Verzwei-
gung, während ihr ursprünglicher Haupttrieb abstirbt,
grosse, grüne, wiesenartige Haufen in ruhigem Wasser,
während in bewegtem Wasser alles zur Formation Ge-
[318]Ozeane. — Glacial- und Steppenformationen.
hörige am Boden oder auf Kieseln oder auf anderen
Wasserpflanzen festgewurzelt sein muss. Die Algen sind
ursprünglich auch sämtlich zum Festsitzen organisiert,
können aber, wie Wassergewächse überhaupt, das Los-
reissen gut vertragen und sind im abgerissenen Zustande
verbreitungsfähig. Der Transport abgerissener Stücke
durch Wasservögel hat unzweifelhaft den Arealen der
derartig organisierten Wassergewächse die grösstmögliche
Weite verliehen.
Die Schaustellung der Blüten erfolgt auch bei den
Wassergewächsen über der Wasseroberfläche, die Frucht-
reife meistens in das Wasser zurückgetaucht; die meisten
Samen ertragen längere Trocknis nicht und sind zur
Keimung am Grunde des Gewässers bestimmt.
Die ozeanischen Formationen.
Im Gegensatz zu den Formationen des Süsswassers,
welche sich innig an die Landformationen anschliessen,
und in denen die Blütenpflanzen doch trotz der Masse
kleiner Algen den Ton angeben und wenigstens die ein-
zigen grossen Gewächse sind, herrschen in den Meeren
die Algen, als Formation „Seetange“ genannt, aus fast
ganz von der Landflora geschiedenen Gattungen und Fa-
milien bestehend. Wenige Blütenpflanzen, „die Seegräser“,
schliessen sich den Tangen an, bilden eigene oder tang-
gemischte unterseeische Wiesen und Bänke, meiden die
Binnengewässer und nehmen an der weiten Verbreitung
der Seetange teil. Genaueres über diese Formation wird
im nächsten Abschnitt (Kapitel 4) unter der Betrachtung
des „Ozeanischen Florenreichs“ folgen.
Die glacialen und Steppenformationen.
Die bisher in langer Kette betrachteten Formatio-
nen hatten das Gemeinsame, dass stets in ihnen eine
bestimmte Wachstumsform vorherrschte und den Grund-
ton auch für die Bedingungen der Nebenelemente des
Bestandes dadurch angab; so fanden wir es bei den Be-
deckungen des festen Landes mit Bäumen, Gebüschen,
[319]Bildung aus unzusammenhängenden Beständen.
Gesträuchen, mit Gräsern, Kräutern, mit Moosen und
Flechten; die sich in bestimmter Organisation einheitlich
zusammenfügende Formation der Wasserpflanzen zeigte
dasselbe im süssen und salzigen Wasser. Zwei sehr ver-
schiedene, mit unzusammenhängenden Beständen auf-
tretende Bodenbedeckungen folgen nun zum Schluss, welche
auf einer anderen Charakteristik beruhen; in ihnen wird
der Grundton nicht durch eine einzelne bestimmte Wachs-
tumsform bestimmt, vielmehr bestimmt den Grundton das
Bodensubstrat selbst als Fels, Felsgeröll, Flugsand, Thon-
sand, Lehm oder Salzkruste. In der einen Art dieser
Bestände ringen die Vertreter der Pflanzenwelt gegen
eine Eiswüste, gegen harten Winterfrost und dauernde
Schneebedeckung, und sie mögen als glaciale Forma-
tionen bezeichnet werden; in der anderen ringt die Ve-
getation mit der Regenlosigkeit des Klimas, mit der
sengenden Hitze eines durch fliessendes Wasser nicht
genügend ausgeglichenen Sommers, gegenüber den vege-
tationslosen dürren Wüsten, und in diesem Falle sprechen
wir von trockenen Fels- und Steppenformationen.
Beide haben zunächst das Gemeinsame, das Baum-
leben völlig auszuschliessen, im übrigen aber von den
biologischen Vegetationsformen diejenigen Vertreter ge-
mischt aufzunehmen, welche die gegen Frost oder gegen
Dürre bestgeeignete Organisation besitzen. Dies sind
sowohl bestimmte Sträucher und Halbsträucher, als auch
vielerlei Stauden, Gräser in einzelnen Halmen und Bü-
scheln, oder in den Steppen besonders einjährige Ge-
wächse. Oft finden sich von einer einzelnen Form grosse
Strecken ziemlich dicht bevölkert und dies bietet Ueber-
gänge zu den geschlossenen Formationen; das Charakte-
ristische aber liegt im Wechsel, sowie darin, dass die
Einzelpflanzen ihren Platz weniger gegen Konkurrenz
anderer Pflanzen, als gegen die Eingriffe des Klimas und
überhaupt anorganischer Faktoren zu schützen haben.
Die glacialen Formationen besetzen die unzu-
sammenhängenden Stellen nahe und über der Schneelinie
in den Hochgebirgen, sowie in den Polarfloren; am häufig-
sten trennen sie sich aus den Moos- und Flechtenforma-
[320]Hochalpine und Fjeldformationen.
tionen los, rücken aber ebenso häufig mit einzelnen Gras-
büscheln und Rosettenstauden in das Feld oder lassen
immergrüne Halbsträuchlein einzeln im Geröll und in
den Felsspalten spriessen.
Anstatt bekannte Beispiele, deren sich viele in den höchsten
Regionen der deutschen Alpen oder an den hocharktischen Ge-
staden finden, zu wiederholen, sei auf die Schilderung Kerners aus
den Oetzthaleralpen von 2500 m Höhe an im „Pflanzenleben der
Donauländer“ S. 274 u. folgd. verwiesen; ferner auf Warmings
Schilderung der hierher gehörigen „Fjeldformation“ Grönlands in
Englers botan. Jahrbüchern Bd. X, S. 377, aus der folgendes her-
vorzuheben ist: „Die Sträucher sind nicht mehr dominierend, sind
sogar meistens stark zurückgedrängt, so dass man nur hier und da
ein Exemplar findet. Die vorkommenden Pflanzen sind daher vor-
zugsweise Stauden, Moose und Flechten. Sie bilden aber keine
geschlossene Decke; die Pflanzen stehen in grossen Zwischenräumen,
an den ärmsten Stellen sogar sehr zerstreut da, wo sie in Fels-
rissen, zwischen Schutt und Kies ein wenig Erde finden können.“
Auch in sehr winterkalten Ländern kann auf Ge-
röllfeldern schon die sommerliche Dürre als Hindernis
der Vegetation zu der Kälte hinzutreten; in wärmeren
Klimaten, überall also im Bereich der klimatisch gebote-
nen Möglichkeit für das Baumleben, schliesst die Dürre
allein von gewissen Standorten eine zusammenhängende
Pflanzendecke aus, und diese Standorte sind entweder
harter Fels und Geröll, oder unfruchtbarer Kies, Salz
und Sand. Wo sich dieselben Bedingungen der Dürre
auf weiten Flächen ausgedehnt finden, herrscht die Steppe
(„Wüstensteppe“ im Gegensatz zu der Grassteppe) in vol-
lem Glanz; zu ihr sind aber als verwandte Anklänge die
Besiedelungen trockener Felsgehänge da, wo nicht ein-
mal mehr eine zusammenhängende Moos- und Flechten-
decke das Gestein überziehen kann, anzusehen. Die
Steilgehänge in den Hochgebirgen lassen also in der
Tiefe Steppenpflanzen, in der Höhe Glacialpflanzen sich
ansiedeln, und die Demarkationslinie wird von der Tem-
peratur- und Feuchtigkeitsperiode bestimmt; sie ist aber
nicht so scharf, dass nicht ganze Uebergangsabteilungen
sich erkennen liessen, und so ist für den praktischen
Gebrauch von Vegetationsskizzen kleiner Gebiete das Ver-
fahren von Günther Beck in der „Flora von Hernstein“
[321]Steppenformationen.
sehr praktisch, die Felsgehänge, im Uebergange von un-
ten nach oben in bestimmte Hauptabschnitte eingeteilt,
als gemeinsame Formationsklasse zusammenzufassen.
Die Steppenpflanzen zeichnen sich insgesamt
durch irgendwelche Trockenschutz-Organisation aus; das
Ausdauern in Zwiebelgestalt ist daher bei saftigen Kräu-
tern beliebt, oder sie überdauern die Dürre im Samen-
korn als einjährige Gewächse; die gewöhnlichen Stauden
sind hart und holzig gewachsen, haben wollige oder kleine,
lederartige Blätter, die Halbsträucher und Sträucher nei-
gen ausser zu ähnlichen Blattbildungen auch noch zu
starker Dornbildung (vergl. oben S. 67—68). Die Vege-
tationsform der Succulenten (Fettpflanzen) ist hier be-
sonders gut ausgeprägt; man versteht hierunter diejenigen
Gewächse, bei denen entweder der kaum sichtbare Stamm
dicht umschlossen ist von ungemein dicken, saftig-fleischi-
gen Blättern, oder bei denen die Blattbildung unterdrückt
und nur durch Stachel- und Dornpolster angedeutet ist
an einem nunmehr selbst dick-fleischartig gewordenen
Stamme, der kugelig, cylindrisch, oder kandelaberartig
verästelt auftritt (Blatt- und Stammsucculenten, siehe
S. 64 unter Vegetationsformen).
Sehr verschiedene Ordnungen liefern die in den zahlreichen
Steppenländern der Erde zerstreuten Fettpflanzen. Die grösste,
wenngleich fast ganz auf Amerika von Colorado im Norden bis
Patagonien im Süden beschränkte bilden die Cactaceen mit circa
1200 Arten in 15 Gattungen, welche auch in den xerophilen
Formationen Brasiliens nicht fehlen, an der trockenen südamerika-
nischen Westküste ungemein zum Landescharakter beitragen, hoch
in das trockene Andenplateau (3000 m hoch) ansteigen, und von
Texas bis Nordmexiko vielleicht am formenreichsten auftreten. Im
Landschaftscharakter unterscheidet man zunächst die Säulenform,
dargestellt durch die Cereus-Arten (circa 220), die vielkantigen und
an den Kanten Stachelpolster tragenden, einfach aufrechten oder
kandelaberartig verästelten Fackeldisteln; sodann die gegliederten,
oft abgeflachte Zweige in Zickzackform entwickelnden Feigen-
disteln der circa 200 Arten zählenden Gattung Opuntia, von welcher
eine Art an Südeuropas Fels- und Geröllplätzen sich als gemeine
Charakterform heimisch gemacht hat. Die Kugelform als dritte
wird durch die beiden grossen Gattungen Mamillaria (360 Arten)
und Echinocactus (260 Arten) hauptsächlich dargestellt und er-
Drude, Pflanzengeographie. 21
[322]Familien von Succulenten.
reicht in ihrer Heimat auch noch Höhen bis zu 1 m; es sind dies
die stacheligsten und ungeheuerlichsten Formen der Steppenflora.
— Auch beblätterte Cacteen gibt es (Pereskia), welche aber die
Tropen nicht verlassen und dürre Steppen nicht besiedeln.
Die Gattung Euphorbia in der Form von „Kandelaber-Wolfs-
milcharten“ ersetzt in Afrika und im dürren Westasien die Cacteen.
Die seltsame Form des Medusenhauptes erinnert an die kleineren,
verzweigte Rasen bildenden Warzendisteln, aber alle strotzen
von Milchsaft und ihre Dornen stehen paarig an den Blatt-
polsterstellen. Ueber 100 Arten dieser Gruppe sind zu den
Succulenten zu rechnen, während die übrigen Arten der über
600 zählenden Euphorbia über die ganze Welt mit Ausschluss
der kalten Klimate zerstreut in gewöhnlicher Weise milchende
Blätter tragen.
Auch die Asclepiadeen tragen in Stapelia u. a. Gattungen,
zumal in der südafrikanischen Flora, zu den Steppensucculen-
ten bei.
Die Blattsucculenten sind in erster Linie durch mehrere mono-
kotyle Familien vertreten, voran die Agave-Form mit Fourcroya, Gat-
tungen der Amaryllideen mit 60 bis 70 amerikanischen Arten, be-
sonders in Mexiko verbreitet; sie sind aus Gewächshauskulturen
ein bekannter Typus. Die Liliaceen liefern in Aloë (85 Arten)
fast nur südafrikanische Fettblattgewächse von kleineren Dimen-
sionen als die vorigen; das gleiche Florengebiet zeigt dann Compo-
siten (Kleinia), und in Mesembryanthemum eine 300 Arten zählende
Gattung, deren kleinere Blätter und Rosettenbildungen schon an
die über viel weitere Areale verbreitete Ordnung der Crassula-
ceen herangehen; von den letzteren bewohnen einige Gattungen
(Kalanchoë etc.) die Tropen in ähnlichen Standorten wie die ge-
nannten Monokotylen; andere Gattungen aber, Sedum und Sem-
pervivum mit circa 200 Arten, sind Felsenpflanzen in den borealen
Florenreichen und meiden die flachen Steppen, gehen aber in den
Hochgebirgen mit den ihnen verwandten Arten der berühmten
Gattung Saxifraga bis zu der Schneeregion. Die Verbreitung der
arktisch-alpinen Steinbreche ist auf der Arealkarte in Berghaus’
physik. Atlas Nr. 45 skizziert.
Es möge sich an diese Succulentenaufzählung sogleich die
Erwähnung einiger anderer hauptsächlich erwähnenswerter Steppen-
pflanzen anschliessen. Die Gesträuche wechseln zwar ungemein
nach Florengebieten, doch zeichnen sich in den borealen Subtropen
besonders die Tragantsträucher, Arten der circa 1250 Astragalus,
aus, deren Areal wiederum in Berghaus’ physik. Atlas karto-
graphiert ist.
Für die Salz- und Sandsteppen sind die Salsolaceen (-Cheno-
podiaceen) bei weitem die wichtigste Ordnung. Bunge hat den-
selben eine ausgezeichnete Monographie gewidmet (s. G. J. Bd. IX,
S. 156), mit Angabe der Verbreitungsareale ihrer 551 Arten in
10 Hauptbecken von Salzgebieten. Die bei uns auf Schutt und
als Ackerunkräuter gewöhnlichen Melden (Atriplex, Chenopodium)
[323]Phänologische Erscheinungen in den Steppen.
gehören zu der südrussisch-orientalischen Gruppe. Diese gehen
nicht als Felspflanzen in die Hügel- und Bergländer hinein und
meiden daher vollständig das Areal der Saxifragen.
Von anderen Ordnungen spielen noch die Zygophyllaceen als
Holzgewächse in den Steppen eine wichtige Rolle, und in den
borealen Subtropen die Tamariscineen (Tamarisken). Es ist kaum
nötig, darauf hinzuweisen, dass die Gräser ein starkes Kontingent
echter Steppenbewohner, welche Salz und Sand vertragen, stellen
neben anderen nicht succulenten Monokotylen, wie Yucca in Nord-
amerika und die interessante, einer oberirdischen Riesenknolle mit
dicken Korkwürfeln als Schutz gegen Dürre vergleichbare Testudi-
naria elephantipes Südafrikas, aus der zu Beginn der Regenzeit
lange saftige Klettertriebe schnell emporschiessen.
Die biologischen Verhältnisse der echten Steppen-
pflanzen erregen unser Interesse in aussergewöhnlichem
Maße durch die Mittel, welche sie anwenden, um der
Dürre zu widerstehen, sagen wir kurz: um die wasser-
reichere Jahreszeit auszunutzen und sich innerhalb der-
selben das nötige Vegetationswasser zu verschaffen. Erst
in einem Gebiete, dem der ägyptischen Sahara, sind die
sonst nur allgemein durch Hinweis auf Succulenz, Ver-
holzung, Geschwindigkeit der Samenreife etc. beantwor-
teten Fragen darüber speziell in grosser Gründlichkeit
behandelt, nämlich in den auf eigene Ortskenntnis ge-
stützten biologisch-anatomischen Untersuchungen von Vol-
kens (G. J., Bd. XIII, S. 338; vergl. auch oben S. 30).
Hier fällt die Regenzeit auf Februar und März; die er-
heblichen Thaufälle im Herbst und Winter ändern an
dem Gesamtbilde nur wenig. Aber mit den ersten fallen-
den Regentropfen bedecken sich zahlreiche Sträucher mit
neuem Laub, schiessen aus knorrigen, wie abgestorben
aussehenden Strünken frische Triebe, entspriessen die
Keimlinge der einjährigen Pflanzen den dürrsten Ab-
hängen und Hochflächen, und bald verkündet eine Fülle
von Blüten den Höhestand der Vegetation in der Wüste.
Schon Anfang Mai schwindet der frische Eindruck, nur
wenige Keimlinge der ausdauernden Gewächse haben zu
ihrer Erhaltung einen genügend günstigen Standort er-
langt, die übrigen verdorren. Solchen Zufällen preisge-
geben, lässt sich nicht einmal in der bei uns gewohnten
Schärfe der Unterschied zwischen ein-, zwei- und mehr-
[324]Vegetationsweise in der Sahara.
jährigen Gewächsen festhalten. Ihre Schutzmittel nun
haben die Wüstenpflanzen erstens in einer durch unge-
heuer tief gehende Wurzeln erfolgenden starken Aus-
nutzung der tiefer liegenden Bodenfeuchtigkeit. „Keim-
pflanzen einer meist einjährig lebenden Art, Monsonia
nivea (Geraniacee) hatten schon Ende Januar, wo sie aus
einer kaum nagelgrossen Rosette von 3—4 Blättchen be-
standen, Wurzeln von mehr als ½ m Länge. Ein kaum
handhohes Exemplar von Calligonum comosum hatte eine
oben daumenstarke Wurzel, 1½ m weiter unten war sie
noch von der Dicke eines kleinen Fingers, und so kann
man getrost annehmen, dass hier die Länge der unter-
irdischen Teile die der oberirdischen um das 20fache
übertraf.“ Dadurch allein vermag sich auch die Colo-
quinthe mit zarten, rasch welkenden Blättern den ganzen
Sommer hindurch zu erhalten. Ausserdem entwickeln
einige Wüstenpflanzen neben dem normalen Verdunstungs-
schutz der Blätter auch Absorptionsvorkehrungen für
Thau, andere entwickeln für kürzere oder längere Zeit
wirksame Wasser-Zellenbehälter.
Der allgemeine Charakter der Steppenformationen
wechselt in erster Linie nach dem Bodencharakter. Viel-
leicht ist nirgends der Einfluss des Substrates so zwin-
gend, als in den xerophilen Formationen, und hier ist
auf die oben S. 52—58 gemachten Auseinandersetzungen
zu verweisen. Wir unterscheiden gemeinlich die Steppen
als solche auf Geröll dysgeogener Gesteine, Flugsand,
Thon oder Lehm, und endlich Salzablagerungen.
Die letzteren schliessen viele sonst gemeinsame Formen
(wie es scheint alle Succulenten ausser den Cacteen?)
aus und bevorzugen ausgewählte Halophyten. Unter
diesen sind die Salsolaceen die am weitesten gemeinsam
verbreitete Ordnung, sogar kleine Bäume wie den Saxaul
(Haloxylon Ammodendron) bringen sie hervor. Aber auch
Compositen, Gräser und andere Familien haben einzelne
gesellige Vertreter.
Als Beispiel der Salzsteppenformationen möge hier eine Skizze
von Lorentz aus seiner Reise zwischen Cordoba und Santiago del
Estero folgen: Eine niedrige Gesträuchformation bildet den Ueber-
[325]Salzsteppen, Stranddünen.
gang vom lichten Buschwalde zu der charakteristischen Salzvege-
tation, bestehend in hohen oder niederen Sträuchern mit kleinen
Blättern in Gestalt anliegender, fleischig graugrüner Schuppen,
welche je näher an den Stellen stärkster Salzung desto mehr an
Höhe und Dichtigkeit abnehmen, bis zuletzt der nackte Boden mit
weisser Salzkruste die Oberhand über einige dorthin verirrte
spärliche, niederliegende Kräuter behält. Auf grosse Strecken
herrscht dann, wieder weiter ab von dem hier das Salz mitführen-
den Flusse, die Salsolaceen-„Jume“-Wüste, zusammengesetzt aus
Atriplex pamparum, Spirostachys vaginata und patagonica, Suaeda
divaricata, zwischen welchen einzelne harte Gesträuche, Lycium-
arten, Grahamia bracteata (eine Portulacee) nur als Ausschmückung
dienen. Der Boden zwischen den Sträuchern ist mit einer ziemlich
dicken, pulverigen, weissen Salzkruste bedeckt. Die Atriplex
pamparum ist so alkalireich, dass ihre Asche zur Seifenfabrikation
gebraucht wird. — Wo dann sandiges Gelände mit Dünenbildung
anhebt, treten die Salsolaceen zurück, werden durch Gesträuche
ersetzt, von denen eine Composite (Baccharis glutinosa) bemerkens-
wert ist, über mannshoch, einen dichten und stattlichen, viel-
stengeligen Busch bildend, der meist auf einer kleinen, durch das
Wegspülen des Erdreichs zwischen den Büschen entstandenen Er-
höhung steht. Hier mischen sich dann häufig orangerot blühende
Opuntien und armleuchterartige Cereus in das Gebüsch.
Den sich aus dem Bodencharakter ergebenden Ab-
teilungen der Steppen- und Wüstenformationen sind in
Neumayers „Anleitung“ (2. Aufl., Bd. II, S. 177) noch
die Krautsteppen und Strauchsteppen hinzugefügt.
Sie ergeben sich als natürliche Uebergänge zu den ge-
schlossenen Formationen derselben Vegetationsart, sofern
der allgemeine Steppencharakter noch gewahrt bleibt.
Der Grassteppen, die sich dann anschliessen, ist schon
vorhin gedacht worden.
Als einer methodisch lehrreichen Untersuchung, welche
an dem Beispiel der spanischen Steppengebiete die Be-
handlungsweise dieser Formation überhaupt klar legt,
seien die Resultate von Willkomm (Strand- und Steppen-
gebiete der iberischen Halbinsel, 1852) erwähnt. Hier
wird auch gezeigt, dass nicht etwa der gemeinsame Cha-
rakter des Salzes im Boden von Strand- und Salzsteppe
eine durchgängige Gemeinsamkeit der Formation aus-
mache; denn von 376 Arten der iberischen Halophyten
kommen 212 nur in den Strandgegenden, 111 nur in
den Steppen vor, 53 allein gehören beiden gemeinsam
[326]Halophyten-Formationen.
an. Es ist daher richtig, die Strand-Halophytenfor-
mation als eine letzte, eigenartig beschaffene Abteilung
aufrecht zu erhalten.
Von den genannten 376 Arten sind nach Willkomm 120 ein-
jährig (⅓ der Gesamtzahl), 13 ein- bis zweijährig (1/29), 149 sind
ausdauernd (⅖), 74 halbstrauchartig (⅕), 20 strauchartig (1/19);
sie gehören zu nicht weniger als 57 verschiedenen Ordnungen des
Systemes: Compositen, Salsolaceen, Gramineen, Plumbagineen sind
vorherrschend.
[[327]]
6. Die Vegetationsregionen der Erde in
geographischer Anordnung.
Kapitel I.Die pflanzengeographische Einteilung
der Erde. Verhältnis von Florenreichen zu Vegetationszonen.
Die Vegetationsregionen als natürliche Einheiten. Benennung der
Vegetationsregionen; ihr Anschluss an die Formationen. Floren-
kunde und spezielle Pflanzengeographie. Methode der Schilderung
pflanzengeographischer Charaktere.
Kapitel II.Die borealen Florenreiche. Allgemeine
Uebersicht der Zonen und Florenelemente. Beispiele gemeinsamer
Verbreitung, geologische Florenentwickelung, Charaktergruppen
von borealen Sippen; Zusammenfassung: Nordisches Florenreich,
atlantisch-mediterrane und pontisch-centralasiatische Flora, ost-
asiatische und mittel-nordamerikanische Flora. — 1. Arktische
Inseln und Eismeerküsten; 2. Nord- und Mitteleuropa; 3. Pontische
Steppen und Kaukasus; 4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und
Orient; 5. Innerasien; 6. Sibirien; 7. Ostasiatische Ländergruppe
(Mandschurei-China-Japan); 8. Britisch Nordamerika; 9. Vereins-
staaten und nördliches Mexiko.
Kapitel III.Die tropischen und australen Floren-
reiche. Allgemeine Uebersicht der Zonen und Florenelemente.
Zwei nord-tropische Xerophytenfloren. Die australen Xerophyten-
floren. Einteilung der Florenreiche: a) Tropenfloren, b) australe
Floren, c) antarktische Flora. — 10. Sahara und Arabien; 11. Tro-
pisches Afrika und Südarabien; 12. Südliches Afrika; 13. Ostafri-
kanische Inseln; 14. Indien und Sundainseln; 15. Pacifische Inseln
bis Neuseeland; 16. Australien; 17. Tropisches Mexiko und Central-
amerika; 18. Antillen und Bahamainseln; 19. Tropisches Süd-
amerika; 20. Hochanden und australes Südamerika; 21. Antarkti-
sche Inseln.
Kapitel IV.Das ozeanische Florenreich. Uebersicht.
Litteratur. Formen und Lebensbedingungen der ozeanischen Vege-
tation. Verbreitungsverhältnisse der ozeanischen Sippen.
[328]Anordnung pflanzengeographischer Gebiete
‘Man kann den topographischen Studien einheimischer
Forscher vieles überlassen, was erst in der Zukunft für den
Ausbau des Ganzen verwertet werden wird, und doch geo-
graphische Stoffe auswählen, welche die Anschauung im
einzelnen zu befruchten fähig sind. Dies ist derselbe Weg,
den überhaupt die Erdkunde verfolgt, indem sie den Pla-
neten, gleichsam wie von einem entfernten Standpunkte,
wo dem Auge das Besondere sich entzieht, nach seinen
grossen Verhältnissen aufzufassen sucht und dadurch den
Rahmen feststellt, in welchen die örtlichen Erscheinungen
sich allmählich und geordnet einfügen.
A. Grisebach, Vorwort zur Vegetation der Erde. 1871.’ ()
Kapitel I.
Die pflanzengeographische Einteilung der Erde.
Nach Abwickelung der methodischen Gesichtspunkte
für die Pflanzengeographie in den vorhergehenden fünf
Abschnitten handelt es sich jetzt darum, die örtlich ver-
einigten Erscheinungen von Flora und Vegetation in ihren
besonderen Merkmalen, mit welchen sie für die verglei-
chende Erdkunde wichtig werden, kurz zusammenfassend
zu besprechen und die notwendigen botanischen Einzel-
heiten in eine einheitliche geographische Umrahmung zu
bringen. Die geologische Entwickelungsgeschichte der
einzelnen Florenbilder soll dabei nur kurz berührt, ihre
gegenwärtige Erscheinung zum Zielpunkt genommen wer-
den. Die derzeitige Anordnung der Flora ist uns ja auch
allein genügend bekannt, obgleich nur aus der Entwicke-
lung in vergangenen Perioden verständlich.
Verhältnis von Florenreichen zu Vegetations-
zonen. Für eine derartige Uebersicht ist die Anordnung
nicht unwichtig, zumal sie als weitere Grundlage benutzt
zu werden pflegt. Augenblicklich findet man die meisten
Zusammenfassungen den 24 Gebieten Grisebachs (V. d. E.,
Karte) folgend; ihr Nutzen liegt in ihrer geographischen
Abrundung begründet, welche ihre Verwendung bequem
macht. Ein ähnlicher Gang, wenngleich auf anderer
Grundlage beruhend, soll auch hier eingeschlagen werden.
Bisher haben wir zwei, wie selbständig nebenein-
[329]auf der Grundlage von Flora und Vegetation.
ander hergehende pflanzengeographische Einteilungsver-
fahren erklärt, nämlich die in Florenreiche und Vege-
tationszonen je nach dem systematischen oder nach dem
biologischen Charakter der Pflanzenwelt. Die darin liegende
Einseitigkeit macht beiderlei Einteilungen für zusammen-
fassende Uebersichten schwer benutzbar. Die in den
„Geographischen Mitteilungen“ von 1884 veröffentlichten
Karten meiner Florenreichseinteilung zeigen die Unbe-
stimmtheit der Grenzlinien in zahlreichen Wanderungs-
zügen und Ausbreitungsrichtungen, welche vom einen zum
anderen Florenreich hinüberleiten; längst hat man einge-
sehen, dass jeder Versuch, starre Grenzlinien festzusetzen,
in sich selbst zerfallen muss. Etwas besser sind bezüglich
der Grenzführung die Vegetationszonen daran, da sie sich
an wirklich vorhandene Beobachtungsobjekte halten, wie
z. B. an die äussersten Waldbestände gegenüber Moos-
tundren oder Sandsteppen, an die Grenzlinien von Palm-
wäldern, von immergrünen oder periodisch blattwechseln-
den Dikotylen. Es sind daher die unbestimmteren Floren-
reichsgrenzen durch diese viel bestimmteren der Zonen
zu ergänzen. Geschieht dies, so fällt damit auch die
grosse Unbestimmtheit fort, welche in der alleinigen Ver-
wendung von Vegetationszonen liegen würde, die gleich-
wohl auch schon in zusammenfassenden Uebersichten
versucht worden ist (vergl. oben S. 71). Denn es kommt
ja nicht nur darauf an, ob irgendwo Bäume, und ob
immergrüne oder blattwechselnde etc. Bäume dort wach-
sen, sondern ebenso sehr darauf, welcher systematischen
Genossenschaft dieselben angehören. Der Charakter
jeder Landschaft liegt ebenso in ihrer „Flora“,
wie in ihrer „Vegetation“. Mit Recht hebt Grise-
bach (V. d. E., Vorrede) hervor, dass die Dauer der
Vegetationsperiode, deren einzelne Phasen bestimmten
Werten der jährlichen Temperaturkurve entsprechen
müssen, eines der wichtigsten Verhältnisse sei, an wel-
ches das Wohngebiet der Pflanzen gebunden erscheine;
aber zum Charakter dieses Wohngebietes gehört ebenso,
an welchen Pflanzenformen, die dort zusammen sich ein-
gewöhnt haben, die periodischen Erscheinungen sich ab-
[330]Vegetationsregionen als Grundeinheiten
spielen, kurz gesagt: mit welchem Material die örtlichen
Vegetationsbedingungen in der Erzielung einer Pflanzen-
decke zu arbeiten gehabt haben. Darin liegt weiterhin,
dass die Kerne der gut charakterisierten Florenreiche auch
ihre einheitlichen Formationseigenschaften haben. Die-
selben können sich in den nördlich und südlich vom
Aequator in entsprechenden Klimaten liegenden Gebieten
sehr wohl analog verhalten, wie z. B. im Kaplande und
in gewissen Gebieten Ostasiens oder der Mittelmeerländer,
oder in Mexiko und Argentinien; aber dann ist das beider-
seits aufgewendete Material stets ausserordentlich ver-
schieden, die Formationen sind also nur einander analog,
nicht gleichartig.
Die Vegetationsregionen als natürliche Ein-
heiten. Es wäre sehr bequem, wenn Florenreichs- und
Vegetationszonen-Grenzen in ihren Hauptlinien zusammen-
fielen; dass es nicht der Fall sein kann, liegt in den ver-
schiedenen Bedingungen ihrer Absonderung begründet.
Die nördliche Baumgrenze ist z. B. ein wichtiger klima-
tischer Grenzwert, aber sie ist nicht einmal eine unan-
fechtbare Florengebietsgrenze, geschweige denn die
eines Florenreichs. An der Makassarstrasse liegt, wie
bekannt, wohl eine floristische Scheide mittelstarker Art,
doch nicht die Grenze zweier Vegetationszonen. Die Sa-
hara ist zonenmäßig ein sehr natürliches Gebiet, aber
floristisch ist sie vom mediterranen und vom tropisch-
afrikanischen Typus in Mischung besetzt, und so fort.
Das Zusammenfallen der auf die Flora und der auf die
Vegetationseigenschaften sich stützenden Abgrenzungen
kann daher erst im Rahmen kleinerer Länderbezirke
geschehen, welche etwa im Range von Florengebiets-
bezirken (siehe Fl. d. E. S. 6) stehen, und in denen
schwächere Abstufungen des Zonencharakters als klima-
tische Grenzwerte bestimmter Formationen zu Tage treten:
diese kleineren Einheiten sollen als Vegetations-
regionen bezeichnet werden, und sie sind gewissermaßen
die Grundeinheiten sowohl der Vegetationszonen als der
Florenreiche.
Von solchen Vegetationsregionen ist in den Florenkarten von
[331]für schildernde Pflanzengeographie.
Berghaus’ physikalischem Atlas (Bl. IV—VII, Text S. 4) er-
giebiger Gebrauch gemacht und ihre Darstellung zur Grundlage
der gesamten Florenbilder erhoben. Es ist dort folgende, auch
hier aufrecht zu haltende Begriffserklärung hinzugefügt: „Eine
Vegetationsregion ist ein durch das Zusammenfallen bestimm-
ter Vegetationslinien abgegrenztes Stück einer Zonenabteilung, in
welchem eine gleichmäßige Bodenbedeckung unter dem Vorwiegen
einer einzelnen, oder mehrerer durch zusammenfallende Vegeta-
tionsperioden eng aneinander geschlossener Formationen herrscht;
die Zusammensetzung dieser Formationen aus systematischen Sippen
und die dadurch hervorgerufene besondere Physiognomie hängt
von der Zugehörigkeit dieses Erdstückes zu einem bestimmten
Florenreich ab. Die Benennung der Regionen erfolgt nach den-
jenigen Arten oder Artgenossenschaften, welche in der am stärksten
entwickelten oder physiognomisch bedeutendsten Formation domi-
nieren, d. h. durch ihre Geselligkeit oder auch durch die Präzision
ihrer Vegetationslinie ausgezeichnet sind.“ Jede Region besitzt
ein einheitliches, wohl charakterisiertes Klima; sie sind daher zu-
nächst mit Köppens Wärmezonen (siehe oben S. 75) nach grossem
Maßstabe, dann aber mit Spezialdarstellungen wie in Supans
Physischer Erdkunde genau zu vergleichen.
Man ist vielfach gewohnt, die auf bestimmte For-
mationen begründeten physiognomischen Länderabteilungen
als „Zonen“ zu bezeichnen, sofern sie in der Ebene an-
einander grenzen, als „Regionen“ dann, wenn sie in Ge-
birgen übereinander folgen. Es ist aber auch in dem
letzteren Falle das Wort „Zone“ ebenfalls gebräuchlich.
Für die Sache ist der Name gleichgültig; in der Floren-
karte von Europa (Physik. Atlas Nr. 47) habe ich zum
Unterschiede gegen die folgenden die Trennungen roher
ausführenden Karten ebenfalls von beiden Worten, Zone
und Region, Anwendung gemacht, indem z. B. in der
„Zone der mitteleuropäischen Wälder“ eine „Nadelholz-
region“ und eine „Hochgebirgsregion“ ausgeschieden ist.
Bezeichnet man aber die grossen, klimatisch begründeten
Abteilungen der Länder als Vegetationszonen, so ist der
Name Region für deren Unterteile jedenfalls zur Unter-
scheidung zweckmäßig und bequem.
Benennung der Vegetationsregionen. Die an-
geführten Beispiele führen sogleich zu der Frage, in
welcher Weise die Namensgebung der erzielten Teile zu
erfolgen habe. Die günstigste wird diejenige sein, welche
am deutlichsten die Hauptformationen im Ausdruck mit
[332]Benennung der Regionen oder Zonen.
dem geographischen Länderteil verknüpft, aber es ist
nicht immer leicht, gut zu machen. „Südrussische Wiesen-
steppe“ z. B. ist ein kurzer und deutlicher Ausdruck;
„mitteleuropäische Waldregion“ ist viel weniger gut ge-
wählt, weil der Begriff „Mitteleuropa“ schwankt, noch
mehr aber, weil der betreffende Länderteil ausser den
Waldformationen auch noch zahlreiche andere, welche
ihn scharf von dem nördlich und südlich angrenzenden
Nachbar unterscheiden, in seinen Hügeltriften, Thal- und
Bergwiesen, Felspflanzenbeständen etc. besitzt, deren der
Hauptname keine Erwähnung thut. Noch bedenklicher,
weil die Möglichkeit falscher Auffassung freigebend, ist
das in der summarischen Floreneinteilung der ganzen
Festlands- und Inselgebiete von mir in Berghaus’ Atlas
Bl. 48—50 angewendete Verfahren, die einzelnen Re-
gionen nach einzelnen hervorragenden Vertretern in den
Hauptformationen zu benennen; denn weder sind diese
hervorragenden Vertreter überall innerhalb der nach ihnen
bezeichneten Region verbreitet, noch sind sie in deren
Grenzen eingeschlossen. Wenn z. B. der grösste Teil von
Skandinavien mit Finnland in diesem Verfahren als „Re-
gion von Betula glutinosa und Pinus silvestris“ bezeichnet
ist, so kann man dagegen bemerken, dass beide Bäume
ein ungemein viel grösseres Areal haben, als diese Region
anzeigt, und dass z. B. die Fichte auch ein Anrecht auf
Anführung im Titel Skandinaviens hätte, wie sie auch
thatsächlich nur der Kürzung zuliebe fortgelassen ist.
Diese Namen sind also nur bestimmt, auf den in den
Arten liegenden Florengebietscharakter überhaupt hin-
zuweisen, den unbestimmten Begriff des Waldes sogleich
in der kürzesten Weise ungemein zu verschärfen, und
gewissermaßen den Anfang einer Formationsliste mit
Angabe der vorherrschenden Arten darzustellen.
Diesen Anfang so zu vervollständigen, wie es sich für
ein ausreichendes Verständnis gehört, ist eine in diesem
Abschnitt unter den einzelnen Vegetationsregionen zu
lösende Aufgabe! Es sollen daher die im Sinne des fünften
Abschnittes allgemein abgegrenzten Vegetationsformationen
durch Hinzufügung der thatsächlich an Ort und Stelle
[333]Anschluss der Formationen zu höheren Einheiten.
bestandbildenden Arten nach dem Florengebietscharakter
vervollständigt werden; hinsichtlich der mit den Regionen
abgegrenzten Länderteile selbst wird es meistens genügen,
auf die Florenkarten des Physikalischen Atlas zu ver-
weisen, wenn auch nicht selten Verbesserungen in diesen
anzubringen wären.
Vegetationsregionen und -Formationen. Die
pflanzengeographischen Eigenschaften der weiten Land-
bezirke und Inselreiche der Erde, denen alsdann die
ozeanischen Küsten mit ihren Tangformationen folgen,
an die kleineren Grundeinheiten der Regionen schildernd
und erklärend anzuschliessen, ist auch von dem Gesichts-
punkte aus zweckmäßig, weil in ihnen die für die ver-
gleichende Erdkunde als wichtigstes Moment anerkannten
Vegetationsformationen sich auf einen natürlichen Unter-
grund stellen. Im Vordergrunde müssen die Formationen
bei jeder geographischen Behandlungsweise stehen; ihre
Gliederung aber, so wie sie im fünften Abschnitt voll-
zogen ist, schliesst das Unnatürliche der Trennung örtlich
vereinigter Bestände in sich. Es ist klar, dass z. B. die
mitteldeutschen Bergwälder, Bergwiesen, Matten und
Triften notwendig als etwas zur gegenseitigen Ergänzung
Bestimmtes zusammengehören, ebenso wie die tropischen
Regenwälder, Savanen, immergrünen Gebüsche etc. Die
Vegetationsregionen nun fassen das natürlich Zusammen-
gefügte auch wieder zusammen und stellen sich vielmehr
die Aufgabe, in den örtlichen Boden-, Bewässerungs-
und orographischen Verhältnissen den Schlüssel zu der
bestimmt auftretenden Formationsverteilung zu suchen.
Und sei es nochmals wiederholt: indem sie den allge-
meinen Charakter der grossen Vegationszonen im einzelnen
vertiefen, haben sie es mit den systematischen Typen des
an jener Stelle herrschenden Florenreiches zu thun; sie
spüren den Wanderungen der Pflanzen im Bereich pas-
sender Formationen nach, sie stellen die Arten nach ihrer
geographischen Zugehörigkeit zu „Florenelementen“ oder
zu „geographischen Genossenschaften“ zusammen.
Wie also die Hauptbestände, die in Abschnitt 5
allgemein geschilderten Vegetationsformationen, die grossen
[334]Haupt- und Einzelbestände.
Vegetationszonen der Erde durch ihre massenhafte Ver-
teilung charakterisieren, so die Einzelbestände oder
die Spezialformationen in ihrer besonderen Anordnung
jede natürliche Vegetationsregion.
In einem Aufsatz über die Mittel, welche diese Einzelforma-
tionen zur Charakterisierung einer natürlichen Vegetationsregion
bieten (Englers botan. Jahrb. XI, 21), und auf welchen ich hier
für weitere Vertiefung der Frage verweise, habe ich die Methode
an einer Gliederung der Bestände im mitteldeutschen Gebirgs-
und Hügellande vom Harz bis zu den Sudeten versucht. Es ist
dabei die Erklärung für „Einzelformation“ gegeben, dass darunter
im Rahmen der ganzen Vegetationsregion jeder selbständige,
einen natürlichen Abschluss in sich selbst findende Bestand be-
stimmter Vegetationsformen (Bäume, Sträucher, Gräser etc.)
zu verstehen ist, welcher aus bestimmten, dem Florengebietscha-
rakter entsprechenden Arten der Charakterfamilien des herrschen-
den Florenreichs sich zusammensetzt und durch das Zusammen-
treffen bestimmter klimatischer, sowie in der Bewässerung und in
dem Substrat begründeter Lokalbedingungen erhalten wird. Diese
Bedingungen halten die Scheidung der Spezialformationen auf-
recht, solange das hergestellte Gleichgewicht nicht durch äussere
Anlässe oder organische Schwäche der herrschenden Pflanzenarten
gestört wird; jeder Bestand bietet dadurch den sporadisch auftre-
tenden Arten besondere Standorte, deren Erhaltung eng mit der
Erhaltung, der Ausbreitung oder dem Verschwinden dieser For-
mation verknüpft ist.
Florenkunde und spezielle Pflanzengeogra-
phie. Aus diesen allgemeinen Bemerkungen lässt sich
beurteilen, dass die Florenkenntnis der einzelnen Länder
nur durch harmonische Verbindung des botanisch-syste-
matischen und des biologisch-geographischen Gesichts-
punktes erschöpfend erreicht werden kann; die Mehrzahl
der für die verschiedenen, weiten und engen Länder-
bezirke geschriebenen „Floren“ werden daher ihrer Auf-
gabe zur Zeit noch sehr einseitig gerecht, indem sie Be-
schreibungen der in diesem Bezirke vereinigten Pflanzen
nach der systematischen Klassifikation zusammenstellen.
Geographisch wird dadurch nur das zu weiterer Bearbei-
tung gebotene Material angedeutet, geleistet wird in dieser
Beziehung alsdann nichts. Es fehlt hier noch vielfach
der innere Zusammenhang zwischen der floristischen
Systematik und der biologischen Geographie, als wenn
beides ganz unzusammenhängende Dinge wären. Und
[335]Entwickelung der geographischen Florenkunde.
doch hat Linnees Flora Lapponica, welche im Jahre 1737
zum erstenmale eine „Flora“ im modernen Sinne schuf,
so vortrefflich schon auf die in einer solchen sich dar-
bietende Mannigfaltigkeit der Gesichtspunkte hinge-
wiesen, und aus demselben nordeuropäischen Gebiete ist
von Wahlenberg 1812 eine systematisch wie geographisch,
sogar kartographisch so wohl geordnete Flora erschienen,
dass es an rühmlichen Vorbildern für Europa frühzeitig
nicht gefehlt hat.
Der Fortschritt aber erfolgte nicht so geschwind,
wenngleich das genannte Beispiel nicht vereinzelt blieb.
Es musste nun erst die Pflanzengeographie sich zu einer
selbständigen Disziplin der Botanik entwickeln und den
Anschluss an die geographische Bedingtheit allgemein
gewinnen, um dann um so sicherer und mächtiger auch
die geographische Berücksichtigung in den Florenwerken
einzelner, grösserer oder kleinerer Gebiete zu erheischen.
Und wenn auch die geographischen Uebersichten der
Floren, der Zusammenschluss der Bestände zu den Haupt-
formationen, ihre Periodizität, die Verteilung biologischer
Vegetationsformen und deren besondere Anpassung an
Klima und Standort, noch vielfach weit hinter den syste-
matischen Uebersichten derselben Floren zurück sind, so
liegt das daran, dass ausserhalb der hohe Wissenschaft
treibenden Staaten meistens nur flüchtiger durchstreifende
Botaniker oder Reisende die Pflanzenschätze sammelten,
um sie in den wohlgeordneten Museen zu bearbeiten, wo
dann naturgemäß die morphologische Botanik viel besser
dabei wegkommen musste, als die biologische Seite und
die Gesamtanordnung der Formationen aus zum Teil
schwer zu entwirrenden, unbekannten Artgruppen.
Wenn dieser Zustand der Wissenschaft hier hervor-
gehoben ist, so geschieht es daher auch nur, um auf
bestehende Mängel, die inzwischen täglich mehr aus-
geglichen werden, aufmerksam zu machen. Am letzten
hat die spezielle biologische Forschung in aussereuropäi-
schen Ländern den Anschluss an die Geographie ge-
wonnen; solche Forschungen, wie sie Volkens in der
libyschen Wüste anstellte (siehe G. J. XIII, 338), sind
[336]Fortschritt der Florenkunde
am seltensten, bleiben aber sicherlich nicht lange ver-
einzelt.
Die Anordnung der herrschenden Pflanzenarten zu
Formationen hat auch schon über die ganze Erde hin, in
allen Florenreichen, von botanischer Seite stellenweise
Bearbeitung gefunden, wenngleich hier noch viel zu thun
übrig geblieben ist. Grisebach selbst als Schöpfer der
ausgesprochenen Anwendung von „Vegetationsformationen“
für die spezielle geographische Florenkunde, dann Kerner,
viele andere diesen folgend, in jüngerer Zeit Beck, haben
in Deutschland und Oesterreich, Christ in der Schweiz
diesem Gesichtspunkte ausführlich Rechnung getragen;
lange vor Grisebachs Veröffentlichungen hatte Martius in
den weiten Gefilden Brasiliens auf seiner Durchquerung
von Rio zum oberen Amazonas wohl als erster das Ma-
terial zu einer gründlich durchdachten Unterscheidung
tropischer Vegetationsformationen in aller Ausführlichkeit
gesammelt und war darin weit über Humboldts grund-
legende, schöpferische Ideen in botanischer Sachlichkeit
und in kartographischer Abtrennung bestimmter Vege-
tationsregionen hinausgegangen.
Um die Mitte des Jahrhunderts schuf Willkomm für
Spanien, Zollinger für Java, Hooker im Verein mit
Thomson aus dem Himalaya und aus dem fernen Süden,
Maximowicz aus dem Amurlande ein formationsmäßig
genau und vielseitig angeordnetes Vegetationsbild. Eine
Erdumsegelung brachte in den Vegetationsansichten der
Küstengebiete des Stillen Ozeans von Kittlitz Formations-
bilder hervor, welche den Geographen ihre Fruchtbarkeit
zur Charakterisierung der Landschaften, den Botanikern
das Interesse biologischer Anpassungsformen zeigen konn-
ten. Das Pflanzenleben des hohen Nordens, schon lange
mit Interesse von den Polarfahrern verfolgt, wurde in
seinen Beständen durch Middendorff im Taimyrland, durch
Richardson im arktischen Amerika zuerst enthüllt, denen
sich dann in jüngerer Zeit die herrlichen Arbeiten von
Kjellman bei der Vega-Expedition, durch Nathorst für
Spitzbergen, durch Warming für Grönland, durch Holm
in der Dijmphnaexpedition fruchtbar anschlossen. Die
[337]in den verschiedenen Ländern der Erde.
speziellsten Formationsschilderungen überlieferte aus Lapp-
land Hult. Aus Argentinien brachte Lorentz mit den
ersten reichen floristischen Sammlungen zugleich die Kunde
der Vegetationsregionen und die in ihnen herrschenden
Bestände; von einem weniger speziell-botanischen Ge-
sichtspunkte aus schuf ein entsprechendes Bild vom tro-
pischen Afrika die Loango-Expedition. In der Waldflora
Indiens entwickelte Kurz aus gründlichen Studien die
Hauptzüge der dortigen Regenwald- und trockenen Hügel-
waldformationen, während Brandis die Kenntnis des Hi-
malaya und Vorderindiens auf klimatologischer Grundlage
pflanzengeographisch vervollständigte. Bolus brachte im
Verein mit anderen Forschern Klarheit in die südafrika-
nische Vegetationsgliederung. In neuester Zeit beginnen
die Russen ihr ungeheures Ländergebiet in sehr gründ-
licher Weise floristisch zu durchforschen, wobei inter-
essante Vegetationsbilder aus den Steppenformationen, aus
den centralasiatischen Gebirgen und aus dem nordischen
Waldgebiet hervorgehen. Die Surveys in der Union haben
zu ausgezeichneten Einteilungen in Vegetationszonen für
Nordamerika auf Grund der herrschenden Bäume geführt;
originelle pflanzengeographische Arbeiten der Japaner
vervollständigen die bis dahin von Europäern über ihr
Land vermittelte Florenkenntnis. Selbst die ozeanischen
Formationen werden jetzt in Europa und im hohen Norden
gründlich erforscht.
So herrscht also ein kräftiges Leben auf diesem Ge-
biet der Wissenschaft, welches noch viel deutlicher als
aus der vorhergehenden aphoristischen Skizze, aus den
den einzelnen Länderbezirken voranzustellenden Litteratur-
angaben ersichtlich sein wird, die häufig auf die pflanzen-
geographischen Berichte im Geographischen Jahrbuch hin-
weisen.
Methode der Schilderung pflanzengeographi-
scher Charaktere. Es muss als eine hohe wissen-
schaftliche Aufgabe der Pflanzengeographie angesehen
werden, dass sie nach Feststellung der allgemeinen Prin-
zipien, wie sie etwa hier in Abschnitt 1—5 entwickelt
sind, die Quellenlitteratur über die verschiedenen Länder
Drude, Pflanzengeographie. 22
[338]Darstellung der Vegetation der Erde.
unter einheitliche Gesichtspunkte zusammenfasst und im
Bewusstsein der ausgesprochenen Prinzipien die allge-
meinen Fragen für den Umkreis der Erde aus den in
verschiedenartigster Weise angestellten Einzelforschungen
zu lösen versucht, dadurch die spezielle Pflanzengeographie
auf einheitlichen Grund stellend.
Hierfür gibt es ein leuchtendes Werk als Muster,
die auch schon in den vorhergehenden Abschnitten oft
genannte Vegetation der Erde von Grisebach. Ihr Ver-
fasser hat mit ihr eine damals bestehende Lücke der
ganzen pflanzengeographischen Litteratur ausfüllen wollen
und vielfach hervorgehoben, dass er nur ein klimatisches
Pflanzengemälde der Erde damit beabsichtigt habe. Zu
diesem hat er aber auch eine staunenswerte Fülle von
Stoff zusammengetragen und zu einem einheitlichen Bilde
umgestaltet. Es kann hier nicht Absicht sein, eine zweite
„Vegetation der Erde“ auf so breitem Grunde aufgebaut
zu entwerfen; es wird im Gegenteil eine kürzere Zu-
sammenfassung ähnlicher Art, und auf die im ersten Teile
dieses Handbuches ausgesprochenen Prinzipien und voll-
zogenen Einteilungen gestützt, dem Bedürfnis besser ent-
sprechen und zum Studium des umfangreicheren Werkes
von Grisebach, sowie der zahlreichen für die einzelnen
Länder zu nennenden Quellenschriften anregen.
Hierbei soll folgender Gang eingeschlagen werden:
Die Länder werden geographisch so zusammengefasst,
dass sich in dieser Zusammenfassung die wesentlichsten
Florenreichs- und Vegetationszonen-Charaktere gemeinsam
wiedergeben lassen; die Reihenfolge soll dieselbe sein,
wie sie in den Berichten über die Fortschritte der
Pflanzengeographie im Geographischen Jahrbuch seit dem
Jahre 1887 getroffen ist, in welcher zuerst alle arktisch-
borealen und boreal-subtropischen Florengebiete abge-
handelt werden, und dann die tropischen mit Anschluss
der subtropisch-australen Gebiete an das jedesmalige kon-
tinentale Tropenreich folgen. Als natürliche Einheiten,
vergleichbar den Gruppen vom Range natürlicher Familien
in dem grossen Pflanzensystem, stehen die „Vegetations-
regionen“ da.
[339]Litteratur über Kulturpflanzen.
Nach der Generalübersicht über jede Ländergruppe,
denen schliesslich die Uebersicht des Pflanzenlebens der
Ozeane folgt, mit Angabe der dort entwickelten Floren-
reiche und Hauptzonen, erfolgt eine Haupteinteilung in
Hinsicht auf Absonderung der Florenelemente und Ver-
änderung der Vegetationsbedingungen in der Länge und
der Art des Abschlusses der jährlichen Periode.
Nur flüchtig kann bei dieser Fülle des Stoffes aus-
fallen der Einblick auf die Kulturfähigkeiten und die
Veränderungen, welche der Mensch in der an die natür-
lichen Formationen gebundenen Flora vollzogen hat. Es
sei daher sogleich hier dreier in gegenseitiger Ergänzung
wirksam dastehender, für die interessanten Heimatserörte-
rungen und botanische Unterscheidung der alten mensch-
lichen Kulturpflanzen ausführliche Untersuchungen
enthaltender Handbücher und Abhandlungen gedacht,
welche diesen Gegenstand zur Zeit so vollständig als mög-
lich zusammenfassen, so dass den in ihnen gebotenen
Gesichtspunkten in unserer kurzen Darlegung ein neuer
nicht hinzuzufügen war: A. de Candolle schrieb als eigenes
Handbuch im Jahre 1883 Origine des Plantes cultivées,
welches Goeze mit dem Titel „Der Ursprung der Kultur-
pflanzen“ 1884 übersetzte (siehe G. J. X, 152). Höck
gab eine Broschüre im gleichen Jahre heraus: Die nutz-
baren Pflanzen und Tiere Amerikas und der Alten Welt,
verglichen in Bezug auf ihren Kultureinfluss; und Witt-
mack schrieb in Neumayers Anleitung zu wissenschaft-
lichen Beobachtungen auf Reisen, Band II, den Artikel
über Landwirtschaftliche Kulturpflanzen in systematischer
Gliederung. Inwieweit die natürlichen Vegetationszonen
der Verbreitung bestimmter Kulturpflanzen Raum geben,
zeigt die Karte 8 der pflanzengeographischen Abteilung
in Berghaus’ physikalischem Atlas.
Kapitel II.
Die borealen Florenreiche.
Allgemeine Uebersicht. Die weiten Länder- und
Inselgebiete der nördlichen Glacial-, winterkalten und
[340]Die borealen Floren.
sommerheissen Zone, also Gebiete mit vorwiegender Wald-
bedeckung von sommergrünem oder gegen Süden lederig-
immergrünem Laube, ebensolchen Gebüschen, Gras- und
Staudenfluren, sommerdürren Steppen und im Norden mit
Moos- und Flechtentundren, alle bevölkert von den bo-
realen Charaktersippen, werden hier zuerst zusammengefasst.
Die zu der borealen Florengruppe zugerechneten
Länder zeigen eine, die fünf verschiedenen Florenreiche
teilweise recht deutlich verbindende Gleichförmigkeit des
Charakters nicht nur in dem Vorherrschen derselben Ord-
nungen und Tribus, sondern auch noch darin, dass eine
verhältnismäßig grosse Anzahl von Gattungen entweder
einen bestimmten Breitengürtel über die Ozeane hinweg
zum Areal hat, oder dass andere Gattungen wenigstens
mehreren ausserdem viel endemische Elemente besitzen-
den Florenreichen gemeinsam sind; die Arten sind dabei
meistens repräsentativ, seltener in verschiedenen Floren-
reichen ganz oder nahezu identisch.
Von Beispielen der letzteren Gruppe, wo Gattungen gleiche
oder nahe verwandte Arten in allen oder mehreren der Floren-
reiche haben, sei auf Castanea vesca (siehe in Abschnitt 4, S. 191)
wiederholentlich verwiesen. Aehnlich verhält es sich mit den
borealen Buchen. Viel häufiger sind Erscheinungen wie bei den
Eichen, wo jedem natürlich abgegrenzten Gebiet, welches viel
kleiner als eines der Florenreiche ist, seine eigenen oft zahlreichen
Arten angehören (siehe oben S. 190—191).
Als Resterscheinungen einer vormaligen weiteren Verbreitung
gibt es dann zahlreiche Gattungen oder Gattungssektionen, welche
in weit entlegenen Ländern Arten von meist grosser Arealbedeu-
tung haben; in der botanischen Nomenklatur sind solche Arten
mehrmals als occidentales und orientales unterschieden, wie Pla-
tanus occidentalis im mittleren Nordamerika und P. orientalis am
Kaukasus, Thuja etc. Während sich diese Erscheinung unter
entsprechenden Breiten auf der südlichen Erdhälfte nicht wieder-
holt, fehlt dagegen die dort das Interesse fesselnde Erscheinung
hier, dass eine Fülle abgeschlossener Formenkreise auf kleine
Landstriche zusammengedrängt sind. Die Verbindung in der alt-
geologischen Besiedelungsgeschichte hat dafür gesorgt, dass die
endemischen Elemente sich in gleichen Ordnungen abspielen, und
nur seltener sind kleine Ordnungen auf ein Florenreich beschränkt,
wie z. B. die Sarraceniaceen und Lennoaceen im subtropischen
Nordamerika.
In Hinsicht auf diese Thatsache beanspruchen daher
[341]Repräsentative Arten der borealen Gruppe.
ein besonderes Interesse die mit vielen repräsentativen
Arten ganze Gürtel der borealen Florengruppe belegenden
Gattungen, zumal wenn es möglich ist, den geologischen
Ursprung einigermaßen sicher festzustellen. Denn es ist
bisher immer mit ziemlicher Gewissheit das Resultat zu
Tage getreten, dass diese Gattungen einen Ursprung im
höheren Norden hatten; diejenigen, welche in den älteren
Tertiärperioden von dort aus ihre Wanderung antraten
oder vollendeten, sind dann wohl alle bis zu den Süd-
grenzen der borealen Florengruppe gelangt und teilweise
noch subtropischen Charakters, daher empfindlich gegen
die Winterfröste des Nordens. Andere wieder, deren
Wanderung jüngerer Periode ist, meiden die subtropisch-
borealen Florenreiche (Mediterran-Orient, China-Japan,
mittleres Nordamerika) und haben nur im nordischen
Florenreich eine weite Heimat gefunden, sind hier auch
vielfach schon mit gleichen Arten von Europa bis Sibirien
und Kanada anzutreffen; die jüngsten Formen endlich
sind arktisch-glacial und zeigen die Verbreitung gleicher
Arten oder nächster Verwandten rings um den Pol. So
lassen sich in den Ländern der borealen Florenreichs-
gruppe Gattungsareale kartographisch darstellen, welche
mit zunehmender Breite stets mehr identische Arten auf-
weisen.
Als gutes Beispiel für eine solche gemäßigte Baumgattung
arktotertiären Charakters sei das Areal der Ahornbäume angeführt,
dessen systematisch-geographische Gliederung von Pax monogra-
phisch behandelt ist (siehe G. J., XI, 109). Die 80 Spezies von
Acer sind sämtlich Bewohner der Gebirge der borealen Floren-
reiche, am zahlreichsten im mediterran-orientalischen und ostasia-
tischen Florenreiche, sowie inmitten beider am Himalaya, endlich
im atlantischen Gebiete des mittleren Nordamerikas. Von den
6 mitteleuropäischen Arten betrachtet Pax keine als endemisch,
da sie alle auch auf den Gebirgen der Mittelmeerländer vorkommen;
hier liegt jedoch das Kriterium in der geographischen Abgren-
zungsfrage selbst, da die höheren Bergregionen in Südeuropa alle-
samt ein Gemisch mitteleuropäischer und ortsansässiger Vegetation
zeigen; jedenfalls haben sie sich aus gemeinsamem Stamme mit
den südeuropäischen 9 endemischen Acer-Arten abgeschieden, am
reichsten ist die Balkanhalbinsel geblieben. Turkestan besitzt
unter 4 Arten 3 endemische; der Himalaya hat fast alle seine
12 Arten endemisch erhalten, nur eine ist eine stärkere Varietät;
[342]Die Gattung Acer als Beispiel.
aber hier ist die gewöhnliche Scheidung in westliches und öst-
liches Gebirge auch bei dieser gemeinsamen Gattung ausgeprägt,
indem nur 3 Arten über das ganze Gebirge verbreitet sind. Von
den 13 Sektionen der Gattung gehören 7 mit der stattlichen Zahl
von 20 Arten Japan allein an; 4 Arten charakterisieren den nörd-
lichen, 14 den südlichen Typus, ähnlich wie in Europa, und diese
zeigen stärkere Verwandtschaft sowohl zum Himalaya und Central-
asien als auch zum mittleren Nordamerika, da dessen pacifische
Länder 2 Sektionen, die atlantischen Staaten dagegen eine Art
mit Japan gemeinsam haben. Japan stellt sich also in den Mittel-
punkt der Acer-Systemgruppierung. — Die fossilen Funde der
Gattung haben dem Verfasser nach Ausschluss der mangelhaft er-
haltenen doch schon 8 Sektionen als in der Tertiärzeit vorkom-
mend erwiesen; sie beginnen im unteren Tertiär, werden im Miocen
häufiger und entwickeln im oberen Tertiär eine Reihe die jetzige
Lebewelt repräsentierende Formen. Dabei wird der circumpolare
Ursprung bestimmt erwiesen: „im Oligocen lebte auf Grönland,
Island, Spitzbergen eine reiche Ahornflora, welche im Miocen um
viele Breitegrade südwärts gewandert ist; im Pliocen erscheint
diese Südwanderung noch vollkommener. Während der Tertiär-
zeit war die Verbreitung der einzelnen Arten eine ziemlich gleich-
mäßige und bleibt es bis durch das Pliocen; eine weitgehende
Störung derselben hat demnach erst nach dieser Periode stattge-
funden, deren Ursachen also mit grosser Wahrscheinlichkeit in
dem Beginne der Eiszeit zu suchen sind.“ Die Blätter der Ahorn-
arten lassen sich mit verhältnismäßiger Deutlichkeit auch im
fossilen Zustande erkennen; es ist daher das Beispiel zugleich als
eines jener Fundamente aufgeführt, auf welche unsere florenent-
wickelungsgeschichtlichen Anschauungen der borealen Florengruppe
zurückgreifen.
Geologische Florenentwickelung. Die Einheit-
lichkeit im allgemeinen Charakter der Flora dieses weiten
Länderkreises vom Nordpol bis zur Nordgrenze der Tropen
(„Einheitlichkeit“ natürlich nur in Hinsicht auf die herr-
schenden Familien, auf viele Gattungen und vereinzelte
Arten aufgefasst), lässt sich geologisch auf zwei Haupt-
umwälzungen zurückführen, welche die allgemeine vor-
tertiäre, unbestimmter ausgeprägte Flora abgelöst haben:
Im älteren und mittleren Tertiär begann ein neues Floren-
element vom hohen Norden her, wie es scheint sehr
gleichmäßig sowohl in Amerika als in Asien und Europa,
südwärts sich zu verbreiten und einen Stamm der jetzigen
borealen Florengruppe zu bilden; dieses Florenelement
bezeichnen wir mit Engler als „arktotertiär“, und das-
selbe musste nach allgemeinen descendenztheoretisch be-
[343]Zwei Hauptentwickelungsperioden im Tertiär.
gründeten Regeln an den geographisch weit getrennten
Südmarken ein je den eigenen Entwickelungsbedingungen
entsprechendes Gepräge bei langer Fortentwickelung an-
nehmen. Es haben nun Nordenskjölds und Heers Unter-
suchungen gezeigt, dass sich innerhalb der arktischen
Zone schon im älteren Tertiär zwei etwa durch den 75.° N.
geschiedene Unterzonen unterscheiden liessen, von denen
die südlichere noch viele Verwandte der sich auf die
Tropen allmählich beschränkenden Stammflora enthielt, die
nördlichere dagegen boreal im strengeren Sinne war (vergl.
Penck in den Verhandl. des 5. deutschen Geographen-
tages, Berlin 1885). Es fehlen ja auch noch heutigen
Tages die Palmen, Lauraceen, Myrtaceen, Ficus nicht
ganz in den Ländern der boreal-subtropischen Zone.
Dem südlicheren Gürtel gehört die Miocenflora von Mittel-
europa und die ostasiatische vom Amur bis Japan und
China an; sie findet, wie es scheint, noch jetzt-lebende
Abkömmlinge am zahlreichsten in Virginien, Georgia,
Carolina. Der nördliche Gürtel scheint dagegen die Stamm-
flora zu den Typen des jetzigen circumpolaren nordischen
Florenreichs geliefert zu haben.
Es folgte dann die zweite Hauptumwälzung im
Pliocen und vollendete sich während der Eiszeit, nach deren
Schluss die Areale bis zu den neuesten Eingriffen mensch-
licher Kultur im wesentlichen ihre, jedoch nach kleineren
klimatischen Perioden schwankende Gestalt wiedergewonnen
oder neu angenommen haben. Die Pflanzensippen der ge-
nannten nördlichen Polarzone breiteten sich nun südwärts,
die ältere arktotertiäre Flora verdrängend, aus und be-
setzten die nördlichen Kontinente als zusammenhängende
Masse. Dadurch waren die Verbindungen der subtropi-
schen Klimate, die ja nur im hohen Norden auch über
die Ozeane hinweg bestanden haben, gestört, und indem
einerseits die Erhebung mancher Hochgebirge, andererseits
die Veränderung in der inneren Gliederung Asiens nach
Land und Wasser Südeuropa und den Orient sowohl vom
Norden, als auch von Ostasien abtrennte, war dadurch
der Entwickelung eigener Wüstensteppenformen in Central-
asien ein breites Feld gegeben; die Subtropen der Alten
[344]Zunahme der Sippenverwandtschaft nach Norden.
Welt zerfielen dadurch in drei Hauptteile, das mittlere
Nordamerika, vom rein borealen Kanada weniger scharf
durch Gebirgsgrenzen abgehoben, entwickelte sich zwar
sehr ähnlich wie die Alte Welt, doch vermochten sich auf
den engeren Räumen die selbständigen Sippen der Wüsten-
steppen nicht so vielfältig, die Sippen des Ostens und
des schmalen Westens (zu dem das nördliche Mexiko mit-
gehört) sich nicht so völlig getrennt voneinander zu ent-
wickeln wie in der Alten Welt, und es blieb daher hier
ein gemeinsamer, arktotertiär-amerikanischer Charakter
gewahrt.
So erklärt es sich, dass verwandte Gattungen gleicher
Ordnungen, dann in grösserer Verwandtschaft Gattungs-
genossen, endlich gleiche Arten ihre Areale in der bo-
realen Florengruppe als Symbole dieser Florenentwicke-
lung aufeinander folgen lassen, von denen nur die jetzt süd-
lichsten Areale Beziehungen zu tropischen Sippen zeigen.
Die Palmen z. B. haben ihre Vertreter in den Coryphinen
mit Chamaerops im Mediterrangebiet, Trachycarpus im
Himalaya und Ostasien, Rhapis in China-Japan, Rhapido-
phyllum in Georgia; Myrtus communis, Laurus nobilis,
Ficus carica sind als einzelne Arten Vertreter tropischer
Ordnungen im Mediterran- und orientalischen Florenreich.
So charakteristisch sie dort sind, die Hauptmasse der Flora
bilden sie längst nicht, und an ihren Nordgrenzen heben
die Gebiete an, in denen der arktotertiäre und boreale,
der jung-arktische Typus zur alleinigen Entwickelung
gekommen ist. Von dem ersteren Element sind manche
Gattungen, wie die Ahornbäume, in mittleren Breiten am
ausgedehntesten entwickelt, gehen nicht bis an die Süd-
grenzen der borealen Gruppen, sind aber auch aus dem
kühleren Norden verdrängt. Andere Gattungen, z. B.
Ranunculus, Silene, haben sich im höchsten Norden wie
in den Staudenformationen der warmen Gebiete ansässig
gemacht; wieder andere, die Fichten z. B., Lärchen und
Birken, zeichnen den auf die kalte arktische Zone folgen-
den Landgürtel in allen drei Kontinenten aus, und gewisse
arktische Areale gehen nur wenig über den Polarkreis
südwärts hinaus. Je höher nach Norden, desto mehr
[345]Fünf boreale Florenreiche.
gemeinsame Gattungen und Arten finden sich circumpolar
in allen drei Kontinenten; je weiter nach Süden, desto
stärkere Differenzen langandauernder eigener Floren-
entwickelung finden sich mit den Ueberresten der tropi-
schen Verwandtschaft.
Wir können daher das Gesagte in folgende Sätze
zusammenfassen: 1. Ein an geologischem Alter jüngstes
Florenelement, das arktische, ist im höchsten Norden rein
entwickelt und vermischt sich gegen die Grenzen der
Subtropen hin stets mehr mit dem arktotertiären Floren-
element; die in dieser Weise besiedelten Länder und
Inseln bilden das „Nordische Florenreich“. Im hohen
Norden bildet dasselbe ein allen Kontinenten und ark-
tischen Inseln gemeinsames Florengebiet; seine südlicheren
Zonen zeigen immer mehr die alten Kontinentalabsonde-
rungen und führen dadurch zu einer Mehrzahl verschie-
dener Gebiete, die ganz allmählich oder plötzlich von den
boreal-subtropischen Florenreichen abgelöst werden.
2. Das arktotertiäre Florenelement ist während der längeren
abgeschlossenen Entwickelung in vier selbständigen Floren-
reichen ausgeprägt, welche verwandtschaftlich in ver-
schiedenem Grade unter sich und mit dem nordischen
Florenelement zusammenhängen. Das erste ist das
atlantisch-mediterrane, das zweite das pontisch-
orientale (innerasiatische), das dritte das ostasiati-
sche, das vierte das nordmexikanisch-kalifornisch-
virginische Florenelement. 3. Von den vier letzt-
genannten Florenelementen ist das erste mit dem zweiten,
und das dritte mit dem vierten durch grössere Verwandt-
schaft ausgezeichnet. 4. Die Reinerhaltung des arkto-
tertiären Elementes, oder die Einmischung des jüngeren
borealen, oder umgekehrt, führt zu Formationen und Vege-
tationsregionen von geschiedenem Charakter; im allge-
meinen sind die Hochgebirge der subtropischen Floren-
reiche von borealen Vegetationsregionen mit sogar ark-
tischen Besiedlern eingenommen.
In den „Florenreichen“ (Ergänzungsheft 74 der G. M., S. 36
bis 37) ist in drei Gruppen nach der eben angeführten grösseren
Verwandtschaft der Länder zu einander eine ausführliche Tabelle
[346]Charakter des Nordischen Florenreichs.
über die arktisch-boreal-subtropischen Ordnungen zusammengestellt,
auf welche hier verwiesen wird, um Wiederholungen zu vermeiden.
Diejenigen borealen Ordnungen aber, welche den tropischen und
australen Florenreichen gänzlich fehlen oder nur in diesen Ländern
als jüngere Einwanderer auf und von Gebirgen zu betrachten
sind, findet man a. a. O. S. 30—31 zusammengestellt.
Nordisches Florenreich. Diese rings um den
Nordpol ausgebreitete, alle nördlichen Gebiete der drei
Kontinente und alle nordische Inseln umfassende Länder-
masse von gewaltigem Umfang besitzt eine so reichhaltige
Gliederung in ihrem Aufbau und Verschiedenheiten in
ihrem Klima, wie keine andere der sechs Gruppen, weist
aber dennoch in ihren nördlichen Gebieten und in ihren
waldreichen Gebirgsländern stets denselben Grundton der
Flora auf. Das Pflanzenkleid des hohen Nordens ist noch
auf allen Hochgebirgen über den Regionen der grössere
Wärme liebenden Pflanzengenossenschaften in gleicher
Physiognomie und mit teilweise noch gleichen Arten ver-
treten; in den Wäldern herrschen nicht sehr zahlreiche
Ordnungen und Gattungen mit gleichartigem Typus in
sehr grosser Individuenzahl derselben Arten, um es kurz
zu sagen: Zapfen- und Kätzchenbäume als gesellige Ge-
nossenschaften; die Pflanzen der Gras-, Steppen-, Wiesen-
und Moor-, Heide- und Felsformationen gehören wiederum
zu solchen Ordnungen und Gattungen, von denen andere
Arten oder Verwandte auch im Schutze der Wälder
gedeihen, oft selbst den hohen Norden schmücken.
Es mögen hier die Ordnungen vorangestellt werden,
welche die Waldbäume für diese gesamte Ländergruppe
liefern, und zwar in einer ihrer Wichtigkeit entsprechen-
den absteigenden Reihenfolge:
a) Gesellige Bäume.
- 1. Coniferen: Abietineen; gesellig Pinus, Larix, Picea, Abies
(Kiefer, Lärche, Fichte, Tanne; siehe oben S. 182). - 2. Cupuliferen: gesellig Quercus, Fagus (Eiche, Buche);
zerstreut Carpinus, Castanea in den südlicheren Ländern der
Gruppe. - 3. Betulaceen: gesellig Betula (Birke), zugleich in Strauch-
arten charakteristisch für den hohen Norden oder Gebirgsregionen;
Alnus (Erle) meist auf Sumpfboden gesellig. - 4. Salicineen: seltener gesellig, meist zahlreich zerstreut
[347]Waldbäume liefernde Ordnungen.
Salix und Populus (Weide und Pappel); die Weiden sind mit sehr
viel mehr Straucharten oder kriechend hingestreckten Halbsträuchern
in den kühleren Gegenden der ganzen Ländergruppe verbreitet.
b) Zerstreut wachsende, selten kleinere Stellen
gesellig bedeckende Bäume.
- 5. Ulmaceen: Ulmus, Rüster.
- 6. Sapindaceen, Unterordnung Acerinae: Acer, Ahorn.
- 7. Tiliaceen: Tilia, Linde.
- 8. Oleaceen: Fraxinus, Esche.
c) Zerstreut oder gesellig wachsende Sträucher von grösserer
Wichtigkeit, abgesehen von den unter den Bäumen schon genannten
Ordnungen.
- 9. Caprifoliaceen: Lonicera, Sambucus, Viburnum, Sym-
phoricarpus etc. - 10. Pomaceen und Amygdalaceen: Pyrus, Crataegus,
Prunus (Apfel- und Birnbäume, Weissdorn, Kirsche). - 11. Rhamnaceen, Celastraceen, Ilicineen: Rhamnus,
Evonymus, Ilex. - 12. Cornaceen: Cornus. — Die drei folgenden Ordnungen
berühren das Florenreich mit folgenden Gattungen: - 13. Elaeagnaceen: Hippophaë; Elaeagnus, Shepherdia
(Sanddorn, Oelweide). - 14. Myricaceen: Myrica.
- 15. Oleaceen: Ligustrum, Syringa.
Die Zahl derjenigen Ordnungen, welche einen nennens-
werten Beitrag zu den Hölzern oder hohen Sträuchern
liefern, ist also sehr klein. Unter den Bäumen sind nur die
Nadelhölzer immergrün; fast dasselbe gilt von den Sträu-
chern. Immergrün sind dagegen viele Halbsträucher. —
Ausser den Salicineen und Betulaceen fehlen alle hier
genannten Ordnungen in dem nördlichsten Gebiet des
Florenreichs, in der arktischen Flora; von dorther haben
sie aber ihren wahrscheinlichen Wanderungsweg betreten,
sind also nur durch klimatische Verhältnisse ferngehalten.
Die arktischen Charakter-Halbsträucher und Stauden wer-
den unter der ersten Vegetationsregion genannt werden.
Atlantisch-mediterrane und pontisch-central-
asiatische Flora. In den schon recht erhebliche Ver-
schiedenheiten in sich zeigenden Floren von den Canaren
bis Turkestan und Tibet ist doch wenigstens eine ge-
meinsame Grundlage in den baumbildenden Familien und
andererseits in dem Charakter der Steppenformationen,
[348]Die boreal-subtropischen Florenreiche
welche aus dem Innern Asiens sich bis nach Spanien
ausdehnen und den Nordteil der Sahara floristisch an
diese Ländergruppe binden. Ausser den eben genannten
nordischen Baumordnungen, welche mindestens auf den
Gebirgen der Subtropen vom Atlas bis Thian-schan und
oberen Himalaya wiederkehren in anderen Arten, Sek-
tionen und Gattungen, und unter denen nunmehr die
Eichen eine Hauptrolle spielen, gibt es hier arktotertiäre
Reste wie Platanus und Liquidambar, Juglans und Ptero-
carya, Celtis und Morus, die Oleaceen sind an Masse viel
bedeutender geworden, Styrax und Diospyros treten zu
baumartigen Eriaceen (Arbutus) hinzu, die Anacardiaceen
haben in Pistacia und Rhus ihre Vertreter, die Rosaceen-
bäume (Pyrus, Cydonia, Amygdalus etc.) stellen sich
neben solche von Leguminosen (Anagyris, Cercis, Cera-
tonia, Gleditschia, Sophora).
Die Leguminosen sind in den einer genaueren Schätzung
fähigen Gebieten der Flora orientalis von Boissier (s G. J., Bd. XI,
S. 125) überhaupt die artenreichste Ordnung mit gegen 1800 Arten,
von denen allein etwa 800 Arten auf Astragalus kommen, die
durch die Tragantsträucher so berühmte orientalische und süd-
europäische Gattung; 200 ganz andere Arten derselben sind nord-
amerikanisch, einige wenige boreal-arktisch. Von anderen Cha-
rakterordnungen sind besonders noch die Plumbagineen mit Acan-
tholimon, die Polygoneen, unter den Compositen Centaurea und
Cousinia zu nennen, Silene und Dianthus und Gypsophila unter
den Caryophylleen.
Ostasiatische und mittel-nordamerikanische
Flora. Es ist ein zuerst durch Miquel in einem Aufsatz
der Archives néerlandaises (Bd. II: Sur les affinités de
la Flore du Japon avec celles de l’Asie et de l’Amérique
du Nord) und Asa Gray (Relations of the Japanese Flora
to North Amer. etc.) in den Memoirs Amer. Acad. Sc. VI,
377, 14. Dezember 1858 der Wissenschaft überlieferter und
dann von Asa Gray sehr fruchtbar erweiterter Gesichts-
punkt, dass die ostasiatische und nordamerikanische, be-
sonders von Florida bis Virginien in Nordamerika ausge-
prägte Flora miteinander grosse Verwandtschaft zeigen,
welche darin ihren Grund hat, dass hier an den sub-
tropischen Ostküsten beider grosser borealer Kontinente
die alte Miocenflora in zahlreichen, sonst weniger weit
[349]und ihre Charakterfamilien.
verbreiteten Gattungen sich erhalten hat. Dadurch wird
ein sehr reichhaltiges Gemisch zumal in die Bestände
der kleineren Bäume und hohen Sträucher herbeige-
führt, indem den Coniferen, Cupuliferen und Betulaceen
auch sommergrüne Lauraceen, immer- und sommergrüne
Magnoliaceen, Ternströmiaceen, Sapindaceen auch ausser
Ahornbäumen, Bignoniaceen, Diospyros, Styraceen, Zan-
thoxylaceen, Schizandreen, Lardizabaleen etc. zugefügt
werden; die Leguminosen und andere unter der medi-
terran-orientalischen Ländergruppe genannte Familien
oder Gattungen, z. B. Gleditschia, Morus, Juglans, fehlen
ebenfalls nicht. Von dem grossen endemischen Reich-
tum an Coniferen und Cupuliferen in Ostasien und Nord-
amerika (Coniferen besonders westlich der Rocky Mts.)
ist schon oben (S. 183 und 191) die Rede gewesen;
speziellere Angaben werden unter den einzelnen Vege-
tationsregionen folgen.
Bezüglich des allgemeinen im mittleren Nordamerika herr-
schenden Florencharakters sei auf die treffliche Abhandlung von
Asa Gray „Characteristics of the North American Flora“, 1884,
verwiesen, über welche das Geograph. Jahrbuch 1886 (XI, 131—333)
ein eingehendes Referat gebracht hat.
1. Arktische Inseln und Eismeerküsten.
Hervorragende Litteratur. Allgemeine und systema-
tische Florenübersichten: Hooker, Outlines of the Distribution of
Arctic plants in Transactions of the Linnean Society Bd. 23 (1861).
Martens, Ueberblick über die Flora Arctica in Denkschriften der
Regensburger bot. Gesellsch. 1859. Martins, Du Spitzberg au
Sahara, 1866. Heer, Die Polarländer und Flora fossilis arctica,
1868 (s. Grisebach, Abhandl. S. 373 und 496). Grisebach, Veget.
d. Erde Bd. 1, Abschn. I. Engler, Entwickelungsgesch. der Pflanzen-
welt Bd. 1, Kap. 14. Warming, Tabellarisk Oversigt over Grön-
lands, Islands og Faeroernes Flora (siehe Geogr. Mitteilgn., Litte-
raturbericht 1888, Nr. 483). Kjellman, Ur polarväxternas lif
(Nordenskiölds Studier 1884, siehe G. J., XI, 115).
Spezielle Florenkunde: Lange, Conspectus Florae Groenlandicae
1880 und Suppl.; Studien über Grönlands Flora in Botan. Jahrb.
f. Syst. I, 459. Hart, Botany of British Polar-Exped. 1875/76 (siehe
G. J., IX, 161). Bessels, Scientific Results of the Arctic Exped.
„Polaris“; 1876 (vergl. auch G. J., VIII, 239). Nathorst, Botaniska
[350]1. Arktische Inseln und Eismeerküsten.
anteckningar fr. nordvestra Grönland in Oefversigt Vet. Akad.
Förhandl. Stockholm 1884, und Botan. Jahrb. f. Syst. VI, 82. War-
ming, Fylla-Expedition in Meddel. om Grönland (siehe Litteraturber.
d. Geogr. Mitteilgn. 1888, Nr. 481, 482 und Botan. Jahrb. f. Syst.
X, 364). Warming, Om Naturen i det nordligste Grönl. (siehe
Litteraturber. a. a. O. Nr. 480). Geograph. Jahrbuch Bd. XIII,
S. 316. Zweite deutsche Nordpolarfahrt, Bd. II, Botanik (Ostgrön-
land, s. Griseb. Abhandl. S. 413 und 445).
Reichardt, Flora d. Insel Jan Mayen in Polarforschung 1882/83,
Jan Mayen Bd. III, Wien 1886. Nathorst, Nya bidrag till känne-
domen om Spetsbergens kärlväxter och dess växt-geografiska för-
hallanden, in Svenska Vet.-Akad. Handl. Bd. 20 (1883) und in Botan.
Jahrb. f. Syst. IV, 432 (s. G. J., X, 156—158). Berggren, Musci
et Hepaticae Spetsbergenses in Handlingar Bd. 13 (Stockholm
1875).
Holm, Novaja-Zemlias Vegetation in „Dijmphna“ 1885 (siehe
Litteraturber. in Geogr. Mittlg. 1887, Nr. 72). Middendorff, Reise
im äussersten Norden Sibiriens: Trautvetter, Flora v. Taimyrland
1847/67. Kjellman in Vega-Expeditionens Vetensk. Arbeten: Växt-
ligheten paa Sibiriens Nordkust, Sibiriska Nordk. Fanerogamflora,
Fl. paa Novaja Semlja och Wajgatsch, Asiatiska Beringssunds
Fanerog. etc. (G. J., IX, 204 und X, 158). Trautvetter, Flora terrae
Tschuktschorum in Acta horti Petrop. VI, 1. Kurtz, Bot. Samml.
der Gebrüder Krause am Beringsmeer, in Deutsche Geogr. Blätter
V, 1882. Dall, Aleuten in Deutsche Geogr. Bl. 1878. Seemann,
Voyage of the Herald (westl. Eskimoland) 1852. Richardson, Arctic
searching Exped., 1851. Greely, Three years of Arctic service,
App. (Grinnell-Land-Flora) 1886.
Grönland, Islands Flora, 1881; Karakteristik af Plantevaexten
paa Island, Kopenh. 1884. Strömfelt, Islands Phanerogamae in
Oefv. Vetensk. Akad. Stockholm 1885. Klinggräff, Zur Pflanzen-
geographie des nördlichen und arktischen Europas, 2. Aufl. 1878.
Die auf unserer Hauptkarte mit polarem Klima von
12 Monaten unter 10°C. Temperaturmittel bezeichneten
Inseln und Nordküsten der beiden grossen Kontinental-
massen, dazu die sich unmittelbar an diese Küstengebiete
südwärts anschliessenden Hochgebirge: die Fjeldregion
der skandinavischen Alpen, im nördlichen Ural, Stanowoi-
gebirge und in den nördlichen Rocky Mts., bilden das
arktische Florengebiet innerhalb der nördlichen gla-
cialen Vegetationszone. Sein systematischer Charakter
erstreckt sich allerdings auch noch in das nördliche
Waldgebiet zumal im Bereich der Lärchen- und Weiss-
birkenwälder hinein und greift mit seinen letzten Ausläufern
weit südwärts auf die Hochgebirge aus, wo er sich im Vor-
[351]Tundren und Fjorde.
kommen gewisser, als echt arktischen Ursprungs anzu-
erkennender Arten zeigt.
Bei der geographischen Abrundung, welche die einzelnen
Besprechungen hier erhalten sollen, werden aber die genannten
Gebirge bei ihrem Waldgebietsanschluss aufgeführt.
Es ist dies die einzige, rings um die Erde in hohen
Breiten laufende und mit charakteristischen Beständen
ausgezeichnete Vegetationszone (die arktische Glacial- und
Tundrazone, siehe oben S. 83), welche in ähnlichen Grenzen
ein einheitlich-natürliches Florengebiet bildet, nach meiner
Anschauung ein dem gesamten nordischen Floren-
reich untergeordnetes Gebiet. Denn was Grisebach an
Endemismen aufführt, um diese arktischen Länder im
Range eines ebenbürtigen Entwickelungscentrums erschei-
nen zu lassen, ist zu gering; durch die Eiszeit ist ihr
endemischer Reichtum verloren gegangen und hat sich
den nördlichen Waldgebieten mitgeteilt. Als Vegetations-
zone aber sind diese Inseln und Eismeerküsten ausge-
zeichnet durch vorherrschende Moos- und Flechten-,
Matten- und Sumpfmoorformationen, denen sich aus teil-
weise noch immergrünen Ericaceen bestehende Halbstrauch-
Heiden und die arktischen Geröllfluren mit ihrer kargen
gemischten Vegetation, zum Unterschied gegen südlichere
Felsformationen aber mit Ausschluss der einjährigen Ge-
wächse, anschliessen.
Geographisch scheidet sich das arktische Gebiet nach
zwei sehr verschiedenen Unterlagen: während einerseits
wellige Flachländer, welche entweder niemals Verglet-
scherung getragen haben, wie Sibirien von der Samoje-
denhalbinsel an bis zur Westgrenze der Tschuktschen-
Halbinsel und ein Teil des nördlichen Alaskas, oder welche
zur Eiszeit von der mächtigen nordischen Vergletsche-
rung ergriffen waren, wie das arktische Europa, Kanada,
die Hauptmasse Alaskas und die Tschuktschenhalbinsel,
zur Bildung der Tundraflächen, d. h. der zusammen-
hängenden Moos- und Flechtenbestände mit eingestreuten
Blütenpflanzen, Veranlassung geben, türmen sich anderer-
seits in Grönland, Island, Spitzbergen, Nordskandinavien,
Nowaja Semlja, Südalaska, Baffinsland und Grinnellland
[352]1. Arktische Inseln und Eismeerküsten.
mächtige Gebirge mit starrenden Gletschern empor, machen
durch Binnengletscher das innere Land bis auf wenige
Pünktchen der Vegetation unzugänglich, und geben zu
Besiedelungen auf Moränenwällen, an den eisfreien Fels-
zacken, auf niederen Bergen, welche alljährlich ihr Schnee-
gewand verlieren und durch ihr Schmelzwasser Sümpfe
füllen oder rauschende Bäche bilden, und besonders auf
kleineren Oasen von Jahrhunderte alten Humusanhäufun-
gen Veranlassung; diese letzteren Standorte fasse ich im
Gegensatz zu den Tundren unter dem Namen der Fjord-
region einheitlich zusammen.
Die Formationen, die Grenzen der einzelnen Arten
und deren biologisches Verhalten in Bezug auf die Sicher-
heit der Fruchtreife (— denn in Spitzbergen reifen nach
Nathorst beispielsweise nur 75 Prozent der Flora-Früchte,
viele Arten sind bisher ohne Blüten gefunden worden
und erhalten sich also rein vegetativ —) richten sich
nach den herrschenden Temperaturen, welche überall
niedrig und lange anhaltend vegetationsfeindlich sind.
Die 0° Jahresisotherme wird nur im südlichen und süd-
östlichen Grönland, sowie in ganz Island überschritten
und bis auf 2°, bezw. 4°C. erhöht: dies gibt für die
genannten Distrikte Veranlassung zum Auftreten der Bir-
kenregion und den innigeren Anschluss an die benach-
barten Kontinente, indem ein wärmerer Sommer hier folgt.
Unter begünstigter Lage ist durch die anhaltende Insolation
auch im hohen Norden das Auftreten trockener Formationen, in
denen immergrüne Ericaceen den Hauptplatz einnehmen, ermög-
licht. Vergl. das oben, S. 20, von Warming darüber Angeführte.
Die Ericaceen sind oben, S. 193, genannt.
Die kältesten Gebiete, in denen gleichwohl die Ve-
getation nicht fehlt und z. B. in Grinnellland überraschend
üppig, ausreichend zur Ernährung von Moschusochsen-
herden gefunden worden ist, haben Jahresmittel unter
— 16°C., und dieselben greifen in Sibirien vom Taimyr-
lande aus bis in das nördliche Waldgebiet ein (vergl.
oben S. 24—25). Die winterlichen Kältegrade, welche
von der Vegetation ertragen werden, sind aus allen Ueber-
winterungsberichten im hohen Norden bekannt und er-
[353]Frostschutz. Vegetationsdauer. Charaktergattungen.
regen die Bewunderung hinsichtlich der pflanzlichen Ac-
climatisationsfähigkeit. Durch Kjellman ist bekannt
geworden (siehe das oben, S. 26, darüber mit Anführung
der Litteratur Gesagte), dass der für die Pflanzendecke
vermutete Schutz für das unterirdische Ausdauern durch
übergehäufte starke Schneedecke mehr auf Meinungen
als Gründen beruhe, da grosse pflanzenbewachsene Flächen
in den Polargegenden überhaupt keine winterliche Schnee-
decke haben; der Schutz liegt also in der inneren Orga-
nisation, in der Anpassung. Die sommerlichen Tempe-
raturen reichen für das Julimittel von kaum 2°C. (Franz
Josephsland) und 4°C. (Spitzbergen, Kap Tscheljuskin,
Grönland unter 75° N., Prinz Albertland) bis zu der auf
unserer Karte als südlicher Grenzlinie entworfenen Juli-
isotherme von 10°C.
Daraus ergibt sich, dass fast überall im arktischen
Florengebiet der Juni als „Frühlingsmonat“ den Beginn
der Vegetation, der Juli ihren Höhepunkt, der August
ihren Abschluss mit der Ausreifung der langsamer trei-
benden Blütenpflanzen und der Anlage der Winterknospen
für das nächste Jahr bezeichnet.
Zusammenstellung einiger Datumangaben für den Beginn der
Vegetation nach dem Oeffnen der ersten Blüte: Taimyrland
73¾° N. 30. Juni, 74¾° N. 5. Juli (Middendorff, spätester bis jetzt
bekannt gewordener Termin für den Frühlingseinzug! Schluss der
Vegetation durch Schnee und Fröste nach 59, bezw. 62 Tagen).
Dudino an der Baumgrenze 28. Juli. Insel Llajow 73½° N. 19. Juni
erste Spuren von Treiben, 24. Juni erste Blüte. Ostgrönland, Sa-
bineinsel 5. Juni. Westgrönland, Polarisbai 7. Juni. Westl. Spitz-
bergen 11. Juni. — Der Frühjahrseinzug hängt durchaus nicht
von der geographischen Breite ab, ja nach Warmings Zusammen-
stellungen hat es den Anschein, als ob in Grönland der Frühling
zwischen 68° und 70° N. am spätesten, dagegen sowohl weiter
südlich als weiter nördlich nicht später, sondern vielleicht etwas
früher einträte (siehe Litteraturber. in Geogr. Mitteilgn. 1888
Nr. 480).
Die Flora dieses circumpolaren Gebietes setzt sich
überall aus gewissen tonangebenden Gattungen von Stau-
den und Gräsern im weitesten Sinne zusammen, zu denen
die Ericaceen und Salicineen kriechende, niederliegende,
immergrüne oder sommergrüne Halbsträucher, die Betula-
Drude, Pflanzengeographie. 23
[354]1. Arktische Inseln und Eismeerküsten.
ceen sommergrüne Sträucher von halbstrauchartig-niederem
Wuchs liefern. Als hauptsächliche Charaktergattungen
sind zu nennen: Salix, Ranunculus, Draba, Alsine und
Verw., Pedicularis, Potentilla und Saxifraga von Diko-
tylen, Carex, Juncus und Luzula, Eriophorum von Mono-
kotylen mit grösserem Artreichtum.
Von Arten, welche dem arktischen Gebiete bei dessen
geringerem Pflanzenbestande, zumal in den Blumenmatten,
einen fast nie fehlenden Charakter verleihen, sind Dryas
octopetala und Saxifraga oppositifolia, Braya alpina und
Papaver nudicaule (welcher z. B. noch an der Lady Frank-
lin-Bai in Grinnellland ausgedehnte Blütenfelder bildet),
Lychnis apetala und Diapensia lapponica zuerst zu nen-
nen, von Heidegesträuchen Cassiope tetragona, von Sumpf-
wiesenpflanzen Pedicularis sudetica, und die Zwergbirke
Betula nana. Unter den rein arktischen Gräsern ist
Phippsia algida am weitesten allgemein weit nach Nor-
den verbreitet.
An endemischen Arten ist die arktische Flora, je nach-
dem man ihr geographisches Ländergebiet weiter oder
enger stellt, reicher oder ärmlich; betrachtet man z. B.
die Standorte von Diapensia lapponica in Skandinavien,
dem Ural, den White Mts. in Nordamerika etc. als Aus-
strahlungen des arktischen Gebietes, in welche sich aber
schon zahlreiche andere Florengenossenschaften alpinen
Charakters mischen, so zählt diese Art mit zu den En-
demismen, und in diesem Sinne gibt es viele. Sonst viel
weniger, und diese wenigen Arten sind dann auf kleinere
Distrikte des arktischen Gebietes zumeist beschränkt.
So sind charakteristisch für das westliche arktische Amerika,
und hier in der Mehrzahl durch die oben angeführte Expedition
des „Herald“, entdeckt, Braya pilosa, Parrya arenicola, Saxifraga
Richardsoni, Nardosmia glacialis, Artemisia androsacea, Saussurea
subsinuata und Salix glacialis.
Grönland besitzt 15 Arten eigentümlich, welche aber alle zu
sonst viel weiter verbreiteten Formen in engster Verwandtschaft
gehören und daher jüngeren Entwickelungsalters sind. Aehnlich
die Weiden Nowaja Semljas.
Der Gesamtreichtum an Arten lässt sich nach folgen-
dem beurteilen: Middendoff sammelte im Taimyrlande
[355]Statistik. Florenbezirke.
124 Arten von Blütenpflanzen; durch die Vegaexpedition
ist die Gesamtzahl der an Sibiriens Nordküste gefunde-
nen Arten auf 160 gestiegen. Die Melvilleinsel zählt über
60, Spitzbergen 122, Nowaja Semlja 193 Arten von Ge-
fässpflanzen. Für Grönland gab Warming eine zonal
angeordnete statistische Tabelle: Südspitze bis 62° N.:
285 Arten, 62°—64°: 176, 64°—67°: 264, 67°—71°:
252, 71°—73°: 141, 73°—76°: 95, 76°—83°: 88 Arten
von der Gesamtzahl an 386 Gefässpflanzen. Der Art-
reichtum nimmt also in einer schon südlich vom Polar-
kreise gelegenen Zone plötzlich ab, um dann in rein
arktischen Breiten wieder zu steigen und nunmehr gen
Norden langsam abzufallen.
Trotz der circumpolaren Areale so vieler charakte-
ristischer Arten wäre es verfehlt, zu glauben, dass das
Artgemisch an allen Orten in den entsprechenden For-
mationen dasselbe wäre; es machen sich im Gegenteil
die kontinentalen Verschiedenheiten auch noch im arkti-
schen Gebiet als kleinere Gruppenbildungen bemerkbar,
die sich stets durch besondere (west- und ostamerikanische,
sibirische, skandinavische) Artgenossenschaften auszeich-
nen. Hier bestimmte Grenzen zu ziehen, ist recht schwierig,
aber folgende Hauptgruppen für eine ehemalige selbstän-
digere Florenentwickelung, die dann ihre meisten Er-
zeugnisse ausgetauscht haben, scheinen sich mit Recht
unterscheiden zu lassen: 1. ein nordsibirischer (Tai-
myrland-) Bezirk, 2. ein Beringsmeerbezirk von der
Kolyma durch das Tschuktschenland über Westalaska,
welcher zwischen der Barrowspitze und der Mackenzie-
mündung aufhört; 3. ein nordkanadischer Bezirk von
da bis Labrador; 4. ein Grönlandbezirk, dem auch Grin-
nellland und die Inselgletscherflora bis zur Hudsonstrasse
in der Hauptsache angehören, auch Island zugerechnet
werden mag; 5. der Bezirk Nowaja Semlja-Spitz-
bergen-Skandinavien, welchen ich mit Nathorst als
einen natürlichen ansehe (vergl. G. J. X, S. 158). Hier-
nach sind die Vegetationsregionen als einander ähn-
lich, aber doch noch genugsam Verschiedenheiten kleinerer
Art zeigend aufzufassen.
[356]1. Arktische Inseln und Eismeerküsten.
1. In der nordsibirischen Tundraregion gibt Kjellman
als häufigste Formation die Polytrichum-Moostundra an, welche auf
trockenem festen Boden mit karger Vegetation den Geröllsand-
boden nicht vollkommen schliesst. Eriophorum angustifolium,
Scheuchzeri, vaginatum bilden mit Luzula hyperborea die Gras-
bekleidung im Polytrichum, zwischen der hier und da Flecken
von Dryas und Cassiope tetragona eingestreut sind. An den nassen
Stellen wechselt damit die „Laidy“, d. i. Moosmoor oder die Sphag-
num-Tundra ab. Unendlich verschieden davon ist die blumenreiche
Mattenformation an den Abhängen und Abstürzen: „hier sind
ganze Flächen mit lebhaftem Grün, mit Farben aller Art, bedeckt;
hier prangt die Sieversia glacialis mit ihren üppigen hochgelben
Blumen, die zierlichen Oxytropis- und Pedicularis-Arten, das Pole-
monium humile, die frischen Farben der gelben, blauen und weissen
Saxifragen, und alle in üppigem Wuchs“ (Middendorff). Die
grösste Dürftigkeit dagegen entwickelt die Flechtentundra- oder
die „Steinmark“-Formation, wo Flechten, Krustenflechten und
Cladonien, Cetrarien, Umbilicarien etc. fast allein die Felsblöcke
bedecken. Auch hier bilden die Sanddünen eine eigene Formation,
ausgezeichnet durch Elymus mollis als geselliges Gras. Die Vege-
tation am Kap Tscheljuskin ist von Kjellman anschaulich geschil-
dert (siehe Geogr. Mittlgn. 1881, S. 398) und dadurch von Interesse,
dass sie den nördlichsten Anteil einer Kontinentalflora bildet;
23 Arten Blütenpflanzen wachsen hier dicht beisammen in einem
durch Sprünge in kahle Sechsecke zerlegten Erdreich oder in ge-
mischter Moos-, Flechten- und Grasmatte; Eritrichium villosum,
eine Boraginee, bildet als Charakterpflanze des ganzen Land-
distriktes von Nowaja Semlja bis zum Tschuktschen-Land hier
Vergissmeinnicht-ähnliche blaue Polster; fast alle Phanerogamen
zeigen den Wuchs in äusserst dichten, halbkugeligen Polstern,
7 Saxifragen befinden sich darunter.
2. Die verhältnismäßig wenig bekannte Berings-
meer-Tundraregion unterscheidet sich nicht unwesent-
lich in ihrem Artbestande. Von 221 Blütenpflanzen,
welche auf der asiatischen Seite bisher bekannt geworden
sind, finden sich gemäß Kjellmans Untersuchungen 53 Ar-
ten nur östlich der Kolyma, und K. betrachtet dieselben
teils als im Tschuktschenlande selbst entstanden, teils
aus Amerika oder endlich aus den Baikalgebirgen her
eingewandert.
Zu den gemeinsten Pflanzen gehört auch hier Eriophorum
vaginatum, aber Ranunculus Chamissonis, Cineraria frigida, Primula
Tschuktschorum und nivalis, Claytonia acutifolia geben sehr wohl
charakterisierte Beigemische der entsprechenden westsibirischen
Formationen, dazu im Rhododendron kamtschaticum ein lokaler
Genosse zu dem weiter im hohen Norden verbreiteten Rh. lapponi-
[357]Sibirische, Beringsmeer-, kanadische Tundra.
cum. — Während die ganze Tschuktschen-Halbinsel waldlos zu
sein scheint, reicht die Waldgrenze in Alaska ein gutes Stück über
den Beringssund hinaus und schon etliche Kilometer landeinwärts
vom Kap Prince of Wales trifft man ellenhohe Gebüsche; hier also
sind die arktischen Formationen eingeschränkter. Doch macht
das ganze Land vom Nortonsunde bis zum Point Barrow nach
Seemanns in der Heraldexpedition gemachten Wahrnehmungen
den Eindruck eines wüsten Moorlandes, mit Lagunen und Sümpfen,
in denen Eriophorum capitatum einzelne Rasen bildet, die Haupt-
formationen wiederum aus Flechten und Moosen bestehen. Bis
zum Polarkreise gehen (mit der Picea alba) reichliche Gebüsche
von Salix speciosa und Alnus viridis, noch weiter nach Norden
(bis Kap Lisburne) gehen Salix Richardsoni, villosa. Die Matten-
formation an Abhängen hat wiederum die reizendsten Blütenflecke;
„Kap Lisburne gleicht einem Garten“; hier sind die Charakter-
stauden Sieversia glacialis, Claytonia sarmentosa, Myosotis alpina,
18 Arten von Saxifraga und 4 Anemonen, Artemisia borealis, A.
androsacea und glomerata. Die Wurzelstöcke von Polygonum
Bistorta und Rumex domesticus dienen den Eingeborenen zur
Nahrung.
3. Die kanadische Tundraregion unterscheidet
sich nach den noch immer als Quelle dienenden Auf-
zeichnungen Richardsons von der sibirischen Tundra in
dem Ersatz der Moosformation durch zusammenhängende
Flechtenbestände.
Diese Lichenentundra besteht aus aufrecht wachsenden, das
Erdreich zusammenhängend bedeckenden Arten, besonders Cetraria
islandica und cucullata, Cornicularia tristis, divergens, ochroleuca
und pubescens, und mischen sich stellenweise mit den Ericaceen-
Halbsträuchern, welche das Lichenengezweig kaum überragen
(Rhododendron lapponicum, Ledum, Kalmia!, Arctostaphylos, Cas-
siope tetragona: alle immergrün, Vaccinium uliginosum sommer-
grün, Weiden). Grasfluren werden von Riedgräsern, Dünenfluren
wiederum vom Elymus mollis an der Seeküste gebildet; die Matten-
formation entwickelt an den feuchteren Hügelgehängen ihren be-
kannten Blumenreichtum, in welchem die Primel Dodecatheon
charakteristisch ist; an den Flussufern bildet Salix speciosa hohe
Gebüschformationen. Viel dürftiger sind die hocharktischen For-
mationen auf den Parryinseln; hier stellte R. Brown für die Mel-
villeinsel unter 67 Blütenpflanzen das Verhältnis von Monokotylen
zu Dikotylen als 2 : 5 (durch Vorwiegen der Gräser) als charakte-
ristisch für die höchsten Breiten fest.
4. Der grönländische Bezirk ist der am vielseitig-
sten untersuchte. Es ist zweckmässig, die hier und an
den benachbarten Küsten ausgebreiteten Fjeldregionen
in hoch- und niederarktische einzuteilen, von denen natur-
[358]1. Arktische Inseln und Eismeerküsten.
gemäß die erstere die artenarme ist. Als Grenze beider
mag man die auch sonst interessante nördliche Vegeta-
tionslinie von Linnaea borealis annehmen, welche im
westlichen Grönland den Polarkreis kaum überschreitet
und von da unter Ausschluss von Island und Spitzbergen
zum Varanger Fjord und Ural geht, westwärts das ark-
tische Kanada ebenfalls um den Polarkreis herum durch-
schneidet. Sonach gliedert sich Grönland und die an-
schliessenden Inseln in eine hocharktische und eine
niederarktische Fjord-, sowie in eine südliche, auch
auf Island ausgedehnte Birken-Vegetationsregion, deren
Artenzahlen schon oben mitgeteilt wurden.
In der niederarktischen Region spielt die Weidengebüsch-
formation (Salix glauca!, dazu im Süden auch Alnus ovata) eine
wichtige Rolle; sonst nehmen in beiden Florenregionen die Heide-
formationen mit Dryas, die öden Felsflechtenformationen (Gyro-
phora!) und ein von Warming als „Fjeldformation“ bezeichnetes
Gemisch von wenig Flechten, Moosen und einzelnen Stauden auf
nassem oder trockenerem Geschiebeboden nebst Wiesenmooren und
Moosmooren die Hauptmasse der der Vegetation zwischen Binnen-
eis und Strand gewährten Plätze ein. Zusammenhängende Teppiche
von Strauchlichenen finden sich in Anklängen an die Flechtentun-
dren der Alten Welt nur spärlich auf einzelnen Inseln und im
äussersten Küstensaum. Der sandige Strand wird hier hauptsäch-
lich von Elymus arenarius bevölkert. Den erstgenannten Gebüschen
schliessen sich, von Süden bis gegen 70° N. hinaufreichend, auch
noch Matten mit Hochstauden an, unter denen Archangelica offi-
cinalis besonders in den südlicheren Gegenden allgemein und
üppig ist, mit Hieracien, Orchideen etc. vergesellschaftet (vergl.
G. J., Bd. XIII, S. 316).
In hohen Breiten übt die Meereshöhe einen im Vergleich mit
anderen Ländern merkwürdig geringen Einfluss aus; Moosmoore
sollen nach Warming unter 70° N. noch 600 bis gegen 1000 m
hoch auf die Berge hinaufsteigen; Greely fand viele der Grinnell-
landpflanzen 500—600 m hoch in den Bergen, und der Frühling
zog auch hier verhältnismäßig früh ein.
Island.
Vermittelnd zwischen der arktisch-grönländischen,
arktisch-nordeuropäischen und zwischen der mitteleuropäi-
schen („baltischen“) Flora tritt diese Insel auf. Man
hat sich darüber gestritten, ob man Island zu der arkti-
schen oder nordeuropäischen Flora rechnen solle, während
[359]Grönland. Island.
sie doch zu beiden gehört und die geographische Lage
südlich vom Polarkreise an sich nichts entscheidet. Nach
der Isothermenkarte von Europa im physikalischen Atlas
(Nr. 30) streift die Januarisotherme 0° die Südküste von
Island, und die Winter sind also milde; warm aber wird
es spät, denn die Isotherme von 9°C. liegt am 15. Juni
noch beträchtlich südlich der Insel im Meere und er-
reicht die Insel erst gleichzeitig mit niederarktischen
Gebieten; die Juliisotherme 10° verbindet Südisland mit
dem Nordkap (vergl. beifolgende Karte von Europa);
nach Supans Temperaturdauerkarten (Geogr. Mitteilungen
1887, Taf. 10) verhält sich Island ausser an der West-
und Südwestküste wie Kola, und auch die Küstenstriche
ungünstiger als die genannte Halbinsel in Hinsicht auf
Dauer der warmen Tage. Demgemäß besteht in den
niederen Küstenstrichen die Gesamtzahl an Gefässpflanzen
fast zu ¾ aus Arten der nord- und mitteleuropäischen
Ebenen, das Hochland dagegen und die Nordküste zeigen
mindestens ⅔ arktische, zum Teil hocharktische Arten,
von denen nur wenige in Skandinavien fehlen. Die mil-
den Gegenden gehören zur nordeuropäischen Birkenregion
von Betula pubescens, var. carpatica. und zwar haben die
Birkenbestände früher unzweifelhaft eine grössere Aus-
dehnung gehabt, als jetzt. Interessante Mitteilungen dar-
über macht Schübeler (Litt. s. unter Skandinavien); er
hält das Klima Islands selbst für Espe und vielleicht
auch Weisserle für genügend, was vielleicht doch noch
zweifelhaft erscheint. Es sind aber nicht nur vor jetzt
fast 1000 Jahren starke Birkenwaldungen gefällt und
ihr Holz zu Häuser- und Schiffsbau benutzt, sondern
einzelne höhere Bäume haben sich bis Mitte vorigen
Jahrhunderts gehalten (einer von 67 Jahren Alter unter
63° 40′ N. Höhe von 12½ m); Preyer und Zirkel fanden
im Jahre 1860 im Fnioskaathal einen Bestand mit 4½
bis 6½ m hohen Stämmen und zahlreiche Stümpfe ge-
fällter Bäume von 1½ Fuss Durchmesser.
5. Die skandinavische Fjeld- und Fjordregion
ist in Spitzbergen und Nowaja Semlja hocharktisch. Auf
Westspitzbergen in der Mitte der Westküste ist die Haupt-
[360]2. Nord- und Mitteleuropa.
masse der Flora der ersteren Inselgruppe vereinigt, deren
Formationen Nathorst als Strandformation (8 Arten,
darunter 4 Carex!), Sumpf- und die Abhänge bedeckende
Mattenformation unterscheidet.
Im Grasmoor (14 Arten) waltet Eriophorum Scheuchzeri vor,
3 Gräser, 2 Carex, 1 Juncus; die Matten sind blau und rot von
dichten Polstern des Polemonium pulchellum und der Saxifraga
oppositifolia. Es fehlt als eigene Formation die der Heiden: nur
2 Arten (Cassiope tetragona und hypnoides) sind von Ericaceen
auf Spitzbergen gefunden, und auf Nowaja Semlja wiederum nur
2, nämlich Vaccinium Vitis idaea und uliginosum. Auf beiden
Inselgruppen reifen nur verhältnismäßig wenige Arten Früchte,
was von Nowaja Semlja schon Bär festgestellt und für seine An-
schauung der dortigen Florenentwickelung benutzt hatte. Von
193 Arten daselbst sind 103 gleichzeitig auf Spitzbergen, die
übrigen bieten Anschluss an das arktische Russland, wo gerade
wie auf Nowaja Semlja die Tundraformation die Hauptmasse der
Pflanzenbestände einnimmt. Die Tundra bedeckt dann auch noch
die nordöstliche Hälfte der Halbinsel Kola, dann wird sie vom
Nordkap bis Dovrefjeld von der niederarktisch-skandinavischen
Fjeldregion abgelöst, welche zu Nordeuropa überleitet.
Kulturpflanzen besitzt die arktische Zone nicht
mehr, und keine Nutzpflanze im wahren Sinne des Wortes
ist ihr entsprungen. Nur die Herden weidender Tiere
bezeugen die immerhin nicht geringe Produktionsfähigkeit,
und einige der geselligen Pflanzen sind auch als Gemüse
oder Zusätze zu anderen Speisen für den Menschen von
Wert. So das Scharbockskraut (Cochlearia) und Ampfer,
Wurzeln von Archangelica, Beeren der Vaccinien und
von Empetrum nigrum, gekochte Renntierflechte (Cetraria
islandica) und die als Tripe de Roche bekannten Gyro-
phoren des arktischen Kanadas. Mit äusserster Mühe
ist Gartenkultur für einige schnellwüchsige Gemüse noch
in den dänischen Kolonien Grönlands möglich. Inwie-
weit die Isländer die einheimische Flora auszunutzen
gelernt haben, schildert Ratzel (Anthropogeographie
S. 357).
2. Nord- und Mitteleuropa.
Auswahl der Litteratur. Uebersichten und Florenkata-
loge: Henfrey, The vegetation of Europe, 1852. Nyman, Conspec-
[361]Litteratur.
tus Florae Europaeae, 1878/89 (systematische Aufzählung aller
Gefässpflanzen Europas mit Hinzufügung des Vorkommens in den
einzelnen Ländern). Pax, Der Ursprung der europäischen Wald-
bäume, in Gartenflora 1886. Köppen, Geograph. Verbreitung d.
Nadelhölzer im europ. Russland (siehe G. J., XIII, 319, Nr. 156).
Köppen, Geograph. Verbreitung d. Holzgewächse d. europ. Russ-
lands und des Kaukasus, Petersbg. 1888/89 (deutsch; mit Karten!).
Willkomm, Forstliche Flora von Deutschland und Oesterreich, 1887.
Phänologie: Hoffmann, Resultate der wichtigsten pflanzen-
phänologischen Beobachtungen in Europa, nebst einer Frühlings-
karte, 1885. Ihne und Hoffmann, Beiträge zur Phänologie, 1884.
Doeningk, Vergleichende Uebersicht d. in Russland ausgef. phänolog.
Beobacht. von 44°—60° N., 1887 (s. Ref. in Geogr. Mittlgn. 1887,
Litt. Nr. 491). Hult, Recherches sur les phénomènes périodiques
d. plantes, Upsala 1881.
Skandinavien: Blytt, Essay on the Immigration of the
Norwegian Flora, und in Englers botan. Jahrb. Syst. Bd. II, S. 1
(vergl. G. J., X, 142). Schübeler, Die Pflanzenwelt Norwegens,
1873/75; Vaexlivet i Norge 1879; Viridarium Norvegicum; Norges
Vaextrige, 1887 u. folgd.; Pflanzengeograph. Karte d. Königreichs
Norwegen, 4. Bl. 1876. Hult, Analytisk Behandl. af Växtformat.
(s. G. J., IX, 162). Hjelt und Hult, Vegetationen in Kemi Lapp-
mark etc. (s. G. J., XI, 117 und Geogr. Mittlgn. Litter. 1886).
Wahlenberg, Flora lapponica, 1812. Dusén, Sphagnaceernas Ud-
bredning i Skandinavien, 1887 (s. G. J., XIII, 319). Flahault, Le
climat de la Scandinavie dans ses rapports avec la végétation, in
Revue des Questions scientifiques 1880 und Annales d. sciences
natur., 6 Ser., Botan. Bd. IX, S. 159 mit 2 Karten. Bonnier und
Flahault, Observations etc., in Annales d. sc. natur., 6 Ser., Botan.
Bd. VII, S. 1. Lamezan, Wälder in Finnland (s. G. J., XI, 117).
Arnell, Vegetationens utveckling i Sverige, im Upsala Observa-
torium 1878. Kihlman, Beob. üb. d. period. Erschein. d. Pflanzen-
lebens in Finnland; Helsingfors 1886. Nathorst und Steenstrup,
Postglacial. Vegetationswechsel auf Schonen, s. Griseb. Abh. S. 500.
Nord- und Mittelrussland: Trautvetter, Die pflanzen-
geograph. Verhältnisse des europ. Russlands, Heft 1—3, 1849—51.
Meyer, Ruprecht u. A., Beiträge zur Flora des russ. Reiches, in
Heften 1844—57. Schrenk, Reise nach d. Nordosten des europ.
Russlands, Dorpat 1848. Ruprecht, Verbreitung d. Pfl. im nörd-
lichen Ural, Petersb. 1854. Gobi, Waldaihöhe (russisch, mit Karten,
1876). Ivanitzky, Flora des Gub. Wologda, in Bot. Jahrb. Syst.
III, 448. Herder, Neuere Beiträge zur pflanzengeogr. Kenntnis
Russlands, in Bot. Jahrb. Syst. VIII, Litt. S. 119—155.
Westeuropa:Forbes, Connexion between the distribution of
Flora etc. of the British Isles and the geological changes, im Geol.
Survey of Great Britain Bd. I, 1846. Watson, Cybele Britannica
1847—59; Topographical Botany: the distribution of british plants
mit Karte 1883. Lecoq, Études sur la Géogr. botan. de l’Europe
et en particulier sur la végétation du plateau central de la France,
[362]2. Nord- und Mitteleuropa.
8 Bde. 1854 u. folgd. Magnin, La végétation de la Région Lyon-
naise, 1886 (s. Geogr. Mittlgn. 1887, Litt. Nr. 201). Crié, Bretagne
(s. G. J., XIII, 322). Roth, Ueber d. Pflanzen, welche den Atlant.
Ozean auf d. Westküste Europas begleiten, 1883 (G. J., X, 161).
Mitteleuropa:Drude, Litteratur der deutschen Pflanzen-
geographie in Anleitung zu d. Landes- und Volksforschung 1889.
Hoffmann, Vergleichende phänologische Karte von Mitteleuropa,
in Geogr. Mittlgn. 1881, Taf. 2. Kerner, Das Pflanzenleben der
Donauländer, 1863; Oesterreich-Ungarns Pflanzenwelt, Wien 1866;
Florenkarte von Oesterreich-Ungarn (physik.-statist. Atlas v. Oesterr.-
Ungarn, Bl. Nr. 14). Christ, Das Pflanzenleben d. Schweiz, 1879;
Die Verbreitung der Pflanzen der alpinen Region der europäischen
Alpenkette, in Neuen Denkschriften der schweiz. Ges. Bd. 22, 1867.
Heer, Die nivale Flora d. Schweiz, in Denkschriften 1883. Sendtner,
Die Vegetationsverh. Südbayerns, 1854; Die Vegetationsverh. d.
bayrischen Waldes, 1860. Beck, Flora von Hernstein, Wien 1884.
Loew, Perioden u. Wege ehem. Pflanzenwander. im norddeutsch.
Tieflande, in Linnaea Bd. 42, 1879. Drude, Vegetationsforma-
tionen der centraleurop. Flora in Bot. Jahrb. XI, 21. Neilreich,
Pflanzengeogr. Uebersicht d. Flora von Ungarn und Slavonien,
Wien 1866; Vegetationsverh. von Croatien, Zool. bot. Ges., Wien
1868. Beck, Flora v. Südbosnien u. d. Herzegowina. Beck und
Szyszylowicz, Plantae in Albania lectae, Krakau 1888. Grisebach,
Reise durch Rumelien. Pflanzengeographische Uebersicht der bul-
garischen Flora, s. G. J., XIII, 328.
Das hier unter 8 Vegetationsregionen zusammenzu-
fassende Ländergebiet stellt die Hauptmasse des europäi-
schen Kontinents dar und erstreckt sich von der an Nord-
sibirien und Nowaja Semlja anschliessenden Samojeden-
tundra durch Skandinavien, Grossbritannien und Frankreich
bis zum Nordteil der iberischen Halbinsel einerseits, an-
dererseits durch Nord- und Mittelrussland in der Linie
Kasan-Kursk-Kiew zum Pruth (ungefähr der auf der
beigefügten Karte eingetragenen Südostgrenze der Kiefer
entsprechend) und weiterhin zu den Balkanländern bis
über den 42° N. südwärts hinaus, Deutschland und Oester-
reich bis zu den Südgehängen der Alpen und ihrer süd-
östlichen Gebirgsanschlüsse völlig mitumfassend. Weite
Niederungen und Tafelländer werden dabei mit Hügel-
landschaften und hoch aufgetürmten wilden Hochgebirgen
verbunden, von denen die skandinavischen Alpen, die
schottischen Hochlande und der nördliche Ural einen
starken floristischen Anschluss an die arktische Flora
haben und daher nicht mit endemischen Reichtümern an
[363]Orographische Gliederung.
Pflanzenformen ausgestattet sind; nach weiter Unter-
brechung folgt dann der südliche, gegen die Mediterran-
region abschliessende Gebirgsgürtel mit den Pyrenäen,
der hohen Auvergne, dem gigantischen Alpenzuge und
den Balkangebirgen, welche alle in einem gemeinsamen
europäisch-alpinen Grundstock ihre eigenen Hochgebirgs-
arten mehr oder weniger reich entwickelt haben; dasselbe
gilt von den Karpaten, welche die Ostgrenzen der mittel-
europäischen Flora gegen Pruth und Dnjestr flankieren, wäh-
rend die zahlreichen Mittelgebirge nur an einem verschie-
den gemischten Reichtum des erwähnten Grundstocks teil
haben. Bei dieser orographischen Mannigfaltigkeit, bei
der Erstreckung von 70° N. bis über den 42°. N. hinaus,
und bei der zwischen den atlantischen Westküsten und
dem binnenländischen Charakter, nördlich vom Schwarzen
Meere herrschenden Verschiedenheit ist eine grosse klima-
tische Mannigfaltigkeit, ein in sich Verschlingen zahlreicher
Vegetationslinien von hoher Bedeutung, eine durch viel-
faches Verschieben stellvertretender Formationen verur-
sachte Abwechslung des Landschaftscharakters natürlich.
Abgesehen von den glacialen Fjeld- und Hochgebirgsregio-
nen ohne Baumwuchs ist aber der Waldbestand, gebildet
aus immergrünen Nadelhölzern und sommergrünen Laub-
hölzern, der vorherrschende; selten fehlen die Nadelholz-
bäume oder sind (im Westen) einzelne Laubbäume immer-
grün. Dazu gesellen sich reiche Wiesen, Wiesenmoore
und Moosmoore, weit ausgedehnte, von Ericaceen meist
zusammenhängend besiedelte Heiden, Gebüsche, und die
bunten Matten wie Felsformationen im Berg- und Hügel-
lande, von denen Abschn. 5 (S. 302, 319) handelte.
Unsere Karte mit Köppens Wärmegürteln zeigt die
hier zusammengefassten europäischen Gebiete, von den
arktisch-kalten Gebirgsausstrahlungen abgesehen, als ent-
weder dem kalten Gürtel mit nur 1—4 gemäßigt warmen
Monaten angehörig, oder als gemäßigt sommerkühl; wo
die Temperatur an der Donau sich zum heissen Sommer
erhebt, sind auch floristisch die Formationen des ponti-
schen Steppengebietes als vorgeschobene Kontinentalaus-
läufer angesiedelt. Einen weit genaueren Einblick in das
[364]2. Nord- und Mitteleuropa.
wirksame Klima verschaffen Supans Temperaturkarten
von Europa (Geogr. Mitteilungen. 1887, Taf. 10; vergl.
oben S. 77), aus denen zwei Linien der hier beigefügten
Kartenskizze entlehnt sind. Die eine vom Ural über
Perm nach Moskau und Lemberg laufende Linie zeigt
den äussersten Grenzwert der heissen (d. h. über 20°C.
konstanter Tagesmittel liegenden) Temperaturzone, südöst-
lich von welcher in 1½ bis 5 Breitengraden Differenz
die Linie verläuft, unter welcher die heissen Tage schon
einen vollen Monat im Jahresmittel einnehmen. Die zweite,
vom nördlichen Ural über Archangel nach Haparanda
und im Bogen durch Skandinavien nach den Faröern
laufende Linie ist der Grenzwert kraftvoller Waldvegeta-
tion, da nördlich von dieser Linie die warme (d. h. wenig-
stens 10°C. konstanter Tagesmittel betragende) Jahres-
zeit unter den Betrag von 3 Monaten sinkt. Trotzdem
schiebt sich der Wald lückenhaft noch viel weiter nord-
wärts, sowohl mit Birken, als Kiefern und Fichten, und
nimmt nördlich von Mesen, im Südteil der Halbinsel
Kola und in Lappland der angeführten Karte zufolge mit
oft weniger als 2 Monaten warmer Tagesmittel fürlieb.
Es sind auch noch die Januarisothermen für 0°C. nach
Hann hinzugefügt, um die Milde des atlantischen, und
die Schroffheit des im Nordosten anhebenden Winters zu
charakterisieren. Ausserdem sind der Karte Vegetations-
linien von 3 Bäumen eingefügt.
Der ganze Länderkomplex gehört zur ersten und
zweiten Abteilung der zweiten Vegetationszone (S. 83 bis
85) und trägt den oben allgemein geschilderten Charak-
ter des „Nordischen Florenreiches“ wohl ausgeprägt in
sich; seine Wälder setzen sich also aus den oben ge-
nannten wenigen Familien zusammen. Von dem arkti-
schen Gebiete abgesehen, welches in Skandinavien und
im Ural ausläuft, bilden diese Länder aber ein wohlum-
schriebenes eigenes Florengebiet, das „mitteleuro-
päische“, welches einerseits seinen Charakter in den
betreffenden herrschenden Arten (und Unterarten) der
circumpolar-gemeinsamen Stammgattungen von Pinus,
Abies, Picea, Betula, Quercus, Fagus etc. nimmt, anderer-
[]
[][365]Klima. Systemcharakter. Florenscheiden.
seits denselben als „europäisch“ darin entwickelungsge-
schichtlich ausprägt, dass zahlreiche Sippen von innigster
Verwandtschaft mit den südwärts angrenzenden mediter-
ranen Gebieten sich zwischen die arktisch-boreale Haupt-
flora drängen, welche weder in Sibirien und Ostasien,
noch im britischen Kolumbien und Kanada zu treffen sind.
Von der arktischen Flora im Norden führt uns also das
Gebiet durch den borealen Birken- und Nadelholzgürtel
hinüber zu einer mediterran-borealen Mischlingsflora, welche
am reichsten im Südwesten und Südosten des Florenge-
bietes entwickelt ist, während die hohe Mauer der Alpen
in der Hauptsache ihren montan-borealen Florencharakter
ausgeprägt hat, um am Südgehänge dann um so unver-
mittelter die ganz verschiedenen mediterranen Sippen zu
bewahren. Ihre alpinen Formationen aber sind aufzu-
fassen als eigene Entwickelung einer ursprünglich eben-
falls mediterranen Hochgebirgsflora, vermehrt um die
europäischen Alpenformen des gemeinsamen borealen
Grundstocks, und durchdrungen von nicht wenigen, ur-
sprünglich dem höheren Norden als Heimat zugehörigen
arktischen Inquilinen.
Die Meinung, welche in das Wort „arktisch-alpine Flora“
den Sinn einer wirklich gleichartigen Florenentwickelung in den
Alpen und im hohen Norden legt, und nicht nur die Gleichförmig-
keit der Erscheinungsweise, sowie die häufige Schwierigkeit oder
Unmöglichkeit, die eigentliche Heimat für jede Art herauszufinden,
damit ausdrücken will, ist als längst überwunden anzusehen.
Vergleiche auch darüber Kerners hübschen Aufsatz über die Flora
der Diluvialzeit in den Ostalpen (G. J., XIII, 326). Ein ausführ-
lich in geographischer Tabelle erörtertes Beispiel habe ich in den
„Florenreichen“ S. 49 gegeben.
In zwei ähnlichen [und] sich auf das mannigfal-
tigste durchsetzenden Florenelementen ist daher der Cha-
rakter Nord- und Mitteleuropas am meisten ausgeprägt:
in dem baltischen und in dem alpinen Bestandteil. Unter
ersterem verstehe ich die im mittleren und südlichen
Skandinavien und über die uralisch-baltischen Höhen-
rücken, sowie über Grossbritannien und in der Jetztzeit
über die deutsche Niederung ausgebreitet vorherrschen-
den Pflanzenarten mit vielen an die Küsten gebundenen
[366]2. Nord- und Mitteleuropa.
Standorten, unter letzterem (im Gegensatz zu Kerners
weiter gefassten Namen) die in allen Regionen der
Alpen, in dem vorgelagerten Berg- und Hügellande mit-
samt den Karpaten und dem französischen Berglande,
auch in dem Hauptzuge der Pyrenäen zur Entwickelung
gelangten Arten, von denen die der alpinen Hochgebirgs-
region aus natürlichen Gründen die meisten erhalten ge-
bliebenen Endemismen geliefert haben.
Das alpine Element erhält Ergänzungen neuer Art
sowohl im Westen als im Osten; im Westen sind aus
der atlantisch-südeuropäischen Flora zahlreiche Bürger
von alters her sitzen geblieben oder sind nach dem Schluss
der Eiszeit zurückgewandert; im Osten, d. h. in den auf
der Balkanhalbinsel zusammenstossenden Grenzgebieten
der östlichen Mittelmeerflora, der pontischen Steppenflora
und der mitteleuropäischen Bergflora, sind, von den Kar-
paten anfangend, die meisten eigentümlichen Formen
ausserhalb der Alpenkette entwickelt worden. Um das
europäische Florenbild zu verstehen, muss man nun noch
mit der während der Eiszeit stattgehabten Invasion der
arktischen Bürger vom Norden her aus dem uralischen
Gebiet, Skandinavien und den schottischen Hochlanden
rechnen, mit dem Uebergriff der sibirischen Waldflora in
das Quellgebiet der Petschora, Dwina und Kama, dann
mit der Ausdehnung der pontischen Steppenflora auf die
geeigneten Standorte westwärts, welche endlich in der
Ebene den atlantischen Arten begegnen können; hiernach
sind die „Florenbezirke“ in der „Anleitung zur deutschen
Landes- und Volksforschung“ (S. 207) charakterisiert.
Der Zug der den Atlantischen Ozean begleitenden Pflanzen
ist besonders von Roth eingehend wissenschaftlich begründet; die
Mischung der Arten im nordöstlichen Deutschland besonders an-
regend von Loew behandelt. — Welche Gründe ich gegen die An-
nahme habe, dass die Eiszeit im südlichen Skandinavien und bis
in das Herz von Deutschland hinein vegetationslose Einöden ge-
schaffen und hinterlassen habe, ist in den Geographischen Mit-
teilungen 1889, S. 282 besprochen.
Hiernach sind auch die wichtigen Vegetationslinien
aufzufassen, welche das mitteleuropäische Florengebiet
durchsetzen und in wohl gegliederte Abschnitte zerlegen,
[367]Vegetationslinien von Charakterarten.
von denen eine grössere Zahl auf der Florenkarte von
Europa (Physik. Atlas Nr. 47) dargestellt ist, und die in
jüngerer Zeit für Osteuropa noch durch Köppen neue
Verbesserungen erhalten haben. Die hier vorliegende
kleine Kartenskizze Nr. 3 zeigt von denselben nur das
nordöstliche Wohngebiet der sibirischen Tanne, sowie die
Nord- und Südostgrenze des am weitesten verbreiteten
europäischen Waldbaumes, der Kiefer. Fichte und Birke
enden mit der Kiefer in Kola und am Nordkap. Die
Eiche ist fast in ganz Grossbritannien, in Skandinavien
südlich von 61° N. und in Russland südlich von 59° N.
bis 57° N. (am Ural) zu Hause. Die Buche ist in der
südlichen Hälfte Grossbritanniens heimisch, berührt Nor-
wegen, durchschneidet mit südöstlicher Grenzlinie das
südöstliche Schweden, Ostpreussen südlich von Königs-
berg, zieht sich im Ostgehänge der Karpaten nach
Süden, lässt die Walachei offen und besiedelt Balkan,
Rhodopegebirge, Südkrim und Kaukasus. Alle diese ge-
nannten Hauptwaldbäume sind der baltischen und Alpen-
flora gemeinsam; letzterer allein aber gehört die mittel-
europäische Edeltanne.
Alle diese Bäume erreichen ihre äussersten Süd-
grenzen in den südeuropäischen (mediterranen) Hoch-
gebirgen und teilweise im Kaukasus, nachdem sie aber
alle das grosse südrussische Steppengebiet noch in wei-
terem Bogen, als die südöstliche Vegetationslinie der
Kiefer anzeigt, umgangen haben. — Von ähnlichen Cha-
rakterarten Mitteleuropas sind die Ericaceae-Ericinae aus
dem Grunde zu nennen, weil die echten Eriken eben eine
Gemeinsamkeit der Mediterran- und mitteleuropäischen
Flora sind, aber in Sibirien, China-Japan und in Nord-
amerika fehlen.
Solche Charakterart ist also in erster Linie die gewöhnliche
Heide Calluna vulgaris. Sie bildet sowohl im Gebirge als in der
Ebene, zumal im Gebiet des Atlantischen Ozeans, weite zusammen-
hängende Bestände sowohl auf trockenem Erdreich (Heideformation)
als auf Moorboden (gesträuchführende Moosmoorformation), oft
mit Vaccinium und anderen Erica-Arten, darunter E. Tetralix
charakteristisch für die atlantische Flora, gemischt. In den nörd-
lichen Alpen steigt Calluna bis gegen 2000 m, bedeckt die höchsten
[368]2. Nord- und Mitteleuropa.
Kuppen der mitteldeutschen Gebirge oft (z. B. am Brocken) noch
zahlreich, geht bis Kola und Samojedenland und endet am Ost-
hange des Ural in Sibirien. Einige sporadische Fundstellen an
der atlantischen Küste von Nordamerika sind als pflanzengeo-
graphische Verschlagungen zu betrachten. Südwärts geht sie in
den Gebirgsländern der mediterranen Halbinseln westwärts bis zu
den Azoren (2000 m hoch).
Unter den Stauden sind von solchen Gattungen,
welche das mitteleuropäische Gebiet mit denen des süd-
lichen und südöstlichen Europas verbinden, besonders die
zahlreich vertretenen Arten von Genista, Centaurea, Dian-
thus, Silene zu nennen; die Zahl der Gattungen, welche
z. B. die Flora von Mitteldeutschland besitzt, ohne dass
dieselben auch in Sibirien und Kanada zu Hause wären,
ist nicht unbeträchtlich neben den vielen gemeinsam-
borealen Sippen, unter denen die Heidelbeersträucher die
gemeinsten unter den formationsbildenden Gesträuchen sind.
Obgleich Mittel- und Nordeuropa bis zur Waldgrenze
hin mit mehr oder weniger gutem Erfolge der Kultur
seit lange unterthan gemacht sind, so haben sie doch
keiner Kulturpflanze von Wichtigkeit als Ausgangspunkt
gedient. Wir kultivieren also so gut wie ausschliesslich
eingeführte Gewächse in unserer Feldwirtschaft, benutzen
aber die natürlichen Hilfsquellen ausschliesslich in den
Wiesen- und Waldformationen.
Selbst die Pflanzenarten, welche gleichzeitig wild
und kultiviert in Mitteleuropa sich finden, scheinen in
ihren Kulturspielarten eingeführt, nicht aber an Ort und
Stelle veredelt zu sein. So namentlich der Apfel- und
Birnbaum, welche beide ein grosses Areal vom südlichen
Russland her als wilde Pflanzen haben, und von denen
allerdings auch das ursprüngliche Indigenat in Zweifel
gezogen, der Kaukasus und Orient als wirkliches Ur-
sprungsland angesehen worden ist. Es lässt sich that-
sächlich nicht immer zwischen Zurückdrängen durch
Kultur und Verwildern aus der Kultur entscheiden. In
Russland läuft die Polargrenze des Birnbaums, sowohl
kultiviert als wild, von der Düna mitten durch die Gu-
bernien Witebsk und Smolensk, durch das nördliche Ka-
luga und südliche Moskau, dann in südöstlicher Richtung
[369]Kulturpflanzen.
quer durch Tula und das südliche Tambow auf Saratow
zu, wo sie abbricht; östlich der Wolga fehlt Pyrus com-
munis, dagegen geht Pyrus Malus bis zur Mündung des
Uralflusses (Köppen).
Der Norden des Gebietes schliesst den Weizen aus
und kultiviert Roggen (das einzige Getreide, welches
vielleicht im Südosten unserer Ländergruppe, an der Grenze
gegen die mediterranen Steppen auf der Balkanhalbinsel,
wirklich heimatberechtigt ist), Hafer und Gerste mit Kar-
toffeln als Sommerfrüchte. Vom südlichen Skandinavien
bis zum mittleren Deutschland folgt dann der günstigere
Bezirk mit Weizen und Wintercerealien, und die Grenze
gegen die Mediterranzone bildet der Bezirk mit Wein-
kultur zum Keltern, hinaufreichend bis zur Loiremündung,
Maas (50¾° N.), bis zum Mittelrhein bei Bonn, zur
nördlichen Werra, zur Mittelelbe (Meissen) und sogar in
die südlichste Mark (Senftenberg!), am Dnjestr bis Mo-
hilew.
Die Polargrenze der Cerealien in Europa ist von Grisebach
(V. d. E., I, 115—118) ausführlich besprochen und von Kirchhoff
ergänzt (Geogr. Mittlgn. 1888, Monatsbericht S. 188). Für die Auf-
fassung der Weingrenze ist maßgebend, wie weit einzelne vor-
geschobene Oasen noch in die allgemeine Kulturgrenze hineinge-
zogen werden; vergl. Kabsch, Pflanzenleben d. E. S. 582. — Viele
Einzelheiten, für welche der Raum hier fehlt, siehe in F. Höck,
Nährpflanzen Mitteleuropas, Forschungen z. deutsch. Landes- und
Volkskunde Bd. V, Hft. 1 (1890).
Die Kulturfähigkeit kann in ihrer klimatischen Ab-
hängigkeit am besten nach der Länge der Vegetations-
periode beurteilt werden, welche Hoffmanns phänologische
Karten darstellen. Etwa 50 Tage Zeitintervall verstreichen
zwischen dem Einzuge des Frühlings im Gebiet des mitt-
leren Rheins und der mittleren Donau, und dem nörd-
lichen Skandinavien. Nach vielen Unregelmäßigkeiten
im westlichen Europa zeigen die Linien gleicher Früh-
lings-Einzugszeiten eine sehr regelmäßige Senkung von
Nordwest nach Südost. Eine Linie von Kurland unter
56½° N. zum Knie der Wolga unter 49° N. bezeichnet
diese Richtung.
Drude, Pflanzengeographie. 24
[370]2. Nord- und Mitteleuropa.
Es bleibt nun noch übrig, die wesentlichsten Züge
der einzelnen Landschaften herauszuheben, welche ich
nach acht, teilweise in sich selbst wiederum in natür-
liche Distrikte gegliederten Vegetationsregionen zu-
sammenfasse:
1. Die skandinavische Fjeldregion besitzt ark-
tisches Gepräge und umfasst den grössten Teil vom nörd-
lichen Lappland, sowie die Gebirge mit ihren im Durch-
schnitt über 900 m liegenden Alpenspitzen, vom Norden
bis Dovrefjeld und den südlichen Hamar-Alpen. Innerhalb
der lappländischen Waldregion erstrecken sich die Fjeld-
formationen beträchtlich tief, z. B. vom Gipfel bis 450 m
herab am Yllästunturi im oberen Torneaëlf-Gebiet, von wo
nordwärts sich die obere Waldgrenze noch um 100 m
senkt, um den arktischen Matten und Weidengebüschen
Platz zu machen. — Diese nehmen einen grossen Platz
im Artreichtum der norwegischen Flora ein, welche etwa
1380 Arten von Blütenpflanzen zählt, mit ⅙ des Ganzen
in den artenreichsten Gattungen: Carex (106), Hieracium
(62), Salix (43). Im südwestlichen Norwegen finden sich
nicht weit von arktischen Bürgern solche des atlantischen,
wärmeren Europas.
Gemäß Blytts Schilderung findet man auf dem Hochgebirge
unterhalb des ewigen Schnees zunächst einen vegetationslosen
Steingeröllgürtel; ihm folgt abwärts ein zusammenhängender
Teppich gelbgrauer Strauchflechten; über 1200 m hoch, im süd-
lichen Norwegen 1370 m hoch, endet dieser Teppich durch Ersatz
graugrüner Weiden von einigen Fuss Höhe mit Betula nana und
Juniperus nana, zwischen welchen Heideformation von Empetrum
nigrum, Diapensia, Phyllodoce taxifolia, Cassiopearten wie in Grön-
land auftritt, ferner Moosformation zumal von Racomitrien mit
Cladonia. So bis circa 1000 m abwärts, wo die ersten Birkenbestände
auftreten, um ein paar Hundert Fuss tiefer durch Nadelhölzer be-
reichert zu werden. Gemein ist Pedicularis lapponica.
Aus diesem Durchschnittsverhalten heben sich einzelne, reicher
arktisch-zusammengesetzte Flecke einer „Dryasformation“ heraus,
welche die Florenkarte von Europa (a. a. O.) nach Blytt angibt.
„Die meisten eigentlichen Gebirgspflanzen finden sich hier auf leicht
verwitternden Schiefern als blumengeschmückte Oasen, und viele
Arten sind ausschliesslich an dieselben gebunden.“ Dryas octopetala,
Potentilla nivea, Oxytropis lapponica, Veronica saxatilis, Salix
reticulata sind als wichtigste zu nennen.
Endemische Arten besitzt die Region nach dem früher Ge-
[371]Skandinavien. Nördliches Russland.
sagten, wie überhaupt Skandinavien, nicht; doch ist geographisch
bemerkenswert Gentiana aurea (involucrata), welche nur hier, in
Island und Grönland verbreitet ist.
2. Die finnländisch-skandinavische Waldregion
erstreckt sich von den arktischen Birkengebüschen, bezw.
den obersten Weissbirkenbeständen durch die tieferen Ge-
lände, vom Nordkap und der Südhälfte der Halbinsel
Kola bis zur Vegetationslinie der Eiche, also im Durch-
schnitt bis zum 61.° N. Die nordeuropäische Weissbirke
(Betula pubescens oder B. odorata) als am weitesten vor-
geschobener Baum, die Fichte und Kiefer bilden fast
ausschliesslich den Waldbestand, der auch nicht reich an
Stauden und Untergehölz ist. Massenhaft treten die Vac-
cinien im Walde, auch mit Calluna, auf; Linnaea borealis
ist charakteristisch gemein und steigt nur selten über die
Birkenbestände aufwärts.
Auf den Parallelismus der zeitlichen Vegetationsentwicke-
lung mit den Daten des Zufrierens und Auftauens der Seen
mag nach den schönen Beobachtungen in Schweden kurz hinge-
wiesen werden (G. J., VIII, 242). Sehr genaue Studien über die
Anordnung der Formationen im einzelnen und ihrer Charakter-
arten veröffentlichte Hult (G. J., IX, 162; Geogr. Mittlgn. Littber.
1886, Nr. 293).
3. Ural und westuralische Waldregion. Die-
selbe nimmt den europäischen Nordosten südlich der
Samojedentundra auf und zeigt bedeutende Vegetations-
anschlüsse an Westsibirien zumal durch das Auftreten
von Abies sibirica (siehe die Vegetationslinie auf dem
Kärtchen!), Larix sibirica und Pinus Cembra mit Fichten
und Birken; unter den Fichten mischt sich hier die ge-
wöhnliche Picea excelsa mit der sibirischen Form P.
obovata.
Dazu gesellen sich ebensowohl boreal-europäische als boreal-
sibirische Stauden und Halbsträucher, von ersteren Calluna etc.,
von letzteren Anemone altaica, Cerastium dahuricum etc. Im
Norden greift die Tundra weit ein und Birkenformationen in Mooren,
mit Linnaea, Rubus chamaemorus, Betula nana, ferner Carex-Sümpfe
mit Pedicularis sind maßgebend.
Man kann die Südgrenze dieser Region nach der
südlichen Vegetationslinie der sibirischen Tanne, oder
nach der nördlichen Vegetationslinie der mitteleuropäischen
[372]2. Nord- und Mitteleuropa.
Eiche bestimmen, welche aber nicht genau zusammen-
fallen. Der Ural bildet die Ostgrenze und zeigt unten
dieselben Waldbestände, in grösserer Höhe aber eine
Skandinavien vergleichbare Fjeldregion mit arktischen
Bürgern. Die Westgrenze zwischen Region 2 und 3
ist durch zahlreiche, ebenfalls nicht genau zusammen-
fallende sibirische und mitteleuropäische Vegetationslinien
bestimmt, welche etwa vom Südrand des Weissen Meeres
am Ostufer des Onegasees auf Wologda hinziehen.
Die Ostküste des Onegasees ist von einer anderen Flora im
Artgemisch besiedelt, als sie an der zerrissenen, felsigen Westküste
herrscht; östliche Pflanzen dringen bis zum Swirflusse vor und
setzen als weitere Grenzen den Ladogasee, als weiteste endlich
die Newa fest. Als solche Arten haben Betula fruticosa, Atragene
alpina, Polemonium pulchellum, Rubus humulifolius zu gelten.
Von Bäumen wie Stauden kehren einige hier ansässige nach Unter-
brechung im oberen Dnjeprgebiet und weiterhin erst in den Alpen
wieder, manche in anderen Unterarten oder Varietäten: so die
Lärche, Zirbelkiefer, Atragene. — In Wologda nehmen die Wälder
¾ des ganzen Gebietes ein; mit den Nadelwäldern wechseln solche
der nordischen Laubbäume: Birke, Espe (Populus tremula), Eber-
esche (Sorbus auc.) ab. Die Tanne geht ununterbrochen über die
Suchona und Dwina bis in das Petschoragebiet hinauf und macht
stellenweise die Hälfte der Waldungen aus (G. J., X, 161).
Der Ural wird von drei in sich verschiedenen Vegetations-
regionen eingenommen; die obere (alpine) ist arktischen Charakters
und hat die grösste Aehnlichkeit mit den norwegischen Fjelden;
3 endemische Arten, Saussurea, Gypsophila und Sedum angehörig,
leben hier unter alpinen weiter verbreiteten Arten wie Anemone
narcissiflora. Folgendes ist die Flora auf dem Deneshkin-Kamen
60½° N.: Thalictrum alpinum, Ranunculus nivalis, Matthiola
nudicaulis, Oxyria reniformis, Alsine stricta; Cassiope hypnoides,
Armeria arctica, Valeriana capitata, Senecio resedaefolius; Carex
ustulata, frigida, saxatilis, Scirpus caespitosus, Eriophorum alpinum,
Poa alpina, Avena subspicata, Juncus castaneus und triglumis.
Der eigentümliche Charakter des Ural-Alpengebietes liegt, abge-
sehen von der geringen Höhe der Berge selbst, unter denen kein
einziger die Grenze des ewigen Schnees erreicht, in dem Mangel
an Alpenweiden und darin, dass diese grossen Strecken über
der Waldgrenze mit Steingeröll schwer verwitterbarer Art über-
säet sind; dieser „Goldsand“ bietet nur den Flechten Raum, nach
welchen dann hie und da zwischen Felsen und aus Löchern und
Ritzen andere, phanerogame Pflanzen hervorkommen. Daher auch
die geringe Anzahl von Arten, welche hier nur kleine Rasenflecken
bilden (nach Herders Bericht, Bot. Jahrb.).
Die zweite Uralregion, welche den Hauptcharakter dieses
[373]Ural. Baltische Bezirke.
Gebirges ausmacht und seinen Anschluss bewirkt, ist die Wald-
region; am höchsten steigen die Nadelhölzer, und zwar verschiedene
Arten auf verschiedenen Bergstöcken, unter 64° N. bis 550 m,
unter 68° N. nur noch circa 200 m, worauf dann also die Baum-
grenze in die arktische Ebene tritt.
Die dritte Region hebt erst im südlichen Teile des Guberniums
Perm an, ist wenig bewaldet und häufig mit Tschernosem bedeckt;
die Picea excelsa (*obovata) verschwindet, an ihre Stelle treten
Birke und Kiefer in den nur 15—30 % ausmachenden Waldgeländen.
Die Flora leitet zu der in Südrussland und in den südlichen Aus-
läufern des Uralgebirges allein noch herrschenden Steppenvegeta-
tion über und wird von Krylow daher als Waldsteppenregion
bezeichnet.
4. Die west- und ostbaltische Waldregion
erstreckt sich von dem südlichen Saum der vorher ge-
nannten bis zu der südlichen Vegetationslinie der Kiefer
gegenüber den südrussischen Steppen, wird dann durch
die nördliche Vegetationslinie der mitteleuropäischen Edel-
tanne gegen Süden ungefähr abgegrenzt in einer durch
Polen, Schlesien, Sachsen laufenden, um den Harz herum
sich erhebenden und dann wiederum am Nordsaum des
rheinischen Schiefergebirges südwestwärts gegen die Bre-
tagne sich senkenden Linie, wo die nördliche Vegetations-
linie der edlen Kastanie ihre Südgrenze bildet. Sie um-
fasst also im wesentlichen die Küstenlandschaften der
Ost- und Nordsee, den Hauptteil Grossbritanniens, welches
sich in den schottischen Hochlanden an Skandinavien an-
schliesst, mit in sich fassend.
Der von mir west- und ostbaltisch genannte Anteil
scheidet sich durch das wilde Vorkommen der Fichte in
einen die eigentlichen baltischen Länder umschliessenden
Hauptteil von Wjatka und Kostroma bis gegen die Nieder-
lande, und in einen mit zahlreichen „atlantischen“ Arten
bevölkerten geringeren Bezirk; das deutsche Nordsee-
gestade und Dänemark vermittelt zwischen beiden. Im
südlichen Skandinavien und in dem russischen Anteil dieser
Vegetationsregion sind die hauptsächlichen Waldbäume
Kiefer und Eiche; von Westpreussen an westwärts tritt
dann die Buche hinzu, in Dänemark, Holland-Belgien,
England etc. ohne Fichte, in Norddeutschland und auch
in der Lüneburger Heide reichlich mit Fichte vereinigt.
[374]2. Nord- und Mitteleuropa.
Die Vegetationslinie der Buche bildet daher eine wesent-
liche Scheidung auch im ostbaltischen Bezirk dieser
kontinentales mit Küstenklima vermittelnden Region. Die
Tieflandsmoore im Ostbalticum haben noch sehr zahl-
reiche arktische Inquilinen.
Im Norden der ostbaltischen Bezirke ist die Waldaihöhe
nach Gobis Untersuchungen von pflanzengeographischer Bedeutung
(vergl. Drude in Sitzungsberichte der „Isis“ 1882 S. 55, und
Florenkarte von Europa: Vegetationslinien). Dieselbe setzt mit
den sich anschliessenden Höhenrücken den russischen Wiesensteppen-
arten einen starken Widerstand entgegen, weil bis zu ihr auf den
rauhen Höhen nördliche und nordöstliche Pflanzen zur Ansiedelung
gelangt sind. Nur 350 m hoch gewährt sie der Eiche kein nor-
males Fortkommen mehr, ist im Gegenteil von Salix Lapponum-
gebüschen, der nordischen Birke mit Eberesche und Prunus Padus,
borealen Ericaceen: Vaccinium uliginosum, Oxycoccus, Andro-
meda etc., mit Linnaea borealis und Rubus Chamaemorus besetzt,
welcher letztere übrigens auch noch in den russischen Ostssee-
provinzen eine merkantile Bedeutung („Moltebeere“) besitzt. Unter
diesen Umständen muss Norddeutschland thatsächlich ein
Uebergangsgebiet zwischen dem rauhen Osten und Norden und
dem atlantischen Westen darstellen, und es ist überhaupt nie für
sich allein, sondern als Glied der grösseren Vegetationsregion mit
Zuzüglern aus dem Süden aufzufassen. Hierfür vergl. zumal Loew,
Roth und Gerndt (G. J., VIII, 243).
Der atlantische Westen ist floristisch aufzufassen als letzter
Ausläufer der folgenden Vegetationsregion in den baltischen Grund-
stock von Arten hinein. Erica Tetralix, Genista anglica, Myrica
Gale, Ulex europaeus (zum Teil) mögen als seine Signale angeführt
werden. Für die Pflanzengeographie Englands liefern die Werke
von Watson ausgezeichnete Nachweise; seine Territorialeinteilung
mit kartographischer Grundlage und systematischer Vollständigkeit
zeigt die Uebergänge vom milden Südwesten mit Erica ciliaris,
Rubia peregrina, Sibthorpia europaea bis zu den arktisch-alpinen
Ausläufern auf den schottischen Hochlanden über 900 m hoch
(obere Grenze von Calluna), wo als Beispiel der circa 1220 m hohe
Ben-muich-dhu mit Silene acaulis, Carex rigida, Salix herbacea,
Gnaphalium supinum, Luzula arcuata und spicata angeführt werden
mag, ausserdem das Vorkommen von Saxifraga cernua und rivularis.
Erica Tetralix steigt bis 600 m Höhe, fast ebenso hoch die Kiefer
als einziger Nadelholzwaldbaum.
5. Im Bereich der westeuropäischen Laubwald-
region fehlen, abgesehen von den berührten Gebirgs-
ländern (siehe 6 und 7) die Nadelhölzer ganz; die „Flore
de l’ouest de la France“ z. B. nennt von Coniferen nur
Juniperus communis. Dafür kommt Castanea vesca und
[375]Deutschland. Westeuropa. Alpenländer.
die immergrüne Quercus Ilex als Ausdruck eines milden
Winters und einer langen Vegetationsperiode hinzu, welche
schon eine Reihe mediterraner Typen in den borealen
Charakter aufzunehmen gestatten. Diese Uebergangs-
region möchte ich daher auch auf Nordspanien, bis zur
nördlichen Vegetationslinie der Olive daselbst, welche
nahezu mit der Südgrenze der Buchenwaldungen in Spa-
nien zusammenfällt, erweitert sehen, und man kann sie
dann als „nordatlantisch“ bezeichnen.
Eine ganze Reihe wärmerer Pflanzen ist hier in
sporadischen Standorten verbreitet, welche hier ihre ur-
sprüngliche Heimat gehabt haben mögen, durch die Eis-
zeit aber zerstreut oder südwärts gedrängt sind (Daboecia
polifolia, siehe oben S. 196). Nicht wenige derselben
erreichen noch, wie schon angedeutet, das südwestliche
England und Irland.
Noch jetzt sind gewisse endemische, für die europäische Ge-
samtflora höchst interessante Arten auf kleine Stellen dieser Vege-
tationsregion beschränkt. Darüber hat eine Abhandlung von Crié
(G. J., XIII, 322) hübsche Ausführungen gebracht. Auf einzelne
Standorte an den Küsten und auf den Inseln der Bretagne sind
4 Arten beschränkt, ein Narcissus, Eryngium, eine Omphalodes
und Linaria.
6. Mitteleuropäische Hügel- und Bergwald-
region. Mit dem Auftreten der gemischten Fichten-,
Kiefern- und Buchenwälder, und aller sie begleitenden
Charakterstauden an den Westhängen des französischen
Berglandes gegen die atlantische Küstenregion hin be-
ginnt, sich ostwärts bis zur westlichen Vegetationslinie
der Silberlinde am Plattensee über die Alpenkette und
das ihr nordwärts vorgelagerte Berg- und Hügelland
ausdehnend, diese Region, in welcher selbst wieder mit
streng borealem Charakter eine die höheren Bergländer
auszeichnende mitteleuropäische Nadelholzregion mit den
auf diese folgenden „Hochalpinen“ ausgeschieden ist.
Auch die Pyrenäen haben Anteil an dieser Hauptregion,
obwohl ihr unterer Saum wohl mehr zu R. 5 als zu R. 6
gehört. Nordwärts dehnt sich dieselbe bis zu der nörd-
lichen Vegetationslinie der Edeltanne, oder darüber hinaus
bis zum Lande am nördlichen Harze gegen das centrale
[376]2. Nord- und Mitteleuropa.
Balticum aus, südwärts grenzt sie an die atlantische und
mediterrane Flora, von welcher nun schon vielfältig ein-
zelne Artenareale sich in die wärmeren Thalgelände dieser
Region hineinschieben (z. B. Buxus sempervirens, Hyperi-
cum Corts).
Die Wälder setzen sich aus allen Arten der baltischen
Vegetationsregion, vermehrt um die Tanne, welche mit
Buche und Fichte die massenhaftesten Bestände ursprüng-
lich gebildet zu haben scheint, zusammen; die nordische
Weissbirke ist oft durch die ihr sehr nahe stehende mittel-
europäische ersetzt; Nebenarten in den Beständen, zumal
der Bergahorn, bilden wichtige Merkmale. Doch liegen
die bedeutenderen Charaktere gegenüber der baltischen
Region in den Wiesen-, Trift- und Felsformationen, in
welchen mit reichem Blumenschmucke zahlreiche Arten,
welche die Region nordwärts nur sporadisch überschreiten
oder nur hier bestandbildend sind, auftreten; dasselbe
gilt von Sträuchern wie Sambucus racemosa, auch S.
Ebulus, Lonicera Xylosteum und Clematis Vitalba, die fast
alle Gaue der mitteleuropäischen Region bewohnen.
Der Grundstock dieser Flora muss, meiner Ansicht
nach, die Eiszeit im Lande überdauert haben, wenngleich
erst nachher alle mediterranen Sippen, die jetzt einge-
mischt vorkommen, zurückgewandert sein werden. So
gliedern sich verschiedene Bezirke in der ganzen Region
nach südwestlichem, südöstlichem und centralem Art-
gemisch heraus, deren Wanderungszüge sich verfolgen
lassen. Doch auch ungelöste Probleme, Oasen von rei-
chem Artgemisch in unerwarteter Lage, bieten sich dem
Geographen dar, wie z. B. in der Flora von Halle (siehe
G. J. XIII, 325).
Da es sich hier um Berg- und Hochgebirgsländer
handelt, so spielt die Meereserhebung die wichtigste Rolle
für die Entscheidung des örtlichen Artgemisches. Nur
in den wärmsten Tiefen finden sich mediterrane Arten
und die Bewohner trockenheisser Standorte, oder gedeiht
der Wein; der Wald lässt seine Elemente sehr nach der
Höhe wechseln: auf Eiche mit Kiefer, oder gar Kastanie,
folgt Buche und Tanne, dann erst beginnt das Haupt-
[377]Alpen. Pyrenäen. Karpathen. Sudeten.
gebiet der Fichte, über der in den Hochgebirgen Arve
und Lärche an die westuralische Waldregion erinnern.
Die sonnigheissen Felsen, die Triften und Labiaten, Cen-
taurea- und Rosa-Arten sind längst unter deren Niveau
geblieben; Bergwiesen mit ihrem reichen Flor, Moore
und Felsen mit alpinen Arten treten an ihre Stelle, bis
über der Baumgrenze erst Kniehölzer von Coniferen,
Salicineen oder Ericaceen (Rhododendron!) folgen, dann
nur noch die Alpenmatten und alpinen Felsformationen.
Diese reiche Gliederung soll für die wichtigsten Gebirge hier
zusammenhängend in folgender Tabelle kurz dargestellt werden:
Pyrenäen. Atlantische immergrüne Formationen bis 400 m.
Laubwald herrschend bis 1600 oder 1700 m; Castanea bis 500 oder
800, Quercus Robur bis 1600, Fagus 650—1600, stellenweise bis
1850 m, Abies pectinata bis 1950 m. Nadelwald herrschend von
1600—2200 oder 2400; Picea excelsa 1500—2400; Knieholzregion
mit dem obersten Nadelwald oft vereinigt 2200—2400, obere
Grenze von Rhododendron ferrugineum, Vaccinium Myrtillus, Empe-
trum. Alpine Formationen 2400—2750 (Schneelinie).
Alpen. — Tessin. Immergrüne Formationen, zur mediter-
ranen Vegetationsregion sub 4 gehörig (Cistus, Erica arborea) bis
300 m. Laubwald herrschend 300—1520 (Grenze der Buche); Ca-
stanea bis 900; untere Grenze von Larix 800, im Wallis 1100 m.
Nadelwald herrschend 1520 bis 2200; Picea excelsa bis 1800 oder
1950 m. Strauchformationen 2200—2400 mit den obersten Stand-
orten von Larix und Cembra. Alpine Formationen 2400—2700,
im Engadin und Wallis bis 3000 m.
— Algäu. Laubwald herrschend bis 1400 m; Eiche bis 875,
Cerealien bis 1040 m; untere Grenze von Larix 910, von Cembra
1530 m zusammen mit den sporadischen obersten Buchen. Nadel-
wald herrschend 1400—1750. Strauchformationen 1750—2050, Cem-
bra sporadisch bis 1870 m. Alpine Formationen 2050—2660 m
(Schneelinie); Vaccinien bis 2275, Salix retusa und herbacea bis
2530, subnivale Stauden bis 2660 m.
Siebenbürgens Alpen. Laubwald herrschend bis 1300
(obere Buchengrenze). Nadelwald herrschend bis 1700 m (obere
Fichtengrenze). Strauchformationen mit Alnus incana bis 1800
(obere Pinus montana-Grenze). Alpine Formationen 1800—2500.
Sudeten. Laubwald herrschend bis 800 m; Quercus bis
400, Pinus silvestris bis 600 m. Nadelwald herrschend bis 1200,
gegen Süden bis 1300 m; obere Grenze von Abies pectinata 1000 m,
untere Grenze von Pinus montana 1150 m. Strauchformationen bis
1400. Alpine Formationen 1400—1600 m.
Das Ineinandergreifen der als Grenzen benutzten
Formationen geht aus verschiedenen Zahlen hervor; es
[378]2. Nord- und Mitteleuropa.
erscheint überhaupt fehlerhaft, so starr, wie es meistens
zu geschehen pflegt, verschiedene „Regionen“ überein-
ander abzugrenzen nach dem Auftreten bestimmter Arten,
während doch nur die Formationen dafür maßgebend
sein können. Die mitteleuropäische Bergwaldregion er-
reicht also Höhen von 1600 m im Süden, von 800 m
im Norden, die im Harz sich auf 600 m verringern.
7. Mitteleuropäische Nadelholz- und Hoch-
gebirgsregion. Die über den herrschenden Laub-
wäldern (vornehmlich der Buche, welche aber in den
Centralalpen fehlt und zwar fast überall da, wo die Lärche
sich ausgebreitet hat) sich auf den höheren Gebirgen aus-
breitenden Formationen werden hier zusammengefasst.
Die Scheidung so vorzunehmen, scheint wichtiger, als
wenn die gesamten Waldbestände den alpinen Formationen
allein gegenübergestellt würden, da auch in den oberen
Nadelholzbeständen der arktisch-alpine Mischlingscharakter
gegenüber dem spezifisch-mitteleuropäischen Floren-
charakter zum Durchbruch kommt, wie schon bei Larix
und Pinus Cembra hervorgehoben. Hier herrschen die
von Pinus montana gebildeten, für Mitteleuropa charak-
teristischen Krummholzbestände auf Fels- oder Moorgrund,
die halbstrauchigen Saliceten, Rhododendron-Formationen
(Rh. ferrugineum, hirsutum; Loiseleuria procumbens als
circumpolare, niedere Halbstrauchpolster bildende Ericacee),
Wiesen, Triften und Felsformationen mit Primeln und
Enzianen, Hahnenfüssen und Steinbrechen.
Die charakteristischen Sippen bespricht man am deutlichsten
durch Nennung der in der „nivalen Flora“ der Schweiz, d. h. über
2600 m hoch zerstreut in der Schneeregion beobachteten 338 Hoch-
alpenpflanzen, von welchen zugleich 150 im hohen Norden vor-
kommen (G. J., X, 163). Am artenreichsten sind die Compositen
mit 58, dann die Gräser mit 25, Cruciferen mit 22, Saxifragen
mit 21, Leguminosen mit 19, Cyperaceen mit 19, Alsineen mit 18,
Primulaceen mit 18, Rosaceen mit 17 und Scrophulariaceen mit
16 Arten; dann folgen Ranunculaceen, Gentianaceen, Campanu-
laceen, Juncaceen, Crassulaceen, Sileneen etc. — In jedem Falle zu
entscheiden, welche von den weiter verbreiteten und zumal von
den mit dem hohen Norden gemeinsamen Arten hier oder dort
ihren Ursprung gehabt haben, scheint jetzt und für alle Zukunft
unmöglich; das aber ist sicher, dass die arktische Flora und die
der alpinen Formation getrennte Grundstöcke darstellen, welche
[379]Hochgebirgsregion. Balkanländer.
durch äussere Umstände zu innigerer Vermischung Veranlassung
gefunden, dennoch aber ihre Hauptzüge getrennt erhalten haben.
Wir erkennen dies einerseits aus manchen circumpolaren Arten,
welche noch Harz und Sudeten, aber nicht mehr die Alpen er-
reicht haben, andererseits aus den vielen, in der Alpenkette circa
200 betragenden, erhalten gebliebenen Endemismen von gutem
Artrecht. — Finden wir diese schon in einzelnen Teilen der Alpen-
kette selbst, so darf man sich nicht wundern, auch viele Ende-
mismen in den Pyrenäen, Karpathen und den Balkan-Gebirgssystemen
zu finden, welche aber doch alle dem gleichen alpinen Grundzuge
angehören und daher von mir mit zu dieser Vegetationsregion
gerechnet werden.
8. Die westpontische Waldregion schliesst sich
im Südosten an die vorige an. Ihre Grenze bildet eine
durch die Ostalpen an Wien vorbei und am inneren Hang
der Karpathen herumlaufende Linie; dergestalt erstreckt
sich diese Region über die untere Donau einerseits bis
zu den Grenzen des pontischen Steppengebietes im Osten,
andererseits bis zu denen der östlichen Mediterranflora
im Süden; beide Nachbargebiete senden zahlreiche Ein-
dringlinge vor. Der eigene Charakter besteht in den
neu auftretenden Charakterbäumen: Silberlinden, Quercus
Cerris und pubescens, selten Castanea; mehrere Coniferen,
Picea Omorika in Serbien (G. J. VII, 194), Pinus Peuce,
Pinus nigra und leucodermis bis zur Baumgrenze in Bos-
nien an Stelle der hier seltenen P. silvestris sind hier
endemisch; Ostrya carpinifolia, Rhus Cotinus, Syringa
und Acer tataricum treten häufig auf. Stauden, wie
Telekia speciosa, Waldsteinia, Glycyrrhiza etc. bilden
eigene Formationen oder charakteristische Nebenbestand-
teile, viele sind endemisch.
Der ganze Artreichtum dieser Länder ist noch längst nicht
erschöpft und wahrscheinlich sehr gross, wie die neuesten For-
schungen in Bosnien und Bulgarien vermuten lassen (G. J., XIII,
327). Auch aus Bulgarien ist genug bekannt geworden, um die
Meinung zu rechtfertigen, dass trotz zahlreicher eigentlich-pontischer
Inquilinen, die ja als eigene Formationen bis in die ungarischen
Pussten vordringen, doch der Hauptcharakter der des mitteleuro-
päischen Florengebiets, nicht der des pontischen Steppenfloren-
gebiets, ist. Von 1560 Arten findet sich die grössere Hälfte (830)
in der Hügel- und Berglandsregion des südöstlichen oder centralen
Deutschlands. Von 316 alpinen Arten sind 150 auch in Region 7,
und bewirken mit 44 zugleich karpathischen den Anschluss der
oberen Bergformationen an diese.
[380]3. Pontische Steppen und Kaukasus.
3. Pontische Steppen und Kaukasus.
Auswahl der Litteratur. Pokorny, Vegetationsformen
des ungarischen Tieflandes, in Bonplandia VIII, 151, 182, 192.
Ruprecht, Geobotanische Untersuchungen üb. d. Tschornosjom,
1865; Ueber den Ursprung d. Tschornosjom, 1864 (Petersburger
Akademie, 8°). Veesenmeyer, Ueber die Vegetationsverhältnisse an
der mittleren Wolga; Claus, Lokalfloren der Wolgagegenden: Bei-
träge zur Pflanzenkunde des russ. Reiches, Heft IX, S. 40—116,
und VIII, 1851). Bataline, Aperçu des travaux russes sur la Géogr.
d. pl. de 1875/80 (3. Congrès international de Géogr., St. Petersburg
1881). Korschinsky, Ueber die nördl. Grenze des Steppengebietes
in d. östl. Landstrichen Russlands; Kasan 1886 (siehe G. J., XIII,
328). Schmalhausen, Flora vom südwestl. Russland, Kiew 1886.
Koschewnikoff, Beiträge zur Flora des Tambowschen Gub.; Bulletin
de la Société imp. d. natur. de Moscou 1876, S. 238. Litwinoff,
Abriss der Pflanzenformationen in dem südöstl. Steppenteil des
Gub. Tambow; St. Petersburg 1887 (siehe G. J., XIII, 328). Krassnoff,
Geobotanische Untersuchungen in den Kalmückensteppen, in K. Russ.
Geogr. Ges. XXII, (siehe Englers botan. Jahrb. Syst. X, Litt.
S. 53 u. folgd.). Lindemann, Flora Chersonnensis, Odessa 1881.
Schell, Materialien zur Pflanzengeogr. d. Gub. Ufa und Orenburg,
Kasan 1881—83 (G. J., XI, 120). — Rehmann, Vegetationsf. d.
Taurischen Halbinsel, in Verh. der K. K. zoolog. botan. Gesellsch.
Wien 1876.
Smirnoff, Verzeichnis der Pflanzen des Kaukasus, Tiflis 1880
u. folgd. (unvollendet). Radde, Reisen in Kaukasien etc., in Geogr.
Mitteilungen 1867, S. 12—92, 1876, S. 139, 1878, S. 248 und 1884,
S. 413 (Dinnik); Aus den Dagestanischen Hochalpen, Geogr. Mit-
teilgn., Ergänzungsheft Nr. 85, 1887. Köppen, Geogr. Verbrei-
tung d. Holzgewächse Russl. u. d. Kaukasus, 1887/89. Medwiedew,
Bäume und Sträucher des Kaukasus, 1883 (G. J., XI, 125 8.
Wie Köppens Wärmegürtel der Hauptkarte und ebenso
die hier (S. 364) beigefügte kleine Skizze zeigen, be-
treten wir hier in Europa zuerst das Gebiet sommerheisser
Landgebiete, welche sich sonst nur im Bereich der medi-
terranen Flora finden, hier aber zur Abteilung 3 der
II. Vegetationszone (siehe S. 85) gehören. Denn auch
diejenigen Steppengebiete, welche der Donau aufwärts
folgend sich bis gegen Wien hinziehen, schliesse ich
gemäß meiner in den „Florenreichen“ (S. 51) gemachten
Auseinandersetzung an die südrussischen Steppen an, wie-
wohl es fast selbstverständlich ist, dass in sie hinein mehr
[381]Litteratur. Klima, Formationen.
mitteleuropäische Arten sich einmischen und andererseits
die südöstlichen, zum Teil das aralokaspische Gebiet mit
Europa verbindenden Charakterarten seltener werden oder,
wie z. B. Caragana frutescens, fehlen. Im Gegensatz
zu den Waldgebieten bewirkt aber die ungleiche und
geringe Verteilung der Niederschläge zusammen mit der
Sommerhitze und Winterkälte die Ausprägung baum-
loser Grassteppen-Formationen, deren westlichstes
Areal, in Ungarn an der Theiss, Kerners Florenkarte von
Oesterreich in aller Schärfe abgrenzt, und auf diese Step-
pen ist die südrussische oder pontische Vegeta-
tionsregion begründet. Wie stark die Winterkälte sei,
ergibt sich daraus, dass der Hauptteil dieser Region
zwischen 3—4 Monaten Temperaturmittel unter 0° hat,
und es zeigt auch der im Kärtchen angegebene Verlauf
der —10°C.-Januarisotherme, welche sich am Wolga-Knie
bei Sarepta mit der 24°C.-Juliisotherme schneidet und
die 20°C.-Hitzegrenze nahe der südöstlichen Vegetations-
linie der Kiefer trifft. In der Dauer der „warmen“
Jahreszeit stimmt dagegen diese Region, wie zu erwarten,
mit der in Deutschland herrschenden Dauer von 5 bis
6 Monaten über 10°C. überein.
Nach diesen Steppenebenen und -Hügeln steigt dann
steil bis über 5600 m das Massiv des Kaukasus empor,
welchen ich an die genannte Steppenregion anschliesse,
mit eigener Wald- und Hochgebirgsregion. Denn
der Nordhang dieses Gebirges ist von nordpontischer
Steppenflora besiedelt bis zu dem Wäldergürtel, während
der Südhang in die armenisch-kurdistanische Steppe aus-
läuft. Aber zahlreiche europäische Holzpflanzen und
Kräuter, die Buche, der Taxus etc., zeigen den Gebirgs-
anschluss an den Westen, während andere Pflanzen den
Charakter der Steppenflora darin teilen, dass sie sich
als Ausgliederungen aus der alten arktotertiären medi-
terran-orientalen Flora zwischen Tibet und Atlas erwei-
sen; so z. B. die grossblumigen Rhododendron ponticum,
caucasicum und auch flavum (Azalea), von denen das
erstere auf der iberischen Halbinsel seinen sehr nahe ver-
wandten Sektionsgenossen findet. Dass auch die Be-
[382]3. Pontische Steppen und Kaukasus.
ziehungen zu den westasiatischen, dem orientalischen
Florenreich zugehörigen Gebirgen lebhaft sind, beweist
u. a. das Vorkommen der beiden einander nahe verwand-
ten Juniperus excelsa und foetidissima, die aber sowohl
in der Krim als im Kaukasus nur südlich der Kammlinie
vorkommen, abgesehen von einem von Koch genannten
Standort im Thale des Terek (nach Köppen, a. a. O. II.
421; vergl. auch Griseb. V. d. E., I, 448). — In den öst-
lichen Steppen sind mehrere Gemüsepflanzen (Brassica,
Cochlearia, Armoracia) und Zwiebeln ursprünglich.
1. Die pontische Vegetationsregion schliesst,
von kleinen Oasen der Kiefer und am Westsaum auch
der Eiche und Hainbuche abgesehen, die mitteleuropäi-
schen Waldbäume aus. Schon in Ungarn kommen Wäl-
der nur am Rande des grossen Tieflandes, in der Nähe
der Gebirge, sowie am Donauufer vor; das ungarische
Tiefland selbst ist mit Steppen- und Wasserformationen
erfüllt, von denen erstere natürlich den Raum am breite-
sten decken.
Auf dem Sande breiten sich die Grassteppen- und die Flug-
sandformationen aus, erstere durch Stipa pennata, Pollinia Gryllus
und Poa bulbosa als die 3 häufigsten Grasarten ausgezeichnet.
Stipa pennata, das Federgras, dringt bis zum Kyffhäusergebiet in
das Herz Deutschlands auf trockenen Gipshöhen vor, ohne jedoch
in Deutschland je Bestände zu bilden. Auf dem Salzboden weist
die Salzsteppe schon die aschgrauen Stauden der Artemisien mit
zahlreichen Salsolaceen auf, auch vegetationslose Salzefflorescenzen
kommen vor. Hutweiden, die das Mähen nicht mehr gestatten,
und an den Westen erinnernde Wiesen decken das schwarze Erd-
reich. Die Schilfformation, Sümpfe etc. sind ganz von den ge-
wöhnlichen mitteleuropäischen Arten eingenommen, wie ja die
Wasserpflanzen auch in Steppenumgebung ihre normalen Existenz-
bedingungen finden.
In Südrussland spielt die Verbreitung der „schwarzen
Erde“, des Tschernosem (Tschornosjom), eine floristisch
und kulturell bedeutende Rolle, die jedoch noch nicht
völlig geklärt ist. Wie Grisebach (V. d. E., I, 386)
angibt, ist darunter die äusserst fruchtbare, schwarze Hu-
muserde zu verstehen, welche die Uferlandschaften des
die jetzigen Steppen ehemals bedeckenden Diluvialmeeres
bezeichnet, und welche als Quelle des reichen Bodenwerts
[383]Südrussland. Tschernosemgebiet.
der Ukraine mit der Düngemittel entbehrender Roggen-
kultur 3—5 m tief hinabreicht. Selbstverständlich rührt
sie nicht von der heutigen Vegetation her und kann
daher auch nur in Zusammenwirkung mit dem Klima zu
entscheidenden Vegetationslinien führen, muss aber doch
stets ihre eigenen Besiedelungsbedingungen eben durch
die Zeitlage ihres Freiwerdens vom Wasser besessen haben.
Ueber die klimatischen Windeinflüsse hier vergl. Griseb. Abh.
S. 514. Ruprechts obengenannte Abhandlungen beanspruchen ein
hohes Interesse, insofern als sie auf die geologische Entwickelung
dieses Landstriches gründlich eingehen.
Nach Batalins sehr klar zusammenfassenden Berich-
ten über die späteren Studien der russischen Forscher
an der Grenze des Tschernosem gegen den nördlichen
Waldgürtel ist hier der Formationswechsel genau der
Bodenunterlage folgend.
So im Gubernium Tula, dessen grössere südöstliche Hälfte
aus steppenbewachsenem Tschernosem besteht, während die kleinere
nordwestliche tschernosemfrei ist und Wälder trägt von Pinus sil-
vestris mit den ganzen charakteristischen mitteleuropäischen Forma-
tionsgenossen, häufiger aber Laubwälder von Quercus, Betula,
Populus tremula. Noch schöner soll sich der Unterschied zwischen
schwarzer und gewöhnlicher Erde in den Grasfluren zeigen, von
denen die auf gewöhnlichem Boden den normal baltisch-mittel-
europäischen Charakter, diejenigen aber auf schwarzer Erde sofort
eine Reihe besonderer Arten zeigen, welche entweder nur den
Tschernosem bewohnen oder höchstens als Flüchtlinge von diesem
auch auf Kalkunterlage sich finden, wie ja häufig ein nördliches
Vorkommen der Steppenpflanzen auf trockenem Kalkboden beob-
achtet wird. Als eine Reihe dieser Charakterarten nennt der Be-
richt Adonis vernalis, Linum flavum, Adenophora liliifolia, Salvia
verticillata, Thymus Marschallianus, Nepeta nuda, Phlomis tuberosa,
Cirsium pannonicum und canum, Aster Amellus, Scabiosa ochro-
leuca, Asperula tinctoria, Falcaria Rivini, Potentilla alba, Anthe-
ricum ramosum. Wo aber im Süden des Gubernium der Boden
schon von einer dicken Lage Tschernosem überlagert ist, da er-
scheinen noch die Charakterarten Dianthus capitatus, Gypsophila
altissima, Lychnis chalcedonica, Scorzonera purpurea und taurica,
Centaurea ruthenica, Echium rubrum, Amygdalus nana, Astragalus
austriacus; Stipa pennata und capillata, Iris furcata, Fritillaria
Meleagris etc. Diese und manche andere sind als Repräsentanten
einer nur knapp sich in den hauptsächlichsten Bestandesarten aus-
drückenden Vegetationsregion zu nennen; von besonderem Inter-
esse ist das Areal der vom Südural hereinkommenden und am
Pruth nördlich Odessa endenden Caragana frutescens.
[384]3. Pontische Steppen und Kaukasus.
So ist der allgemeine Landescharakter der einer „frischen,
welligen und blumenreichen Steppe“, welche von der kaspischen
Salzsteppe sehr verschieden sich nach der Durchstreuung mit
Baumoasen (Pinus silvestris! siehe deren hypothetische Vegetations-
linie in der Vergangenheit bei Köppen, Karte IV!) in Vorsteppe,
Uebergangs- und eigentliche Grassteppe gliedert, in welch
letzterer die Formationen am reinsten ausgesprochen sind. „Sie sind
erkennbar an dem dichten und wolligen Rasen, welcher vorzugs-
weise von der silberglänzenden Stipa pennata und capillata ge-
bildet wird und der, vom Winde angehaucht, gleich einem reichen
Kornfelde auf und nieder wogt. Hier bilden nur krüppelige Erlen,
Birken, Linden und strauchartige Eichen in den Schluchten der
Berge ein kümmerliches Gestrüpp, während man an wenigen
Stellen, in den Niederungen an den Ufern der Flüsse, diese Bäume
zu kleinen Hainen vereint vorfindet. Dagegen zieren kleine
Sträucher: Caragana frutescens, Cytisus biflorus, Amygdalus nana,
Prunus Chamaecerasus, Spiraea crenata u. a. die Anhöhen. Alle
Coniferen und Ericaceen fehlen“ (Sergyews nördl. Samara, nach
Claus). — Der phänologische Charakter dieser Flora ist oft ge-
schildert: ein starker Wechsel vorherrschender Arten in der all-
gemeinen Gräserflur ist bezeichnend; in den ersten Frühlingstagen
(Ende April) erscheinen die Tulpen und Fritillarien, Iris mit Adonis
und Pulsatilla, tiefes Grün spriesst auf; Mitte Mai sind Cruciferen
(Alyssum) und Labiaten (Salvia, Dracocephalum) an deren Stelle
getreten, Anfang Juni Leguminosen, Sileneen, neue Labiaten und
Boragineen; das Grün blasst ab, zu Beginn des Juli beginnt die
Hauptblüte der Umbelliferen (Libanotis montana, Peucedanum
alsaticum) und Filipendula; Mitte Juli die der Compositen (Cen-
taurea, Serratula) als Vorboten des nahenden Herbstes, der den
Grundton der Steppe in ein falbes Gelb verwandelt.
Die Formationen der Krim nach Rehmann (a. a. O.) siehe
in G. J., Bd. VII, S. 197.
2. Die kaukasische Wald- und Hochgebirgs-
region scheint sich weniger scharf, als es bei mittel-
europäischen Gebirgen der Fall war, in ausgesprochene
Laub- und Nadelwaldformationen zu gliedern, auf welche
dann erst die alpinen Formationen folgen. Dagegen ist
der über den Steppen beginnende Wald in seinen unter-
sten Beständen vorwiegend aus wärmeren Arten gebildet,
über denen erst oberwärts die gemischten, und endlich
die reinen Nadelwaldbestände vom borealen Charakter
folgen. Die Wiesengräser sind grösstenteils mitteleuro-
päische Arten.
Höhengrenzen am Südhang in Mingrelien: Lorbeer und Cistus
salvifolius bis 200 m; Rhus Cotinus im Rionthal bis 625 m, Wein-
[385]Waldbäume des Kaukasus.
stock kult. bis 975 m, Castanea vesca bis 1100 m, Prunus Lauro-
cerasus bis 1430 m, Juglans regia wild und kult. bis 1415 m,
Roggen- und Gerstenkultur 1500—1830 m. — Untere Grenze der
Birke 1060 m, obere Grenze in der Strauchregion bei 2450 m;
Carpinus und Fraxinus bis 1830 m, Acer Pseudoplatanus bis
1900 m, Fagus silvatica bis circa 2000 m, Picea orientalis und
Abies Nordmanniana bis 2100 m. — Darauf folgen Gesträuche
und Staudenmatten, Rhododendron caucasicum und Cotoneaster
nummularia 2400—2750 m; Alpenmatten 2750—3650 m (Schnee-
linie). Am Nordhange des Elbrus steigen Picea orientalis und
Abies Nordmanniana, welche gewöhnlich im westlichen Teil des
Gebirges zusammen die Baumgrenze zu bilden scheinen, nur bis
1800 m. — Köppens Karte (a. a. O., Nr. V) stellt das Verbreitungs-
gebiet der Picea orientalis in Gestalt eines etwa bei Golowinsk am
Schwarzen Meere beginnenden, den Kamm nordwärts durchschnei-
denden und dann bis zur Mitte des ganzen Gebirgs auf dem Kamm
verlaufenden, dann südwärts an Tiflis und Kars vorbei zum
Schwarzen Meer zurücklaufenden Ovals dar, so dass also die ganze
Osthälfte des Gebirges keine Fichte hat. Das darin Auffällige
mit Beziehung auf die Verwandtschaft der Fichte des Thian-schan
ist von Grisebach (V. d. E., I, 448) besprochen. Die gesamten Wald-
bestände der gegen das kaspische Meer hin auslaufenden Ostketten
sind dürftiger an Wuchs und in der Artzusammensetzung als die
am Pontus entlang laufenden Westketten. Hier erhalten sie auch
Anschluss in der Bewaldung an die Gebirge des nördlichen Klein-
asiens, welche durchaus kein mediterranes Gepräge haben. Die
Verbreitung der fast ganz auf den Kaukasus beschränkten, durch
ihre mitteleuropäische Kultur gut bekannten Abies Nordmanniana
ist der der Picea orientalis ähnlich; im Distrikt des Schwarzen
Meeres und in Abchasien bildet sie nicht selten ausgedehnte Wälder,
auch in Imeretien; ihr Hauptgebiet liegt zwischen 1370—1980 m Höhe
(Köppen). — Wenig charakteristisch ist für den Kaukasus die Pla-
tane (P. orientalis), da sie spontan nur in Talysch vorkommen und
sonst kultiviert sein soll; ähnlich ergeht es dem Areal der Ptero-
carya caucasica (= P. fraxinifolia), welche in einigen Gegenden
des westlichen Teiles von Transkaukasien wächst und dabei die
Nordgrenze ihres in Nordpersien liegenden Areals erreicht. Auch
die edle Kastanie beschränkt sich wild auf das westliche Gebiet
Transkaukasiens in Gesellschaft von Fagus und Carpinus, so dass
nach alledem nur der Südhang des Gebirges wesentliche Züge der
mediterran-orientalischen Waldvegetation zur Schau trägt, ohne
seltenere Repräsentanten der alten arktotertiären Flora erhalten
zu haben. — (Vergl. auch Griseb. Abh., S. 352.)
Es möchte noch der kaukasischen Rhododendren kurz ge-
dacht werden: Rh. ponticum ist kaukasisch-kleinasiatisch, ist häufig
im Gebiet des Rion und der Kura 300—1700 m hoch; zwei nahe
verwandte Arten sind südlich des Rion kürzlich bei Batum ent-
deckt. Rh. caucasicum ist eine endemische Charakterart, 1—1½ m
Drude, Pflanzengeographie. 25
[386]4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer, Orient.
hoch wachsend, mit Höhenspielraum von 1800—3000 m: „es er-
scheint, wo die Birke als Baum verschwindet; seine grossen immer-
grünen Blätter und reichlichen Blumenbouquets finden nicht ihres-
gleichen in diesen Höhen. Es kommt hier so zahlreich vor, dass
es im holzarmen Thal des Terek von den Tscherkessen überall als
Brennmaterial benützt wird“ (Rehmann, nach Köppen). Die letzte
Art, Rh. (Azalea) flavum, wächst in Volhynien, in dem Kaukasus
und in Kleinasien in zwei getrennten Arealen, auf beiden Gebirgs-
seiten von den unteren Regionen bis circa 2000 m.
Die alpinen Formationen sind trefflich von Radde, auch von
Dinnik aus dem höheren Ossetien geschildert. Die bekannten
alpinen Gattungen Draba, Campanula, Gentiana etc. sind teils in
endemischen, teils in borealen und arktischen Formen reichlich
vorhanden. Engler gibt z. B. 3 Saxifraga-Arten als endemisch im
Gebiet an; eine derselben, die seltene S. laevis, bedeckt mit Draba
scabra und imbricata zu Tausenden (?) auf dem winzigen Raum
von 2—3 Qudratfuss vereinigt die Geröllfelsen auf den Rionpass-
höhen.
4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und Orient.
Auswahl der Litteratur: I.Webb \& Berthelot, Histoire
naturelle des Isles Canaries, 3 fol. Bde. 1836/50 mit Tafeln. Drouet,
Catalogue de la Flore des Iles Açores, 1866. Godman, Natural
history of the Azores, 1870. Christ, Vegetation und Flora der
Canarischen Inseln, in Bot. Jahrb. Syst., VI, 458 und IX, 86; Eine
Frühlingsfahrt nach den Canarischen Inseln, 1886. Cosson, Cata-
logue d. plantes de Madère etc., im Bull. Soc. botan. de France 1868.
II.Willkomm, Ueber d. atlantische Flora, ihre Zusammen-
setzung und Begrenzung; Lotos 1884 (siehe G. J., XI, 121). Cosson,
Compendium Florae atlanticae (Flore des Etats barbaresques Algérie,
Tunisie et Maroc) 1881 u. folgd. im Erscheinen. Hooker \& Ball,
Marocco and the Great Atlas, London 1879; Spicilegium Florae
Maroccanae im Journal Linn. Soc. London 1878, pts. 96 und 97
(G. J., VIII, 247). Cosson, Règne végétal en Algérie, 1879; Ex-
ploration scientifique de la Tunisie: Note sur la Flore de la Krou-
mirie centrale expl. 1883, Paris 1886; Forêts, bois et broussailles
du Nord de la Tunisie, 1884 (G. J., XI, 123); Considérations géné-
rales sur la distribution en Tunisie etc., Comptes rendus 1884
(G. J., XI, 122). Battandier \& Trabut, Flore d’Algérie \& Atlas
de la Flore d’Alger (siehe G. J., XIII, 330). Tchihatschef, Espagne,
Algérie et Tunisie, Paris 1880. Boissier, Voyage botan. dans le
midi de l’Espagne, Paris 1839/45 (mit Atlas).
III.Willkomm \& Lange, Prodromus florae Hispanicae (nur
systematische Flora). Willkomm, Vegetationskizzen aus Spanien,
Botan. Zeitg. 1851; die Strand- und Steppengebiete der iberischen
Halbinsel, 1852 (mit Vegetationskarte!); Spanien und die Balearen,
[387]Litteratur.
Berlin 1876; Index plantarum in insulis Balearibus, Linnaea 1876.
Burnat \& Barbey, Voy. botan. dans les îles Baléares etc., 1882. —
Fuchs, Abhängigkeit der Mediterranflora von der Bodenunterlage,
K. Akad. zu Wien 1877 (G. J., VII, 197). Durand \& Flahault,
Les limites de la région méditerranéenne en France, Bulletin Soc.
botan. de France Bd. 33. Loret \& Barrandon, Flore de Mont-
pellier, analyse descriptive des plantes de l’Hérault. Forsyth-
Major, Die Tyrrhenis, Kosmos 1883, VII (G. J., X, 177—179).
Parlatore, Etudes sur la géogr. botan. de l’Italie, 1878: Flora ita-
liana 1850 u. folgd. (systematische Flora, im Erscheinen). Caruel,
Statistica botanica della Toscana, 1871. Barbey, Florae Sardoae
Compendium, 1885 (G. J., XI, 123), Fischer, Beitr. z. Geogr. d.
Mittelmeerländer, vorz. Siciliens; 1877. Franke, Ausflug auf den
Aetna, Abh. d. naturf. Ges. Görlitz, Bd. 18, 1884. Marchesetti,
Botan. Wanderungen in Italien, Verh. d. K. zoolog.-botan. Ges. in
Wien, Bd. 25, S. 602.
IV.Visiani, Flora dalmatica, mit Supplem. 1842—81 (system.
Florenwerk m. Taf.). Freyn, Flora von Süd-Istrien, Verh. der
K. zoolog.-botan. Ges. Wien, Bd. 27 (1877), (G. J., VII, 198).
Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, 1862; Bericht über die
Ergebnisse einer Bereisung Thessaliens, Sitzungsber. d. K. Preuss.
Akad. Berlin, 1883. Boissier, Flora orientalis, sive enumeratio
plantarum in Oriente a Graecia et Aegypto ad Indiae fines obs.
1867—1884 (botanisches Hauptflorenwerk; Inhaltsangabe siehe
Drude in Isis, 1886, Abh. 5). Grisebach, Reise durch Rumelien
und nach Brussa 1839, Göttingen 1841; mit Flora: Spicilegium
Florae rumel. et bittynicae, 1843. Ascherson, Flora der Cyrenaika,
in Rohlfs Kufra, 1881. Tchihatcheff, Flore de l’Asie mineure, de
l’Arménie et des Iles de l’Archipel Grec, 1860—62 (mit Atlas).
Schweiger-Lerchenfeld, Kulturkarte von Kleinasien in Mittl. d.
K. geogr. Ges. in Wien, 1878. Unger \& Kotschy, Die Insel Cypern,
1865. Sintenis, Cypern und seine Flora in Oesterr. botan. Zeit-
schrift 1882. Kotschy, Reise in den cilicischen Taurus, 1859;
Sommerflora des Antilibanon; der Libanon u. s. Alpenflora, Wien
1864; Südpalästina im Kleid d. Frühlingsflora, Wien 1861. Koch,
Beitr. z. Flora des Orients, Linnaea, Bd. 21. Tristram, Fauna
and Flora of Palaestine, 1882. Klinggräff, Palästina u. s. Vege-
tation, Oesterr. botan. Zeitschr. 1880.
V.Wagner, Reise nach d. Ararat u. d. Hochlande Armenien,
1848. Kotschy, Der westl. Elburs bei Teheran in Nordpersien, Geo-
graph. Ges. Wien 1861. Buhse \& Boissier, Aufzählung der auf e.
Reise durch Transkaukasien u. Persien ges. Pflanzen, 1860. Radde,
Reisen in Armenien, Talysch, Ararat, Bingöl-dagh, etc.: Geogr.
Mittlgn. 1868 S. 55, 1872 S. 206, 1875 S. 56, 1877 S. 411, 1881
S. 47; Reisen an der persisch-russischen Grenze, 1886; mit wiss.
Beiträgen: Die Fauna u. Flora d. südwestl. kasp. Gebietes, Leipzig
1886. Stapf, Beiträge zur Flora von Lycien, Carien, Mesopotamien
(Luschan 1881/83); Botan. Ergebnisse der Polakschen Expedition
[388]4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und Orient.
nach Persien 1882, Wien 1885—86; Stachelpflanzen d. iranischen
Steppen, K. zool. bot. Ges. Wien; Der Landschaftscharakter der
persischen Wüsten und Steppen, in Oesterr.-Ungar. Revue 1888.
Cerniks Expedition von Syrien nach Bagdad, Geogr. Mittlgn. Er-
gänzungsheft 44 (1875). Aitchison, Vegetation of the Kuram valley,
Afghanistan, in Journ. Linn. Soc. London 1880—82.
Von den Azoren und Canaren im Westen über die
atlantischen Gestade des südlichen Europas und des nord-
westlichen Afrikas bis zum Südhange des hohen Atlas
dehnt sich die hier unter gemeinsame Gesichtspunkte zu-
sammenzufassende Ländergruppe aus über die Halbinseln
und Inseln des Mittelmeeres, einschliesslich Tunis und
Cyrenaika, auch über das Bassin der unteren Rhone in
Frankreich, und ostwärts durch Kleinasien und Persien,
bis zu den belutschistanischen Grenzgebirgen gegen In-
dien und im Nordosten bis zu dem Gebirgsgürtel Elburs-
Gulistan-Kuhi-Baba-Hindukusch, ebenfalls das Südgehänge
des Kaukasus floristisch in ihren Bereich ziehend. In
grosser Mannigfaltigkeit wechseln auf diesen weiten Strecken
in reich entfalteter Küstengliederung Hügel- und Berg-
länder mit Tafellandschaften und steil aufragenden Hoch-
gebirgen ab, und die letzteren wirken bestimmend auf
die Grenzen der floristischen Bezirke im Innern, sowie
auf den Anschluss an die mitteleuropäische Flora; im
Orient aber werden diesen orographischen Verhältnissen
noch die Eigenschaften grosser Distrikte als Binnenge-
biete, welche stets den ausgesprochenen Hang zu steppen-
artiger Bodenbedeckung oder zur Salzwüstenbildung zeigen,
hinzugefügt, und damit eines der heissesten subtropischen
Länder in nahen floristischen Anschluss an die milden
Seeklimate der europäisch-nordafrikanischen Subtropen
gebracht.
Das Klima charakterisiert sich am besten durch die
mitten in der Hauptmasse der ganzen Ländergruppe ver-
laufende 17°C.-Jahresisotherme, sowie dadurch, dass
die warme Periode in Supans Darstellung vom europäi-
schen Klima meist überall 8—10 Monate, die heisse 3
bis 5 Monate andauert und Frost nur die Gebirgsländer
dauernd trifft; denn — wie unsere Karte anzeigt — läuft
die 10°-Isotherme des kältesten Monats durch die süd-
[389]Gliederung und Klima.
licheren Teile der Ländergruppe. Von dem Durchschnitt
sind aber drei sehr verschiedene Abweichungsdistrikte
herauszuheben: zunächst zeichnen sich die atlantischen
Inseln und Gestade durch eine sehr viel grössere Gleich-
förmigkeit im Klima aus als die orientalischen Konti-
nentalgebiete, und die Azoren liegen in Köppens „konstant
gemäßigtem“ Gürtel. Dagegen bildet das armenische
Hochland um Ersirum und Eriwan eine kalte Enklave mit
3—5 Monaten Frostdauer und kaum einem Monat über
20°C. andauernder Hitze im Jahresmittel, so dass hier
ein Klima sehr ähnlich in seinem Temperaturgange etwa
dem von Sarepta an der Wolga besteht. Die letzte Ab-
weichung besteht in der Hitze des orientalischen Anteils
von Damaskus bis zu den Westgrenzen Indiens, welcher
Bezirk grossenteils innerhalb der 30°C.-Sommerhitzen-
kurve liegt und ausserdem, wie unsere Karte zeigt, mit
zu den unter 20 cm Niederschlagshöhen im Jahresmittel
aufweisenden Ländern gehört. Dazu gesellt sich das
excessive Klima der iranischen Steppen: trotz der Nähe
mit ewigem Schnee bedeckter Gebirge hier die glühende
Sonnenhitze eines dürren Sommers!
„Auf der Hochebene zwischen Ispahan und Schiras (über
2300 m) und südlich von Schiras häufen sich die Schneemassen
derart an, dass mitunter sogar die Telegraphenleitungen unter
ihrer Last zusammenbrechen. Nicht vor dem April verschwindet
hier in feuchten Jahren der Schnee, um sich nun rasch auf die
Hochkämme zurückzuziehen. Wo sich diese indessen über 3500 m
erheben, erhält er sich bis in den Hochsommer … Aber so hoch
auch diese Gebirge aufragen und solange sich der Schnee auf
ihnen behauptet, so hüllen sich doch ihre Häupter von der zweiten
Hälfte des Frühlings an kaum jemals mehr in die feuchten Schleier
der Nebel. Hoch zieht über ihnen dann und wann flüchtiges Ge-
wölk hinweg, ihre silbernen Zacken und Bänder aber leuchten Tag
um Tag mit gleicher Pracht in die glühende Landschaft zu ihren
Füssen hinaus. So erklärt es sich, dass trotz der reichen Schnee-
fälle in den Hochlagen auch die Niederschlagsmenge des west-
lichen und südwestlichen Hochlands 30 cm kaum übersteigt,
während sie für das ostpersische Binnengebiet gar nur auf 10 cm
veranschlagt wird und selbst in Buschir am Aussenfusse des südira-
nischen Randgebietes in manchen Jahren nur 13—16 cm beträgt“
(Stapf, a. a. O. S. 231).
Aehnlich hohe Hitzegrade, aber nicht unvermittelt
an die Schneehäupter der Hochgebirge anstossend, kom-
[390]4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und Orient.
men auch im südwestlichen Teil der Ländergruppe, in
den marokkanisch-algerischen Steppen, vor, aber die Nie-
derschläge sind reichlicher, die Winter weniger kalt.
Diesem Klima entsprechend gehört die atlantisch-
mediterran-orientale Insel- und Ländergruppe zu der nörd-
lich-sommerheissen Vegetationszone (Zone III, oben
S. 85), in den niederschlagsreichen Distrikten Wälder,
welche nicht mehr frosthart sind, und ebensolche Gebüsche,
vielfältig immergrün, tragend, in den niederschlagsarmen
Distrikten Steppenformationen in allen Ausprägungen
zeigend, die Gebirge mit frostsicheren sommergrünen
Laubbäumen oder Nadelhölzern vom mehr nordischen Typus
bedeckt, und über der Baumgrenze Gesträuch- und Matten-
formationen vom alpinen Hauptcharakter. Die Winter-
ruhe ist meistens kurz und unvollständig, früh (Februar
März) erwacht die Vegetation, um sich rasch zu herrli-
cher und kräftiger Blüte zu entwickeln, während der
Beginn grosser Hitze einen Stillstand schafft; vielfältig
regt sich dann nach dem Ablassen der Hitze unter dem
günstigen Einfluss von Niederschlägen neues Leben. Die
Mittelmeerländer zerfallen hinsichtlich der letzteren in
eine (etwa durch den 40° N. getrennte) Nord- und Süd-
hälfte; erstere hat ihr Regenmaximum im Herbst und
Frühling, letztere im Winter, und die Aequatorialgrenze
dieser Winterregen verläuft unter 25° N. durch die Sa-
hara. Daher hat die Südhälfte eigentlich nur 2 Jahres-
zeiten, eine trockene und eine nasse, wie dies in Sicilien
auch der geläufige Ausdruck sein soll (Fischer, a. a. O.).
Die gesamte Ländergruppe ist in meiner Florenreichs-
einteilung in ein einziges Florenreich: das medi-
terran-orientale (besser: atlantisch-mediterran-orien-
tales Fl.) zusammengefasst, obwohl die Floren der äussersten
Extreme, z. B. der Azoren-Canaren und Afghanistans, sehr
ungleiche Produkte aufzuweisen haben. Diese Vereini-
gung ist daher etwas näher zu begründen, um den Cha-
rakter dadurch deutlicher zu verstehen: der Grundstock
der Flora ist oben (S. 345—348) angegeben in Hinsicht
auf Ordnungen und charakteristische Gattungen, auch ist
dort gesagt, dass zwei nebeneinander liegende Floren-
[391]Zonen- und Florenreichs-Charakter.
elemente diesen Teil der Alten Welt besetzt halten, das
atlantisch-mediterrane, und das pontisch-orientale („inner-
asiatische“) Element. Letzteres gipfelt in Hochasien
zwischen Himalaya und Altai, und in Turkestan. Indem
nun die kontinentalen Steppen von Iran und Anatolien
zwar durch Gebirgswälle geschieden, doch nicht vollkom-
men abgesondert und dabei ähnlich beanlagt sind, mussten
gleiche Gattungen hüben und drüben mit repräsentativen
oder auch mit gleichen Arten sich ansiedeln können. Die
Steppenformationen Irans gehören daher grossenteils mit
denen Turkestans zum gleichen Grundstocke. Anders ist
es mit den umrandenden immergrünen und den im Innern
aufgebauten Gebirgswaldregionen: die hier auftretenden
Gattungen sind mediterran oder pontisch, das pontische
Florenelement ist aber schon oben als kältere Ausschei-
dung der arktotertiären Mediterranflora hingestellt und
mit dem Charakter eines eigenen vermittelnden Floren-
gebiets belegt. Hierher rechne ich z. B. die Tannen
(Abies cilicica), Cedern, Platanen, Pterocarya, die Eichen!
Wenn die Dattelpalme von Mesopotamien bis zum Indus
heimisch ist, so darf man nicht vergessen, dass auch das
tertiäre Südeuropa dieselbe (oder sehr ähnliche Arten)
besass; zugleich ist eine Abart (Phoenix Jubae = Ph.
canariensis) auf den atlantischen Inseln heimisch. Ausser-
dem deutet vieles darauf hin, dass eine grosse Menge
Steppenformen in Anatolien und Iran selbständig entstan-
den und durch Acclimatisation mit Wanderung nordwärts
ausgetreten sind. Aus dem Grunde schliesse ich den
Orient innerhalb der genannten Grenze an die Mittel-
meerländer, deren Charaktertypen sich wieder, wenngleich
ganz anders ausgeprägt und um vieles, was arktotertiären
Relikten zu entsprechen scheint, vermehrt auf den Atlan-
tischen Inseln finden. Man darf sich nicht wundern,
wenn die Steppen andere Arten besitzen als die medi-
terranen Küsten; in Spanien und Algier sind wiederum
Steppen entwickelt, entsprechend — aber ganz anders —
denen des Orients.
So gibt es in dieser Ländergruppe neben manchen
gemeinsamen Arealen von Charakterpflanzen — wie Erica
[392]4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und Orient.
arborea und anderen Bestandteilen der Maquis — viel
mehr einander repräsentativ-ablösende, durch welche sich
eine Menge von Florenbezirken mit eigenem, oft sehr
hohem Bestande endemischer Arten abscheidet. In den
9 hier gebildeten Vegetationsregionen drückt sich das
geringste Maß dieser Unterscheidungen aus; auch die
voranstehende Litteratur ist, um dies anzudeuten, sogleich
wenigstens in 5 Hauptabteilungen gebracht.
Beispiele für den endemischen Charakter in der Flora des
Orients. In Boissiers Flora orientalis sind die auch ausserhalb
seines Gebietes vorkommenden Arten mit Zusätzen über ihre weitere
Verbreitung unter der Bemerkung „Area Geographica“ versehen,
und hiernach habe ich Zählungen der endemischen und der weiter
verbreiteten Arten vornehmen können. Sehr häufig ist die grössere
Hälfte, je zwei Drittel und noch mehr der Arten in den einzelnen
Gattungen Boissier nur aus dem Gebiete seiner Flora bekannt ge-
worden; nur selten sind die Gattungen, wo die Arten gar nichts
besonderes aufzuweisen haben, und formenreiche Gattungen des
mediterran-orientalischen Florenreichs sind das niemals. In den
folgenden statistischen Zusammenzählungen ist die Zahl der nach
Boissiers „Flora“ in deren Gebiet endemischen Arten in Klammer
mit Hinzufügung von (e) angegeben, die Gesamtzahl orientaler Arten
steht voran. Anthemis 93 (e 81), Cousinia! 136 (e 132!), Centaurea
183 (e 147), Scorzonera 67 (e 56), Campanula 125 (e 105), Onosma
56 (e 51), Verbascum 123 (e 107), Scrophularia 78 (e 66), Salvia 107
(e 91), Nepeta! 87 (e 78), Stachys 84 (e 72), Acantholimon!! 74
(e 74!). — Trigonella 69 (e 54), Astragalus! circa 800 (e circa
700!), Onobrychis 69 (e 64). Dianthus 89 (e 73), Silene 205 (e 158);
Erysimum 61 (e 54), Alyssum 64 (e 50); Tamarix 38 (e 27), Hyperi-
cum 75 (e 62). — Crocus 44 (e 37), Colchicum 29 (e 25), Fritil-
laria 33 (e 27), Allium 139 (e 109). — Unter den Eichen im Be-
reich der „Flora orientalis“ erscheinen 14 von 22 endemisch, wäh-
rend die übrigen Cupuliferen: Castanea, Fagus, Corylus, Carpinus,
Ostrya mit zusammen nur 7 Arten keine endemische zeigen; von
Coniferen-Abietineen kommen 10 Pinus (keine endemisch), 2 Cedrus
(endemische Unterarten), 2 Picea (e 1) und 6 Abies (e 4) vor. -
Bemerkenswert in dem Gesamtgebiet ist die hohe Stauden
bildende Gruppe von Umbelliferen: Ferula, Prangos etc. Ferner
die Gattungen Cistus und Pistacia, der Reichtum an Liliaceen der
Tribus Scilleae. Der Chamaerops im westlichen (atlantischen) Medi-
terranbezirk entsprechen verwandte Gattungen im Orient; sehr
vereinzelt steht eine Erscheinung wie die der waldbildenden Argania
Sideroxylon in Marokko aus der Ordnung der Sapotaceen.
Die Vegetationsformationen gliedern sich natur-
gemäß zunächst in immergrün- und sommergrün-gemischte
[393]Endemische Arten. Formationen.
Wälder in Verbindung mit immergrünen Gesträuchen
(„Maquis“, s. oben S. 281 und Griseb. V. d. E., S. 281);
Coniferen und Eichen liefern die wichtigsten immergrünen
Bäume; die Zahl der Sträucher ist viel grösser: Myrtus
communis, Laurus nobilis, Arbutus Unedo und Andrachne,
die Pistacia-Arten, Erica arborea und andere (im Osten
immer seltener werdende) Ericinen sind einige wohlbekannte
Erscheinungen daraus. Andere Charaktersträucher sind
sommergrün. Voran stehen dann in der Auffälligkeit
die Steppenformationen mit ihren Dornsträuchern, Wer-
muth und Melden (Salsolaceen), darunter zahlreiche Stau-
den und Zwiebelgewächse aller möglichen Familien. Ihnen
wirken im niederschlagsreichen Gelände die gemischten
Halbstrauch- und Staudenmatten, auch Matten einjähriger
Gräser und wechselnder Blüten entgegen, in denen duf-
tende Labiaten und Compositen, die Trifolium- und Me-
dicago-Arten so überaus zahlreich vertreten sind: sie be-
wirken mit den Steppenpflanzen den grossen Arten-
reichtum dieser ganzen Ländergruppe, welcher sich in
der Erscheinungsweise und Gliederung wohl am meisten
mit dem des nordmexikanisch-texanisch-floridanischen Ge-
bietes vergleichen lässt.
Die hauptsächlichsten besonderen Merkmale der ein-
zelnen Ländergruppen knüpfen wir an 9, nach West und
Ost, wie nach der orographischen Gesamtgestaltung ab-
gegliederten Vegetationsregionen.
I. Vegetationsregionen der Atlantischen In-
seln (Makaronesien). — Die Azoren, die Insel Madeira
und die Canaren bilden drei getrennte, an endemischen
Florenbestandteilen reiche und durch eine eigenartige
Anordnung der Vegetation ausgezeichnete Florenbezirke,
deren westeuropäischer Charakter besonders durch ein
Hervortreten von Ericaceen und anderen immergrünen
Gesträuchen gezeigt wird, welche sich aber zugleich durch
ein sonst im ganzen mediterran-orientalen Florenreich
vermisstes reiches Auftreten schöner Lauraceen im immer-
grünen Wald und Buschwald auszeichnen. Die Canaren
sondern gleichzeitig eine eigene untere trockene („Succu-
lenten“-Region) aus, über welcher erst die immergrünen
[394]4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und Orient.
Wälder beginnen; und während dieselbe durch Dattel-
palme und Tamariske mit dem Orient ebenso, wie mit
dem benachbarten Afrika verbunden wird, weisen fleischige
Euphorbien auf letzteren Kontinent allein hin. Diese
hier kurz angedeuteten Prinzipien der Gliederung sind
von Grisebach (V. d. E, II, Kap. XXIV 1—3) ausführ-
lich besprochen; ihre Florenentwickelung siehe oben,
S. 129.
1. Die Dattelpalme der Canaren in der unteren Strauch-
vegetationsregion, welche je nach der Lage bis 500 m oder
bis gegen 800 m hoch hinaufreicht, ist vielleicht eine eigene Art:
Phoenix Jubae oder Ph. canariensis genannt; nach Christ, auf
dessen ausgezeichnete Schilderungen verwiesen werden mag, lebt
sie auf den sämtlichen westlichen Canaren in Menge, heute aber
meist im Bereich der Kultur, an manchen Stellen wild mit Pinus
canariensis beobachtet. Tamarix canariensis; Euphorbia cana-
riensis, balsamifera, regis Jubae; Kleinia neriifolia; Crassulaceen
und grosse Statice-Arten (9! „von denen keine einzige auch nur
ein anderes Glied der atlantischen Inselwelt berührt“) bilden die
hauptsächlichen Charakterarten in dieser Region.
2. Die immergrüne Lorbeerwaldregion reicht von den
trockenen Küstenebenen und Hügeln, oft unmittelbar vom Meeres-
gestade abgesehen von den Kultureingriffen, etwa 1200 m hoch
hinauf, auf den Azoren nur bis 800 m. Die wichtigsten Bäume
auf den Canaren und Madeira sind Laurus canariensis (dem süd-
europäischen Lorbeer ähnlich, aber zu voller Baumgrösse ent-
wickelt), Persea indica (bis 40 m hoch), Oreodaphne foetens von
den Eingeborenen mit Linden verglichen; seltener ist Phoebe
barbusana. Persea indica bewohnt auch alle Azoreninseln, dazu
P. azorica; ebenso ist Oreodaphne auf den Azoren wild, aber
Laurus canariensis nur kultiviert; Myrica Faya tritt als immer-
grüner Strauch ein. Auf den Canaren und Madeira verleiht der
Drachenbaum, Dracaena Draco, der Vegetation einen höchst eigen-
tümlichen Stengel als Einzelbild und ist deshalb mit zur Namens-
gebung der makaronesischen Vegetation benutzt; „sie ist der warmen
Region des Archipels von Madeira, den canarischen Inseln und
den Kap-Verden eigen, soll nach den Azoren erst durch die Kultur
verpflanzt sein“ (Griseb. V. d. E., II, 480). Clethra arborea und
die Sapotacee Sideroxylon geben Madeira einen systematisch alt-
tertiären Charakter.
3. Die Nadelholz- und Erikengesträuchregion löst
oberwärts die Lorbeerbäume ab und erstreckt sich etwa 1800 m
hoch, durch die Feuchtigkeit begünstigt. Pinus canariensis aller-
dings bewohnt von 1100 m an die trockenen, dem Wind und der
Sonne ausgesetzten Böschungen mit Cistus, Daphne Gnidium;
(Daphne Laureola gemein auf den Azoren). Juniperus Cedrus und
[395]Canaren, Azoren, Madeira. Mittelmeer-Bezirke.
brevifolia, erstere meist ausgerottet, gehören hierher. Die Erica-
ceen wiegen besonders auf den Azoren vor (Erica azorica, Daboecia
polifolia, Calluna!); auf den Canaren Erica scoparia, schon in der
unteren Region beginnt die weitverbreitete E. arborea und bleibt
als Maquisbestandteil übrig; Vaccinium maderense zeichnet Ma-
deira aus.
(3*) Die Retama blanca-Gesträuchregion bezeichnet
auf Teneriffa eine subalpine Höhenlage über 1800 m, hauptsächlich
gebildet von Spartocytisus nubigenus, einem fast blattlosen Ginster-
strauch in den über den Wolkenschichten liegenden, trockenen
und sonnenbestrahlten Bimssteingeröllhalden. Ein Cytisus und wenige
Stauden gesellen sich ihm bei.
II. Vegetationsregionen der Mittelmeerlän-
der. Aus den oben erörterten Gründen gliedern sich
die nunmehr folgenden Festlandsteile, Halbinseln und mit
deren Charakter auf das innigste verbundenen Inseln
hauptsächlich durch eine Scheide, welche den mediterra-
nen Küstenstrich Kleinasiens vom armenischen Hochlande
und den Bergwäldern des Innern, sowie von den orienta-
lischen Steppen trennt. Westlich dieser Scheide liegen
als Hauptflorenbezirke, welche in der Litteraturübersicht
unter Nr. II—IV getrennt gehalten sind: der an das
Atlasgebirge anknüpfende „atlantische Bezirk“ (II),
dessen Bereich auf dem Kärtchen (s. oben S. 364) nach
Willkomm eingetragen ist, dann der „nordiberisch-tyr-
rhenische Bezirk“ (III), welcher noch die Hauptmasse
Italiens einschliesst, und der „ostmediterrane Bezirk“
(IV), zu welchem Dalmatien, Hellas und Kreta, und die
um das ägäische Meer liegenden Striche als wiederum recht
verschiedenartige Teile zu rechnen sind. Jeder dieser Be-
zirke ist mehr oder weniger reich an Endemismen von
lokaler oder etwas weiterer Verbreitung; doch sind die ton-
angebenden Arten oder Artgruppen nicht so weit verschie-
den, dass die Vegetationsformationen sich nicht noch in
natürlicher Weise zu drei gemeinsamen Kategorien ver-
einigen liessen, welche nach ihrem Charakter als immer-
grüne Gesträuche mit Wäldern, oder als Steppen, oder
als Waldgebirge mit Hochgebirgsformationen mehr mittel-
europäisch-alpinen Charakters bezeichnet werden.
4. Die immergrüne mediterrane Vegetations-
region zeichnet sich aus durch die „Maquis-Formationen“,
[396]4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und Orient.
immergrüne Gebüsche der Erica arborea, Olea europaea,
Myrtus communis, Cistus, Arbutus etc., deren allgemeiner
und nach Bezirken verschiedenartig erweiterter Bestand
von Grisebach, a. a. O., ausführlich besprochen ist.
Fuchs (siehe G. J., VII, 197) setzt den Einfluss der Boden-
unterlage auf ihre und der immergrünen Laubbäume Verbreitung
auseinander, wonach der Kalk die Formation allein aufrecht er-
hält da, wo die Jahrestemperatur für sich nicht ausreicht. Von
besonderer Bedeutung für die Waldbestände sind die Eichen, unter
denen Quercus Toza, Suber und Pseudosuber die westlichen, da-
gegen Qu. Aegilops, Ballota, Vallonea, regia, castaneaefolia die
östlichen Mediterranländer auszeichnen, und Quercus Ilex, lusitanica,
coccifera als hauptsächlich genannte immergrüne Vertreter ge-
meinsam sind. Manche Arten haben nur kleine Areale; das merk-
würdigste ist wohl das des marokkanischen Arganbaumes. Argania
Sideroxylon, welcher seinen nächsten Verwandten auf Madeira
findet. — Die innere Gliederung der ganzen Region mag aus ein-
zelnen Beispielen deutlich werden.
Nach Battandier und Trabut (G. J., XIII, 330) gehören fol-
gende Hauptbestände in Algier zu der genannten Region: 1. Der
nach der Olive benannte, von 20—1200 m; 2. der der Korkeiche
meist in 200—800 m Höhe mit ½—1 m jährlicher Regenhöhe;
3. der der mediterranen Zwergpalme (Chamaerops humilis) in 10
bis 1200 m Höhe mit 30—40 cm jährlichem Regenfall, und dessen
Unterteile von Zizyphus Lotus, hohen Umbelliferen (Ferula) und
Eryngium campestre; die Zwergpalme bildet auch in Südspanien
mächtig ausgedehnte Gestrüppe, ist weniger in Beständen ent-
wickelt auf den italienischen Inseln, und schwindet ostwärts;
4. Hauptbestand der Aleppokiefer Pinus halepensis, mit 3 anderen
Coniferen als Unterabteilung, nämlich Callitris quadrivalvis, Juni-
perus Oxycedrus, J. phoenicea; 5. Bestand der Quercus Ballota
1000—1600 m; 6. der der Cedern (1200—1900).
Ausgezeichnet ist von Boissier die Vegetationsanordnung in
Spanien gekennzeichnet: in Granada und auf den spanischen
Plateaus sind die immergrünen Regionen nicht gleichartig; in den
letzteren steigt die Olive mit dem Weinstock bis circa 1200 m,
Maquis von Genisteen und Cistus sind vorherrschend; es sind lichte
Wälder von Pinus Pinaster und halepensis zwischen 400—1200 m
ausgebreitet, oder immergrüne Eichen; „Tomillares“ heissen die
aus niederen Halbsträuchern und Stauden (Thymus, Teucrium,
Sideritis, Lavandula, Linum suffruticosum, Santolina rosmarini-
folia) gebildeten Matten; dazwischen herrscht Steppe, darüber
sommergrüner Wald.
Die Gliederung der Balearen in ihrer bemerkenswerten Ver-
schiedenheit gegenüber den atlantischen Inseln beschrieb Willkomm
(siehe G. J., VII, 201); Quercus Ilex, Ballota und Pinus halepensis
bilden die Waldbestände, Gebüsche aus Myrtus, Pistacia Lentiscus,
[397]Maquis-Formationen. Atlantische Steppen.
Cneorum tricoccum, Phillyrea angustifolia, Olea europaea, Cistus
monspeliensis und salviaefolius, Hypericum balearicum, Chamaerops
(bis 600 m); dann eine etwa bei 800 m beginnende obere Gebüsch-
formation von Buxus balearica mit Smilax aspera, Teucrium sub-
spinosum.
Die Grenzen der immergrünen Vegetationsregion werden zu-
meist im engeren Sinne, nämlich im Bereich der Olivenkultur ange-
geben, in Italien zu 400 m, am Aetna fast 700 m, in Dalmatien
450 m, in Lycien zu 500, in Cilicien zu 600 m. Damit hat aber
nur ein Charakterbestand sein Ende, und es folgen dann die
ebenfalls zu dieser Vegetationsregion gehörigen kühleren Mediter-
ranformationen, Pinus-Wälder etc. Juniperus Oxycedrus geht z. B.
in der östlichen Mediterranhälfte häufig bis 1400 m; die obere
Hälfte der immergrünen Region erstreckt sich im Durchschnitt
von 500 m — 1000 m, bis zum Aufhören des Sumach und der
immergrünen Eichen (vergl. Fischer a. a. O.).
5. Die atlantische Steppenregion ist in breiter
Entfaltung hauptsächlich zwischen der nördlichen und
südlichen Hauptkette des Atlas in Marokko, Algerien und
Tunesien, dann auf der iberischen Halbinsel zwischen
dem oberen Tajo und der Guadiana, nördlich der Sierra
Nevada, um Murcia und am mittleren Ebro ausgeprägt.
Die inneren halophilen Steppengebiete überwiegen an Interesse
weit vor den Strandgebieten, deren Bürger weitere Verbreitung
besitzen; 165 Species zählt Willkomm aus Spanien auf, 9 Sträucher,
42 Halbsträucher, 90 Kräuter, 18 grasartige Pflanzen, unter denen
27 Salsolaceen, 21 Compositen, 13 Cruciferen und 12 Statice-Arten
hervorragen; 14 Arten sind afrikanisch, 14 orientalisch, 42 all-
gemein- oder atlantisch-mediterran, 63 dagegen „peninsular“.
Viel zahlreicher noch ist der Artbestand der nicht salzigen Steppen,
vorzugsweise der Grassteppen von harten und hohen Gräsern aus
Avena filifolia und bromoides, Festuca granatensis und Stipa
tenacissima, welche das Vieh kaum berühren soll. In Algerien
ist das letztgenannte Gras, als Ausfuhrrohstoff für die Esparto-
papierfabrikation sehr wertvoll, vorherrschend in der nach ihm
benannten „Halfaregion“, bildet aber gemäß Trabut nur die
Steppenbestände auf felsigem Untergrunde, während die Charakter-
arten der Lehmsteppe Artemisia Herba-alba, auf Salzgrund die
Salsolaceen etc., auf der Sandsteppe aber Aristida pungens sind.
Auch die „Dayaformation“ mit Pistacia atlantica als Charakterart
zieht Trabut zu den Steppen, und es scheint auch die um 1000 m
Höhe liegende Othonna cheirifolia-Formation in den Schottsebenen
ihr zuzugehören.
6. Die atlantisch-mediterrane Bergwald- und
Hochgebirgsregion baut sich vom Atlas und der
[398]4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und Orient.
Sierra Estrella, Nevada u. s. w. bis zum cilicischen Tau-
rus und Libanon über den beiden vorgenannten Vegeta-
tionsregionen auf, meistens in Höhen beginnend, wo in
Mitteleuropa die obere Nadelwaldregion zu herrschen pflegt,
also 1200—1400 m hoch. Sie zeichnet sich aus durch
Wälder aus den Ordnungen des nordischen Florenreichs,
in welcher also die sommergrünen Laubbäume eine grosse
Rolle spielen, auch im nördlichen Teile noch die Buche
vorkommt. Sonst aber sind es wärmer klimatisierte Nadel-
hölzer, Abies Pinsapo, cephalonica, cilicica, die Unterarten
der Gattung Cedrus (atlantica, Libani), repräsentative
Arten der nördlicheren Eschen-, Erlen- und Eichenarten,
welche hier den Waldgürtel bilden, bis dann über dem-
selben die alpinen Formationen in grünen Wiesen und
blumenreichen Matten, endlich in Geröll- und Felsbe-
ständen ausgebreitet sind, deren Gattungen zum Teil mit
denen der Alpenflora übereinstimmen, zum Teil aber an-
dere und echt mediterrane Formen darstellen, unter
denen das arktische Element fehlt oder nur schwach ver-
treten ist.
So bezeichnet im grossen Atlas ein Kranz verkümmerter
Eichen (Qu. Ilex) zwischen 2400 und 2700 m die Baumgrenze;
keine Spur der Charaktergewächse Madeiras und der Canaren ist
auf dieses Hochgebirge übergegangen (siehe Griseb. Abhandl.,
S. 420 und G. J., VIII, 247). Ribes-, Rosa- und Berberisgesträuche
bilden die unteren alpinen Formationen, selten sind die Abhänge
mit Gras und die Felsen mit Moos bewachsen, 1 Draba und
3 Saxifragen, 1 ausgezeichnete endemische Composite: Chrysan-
themum Catananche, bezeichnen den Charakter der alpinen Stauden,
unter denen nordeuropäische Arten (z. B. Saxifraga granulata)
vorkommen; Labiaten sind zahlreich (Lavandula, Mentha, Thy-
mus, Calamintha, Hyssopus, Salvia, Sideritis, Lamium, Ajuga).
In der spanischen Sierra Nevada beginnt mit etwa 1400 m
ein gemäßigter Waldgürtel von Pinus silvestris, Taxus, Sorbus
Aria, Acer opulifolium, Fraxinus excelsior; 2000 m hoch folgen
Alpengesträuche, 2450 m hoch Alpenstauden und Grasfluren (nivale
Region von Boissier). Der untere mitteleuropäische Charakter wird
durch Quercus Toza und Ginstergesträuche (Erinacea hispanica,
Genista horrida und ramosissima, Astragalus creticus etc.) in einen
mediterranen verwandelt; ein anderer Ginster, G. aspalathoides,
bildet darauf einen breiten zusammenhängenden Gürtel und mischt
sich stellenweise mit Juniperus nana und Sabina. Die Alpenmatten
(Borreguiles-Formation) bestehen aus Agrostis nevadensis, Nardus
[399]Atlas, Sierra Nevada, Aetna, Taurus, Libanon.
stricta, Festuca; unter den Stauden zeichnen sich Arenarien, Po-
tentilla nevadensis, Artemisia granatensis, Plantago nivalis u. a. aus.
Höhengrenzen der Bäume in Sizilien u. s. w. bespricht Fischer
(a. a. O. S. 143). Am Aetna ist nach Franke 1300 m hoch ein
ausgedehnter lichter Kastanienwald gepflanzt; Buchen, Eichen und
Birken folgen, bis 2200 m geht Pinus Laricio. Die Gesträuche
bestehen aus Berberis aetnensis, Juniperus sphaericus; 4 Stauden
gehen bis 3000 m (G. J., XI, 125). Der Gran Sasso hat die Buchen-
grenze gegen N. 1650, gegen S. 1800 m hoch und zahlreiche echt-
alpine (mitteleuropäische) Hochgebirgsarten (s. G. J., VII, 199). —
Zur unteren Waldregion in Eurytanien, Thessalien und Epirus ge-
hört neben Tannen die Rosskastanie (Aesculus Hippocastanum),
deren Vaterland lange Zeit unbekannt geblieben ist; auch soll
Juglans regia hier heimisch sein (G. J., VIII, 250 und Botan. Ztg.
1880, S. 580).
Das Pontische Küstengebirge ist seit lange als abweichend
in seiner Vegetation von den Mediterrangebirgen erkannt; Boissier
rechnet es zur mitteleuropäischen Vegetationsregion; in den grösseren
Höhen sind die Rhododendren und Vaccinien gesellig. Es sei
gleich hier hinzugefügt, dass das nördliche Grenzgebirge des
Orients am Kaspischen Meere noch einmal ähnlichen Charakter
zeigt, aber gemischt mit vielen orientalen Typen.
In dem Taurus, Libanon und auf Cypern kehrt Cedrus wieder,
die dann noch einmal im westlichen Himalaya (C. Deodara) sich
findet. Pinus Laricio und Cedrus Libani mit Juniperus foetidis-
sima, auch Bestände von Cupressus horizontalis herrschen zwischen
1300 und 1800 oder 1900 m.
III. Vegetationsregionen des Orients. Auch
hier lassen sich die Formationen zu drei Regionen zu-
sammenfassen, denen allesamt der heissere, mehr kon-
tinentale und excessiv-klimatische Charakter aufgeprägt
ist. Mesopotamien und der ganze Küstenstrich am Per-
sischen Golf bis zu den kalten Regionen der Randgebirge
gegen die iranischen Steppen hinauf zeichnet sich durch
den Besitz der Dattelpalme aus und verbindet dadurch,
sowie durch viele andere Bestände diese Region mit Ara-
bien und der Sahara. Der weite Innenraum zwischen
den umrandenden Gebirgen, also das Plateau von Konia,
Kappadocien, Armenien, Persien, die salzigen Binnen-
flächen Persiens, sie alle bilden eine einzige zusammen-
hängende Steppenregion, deren nähere Beziehungen zu
Innerasien und besonders zu Turan schon angedeutet
waren; auch hier heben sich die Gebirge mit spärlichem
Waldgürtel und alpinen Formationen eigenartig heraus
[400]4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und Orient.
und bilden eine eigene (neunte, bezw. zehnte) Vegetations-
region.
7. Armenisch-iranische Steppenregion. Die-
selbe beruht auf der den Waldformationen feindlichen
klimatischen Wirkung von im Verhältnis zur geographi-
schen Lage kalten Wintern und trockenheissen Sommern.
Grosse wellenförmig gestaltete Flächen von meistens 700
bis 1200 m Meereshöhe, in Afghanistan und Belutschistan
noch über dieser durchschnittlichen Höhe liegend, werden
von Gebirgsketten überragt, welche den grösseren Teil
des Jahres Schneekämme zeigen, und sind an Bäumen
ebenso arm als reich an Halbsträuchern und Stauden en-
demischer Arten, Artgruppen oder selbst Gattungen.
Pistacia mutica und Juniperus excelsa sind als höhere
Holzpflanzen vom Florenreichscharakter zu nennen, von
den anderen zumal Gattungen wie Cousinia, Onobrychis,
Hedysarum, Astragalus, Acanthophyllum, Silene.
Je höher man auf den Gebirgen (bis zu den eigentlich alpinen
Formationen) emporsteigt, desto mehr herrschen die stacheligen
Caryophylleen, Astragalus, Compositen, Acantholimon, von denen
eine grosse Zahl halbkugelige Rasen oder Büsche bildet von auf-
fallender und für diese Vegetationsregion charakteristischer Gestalt.
Stapf hat aus den iranischen Steppen ausgezeichnete Einzelbilder
geliefert und ebenso die totale Vegetationsanordnung geschildert,
welche weite, brennendheisse Wüsten im wahren Sinne nicht aus-
schliesst. Ihm zufolge entfällt von den circa 1000 Stachelpflanzen,
welche Boissiers „Flora orientalis“ aufzählt, die Hälfte auf Iran, in
den Zagros-, Elburs- und chorassanischen Gebirgen hauptsächlich
entwickelt, während sie gegen Süden und Südosten bedeutend
abnehmen. Auch baumartige Sträucher nehmen daran teil, wie
Crataegus, Pyrus glabra, und die weit verbreitete vom ägäischen
Bezirk bis China reichende Elaeagnus hortensis in ihrer Steppen-
form (E. angustifolia), viel häufiger richtige Sträucher: Amygda-
lus-, Rhamnus-, Lycium- und Atraphaxis-Arten, welche verdornende
Zweige treiben; ihre Blätter verwandeln in Dornen die circa 60 Acan-
tholimon, 10 Acanthophyllum, Silene tragacantha und Gypsophila
acerosa, von denen Acantholimon mit ausserordentlichen Mengen
auftretend und noch bis 4000 m Höhe gehend streckenweise allein
den Vegetationscharakter bedingt; die Leguminosen-Sträucher Ha-
limodendron argenteum, Caragana und die vielen halbstrauchigen
Astragalus lassen ihre Blattrippen als Dornen stehen; etwa 200
der Traganthsträucher gehören hierher und bilden dichtästige, von
Stacheln starrende Polster im Durchmesser von 1/10 bis gegen 1 m.
„Ein zweiter Typus der Astragalen ist auf den Gehängen der
[401]Steppen von Iran. Mesopotamien.
Hochgebirge gemein: hier erhebt sich ein kurzer, dicker, elasti-
scher Stamm bis ½ m schief über den Boden und trägt einen aus
dichtgestellten Zweigen gebildeten, flachen und horizontal ausge-
breiteten Schirm; der Schneelast, besonders aber dem Drucke der
Lawinen gegenüber verhalten sie sich wie das Krummholz der
Alpen, wie denn auch ihre Bestände, aus einiger Entfernung ge-
sehen, an solche von sehr zerstreut gestellten Legföhren erinnern.“
Die Halimodendron- und Ammodendron persicum-Gesträuche sind
Bewohner der centralen Senken, wo sie die Flussläufe und Tamarix-
Gebüsche begleiten. — Vergl. auch oben, S. 145, über die Wüsten-
steppen.
8. Mesopotamisch-persische Dattelregion.
Stapf bezeichnet letztere mit dem persischen Worte
Germsir, was unmittelbar „das heisse Land“ bedeutet.
Es würde bequem sein, wenn man künftig für alle be-
sonders zu unterscheidenden Vegetationsregionen solche,
zugleich an ein bestimmtes Land gebundene Namen in
der notwendigen Freiheit der Anwendung zur Bezeich-
nung hätte, welche den Inbegriff der Charaktergewächse
in sich selbst bieten, ohne dass man — wie hier die
Dattel — eins besonders herausgreifen muss. Die Nord-
grenze des Germsir gegen die Steppen (Biaban) und gegen
die feuchteren Wald- und Strauchformationen (Dschaengael)
„bildet die Linie, innerhalb welcher Schneefälle und Fröste
nur ausnahmsweise eintreten und rasch und gelinde ver-
laufen. Sie fällt ziemlich genau mit der nördlichen Ver-
breitungsgrenze der Dattelpalme und des Khonarstrauches,
Zizyphus Spina Christi, zusammen. Innerhalb dieses
Gebiets beginnen die Regen bereits im November, er-
reichen ihre grösste Häufigkeit und Ausgiebigkeit ge-
wöhnlich aber erst im Februar und verlieren sich bald
nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche“. Hier ist die
Entfaltung der „Ephemeren“, d. h. der am flüchtigsten
in ihrer ganzen Entwickelung vom Keime bis zur Frucht-
reife ihre Lebensprozesse im Frühling abspielenden Ge-
wächse, am grössten und verleiht eine kurze Zeit hin-
durch der Landschaft einen hohen Reiz, noch erhöht
durch den Schmuck hellfarbiger Blumen.
Dicyclophora persica, eine hochwüchsige annuelle Umbellifere,
ist hier zu nennen; die Mehrzahl der Arten ist sonst klein, aber
Drude, Pflanzengeographie. 26
[402]4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und Orient.
in grossen Scharen vergesellschaftet, z. B. Pentanema divaricatum,
Linum spicatum, Diarthron vesiculosum.
Im übrigen prägt die Kultur der Dattelpalme, für die auf
Fischers ausgezeichnete Monographie (G. M., Ergänzungsheft Nr. 64)
zu verweisen bleibt, dieser Region ihren Charakter auf. „Vom
persischen Golfe landeinwärts erheben sich allenthalben um die
Städte und Dörfer die dunkelgrünen eintönigen Palmenhaine, bald
gross und reich, bald in beschränkter Ausdehnung, je nachdem
die Lage und die Wasserverhältnisse mehr oder weniger günstige
sind“ (Stapf). Unter den Kulturpflanzen ist die Baumwolle als
besondere, subtropische Auszeichnung hervorzuheben. — Man er-
sieht aus diesem allen, dass die hier bezeichnete 8. Vegetations-
region einen vermittelnden Anschluss an das im III. Kapitel zu
schildernde Sahara-Gebiet ausübt.
Mitten in der Steppe erheben sich stellenweise bewaldete
Höhen vom ost-mediterranen Typus; so z. B. ist das Sindschar-
Gebirge (36° 20′ N. zwischen Euphrat und Tigris) mitten in der
mesopotamischen Steppe bewaldet; seine Höhe beträgt gegen 1000 m,
sein Baumwuchs besteht aus niederen Eichen und Feigenbäumen,
gemäß Sachaus Angaben.
9. Orientalische Gebirgswald- und Glacial-
region. Mit „Dschaengael“ bezeichnet der Perser die
Gehölzformationen der Sträucher und Bäume gemeinsam,
mit „Saerhadd“ das kalte Land, das Sommerweideland
seiner Nomaden. Nur bei genügender Milde und Feuch-
tigkeit ist die Gehölzformation ansehnlich entwickelt, in
dem hier unter Orient zusammengefassten Länderbezirk
am üppigsten an den gegen das Kaspische Meer hin ge-
richteten Berggehängen mit der äussersten Ostgrenze von
Fagus silvatica.
Platanus orientalis, Pterocarya caucasica, Juglans regia, Fra-
xinus, Carpinus, Zelkova crenata, Acer-, Populus- und quercus-
Arten sind charakteristisch bis zu verhältnismäßig grossen Höhen;
dann folgen, und oft im direkten Anschluss an die Steppenforma-
tionen, im Bereich des längeren Schnees die Hochgebirgsforma-
tionen, welche kaum Spuren von den „alpinen Beständen“ im
engeren mitteleuropäischen Sinne zeigen. Am Ararat (Gipfel des
Trachytkegels Gorgan mit der höchsten Baumvegetation) ist die
Baumlinie auf 2552 m festgestellt, die Schneelinie an derselben
NW-Seite zu 4150 m, über welche sich der Gipfel noch bis 5163 m
erhebt (s. Verh. Ges. Erdkunde, Berlin, IX, 64), was schon zu
Abichs und Wagners Forschungszeiten die bedeutende Elevation
über dieselben Linien am Kaukasus bethätigte, um so interessanter,
als Armeniens landschaftlicher Charakter am wenigsten durch
Waldungen bestimmt wird. Birken, Zitterpappeln und Weiden
bilden die höchsten Gehölze; auch Quercus Robur kommt noch
[403]Ararat. Persische Gebirge.
vor. Unter solchen Bedingungen reicht auch der Getreidebau am
Wansee und Bingöl Dagh bis 2300 m (Gerste), und bei 2000 m
Höhe gibt die Hochebene von Ersirum noch ergiebige Weizen-
ernten. Vom Bingöl-Dagh brachte Radde genaue Vegetationsan-
gaben mit: in der Höhe der obersten Birkengestrüppe beobachtete
er zugleich Astragalus- und Acantholimon-Gruppen, welche 500 m
tiefer schon wieder die Alleinherrschaft haben. Auch bei 3000 m
Höhe ist die Insolationswirkung oft eine so enorme, dass selbst
bei nördlicher Lage an keinen zusammenhängenden Rasen zu
denken ist und wiederum die Steppen-Charaktergattungen mit be-
sonderen Arten vertreten sind, hier Acantholimon glumaceum und
Astragalus denudatus. Aus den höchsten Höhen in der Nähe der
Schneeschrammen ziehen sich diese zurück, und dort erscheint eine
von Stauden und Zwiebelgewächsen gebildete Glacialformation:
Alsine aizoïdes und recurva, Androsace olympica, Centaurea rhi-
zantha (mit hellgelben Blumenköpfen inmitten der fiederlappig
zerschnittenen und dicht behaarten Blätter sitzend), Viola dichroa,
Gentiana septemfida und gelida, Dianthus petraeus, Myosotis sil-
vatica, Hedysarum obscurum, die im kaukasischen Hochgebirge
selten fehlende Artemisia splendens, besonders charakteristisch noch
an einzelnen Stellen Heldreichia rotundifolia und Gladiolus Rad-
deanus.
Am Kuh-Daëna im Quellgebiet des Orontes findet gleich-
falls nach Kotschy eine direkte Ablösung der unteren Steppen-
pflanzen durch obere Hochgebirgsarten von ähnlichem Typus statt,
ohne dass ein geschlossener Waldgürtel sich einschaltete. Bei
5000 Fuss setzt K. die obere Grenze von Quercus persica an, bei
6000 Fuss die untere Gesträuchgrenze der Lonicera persica, nun
folgt 7000—8000 Fuss hoch eine nach hohen Umbelliferen be-
nannte Formation (Ferula erubescens, Dorema Aucheri), dann 8000
bis 10000 erst hohe und darauf niedere Astragalus-Arten, dann
noch über im August liegenden Schneefeldern Didymophysa, Mo-
riera, Polygonum radicosum. — Auf den nördlichen Randgebirgen
Persiens treten dagegen in entsprechenden Höhen, oder bei grösserer
Niederschlagsmenge entsprechend tiefer, weit mehr boreale Typen
und auch gewöhnliche Mitteleuropäer auf, wie z. B. am westlichen
Elburs 2000 m hoch im schattigen Grunde der Thäler Carex sil-
vatica, Orchis incarnata und coriophora, Chaerophyllum aureum,
Euphrasia officinalis etc.
Noch ist kurz darauf hinzuweisen, dass eine grosse
Zahl höchst wichtiger Kulturpflanzen für Nahrung,
Haushalt und Gartenschmuck in dem weiten Bereich des
Orients ihr Heimatland haben oder doch wenigstens mit
Sicherheit ihr Indigenat vermuten lassen. Der Granat-
baum (Punica Granatum) ist wild in Abchasien-Min-
grelien, im ganzen Littorale des Kaspischen Meeres und
durch Persien hindurch bis zum östlichen Afghanistan noch
[404]4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und Orient.
über 2000 m hoch. Ebenso ist auch hier ein Stück der
Heimat von Ficus carica, oder nach Solms-Laubach die
Heimat der Urform der ganzen mediterran-orientalen
Feigengruppe. Die Myrte scheint im Orient verhältnis-
mäßig recht selten zu sein. Ueberall wird in Südpersien
der weisse Maulbeerbaum in Dörfern und Städten (bis
über 2000 m hoch) gezogen. (Ueber Obstbäume vergl.
Stapf in Verh. d. zool.-botan. Ges. Wien, 9. Febr. 1887.)
Gerste und Weizen, wahrscheinlich auch der Lein als
wichtigster Kulturträger des Altertums für Südeuropa,
sind hier als Inquilinen zu betrachten.
Die Heimat der altweltlichen Cerealien, welche nicht
mehr genau zu ermitteln ist, liegt aller Wahrscheinlichkeit nach
in den soeben zusammengefassten Vegetationsregionen des Orients,
und für einige der kälteren Arten in den verwandten Gebieten
des südöstlichsten Europas. Eine Schwierigkeit der Untersuchung
liegt in der Unkenntnis der Phylogenie der Getreidearten, zumal
für Weizen und Gerste. Wahrscheinlich muss man den drei Spelz-
Arten: dem Dinkel (Triticum Spelta), dem Emmer (T. dicoccum)
und dem Einkorn (T. monococcum) nur eine Stammart des eigent-
lichen Weizens entgegenstellen, welche als Triticum sativum Lmk.
bezeichnet wird und in die 4 Unterart-Gruppen: vulgare, turgidum,
durum, polonicum zerfällt. Zudem können linguistische Studien
trügen, und es ist als ein Hauptverdienst A. de Candolles in dieser
Hinsicht anzusehen, dass er, wiewohl selbst höchst thätig in dem
Quellenstudium der alten Litteratur, doch in seinem Werke Ori-
gine des plantes cultivées die naturwissenschaftliche Methode über
die von Hehn u. a. viel zu hoch zu Rückschlüssen aufgebauschte
philologische Darlegung weit erhoben hat. Die Angaben alter
Klassiker sind zu wenig genau, wenn z. B. Diodorus die Heimat
des „wilden Weizens“ nach Sizilien verlegt, wo aber noch jetzt die
Eingeborenen Aegilops ovata so bezeichnen, welche Art dort that-
sächlich die unbebauten Landesstrecken überzieht. Als einzige
Ueberlieferungen des Altertums von einigem Wert erscheinen die
Aussagen von Berosus und Strabo, wonach in Mesopotamien und
im westlichsten Ostindien wilder Weizen wuchs. In unserer Zeit
hat Balansa das Einkorn in Kleinasien auf dem Berge Sipylus
wild gefunden, ebenso Olivier am rechten Ufer des Euphrats in
einem kulturlosen Lande, und daneben in einer Gebirgsschlucht
Gerste und Triticum vulgare, welches letztere auch aus anderen
Gründen als die ursprüngliche und wilde Stammart der Weizen-
sorten erscheint, ohne Unterschied von Sommer- und Winterweizen.
Vielleicht ist ebenso das Einkorn die Ursprungspflanze aller Spelze,
da man dieses im Bereich von Griechenland bis Kleinasien allein
wild gefunden hat. Alle diese Kulturen sind prähistorisch, wie
man denn auch in den Pfahlbauten der westlichen Schweiz eine
[405]Kulturpflanzen. Altweltliche Cerealien.
kleinkörnige Varietät von Triticum vulgare gefunden hat. — Von
der Gerste ist nur die zweizeilige (Hordeum distichum) wild ge-
funden, und zwar am Kaspischen Meer, in der Wüste von Schir-
wan, am Sinai, im steinigen Arabien, westlichen Kleinasien und
in Turkestan, soweit man die Ursprünglichkeit der Standorte an-
nehmen darf. In den Pfahlbauten finden sich aber neben den
Resten der zweizeiligen Gerste auch schon die der sechszeiligen,
welche nach ihren Funden in den Pyramiden und nach der alten
Litteratur überhaupt die hauptsächlich im Altertum kultivierte
Art gewesen zu sein scheint, wie sie gemäß Roxburgh noch im
vorigen Jahrhundert allein in Indien gebaut wurde.
Die Kultur des Roggens (Secale Cereale) ist viel jünger und
scheint erst mit der christlichen Zeitrechnung von Bedeutung für
das Leben der Völker geworden zu sein. Niemals ist er wild ge-
funden, wohl aber wachsen nahe verwandte Arten (Secale mon-
tanum, fragile) auf der Balkanhalbinsel, in Südrussland, in Cala-
brien und Sizilien, S. dalmaticum in Dalmatien und der Hercego-
wina. Daher die Meinung, dass der Roggen als einjährige Cerealie
ein Kulturprodukt der wilden Arten im südöstlichen Europa ge-
worden sei. — Eine ähnliche Meinung hat man vom Hafer (Avena
sativa), von dem die Kulturform auch niemals im wirklich wilden
Zustande gefunden ist, als Ersatz für Thatsachen.
5. Inner-Asien.
Auswahl der Litteratur. a) Allgemeine Abhandlungen:
Helmersen, Beitrag z. Kenntnis d. geol. u. physikogeogr. Verh. d.
aralo-kaspischen Niederung im Bull. Acad. Imp. de St. Pétersbg.,
XXV, 5. Borszczow, Materialien z. aralo-kaspischen Pflanzengeogr.
Petersbg. 1865. Schlagintweit-Sakünlünski, Topograph. Skizze d.
Vegetationsgebiete Hochasiens, Globus Bd. 31 (1877); Reisen in
Indien und Hochasien, ausgef. i. d. J. 1854—58. Regel, E., All-
gemeine Bemerkungen über die Flora Centralasiens, in Acta Horti
Imp. Petropol. VII, 138 mit Karte; (siehe auch Geogr. Mittlgn.
1882, S. 65). Krassnoff, Entwickel. d. Pflanzenwelt im Thian-schan,
Jahresb. d. Schles. Ges. f. vaterl. Kultur, 8. Dez. 1887, und Verh.
d. Ges. f. Erdk. Berlin 1888, S. 255. Kanitz, Bot. Resultate d.
Centralasiat. Expedition d. Grafen Bela Szechenyi, Mathem.-naturw.
Ber. aus Ungarn III, Budapest 1886. Maximowicz, Sur les col-
lections bot. de la Mongolie et du Tibet septentrional (Tangout)
recueillies récemment par des voyageurs russes etc., im Bulletin
du Congrès intern. de bot. et d’horticulture, St. Pétersbg. 1884,
S. 135.
b) Expeditionsberichte, Floren: Ueber Schlagintweits Reisen
in Gartenflora 1881: Verh. d. Ges. f. Erdkunde, Berlin 1880, VII,
208. Ganzenmüller, Kaschmirs Klima, Pflanzen- und Tierwelt, in
Mittlgn. d. K. geogr. Ges., Wien XXX, 579 (mit weiteren Litteratur-
[406]5. Inner-Asien.
angaben). Fedtschenkos Reise in Turkestan, Bot. Teil von Bunge
u. Regel, Moskau 1876—80. Franchet, Plantes du Turkestan (Mis-
sion Capus), Ann. Sciences natur., Botan. Ser. 6, Bd. XV—XVI
(siehe Botan. Jahrb. Syst. VI, Littber. S. 39). Regel, E., Plantae
regiones turkestanicas incolentes etc. in Acta horti Petrop. 1878
u. folgd. Bunge, Monographia Salsolacearum in Asia centrali, ebenda
1879. Regel, A., Reise von Kuldscha zum Sairam-nor, Issyk-kul,
Turfan etc. in Gartenflora 1877 (G. J., VII, 206), 1878 (G. J., VIII,
252), 1881 (G. J., IX, 177) und Geogr. Mittlgn. 1880, S. 205. Prshe-
walski, Von Kuldscha über den Thian-schan zum Lobnor (Russ.,
siehe Verh. Ges. Erdk., Berlin V, 121—144); Reise in der Mongolei,
im Gebiet der Tanguten und d. Wüsten Nordtibets 1870/73; Vom
Saissan über Hami nach Tibet u. d. Quellgebiet d. Gelben Flusses
(Deutsch, Jena 1884; siehe G. J., X, 170—174, XI, 126—128, und
Geogr. Mittlgn. 1883, Taf. 9, 1884, S. 14 und Verh. Ges. f. Erdk.,
Berlin XI, 158).
Unter Innerasien sind die Gebiete hier zusammen-
gefasst, welche auf der beigefügten klimatischen Floren-
karte sich durch ihre unter 20 cm betragende geringe
Niederschlagsmenge auszeichnen, zugleich mit dem Hoch-
gebirgs- und wild zerrissenem, flach zum Balkaschsee
abfallenden Landstreifen, welcher sich zwischen das gleich-
niederschlagsarme persische Wüstengebiet und die inner-
asiatischen Depressionen einschaltet und in dessen Mitte
Pamir und Thian-schan liegen; vom Himalaya wird der
Nordabfall hier mit einbezogen. Kein Land der Erde ist
unter verhältnismäßig so niederer Breite so kalt, wie ein
Blick auf die Karte der Wärmegürtel lehrt; denn nur
vom südlichen Kaspiufer bis zum Syr-Darja breitet sich
ein Streifen subtropisch-sommerheissen Landes aus, und
dieser Streifen (die aralo-kaspische Vegetationsregion)
bietet folgerichtig einen innigen Anschluss an die siebente
Vegetationsregion der mediterran-orientalen Ländergruppe,
ist auch von Boissier mit in den Bereich seiner „Flora
orientalis“ gezogen.
Aber die Umstände, welche hier auf beschränkterem
Raume ein den polaren Gebieten vergleichbares Wärme-
klima unter 30° N. gestatten, lassen nicht im entfernte-
sten die dort betrachteten Vegetationsformationen zu,
welche eigenartig genug sind, um, in natürliche Floren-
grenzen gebracht und durch die nie fehlenden Ausstrah-
lungen ergänzt, ein selbständiges Florenreich zu bilden:
[407]Klima. Gliederung des Florenreichs.
Mongolei, Tibet, Turkestan und Kaspische Step-
pen. Dasselbe entspricht einigermaßen dem Grisebach-
schen „Steppengebiet“ (V. d. E., Bd. I, Kap. 4), ist aber
sowohl der orientalen Florengebiete als auch der pon-
tischen Grassteppen mit ihrem nord-mediterranen Cha-
rakter entkleidet; denn die wesentlichen Charakterzüge
erreichen zwischen Ural und Kaspischer See ihre West-
grenzen. Auch so ist noch eine bemerkenswerte Ver-
schiedenheit in den Erzeugnissen der verschiedenen Teile,
welche mit einzelnen Arten die ungeheuren Wüsten-
gebiete sich untermischend bevölkern; die Hauptverschie-
denheiten knüpfen sich an drei Florengebiete: Turkestans
Gebirge im Westen, die mongolischen Randgebirge im
Osten, der Innenhang des Himalaya im Süden; und die
orographische Gestaltung, welche zwischen Wüstensteppen
und dürftig bewaldeten Bergländern wählen lässt, macht
aus diesen drei Florengebieten sechs Vegetationsregionen.
Aber im Osten sind die Grenzen des innerasiatischen
Florenbestandes gegenüber dem ostasiatischen Element
schwierig zu ziehen, wie aus den statistischen Vergleichen
von Maximowicz hervorgeht: unter 1296 (im Jahre 1884
bekannten) Blütenpflanzen der Mongolei sind 8—9 %
endemisch, 35½ % sind „sibirisch“, d. h. westwärts bis
zum Ural durch die Steppenlandschaften verbreitet, 46 %
haben ein weit ausgedehntes nördliches Areal, jedoch ohne
spezielle Anklänge an Nordamerika, 7 % sind chinesisch-
mandschurisch. Nach Norden hin sind durch das sibi-
rische einförmige Waldgebiet diesen Florenkindern scharfe
Grenzen gesetzt, nach Süden sperrt der tropische Hang
des Himalaya; im Osten bildet die immergrüne Strauch-
vegetation Chinas bald eine Grenze, aber wiederum nach
Westen und besonders nach Südwesten sind die Wande-
rungs- und Austauschswege seit der Tertiärperiode günstig
geöffnet gewesen.
Der Stellung des Himalaya ist hier besonders zu
gedenken: seine geographische Lage macht seine Kamm-
linie zu einer natürlichen Florenscheide, aber zugleich
ist seine Ausdehnung von West nach Ost so gross, dass
auch hierin eine Florengliederung sich ausgebildet hat;
[408]5. Inner-Asien.
während also die tropischen Abhänge zur indischen Flora
gehören, schalten sich in die oberen gemäßigten Lagen
des Westens mediterran-orientale Sippen ein, z. B. die
Deodara-Ceder, in die des Ostens dagegen chinesisch-
japanische der Ternströmiaceen, Magnoliaceen, Laura-
ceen; die alpinen Formationen sind noch mit arktischen
Verwandtschaften, also mit rein boreal-alpinen Elementen
besetzt, und am inneren Hange zeigt sich nunmehr die
als „innerasiatisch“ bezeichnete neue Form dieses arkto-
tertiären Grundtypus der nördlichen Alten Welt. Dies
letztere Element wird in diesem Kapitel vom Himalaya
allein besprochen, der südliche Abhang dagegen unter
Indien mit aufgeführt.
Die Vegetationsformationen in diesem weiten
Länderkomplex sind sehr einförmig, nur in Wüsten und
Steppen mannigfaltige Formen vereinigend (hauptsächlich
einjährige Kräuter, dickwurzelige Stauden, dornige Halb-
sträucher, dazu Zwiebelgewächse), sonst in Wäldern von
rein borealem Typus dürftig entwickelt und auf den
Hochgebirgen in den alpinen Formationen mehr die
glacialen Anpassungen der Steppenflora als die arktisch-
borealen Formen zeigend.
Während gewisse Charaktergattungen der iranischen
Steppen, z. B. Acantholimon, kaum noch dem Gebiete
angehören, sind andere in repräsentativen Arten ent-
wickelt. Unter den Ordnungen ragt die der Salsolaceen
besonders hervor (vergl. oben S. 145).
Einer ihrer vornehmsten Vertreter ist der Saxaul, Haloxylon
Ammodendron, ein merkwürdiger niederer Baum (!) unter sonst
krautartigen oder halbstrauchigen Ordnungsgenossen, vom Ansehen
der Kopfweide. Sorokin hat ihn ausführlich geschildert und ab-
gebildet (siehe G. J., XI, 125), aus seinen Gehölzen in der Kizil-
Kumi-Wüste, wo dieselben nicht an die Gegenwart von Wasser ge-
bunden sind; sie sind schattenlos, da die Zweige nur Blattschuppen
tragen; rosa gefärbte Früchte sitzen an deren Grunde. — Agrio-
phyllum gobicum, der Sulkhir, ist eine andere stachelige, 2—3 Fuss
hohe Salsolacee, deren feine Samen essbar sind; diese bewohnt den
östlichen Teil Innerasiens. Der Saxaul dagegen geht vom kaspi-
schen Gebiet und sogar aus dem persischen Nachbargebiete heraus
bis Tibet 4000 m hoch und durch die ganze Gobi, ist häufig in
der dschungarischen Wüste, sehr üppig an den Nordabhängen des
[409]Formationen. Charakterpflanzen.
Ala-schan, hat vielleicht am Ulungursee (47½° N.) seine Nord-
grenze, scheint aber in der Gegend des Lob-nor zu fehlen. — Sal-
sola arbuscula bildet Bestände.
Es sind dann gewisse Polygonaceen charakteristisch,
besonders die strauchigen Calligoneen (Callig. Caput Me-
dusae!) und die Gattung Atraphaxis, und im Osten des
Gebiets die mit dicken Wurzelstöcken ausgezeichneten
Rheum-Arten (Rhabarberwurzeln). Tamarisken gedeihen
auch noch kräftig auf unfruchtbaren Salzebenen, wie die
am Burchan-Buddagebirge noch 5 m an Höhe erreichende
Tamarix Pallasii.
Ein weiterer Charakterstrauch ist der zu den Zygo-
phylleen gehörige Charmyk: Nitraria Schoberi, welcher
am Nan-schan in 3300 m Höhe Anfang Juli blüht, in
Zaidam durch seine Beeren als Nahrungsmittel dient (mit
Lycium turcomanicum), und welcher interessanterweise
mit Ueberspringung der Tropen in weiten Bezirken Au-
straliens wiederkehrt. In Turkestan sind Astragalen be-
sonders zahlreich; von Zwiebelgewächsen sind Allium die
artenreichsten, aber auch Tulipa, Fritillaria, besonders
aber die Charaktergattung (wohl nur bis zum Thian-
schan?) Eremurus. Ein Steppengras von hohem Wuchs,
Lasiagrostis splendens, das Dyrissun, geht ebenfalls vom
Kaspi-Ufer bis Tibet 3900 m hoch und zu den Quellen
der dschungarischen Wüste, zum Kuku-nor, Nan-schan
und Marko Polo-Gebirge.
Ein Nadelbaum zeichnet sich durch weite Verbrei-
tung aus, bildet sowohl in der dritten als sechsten Vege-
tationsregion weit ausgedehnte Bestände: Picea Schren-
kiana, deren Verwandtschaft mit der kaukasischen Fichte
oben gedacht wurde, und ebenso ein Wacholder: Juni-
perus Pseudosabina, ein robuster Baum, meist in 2500
bis 3400 m Höhe gedeihend. Sonst sind Birken und
Pappeln (Espen) die herrschenden Bäume, auch diese nicht
allgemein verbreitet, während einige Sträucher, die zu-
gleich mitteleuropäisch sind, auch in Innerasien ein merk-
würdig üppiges Wachstum haben mit weiter Verbreitung
verbunden: Hippophaë rhamnoides, noch am Kuku-nor
bis 3600 m Höhe ansteigend, wird bis 20 Fuss hoch; oft
[410]5. Inner-Asien.
begleitet ihn die in Hochtibet am höchsten steigende Myri-
caria germanica.
Von Vegetationsregionen sind folgende zu unter-
scheiden:
1. Karakorum und nordwestlicher Himalaya. Am
Pamir kreuzen sich eine Menge verschiedenartiger Florenbestand-
teile; es ist klar, dass in diesen südwestlichen Hochgebirgen über-
haupt der Anschluss an die orientale und pontische Flora ein
inniger sein muss. So ist hier eine mannigfaltige Baumvegetation
in 1200—2500 m Höhe, von Ahorn-, Apfel-, Kirsch-, Nussbäumen
und den Juniperus-Stämmen, welche noch 3300 m hoch mit Weiden,
Birken und baumartiger Ephedra gemischt vorkommen (s. Geogr.
Mittlgn. 1883, S. 69 und 1884, S. 81). Der milde Vegetations-
charakter vom grünenden Kaschmir ist bekannt; der strenge inner-
asiatische Charakter hebt erst jenseits der Indus-Wasserscheide an.
Von hier haben die Brüder Schlagintweit die eingehendsten Aufzeich-
nungen über Vegetation und deren Höhengrenzen geliefert (siehe
G. J., IX, 175), welche mit 6038 m den höchsten Stand der
Phanerogamen erreichen. Myricaria und Tamarix (indica) steigen
hier zu 4000—5000 m, die höchsten Sträucher wurden vereinzelt
bis 5181 m hoch gefunden. Diese Höhen in den Karakorumketten
sinken aber im Künlün unter 4000 m herab, wo die Baumgrenze
bei 2775 m und die Höhengrenze des Gerstenbaues bei 2950 m liegt.
2. Die aralo-kaspische Salzsteppenregion und die
3. turkestanische Wald- und Hochsteppen-Vegeta-
tionsregion bilden ein reiches Florengebiet, in welchem von be-
sonderem Interesse der Thian-schan von Fergana bis mitten in die
Gobi hineinzieht. (Ueber die Grenze zwischen 2 und 3 vergl.
Regel, G. J., IX, 178.) In diesen Gebirgen gibt es keine Sumpf-
moore, kein Vaccinium, kein Rhododendron; Salsolaceen, Eremurus,
Ferula, Astragalus, Umbilicus treten für sie massenhaft auf. Pi-
stacia tritt noch auf; als weiteres Beispiel für den systematischen
Charakter seien folgende Leguminosen genannt: Sophora, Halimo-
dendron (Orient!), Colutea, Eremosparton, Glycyrrhiza, Chesneya,
Sewerzowia, strauchige Hedysarum, Alhagi, Onobrychis, Ononis
und die Trifolien, ausserdem Astragaleen. In den Niederungen
wechseln zumeist Salz- und Wassermoore mit Röhricht und Ge-
strüpp, Sand- und Thonwüsten mit Weiden, und wo Wasser ge-
nügend, ist auch Gartenland mit wertvollen Produkten; Pappel-
bäume bekränzen die Flussläufe. — Diese Florenbedeckung hat ein
relativ junges Alter; denn, wie Krassnoff (nach Muschketoff) angibt,
war noch in der Tertiärzeit der Thian-schan ein Archipel, der in
einem Meere lag, welches die gegenwärtige aralo-kaspische Ebene
bedeckte und durch zwei Meeresstrassen in der Songarei und Fergana
mit dem centralasiatischen Meere in Verbindung stand. Später
folgten grosse Vergletscherungen im Gebirge, die jetzt bei der
herrschenden Trockenheit grossenteils geschwunden sind. Noch
[411]Die sechs Vegetationsregionen.
jetzt aber sind in den nördlichen Ketten die Alpenmatten den
europäischen ähnlich besiedelt (jedoch ohne Moore!, ohne Zwerg-
weiden und Dryas); in den mittleren Ketten herrschen „Alpenprai-
rien“ aus Festuca- und Pilagrostis-Arten mit Leontopodium, Del-
phinium caucasicum, Pulsatilla albana etc. in graulich-behaartem
Blattkleid; in den südlichen Ketten erscheinen die „Alpensteppen“
aus Zwergformen kleiner Stipa orientalis und capillata, Artemisia
frigida und rupestris etc. auf trockenem, staubigem Boden. Viel-
fach stösst der Wanderer auf vegetationslose Thäler. Aber im
Alpengebiete des östlichen Thian-schan sind bis jetzt doch schon
250 Arten gefunden worden.
4. Nordtibetanische Schneewüstenregion. Dieselbe
erstreckt sich zwischen der nördlichen Wasserscheide des Indus
und dem Künlün-Altyntag-Nanschan. Zwischen diesen letzteren
Gebirgen und dem östlichen Thian-schan liegen heisse Wüsten, z.
T. mit Oasen, z. T. völlig wild. Die südlich Chami liegende ist
von Prshewalski durchschritten: „4 Tagereisen südlich Chami be-
gann die absolute Vegetationslosigkeit: Kiesel, Sand, Gestein und
Lössblöcke war alles, was das Auge erblickte. Der Boden glühte
(bis 61½°C.!), auch die Nacht brachte keine Erfrischung; furcht-
bare Stürme wirbelten Sandwolken auf.“ Nach Ueberschreitung
der südlich folgenden Hochgebirge aber ändert sich der Charakter
durch die ausserordentliche Höhenlage, in welcher nunmehr die
dürftige Wüstensteppenflora um den Platz zu streiten hat. Denn
dies ganze nördliche Tibet bildet ein Hochland von circa 4000 bis
4500 m Durchschnittshöhe und bis 7000 m hohen Randketten, in
denen nicht selten ewiger Schnee angetroffen wird. Der Sommer
hat Ueberfluss an Feuchtigkeit, die übrigen Jahreszeiten sind
trocken. Kein Baum ist hier beobachtet, als Krüppelsträucher:
Hippophaë, Potentilla, Reaumuria. An den fruchtbareren Stellen
entwickeln sich Grasfluren mit Allium, Iris und Astragalus; auf
den Gebirgen herrscht überall Kobresia tibetica, ein Riedgras von
½—1 Fuss Höhe, zäh wie Draht, mit seinen Wurzeln ausgedehnte
Hügelmoore bildend. Von Alpenstauden sind sonst bemerkt Wer-
neria, Saussurea und Anaphalis (Filzkräuter), auch Przewalskia tan-
gutica, Artemisien etc.
5. Die mongolische Steppen- und
6. die osttibetanische Waldsteppenregion schliessen
sich an die vorige im Nordosten, bezw. im Osten an. Die erstere
bildet das Grenzgebiet gegen das altaische und baikalische wie
daurische Sibirien, die letztere gegen die immergrüne Gebüsche
tragenden chinesischen Landstriche. Im ersteren ist die Flora
ärmlich, auch arm an Endemismen, von denen einige oben (S. 145)
genannt sind; im letzteren ist die Flora bunt und reich, z. B. gut
am Kuku-nor und Nan-schan entwickelt, deren Gebiet als nörd-
lichstes Tibet, nicht — wie ich früher meinte — als südlichste
Mongolei zu gelten hat. Hier sind Fichten- und Birkenwaldungen
bis gegen 3000 m hoch, Gesträuche zahlreich, hier treten auch
[412]6. Sibirien.
Rhododendren auf und Alpengrasfluren von 3600—4000 m (vergl.
meine Auszüge im G. J., XI, 128—129).
6. Sibirien.
Auswahl der Litteratur. a) Florenübersichten: Ledebour,
Flora Rossica, 4 Bde.; Flora Altaica und Icones ad Fl. Altaicam.
Turczaninow, Flora baicalensi-dahurica, 2 Bde. Regel und Herder,
Plantae Raddeanae (baicalenses, amurenses etc.) im Bull. Soc. Imp.
des naturalistes de Moscou und Acta Horti Petrop.
b) Spezialfloren und Pflanzengeographie: Ledebour, Wissensch.
Reise durch das Altaigebirge, 1829. Teplouchow, Vegetation des
Altai in Cotta, Altaigeb. Middendorff, Die Barabá in Mém. de
l’Acad. imp de l’Acad. St. Pétersbg. VII, Bd. 14, Nr. 9. Radde,
Berichte üb. Reisen im Süden von Ostsibirien 1855/59, in Beiträgen
z. Kenntn. d. russ. Reiches, Bd. XXIII. Middendorff, Die Gewächse
Nord- und Ostsibiriens, Petersbg. 1864 (siehe auch Reise in den
äussersten Norden und Osten Sibiriens). Finsch-Brehm-Waldburg-
Zeil, Reise nach Westsibirien 1876. Kurtz, Aufzählung der von
Graf Waldburg-Zeil gesamm. Pflanzen, 1879. Herder, Bericht über
die Arbeiten von Martjanow, Flora d. Minussinskischen Landes.
Preinus, Catalog. plantar. in gubern. Enisseyensi collect. Krassnoff,
Altai, in Bot. Jahrb. Syst. IX, Litt. S. 38—67. Golde, Aufzähl. d.
Pflanzen in der Umgebung v. Omsk in d. Scripta botanica horti
Universitatis imp. Petropol., II, 41. Glehn, Verzeichnis d. im
Witim-Olekma-Lande ges. Pflanzen, Acta horti Petropol. IV, 3.
Meinshausen, Nachrichten üb. d. Wiluigebiet in Ostsibirien, in
Beitr. z. Kenntn. d. russ. Reiches XXVI; Maack, Der Wilui’sche
Bezirk d. Gubern. Jakutsk, 3 Bde. Trautvetter und Meyer, Florula
ochotensis phaenogama, 1885 (Middendorffs Sibir. Reise, Bd. I).
Regel und Tiling, Florula Ajanensis (1858). Kittlitz, 24 Vegeta-
tionsansichten v. Küstenländern etc.; Taf. 17—22: Kamtschatka.
Im Anschluss an die arktische Flora Asiens umfasst
Sibirien im Sinne dieser floristischen Gruppenbildung das
Tiefland am Ob und Jenissei bis zu der Wasserscheide ihrer
Quellgebirge, welche als Durchschnittsgrenze der inner-
asiatischen Steppen und der sibirischen Waldgebiete gelten
können; dann ostwärts terrassenförmig ansteigend um-
fasst es das Lenagebiet, dringt mit dem Jablonoi-Kentei-
gebirge noch einmal tiefer in die mongolischen Steppen
ein und beherrscht die ochotskischen Küsten. Vom Sta-
nowoigebirge an geht es nordostwärts in den arktischen
Florenbezirk der Behringsmeerländer, und südostwärts in
[413]Grenzen. Klima. Florenreichscharakter.
die zu Ostasien gerechnete mandschurische Vegetations-
region über.
Wie ein Blick auf unsere Karte lehrt, ist das Klima
fast gleichmäßig kaltgemäßigt; nur die den Steppen zu-
nächst liegenden Landstriche haben heissere und länger
währende Sommer; die sich gen Osten bedeutend auf
niedere Breiten senkende Linie des gefrorenen Bodens
ist ein Maßstab für die niederen Jahresmittel, welche
der Wirkung der oft erwähnten äusserst kalten Winter
mit einem Kältepol bei Jakutsk-Werchojansk zu ver-
danken sind.
Jedoch gibt Woeikof (Zeitschr. d. deutsch. meteorol. Gesellsch.
1884, I, 443) an, dass unsere Isothermenkarten ein übertriebenes
Bild der ostsibirischen Winterkälte bieten, weil sie von Thal-
stationen, wie die genannten Orte, entnommen sind, welche wahr-
scheinlich kältere Winter haben als die Tundren des höheren
Nordens. Trotzdem ermöglicht die Seltenheit von Früh- und Spät-
frösten auch hier noch den Ackerbau.
Aus dem Gesamtgebiet bildet Supan übrigens drei
für die Sonderung der engeren Florenbezirke bedeutungs-
volle Klimaprovinzen: die west- und ostsibirische, und
Kamtschatka; am kältesten und extremsten ist Ostsibirien;
in Kamtschatka lindert die Umspülung des Ozeans; West-
sibirien ist extremer als die westuralische Vegetations-
region in Europa.
Unumschränkt herrscht hier das Nordische Floren-
reich mit monotonem Charakter, moduliert nur durch
die eindringenden nördlichen Steppenpflanzen, bezw. die
am Oberlauf des Ob weit gen Norden allein bestand-
bildenden pontisch-aralokaspischen Arten. Im Osten macht
sich an den Grenzen der mandschurischen Vegetations-
region der Einfluss der ostasiatischen Florengebiete gel-
tend. Die Formationen sind einfach: Nadelwald mit bo-
realen Begleitern, von Laubwäldern der Kätzchenbäume
sind nur Birken und Espen, Erlen und Weiden bestand-
bildend, Eichen und Buchen mit ihren mannigfachen Be-
gleitern fehlen ganz. Obenan stehen daher in ihrer
Bedeutung die sibirischen Lärchen Larix sibirica und da-
vurica (letztere in Sabaikalien-Wilui), und die Zirbel-
kiefer, die Fichten Picea obovata und im Osten P. aja-
[414]6. Sibirien.
nensis, im Süden des Ländergebiets die sibirische Tanne
(Abies Pichta oder sibirica), dazu auch Pinus silvestris
und die begleitenden gemeinen und mit Europa gemein-
samen Vaccinium-Arten, viele boreal- und arktisch-circum-
polare Stauden. Nicht wenige derselben besitzt also Si-
birien mit Nordeuropa und den Bergen Mitteleuropas
gemeinsam; doch hat Riesenkampff neuerdings darauf
aufmerksam gemacht, dass sich hier und dort schon geo-
logisch jüngere Abarten herausgebildet haben, von denen
Baikalien im Vergleich mit Europa immer die kümmer-
licheren Formen, z. B. mit kleineren oder sauerern Früch-
ten zu besitzen pflegt (G. J., X, 168). Im nördlichen
Teil der Wälder ist der Artreichtum gering; so zählt
z. B. die Flora des Wiluidistriktes nur 352 Arten; die
nördlichen Vegetationslinien der genannten hauptsäch-
lichen Bäume können als Zonenabsonderungen und Maß-
stab der Reichhaltigkeit, bis dann nordwärts der neue
Reichtum arktischer Flora einsetzt, gelten.
Es scheint naturgemäß, eine nördlichste Waldregion,
dann daran anschliessend drei von West nach Ost sich
ablösende südlichere, und eine von diesen gesonderte
westliche Grassteppenregion zu unterscheiden, welche zu
der ersten und dritten der drei oben (S. 85) genannten
Abteilungen in Zone II gehören.
1. Nordsibirische Waldregion. Dieselbe be-
steht aus Lärchenwäldern mit Birken und Kiefern, weniger
zahlreichen Fichten- (Picea obovata-)Beständen und reicht
südwärts bis zum häufigeren Auftreten der Tanne.
Grosse Tundraflecke sind in ihr ausgebreitet, solche arktisch-
circumpolare Arten wie Ledum palustre und Linnaea borealis auf
Moostümpeln in den Lärchenwäldern häufig, in den Morästen Be-
tula nana, Lyonia (Andromeda) calyculata, Rhododendron parvi-
florum, Pedicularis Sceptrum etc. Aber auch Labiaten, wie Dra-
cocephalum nutans und Ruyschiana, Phlomis tuberosa, und Sal-
solaceen wie Axyris, Teloxis, Schoberia, die also durchaus nicht
circumpolar sind, finden sich im südlichen Teil, z. B. noch bei
Jakutsk und oberhalb an der Lena (Kirensk, Olekminsk). Von
hohen Stauden sind als charakteristisch Delphinien und Aconitum,
Geranium erianthum und pseudosibiricum, Conioselinum univitta-
tum, Pleurospermum uralense u. a. zu erwähnen.
2. Altaische Wald- und Hochgebirgsregion.
[415]Lärchen- und Tannenregion. Altai.
In dem centralen Sibirien bildet der Baikalsee, wahrschein-
lich in noch höherem Grade das Jablonowoigebirge, eine
nördlich der Steppengrenze beginnende Scheide zwischen
West und Ost; sie wird als Ostgrenze der altaischen
Waldregion am besten wohl durch eine Linie bezeichnet,
welche vom Westhange des Kentei- und Jablonowoi-
gebirges über das Witimplateau nach dem mittleren
Wilui hin verläuft. Gemäß Maximowicz’ Bemerkungen
über die Mongolei häuft sich der hauptsächliche Reich-
tum der sibirischen Flora in jenem grossen halbkreis-
förmigen Gebirgskessel an, welchen man erhält, indem
man von einem am Thian-schan bei Kuldscha gelegenen
Punkte der russisch-mongolischen Grenze nach dem Kentei-
gebirge eine gerade Linie zieht und das nordnordwestlich
derselben gelegene Landgebiet einheitlich übersieht. Aber
hier im Bereich der Gebirge mischt sich die sibirische
Waldvegetation mit der der turkestanischen und mongo-
lischen Steppen; die Südabhänge sind fast alle hoch hin-
auf mit Steppenvegetation völlig bedeckt, auch tief in
die Thäler hinein schneidet die Steppe das Waldland
entzwei. Letzteres beginnt über der Steppe und steigt
an den Nordabhängen tiefer, im östlichen Altai- und
Sajanergebirge schon, wie es scheint, ohne Unterbrechung
in endloser Ausdehnung in die Tiefebene nordwärts hinab.
Nach Krassnoffs neuen Studien sind die Höhengrenzen der
Bäume im Altai nach dem geringeren Maße anzusetzen, welches
Grisebach (Abh. S. 416) aus Teplouchows Angaben den früheren
Meinungen, die auch in die „Vegetation der Erde“ Einlass fanden,
gegenüberstellte. Die Höhen sind, dem feuchten Klima und reg-
nerisch-umwölkten Sommerhimmel entsprechend, im Altai nicht
sehr hoch, erheben sich aber im Sajaner Gebirge. An die Steppe
pflegt sich zu unterst die Kiefer anzuschliessen (300—800 m) mit
Birke und Espe, dann folgt als Hauptbaum die Lärche, nach ihr
im Range der Häufigkeit die Fichte, sibirische Tanne und Zirbel-
kiefer, letztere nicht unter 850 m und bis zur Waldgrenze hinauf,
welche auf der Nordseite 1360, auf der Südseite aber 1700 m hoch
beobachtet wurde. Folgende Stauden werden als charakteristisch
angegeben: Aconitum septentrionale, pallidum, barbatum, Napellus,
Anthora und volubile, Atragene alpina, Paeonia intermedia, Epi-
lobium angustifolium, Geranium sibiricum, Bupleurum aureum,
Pleurospermum uralense und Heracleum barbatum, Pedicularis
proboscidea, Senecio Fuchsii, Veratrum album. Der obere Zirbel-
[416]6. Sibirien.
kieferwald lässt Wechsel in den Stauden eintreten, bald kommen
auch Bergwiesen mit Trollius asiaticus und Aquilegia glandulosa,
Anemone narcissiflora, Viola altaica, blauen und gelben Gentianen;
Dryas-Abhänge folgen mit Papaver nudicaule, Claytonia acutifolia
und Saxifraga sibirica. An der 2100—2300 m hoch liegenden
Schneegrenze wachsen häufig Sibbaldia procumbens und Ranun-
culus frigidus. — Radde beobachtete am Munku-Sardik (Sajaner
Geb.) Larix — 2200 m, Betula nana und Rhododendron — 2680 m,
noch 5 Phanerogamen circa 3000 m, und Draba ochroleuca noch
3200 m hoch, alles am Südabhang; auch hier ist die Lärche der
Hauptbaum, beginnt aber an der Südseite kaum unterhalb 1800 m.
3. Die westsibirische Birkensteppenregion
erinnert an manche ähnliche Verhältnisse im südöstlichen
Russland. Sie lehnt sich an die Steppen der aralokaspischen
Vegetationsregion an, teilt aber weder deren Hitze noch
Wasserlosigkeit, hat im Gegenteil morastige Ebenen wie
die Baraba: „eine unabsehbare Wildnis mit Mooren und
Waldinseln von üppiger Fruchtbarkeit, ausgezeichnet
durch ungeschlossenen Grasrasen und den hohen Wuchs
blumenreicher Stauden“.
Hier bilden Heracleum riesige Dolden; Wiesen und Stauden-
matten sind mit Birkengruppen zu mannigfaltigen Landschafts-
bildern vereinigt. Auch noch zwischen Tomsk und Barnaul und
dem südlich davon gelegenen Bijsk ziehen sich Steppen mit Wald
gemischt hin; erst von hier an kann ostwärts die Waldregion voll
herrschend gerechnet werden. Steppen der schwarzen Erde
(Tschernosem) und solche auf sandigem Thon wie auf Salzboden
sind charakteristisch für einzelne Formationsbestände; Stipa pen-
nata, Peucedanum-Arten, Origanum vulgare, Pulsatilla patens und
Lilium Martagon mit vielen Stauden aus dem altaischen Wald-
gebiet gemischt können als tonangebend gelten. An feuchten
Orten tritt das mächtige Heracleum barbatum auf mit der schönen
Hemerocallis flava, Populus nigra, alba und suaveolens mit Weiden
an den Flussufern, Birken und Espen in immer häufigeren Gruppen
in der Steppe, je weiter dieselbe sich vom aralo-kaspischen Cha-
rakter entfernt.
4. Die sabaikalische Waldregion löst im
Osten der unter 2 genannten, sich an das Jablonowoi-
gebirge anschliessenden Linie die Hauptflora des Altai
ab, ohne dass jedoch ein Bestandeswechsel der Haupt-
arten einträte, und wahrscheinlich mit ziemlich geringem
Einfluss auf die alpinen Formationen, in welche sich aber
hier arktische Typen vom Behringsmeer und aus dem
ochotskischen Küstenstrich einmischen.
[417]Baikalien. Kamtschatka.
Die Baumgrenze wird von Abies sibirica und Pinus Cembra
gebildet (Radde!), alpin ist Caragana jubata im Kentei und Jablo-
nowoi charakteristisch; Betula alba erreicht mit 1600 m, Pinus
silvestris mit 990 m, an deren Südhängen die Grenze. Die Lärche
tritt in der verwandten Form Larix dahurica auf, wie eine Menge
Arten den Speziesnamen „dahuricus“ führen. Turczaninow führt
schon im Jahre 1842 eine Zahl von 160 Arten auf, welche damals
nicht westlich vom Baikalsee vorkommend bekannt waren, darunter
3 Caragana, 10 Oxytropis und 5 Astragalus.
Die Ostgrenze erreicht diese Vegetationsregion im oberen
Amurgebiet etwa an dem Sejafluss; das Gebiet von Udskoy gehört
noch zu ihr.
5. Die Kamtschatkawald- und Krummholz-
region nimmt den nordöstlichen Teil der Waldfloren der
Alten Welt, vom Stanowoigebirge an die Küstenland-
schaften und das nördliche Bergland des ochotskischen
Meeres umfassend, ein; charakteristisch ist bei aller Ueber-
einstimmung mit den Grundzügen der nordeuropäisch-
sibirischen Flora eine Anlehnung an das nordwestliche
Nordamerika. Landschaftliche Schönheiten treten nach
Kittlitz besonders in der östlichen Hälfte der Halbinsel
Kamtschatka auf. Lange, schroffgezackte Bergketten be-
wahren das ganze Jahr hindurch viel Schnee, während
die niederen Landschaften überall herrlichen Wald und
Graswuchs tragen; die westlichen Küstengegenden sind
meist sumpfig-moorige Flächen, aber im Innern des Lan-
des begrenzen steile Kettengebirge weitläufige Ebenen am
Kamtschatka, Awatscha und Bolschaja Reká mit wiederum
Wald und üppigen Grasfluren (welche wahrscheinlich
gegenüber der im physikalischen Atlas, Florenkarte von
Asien, gegebenen Darstellung bedeutend zu erweitern sind).
Der Ajaner Küstenstrich degegen ist rauh und winterlich,
viel ärmer an Flora und Vegetationsfülle, schliesst sich
jedoch schon durch die Betula Ermanni an Kamtschatka an.
Diese genannte Birke, viel häufiger als die B. alba, bildet
mit ihrem an unsere Eichen erinnernden Wuchs, eigentümlich ge-
wundenen Stämmen mit sehr rissiger grauer Rinde, einen Charakter-
baum dieser Vegetationsregion; neben ihr sind von Laubhölzern
Erlen, Weiden und Pappeln, von Nadelhölzern die Larix dahurica
und eine als Picea ajanensis unterschiedene Form der P. obovata
als sibirische Grundtypen zu nennen, aber auch Picea sitchensis
Drude, Pflanzengeographie. 27
[418]6. Sibirien.
und eine Tsuga vom nordwestlichen Nordamerika sind hier stellen-
weise (aber nur in Kamtschatka) waldbildend. Eine Charakter-
staude ist die in wenig Wochen bis 3 m hoch wachsende gesellige
Spiraea kamtschatica, ferner Epilobium angustifolium, Senecio
cannabifolius, Cacalia hastata, Lilien mit grossen orange Blumen,
und besonders die riesenhohen Doldengewächse der Gattungen
Heracleum und Angelica, welche Kittlitz’ Vegetationsansichten
malerisch darstellen.
Etwa bei 300 m Meereshöhe wird die dichte Waldflora mit
eingestreuten Gebüschen und die Staudenmatten mit Grasfluren abge-
löst von einer Krummholzregion, in welcher eine interessante
Abart der Zirbelkiefer, nämlich die Pinus Cembra * pumila zu-
sammen mit Erlengesträuch von Alnus incana und fruticosa, Juni-
perus dahurica, die Hauptrolle spielt und nach welcher man zweck-
mäßig die weitausgedehnten Plateaus und Gebirgshänge des Sta-
nowei nördlich von 61° N. benennt. Hier erscheint auch das Haupt-
gebiet der nordostasiatischen Rhododendren: Rh. kamtschaticum
und chrysanthum, mit welchen sich arktische Inquilinen aus dem
Tschuktschen Lande mischen, denen hier ein breiter Verbreitungs-
weg nach Südwesten geöffnet ist.
Für die Kulturgewächse verhält sich das östliche
Sibirien höchst ungünstig, und es ist schon von Midden-
dorff, Erman, Grisebach u. a. der Grund dafür in die
hier am weitesten nach Süden herabgehende Grenze des
in der Tiefe stetig gefroren bleibenden Bodens gelegt
(siehe die Karte, woselbst diese wichtige Grenzlinie Köp-
pens Darstellung folgt). Im Wiluigebiet lässt die Rau-
heit des Klimas den Kornbau nicht überall aufkommen:
in den geschützten Teilen, in der Umgegend von Njurba
und Wiluisk, erhielt man von der Gerste das zehnfache Korn,
dagegen ging der Roggen zu Grunde; hier sollen meistens
die Fröste der Aussaat schaden. In dem etwas südlicher
gelegenen Jakutsk ist also thatsächlich fast die äusserste
Grenze des Getreidebaues erreicht, wie man nach Ver-
gleichen mit den Mackenzie-Landschaften vermutete, wo
die Ackerfelder im Hochsommer unter gleicher Breite
von Jakutsk 11 Fuss tief aufthauen, in Jakutsk dagegen
nur 3 Fuss tief. An der Ostküste sinkt die Grenze des
möglichen Korn- und Gemüsebaues bis zu der Breite von
Nikolajewsk (53½° N.) herab, gibt aber dort noch auf
fruchtbarem Boden vortreffliche Resultate.
[419]7. Ostasien: Litteratur.
7. Ostasiatische Ländergruppe.
(Mandschurei—China—Japan.)
Auswahl der Litteratur. a) Florenübersichten und All-
gemeines: Fritsche, Das Klima Ostasiens, in Schrencks Reisen
und Forschungen im Amurlande 1854—56, Bd. IV (1877). Wojei-
koff, Klima von Japan, vergl. Geogr. Mittlgn. 1878, S. 114 und
176. Hann, Temperatur- und Regenverhältnisse d. Japan. Inseln,
Geogr. Mittlgn. 1888, S. 289, Taf. 17. —
Maximowicz, Florae Asiae orientalis fragmenta, und Dia-
gnoses plantarum novar. asiaticarum, in Mélanges biolog. de l’Acad.
imp. de St. Pétersbg. in vielen Fortsetzungen seit 1866. Franchet \&
Savatier, Enumeratio plantarum in Japonia sponte crescentium
2. Bde., Paris 1872—78. Forbes \& Hemsley, Index Florae Sinensis
(Enumeration of all the plants known from China proper, For-
mosa, Hainan, Corea etc.) im Journal Linn. Soc. of London, Bo-
tany, Bd. 23 und 26, im Erscheinen.
b) Specielle Floren und Pflanzengeographie: Schmidt, Reisen
im Amurlande u. auf Sachalin 1868 (Mémoires de l’Acad. St. Péters-
bourg, Ser. VIII, Bd. XII). Maximowicz, Primitiae Florae Amu-
rensis, 1859 (dieselbe Akademieschrift, Bd. IX). Regel, Tentamen
Florae Ussuriensis, 1861 (dieselbe Akademieschrift, Ser. 7, Bd. IV).
Möllendorff, Reisen in der nordchines. Prov. Dschy-li, in Zeit-
schr. d. Ges. f. Erdk. Berlin, XVI, 91. David, Voyage dans l’Empire
Chinois, vergl. Griseb. Abhandl. S. 471 und 528. Franchet, Plantae
Davidianae ex Sinarum imperio (Plantes de Mongolie, du nord et
du centre de la Chine), in Nouv. Archives du Museum d’Hist. nat.,
Paris 183—87. Franchet, Plantae Delavayanae (Flore du Yünnan
etc.), Paris 1889 (im Erscheinen).
Rein, Japan nach Reisen und Studien, Bd. I, Kap. 7; in
Bd. II die land- und forstwirtschaftl. Pflanzen. Jo Tanaka, Unter-
suchungen über d. Pflanzenzonen Japans in Geogr. Mittlgn., 1887,
S. 161, Taf. 9. Yaroku Nakamura, Die japanische Waldflora,
in Unters. aus dem forstbot. Institut München, III, 17. Brauns,
Die Insel Yezo, Verh. Ges. Erdk., Berlin, X, 43. Engler, Beitr.
z. Flora des südl. Japan u. der Liu-kiu-Inseln, in Bot. Jahrb. Syst.
IV, 353 und VI, 49.
Im Norden und Osten durch die 5. und 6. Länder-
gruppe begrenzt, bedarf die hier zu behandelnde nur der
Abgrenzung gegen Süden, wo das indische Florenreich
vom Mekong her den Küstenstrich etwa bis Canton und
Hong-kong einnimmt und ausserdem an den Grenzen
von Birma und Yünnan neue Formationen und völlig
neue Ordnungen mit Tropengattungen einschaltet. Der
[420]7. Ostasiatische Ländergruppe.
östliche Himalaya in mittleren Höhen, die Abhänge gegen
Assam und Bhutan, gehören floristisch zu Ostasien und
scheinen Yünnan, überhaupt der südchinesischen Vegeta-
tionsregion, sehr zu entsprechen bis zu denjenigen Tiefen
herab, wo gleichfalls die feuchtwarme Tropenvegetation
einsetzt.
Man kann die Reihenfolge der ostasiatischen Vege-
tationsregionen vielleicht durch den Vergleich der Land-
striche von Grossbritannien südwärts über Spanien nach
der atlantischen Flora veranschaulichen, nur mit dem
Unterschiede, dass hier ein viel reicheres Tropengebiet
südwärts Anschluss hat, als dort. Aus kühlen Klimaten
mit sehr kalten Wintern gehen sie in mildwarme, höchst
geeignet für immergrüne Gebüschformationen, über und
halten zwischen der auf Köppens Karte angegebenen
blauen und roten Linie, also zwischen der 10° Isotherme
des kältesten Monates und der Isochimene von 4 Monaten
unter 20°C. Andauer, an, vermitteln also zwischen der
II. und III. Vegetationszone. Im Norden tritt folglich der
Charakter des nordischen Florenreiches noch in der gan-
zen Vegetationsanordnung zu Tage, und der Unterlauf
des Amurflusses, sowie das Amgungebiet gehören über-
haupt zur vorigen Ländergruppe (Anschluss an Region 4
auf S. 417). Denn wie überhaupt nach Fritsche ganz
Ostasien bis zum 20° N. südwärts hinab zu kühl ist
wegen der strengen Winterkälte des Kontinents, so trifft
die Südgrenze des nordischen Eisbodens noch auf die
Amurmündung; hier erwacht auch die Vegetation erst
Ende Mai, weiter stromaufwärts schon Ende April. Erst
der 40° N. bringt eine allgemeine Linderung der Winter-
kälte, und nördlich von diesem Breitengrad stehen die
Januarisothermen so dicht gedrängt, dass 11 Zweigrad-
kurven auf den Raum zwischen 40°—50° N. fallen. Dies
ist daher eine Gegend, in welcher eine natürliche Ge-
wöhnung der ostasiatischen Typen an kalte Winter mög-
lich war und von wo daher eine nicht geringe Zahl
von mandschurischen frostharten Gewächsen in die nord-
europäische Gartenkultur gelangt ist.
Etwas schwierig erscheint bei den immerhin noch
[421]Klima. Einteilung, Charakterpflanzen.
ziemlich dürftigen Kenntnissen über die Flora mancher
dieser Gebiete eine sachliche Begründung der Vegeta-
tionsregionen. Bei erneuter Prüfung möchte ich auch
die im physikalischen Atlas, Florenkarte V (Nr. 48), ge-
troffenen Abgrenzungen nicht ganz so aufrecht erhalten.
Die Region von Betula dahurica und Larix dahurica, west-
wärts bis über das Jablonowoigebirge ausgedehnt, scheint
mit der von Quercus mongolica und Pinus mandshurica
zu vereinigen zu sein und bildet die oben genannte sa-
baikalische Waldregion. Nun folgt als erste hier auf-
zuführende Region die mit Juglans mandshurica bezeichnete
nordmandschurische, zu welcher der Hauptteil der Insel
Jesso ebenfalls zu gehören scheint und die wohl südwärts
mit der Wasserscheide des Sungari gegen das Gelbe Meer
endet. Dann folgt als Zwischenglied zu den mit immer-
grünen Gebüschen ausgezeichneten südlicheren Landschaf-
ten eine nordchinesische Uebergangsregion zwischen dem
Schan-Alingebirge und dem Tsing-ling südlich vom letz-
ten Knie des Hoangho; zu dieser gehört wahrscheinlich
auch Korea, von dessen Flora man aber wenig weiss (s.
G. J., XI, 129). An diese schliesst sich das westliche,
höhere, die Steppen begrenzende, durch Zwergnussbaum-
Gesträuch von Ostryopsis Davidiana charakterisierte Berg-
land, vielleicht bis zum 34° N., an. Dann folgt die immer-
grüne, die Hauptmasse von China umfassende Maquis-
vegetationsregion (eingeschränkt gegenüber der im phy-
sikalischen Atlas mit Thea und Celtis chinensis belegten
Region), bis zur Nordgrenze des tropisch-indischen Floren-
reiches. Als besondere Region aber scheidet sich im
Südwesten das Bergland von Yünnan im Anschluss an
den Himalaya aus, zu welchem der Südteil der im physi-
kalischen Atlas mit Ostryopsis Davidiana bezeichneten
Region gehören dürfte. — Dann bilden die Vegetations-
regionen Japans, über welche wir durch neuere Unter-
suchungen viel besser unterrichtet sind, den Schluss. Von
China erscheint jetzt erst die erste, katalogmäßig mit
allen Hilfsmitteln in Kew ausgearbeitete Florenzusammen-
stellung. — Die Heimat vieler Arten Ostasiens ist durch
die alte Kultur verdunkelt. Die Ginsengpflanze, Panax
[422]7. Ostasiatische Ländergruppe.
Ginseng, wird von Schmidt am Suifunfluss bei Wladiwo-
stok wild angegeben.
1. Nordmandschurische Vegetationsregion. Juglans
mandshurica, nach dem Orient der erste Vertreter dieses aus-
gezeichneten arktotertiären Typus, welcher dann in Nordamerika
so grossartig wiederkehrt, ist aus diesem Grunde zu einer Charakter-
pflanze hier erhoben. Sie ist z. B. im ganzen Ussuridistrikt in
Laubwaldungen der Hügel, Vorberge und Berge häufig, ist bis zur
Bureja verbreitet und erreicht am Amur 5° 12′; ihre Südgrenze
ist unbekannt. Etwas nördlicher verläuft die Vegetationslinie von
Pinus mandshurica, etwas südlicher die von Pyrus ussuriensis; alle
diese Vegetationslinien fallen in ihrem östlichen Verlauf gegen
die Küste steil nach Süden ab, sinken von circa 50° N. auf circa
46° N. zurück. Corylus heterophylla erreicht die Küste in diesen
Breiten überhaupt nicht, sondern hält sich westlich vom Ussuri-
distrikt; am Amur unter 53° trifft dieser Strauch mit der Quercus
mongolica als einer berühmten mandschurischen Charakterart zu-
sammen, welche letztere aber nördlicher als alle anderen genannten
Pflanzen geht. „Am unteren Argun müssen sich die Kosaken
schon ihre Nüsse von den Chinesen und Händlern am oberen
Argun kaufen (Maximowicz). Ein weiteres interessantes Charakter-
bäumchen ist Dimorphanthus mandshuricus, häufig an der Bureja,
andere Sträucher Maximowiczia chinensis, Actinidia Kolomikta,
Berberis und Vitis amurensis. Auch zwei Ahornbäume, A. spicatum
und Mono, gehen hier bis 54°, bezw. 52 ½° N., und südwärts
nimmt ihre Zahl zu. Ausgezeichnet hat die Schilderung der Be-
stände von Nadel- und Laubholz, Wiesen, Steppen und Mooren
Maximowicz vom Amurlande nach seinen Wahrnehmungen und
Erkundigungen uns überliefert.
2. Die nordchinesische Vegetationsregion, in deren
Mitte die Flora von Peking sich ausbreitet, leitet von dem bo-
realen Charakter, der sich in einzelnen der angegebenen Gattungen
äussert, entschiedener über zu dem des ostasiatischen Florenreichs,
in welchem nicht circumpolar verbreitete Baumgattungen einen
grossen Anteil haben. Immergrüne Maquis fehlen noch als eigene
Formation und bilden den grössten Gegensatz des reicheren Südens
zu dem hier auf unfruchtbaren Hügeln waltenden Gestrüpp mit
steifem Graswuchs von Zizyphus Kämpferi, Vitex incisa, Lycium
chinense. Die Charakterbäume Paulownia imperialis, Gleditschia
chinensis, Catalpa Bungei, Ailanthus glandulosa, Sophora japonica,
Microptelea chinensis und die wichtige Papierpflanze: Broussonetia
papyrifera, treten in den Ebenen wild und angepflanzt auf. Die hier
im Westen aufsteigenden höheren Berge aber schliessen sich in
ihren oberen Höhen naturgemäß noch an die vorige oder an die
sabaikalische Vegetationsregion an und werden bis 2000 m Höhe
von dichtem Birken- und Haselgehölz bedeckt.
3. Südchinesische Vegetationsregion. Nach den Be-
richten der Mehrzahl der Reisenden, besonders auch von David,
[423]Mandschurei, China, östlicher Himalaya.
sind die Wälder, welche wenigstens das chinesische Bergland ur-
sprünglich bedeckt zu haben scheinen, selbst in den Gebirgen auf
abgelegene Thäler zurückgedrängt und durch „Maquisformationen“,
unter denen vereinzelte Baumstämme von geringer Grösse hervor-
ragen, ersetzt. Hier ist die immergrüne Strauchform der Ternströ-
miaceen mit 14 Camellia-Arten, unter denen Camellia Thea oder
Thea chinensis die berühmteste ist, hervorragend; gemäß der neuen
Florenzusammenstellung von Hemsley und Forbes aber muss es
unentschieden bleiben, ob der Theestrauch in China, Formosa oder
Japan irgendwo wirklich wild ist und nicht vielmehr vom östlich-
assamischen Grenzgebiet eingeführt wurde. Eine andere Charakter-
gattung derselben Familie ist Eurya (chinensis, japonica u. a.), deren
Arten aber z. T. eine weite Verbreitung zwischen Ceylon, Japan und
Melanesien besitzen. Fast bis zur Nordgrenze dieser Vegetations-
region wächst der Kampferbaum wild, kultiviert noch weit dar-
über hinaus, und repräsentiert die Lauraceen, zu denen auch sommer-
grüne Laubbäume (Lindera) gehören. Von Palmen mischt sich
die schon recht ansehnliche Trachycarpus excelsa (Nordgrenze im
oberen Thale des Han, David!) in die immergrünen Gebüsche; be-
kannt durch ihre Fett- und Lackstoffe sind Rhus vernicifera und
Stillingia sebifera. Araliaceen, z. B. Panax-Arten (P. quinquefolia,
Ginseng!) spielen eine grosse Rolle, ebenso die Nadelhölzer und
Cypressen (Gingko, Cunninghamia, Biota etc).
4. Bergwaldregion und Hochgebirgsformationen
von Yünnan-Szetschwan. Eine besondere, sehr reiche und, wie
schon gesagt, vielfältige Anschlüsse an den Himalaya bewirkende
Vegetationsregion, welche erst in jüngerer Zeit erforscht zu werden
beginnt, liegt in Chinas südwestlichen Provinzen. Als David, der
ebenso wie Delavay die wichtigsten Pflanzenschätze von hier dem
Pariser Museum überbrachte, von Tsching-tu (31° N.) westwärts
auf 3000 m hohen Pässen das Randgebirge gegen Hochtibet über-
stiegen hatte, fand er etwa 5000 m hohe Gipfel und sah in der
Ferne noch höhere, auf denen die Baumgrenze 3000—3500 m hoch
lag. Hier oben sind fünf Coniferen die herrschenden Waldbäume,
begleitet bis 2000 m von Alnus setchuanensis; die Gebirgsregionen
sind feucht, in den Wäldern treten wie im Himalaya eine Menge
Rhododendren auf, die sogar nach tropischer Manier teilweise auf
den Tannen epiphytisch wachsen; in den tieferen Regionen sind
Magnoliaceen, Lauraceen, Quercusarten, und bis über 3100 m hoch
Bambusen gemischt mit Rhus. Rosa, Corylus etc. Im Hügelge-
lände ranken Wistaria zwischen Kiefern und Palmen (Trachy-
carpus excelsa, u. a.?), die Kultur zieht vielfach den chinesischen
Oelfirnisbaum Elaeococca verrucosa (Griseb. Abh., S. 533). Wir
haben hier also eine reiche, richtig subtropisch entwickelte Flora
der ostasiatischen Elemente im Gebirge, auf den Alpenhöhen die
bekannten borealen Gattungen in reicher Artenfülle, z. B. von
20 Primeln 16 neu, ebenso von 12 Gentianen 10, überhaupt 40 %
Endemismen der von Delavay in Yünnan gesammelten Arten. So
erhalten die Artenlisten von Forbes und Hemsley durch diese For-
[424]7. Ostasiatische Ländergruppe.
schungen erstaunlichen Zuwachs neuer Formen, z. B. sind unter
141 Ranunculaceen vom gesamten China 49 in Yünnan endemisch,
ja sogar neue Familientypen haben sich hier gezeigt.
B. Die Inseln zwischen 30°—50° N.
In langer Kette zieht sich die ostasiatische Insel-
reihe von Sachalin bis Kiusiu und dem kleinen Eiland
Yaku-Shima südwärts herab, dabei alle die gedrängten
Florenübergänge von rauh-borealem Charakter bis zum
Beginn des tropischen durchlaufend. Folgende Abschnitte
lassen sich hier summarisch unterscheiden: 1. Sachalin
nördlich 50° N. nimmt teil an der ochotskisch-kamtscha-
dalischen Flora; Pinus Cembra, subsp. pumila ist hier ein
charakteristisches Niederholz in sumpfigen Ebenen und
auf Bergen, in niederen Höhen. 2. Südliches Sachalin
und nördliches Jesso, sowie dessen inneres Bergland, nehmen
teil an der nordmandschurischen Vegetationsregion; so
wenigstens lässt sich nach Brauns Vortrag (Verh. Ges.
Erdk. Berlin, X, 43) von letzterer Insel vermuten, an
deren Südküste erst der eigentlich „japanische“ Charakter
beginnt. 3. Südliches Jesso und Nippon bis etwa 35° N.
(bis gegen den Biwasee) bilden eine grosse neue Vege-
tationsregion mit reichem endemischen Charakter und
grösstenteils sommergrünen Laubbäumen neben frost-
harten Nadelhölzern. 4. Südliches Nippon, Sikoku und
die Hauptmasse von Kiusiu bilden eine zweite neue, noch
reichere Vegetationsregion mit überwiegend immergrünen
Bäumen und Gesträuchen; die Nordgrenze derselben wird
etwa von 2° Januarisotherme und 14° Jahresisotherme
getroffen. 5. Die südlichsten kleinen Eilande und die
Südspitze von Kiusiu tragen eine schwach-tropische
Vegetationsregion im Anschluss an südchinesischen Cha-
rakter: Livistona chinensis, Ficus Wightiana, Podocarpus
Nageia wirken hier bestimmend. Die Nordgrenze dieser
tropischen Region liegt unter 6° Januarisotherme und
16° Jahresisotherme. Ausserdem machen die höheren
Gebirge in Bezug auf Verschiebung nördlicher Arten nach
Süden ihre Rechte geltend.
5. Die nordjapanische Vegetationsregion wird von
Tanaka durch Fagus silvatica und F. Sieboldi charakterisiert und
[425]Vegetationsregionen Japans.
fällt ziemlich zusammen mit Reins Zone des mittleren Laubwaldes
(a. a. O., I, 179; G. J., IX, 181). Sie steigt im Süden (mittleres
Nippon) bis 2000 m, im nördlichen Nippon bis 1000 m hoch an
und besitzt eine durchschnittliche eigene Mächtigkeit von 1270 m.
Die Artliste siehe in Geogr. Mittlgn. 1887, S. 165, unter welcher
sich 7 Ahornarten, Thujopsis dolabrata, 1 Pterocarya, 2 Juglans
und 2 Eschen auszeichnen.
6. Die nordjapanische Bergwaldregion mit Abies
Veitchii und brachyphylla, und die Hochgebirgsregion mit
Pinus Cembra (* pumila? Rein gibt hier die nahe verwandte
P. parviflora an!) besetzen zahlreiche inselartige Bergflecken bis
34° N. südwärts hinab. Siehe die Listen sub 4 und 5 in G. J.,
IX, 181.
7. Die südjapanische immergrüne Vegetationsre-
gion lässt sich nach 2 Kiefern: Pinus Thunbergii und P. densiflora,
etwas höher hinauf (über 400 m) durch die Mehrzahl der Magno-
liaceen, Ternströmiaceen, Lauraceen etc. charakterisieren. Vergl.
die Artenlisten in Geogr. Mittlgn. 1887, S. 164 und G. J., IX,
181 (unter Reg. 1 und 2).
8. Britisch-Nordamerika.
9. Vereinsstaaten und nördliches Mexiko.
Auswahl der Litteratur. a) Florenwerke und sytema-
tische Generalübersichten: Hooker, Flora boreali-americana, 2 Bde.,
1840. Macoun, Catalogue of Canadian Plants (Geolog. and Nat.
hist. Survey of Canada), 1883 bis folgd; vergl. G. J., XI, 130 und
XIII, 335. Asa Gray, Synoptical Flora of North America (im
Erscheinen). Michaux, Histoire des arbres forestières de l’Amé-
rique septentr. 1810—13, 3 Bde. Geological Survey of California:
Botany by Sereno Watson, 2 Bde., 1880. Coulter, Manual of Rocky
Mts. Botany from New Mexiko to the British Boundary, 1885.
Asa Gray, Manual of the Botany of the Northern United States
(viele Auflagen). Chapmann, Flora of the Southern United States,
1883. Gray \& Watson, Contributions to North Amer. Botany, in
Proceed. Amer. Acad. Arts and Sc. Bd. XVII u. folgd.
b) Allgemeine statistische und klimatologische Pflanzengeogra-
phie: Physical Atlas of the Dominion of Canada, Ottowa 1880. Scott,
Tables, distribution and variations of the atmosph. temperature in
the United States, Smithon. Contrib. Bd. 21, 1876. Hooker, Distri-
bution of the North American Flora, Royal Institution of Great
Britain, 12 Apr. 1878. Asa Gray, Characteristics of the North
Amer. Flora, Amer. Journ. of Science Bd. 28 (G. J., XI, 131).
Sargent, Catalogue of the Forest-Trees of N. Amer., Washington
1880; siehe Geogr. Mittlgn. 1886, S. 238 mit Taf. XII; Report on
the Forests of N. Amer. excl. of Mexiko, Washington 1884, Depart-
[426]8. und 9. Nordamerika.
ment of the Interior (ausgezeichnetes Werk mit vielen Spezial-
karten über die Waldverbreitung in den Vereinsstaaten). Mayr,
Die Waldungen von Nordamerika, 1890.
c) Expeditionsberichte und spezielle Pflanzengeographie in
der Reihenfolge der späteren Vegetationsregionen 1—14): Elliott,
An arctic Province, Alaska and the Seal Isl., 1886 (Geogr. Mittlgn.
1887, Litt. Nr. 311). Krause, Reisen im südl. Alaska, Verh. Ges.
Erdk. Berlin, X, 284, Zeitschr. Ges. f. Erdk. Berlin 1883, Taf. 9.
Dall, Pacific Coast Pilot, Alaska, Washington 1879. — Drummond,
Canadian timber trees, their distribution and preservation. Mon-
treal 1879, mit Karte. Selwyn, Report of Progress of geol. und
natur. history Survey of Canada; darin Waldkarte mit Vegeta-
tionslinien von 30 Bäumen, 1881. Bell, Reports of the Forests of
Canada, 1885 (Geogr. Mittlgn. 1885, Litt. Nr. 342). Koch, Die
Küste Labradors und ihre Bewohner (Deutsche geogr. Blätter
1884, S. 151). Matthew, Occurrence of arctic a. western plants in
continental Acadia (Nat. Hist. Soc. of New Brunswick, April 1869).
Bruhin, Vergleichende Flora Wisconsins, in Verh. K. zool.-
botan. Ges. Wien 1876, S. 229; Beobachtungen über die Erschei-
nungen im Tier- und Pflanzenleben zu Milwaukee, ebenda XXV, 811.
Geological Survey of Minnesota, Bd. I, 1886 (Karte der Grenze von
Wald und Prärie); siehe auch G. J., XIII, 337, Nr. 283, Garrison
in Ninth annual Report for 1880, S. 201. — Macoun in Selwyn’s
Rapport des opérations de l’Exploration géologique du Canada,
1875—76, S. 30 u. folgd.: Flora vom Fraser und Peace-R. (G. J.,
VII, 341). Dawson, Distribution of some trees of British Columbia,
Canadian Naturalist IX, Nr. 6 und Report of Progress of Geolog.
Survey of Canada for 1879—80, mit Karte. Dawson, Der Queen
Charlotte Archipel, siehe Geogr. Mittlgn. 1881, S. 331 mit Taf. 16.
Newberry (Cascade Mts.) in Annals of the New York Acad. of
Sciences, III, 242 (1884) und Amer. Journ. of Science, siehe Geogr.
Mittlgn. 1886, Litteraturb. Nr. 158.
Gray \& Hooker, The vegetation of the Rocky Mountain-Region
a. compar. with other parts of the world, im Bulletin U. S. Geolog.
and geogr. Survey, VI, Nr. 1, S. 1—77, 1881 und Auszug in Botan.
Jahrb. Syst. II, 256. Sargent, Forest of Central-Nevada in Amer.
Journal of Science and Arts, 3 Ser., Bd. XVII, 417 (Botan. Jahrb.
Syst. I, 70). Meehan, Timber-line of High Mountains, in Proceed.
Acad. nat. sc. Philadelphia, 14. Sept. 1880. — Macoun, Manitoba
and the Great Northwest. 1883. Christy, Notes on the Bot. of
Manitoba in Journ. of Bot. XXV, 271. — Vasey, Report of an
investigation of the arid districts of Kansas, Nebraska and Colo-
rado, Washington 1886. Wied, Prinz Maximilian zu, Reise in das
innere Nordamer. 2 Bde. 1841. Frémont, Report of the exploring
expedition to the Rocky Mts. 1842, Oregon and N. California 1843;
Washington 1845. Loew, Das westlich der Rocky Mts. gelegene
Gebiet der Verein. Staaten, in Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Berlin,
XII, 89 (Kulturpflanzen!).
[427]Litteratur.
Reports of Explorations and Surveys for a railroad from
the Mississippi R. to the Pacific Ocean; Bd. II; Torrey \& Gray,
S. 115; Bd. V (1856): Torrey, Gila-Flora, und Durand \& Hilgard,
botanical Report; Bd. VI (1857): Newberry, Geogr. botany, Forest-
Trees of north California and Oregon; Bd. VII (1857): Torrey,
botan. Report Los Angeles — Rio Grande. Sereno Watson, Botany
in Un. St. Geolog. Exploration of the fortieth parallel, 1871
(Pflanzengeographie und Kataloge vom Great Basin, Wahsatch
\& Uintas Mts., Nevada—Utah, mit Beschreibung der nicht ostwärts
vom Mississippi vorkommenden Gattungen und Arten.) Rothrock,
Engelmann etc., Botany in Lieut. Wheelers Report upon Un. St.
geograph. Surveys west of the 100 th meridian, Bd. VI, 1878
(G. J., VIII, 270).
Porter \& Coulter, Synopsis of the Flora of Colorado, 1874.
Vasey, Charact. veget. of N. Amer. desert, Botan. Gazette XIII, 258.
Tweedy, Flora of the Yellowstone national park, 1886. — Sargent,
Ber. nordamer. Forstexpedition in Californien und Oregon, Deutscher
Garten 1881, S. 420 (G. J., IX, 183). Le Conte, The flora of the
Coast-Islands of California, in Americ. Journ. Science and arts
XXXIV, 457. Greene, Notes on Guadelupe Island in Bull. Calif.
Acad. I, 214. Semler, Die Veränderungen, welche d. Mensch in
der Flora Kaliforniens bewirkt hat, in Geogr. Mittlgn. 1888, Seite
239. — Brendel, Flora Peoriana, 2. englische Ausgabe 1887 (G. J.,
XIII, 337). Arthur, On some characteristics of the vegetation of
Jowa, in Proceed. Amer. Assoc. for the advancement of Science
August 1878. — Wood \& Mac Carthy, Wilmington Flora. Curtiss,
Vegetation of the Shell Islands of Florida, in Botan. Gazette 1879.
Loew, Lieutenant Wheelers Expedition durch das südliche
Kalifornien i. J. 1875, in Geogr. Mittlgn. 1876, S. 327, Taf. 18.
Report on the Un. St. and Mexican Boundary-Survey, by W. Emory;
in Bd. II. Torrey, Botany of the Mexican Bound.-Territory, 1858;
Grisebach, Bericht über die Leistungen in der geogr. und syst.
Botanik 1848, S. 56 (Neu-Mexiko). — Engelmann, On the character
of the Vegetation of southwestern Texas in Proceed. Amer. Assoc.,
V Meet. 1851. Asa Gray, Plantae Wrightianae (1852) aus Texas.
Engelmann \& A. Gray, Plantae Lindheimerianae (Texas) in Boston
Journ. of Nat. History Bd. V (1845). Watson, Plants collect. in southw.
Texas etc. siehe G. J., X, 177. Bandelier, Die Grenzgebiete der
Verein. St. und Mexikos, in Verh. Ges. Erdk. Berlin, XII, 258.
Klima und Florengrenzen. Durch vier Wärme-
gürtel hindurch erstreckt sich im Wechsel von Wald-
und Steppenlandschaften mit eingeschlossenen kleinen
Wüstendistrikten die nordamerikanische Flora südlich des
arktischen Gebietes bis hin zu der Nordgrenze der Tropen
in Mexiko und an der äussersten Südspitze von Florida,
so dass alle Abteilungen der 2. und 3. Vegetationszone
[428]8. und 9. Nordamerika.
(S. 83—87) hier durchlaufen werden. Die Verteilung der
Niederschläge hebt einen breiten atlantischen und einen
meistens sehr schmalen pacifischen Küstenstreif als die
begünstigteren Landstriche heraus; während aber von
Florida bis westwärts über den Mississippi-Unterlauf hin-
aus die Niederschläge 130—200 cm betragen, tritt unter
entsprechender Breite am Stillen Ozean ein höchst regen-
armes Gebiet, welches auf unserer Hauptkarte durch
„unter 20 cm“ hervorgehoben ist, mit seinem Endzipfel
bis unmittelbar zur Küste und bedingt Wüstenbildung
im Gegensatz zu den reichen südatlantischen Waldungen;
höher im Norden aber hat die pacifische Küste die grös-
sere Niederschlagshöhe und erreicht nördlich von 43° N.,
also gerade da, wo der Waldwechsel zwischen der kali-
fornischen und kolumbischen Küstenwaldregion eintritt,
bis gegen den 60° N. über 200 cm Niederschlagshöhe
im äussersten Küstensaum.
Die Hauptwasserscheide in Nordamerika ist von
60° N. bis 30° N. durch eine niederschlagsärmere, breit
und gewaltig in mehreren Ketten streichende Hochge-
birgsbildung ausgezeichnet; gegen diese Rocky Mts. sind
die übrigen Gebirge in ihrem Einfluss auf die Floren-
gliederung und Florenentwickelung unbedeutend. Sie be-
wirken auch naturgemäß eine scharfe Gliederung in at-
lantische und pacifische Florengebiete, während es an
ähnlich sondernden Mitteln zwischen den Elementen des
nordischen Florenreichs und den arktotertiären, jetzt sub-
tropisch-amerikanischen Sippen fehlt. Noch in viel rei-
cherem Maße als in Ostasien ist daher hier ein allmäh-
licher Uebergang vom einen zum anderen Typus, von
immergrünen Eichenwäldern mit Lauraceen zu den nor-
dischen Fichten- und Birkenwaldungen hin, zu bemerken,
und Nordamerika bietet daher auch die reichste Fülle
von arktotertiären Elementen dar, welche an strengere
Winterkälten ziemlich sicher gewöhnt sind, da die ex-
tremen Eigenschaften der Temperaturkurven besonders
die atlantische Abdachung auch im Bereich der Wälder
auszeichnen. Nur ganz allgemein kann daher auch, weil
die einzelnen Arten sehr verschieden widerstandsfähig
[429]Klimatische Gliederung. Phänologie.
gegen Kälte oder platzbehauptend gegenüber subtropi-
schen Formationen sind, eine Temperaturgrenze zwischen
beiden Florenreichen, dem nordischen und dem mittel-
nordamerikanischen, angedeutet werden: die Grenze kann
nur in dem Gürtel mit heissem, bezw. in dem mit ge-
mäßigtem Sommer liegen und mag etwa dem von Köp-
pen gezeichneten Verlaufe dieser Grenze südlich des Seen-
gebietes entsprechen, jedenfalls aber nicht in dem kühle-
ren und dennoch subtropisch ausgestatteten Kalifornien.
Genauer lässt sich die Grenze aus einer Kombination von
Januar- und Julimitteln ableiten: die 20°C. Juliisotherme,
besonders in ihrer nördlichen Ausbuchtung im Kontinent
bis gegen 54° N. und in ihrem südlichen Steilabfall nach
Kalifornien einerseits, und die 0°C. Januarisotherme in
ihrem Verlauf durch die atlantischen Staaten andererseits
in der von Hann im physikalischen Atlas gegebenen
Darstellung scheinen die wesentlichsten Bedingungen die-
ser Scheide, welche aus einer Unzahl sehr verschieden-
artig verlaufender Vegetationslinien besteht, zu enthalten.
Im einzelnen stimmen öfters Temperaturlinien gut mit
Vegetationslinien, z. B. die Jahresisotherme von 15 ½°C.
und die Isochimene von 7°C. und die Isothere von
25°C. mit der Palmengrenze in den südatlantischen
Staaten (G. J., VII, 237).
Die phänologischen Erscheinungen sind in Amerika
erst wenig beobachtet; das jedoch geht mit Sicherheit
hervor, dass die harten Winter im Vergleich mit dem
Frühlingseinzuge in Europa erhebliche Verspätungen ver-
anlassen. Aus Wisconsin (Milwaukee, 43° N.) stammen
Bruhins sechsjährige Beobachtungen: hier geht der Schnee
durchschnittlich nicht vor der zweiten Märzhälfte fort, Ende
Mai ist der Busch belaubt, Mitte Juni reift Fragaria vir-
ginica, Mitte Juli der Roggen. Blumen des Frühlings
(Caltha, Anemone nemorosa, Prunus Cerasus) zeigen 1 Monat
Verspätung gegenüber Belgien und Frankreich, noch 1 bis
2 Wochen gegenüber dem nordöstlichen Deutschland, und
blühen nur einige Tage früher als in Petersburg und Moskau.
So kennzeichnet sich in Amerika die Südgrenze des nordi-
schen Florenreiches gegenüber der Missouri-Prairienregion.
[430]8. Britisch-Nordamerika.
Formationen, Charakterarten, Vegetations-
linien. Die Vegetationsformationen sind dem Vorher-
gehenden zufolge nach den beiden Hauptteilen zu betrachten,
welche einerseits die amerikanischen Gebiete des nordi-
schen Florenreichs (A), andererseits die des eigenen
Florenreichs vom mittleren Nordamerika (B) umfassen; er-
steres zerfällt nur in das pacifische und in das um die
Hudsonsbai gelagerte kanadische Gebiet, letzteres bildet
ausser dem kalifornischen Gebiet und ausser dem von
Virginien bis Florida reichenden noch die zwei centralen
Gebiete mit Xerophyten aus, von denen das reichste (süd-
liche) Nordmexiko und Texas, das weniger reiche (nörd-
liche) die Missouri- und Felsengebirgs-Steppen umfasst;
das letztgenannte strahlt weit nördlich bis Kanada aus.
A) Im Anschluss an die arktischen Tundren, welche
in Labradors arktischer Fjordformation die südlichste
Verlängerung haben, ist ein breiter Waldgürtel, aus dem
sich schneebedeckte Hochgebirge erheben, nordischen Cha-
rakters vom Yukon und Columbia bis über die grossen
Seen hinaus entwickelt. Die Weissfichte Picea alba, nicht
die etwas südlicher beginnende Larix americana, bildet
die äusserste Nordgrenze des Nadelwaldes, eine Birke
(Betula papyracea) die der nordischen Laubbäume. Dicht
gedrängt treffen wir von den zahlreichen kanadischen
Bäumen weitere nördliche Vegetationslinien gen Süden
zu; auch eine Tanne: die Kanadabalsam liefernde Abies
balsamea, folgt alsbald und entspricht in ihrer Frosthärte
der sibirischen Edeltanne. Mit Thuja occidentalis und den
Eichen (vergl. oben, S. 191) ist der südlichere Forma-
tionsgürtel erreicht, in welchem Laubhölzer buntester Zu-
sammensetzung überwiegen oder aber mit anderen Coni-
feren, zumal der atlantischen Pinus Strobus, abwechseln.
Sehr beachtenswerte Vegetationslinien sind hier die der
Fagus ferruginea (Neuschottland — Neubraunschweig, Que-
bec und Ontario), und die ähnliche von Juglans cinerea.
In der nordpacifischen Waldregion ist die wichtigste
Vegetationslinie die der Pseudotsuga Douglasi (s. Floren-
karte VII im physikalischen Atlas), ausserdem Thuja
gigantea und die der deutschen Eiche ähnliche Quercus
[431]Charakterarten der Bäume und Sträucher.
Garryana. Wiesen, Moore und Heidegesträuche begleiten
die nordischen Waldformationen in einer aus dem mitt-
leren und nördlichen Europa gewohnten Weise, doch
natürlich grösstenteils in anderen Repräsentativarten. Zu
den Stauden der pacifischen Küste gesellen sich überein-
stimmend mit Ostasien gigantische Araliaceen, besonders
die gesellige Fatsia horrida (vergl. Griseb. V. d. E., II,
245). Von Ericaceen (siehe S. 193 und 194) ist neben
den 4 mitteleuropäischen Vaccinien noch eine grössere
Zahl amerikanischer Endemismen; weit verbreitet sind
auch Andromeda polifolia, Lyonia calyculata, Cassiope
und ähnliche circumpolare Halbsträucher, aus anderen
Familien Betula nana, Linnaea, Empetrum in den Wald-
mooren und in den Hochgebirgen. Die Rocky Mts. stellen
naturgemäß das hauptsächlichste Kontingent alpiner For-
mationsbildner mit zahlreichen arktischen Inquilinen, wäh-
rend ähnliche Bestände noch auf den White Mts. in den
nordatlantischen Staaten wiederkehren. In diesem letzte-
ren Gebirge herrschen in geringem Umfange Glacialfor-
mationen von ca. 1200 m an bis zur Spitze, die Baum-
grenze wird von Picea alba und Abies balsamea gebildet,
Laubhölzer gehen bis 600 m. Die Alleghanys sind da-
gegen bis zu ihrem Kamm bewaldet.
B) Die südliche Gebietshälfte beginnt mit Wald-
formationen, die neben Coniferen sommergrüne Laub-
hölzer führen, und hier sind auch wiederum Vertreter
der Lauraceen mit abfälligem Laube, der Sassafras und
Benzoïn (Fever-bush). Eigentümlichkeiten dieser Art kenn-
zeichnen das mittlere Nordamerika, aber fast nur dessen
atlantische Staaten, ebenso wie Ostasien. Selbst eine
immergrüne Lauracee, Persea carolinensis, geht bis zu
den Sümpfen von Delaware, scheint aber nach den Flo-
renangaben selten und bildet jedenfalls keine immergrü-
nen Bestände in einer an harte Winter gewöhnten Wald-
vegetation (vergl. oben, S. 261). Hier sind nun von
grossem Interesse die Vegetationslinien jener laubabwerfen-
den Bäume, welche wie Gymnocladus, Gleditschia, Pavia,
Liriodendron ihre Verwandten in den wärmeren Subtropen
und auch schon im südlichsten Gebiete selbst haben, wo die
[432]9. Vereinsstaaten und nördliches Mexiko.
immergrünen Magnolien charakteristisch sind; hier machen
hochstämmige Ericaceen (Andromeda, Leucothoë, Oxyden-
drum arboreum!) alle Phasen von immergrün zu laubwech-
selnd durch, und alle erreichen verhältnismäßig hohe Breiten
im Vergleich mit den Isochimenen. Das letzte Interesse
unter den Baumgrenzen bietet dann die auf wirklich sub-
tropisches Klima mit milderen Wintern beschränkte im-
mergrüne Kategorie; Quercus virens, die der südeuropäi-
schen Steineiche ähnliche „Lebenseiche“, und Olea ame-
ricana stehen an der Spitze; Pinus australis, mächtige
Bestände in den Pine-barrens bildend, schliesst sich an,
Magnolien und Gordonien bilden Nebenbestände, von Pal-
men die Gattung Sabal und hier besonders S. Palmetto
als letzte Baumart von Palmen gen Norden.
Diese alle steigen an der atlantischen Küste bis
Kap Hatteras und zur Chesapeakebai, und haben alle eine
den Alleghanys parallel gerichtete nordwestliche Vege-
tationslinie, welche südlich dieses Gebirges etwa bei 33
oder 34° N. westwärts zum Mississippi umbiegt und hier
oder im südöstlichen Texas endet. Der pacifische Küsten-
strich ist ärmer, entbehrt auch der arktotertiären Stamm-
formen von der ostasiatisch-amerikanisch-atlantischen
Gruppe; sein immergrüner Charakterbaum, dessen Nord-
grenze unter 45° N von Wichtigkeit ist, ist Castanopsis
chrysophylla, also eine weit nach Norden gehende Cupuli-
fere; die kalifornische „Lebenseiche“ ist Quercus chryso-
lepis in der Coast-Range und Sierra Nevada, ein ansehn-
licher Baum. Wie man sieht, haben stets Ost und West
ihre verschiedenen Charakterarten; Sabal Palmetto wird
durch andere Fächerpalmen: Pritchardia (Washingtonia)
vertreten; die Coniferen sind oben (S. 183) aufgeführt.
Hier schieben sich nun in die soeben geschilderten
Waldbestände die mächtigen Steppen-, Wüsten- und Gras-
landregionen ein, welche an den Zug der Rocky Mts. an-
geschlossen sind und deren ganze weite östliche Abdachung
im Bereich des Missouri bedecken; die nördlichsten Di-
strikte derselben enden in Kanada und sind etwa so
aufzufassen wie das Verhältnis der pontischen Flora zu
den Waldgebieten im mittleren Russland oder am Balkan.
[433]Charakterpflanzen. Bildung der Prairien.
Südlich von 35°—37° N. ist die Ursprünglichkeit der
neu auftretenden Vegetationsformen klar: Cereus gigan-
teus, von dem das interessante Vegetationsbild in Whee-
lers Arizona-Werk entstammt, ist hier mit mehreren
Yucca-Arten (Griseb., V. d. E., II, 243), dem Kreosot-
strauch Larrea mexicana, und mit den Mezquiten (Prosopis,
s. oben S. 284) vereinigt, alle charakteristisch in Familie
und Typus, die Vegetationslinien dieser Pflanzen in lokaler
Abhängigkeit weiterer Erforschung würdig. Ebenso ver-
steht sich die Ursprünglichkeit der in dem Rocky Mts.-
Bassin eingeschlossenen Wüstensteppenformation, in denen
graue Stauden: der Sage-brush (Artemisia tridentata) und
Salsolaceen, nämlich die weissfilzige White Sage (Eurotia
lanata) und der Greasewood (Sarcobatus vermiculatus) mit
Atriplex- und Suaeda-Arten eine Hauptrolle spielen, sich
nordwärts teilweise erst am Saskatchawan verlierend.
Von den nordöstlichen Prairien hat man die Ur-
sprünglichkeit leugnen und diese Graslandformationen der
Wirkung von weidenden Büffelherden im Verein mit den
Feuerbränden der Indianer zuschreiben wollen. Meine
Ansicht stimmt mit der von Mayr (a. a. O. S. 223)
überein, welcher „an die Ursprünglichkeit der Prairie auf
einem kleineren Umfange glaubt, aber eine ganz beträcht-
liche Ausdehnung derselben durch Feuer nach Osten hin
annimmt; diese Ausdehnung wird um so wahrscheinlicher,
als gerade zur grössten Trocknis, zur Zeit der grossen
Prairiebrände im September und Oktober, die Westwinde
vorherrschend sind“. Die Florenentwickelung aus altem
Seebecken, die Gegenwart der schwarzen, von uralter
Grasvegetation zeugenden Erde, lässt die Ausbildung so
mächtig ausgedehnter Graslandschaften fast notwendig
erscheinen im Sinne des normalen Formationswechsels,
wenn auch die Niederschläge hier nicht unter ein Maß
sinken, welches noch für Baumvegetation hinreicht. Man
muss eben mit der Selbsterhaltungsfähigkeit grosser For-
mationen rechnen, die die Kultur mit plötzlichem Ein-
griff ändern kann.
Diese hat als vorherrschende Kulturpflanzen wesent-
lich die Erzeugnisse der Alten Welt eingeführt; eine ge-
Drude, Pflanzengeographie. 28
[434]8. und 9. Nordamerika.
ringe Rolle nur spielen die einheimischen Nutzpflanzen
für den Europäer, während der Indianer eine grosse Menge
in seinen Haushalt gezogen hat (siehe Newberry, G. J.,
XIII, 337). Der Wasserreis Zizania aquatica dient noch
jetzt den wilden Stämmen zur zeitweiligen Hauptnahrung,
sogar Eicheln und Kiefern geben essbare Früchte, aber
eigentlich nur im Bereich der 9. hier mit der 8. ver-
einigten Ländergruppe. Wenige Pflanzen von Bedeutung
sind den europäisch-orientalen Kulturpflanzen hinzugefügt;
vom Mais, der im südlichsten Teile des Gebietes sein
Indigenat berührt, wird später die Rede sein, aber ge-
wisse Arten von Bohnen (Phaseolus) sind wahrscheinlich
von hier aus zu Nahrungspflanzen geworden (G. J., XIII,
314); auch der Topinambur Helianthus tuberosus ist von
einiger Bedeutung.
Die altweltlichen Kulturpflanzen mit dem Mais zu-
sammen ordnen sich den ursprünglichen Formationen ent-
sprechend zu Kulturarealen, welche im Bereich oder nörd-
lich der, östlich an den Rocky Mts. am weitesten nach Norden
vorgeschobenen Grassteppen am weitesten nach Norden
ansteigen, an der Westküste aber ebenso wie im Wir-
kungsbereich der Hudsonsbai Depressionen erleiden. So
endet die Hauptkultur des Mais an der Westküste schon
unter 45° N., im allgemeinen aber erst bei 51° N., und
geht am Saskatchawan bis 53° und weiter nach N.
Der Weizen erreicht bei Fort Liard am Fusse der Rocky
Mts., an einem Zufluss des Mackenzie, 60° N., Gerste und
Kartoffeln gehen in diesen Meridianen bis 65° N., Rüben-
bau bis 67° N. Der Polarkreis bildet in der Mitte Ka-
nadas also die ungefähre Nordgrenze des Feldbaues.
Vegetationsregionen. Die sich aus dem Vorher-
gehenden ergebenden Gliederungen nach Formationen mit
frostharten und frostmeidenden Arten, ferner nach sol-
chen der Wald-, der Steppen- und der Grasflurabtei-
lungen, ferner nach der von 50° im Norden bis 30° im
Süden stetig gesteigerten Verschiedenheit an den Küsten
beider Weltmeere, lassen die nun folgende Anreihung
der Distrikte nach 14 Vegetationsregionen ohne weiteres
klar verstehen. Im wesentlichen stimmen dieselben mit
[435]Kulturpflanzen. Regionen. — Alaska.
der in der Florenkarte Nordamerikas (Nr. 50 von Berg-
haus’ physik. Altas) gegebenen Einteilung überein; eine
nicht unwichtige Aenderung, nämlich die Einschaltung
einer besonderen sommergrünen atlantischen Laubwald-
region zwischen den Seen im Norden und den immer-
grünen Beständen der Südstaaten, ist Sargent zu ver-
danken. Die von diesem Kenner herrührende, in den
Geograph. Mitteilungen 1886 gegebene Erklärung dazu
enthält gleichzeitig so viel vortreffliche Charaktere der
Waldformationen, dass ich auf dieselben verweisend un-
nötige Wiederholungen zu vermeiden suche.
Die ersten fünf Vegetationsregionen gehören streng
zum nordischen Florenreich; die folgende bildet eine
Uebergangsregion zwischen dem nordamerikanischen Step-
pen-Florenelement und den nordischen Wiesenfluren. Die
7.—14. Region bilden das eigene Florenreich des mittleren
Nordamerika.
1. Gletscherwald- und Strauchregion von
Alaska mit arktischer Glacialflora (Südende an der Küste
etwa unter 60° N.). In Alaska ist eine dürftige Wald-
vegetation ausgebreitet; die Karte in den Geographischen
Mitteilungen 1886, Taf. 12, gibt davon eine übertriebene
Vorstellung. Die am Südrande der Halbinsel hinziehende
hohe Gebirgskette mit dem Mt. Elias bildet ein Gletscher-
massiv, in welches auch fast die ganze Küste begraben
ist, so dass nur spärliche Waldinseln neben den tosenden
Gletscherbächen auf Schlamm und Geröll sich halten;
ja neuere Forschungen von Elliott und Seton-Karr haben
sogar das Gedeihen von Nadel- und Laubhölzern in
grösserer Höhe auf den riesigen, mitten im Gletschereise
befindlichen und auf diesem ruhenden Moränen erwiesen.
Nördlich der Alaskaberge findet sich dann Wald am
Jukon ein; aber er meidet, wie in Kamtschatka an vielen
Stellen, die Küste selbst, welche zur Behringsmeerregion
der arktischen Flora gehört und schwindet bald nördlich
vom Polarkreise.
An dem gewaltigen Gebirgsbogen der Mt. St. Eliasalpen sind
nach Elliott die Terrassen mit Picea sitchensis bekleidet, welche
unter den nördlichsten Nadelbäumen die Behringsmeerländer aus-
[436]8. Britisch-Nordamerika.
zeichnet. An dem herrlichen Gebirgs- und Gletscherpanorama der
Prinz William-Bai bedeckt dichter Nadelwald die unvermittelt in
das Wasser abfallenden Gehänge noch bis circa 300 m Höhe, wäh-
rend die Gipfel sich bis 3000 m auftürmen. Die westliche Baum-
grenze zieht sich dann aber quer durch die Insel Kadiak, und
Weidengebüsche bilden die einzigen Holzbestände auf den Aleuten,
dazu die arktischen Ericaceen etc., welche naturgemäß überall
auch in Alaskas Waldflora eingreifen. Erhält die Halbinsel da-
durch ihren Charakter aufgeprägt, so noch mehr dadurch, dass
sich in ihr die Bäume und Stauden des Hudsonbaigebietes mit
denen des Beringsmeergebietes mischen; auch die von der atlan-
tischen Küste herkommenden nördlichsten Bäume Picea nigra (?)
und Betula papyracea bilden im Yukongebiet die Waldgrenze und
sind die wichtigsten Arten, neben ihnen noch Populus balsamifera
und tremuloides, welche letztere von hier aus südwärts bis zu den
Grassteppen geht, und ostwärts bis Neufundland.
2. Die kanadische Waldregion spannt sich in
grossem Bogen von der Alaskaregion und dem Hoch-
kamm der nördlichen Rocky Mts. durch das Mackenzie-
gebiet und, die Hudsonbai südlich umrandend, bis Labra-
dor und Neufundland, nur im Osten den 50.° N. südwärts
überschreitend; das südliche Kanada bleibt also von ihr
ausgeschlossen. Ueberall greift vom Norden her die
Tundra, an der Küste Labradors eine reiche, mit der
grönländischen innig verwandte arktische Flora in sie
ein, während von Alaska her andere arktische Arten die
nördlichen Felsengebirge besetzen. Eintönige Nadel-
wälder mit Laubbäumen von den eben angegebenen Arten
stehen in der Bodenbedeckung voran.
Picea alba, die White Spruce, erscheint wiederum als einer
der Hauptbäume, aber scheint sehr oft mit P. nigra verwechselt
zu sein; sie liebt trockene Waldungen und mischt sich mit Pappeln
und Birken. Nach Macoun ist es unrichtig, ihr die ganze Fichten-
nordgrenze von Ost nach West bis zum Jukon zuzuschreiben, da
sie vielleicht an den Rocky Mts. innehält. Picea nigra, die Black
Spruce, ist von Neufundland bis zum nördlichen Kolumbien und
bis zur Eismeerküste der die grössten Flächen (auf feuchterem
Boden) deckende Baum, unter 65° N. zusammen mit der Nachen-
birke Betula papyracea. Picea rubra soll eine dritte Art sein
(oder Varietät?). Eine Kiefer, Pinus Banksiana, ist durch ihre
grossen Bestände bis zur Mündung des Mackenzie ausgezeichnet,
die übrigen aber halten sich mehr südwärts. Rubus chamaemorus
ist eine der gewöhnlichsten Moorpflanzen.
3. Waldregion des nordamerikanischen
[437]Kanada. Seengebiet.
Seengebietes. Dieselbe wird im Norden durch die
kanadische Region (etwa bei 50° N.) begrenzt, geht an
der Küste von Neubraunschweig (nach Sargent schon vom
südlichen Neufundland) bis Philadelphia, bildet den nörd-
lichen Alleghanies entlang eine Aussackung von 40° N.
bis 37° N., und umspannt im Bogen die grossen Seen
bis zum Winnipeg im Nordwesten; doch zieht Sargent
die Eriesee-Umgebung schon zu den sommergrünen Mis-
sissippiwäldern. Sie bildet also die breitere nördliche
Häfte der auf der Florenkarte VII von Nordamerika nach
Tsuga canadensis, Ulmus americana und Juglans nigra
bezeichneten Waldregion; die beiden ersteren Bäume ge-
hören hauptsächlich in diese nunmehr eingeschränkte
Vegetationsregion, deren Merkzeichen aber Sargent vor-
züglich in die ausgedehnten Wälder von Pinus Strobus
legt; die Walnussbäume finden ihre Hauptentwickelung
in den Mississippiwäldern, doch kreuzen die nördlichen
wie südlichen Vegetationslinien aller dieser Bäume grosse
Strecken der Nachbarregion und bewirken, dass hier im
Seengebiet vielleicht die meisten Arten überhaupt zu-
sammen sich vorfinden.
Tsuga canadensis ist vorherrschend in Neuschottland und
Neubraunschweig, ferner in Quebec und Ontario; ihre Nordgrenze
kreuzt den St. Lorenz etwas unterhalb Quebec und läuft durch
das Nordende des Temiscamangsees, geht über den Ottowa-R. und
vom Ostende des Lake Superior nach Agawa südlich vom Michi-
picoten-Fluss (R. Bell). Aehnlich erscheint die Verbreitung der „White
Elm“ oder amerikanischen Ulme, die aber mehr landeinwärts, west-
lich von Toronto und in den ganzen Distrikten am Erie- und Hu-
ronensee eine ausserordentliche Entwickelung erreicht, die grösste
Höhe und Stammfülle von allen kanadischen Bäumen ausser der
Strobus annehmend. Am Saskatchawan geht sie bis Cumberland-
house unter 54 ½° N. (Macoun). Sie bildet also einen inneren
Gürtel in dieser Seen-Waldregion, und als borealen Typus würde
ich diese Distrikte, in denen sie herrscht, lieber zu dieser als zu der
Mississippiregion (Nr. 10) rechnen. Zwei Eschen und die Tilia ameri-
cana sind 2 andere wichtige Charakterlaubhölzer dieser Region,
von welcher der im Vergleich mit Europa ausserordentlich bunt
zusammengesetzte Waldreichtum bekannt ist (vergl. z. B. Asa Gray,
im G. J., XI, 131—133; die Liste der wichtigsten Arten, allerdings
auch mit Einschluss der westlichen Repräsentativformen, ist kurz
nach Macoun zusammengestellt im G. J., XI, 130 und XIII, 335).
Es kommen ungefähr 5 Pinus, 4 Picea und Abies, 1 Larix, Thuja
[438]8. Britisch-Nordamerika.
occidentalis, 1 hoher Juniperus und 2 kleine, 1 Taxus an Coniferen,
8 Quercus (alba und macrocarpa, bicolor, rubra u. a.), 1 Castanea
(noch häufig bei Toronto), 6 Betula, 2 Alnus, Fagus ferruginea,
2 Corylus, Ostrya virginica und Carpinus caroliniana, 2 Corylus,
14 Salix und 5 Populus von borealen Formen zusammen, zu denen
sich auch noch, wenn auch nur mit ihren nördlichsten Arealaus-
läufern, 2 Juglans, 4 Carya und die amerikanische Platane (P.
occidentalis) gesellen: letztere scheint nach Macoun ihre östliche
Grenze in Kanada im Thal des Don bei Toronto zu haben, ist
aber noch häufig und ein ansehnlicher Waldbaum im westlichen
Ontario.
Auch hier gehen also die arktotertiären Sippen im Innern
des Kontinents höher nach Norden.
4. Columbische Küstenwaldregion. Schon
oben wurden die Vegetationslinien dreier Bäume als cha-
rakteristisch in diesem Bezirk genannt. später die wichtige
Nordgrenze der Castanopsis chrysophylla hinzugefügt. Nur
die letztere ist eigentlich entscheidend für die Grenze
zweier Regionen, indem sie die Nordgrenze der kaliforni-
schen Küstenregion bildet. Die wichtige Pseudotsuga
Douglasii, die „Douglasfichte“ oder Douglasia der Forst-
leute, zieht sich auch in das Innere hinein und verbindet
den südlichen Teil der vierten mit dem nördlichen der
neunten Region. Mag es daher rühren, dass Sargent in
seiner oft genannten Waldformationseinteilung nunmehr
diesen ganzen Küstenstrich von 59° N. bis 35° N. einheit-
lich zusammengefasst hat, unnatürlich ist es jedenfalls
für eine die Gesamtflora berücksichtigende Regionsein-
teilung.
Den äussersten Norden dieser interessanten, von den atlanti-
schen Strichen durchaus verschiedenen Region kennen wir aus
Krauses Untersuchungen über das Chilcatgebiet (59° N.). Hier
herrschen noch strenge Winter, am 23. Januar 1882 wurden
— 23°C. beobachtet; doch schmilzt der Schnee im April, brechen
die Weidenkätzchen Mitte April durch, und die gigantischen Ara-
liaceen, Devils walking sticks genannt, sind auch hier zu Hause.
Die Coniferen beschränken sich hier auf Thuja excelsa = Chamae-
cyparis nutkaënsis, Thuja gigantea und Picea sitchensis, da die
pacifische „Hemlocktanne“ Tsuga Mertensiana bei 54 ½° N. ihre
Nordgrenze findet, ungefähr ebendort auch die Douglasia. Doch
sei erwähnt, dass von letzterer nach neueren Erkundigungen zwei
verschiedene Arten, eine härtere und eine zartere, mit einander
ähnlichem Aussehen zu existieren scheinen. — Von der Sitcha- und
Vancouverinsel sind wir gut unterrichtet; von ersterer lieferte
[439]Columbien. Nördliche Felsengebirge.
Kittlitz in seinem unter Kamtschatka genannten Reisewerke schöne
Vegetationsansichten und hebt hervor, wie nur nach Westen hin
die üppige, hoch hinauf die Berghänge bekleidende Vegetation sich
erstreckt, aber schon der Gebirgskamm der Insel ausreicht, um nach
Osten einen ärmlichen Waldwuchs zu erzeugen, der des üppigen
Untergebüsches von Rubus, Heracleum, Fatsia entbehrt und Moos-
decken über dem Felsgrunde anhäuft. Auf der Vancouverinsel
findet sich die auf Queen Charlotte-Insel noch fehlende Douglasia
ein, dazu Quercus Garryana, Acer macrophyllum und circinnatum
als seltenere Laubbäume; auf beiden Inseln gleich wichtig ist die
Tsuga Mertensiana, Thuja gigantea, Picea sitchensis, Pinus con-
torta (welche letztere aber in den nördlichen Felsengebirgen ihre
höchste Bedeutung erlangt). — Die Cascadenkette zeigt das süd-
lichste Ende dieser Region und führt schon Castanopsis chryso-
phylla; nach Newberry (G. J., XI, 134) sind hier noch die Dou-
glasias an den Westgehängen die höchsten Bäume zusammen mit
Picea sitchensis, Tsuga mertensiana und Ts. Pattoniana, dazu
kommen herrliche Silbertannen: Abies grandis, nobilis, amabilis;
aber die Ostgehänge und die Bergspitzen sind von Kiefern: Pinus
ponderosa, Lambertiana (die gigantischte), monticola, contorta
und albicaulis mit Juniperus occidentalis eingenommen, welche
die folgende Region im Bergwald auszeichnen.
5. Die Wald- und Hochgebirgsregion der
nördlichen Rocky Mountains setzt sich in ihren
Baumbeständen hauptsächlich aus Arten zusammen, welche
auch im Nordteil der pacifischen Küste vorkommen; doch
ist dies nur auf einen gegenseitigen Austausch zurück-
zuführen, da viele westliche Arten nicht mehr das Cas-
cadengebirge überschreiten, andererseits erst im Osten
desselben eine deutliche Herrschaft der Rocky Mts.-Arten
beginnt, unter denen die gelbe Kiefer, Pinus ponderosa,
obenansteht. Südlich vom 43.° N. ändert sich jener
Küstenwaldcharakter, indem nun die Zuckerkiefer, Pinus
Lambertiana, und die Lauracee Umbellularia mit Casta-
nopsis als kalifornische Bestandteile auftreten, die den
Felsengebirgen durchaus fremd bleiben; diesen eigentüm-
lich ist eine Rosacee: Cercocarpus ledifolius, als „Berg-
mahagoni“ mit sehr schwerem Holze bekannt.
Coulters Flora der Rocky Mts.-Region zählt als wichtigere Bäume
von Coniferen: Juniperus virginiana und occidentalis, Abies con-
color und subalpina, Pseudotsuga Douglasii (weniger bedeutend
als im Westen), Picea Engelmanni und pungens, Pinus ponderosa,
contorta, flexilis, edulis und Balfouriana, keine Tsuga, keine
Larix; von Cupuliferen: Betula occidentalis, Alnus incana; nur
[440]9. Vereinsstaaten und nördliches Mexiko.
2 Eichen, die Quercus macrocarpa und die ausserordentlich variable
Qu. undulata; Populus tremuloides, angulata, balsamifera, angusti-
folia, mehrere Weiden; Acer grandidentatum und Negundo, Ulmus
americana vom Osten, Celtis occidentalis, Fraxinus pubescens und
viridis. — Eine Ergänzung bietet die Liste von Hooker und Gray
(siehe G. J., IX, 186 unter Waldregion), wo die in dem kanadi-
schen Anteil der Felsengebirge vorkommende Larix occidentalis
mit erwähnt ist. Diese Lärche stellt den grössten und wertvollsten
Baum des Columbiabeckens vor, neben ihr Pinus ponderosa.
So bestehen die Wälder um Helena in Montana
hauptsächlich aus Pappeln mit Weiden und der Buffalo-
berry (Shepherdia argentea), einem glänzenden Eläagna-
ceenstrauch, an den Flüssen; der Fuss der Hügel ist
von Pinus ponderosa bedeckt, Espen (P. tremuloides) mit
Fichten und einzelnen Tannen ersteigen die Bergseiten,
Pinus contorta und flexilis die Bergeshöhen; bis über
4000 m erhebt sich die Baumlinie in Colorado. Auf
diesen Höhen bilden Krummholzformen derselben Nadel-
hölzer, welche unten hochstämmig wachsen, einen Strauch-
gürtel (G. J., IX, 187); dann folgen die reichen alpinen
Formationen, zu denen Gray und Hooker 184 Arten
rechnen mit 86 deutlichen Endemismen, darunter Cha-
raktergattungen Nordamerikas wie Eriogonum.
Vergl. die wichtigen Listen in Botan. Jahrb. Syst. II, 258 bis
265, aus denen im G. J., IX, 185—186 ein kurzer Auszug mitge-
teilt ist.
6. Nördliche Waldprairienregion. Dieselbe
bildet den nördlichen Winkel der grossen Grassteppen,
welche sich zwischen dem Seengebiet und den Felsen-
gebirgen ausbreiten, im nördlichen Manitoba, Assiniboine,
Saskatchawan und Athabaska. Ein Baum des Ostens
nach dem anderen findet hier seine Westgrenze, und die
Flora mischt sich also hier etwa so wie zwischen Altai
und Süd-Ural; die pacifischen Arten aber fehlen gänzlich.
Nach Macoun fällt schon am Assiniboine-River, weit mehr
am Saskatchawan, die geringe Zahl der Bäume auf; nur gelegent-
lich sieht man Eichen oder Eschen, am häufigsten Pappeln, Ulmen
und Weiden. Ulmus americana folgt dem Assiniboine westwärts
bis zu seiner Quelle, geht zum Red Deerfluss und -See und endet
dort unter 53° N., am Saskatchawan unter 54½°. Betula pa-
pyracea und Pinus Murrayana sind Nutzbäume (letztere wohl zu
unterscheiden von P. contorta an der Westküste Columbiens), die
[441]Prairien von Saskatchawan bis Missouri.
Kiefer steigt von der Ostflanke des Felsengebirges zwischen
Athabaska-River und kleinem Sklavensee herab, herrscht aber viel
unumschränkter im inneren Plateau von Britisch-Columbien, wo
sie grosse Flächen gesellig dicht bedeckt; ihre Nordgrenze soll
erst am Yukon bei Fort Selkirk unter 62° N. liegen. — Undurch-
dringliche Dickichte werden von Rosa blanda und Viburnum Len-
tago gebildet, Hopfen und Ampelopsis quinquefolia mit Vitis
riparia bilden lianenartige Festons.
7. Die Missouriprairienregion bringt das unter
6. schwächer angedeutete Bild zur vollen Entwickelung;
es ist eine Grassteppenlandschaft mit excessivem Klima,
nach Mayr hat jeder Winter Temperaturen von — 25°C.,
solche mit — 40°C. sind nicht selten. Die Nieder-
schläge sind nicht hoch, wie schon erwähnt, reichen aber
zur Getreidekultur in weiten Flächen aus, ebenso wie die
Fruchtbarkeit des Bodens. Erst westlich der Rocky Mts.
wird die Trockenheit grösser, die Steppe trauriger, das
Gras durch Salsolaceen und Artemisien ersetzt. Daher
ist die letztere Region von dieser auch floristisch gut ge-
schieden; nach Osten gehen die Prairien allmählich unter
Zunahme der Waldbedeckung in die Mississippi- oder
südlichen Seenbezirkswälder über, nach Süden in die
texanischen, mit subtropischen Elementen reich versehenen
Chaparal-Landschaften; die Südgrenze scheint etwa unter
35° N. zu liegen, also das Ufer des Arkansas nicht mehr
wesentlich zu überschreiten. Das Ansteigen der Prairien-
flächen von Osten nach Westen, von rund 400 m bis zu
rund 1000 m am Gehänge der Felsengebirge, ist gleich-
falls von grosser floristischer Bedeutung: am Bergrande
trifft man dann sofort wieder auf Baumwuchs, verkrüp-
pelte Kiefern, montane Sträucher und Stauden vom Cha-
rakter der fünften Region, in den breiten Thälern aber
wiederum Prairie oder Steppe.
Die gewöhnlichsten Prairiengräser sind Bouteloua oligostachya
und Buchloë dactyloides, welche an den guten Weidestellen 75 bis
90 % der Grasnarbe ausmachen sollen. Beide sind durchaus nicht
immer vereint. Nach einem Berichte von Prof. Scriber über die
Gräser in Montana ist die Bouteloua, welche dort Büffelgras ge-
nannt wird, gesellig auf Abhängen zwischen 900 und 1400 m und als
eines der wertvollsten Weidegräser zu betrachten, während Buchloë
dort fehlt. Der Hauptbezirk der ersteren Art (richtig Mesquite-
Gras zu nennen) geht von Montana und Dakota nach Texas; die
[442]9. Vereinsstaaten und nördliches Mexiko.
Halme von 1—1½ Fuss Höhe sind zart beblättert und tragen eine
Aehre, welche etwa an das Aussehen des deutschen Cynosurus-
grases erinnert. Die Buchloë dagegen trägt mehr den Charakter
eines sehr dürftigen Anthoxanthum, es ist überhaupt niedrig ge-
wachsen, hat Ausläufer, kann aber selbst im Winter in den süd-
licheren Prairien frisch auf Hügeln vegetierend getroffen und als
Weide benutzt werden, und hat die weiteste Verbreitung von
allen; ihr Name ist Buffalo grass. Vasey nimmt an, dass die Ein-
führung anderer Futtergräser den Weidewert der Prairie steigern
werde, weil die von Natur hier geselligen ein steppenartig-lockeres
Wachstum besitzen. Andere Charakterarten sind Agropyrum glaucum,
Andropogon virginicus, macrurus, Eriocoma cuspidata, Stipa viri-
dula, setigera u. a. A. — Im Osten sind die Bauminseln (Region 10!)
häufig; wie sie westwärts rasch abnehmen und die Baumlosigkeit
etwa mit dem 96—98.° westlicher Länge vollendet ist, wird die
Prairie blumenreicher: „Durch ununterbrochenen Blütenwechsel
ersetzen sie sich den Frühling und den ganzen Sommer hindurch.
Im April erscheinen einzelne Frühjahrspflanzen; im Mai und Juni
steht auf unermessliche Weiten die ganze Wellenfläche in Blüte,
z. B. von Amorpha canescens, Batschia, Castilleja, Pentstemon,
Cypripedium candidum etc.; dann folgen höhere Stauden, Petalo-
stemon, Baptisia, Phlox aristata, Asclepias tuberosa, Lilium cana-
dense, Melanthium virginicum; und zuletzt im späteren Sommer
fast ausschliesslich Compositen, hohe Heliantheen bis zum niedrigen
Aster sericeus.“ (Geyer in Griseb. Ber. 1845.)
8. Steppen- und Salzwüstenregion der Rocky
Mountains. Zwischen dem hohen Kamme der Felsen-
gebirge in Montana, Wyoming, Colorado und dem Hoch-
kamme des Kaskadengebirges und der Sierra Nevada in
Washington, Oregon und Kalifornien, breitet sich diese
öde Vegetationsregion, welche den Grossen Salzsee von
Utah als ungefähren Mittelpunkt hat, zugleich um die
Wahsatchgebirgskette südlich herumgreifend und deren
Thäler durchziehend, aus, durchfurcht von lauter kurzen,
nordsüdlich ziehenden Sierras, welche sich über die Hoch-
fläche 300—2000 m hoch erheben; die innere Senkung
der Hochfläche selbst liegt noch fast 1200 m hoch über
dem Meere. — Man hat diese Region wohl zusammen
mit der Arizonaregion als „nordamerikanische Wüste“
bezeichnet; aber ein eigentlicher Wüstencharakter ist nicht
weit ausgebreitet, und ihr durch das Coloradoplateau ab-
geschnittener Südteil, den Unterlauf des Colorado zwischen
dem südöstlichen Kalifornien und Arizona bis Neumexiko
[443]Steppen der Felsengebirge. Kalifornien.
umfassend, hat einen von dem Nordteil weit verschiedenen
Vegetationscharakter.
Einige Hauptcharakterarten sind oben (S. 144—145) genannt.
Sie zeigen den Typus der Landschaft in salzliebenden oder trocken-
heissen Wollkräutern, welche allenthalben zerstreut oder dichter
angehäuft sich vorfinden, und mit Ausnahme der nicht weit aus-
gedehnten Salzstrecken ist thatsächlich sogar in der trockensten
Jahreszeit das Gelände nicht vegetationslos. Selbst auf schwerem
Salzboden bilden Sarcobatus oder Halostachys noch einzelnstehende
Haufen; wo der Boden besser wird, gesellen sich Salicornia her-
bacea, Suaeda-Arten, Kochia prostrata, Eurotia lanata, Grayia
polygaloides, Schoberia occidentalis, Atriplex-Arten etc. dazu, lauter
Salsolaceen, welche hier ein besonderes Entwickelungsgebiet haben.
Von Gräsern ist Distichlis maritima häufig, Spartina gracilis und
Sporobolus asperifolius; Astragalus-Arten sind hier in amerikanisch-
endemischen Gruppen. Die Bäume beschränken sich auf Weiden
an den Flüssen, und Populus monilifera, trichocarpa bilden zu-
weilen beträchtliche Bestände im Humboldt-River-Thal. Von den
Büschen und Gestrüppen herrscht neben dem Ererlasting sage-brush
(Artemisia tridentata) noch die ähnliche, aber kleinere Art A. tri-
fida, erstere 1—12, die letztere 1—2 Fuss an Höhe erreichend; die
Zahl der hier vereinigten Artemisien beträgt überhaupt 23 Arten.
Dazu der Broom-sage (Bigelovia graveolens), und Tetradymia ca-
nescens. Ueber 300 Arten bilden die Desertflora dieser Region,
und ⅓ davon gilt als endemisch.
9. Kalifornische Niederungs-, Bergwald-
und Hochgebirgsregion. In südlicher Verlängerung
der columbischen Küstenwälder beherrscht diese in sich
selbst reich gegliederte Vegetationsregion das pacifische
Gehänge der südlichen Kaskadenkette und der Sierra
Nevada, ausgezeichnet durch grossen Pflanzenreichtum
und vielfältigen Endemismus der Arten sowie Gattungen.
Wiederholen wir in Kürze Sargents Charakterisierung:
„Südlich vom 43.° N. ändert der Küstenwald seinen Cha-
rakter. Picea sitchensis, Tsuga Mertensiana und Thuja
gigantea werden allmählich durch südlichere Arten er-
setzt. Die Zuckerkiefer, Pinus Lambertiana, erscheint
hier zum erstenmale; der Lorbeerbaum, Umbellularia cali-
fornica, bedeckt die breiten Flussthäler mit seinem präch-
tigen Wuchs. Libocedrus, verschiedene Eichen und Ca-
stanopsis chrysophylla erreichen hier ihre Nordgrenze. Den
Uebergang kennzeichnet Chamaecyparis Lawsoniana.“
Auch an Graslandschaften fehlt es nicht: zwischen der
[444]9. Vereinsstaaten und nördliches Mexiko.
Sierra Nevada und der Coast Range zieht sich eine milde,
subtropische Prairie, eine vollkommene Grasformation im
Anschluss an Strauchsteppen, in der stellenweise die 10
bis 20 m hoch wachsende Cupressus macrocarpa ihre
bizarren, eichen- oder cederähnlich verzweigten Stämme
erhebt, eine höchst fruchtbare Landschaft; diese Cypresse
erreicht Nordkalifornien nicht.
Hinsichtlich der grossen Zahl kalifornischer Charakter-Holz-
pflanzen sei auf G. J., IX, 184 verwiesen. Die berühmtesten Bäume
der Sierra Nevada sind die Mammutbäume, Sequoia (Wellingtonia)
gigantea, und ihr mit einem grösseren Areal versehener einziger
Gattungsgenosse S. sempervirens. Redwood ist der Forstname der
letzteren, deren gigantischer Stamm 200—300 engl. Fuss hoch wird,
während die Mammutbäume bis 325 Fuss erreichen. — Die Hoch-
gebirgsregion ist reich an endemischen alpinen Elementen, zu der
noch arktische Inquilinen kommen, z. B. Saxifraga nivalis, caespi-
tosa, oppositifolia; Cymopterus-Arten, Eriogonum, Ivesia bilden
charakteristische Endemismen.
10. Sommergrüne Laubwaldregion des Mis-
sissippibeckens. Dieselbe vermittelt den Uebergang
zwischen den boreal-charakterisierten Waldungen des at-
lantischen Seengebietes und den immergrünen Wald- und
Strauchformationen der atlantischen Südstaaten, ist im
Sinne Sargents, wie oben erwähnt abgegrenzt, und breitet
sich demgemäß an der Ost-, Süd- und Westseite der
Alleghanies, im Ohio- und Mississippistromgebiet zwischen
ca. 42° N. und den nördlichen Vegetationsgrenzen von
Quercus virens und Olea americana im Süden aus.
Die Coniferen fehlen zwar durchaus nicht, sind im Gegenteil
wie überall in nordamerikanischen Waldungen artenreich vertreten;
doch liegt der Hauptcharakter in breitblätterigen Laubbäumen,
deren nördliche Vegetationsgrenzen grossenteils noch in die Seen-
region fallen. Juglans und Carya, die Hickorybäume, spielen dabei
eine Hauptrolle, von ersterer Gattung die beiden weitverbreiteten
J. nigra und cinerea, von letzterer 7 Arten, hauptsächlich C. alba,
tomentosa, amara und glabra. Die Zahl der Eichen erreicht circa
18 Arten: Qu. nigra, rubra, palustris, macrocarpa, alba, Prinus etc.
(Die immergrünen Qu. virens und cinerea dringen als verkümmerte
Strauchformen in den Südteil der Region ein.) Das Quercitronholz,
Maclura aurantiaca, ist hier einheimisch. Magnolia acuminata und
einige andere Arten verleihen nebst Liriodendron tulipifera dem
Walde ein neues Ansehen.
11. Die immergrüne Vegetationsregion der
[445]Mississippi-Wälder. Südstaaten.
südatlantischen Staaten nimmt den Südosten ein,
schliesst aber das äusserste südliche Drittel von Florida,
in welchem ein starkes Beigemisch von antillanischen
Arten einen tropischen Charakterzug bedingt, aus. Im-
mergrüne Ericaceen verbinden diese Region schon mit den
Mississippiwaldungen, Andromedeen und Rhododendren
(Rh. maximum); als hauptsächliche Charakterbäume seien
Quercus virens, Sabal Palmetto und Pinus australis wie-
derholt.
Hier kommt von Magnoliaceen noch die Gattung Illicium
hinzu, Magnolia ist in 7 Spezies vertreten, Liriodendron ebenfalls
noch da. Die Anonaceen sind durch Asimina vertreten. Die Gat-
tung Clethra tritt mit einer Art nordwärts über; von anderen Eri-
caceen sind 4 Gaylussacia-Arten vorhanden, Vaccinium arboreum
bildet 3—5 m hohe Bäumchen, neben Leucothoë und Andromeda
der „Sorrel-Tree“ Oxydendrum arboreum. Die Styraceen erinnern
mit anderen an Ostasien. Im tropischen Süden von Florida sind
bemerkenswerte Vertreter der antillanischen Flora Canella flava,
eine Angehörige der Clusiaceen, Simaruba glauca, Bursera gum-
mifera.
12. Steppen- und Wüstenregion von Arizona;
13. Chaparal-Vegetationsregion von Texas
und Nordmexiko. Es ist zweckmäßig, diese beiden
Regionen als einander entsprechend, und durch gewisse
gemeinsame Züge den nördlich angrenzenden Prairien so-
wie den Rocky Mts.-Steppen gegenübergestellt anzusehen.
Subtropische Steppenpflanzen, Succulenten amerikanischen
Charakters, Dasylirion, Agave, Yucca, zeichnen sie aus,
Leguminosensträucher wie der Mezquite (Prosopis juliflora
= P. [Algarobia] glandulosa, siehe S. 283—284) sind beiden
gemeinsam. Während aber Texas mehr Graslandschaft
mit dornigen Gesträuchen, die sogenannten „Chaparals“,
aufweist, besitzt Arizona und Neumexiko mehr Steppen-
physiognomie, welche im südöstlichen Kalifornien zur
Mohave- und Gilawüste von trauriger Einöde ausge-
prägt ist.
Charakteristisch für die letztere ist besonders der übelriechende
Kreosotstrauch: Larrea mexicana, eine ein rötlich-braunes Harz
aussondernde Zygophyllee. Cereus giganteus, 6—15 m hoch, un-
verzweigt oder meistens 2—9 senkrecht aufsteigende dicke Aeste
aussendend und an deren Spitze blühend sowie essbare Früchte
reifend, ein halbes Jahrhundert an Alter erreichend, ist einer der
[446]9. Nordmexikanische Gebirge.
wichtigsten Landschaftsbestandteile, vereint mit Fouquieria, Agave
Palmeri und Parryi, Canotia, Acacia, Mimosa, Astragalus, Galea
von Leguminosen, Baccharis-Arten und Pluchea borealis von
strauchigen Compositen. Yucca brevifolia wird 5—10 m hoch und
bildet zerstreute Wäldchen von höchst merkwürdigem Ansehen;
aus ihren harten Büschelblättern hat man Papier hergestellt.
Die texanischen Chaparals haben entsprechende Arten, aber
die Gebüsche sind mannigfaltiger und weniger dornstrauchführend;
Juglans nana, Morus parvifolia, Aesculus discolor, Prunus rivularis,
Cercis occidentalis seien als Beispiele dafür genannt. Die Cactus
sind zumal in büschligen Opuntien sowie Echinocacten, Mamilla-
rien, vertreten. Im östlichen Texas stehen alte Bäume des atlan-
tischen Charakters mitten in der Prairie; Yucca canaliculata ist
hier eine hochwüchsige, die Gegend schmückende Art.
14. Die nordmexikanische Bergwald- und
Hochgebirgsregion hat boreal-subtropischen Charakter
in leitenden Formationen immergrüner Eichen auf den
Berggehängen, Cypressen in den Thalläufen, in grösseren
Höhen (ca. 1800 m und mehr) Kiefern an Stelle der nur
in untergeordnetem Verhältnis beigemischten sommer-
grünen Laubhölzer. Dieselbe Bergregion umkleidet von
der Sierra Madre an die Berge in Chihuahua und Du-
rango, scheint dann ihren Charakter in den südlich vom
Wendekreise liegenden Provinzen Mexikos zu wechseln,
ohne dass dort Eichen (Quercus crassifolia und reticulata),
Tannen (Abies religiosa) und Kiefern (Pinus Montezumae)
etwa unter den Leitpflanzen fehlten; aber tropische Sippen
treten hier zu diesen hinzu.
Unter den Eichen dieser Region, welche nach Mayr wohl alle
immergrün sind, ragt die „mexikanische Schwarzeiche“ Quercus
Emoryi besonders hervor, sowohl durch Häufigkeit als Weite der
Verbreitung von Neumexiko bis zu den centralmexikanischen Pro-
vinzen. Weniger wichtig ist die „Weisseiche“ Qu. grisea, am
höchsten steigt Qu. hypoleuca mit zweijähriger Samenreife. Die
Coniferen haben in Cupressus Guadelupensis und Juniperus pa-
chyphloea in den unteren Lagen, in Kiefern: besonders Pinus
Chihuahuana, in grösseren Höhen ihre hauptsächlichsten Vertreter.
„Auf dem Unionsgebiete ziemlich selten, ist diese Kiefer die wich-
tigste Nutzholzlieferantin der anstossenden mexikanischen Pro-
vinzen; sie findet sich dort erst in höheren Regionen, bildet lichte,
mit Gras und Buschwerk durchstellte Bestände, oder mischt sich,
wie auf den Santa Rita-Bergen zwischen 1500—2000 m, den sommer-
grünen Laubhölzern Juglans rupestris, Fraxinus pistaciaefolia, Pla-
tanus Wrightii und Populus Fremontii in den Thalsohlen bei“
(Mayr).
[447]Uebersicht der tropischen und australen Florenreiche.
Kapitel III.
Die tropischen und australen Florenreiche.
Allgemeine Uebersicht. Der grösste Teil der
hier zu einheitlicher Besprechung vereinigten Ländermassen
füllt die beiden heissen, auf unserer Karte rot angelegten
Gürtel der Erde. Wie man sieht, sind nicht überall an
den durch unsere Vegetationsregionen gekennzeichneten
Grenzen der borealen Gebiete gegen die nördlichen Tropen
auch gleichzeitig starke klimatische Grenzen: in Nord-
afrika und Arabien, in China und rings um den mexi-
kanischen Meerbusen greifen die Klimagürtel hinüber und
herüber in das Reich der südlichen borealen und der
nördlichen Tropen-Vegetationsregionen. Die innere Be-
gründung dieser in der Natur vollzogenen Grenzbildung
zu erkennen ist schwierig; wahrscheinlich gibt hier die
Zusammenwirkung der Wärme mit der periodischen Luft-
und Bodenfeuchtigkeit den Ausschlag, wenn nicht oft in
dem Widerstande der altangesessenen Formationen gegen-
über fremden Eindringlingen (welche letzteren die nörd-
lichen Sippen darstellen würden) der kleinste Umstand
ausschlaggebend sein kann. Wenn dann mit dem 30.° S.
und auf den Gebirgen noch viel früher die gemäßigten
Klimagürtel wieder beginnen, so erzeugen sie andere Bilder
als im Norden, Bilder, welche viel mehr mit den tropi-
schen Sippen als den in ähnlichem Klima wachsenden
borealen in Zusammenhang stehen. Besonders aber fehlen
die grossen Ländermassen mit kalt-gemäßigtem oder
winterkaltem Klima, welche die entscheidende Rolle für
die Florenentwickelung des Nordens gespielt haben; wo
ihre Anklänge auftreten, in Südamerika, in Tasmanien
und dem kühleren Neuseeland, auf den antarktischen
Inseln, da liegen sie in weit zerstreuten kleinen Gebirgs-
gruppen oder isolierten Kontinentalausläufern und Inseln,
deren geographische Lage mehr einer eigenen Floren-
entwickelung als der spezifischen Ausbildung eines ge-
gebenen grossen, allgemein herrschenden Florenelements
[448]Uebersicht der tropischen und australen Florenreiche.
günstig war. So sind die Gemeinsamkeiten in dem au-
stralen Typus auch viel schwächer als in dem borealen,
der boreale Typus selbst vom australen stark verschieden,
so dass die Eigenheiten jedes Kontinents auch trotz seiner
verschiedenen Klimazonen stärker zu Tage treten als im
Norden, wie die Karte I (S. 150) zeigt. Die gemein-
samen borealen Sippen, die wir in den vorher bespro-
chenen Vegetationsregionen immerfort wieder in neuer
Ausprägung antrafen, noch in der mexikanischen Wald-
region in besonderen Arten von Quercus, Abies, Pinus,
Platanus, Fraxinus: diese alle haben in ihrer Allgemein-
heit nichts Aehnliches in den tropisch-australen Floren,
wo mehr die Ordnungen als die Gattungen einander ver-
treten. Man vergleicht wohl mit Recht die Araucarien
den borealen Tannen; aber ihr Gebiet ist doch nur auf
drei von acht tropisch-australen Florenreichen beschränkt
und sie fehlen gänzlich in Afrika. Solcher Beispiele lassen
sich viele anführen und sind im vierten Abschnitt be-
sprochen.
Diese Thatsachen der Arealabgrenzungen, welche
dem Charakter der Vegetationsformationen zu Grunde
liegen müssen, veranlassen aus Zweckmäßigkeitsrück-
sichten eine Vereinigung der tropischen und australen
Floren zu einem Gesamtbilde, in welchem die drei Haupt-
kontinentalmassen in den Vordergrund treten; auch sind
in einer jeden derselben die Grenzen des australen Floren-
elements gegenüber dem angrenzenden tropischen Gebiete
schwieriger zu ziehen, da der Maßstab rings die Erde um-
kreisender, gemeinsam-australer Gattungen fehlt.
Zwei nordtropische Xerophytenfloren. Wenn
wiederholt der grosse Gegensatz zwischen den boreal-
subtropischen Florenreichen und denen der australen
Kontinentalspitzen südlich der reichen Tropenfloren in
Hinsicht auf den systematischen Charakter hervorgehoben
ist, welcher im Süden mehr isolierte Gattungen, ja sogar
Ordnungen, hervorruft als in den borealen Subtropen, so
ist doch dabei nicht zu übersehen, dass an zwei Central-
punkten eigenartiger Florenentwickelung auch hier ähn-
[449]Nordtropische Xerophytenfloren.
liche Verhältnisse herrschen wie im Süden. Diese beiden
Entwickelungsgebiete umfassen die auf unserer Haupt-
karte durch rote Sterne hervorgehobenen (siehe S. 81)
Xerophytenfloren einerseits in Ostafrika, im Somalilande
und Südarabien mit weiter Ausdehnung dieses Charakters
einerseits durch die Sahara und andererseits durch die
indische Wüste nach Dekhan, andererseits im mexikani-
schen Steppengebiet unter dem Wendekreise mit Aus-
dehnung seiner systematischen Eigenheiten nordwärts
durch Arizona bis in die mittleren Unions-Steppenwüsten
und südwärts über die Cordilleren bis zum Anschluss an
das hochandine Gebiet in der Puna-Vegetationsregion
(siehe Kap. 20). Diese Xerophyten-Entwickelungsreiche
mit tropischen Florenelementen sowohl von den nördlichen
als den südlich angrenzenden Waldgebieten zu sondern,
liegt ganz im Sinne der rationellen Pflanzengeographie.
Denn sowohl die herrschenden Ordnungen als die For-
mationen sind nicht die als tropisch im eigentlichen Sinne
bezeichneten; sie sind aber erst recht nicht boreal-sub-
tropisch in dem Sinne, wie wir ihn bei den arktotertiären
Elementen kennen lernten. Auch sind die beiden be-
zeichneten Gebiete in ihren Sippen voneinander gerade
so weit verschieden, als etwa die Flora Chiles von der
Australiens oder Südafrikas, und dass sie bisher in der
Florenreichseinteilung nicht stärker herausgehoben sind,
liegt hauptsächlich in der praktischen Schwierigkeit der
Begrenzung und in ihrer tropischen Verwandtschaft. Denn
sie sind umringt von den Elementen des mediterran-
orientalen, bezw. des mittel-nordamerikanischen Floren-
reichs im Norden und von den betreffenden Tropenfloren
im Süden und stehen mit beiden in inniger Verbindung.
So sind sie denn als besondere Florengebiete und Vege-
tationsregionen einstweilen an die Tropenfloren ange-
schlossen, wodurch in der freien hier gewählten Form
der Anordnung zunächst der Sache genügt ist.
Drei südtropische Xerophytenfloren. Aehnlich
schwierige Grenzgebiete, wie diese, bilden die nieder-
Drude, Pflanzengeographie. 29
[450]Uebersicht der tropischen und australen Florenreiche.
schlagsärmeren Landschaften südlich vom Aequator, in
denen eine ganz neue Xerophytenvegetation sich ansässig
gemacht hat. Nicht wenige tropische Ordnungen nehmen
teil an derselben, z. B. in Südamerika die Bromeliaceen.
Aber die Mehrzahl der tropischen Charakterordnungen
versagt, z. B. die Palmen, Pandaneen, Musaceen, Araceen,
Clusiaceen etc. Indem auf diese und auf das Charak-
teristische der von ihnen herrührenden Formationen ein
entscheidendes Gewicht gelegt wird, finden wir die
Grenzen der australen Floren an allen Westküsten der
Kontinente verhältnismäßig weit nach Norden hinauf-
gerückt. Welche Formationen und welche Ordnungen
mit den zugehörigen biologischen Formen für die Tropen
als maßgebend anzusehen sind, geht aus den Kapiteln
über Waldformationen mit Lianen, Epiphyten, immer-
grünen Laubbäumen, Savanen etc. im fünften Abschnitt
hervor.
Leider fehlt noch eine genauere Kenntnis der geo-
logischen Entwickelung für die tropischen und australen
Floren in den grossen Zügen, wie sie sich aus dem Ver-
gleich der Tertiärflora vom höchsten Norden bis zu den
nördlichen Subtropen überall ergeben und charaktervoll
entwickelt hat. Tropische Tertiärfloren zeigen vielfach,
z. B. auf den Sundainseln und in Westindien (G. J.,
IX. 145, X. 148) grosse Aehnlichkeiten mit der dort jetzt
bestehenden Vegetation und haben dadurch einen all-
gemeinen Eindruck grösserer Stabilität hervorgerufen. In
Australien und Neuseeland sind bisher die eingehendsten
Tertiärflora-Studien vorgenommen, aber doch noch nicht
genügend an Umfang wie an Vertiefung (vergl. G. J.,
X. 146—147 und XIII. 308). Inwieweit Ettingshausen
recht hat mit seinen Resultaten, dass im dortigen Tertiär
zahlreiche boreale Sippen existiert hätten, von denen die
jetzigen antarktischen Buchen ein schwaches Ueberbleibsel
wären, muss bei der Unzuverlässigkeit der meisten Be-
stimmungen nach Blattabdrücken noch dahingestellt bleiben,
weil ja die viel sichereren, auf die Fauna gestützten Rück-
schlüsse sich damit nicht decken. Es ist etwas Aehnliches,
wie mit der oben (S. 205) kurz berührten Frage des
[451]Südtropische Xerophytenfloren.
Vorkommens australischer Proteaceen im europäischen
Tertiär.
In seiner jüngsten Arbeit über das australische Tertiär von
Neusüdwales hat Ettingshausen 128 als sicher bestimmt; sie ge-
hören zu 36 Ordnungen, von denen 35, und zu 72 Gattungen, von
denen auch 52 in der europäischen Tertiärflora vertreten sind;
allerdings sollen sie zum unteren Eocän gehören. Die Proteaceen
sind mit 20 Arten (Persoonia, Grevillea, Hakea, Roupala, Lomatia,
Banksia, Dryandra), die Cupuliferen mit 14 (Quercus, jetzt in
Australien ganz fehlend!, Fagus), die Coniferen mit 11, Myrtaceen
mit 10 (darunter 4 Eucalyptus), die Lauraceen mit 7 (darunter
auch die nordamerikanische Gattung Sassafras) Arten vertreten.
Es ist nach diesen Beispielen viel australisches Element unter den
Bestimmungen, dazu aber auch ausgesuchte boreale Typen, von
denen der Grund des gänzlichen Aussterbens schwer vorzustellen
ist, wo sie wie die Eichen eine ausserordentliche Acclimatisation
nördlich vom Aequator und sogar noch in den indischen Tropen
gezeigt haben.
Uebrigens erkennt auch Schenk für Araucaria oder dieser
verwandte fossile Formen ein ausgedehntes Kreide- und Tertiär-
gebiet aus Nord- und Südafrika, Kerguelen und Punta Arenas,
Tasmanien, England und Frankreich ausserhalb ihres jetzigen
Areals an (Botan. Jahrb. Syst. III, 358).
Gruppierung der Florenreiche. Es heben sich
also, dem Vorhergehenden entsprechend, die grossen Kon-
tinentalmassen nebst den zugehörigen Inseln derartig
heraus, dass jede für sich je eine grössere Tropenflora
und eine kleinere australe Flora (einschliesslich eines
Xerophytengebiets an der Grenze) ausgebildet hat.
a) Die Tropenfloren haben auf der Erdkarte eine
Haupterstreckung von Nordwest über den Aequator hin-
weg nach Südost, indem sie alle an den Ostküsten der
Kontinente weiter nach Süden hinabreichen als an den
Westküsten. So gliedert sich also ein afrikanisches,
asiatisches und amerikanisches Tropenreich zunächst her-
aus; während dann die amerikanischen Tropen die Ein-
heit auch trotz des faunistisch so bedeutenden Sonder-
verhaltens der Antillen beibehalten, macht sich in der
altweltlichen Tropenflora, welche der neotropischen am
meisten schroff durch mehrere eigene Ordnungen, viele
Tribus und die Mehrzahl der Gattungen gegenüber steht,
noch eine weitere Gliederung bemerkbar. Zunächst heben
[452]Uebersicht der tropischen und australen Florenreiche.
sich die ostafrikanischen Inseln vom Festlande ab, welche
viel Endemismus bis zum Ordnungsgrade (Brexiaceen,
Chlaenaceen) hinauf und merkwürdige, vom afrikanischen
Kontinente abweichende Verwandtschaftsbeziehungen zu
den indischen Tropen zeigen; die Einheit dieses Insel-
florenreichs ist aber auch hier nicht gross, indem die Sey-
chellen, Mauritius und Bourbon, Madagaskar, zugleich die
Eigentümlichkeiten ozeanischer Inseln ausgeprägt zeigen.
— Die Tropenflora Asiens reicht von den Gangesquellen
über die äquatorialen Archipele nach Nord- und Ost-
australien, und weiter bis zum wärmeren Neuseeland herab;
bei der weiten Trennung durch Meeresräume und der
Zerfällung auf unzusammenhängende Kontinente (Südost-
asien und Nordostaustralien) lässt sich eine grosse innere
Verschiedenheit erwarten. Diese habe ich früher darin
auszudrücken gesucht, dass Neuseeland als eigenes kleines,
schwach gestütztes Florenreich betrachtet wurde, dessen
mannigfaltige Beziehungen sich aus seiner geographischen
Lage ergeben.
Vergl. die schematische Erläuterung in dem betreffenden
Abschnitt von Schenks Handbuch der Botanik, Bd. III, T. II, S. 449.
Ich glaube jetzt Neuseeland als südlichstes, durch
das feuchtkühlere Klima zu einer anderen Entwicke-
lung hinneigendes und von australen Elementen durch-
setztes Gebiet einer viel weiteren Flora betrachten zu
sollen, welche über die nördlich und nordwestlich be-
nachbarten Inseln hinweg nach dem tropischen Australien
und Neuguinea hinübergreift, melanesisch genannt werden
mag, und deren Grenzen man am besten bei der Bali—
Lombok- und Makassarstrasse mit den durch Wallaces
Arbeiten berühmt gewordenen Faunengrenzen zusammen-
fallen lässt. Die Philippinen gehören demnach noch zum
„indischen“ Florenreich. Dass diese beiden sich in das
tropische Asien teilenden Florenreiche in innigen Be-
ziehungen ihre Gattungsareale vielfach ausgetauscht haben,
ist bei der Leichtigkeit von Pflanzenwanderungen in
günstigem Klima verständlich und liegt in der Schwäche
der oben (S. 150) entworfenen floristischen Trennungs-
linie ausgedrückt, während bekanntlich die Faunengrenze
[453]Sonderung in drei zonale Hauptgruppen.
hier eine solche allerersten Grades ist. Demnach glaube
ich, dass durch diese floristische Trennung die Kernpunkte
von alters her eigenartiger, immer aber in Wanderungs-
austausch begriffen gebliebener Florenentwickelungen aus-
einander gehalten werden.
b) Die australen Floren sind einander analog in
Afrika, Australien und Südamerika zu ebenso vielen Einzel-
florenreichen entwickelt. Die systematischen Charaktere
sind in diesen vielfältig bedeutender an Endemismus und
Vervielfältigung, als in den Tropenreichen, und oft auf
engerem Gebiete zusammengedrängt. Die durchgreifen-
den gemeinsamen Merkmale, welche in den borealen Sub-
tropen immer noch so bedeutend waren, beschränken sich
hauptsächlich auf ein erneutes Auftreten der Coniferen
(Tribus Actinostrobeen) und auf die Proteaceen; beson-
ders aber sind viele Ordnungen in Repräsentativtribus in
je zwei australen Reichen, zumal am Kap und in Austra-
lien, oder im Kaplande und im pacificischen Südamerika
entwickelt, wie z. B. die Rutaceen, die Geraniaceen mit
Tropaeolum und Oxalis, bestimmte Gruppen von Compo-
siten und Leguminosen, Tribus der Ericaceen gegenüber
den nahe verwandten Epacrideen. Die Palmen fehlen in
eigener australer Entwickelung; wo einige Arten weit
nach Süden gehen (wie Phoenix, Livistona, Kentia und
Cocos), gehören dieselben als acclimatisierte Arten in
die nächste Verwandtschaft der unmittelbar angrenzenden
Tropenformen desselben Kontinents.
c) Erst südlich von den Breiten, welche als Normal-
grade für subtropische Vegetationsformationen anzusehen
sind und die wir rund mit dem 40.° S. abschliessen kön-
nen, beginnt im regenreichen Klima ein neuer Floren-
charakter sich auszubilden, welcher dem des nordischen
Florenreichs entsprechen würde, wenn eine in höhere
Breiten hineinragende gemäßigte mächtige Landfläche
vorhanden wäre. Diese fehlt; in zerstreuten Fragmenten
findet sich diese „antarktische“ Flora zumal im west-
lichen Südamerika südlich 40° S. und auf den Anden
nordwärts vorgeschoben, im südlichen und gebirgigen
Neuseeland, in Tasmaniens und des südöstlichsten Au-
[454]10. Sahara und Arabien.
straliens Alpen, und auf den unter entsprechenden Breiten
gelegenen Inseln. Hier treten, dem Norden analog, neue
Formen von Ranunculaceen, Cruciferen, Caryophylleen,
Umbelliferen charakteristisch auf, aber die Holzgewächse
werden (ausser von Coniferen und Buchen) aus australen
Ordnungen gewählt. Dieses zerstreute Florenelement hat
Engler das „altozeanische“ genannt; ob es Resterschei-
nung einer einstmaligen grösseren „Antarktis“, ob es in
seinem Auftreten von der zwingenden Macht klimatischer
Zonengrenzen und der pflanzlichen Wanderkraft bedingt
ist, muss noch dahingestellt bleiben.
Die hier dargelegte Gliederung wird auch für die
Schilderung der Vegetationsregionen die Reihenfolge bil-
den. Sie beginnt mit einem Xerophytengebiete, welches
Afrika mit den Mittelmeerländern floristisch verknüpft.
10. Sahara und Arabien.
Auswahl der Litteratur: Ascherson und Schweinfurth,
Illustration de la Flore d’Egypte, in Mém. de l’Inst. égyptien
Bd. II, 1887 (G. J., XIII, 338). Klunzinger, Vegetationsbilder
d. ägyptisch-arab. Wüste, in Zeitschr. Ges. f. Erdk. Berlin Bd. XIII.
Volkens, Die Flora d. ägyptisch-arabischen Wüste auf Grundlage
anatomisch-physiolog. Forschungen dargestellt, 1887, und vorl.
Mittlgn. in Sitzungsber. d. K. preuss. Akad. d. Wiss., Berlin 28. Jan.
1886. Ascherson, Pflanzen d. mittleren Nordafrika, in Rohlfs
„Kufra“ 1881; Vorläuf. Ber. üb. d. botan. Ergebnisse d. Rohlfs-
schen Expedit. z. Erforschung d. libyschen Wüste, in Bot. Zeitg.
1864, S. 609; Ueber Pfl. d. Nord- u. Centralafrika Expedition v.
Nachtigal, in Sitzungsber. d. Ges. naturforsch. Freunde Berlin,
20. Juni 1876. Tristram, The great Sahara. Nachtigal, Sahara
und Sudan, 2 Bde. 1879. Zusammenstellung der floristischen Er-
forschung Nordafrikas von Marokko bis Barka, in Geogr. Mittlgn.
1882, S. 143. Duveyriers Expedit. in das Tuaregland, in Geogr.
Mittlgn. 1860. Cosson, Voyage botan. en Algérie, in Ann. Sc.
natur., Bot. sér. IV, Bd. IV, 279; Considérations sur le Sahara
algérien. Bary, Reisebriefe aus Nordafrika, in Zeitschr. d. Ges.
Erdk. Berlin XII, 161. Güssfeldt, Reise durch die arab. Wüste,
in Geogr. Mittlgn. 1877, S. 252. Bericht über Neuere Reisen in
Arabien, in Geogr. Mittlgn. 1881, S. 213.
Das grosse Wüstengebiet Nordafrikas und des in-
neren Arabiens ist ziemlich gut durch die Linie der ex-
[455]Litteratur. Orographische Beschaffenheit.
zessiven Trockenheit (unter 20 cm Niederschlagshöhe)
herausgehoben, wird von der vier Monate unter 20°C.
Temperaturmittel umfassenden Grenzlinie durchschnitten und
unterscheidet sich durch stärkere Temperaturschwankungen
von dem südlich folgenden tropischen Afrika; denn seine
Juliisothermen fallen zwischen 28° und 36°C., seine
Januarisothermen aber zwischen 10° im Norden und 20°
bis 22° am Südrande. Sonach gehört dies, an die Dattel-
region Mesopotamiens (siehe oben S. 401) innig an-
schliessende Ländergebiet zur zweiten Abteilung der
dritten Vegetationszone und endet an der Nordgrenze der
vierten Zone.
Längst hat man das Irrtümliche der Auffassung er-
kannt, als ob die Sahara ein tief gelegenes Sandmeer
wäre. „In der That,“ sagt Nachtigal, „ist die Sahara,
als Ganzes betrachtet, beträchtlich über dem Meeresniveau
erhaben; der Sand tritt felsigem und hartem Kiesboden
gegenüber in den Hintergrund, und anstatt der Ebene
tritt oft eine ungeahnte Mannigfaltigkeit von Berg und
Thal. Die Küstengebirge bilden die Terrassen zu hoch-
gelegenen Ebenen, welche mit Gebirgsstöcken und Berg-
gruppen geziert und von wasserlosen Flussthälern durch-
schnitten sind. Auf ihrer ungeheuren Ausdehnung findet
man dann mehr oder minder ausgedehnte Strecken mit
Sandbergen und Sandflächen bedeckt, welche aus der
Verwitterung der Felsen und des Bodens unter dem an-
ordnenden Einflusse des Windes aufgehäuft werden.“ So
sind überall im Gebiet bis auf die Länge einzelner Tage-
reisen wirklich vegetationslose Wüsten ausgebildet: die
Serîr, felsharter Boden mit Geröll; die Hammâda, höher
gelegen und stärker mit Geröll bedeckt als vorige; die
Areg oder Sandwüsten, ferner die Halophyten in ihren
besseren Teilen führenden Salzwüsten. Ueberall dringen
die Wüstenpflanzen, zerstreute und höchst lockere, immer
aus den verschiedensten Arten gebildete Formationen
bildend, in diese Gelände ein und scheinen deren äusseren
Verhältnissen sehr wohl zu folgen. Die beste Vegetation
aber findet sich in den trockenen Flussbetten, den Wadis,
und in den quellenführenden Oasen, welche alle ihre
[456]10. Sahara und Arabien.
Charakterarten als Formationsbildner haben; Phoenix dac-
tylifera bildet diejenige der Oasen und ist, entsprechend
der Olive im Mittelmeergebiet, in der Kultur erhalten
oder aus ihr verwildert.
Ihre Südgrenze bezeichnet ziemlich genau den äussersten
Südrand der Sahara. Grisebach nennt sie (V. d. E., II. 82) den
einzigen Baum, der in der Sahara seine ursprüngliche Heimat hat;
bedenkt man aber, dass die südeuropäische Tertiärflora Palmen-
blätter, welche sehr wohl mit Phoenix dactylifera verglichen werden
können, uns erhalten hat, so bemerkt man das Zweifelhafte der „ur-
sprünglichen Heimat“; jedenfalls hat hier die Dattelpalme ihr Er-
haltungsareal gefunden.
Ausser der Dattel geht noch Hyphaene Argun von afrikani-
schen Palmen in die Wüstenformationen der mittleren Region
hinein, nämlich in die nubische Wüste 21° N.
Ueber die biologischen und phänologischen Merkmale vergl.
oben S. 323.
Das ganze Gebiet nimmt in der gegenwärtigen Flora
sowohl durch einige ausgezeichnete, zum Teil monotypische
Gattungen, als auch durch einen grossen Reichtum an
endemischen Arten einen selbständigen Platz ein, dessen
oben (S. 145) schon Erwähnung geschah. Die Ver-
wandtschaft dieser Endemismen ist aber geteilt zwischen
der mediterran-orientalen und der nordsudanesischen Flora;
zu der letzteren gehören die beiden Palmen, die Ascle-
piadee Calotropis procera, die Acacia-Arten etc., zu der
ersteren die Wüsten-Pistacien und Tamarisken, ferner
Retama Raetam, Calligonum comosum, Traganum, die
Astragalus, Artemisia, auch die sporadischen Funde einer
Pappel, P. euphratica etc. So begegnen sich hier die
Angehörigen zweier sehr verschiedener Florenreiche, me-
diterran-orientale Steppenformen und afrikanisch-indische
Xerophile.
Nicht aber das scheint zur Absonderung natürlicher
Vegetationsregionen in erster Linie in Betracht zu kom-
men, sondern vielmehr eine Gliederung von West nach
Ost, welcher dann erst die von Nord nach Süd zu
folgen hat:
1. westliche Sahara-Vegetationsregion, etwa
bis 15° ö. L.; 500—600 Arten;
2. östliche Sahara-Vegetationsregion, von da
[457]Charakterpflanzen. Vegetationsregionen.
bis zu den Küstengebirgen des Roten Meeres; 600 bis
700 Arten von grösserer Verwandtschaft mit der folgen-
den Region;
3. innerarabische Vegetationsregion, den
Ostraum des Gebietes bis zu der südlich des Wende-
kreises an den Küsten Arabiens sich erstreckenden Tropen-
region umfassend.
Die Physiognomie dieser drei Regionen mag ähn-
lich sein, auch sind viele wichtige Pflanzenarten in allen
gemeinsam; aber das Hauptgemisch der Arten ist in
ihnen wesentlich verschieden, wie man aus einem Ver-
gleich der am genauesten bekannt gewordenen Distrikte,
der algerischen Sahara mit der libyschen Wüste, oder mit
den Küstengebirgen Aegyptens gegen das Rote Meer, ersieht.
Cosson zählt über ⅓ an Arten in der algerischen Sahara
als endemisch.
In der sich durch grösste Gründlichkeit auszeichnenden Floren-
liste Aschersons im Kufrawerke finde ich unter 428 Getässpflanzen-
arten von Tripolitanien etwa 80, welche daselbst eine ausgesprochene
Ost- oder Westgrenze haben; doppelt so gross ist die Zahl der
Mediterran-Arten daselbst mit Südgrenze, unter denen aber zugleich
auch viele eine Ost- oder eine Westgrenze in Tripolitanien finden.
Ueber die Florenabgrenzung des atlantischen Gebiets gegen-
über der westlichen Sahara siehe die Zusammenstellung der in
Marokko, Algier und Tunis gewonnenen Resultate in Geogr. Mittlgn.
1882, S. 149. Die Cyrenaika trägt eine ausgesprochene immergrüne
Mediterranvegetation. Der Küstensaum Aegyptens schliesst sich
mit Syrien ebenfalls an die Mediterranflora an, während im Süden
bei grösseren Niederschlagshöhen zahlreiche Typen des tropischen
Afrikas weit nordwärts vordringen und daher die Nilufer mit einer
langgedehnten Oase in Gartenkultur verglichen werden können.
Hyphaene thebaica gehört nicht zur Sahararegion. Das unter dem
Wendekreise gelegene, durch die Feindseligkeit der Tuareg unzu-
gängliche Bergland Ahaggar soll dagegen den mediterranen Cha-
rakter noch einmal in der Sahara wiederholen und sich durch
Coniferenwaldungen merkwürdig vom sonstigen afrikanischen Cha-
rakter unter diesen Breiten auszeichnen! Griseb. (V. d. E., II, 75.)
Die Vegetation ist oft in den Wadis üppig. E. v. Bary fand
in der Umgebung von Ghat Etlbäume, wahrscheinlich Tamarix
articulata oder gallica, deren Gezweig die Köpfe der Kamelreiter
weit überragte, ebenso wie die Federbüsche von Schilfrohr (G. J., VII,
221). Die Hauptvegetation bildete zwischen Ghat und Titersin
Arthratherum pungens und eine gelbblühende Composite, dann in
hohen Exemplaren die Calotropis procera, ausserdem bildete Sal-
[458]10. Sahara und Arabien.
vadora persica grosse grüne Gebüsche mit Etl und Oleander. Die
genannte Salvadora, der Ssuak-Strauch, ist charakteristisch für das
Uebergangsgebiet zwischen Sahara und Sudan, erreicht seine Nord-
grenze im Westen an der das Tuaregland von der algerischen
Sahara trennenden Dünenzone. Im Osten ist er in Tibesti noch
allgemein verbreitet; in Aegypten ist der nördlichste Ascherson
bekannt gewesene Fundort der Gharibberg am Roten Meere
(28° N.), in Palästina findet er sich am Toten Meere (Kufra,
S. 482). Die Verwechselung, welche der Ssuak als Typus einer
Vegetationsform für Sträucher mit starrem periodischen Laub durch
die Benennung „Sodada“, welche sich auf Capparis Sodada mit
überaus spärlicher Laubentwickelung bezieht, bei Grisebach er-
fahren hat, hat Ascherson in Botan. Ztg. 1875, Sp. 710 erklärt.
Volkens hat die bunte Zusammensetzung geschildert, die an
den vegetationsreichsten Rändern der Thalsohlen die zu fortlaufen-
den Hecken aneinander geschlossenen Arten beherrscht: „Nur sel-
ten finden wir dieselbe Spezies zu grösseren Gruppen vereinigt.
Ein Nitraria-Strauch verflicht sich mit einem Lycium, und halb-
mannshohe Grasbüsche von Panicum oder Pennisetum stellen die
Verbindung her mit einem nächsten grösseren Haufwerk, das im
wirren Durcheinander aus Deverra (einer halbstrauchigen Umbelli-
fere), Astragalus und Zilla besteht. Aehnlich in der Mitte der
Thalsohle ..... Trotz dieser grossen Variabilität, die sich überall
auf kleinem Raum entfaltet, weichen doch die einzelnen grösseren
Thäler bezüglich des Gesamteindrucks, den ihre Vegetation her-
vorruft, oft erheblich und insofern voneinander ab, als hier oder
da eine bestimmte Pflanze in so überwiegender Zahl auftritt, dass
dem ganzen Landschaftsbilde dadurch ein besonderer Charakter
aufgeprägt wird.“
Von besonderem Interesse sind in diesen heissen
Wüsten die biologischen Anpassungen. Die erste der-
selben ist Geschwindigkeit der Entwickelung in der we-
niger trockenen Jahreszeit (Februar, März), wo nach einem
benetzenden Regenfall die Sträucher sich belauben und
schnell im Blütenglanz dastehen. Die zweite Anpassung
besteht in Fähigkeiten, das tief im Boden sickernde Wasser
zu erlangen, die dritte besteht in der Befähigung, den
Thauniederschlag für sich zu verwerten, die vierte in
den Schutzmitteln gegen Sommerdürre. Diese Eigenschaf-
ten sind in sehr lehrreicher Weise speziell von Volkens
studiert und mit Anführung der Litteratur im biologi-
schen Abschnitt, oben S. 30—31 und S. 323, an einem
Beispiel erörtert. — Die abgestorbenen niederen Roset-
tengewächse reisst der Wüstenwind oft aus dem Sande
[459]11. Tropisches Afrika und Südarabien.
und treibt ihre zusammengeballten Zweige spielend vor
sich her, wie bei den beiden Arten der „Rosen von Je-
richo“: Anastatica hierochuntica (Crucifere) und Asteris-
cus pygmaeus (Composite).
Letztere, von Algier ostwärts bis Palästina, Sinai und Arabien
verbreitet, legt im trockenen Zustande die Hüllblätter des Köpf-
chens dicht übereinander und breitet sie angefeuchtet fast plötz-
lich sternförmig auseinander (Schweinfurth).
11. Tropisches Afrika und Südarabien.
Auswahl der Litteratur. a) Systematische Florenüber-
sichten und floristische Quellenwerke: Oliver, Flora of tropical
Africa, 1868 u. folgd. (unvollendet). Hooker, Niger Flora, London
1849 (enthält zugleich ein Verz. d. Flora der Capverden.-I. und
S. 22—72 Dr. Vogels Reisejournal der Niger-Expedition). Kotschy
\& Peyritsch, Plantae Tinneanae (Coll. ad flum. Bahr-el-Ghasal),
Wien 1867. Schweinfurth, Reliquiae Kotschyanae aus Kordofan;
Berlin 1868. Richard, Tentamen florae Abyssinicae, Paris 1847.
Grant \& Oliver, Botany of the Speke and Grant-Expedition 1860;
London Linn. Transact. 1872/75. V. d. Deckens Reisen: Botanik
von Ostafrika, bearb. v. Ascherson, Böckeler, Klatt, Kuhn, Lorentz,
Sonder, 1879. Palisot-Beauvais, Flore d’Oware et de Benin, Paris
1804/15. Welwitsch, Sertum Angolense, London 1869.
b) Expeditionsberichte und Pflanzengeographie (in der Reihen-
folge der 10 folgenden Vegetationsregionen): Schweinfurth, Pflanzen-
geogr. Skizze d. Nilgebiets etc., in Geogr. Mittlgn. 1868 mit Taf. 9.
Menges, Vegetationscharakter am Mareb und oberen Chor-Baraka,
in Geogr. Mittlgn. 1884, Taf. 8. Roth, Schilderung d. Naturver-
hältnisse in Südabessynien, München 1851. Heuglin, Reise nach
Abessynien 1868 (enthält Steudners Beobachtungen). Botta, Reise
im glückl. Arabien, in Arch. Mus. d’histoire nat. V, II, 63 (1843).
Maltzan, Reise nach Hadramaut, in Geogr. Mittlgn. 1872, S. 168.
Schweinfurth, Allgem. Betracht. üb. d. Flora von Socotra, in
Bot. Jahrb. Syst. V, 40. Balfour, Botany of Socotra, in Transactions
R. Soc. Edinburgh, Bd. 31, 1888; The island of Socotra and its
recent revelations, in Proceed. Roy. Inst. Great Britain 1883.
Hildebrandt, Ausflug nach d. Wer-Singelli-Somalen u. Ahl-Geb.,
in Zeitschr. d. Ges. Erdk., Berlin, X, 266, 1875. Paulitschke, Harar
(Botan. Ergebnisse S. 450) 1888. Franchet, Sertulum Somalense,
Paris 1882. Menges, Somaliland, in Geogr. Mittlgn. 1884, S. 401.
Hooker, On the plants of the temperate regions of the Cameroons
Mts., in Journ. Linn. Soc., Botan. VII, 171 (1864). C. v. d. Deckens
Reisen in Ostafrika 1859/65, I: Kilimandscharo. Johnston, The
Kilima-njaro Expedition, in Proceed. Roy. Geogr. Soc. 1885, S. 137,
[460]11. Tropisches Afrika und Südarabien.
und gleichnamiges Werk, London 1886; Botany in Transact. Linn.
Soc. London, Bot. ser. 2, Bd. II. Oliver, List of the plants coll.
by Thomson on the Mountains of east. equat. Africa, in Journ.
Linn. Soc. 1885, Bot. XXI, 392. Meyer, Kilimandscharo, in Verh.
Ges. Erdk., Berlin, XIV, 450.
Schweinfurth, im Herzen von Afrika, 1874. Grant, Lake region
of equatorial Afrika, in Journ. Geogr. Soc. London 1872. Pruys-
senaeres Reisen und Erforschungen im Gebiete d. Weissen u. Blauen
Nils, Geogr. Mittlgn. Ergänzungsheft 50 u. 51. Marno, Reise in
der Aegypt. Aequatorialprovinz u. Kordofan 1874/76. Emin-Bey,
Reisen zwischen Viktoria- und Albert-Nyanza 1878, in Geogr.
Mittlgn. 1880, S. 21; Im Osten des Bahr-el-Djebel 1882, S. 259.
Engler, Flora d. deutschen Schutzländer in Westafrika (vom
Süden bis Aequator) in Gartenflora 1885. Die Loango-Expedition
1873/76; 3 Abtlg. Vegetation von Pechuël-Loesche, 1882. Album
der deutschen Ges. z. Erforschg. Aequatorial-Afrikas, Berlin 1876,
I. landschaftl. Teil; Falkenstein, Die Loangoküste in 72 Original-
Photographien, Berlin 1876. Johnston, The river Congo, London
1884. Krause, Reiseerinnerungen I, Camerun, in Abh. naturw.
Verein, Bremen IX, 385. Pechuël-Loesche, Vegetation am Congo,
in Ausland 1886. Hartert, Reise im westl. Sudan, in Geogr. Mittlgn.
1887, S. 172. Peters, Naturw. Reise nach Mossambique; Botanik
v. Klotzsch etc., Berlin 1862/64.
Anhang: Schmidt, Beitr. z. Flora d. Cap Verdischen Inseln,
Heidelberg 1852. Mellis, St. Helena: physic. histor. a topogr. des-
cript. of the island (Flora!), London 1875. Du Petit Thouars, Flore
de Tristan d’Acugna, Paris 1811. Challenger Report on Insular
Floras (Hemsley, G. J., XIII, 291).
Zwischen beiden Wendekreisen, aber vom Norden,
wie an der Westseite vom Süden her, stark eingeengt
durch Wüsten und Wüstensteppen anderen Charakters,
breitet sich in Afrika eine in mannigfaltigen, aber zu-
sammenhängenden Vegetationsregionen ausgegliederte Tro-
penflora aus, beiden Abteilungen der Zone IV angehörig.
Fassen wir ihren Begriff im Sinne der oben genannten
Charakterformationen, so liegt deren Südgrenze ziemlich
gut durch die starke rote Linie der Köppenschen Wärme-
gürtel, welche sich von Benzuela im Westen gegen den
südlichen Wendekreis ostwärts senkt, angedeutet; aber
in Anbetracht der systematischen Sippenverwandtschaft
schliesst sich an der Ostküste südwärts vom Wende-
kreise bis zur Algoabai noch eine Region von tropischer
Zugehörigkeit, genau wie in Australien unter entsprechen-
[461]Litteratur. Klima. Orographie.
der Lage, an. Wie Köppens Wärmegürtel zeigen, ist
nördlich vom Wendekreise des Steinbocks bis zur Congo-
Wasserscheide die Hauptmasse des afrikanischen Fest-
landes mit subtropischem Klima behaftet; charakteristisch
ist ausserdem für sein Klima, dass ein Oval von 15 Breiten-
graden im Durchmesser gerade über dem Aequator über
30°C. liegende Januarisothermen entwickelt, während
die indischen und amerikanischen Tropen nicht wesent-
lich über 26° Isothermen hinausgehen. Afrika ist also
heisser in Extremen, und gleichzeitig sind die nieder-
schlagsreichen Distrikte mehr eingeengt, nur am Nil
nördlich von Lado und im Nigermündungsgebiet, sowie
bei Monrovia 200 cm Jahresbetrag überschreitend. Alles
in allem ist unter den 3 kontinentalen Tropenreichen
das afrikanische das ärmlichste in Hinsicht auf Entfal-
tung der Charakterformen.
In dem orographischen Aufbau ist die Hochgebirgs-
erhebung von floristischem hohem Einfluss, welche schon
von den Küsten des Roten Meeres ansteigt, in Abes-
sinien zur ersten Massenerhebung wird und sich dann
in südwärts gerichteter Kette über den Aequator weg
bis zum Nyassasee hinzieht: sie bildet eine Austauschs-
wanderlinie! (Vergl. oben, S. 142). Dem entsprechend,
aber schwächer, haben in südlichen Breiten zusammen-
hängende Bergflächen bis gegen den 10.° S. hinauf aus
der südafrikanischen Vegetation sporadische Wanderer
aufgenommen, so namentlich Leucadendron argenteum,
die berühmte Proteacee vom Kap, im oberen Sambesi-
gebiet: 1200 m hoch auf den Bergen am Liba.
Vegetationsregionen und Areale von Charak-
terpflanzen. Obgleich die neuere Zeit vieles in der
Erforschung der Tropenflora Afrikas geleistet hat, herrscht
doch noch eine gewisse Unsicherheit in der Charakteri-
sierung der grossen Hauptabteilungen des Landes nach
vorherrschenden Arten. Es liegt dies darin begründet,
dass zur Zeit kein vollendetes Gesamtwerk die Flora syste-
matisch gliedert, dass die vorhandenen Bände von Olivers
Flora zum Teil alt sind, oder aber in ihren Standorten
sich naturgemäß auf die wenigen mitgebrachten Pflanzen-
[462]11. Tropisches Afrika und Südarabien.
exemplare der grossen Museen beschränken, dass die
Schilderungen der Reisenden andererseits der Schärfe
systematischer Bezeichnung entbehren oder nur bei den
gewöhnlichsten Angaben verweilen, die mit ermüdender
Einförmigkeit alsdann sich wiederholen müssen. Auch
die Angaben über Arealgrenzen, z. B. bei Adansonia,
Elaeis, Sterculia (*Cola) acuminata, Herminiera etc., wi-
derstreiten sich nicht selten, weil sie dem Zufall des
Beobachtetwerdens unterliegen. Die wichtigen Charakter-
arten der Savanengräser aber findet man fast niemals
angegeben; selbst in den noch am liebsten genau ge-
schilderten Angaben über Palmen kann man oft auf Be-
merkungen stossen, welche Verwechselungen erraten lassen.
Es gibt also noch recht viel hier zu thun.
An Kulturpflanzen steht das tropische Afrika
hinter Indien und Brasilien zurück, ist aber gleichwohl
nicht unproduktiv. Die Banane (Musa sapientum), jetzt
in weiten Strecken vornehmstes Kulturgewächs, entstammt
Indien (vergl. oben S. 241 unter Scitamineen, und aus-
führlicher bei A. de Candolle, Ursprung d. Kulturpflanzen,
S. 381). Von einheimischen Cerealien stehen die Sorten
der Mohrenhirse obenan, welche Hackel neuerdings alle
als Varietäten einer Stammart, Andropogon arundinaceus,
var. cerealis auffasst (G. J., XI, 112). — Dass Afrika
Yamsarten (Dioscorea) mit ursprünglichem Indigenat be-
sitzt, ist wohl unzweifelhaft; ausserdem aber sind hier
mehrere Leguminosen als Nährpflanzen von grosser Be-
deutung, namentlich Dolichos Lablab, wahrscheinlich durch-
aus einheimisch der Catjang Cajanus indicus, und Voand-
zeia subterranea, wogegen Arachis eingeführt erscheint.
Der Kaffeebaum Coffea arabica erscheint im Herzen Afrikas
wild auf weit zerstreutem Areal, und ist das bedeutendste
Gewächs, welches Europäer in Kulturbehandlung genom-
men haben; bezüglich seiner Ausbreitung sei auf Fuchs’
Monographie verwiesen (G. J., XI, 112).
Folgende Vegetationsregionen, welche die
afrikanische Florenkarte im physikalischen Atlas ziem-
lich ebenso wiedergibt, halte ich für natürlich abge-
grenzt:
[463]Kulturpflanzen. Vegetationsregionen.
- 1. Kordufanische Dumpalmen-Steppenregion (nördlich
der Adansonien-Grenze). - 2. Abessinische Degaregion, auf die äquatorialen
Hochgebirge und auf das südwestliche Arabien
übergreifend. - 3. Die südarabische Balsambaumregion (Asir-Yemen-
Hadramaut-Oman). - 4. Die Succulentenregion des Somalilandes, ausge-
zeichnet durch ihre tropisch-xerophilen Forma-
tionen. - 5. Die tropisch-afrikanische Hochgebirgsregion ober-
halb der Wälder. - 6. Waldregion des oberen Nil- und centralen Seen-
gebiets. - 7. Waldregion von Guinea und dem Congogebiet.
- 8. Waldregion der Ostküste zwischen Aequator und
südlichem Wendekreis. - 9. Nördliche Adansonien-Savanenregion (Sudan).
- 10. Südliche Adansonien-Savanenregion (Sambesi —
südliches Congogebiet).
Die Insel Socotra schliesst sich am ehesten an Re-
gion 3, die Kapverden an Region 9 und an die atlantischen
Inseln (Canaren); St. Helena, Ascension und Tristan
d’Acunha haben die Eigenschaften echt ozeanischer Inseln.
Um diese Regionen ihrer Bedeutung nach zu ver-
stehen, halten wir uns an einige Hauptvegetationslinien.
Eine derselben wird von Adansonia digitata, dem Baobab
oder Affenbrotbaum gebildet.
Siehe die vortreffliche Charakteristik dieses laubabwerfenden
Baumes vom Wuchse riesiger Eichen in Pechuël-Loesches Loango-
werke S. 177. — Er gehört zu den Bäumen der offenen Land-
schaft und wird häufig von Familiengenossen, Bombax und Erioden-
dron anfractuosum, begleitet. „Die freie Grasflur ist seine Heimat;
im Hochwald wird er im Loangogebiet niemals gefunden.“
Sein Areal liegt ungefähr zwischen 17° N. und
18° S. an der Westküste, 24° S. an der Ostküste, cha-
rakterisiert daher die nördliche wie südliche Savanen-
region und hat unstreitig bedeutende Lücken im Bereich
der geschlossenen Regenwälder. Die Region 1 obiger
Aufzählung fällt nördlich von seiner Nordgrenze und
[464]11. Tropisches Afrika und Südarabien.
liegt dafür noch im Bereich von Phoenix dactylifera, ohne
jedoch zur Sahara zu gehören; wahrscheinlich fehlt der
Baobab in Region 2—5, von dem gelegentlichen Ein-
schneiden in Grenzgebiete abgesehen.
Die nächsten Charakterarten liefern grosse monoko-
tyle Schopfbäume, auf welche die Reisenden auch am
meisten zu achten pflegen:
Die Delebpalme, Borassus flabelliformis, welche auch
in Ostindien wichtig und gemein ist, hat wahrscheinlich
grosse Strecken des Areals mit der Adansonie gemeinsam,
teilt wenigstens deren Nordgrenze in Senegambien, schliesst
die Galla- und Somaliländer mit Abessinien aus, und
bleibt im Süden vor (nördlich) der Adansonien-Vegeta-
tionslinie zurück, wobei es dahingestellt bleiben muss,
ob sich manche Angaben über Fächerpalmen auf ihn
oder auf Hyphäne-Arten beziehen; die Loangoexpedition
sah Borassus niemals.
Die Delebpalme schliesst also in ihrem Areal wiederum
Region 1, 2, 4 und 5, vielleicht aber auch die vollentwickelte
Region 7 ausserhalb ihres Savanengrenzgebietes, aus. Johnston gibt
nach seinen Beobachtungen in der Congoflora an, dass Borassus
auf das Mündungsgebiet beschränkt sei und weiter nach innen
durch Hyphaene guineensis ersetzt werde; „aber die Verschiedenheit
beider sei kaum genügend zur Trennung zweier Gattungen“. Da
diese Bemerkung grundlos ist, könnte man an Verwechslung
denken.
Dann ist Hyphaene eine echt afrikanische, nur auf
das Festland in 9 Arten beschränkte und nur von Phoe-
nix in der Ausdehnung von Palmen in diesem Kontinent
übertroffene Gattung, hohe Bäume mit glattem oder ge-
schwollenem Stamm erzeugend, welcher bei H. the-
baica, der Doum- oder Dumpalme, eine gabelteilige Krone
bildet.
Diese Doumpalme charakterisiert Region 1 gegenüber der
Sahara und verliert sich im angrenzenden Nilseengebiet; sie geht
um den Tsadsee noch nordwestwärts herum und endet dort süd-
lich von dem rätselhaften Ahaggar-Bergland. Sie mischt sich inner-
halb des Adansonien-Areals, welches sie in Aegypten weit nordwärts
(bis 26° N.) überschreitet, mit diesem Baum und scheint dort ihre
grösste Fülle im Formationsbestande zu erreichen. Vergl. Menges
in Geogr. Mittlgn. 1884, S. 166, Schilderung der Marebvegetation
am Südostrande des abessinischen Hochlandes von Dembelas 14°
[465]Charakterpflanzen; Oelpalme, Kolanuss.
50′ N. und 38° östl. L.: Den Mareb begleitet hier überall schöner
Doumwald, wie bei Kassala; ausser der Adansonie, die in unge-
heuren Mengen vorkommt, sind die Ufer des Nebenflusses Chor-
Scherbet überall dicht besetzt mit prachtvollen Tamarinden und
riesigen Kigelien. — Die Südgrenze von Hyphaene thebaica ist mir
nicht bekannt; wahrscheinlich erreicht sie den Aequator nicht.
Südlich desselben wird sie im Zambesigebiet durch H. ventricosa
und crinita ersetzt, welche mithin für Region 10 charakteristisch
sind und ebenfalls als Savanenbäume auftreten. H. guineensis ist
erst durch Pechuël-Lösches Charakterisierung der Wissenschaft er-
schlossen, mit einem wahrscheinlich unzusammenhängenden Areal
von Liberien bis zum Kuilu, ebenfalls „ein Kind der offenen Land-
schaft“; sie gehört also zu Region 7.
Ein besonderes Merkzeichen der Guinea-Tropenregion
ist die Oelpalme, Elaeis guineensis, merkwürdigerweise
eine Zugehörige amerikanischer Cocoineen (vergl. oben
S. 174). Man kann ihre Vegetationslinie vom Gambia — Be-
nuë — Nil und Congowasserscheide — Njassasee — Bang-
weolosee — Angola als äusserste Grenze, oft aber durch
weite Savanenlandschaften unterbrochen, der ebengenannten
Vegetationsregion ansehen. In ihren Bereich fallen viele
andere ausgezeichnete Areale, die meistens engere Gren-
zen haben als die Oelpalme: die Weinpalme Raphia vini-
fera und mehrere riesenhafte Blattwedel führende Ra-
phien an der Bai von Biafra, die kletternden Calameen,
besonders Oncocalamus mit 20 m hoch kletterndem Stamm,
Ancistrophyllum und Eremospatha, alle den Rotangpalmen
Indiens im Wuchse ähnlich und als solche oft aufge-
führt.
Johnston führt „Calamus secundiflorus“ mit einzigem Stand-
ort im Congogebiet am Stanleypool an, a. a. O., S. 322.
Dann fällt in denselben Bereich der an der West-
küste (wohl nicht im Innern!) sehr verbreitete hohe Pan-
danus candelabrum, dessen zerstreute hohe Schopf bäume
ein Landschaftsbild des Loangowerkes schmücken. Weiter
landeinwärts und durch Kultur im Areal erweitert ge-
deiht die Kolanuss, Sterculia (*Cola) acuminata, wichtig
durch die bei vielen Negerstämmen an sie geknüpfte
volkstümliche Symbolik und ihre krafterzeugende Wir-
kung auf den menschlichen Organismus, um derenwillen
ihre Nüsse frisch gekaut werden.
Drude, Pflanzengeographie. 30
[466]11. Tropisches Afrika und Südarabien.
Neben diesen auf bestimmte Regionen beschränkten
Pflanzenarten gibt es viele andere mit weitem Areal,
wenn sie auch nur in bestimmten Distrikten maßgebend
für die Formationen sind; im oberen Nilgebiet beispiels-
weise herrscht bekanntlich der Papyrus: Cyperus Papyrus
mit schopfbaumartigen Uferdickichten, und an gleichen
Stellen der Ambatschbaum: Herminiera elaphroxylon, aus-
gezeichnet durch sein leichtes, schwammiges Holz; aber
der Papyrus ist auch im Nigergebiet, am Congo häufig,
z. B. massenhaft nach Johnston am Stanley Pool, ebenso
unter dem Namen „Loangogras“ in freiliegenden Sümpfen
der Niederungen im Küstengebiet.
Es schliessen sich mit vielen gleichartigen und vielen
ungleichartigen Genossen die Formationen in jeder Region
charakteristisch verschieden so an, dass die tropischen
Waldformationen in Region 6—8 überwiegen, die lichten
Savanen mit offenen Bäumen, und Galeriewäldern even-
tuell an den Flussläufen, in Region 9 und 10, abgeschwächt
in Region 1 zu Steppenformationen. Ueber diese, sowie
die Regionen 2—5 noch einige besondere Bemerkungen
im folgenden.
Einen Teil der Grundlage für die kartographierte Regions-
abgrenzung im physik. Atlas Nr. 49, nämlich insoweit als das
Nilgebiet bis 5° N. und die Uferländer des Roten Meeres in Be-
tracht kommen, bildet Schweinfurts Karte 9 in den Geogr. Mit-
teilungen 1868. Dessen ausgezeichnete Darstellung, seine spätere
Untersuchung der Niamlande, die Vegetationsstudien von Pechuël-
Lösche während der Loangoexpedition, das sind die wichtigsten
Quellen für unser Verständnis von Afrikas Vegetation und ihrer
Verteilung in Abhängigkeit von Klima und Boden.
Schweinfurt schildert die
1. Kordofanische Steppen- und Uebergangsregion, die
hier zusammengefasst werden, als „ein Grasland, durchsetzt von
Eindringlingen des Nordens wie des Südens (Wald- und Savanen-
flora), dessen Rasen von bestandbildenden, auf weite Strecken hin
sich unvermischt erhaltenden Gräsern dargestellt wird, sorgfältig
gepflegten Kornfeldern vergleichbar. Dadurch wechseln die ge-
wissen Strecken eigentümlichen Abstufungen des Grüns innerhalb
der Landschaft beständig, und ihre Reize werden zur Zeit der
Fruchtreife noch bedeutend erhöht, indem alsdann die verschieden-
artigsten Färbungen der bald rötlichen oder gelben, bald schwärz-
lichen Aehrenmassen sich geltend machen und schon von weitem
die vorherrschenden Grasarten erkennen lassen. Einzelne Stellen
[467]Kordofan. Abessinien, Massailand.
(Gehänge der Hügel etc.) können eine ausserordentliche Anzahl
der verschiedensten Arten auf einem kleinen Terrain versammelt
beherbergen, während anderwärts eine einzelne Grasart viele
Quadratmeilen für sich allein in Anspruch nimmt.“
2. Mit dem Namen „Degaregion“ wird das abessinische
Hochland von circa 2000 m bis 3000 m, auch schon 300 m tiefer
in Uebergangsformationen beginnend, bezeichnet, welches in weiter
Ausdehnung von 15° N. über Abessinien und dann in sehr ähn-
lichen Pflanzenbeständen mit verstärkten südlichen Beigemischen
sich über die äquatorialen Gebirgsländer erstreckt (oberhalb 3000 m
beginnt in Abessinien Region 5). Den Hauptcharakter der ge-
samten Dega bilden nach Schweinfurt „Waldlosigkeit, Baum-
mangel und Grasarmut, welche sich nach den höheren Regionen
zu steigern“. In der unteren Region sind immergrüne Baum- und
Strauchvertreter des mediterranen Florenreichs, besonders Juniperus
procera und Erica arborea (letztere höher ansteigend). Diese
letzteren sind beide auch infolge von Thomsons Expedition durch
Massailand in den äquatorialen Hochgebirgen gefunden und haben
dadurch in Afrika einzelne boreale Gattungen weit südwärts aus-
gedehnt; sie befinden sich daselbst zu Waldbeständen vereinigt
mit Calodendron capense und Podocarpus elongata, beides Süd-
afrikaner, mit welchen sie Mischwälder von 30 m Höhe der eigen-
tümlichsten geographischen Verwandtschaftsgruppierung bilden
(G. J., XI, 136). Hieran knüpft Hooker die Betrachtung an, dass
die Hochländer Afrikas und des tropischen Asiens nichts Gemein-
sames zu haben scheinen, während die Tiefländer des östlichen
Afrikas und von Dekhan an Arten und Repräsentativformen ge-
meinsamer Art reich sind. Und ausserdem: vergleicht man die
australische Flora mit der afrikanischen, so findet man in den
Tropen der ersteren viele extratropische Formen des südlicheren
Australiens mitvertreten; in Afrika dagegen haben sich die au-
stralen und tropischen Formen geschieden gehalten und erstere
treten nur auf den Hochgebirgen mit den eigentlichen Tropen-
gattungen in gemischte Formationen. In Abessinien sind zu er-
wähnen als eigentliche Tropengattungen der Dega: Coffea arabica,
die hier wie im Seengebiet wirklich wild sein und ihre eigent-
liche Heimat haben soll; der Cusso: Brayera anthelminthica, Pit-
tosporum abyssinicum, Carissa edulis; zwei Oliven sind maska-
renisch und südafrikanisch: Olea chrysophylla und O. laurifolia.
Physiognomisch von hohem Interesse ist der Gibarrabaum Rhyncho-
petalum montanum (Lobeliaceae, Griseb. V. d. E., II, 117).
3. Südarabien, von dem wir bisher noch wenig genug
wissen, stellt sich als ein merkwürdiges Gemisch eigener Tropen-
erzeugnisse ostafrikanischer Verwandtschaft dar mit abessinischen
Arten und tief nach Süden eingreifenden Wüstenformationen; der
Katstrauch Celastrus (Catha) edulis, dessen Blätter die Einwohner
übermäßig als Genussmittel lieben, die Reihe von Balsambäumen,
Acacia als Wälder bildend, dienen zur Charakterisierung. — Von
ähnlichem Gesamtcharakter, aber sehr reich an Endemismen (20 %),
[468]11. Tropisches Afrika und Südarabien.
ist die erst in neuerer Zeit genauer bekannt gewordene Insel
Socotra (siehe G. J., X, 185—187). Hier wachsen Drachenbäume
(Dracaena), gemischt mit Gurkenbäumen: Dendrosicyos socotrana,
tonnenförmige Stämme von 6 m Höhe bildend, und mit einer
ähnlichen Apocynee von der afrikanischen Ostküste Adenium multi-
florum. Die arabischen Balsambäume, Boswellia und Balsamoden-
dron, haben auch hier in den bis 1500 m hohen Gebirgen mit
dem Aloë eine Stätte.
4. Die Succulentenregion des Somalilandes erhebt sich
über einer dürftigen Küstenflora vom Wüstensteppencharakter
(Tamarix, Calotropis, Salvadora persica, Aristolochia rigida, Indigo-
fera argentea) mit baumartigen Zizyphys und Schirm-Acacien. An
den Gebirgsterrassen beginnt die eigentümliche, an Trockenheit
gewöhnte, daher an starren und fleischigen Gewächsen reiche
Flora, in der Kandelaber-Euphorbiaceen, Aloë, Passifloren mit dick-
fleischigem „rundliche Felsblöcke von cubikmetrischem Inhalte
nachahmenden Stamme“ sich neben harzausschwitzenden Balsam-
bäumen auszeichnen. Zahlreiche Acacia-Arten, besonders A. etbaïca,
bilden liebliche Schirmkronen, A. abyssinica liefert reichen Gummi-
ertrag; das oben erwähnte Adenium „erhebt seinen fleischigen,
giftstrotzenden glatten Stamm aus oft meterbreitem Grunde zu
circa 3 m Höhe, regelmäßig kegelförmig auslaufend; von seiner
Spitze gehen wenige schwanke Aeste, mit kleinen Blattbüscheln
vorn, aus; sein Milchsaft dient als Pfeilgift“. In der oberen Wolken-
region, wo das Gewölk den grössten Teil des Jahres hindurch
lagert, werden die Myrrhen und Acacien selten, die Succulenten
aller Familien nehmen zu. Auf 2000 m hohen Gipfeln wächst
auch hier die Ombet-Dracaena, ein Buxus (B. Hildebrandtii) ver-
tritt den Oelbaum, vieles erinnert an die abessinische Dega.
5. Oberhalb 2500 oder 3000 m, an manchen Stellen frei von
allen wärmeren Beimischungen erst bei 3500 m, herrscht auf den
höchsten Spitzen des tropischen Afrikas: auf den Kamerunbergen,
Fernando- Po, Kilimandscharo, in Abessinien, die tropische Hoch-
gebirgsregion, arm an eigenen Erzeugnissen; sie ist von borealen
und australen Sippen besetzt, welche entweder in Südafrika oder
aber im mediterran-orientalen Hochgebirgssystem ihr weiteres
Areal oder ihre nächsten Verwandten haben. Die Kameruns haben
bis 2150 m dichten Wald; dann folgen bis 2700 m offene Gras-
flächen mit Büschen von Hypericum, Pittosporum, Adenocarpus,
Pygeum, Myrica, Leucothoë und Ericinella. Die obere Hochgebirgs-
region geht von 2750 m bis zur Spitze (4000 m); die Sträucher
schwinden, Helichrysum chrysocoma, Bartsia abyssinica und Blaeria
spicata sind hier charakteristisch. Dieselben Arten sind grossen-
teils zugleich in Abessinien. — Von den circa 250 Phanerogamen,
die noch über 1500 m hoch auf den Biafrabergen wachsen,
kommen 40 auf dem Himalaya und meistens auch in Europa vor;
Beispiele: Sanicula europaea, Succisa pratensis, Sibthorpia euro-
paea, Luzula campestris, Deschampsia caespitosa. — Senecio John-
stoni bildet auf dem Kilimandscharo nach Meyer bei 4500 m Höhe
[469]Somaliland. Tropische Hochgebirge. — Inseln.
die letzten Rasen von Blütenpflanzen, höher hinauf noch Moose
und Flechten.
Die Höhenstufen dieses interessanten Hochmassivs gibt Meyer
durch eine Karte (Geogr. Mittlgn. 1887, Taf. 19) illustriert, fol-
gendermaßen an (Verh. Ges. Erdk. Berlin, XIV, 450): 1. Unterste von
der Steppe sich abhebende Vegetationszone bis 1000 m mit dichtem
Buschwald; 2. bis 1800 m fruchtbares und wohlangebautes Kultur-
land Dschaggas; 3. bis 2000 m dichtes Gebüsch von doppelter
Mannshöhe; 4. bis gegen 3000 m Urwald; 5. bis gegen 4000 m
offene Grasflur mit vereinzelten Sträuchern; 6. bis 4500 m Grasflur
ohne Sträucher, welche sich schliesslich in zerstreuten Büscheln
von weissen Strohblumen und Löwenzahn auflöst. 7. Moose und
Flechten über 4500.
Anhang. Die Inseln im Atlantischen Ozean.
Weit verschieden von den ostafrikanischen Inseln, ganz
anders in ihren eingewanderten wie endemischen Elemen-
ten verhalten sich die Kapverden, Ascension, St. Helena
und Tristan d’Acunha. Die ersteren stellen eine Mittel-
stufe zwischen der senegambischen und atlantischen In-
selflora dar, die letztere schliesst sich am ehesten an das
südafrikanische Florenelement, die beiden äquatorialen
Inseln aber sind „echt ozeanisch“, d. h. in ihren Er-
zeugnissen durchaus selbständig und ohne deutliche Kon-
tinentalverbindung.
[Vergl. Grisebach in V. d. E., II, 488—495 u. S. 516. — Schmidt
(a. a. O.) grenzt die tropische Region der Cap Verden mit circa
450 m Höhe ab; diese Region schliesst sich an das benachbarte
afrikanische Festland an, sowohl an dessen Steppenwüsten als
Savanen; Tamarisken bilden auf St. Vincent einen hervorragenden
Landschaftscharakter. Die gemäßigte Region gliedert sich nach
den Formationen der Compositengesträuche bis circa 900 m, und
Labiatengesträuche 900—1400 m, und diese stehen namentlich mit
den Canaren in engster Beziehung; auch an den felsigen Küsten
bezeugen die Crassulaceen Aichryson, die strauchige Crucifere
Sinapidendron und Euphorbia Tuckeyana den Typus der atlan-
tischen Inseln.
Sehr arme Vegetation hat Ascension gezeigt, welche Insel
durch geringe Bebauung ein freudigeres Grün erhalten haben soll;
9 Arten von Farnen mit 3 endemischen Arten zeigen sogleich das
interessante Obwalten dieser Gewächse bei der Besiedelung intra-
tropischer nakter Felsmassen. Hedyotis Ascensionis und Euphorbia
origanoides sind endemische Halbsträucher. Nach Dr. Börgen ist
jetzt auf dem Green Mount in circa 800 m Höhe eine üppige
Vegetation von Palmen, Bananen, Ingwer etc. angesiedelt (G. J.,
VII, 226).
[470]11. St. Helena, Tristan. — 12. Südliches Afrika.
Eine sehr interessante und ursprünglich gegen 50 Phanero-
gamen und 26 Farne zählende Flora besass St. Helena, bis sie
zu Anfang dieses Jahrhunderts durch Einführung gemeiner Tropen-
pflanzen vernichtet oder auf äusserst spärliche Standorte einge-
schränkt wurde. 16 Bäume und 9 Sträucher wurden i. J. 1813
beschrieben, alle endemisch und von der ozeanischen einsamen
Eilanden eigentümlichen unbestimmten geographischen Anlehnung;
neben diesen immergrünen Laubhölzern bewohnte ein 6 m hoher
endemischer Baumfarn: Dicksonia arborescens, den höchsten Gipfel
der etwa 800 m hohen Insel. Die südafrikanische Rhamnee:
Phylica, und Campanulaceen: Wahlenbergia, von denen W. linifolia
auch auf Ascension vorkommt, weisen deutlich auf das Kapland
hin. Zahlenverhältnisse siehe oben S. 132.
Eine andere Phylica, Ph. arborea, verleiht der Insel Tristan
d’Acunha einen südafrikanischen Vegetationscharakter; diese
endemische Art bildet bis 900 m hoch ansteigende Krummholz-
bestände mit stattlichen Farnen, oberhalb welcher Grasfluren
(Agrostis-Arten) herrschen. Ein in mannshohen Rasen wachsendes
Rohrgras: Spartina arundinacea, hat weit ostwärts auf den ozea-
nischen Eilanden St. Paul und Neu-Amsterdam eine neue Heim-
stätte gefunden; die Phylica arborea findet sich nur noch auf
Amsterdam, ohne damit ihren Wert als ursprünglicher Endemismus
von Tristan zu verlieren.
12. Südliches Afrika.
Auswahl der Litteratur. a) Systematische Floren-
werke: Harvey, The Genera of South African plants, 2. Auflage.
Harvey \& Sonder, Flora capensis; 3 Bde. (unvollendet). Engler,
Plantae Marlothianae, Ein Beitrag z. Kenntn. d. Flora Südafrikas,
in Botan. Jahrb. Syst. Bd. X und XI, 1888—1890. Schinz, Beitr.
z. Kenntn. d. Flora von Deutsch-Südwest-Afrika u. d. angrenz.
Gebiete, in Abh. d. Botan. Vereins d. Prov. Brandenburg XXIX
bis XXXI, 1888—1890. Kuntze, Plantae Pechuëlianae Hereroenses,
in Jahrb. K. botan. Garten Berlin, IV, 1886. —
b) Pflanzengeographie und Reiseberichte: Behm, Süd-
afrika i. J. 1858; Phytogeographie: Geogr. Mittlgn. 1858, S. 203
bis 210. Rehmann, Vegetationsregionen Südafrikas, vergl. G. J.,
IX, 192. Bolus, Grundzüge der Flora von Südafrika, übers. von
Dr. Kersten 1888. Dove, Das Klima des aussertropischen Südafrikas
mit Berücks. der geogr. und wirtschaftl. Beziehungen etc., mit
3 Karten, 1888. Engler, Flora d. deutschen Schutzländer in West-
afrika, in Gartenflora 1885. Marloth, Das südöstl. Kalaharigebiet,
in Bot. Jahrb. Syst., VIII, 247—260. Schinz, Durch Südwestafrika,
in Verh. Ges. Erdk. Berlin, XIV, 322. Hereroland, Land und
Leute, in Geogr. Mittlgn. 1878, S. 306. Hertwig, Das Küstengeb.
v. Natal u. Pondoland, in Geogr. Mittlgn. 1888, S. 358. Bunbury,
[471]Litteratur. Gliederung.
Botan. Wanderung im Kaplande, in Hookers London Journ. of
Bot., II, 15 (1843), III, 230 (1844). Krauss, Fl. d. Kaplandes, in
Regensburger Flora 1844—1846. Fritsch, Drei Jahre in Süd-
afrika, 1868.
Unter dem südlichen Afrika ist hier das Gebiet süd-
lich der kombinierten Palmen-Adansoniengrenze (s. oben!)
zu verstehen, abgesehen von Phoenix reclinata, welche
an der Natalküste viel weiter gen Süden (Algoabai) geht
und hier die Grenze der zur 2. Abteilung der 5. Zone
gehörenden „südafrikanischen Tropenregion“ bildet. Schon
bei Loanda, viel ausgesprochener aber südlich von Mos-
samedes, beginnt das Gebiet der spärlichen Niederschläge
und mit ihm die 1. Abteilung der V. Vegetationszone;
die auf der Florenreichskarte eingetragene Grenze der
60 cm Regenhöhe bezeichnet den Umfang, in dessen nörd-
lich vom Orangefluss liegendem Centrum die Kalahariwüste
sich ausbreitet. Die Südwestecke des Kaplandes hat wieder
reichere Niederschläge, aber Winterregen, und gehört
voll zur 3. Abteilung der V. Zone: so ergeben sich die
durch eine wohlgegliederte Bergkettenbildung vorgezeich-
neten Hauptteile der Vegetationsreiche. Dieselben sind
durch die angeführte Skizze von Bolus im Zusammen-
hange mit Doves klimatisch-kartographischer Arbeit so
ausserordentlich klar gekennzeichnet, dass auf sie zunächst
der geneigte Leser verwiesen werden mag, um das Wesen
der südafrikanischen Flora zu erfassen.
Bolus bildet aus ihr 5 natürliche Vegetationsregionen,
während meine im Anschluss an Rehmann vorgenommene
Einteilung in Berghaus’ physikalischem Atlas, Floren-
karte von Afrika, deren 6 zeigt; indem ich eine von
Bolus vorgenommene Spaltung gleichfalls annehme, schlage
ich hier 7 Regionen vor, die allerdings nicht ganz gleich-
wertig dastehen. Es sind dies: 1. Die Kalahari-
Steppenwüstenregion; 2. die Hooge-Veld oder
Transvaal-Grassteppenregion, von der ersteren
durch reichen Graswuchs, Baumbestände im Norden
(Schinz! vergl. G. J., XIII, 341) und viel grössere Frucht-
barkeit verschieden; beide gehen von der Adansonien-
grenze bis etwa 30° S., lassen aber die Ostküste für die
von der Delagoabai bis zur Algoabai reichende 3. süd-
[472]12. Südliches Afrika.
afrikanische Tropenregion frei. Nun folgt südlich
vom Orangefluss, und nach Bolus einen Teil seines Ober-
laufs mitumfassend, die 4. südafrikanische Hoch-
flächenregion, welche, 1200—1600 m hoch und
nach Süden ansteigend, hier von den Roggeveld-, Nieuwe-
feld-, Sneeuw-, Buschberg- etc. Ketten gegen das Kap-
land abgeschlossen wird. Auf sie folgt die 5. Karroo-
region, ein schmaler, langgestreckter Streifen von der
Mündung des Orange südwärts bis zum Olifantsfluss unter
31 ½° S., und südlich der Nieuwefeldkette etc. bis zu
den Zwarten-Bergen die Karrooflächen erfüllend. Es
bleibt nun noch der südliche und südwestliche Küsten-
strich übrig, welchen Bolus als eine Region auffasst,
während es mir passend erscheint, das waldreichere öst-
liche Gebiet zwischen Algoabai und Mosselbai als 6. süd-
afrikanische immergrüne Waldregion von der 7.
immergrünen Buschregion des Kaplandes zu trennen.
Es ist zu vermuten, dass sich Ausläufer der 6. Region
nordostwärts bis zu den Draken-Bergen entlang ziehen.
Ueber den Endemismus der südafrikanischen Wüsten-
steppen siehe oben S. 146.
Der orographischen und klimatologischen Verschiedenheit des
hier zusammengefassten und verhältnismäßig kleinen Ländergebiets
entspricht ein ebenso grosser Reichtum der Flora; man kann den-
selben ziemlich genau mit dem Australiens vergleichen, obgleich
dort viel mehr tropische Elemente auf die hier nicht vorhandene
Nord- und Nordostküste kommen. Auch ist der Unterschied zwischen
West und Ost räumlich in Südafrika durchaus nicht so stark aus-
gedrückt als in Australien, dennoch aber wahrscheinlich gross-
artiger entwickelt, indem die Hauptmasse der als „capenses“ be-
zeichneten eigentümlichen, halbstrauchigen buntblumigen Gewächse
und Zwiebeln auf die letzte, siebente, Vegetationsregion allein ent-
fallen. Sie ist also die reichste von allen, und die sie bewohnenden
Arten sind im Areal sehr beschränkt.
1. In der Kalahari, und nordwärts schon die Palmengrenze
überschreitend, gedeiht das merkwürdige Charaktergewächs Wel-
witschia mirabilis, eine Gnetacee mit tief im Sande steckendem spin-
delförmigen und nach oben kopfförmig geschwollenen Stamme,
welcher nur zwei grosse riemenartige, zerschlissene Blätter dauernd
trägt. Noch viel charakteristischer, weil das Landschaftsbild durch
ihre wirtschaftliche Bedeutung belebend, erscheint die Cucurbitacee:
Acanthosicyos horrida, die „Naras“, welche unzweifelhaft mit der
Wassermelone Cucumis caffer von Behm (Geogr. Mittlgn. 1858,
[473]Kalahari. Transvaal. Natal. Karroo.
S. 204—205) gemeint ist. „In Jahren, wo mehr als die gewöhn-
liche Quantität Regen fällt, sind weite Striche des Landes buch-
stäblich von ihr bedeckt. Jetzt (1858) kommt es nur einmal in
je 10 oder 11 Jahren vor. Dann erfreuen sich die Tiere jeder
Art und jedes Namens, einschliesslich des Menschen, dieser reichen
Nahrungsquelle.“ Vergl. auch die interessante Monographie von
Marloth in Botan. Jahrb. Syst. IX, 173, Referat in G. J., XIII,
341. — Die grauenvolle Wüste mit ihren Sanddünen wird ost-
wärts bei den bergigen Erhebungen des Landes gemildert; statt-
licher Baumwuchs ziert einzelne Flussbetten, aber fast alle Holz-
gewächse gehören zu der Gruppe der Dornbüsche (Geogr. Mittlgn.
1878, S. 306).
2. Die Hooge-Veldformationen im Orangefluss-Freistaat
und Transvaal zeigen sich besonders in den weit ausgedehnten Gras-
ebenen, welche ebensosehr wilde weidende Tiere begünstigen als
die Schafzucht; Acacia-Arten (A. robusta) sind die hauptsächlichsten
Bäume, welche im Transvaal zu kleinen Hochwäldern sich ver-
einigen. Das Twa-Gras, Arthratherum brevifolium, gilt als charakte-
ristisch für das Randgebiet, auch das der Kalahari, gegen die süd-
lichen Hochflächen.
3. Die Wasserscheide der Drakenberge bildet die Westgrenze
der südafrikanischen Tropenregion, dieses interessanten
Bezirks, in welchem ohne eigentliches Tropenklima und ohne die
wilde Pracht entfesselter Tropenformationen doch in der Haupt-
masse tropische Florenelemente sich beisammen finden. Mehrere
interessante Cycadeen (Encephalartos! Stangeria), die anfangs be-
sprochene Phönix, hochstämmige Musaceen: Strelitzia, dazu aber
auch nunmehr schon Coniferen: Podocarpus und die auch im
Kaplande häufige Bergcypresse Widdringtonia cupressoides bilden
hier mit den für Afrika charakteristischen fleischigen Euphorbien
(E. tetragona und grandidens), und den zu den Rutaceen gehörigen
„wilden Kastanien“, Calodendron capense, einzelne Elemente der
Wälder, Buschdickichte und offene grasige Niederungen.
4. Die Hochflächenregion bildet weite baumlose Hoch-
ebenen, in grossen Zwischenräumen unterbrochen von wenigen
einzelstehenden Bergen, Bergketten oder steilen Felshügeln; auf
letzteren finden sich kümmerliche Buschformationen, im übrigen
treten heideartige Halbstrauchbestände maßgebend hervor mit
Rutaceen, Geraniaceen, Phylica, Rhus, kleinen Leguminosen etc.,
hauptsächlich aber Compositen der Gattungen Helichrysum, Erice-
phalus, Pentzia, Othonnopsis u. a., nach denen Bolus die ganze
Region benannt hat. Der Charakter ist stark endemisch, über wel-
chen das oben (S. 140) Gesagte zu vergleichen.
5. Karrooregion. Hier bildet die Acacia horrida an den
Ufern der trockenen Flussbetten die einzigen wahrhaften Baum-
bestände mit einigen anderen strauchartigen Arten, A. detinens,
Giraffae (Dornsträucher); Capparis oleoïdes hat 3—5 m hohe weisse
Stämme, Portulacaria afra („Spekboom“) ist eine wohlbekannte
Staude mit fleischigen säuerlichen Blättern, Sarcocaulon Patersoni
[474]12. Kapland. — 13. Ostafrikanische Inseln.
und zahlreiche Pelargonien mit Oxalideen geben den südafrika-
nischen Stempel. Strauchsteppen, Gestrüpp und Staudenbestände
sind die herrschenden Formationen, zu denen sich alle diese ver-
einen, auch ganz kahle Bodenstellen finden sich, alles trostlos in
der Trockenperiode, nach Regenfällen in 1—2 Wochen zauberhaft
verändert.
6. und 7. Die südafrikanische (Kapland-) immergrüne
Wald- und Buschregion bildet den artenreichsten Beschluss
dieser interessanten Vegetationsbilder. Die Hochwälder (Region 6)
sind im Verhältnis zu der regenreicheren Gesamtfläche doch auch
nur auf ein enges Areal der Südküste zwischen dem Gauritz- und
Krommefluss und am Fusse der Onteniquaberge beschränkt. Hier
finden sich Bauhölzer in geschlossenem Waldbestande, Riesen-
stämme von Podocarpus Thunbergii, „welche vier Männer nicht
umspannen können“ (Krauss), Crocoxylum excelsum, Curtisia
faginea, Elaeodendron capense etc., Bäume, welche ihre dicht be-
laubten mächtigen Kronen hoch über das niedrige Gehölz erheben
und zahlreiche Schlingpflanzen tragen. So drückt sich hier über-
haupt ein Anschluss an die tropische Ostküstenregion aus, und
erst in der Südwestecke des Kontinents tritt rein jener berühmte
Kaplandcharakter hervor, der in der Masse von Proteaceen, Protea
und Leucadendron (siehe oben S. 202 und speziell Marloth in
G. J., XI, 137) an der Spitze, in der unendlichen Fülle von Erica-
ceen, unter denen Erica selbst mit rund 300 Arten vertreten ist,
in den Pelargonien, Mesembryanthemum- und Aloë-Arten, Rhus- und
Phylica-Sträuchern, sogar in einzelnen selbständigen Familien (Bru-
niaceen), seinen Ausdruck findet. Oft ist von Floristen dieses Gebietes
hervorgehoben, wie merkwürdig wenig Unterschied die Bergeshöhe
auf die Verbreitung der Arten erwirkt, so dass bestimmte Höhen-
zonen nur schwierig hervortreten. Ein niedriges Gebüsch von
dunkler oder bläulich-grüner Farbe, mit wenigen Ausnahmen fast
überall hier vorhanden, bestimmt das Aussehen der Landschaft,
und darin zeichnet sich der Rhinocerosbusch Elythropappus rhino-
cerotis durch Vorwiegen aus (vergl. oben S. 282 u. 284); nur wenige
der hier einheimischen Hölzer erreichen eine 7—9 m übersteigende
Höhe und finden sich in den tiefen Schluchten der Bergabhänge.
13. Ostafrikanische Inseln.
Auswahl der Litteratur. Systematische Uebersichten:
Baker, Flora of Mauritius and the Seychelles, London 1877. Ge-
fässkryptogamen der ganzen Inseln: Kuhn, in Botanik von Ost-
afrika 1879 (G. J., VIII, 260). Buchenau, Reliquiae Rutenbergianae
(Beiträge zur Flora v. Madagaskar), in Abh. d. naturw. Vereins
zu Bremen VII—X, Register X, 394. Baker, Plants of Madagas-
car etc. im Journ. Linn. Soc. London, Bot. XVIII—XX; Journal
[475]Litteratur. Florenverwandtschaft.
of Botany 1882. Baillon (Paris) beginnt ein grosses illustriertes
Florenwerk über Madagaskar herauszugeben.
Pflanzengeographie: Hildebrandt, West-Madagaskar, in
Zeitschr. Ges. Erdk. Berlin 1880, S. 81. Baker, On the natur. history
of Madagascar, in Journ. of Botany, London 1881, S. 327 und 1882;
Nature 1880, Nr. 580, siehe Botan. Jahrb. Syst. I, 547. Hildebrandt,
Skizze der Comoro-Insel Johanna, in Zeitschr. Ges. Erdk. Berlin 1876,
S. 37. Balfour, Account on the botany of Rodriguez, Philosoph.
Transactions Bd. 168, S. 302 (G. J., VIII, 261; vergl. auch Geogr.
Mittlgn. 1880, S. 289). Maillard, Notes sur l’île de la Réunion
(Bourbon), Paris 1863, Bd. I, S. 140. Jouan, Notes s. l. Archip. d.
Comores et Séchelles, in Mém. Soc. Cherbourg 1872, S. 45. Wright,
Seychellen, in Transact. Linn. Soc. London, Bot. XXIV, 571.
Die Flora der ostafrikanischen Inseln ist ihrem Haupt-
charakter nach, soweit sie nicht an den gemeinsam intra-
tropisch verbreiteten Formen teilnimmt, afrikanisch, aber
mit starker Hinneigung an Indien. Wegen der sehr
hohen Zahl eigener Bestandteile (ca. 100 Gattungen, dar-
unter kleine Familien, sind allein auf Madagaskar be-
schränkt; vergl. auch oben S. 133—144) stehen sie als
eigenes Florenreich da, so zwar, dass jede der Inseln in
sich selbst wiederum eine ausgeprägte Eigenartigkeit
zeigt, zumal die Seychellen gegenüber den Maskarenen,
diese gegenüber Madagaskar. Das Klima lässt die Tro-
penformationen vielfältig zur volleren Entwickelung kom-
men, als an den meisten Stellen des afrikanischen Kon-
tinents; auf dem ausgedehnten Berglande Madagaskars,
in dessen den Wendekreis überschreitendem Südteil und
auch im Oberlande der Maskarenen ist aber zugleich das
südafrikanische Florenelement stark vertreten, daneben
einzelne Arten aus der tropisch-afrikanischen Kontinen-
talflora der Hochgebirge, die in Abessinien und auf den
Kameruns wiederkehren.
1. Madagaskar. Obwohl seit Grisebachs Zusammenfassung
(V. d. E., II, 495) viel an Kenntnissen dieser interessanten Insel-
flora gewonnen ist, fehlt es doch auch heute noch an einer be-
friedigenden Gesamtdarstellung. Wahrscheinlich sind 3 verschiedene
Vegetationsregionen zu unterscheiden: die der tropischen Niederungs-
und Bergwaldformationen, die der im Innern auf dem Berglande
gelegenen Savanen, und endlich die der trockenen Dornbuschforma-
tionen im Süden der Insel, letztere mit südafrikanischem Anschluss.
Die erste Region besitzt hervorragende Merkmale aus den Mono-
kotylen: Obeliskenähnliche Pandanus (P. obeliscus) von 18 m
[476]13. Madagaskar. Maskarenen. Seychellen.
Höhe und fast meterdick am Grunde, mit 3—4 m langem Blatt
in dichten Rosetten (Gardeners Chron. XII, 1879, S. 820) bilden
eine Charaktererscheinung im Typus der gerontogäischen Tropen;
die Musacee: Ravenala madagascariensis mit ihren riesigen, zwei-
zeilig gestellten Bananenblättern gesellt sich zu wenigen Palmen
vom ostafrikanischen Typus, Raphia Ruffia, auch eine Arecinee.
Eine (seltene?) Lythracee, nämlich eine endemische Lagerströmia,
weist auf das indische Monsungebiet hin. Kautschuckbäume werden
von Apocyneen: Vahea gummifera und crassipes, gestellt und
entsprechen anderen Arten, sowie den Landolphien im tropischen
Afrika. Endemisch sind alle Chlänaceen. — Im Berg-Savanen-
lande zeigen Schwertlilien wie Aristea und die Ericaceen mit Be-
stimmtheit auf Süd- und Ostafrika, ebenso weist Wahlenbergia
auf das Kap; einige Arten sind bisher nur in der Dega Abessiniens
und im Berglande Madagaskars gemeinsam gefunden. Kitchingia
ist eine endemische Crassulaceen-Gattung.
2. Die Maskarenen. Im Tropenwalde, dessen herrliche
Bäume von Vernichtung bedroht werden, bestimmen Baumfarne
und Orchideen die Physiognomie; für Réunion werden als Cha-
rakterbäume Imbricaria petiolaris mit unverwüstlichem Holze,
Elaeodendron orientale, Sideroxylon cinereum und die sehr häufige
Acacia heterophylla genannt. Sie gehen bis etwa 1300 m, wo ein
Gürtel von Nastus borbonicus (950—1300 m) den Tropenwald ab-
schliesst, doch steigt Monimia rotundifolia mit immergrüner Be-
laubung 2000 m. Auf Réunion leben allein 240 Farne, darunter
4 hohe Cyathea-Bäume. Die Palmengattungen sind ihrem Charakter
nach gemischt: Latania als Borassinee afrikanisch, Hyophorbe und
Arecineen teils indisch, teils mit amerikanischer Verwandtschaft,
endemisch alle. Durch seine viel geringere Höhe unterscheidet
sich Mauritius nicht vorteilhaft hinsichtlich des Florenreichtums;
doch vertreten auch hier eine Phylica (mauritiana) und Philippia
das Kapelement. — Statistik der Inseln siehe G. J., VII, 218 und
VIII, 261; auch die Insel Rodriguez hat unter 470 Arten (173 Farn-
pflanzen!) 35 endemische Blütenpflanzen, 3 endemische Gattungen.
3. Die Seychellen sind besonders dadurch ausgezeichnet,
dass sich unter ihren 60 endemischen Arten 6 besondere Gattungen
finden, von denen 5 Palmen sind; deren berühmteste ist Lodoïcea
Sechellarum, eine hohe Fächerpalme mit gigantischen Blütenkolben
und schweren „Doppelnüssen“, die ein Jahrzehnt zur Reife bean-
spruchen. 3 Arten von Pandanus sind endemisch.
Die oberen Berggipfel sind mit Wäldern von Wormia ferru-
ginea (endem. Dilleniacee) um 900 m Höhe bedeckt.
14. Indien und Sundainseln.
Auswahl der Litteratur. a) Systematische Florenüber-
sichten: Hooker, Flora of british India (London 1872 u. folgd.,
[477]14. Indien und Sunda-Inseln; Litteratur.
mehrbändiges Werk im Erscheinen). Trimen, Systematic Cata-
logue of the Phaner. u. Filices of Ceylon, 1885. Brandis, Forest-
flora of northwest and central India, 1874. Kurz, Forest-flora of
british Burma, 1878, 2 Bde. Theobald, Botany of Burma (Burma,
its people and productions by Mason, Bd. II, 1883). Miquel, Flora
Indiae batavae et Flora sumatrana, 3 Bde. 1855—1861. Grevelink,
Planten van Nederlandsch-Indie bruikbaar voor Handel etc., 1883.
Pierre, Flore forestière de la Cochinchine (Paris, im Erscheinen).
Beccari, Malesia (siehe folgende Gruppe).
b) Pflanzengeographie und Spezialfloren: Hooker \& Thomson,
Introductory essay to the Flora indica, London 1855. Hooker,
Himalayan Journals, or Notes of a Naturalist in Bengal, Sikkim,
Nepal Himalaya, 1854 (2 Bde.). Griffith, Journals of Travels and
Itiner. Notes, 2 Bde. 1847—1854. Jacquemont, Voyage dans
l’Inde 1828—1832, Botanique, Paris 1841—1844. Brandis, Ocean
Highways Oktober 1872 mit Karte; und: Die Beziehungen zwischen
Regenfall und Wald in Indien; Der Wald des äusseren nordw.
Himalaya, in Verh. naturh. Ver. preuss. Rheinl. u. Westph. 1884,
S. 379, u. 1885, S. 153. Trimen, Flora of Ceylon, in Proceed. Roy.
Geogr. Soc. London 1885, S. 243; On the Flora of Ceylon, in
Journ. of Botany, XXIV, 301 (1886) (siehe G. J., XI, 138).
Kurz, Preliminary report on the Forest- and other Vegetation
of Pegu, Calcutta 1875. Kurz, Sketch of the Vegetation of the
Nicobar-Isl., in Journ. Asiat. Soc. Bengal XLV pt. 2, S. 105 (siehe
G. J., VII, 209); on the Vegetat. of the Andaman Isl., Calc. 1870.
Tenison-Woods, Physical Geography of the Malayan Peninsula,
in Nature 1884, S. 152 (Bd. 31). Bureau \& Franchet, Premier aperçu
de la végétation du Tonkin méridional, in Comptes rendus, Paris CII,
298, 502, 927 (1886). Montero y Vidal, Archip. Filipino, Madrid
1886 (S. 61—83). Rolfe, On the Flora of the Philippine Islands,
in Journ. Linn. Soc. London, Bot. XXI, 283 (siehe Geogr. Mittlgn.
1888, Litt. Nr. 315). Rosenberg, Der malayische Archipel, Leipzig
1878 folgd. Zollinger, Pflanzenphysiognomik d. Insel Java, Zürich
1855. Junghuhn, Top. u. naturw. Reisen in Java 1845; Die Batta
länder auf Sumatra, 1845. Korthals, Vegetatie van Sumatra (1845),
im Nederl. Kruidk. Archief D. I, S. 58. Forbes, A Naturalist’s
Wanderings in the Eastern Archipelago, 1885 (siehe Geogr. Mittlgn.
1885, S. 482).
Das grosse Festlandsgebiet vom Indus im Westen,
der Himalayakette im Nordwesten und Norden, den Ab-
hängen der Yünnan-Hochgebirge im Nordosten mit Ein-
schluss der bei Canton den nördlichen Wendekreis er-
reichenden tropischen Formationen Ostasiens, die malayische
Halbinsel und alsdann das Sundainselgebiet bis zur Lom-
bok- und Makassarstrasse und die Philippinengruppe werden
hier in den Grenzen des „indischen Tropenreichs“ zu-
[478]14. Indien und Sunda-Inseln.
sammengefasst. Es ist eine hauptsächlich nach drei Ge-
bieten: Vorderindien, Cochinchina und malayisches Ge-
biet, gegliederte Tropenflora von starker Verwandtschaft
mit dem tropischen Afrika, welche natürlich im vorder-
indischen Gebiet am grössten, im malayischen am ge-
ringsten ist. Das letztere zeigt im Gegenteil die zahl-
reichsten, durch die unmittelbare geographische Anleh-
nung verständlichen Beziehungen zu Neuguinea, und
Celebes teilt seine Flora danach geradezu in zwei geo-
graphische Verwandtschaften.
Schon oben (S. 157, 160) ist darauf hingewiesen,
dass durchaus keine der ausserordentlich starken Faunen-
scheide, welche durch die Lombok-Makassarlinie ausge-
drückt wird, entsprechende Florengrenze zu bemerken
sei; aber dennoch sind, wenn man die Wanderungs-
möglichkeiten für Pflanzen in Betracht zieht und die Ver-
mischung der Entwickelungsherde darauf zurückführt, die
Grenzen zweier natürlicher Floren hier gegeben. Oest-
lich der Makassarlinie ist keine ausgesprochene Verwandt-
schaft mehr mit dem afrikanischen Tropenreich; west-
wärts von ihr sind z. B. Phönix-Arten (bis nach Formosa)
und Borassus flabelliformis noch charakteristische Sippen.
Auszuschliessen von dem indischen Tropenreich ist
der äusserste Nordwesten Indiens, das Pandschab und
Sindh bis über den Ostrand der indischen Wüste hinaus.
Diese Landschaften sind mit der mesopotamisch-persischen
Dattelregion unmittelbar verbunden und gehören zur dritten
Vegetationszone; an ihrer Ostgrenze verlaufen die Vege-
tationslinien von Salvadora, Calotropis procera und Ficus
carica; aus Gebüschen von Tamarix gallica erheben sich
Acacia arabica (welche unter dem Namen „Babool“ am
Indusunterlauf ausgedehnte Bestände bildet) und Populus
euphratica, letztere am häufigsten im oberen und mitt-
leren Sindh.
Für die Beurteilung der Grundsätze, nach denen sich
die somit gesäuberte indische Flora in Vegetationsregionen
gliedert, sind ihre drei obengenannten Gebietsverschieden-
heiten, sowie die Berücksichtigung der klimatischen Gegen-
sätze, die sich hier noch innerhalb der vierten Vege-
[479]Verwandtschaft. Klimatische Gliederung.
tationszone geltend machen, notwendig. Wie ein Blick
auf Köppens Wärmegürtel lehrt, fällt besonders in Vorder-
indien ein grosser Gebietsteil ausserhalb des eigentlichen
Tropenklimas, selbst wenn wir von den oberen Himalaya-
regionen zunächst absehen. Aber da der nördliche Wende-
kreis hier weit überschritten wird, so machen sich im
Nordwesten die Winterkälten sehr bemerklich.
Es mag den ausgezeichneten Darlegungen von Brandis dar-
über folgendes entlehnt werden: Die Mitteltemperatur des Januar
ist im Norden 12°C., während sie im Süden der vorderindischen
Halbinsel, sowie Birma, 25°C. beträgt. Im Juli ist das niedrigste
Monatsmittel (25°C.) gleich dem höchsten Monatsmittel im Januar,
und zwar finden wir es an der Westküste von Vorder- und Hinter-
indien, wo die Regenzeit im Juli ihren Höhepunkt erreicht, der
Himmel mit dichten Wolken bedeckt ist, und die Sonne nur selten
hervorbricht. Die höchste Mitteltemperatur dieses Monats finden
wir im Nordwesten Indiens (Sindh etc.), wo die Sommerregen un-
sicher und spärlich sind und der Sonnenbrand selten durch Wolken
gemildert wird.
Die Regenfälle und die Verteilung der Regenzeiten
sind nun die anderen ausübenden Faktoren in der An-
ordnung der maßgebenden Vegetationsformationen, und
gerade über deren Beziehungen verdanken wir Brandis’
angeführter Schrift klare Belehrung.
Ihr zufolge sind die immergrünen (nur weniger mit
blattwechselnden Gehölzen gemischten) Regionen Vorder-
indiens an die beiden regenreichen Gebiete Canara-Tra-
vancore und den Himalaya-Südhang mit Erweiterung vom
Brahmaputra bis zur Gangesmündung gebunden; das
letztere Gebiet setzt sich an der Westküste Hinterindiens
fort; von der malayischen Halbinsel an nach Süden und
Osten bleibt dann die Niederschlagshöhe auf dem unge-
fähren gleichhohen Maße stehen. Hiernach sind die fol-
genden Vegetationsregionen, noch umgeändert nach ihrer
Darstellung in Berghaus’ physikalischem Atlas Nr. 48
entsprechend neueren Arbeiten, aufzufassen:
1. Tropische Waldregion des Himalaya bis
900 m Höhe; Bestände von Dalbergia Sissoo mit Pinus
longifolia, Shorea robusta und Acacia Catechu.
2. Subtropische und gemäßigte Waldregion
des Himalaya, 1000—3600 m: Eichen mit mannig-
[480]14. Indien und Sunda-Inseln.
faltigen Nadelhölzern und borealen Laubholzgattungen.
Rhododendron; in sich selbst wesentlich geschieden nach
dem nordwestlichen und dem östlichen Himalaya als
Teilen zweier Florengebiete.
3. Dekhan. Tropische regengrüne Waldungen mit
Tectona, Santalum album, Pterocarpus santalinus, Butea
frondosa, Borassus, Phoenix silvestris, Acacia Catechu,
Cedrela Toona.
Nördlich der Grenze des Teak-Holzes, Tectona grandis, welche
weit südlich vom Ganges verläuft, breiten sich die Gangesniederung
und die Gangesebenen bis zur Region 1 aus, welche wohl nur als
ärmere Abteilung dieser Region zu betrachten sind.
4. Canara, Malabar und Travancore. Immer-
grüne Regenwaldungen, wesentlich von denen Assams und
Birmas verschieden. Corypha umbraculifera gedeiht; Ca-
ryota urens hauptsächliche Charakterpalme. Wenig Magno-
liaceen (2 Michelia). (Hierher Ceylon mit Cocoswäldern.)
5. Birma (Pegu, Arracan, Chittagong, Cachar;
nordwärts sich mit der Tropenregion des südöstlichen
Himalaya mischend). Hauptsächlich immergrüne Wal-
dungen, mit sommergrünen gemischt, Dipterocarpeen ver-
gesellschaftet mit Quercus! Castanopsis, Pinus Merkusii.
Viele Magnoliaceen (7 Michelia, Magnolia, Talauma). Ficus
elastica.
6. Siam-Annam mit Formosa und den nordöst-
lichen Ausläufern des indischen Reiches. Grosser Reich-
tum an Clusiaceen: Garcinia! Palmenreichtum gering.
7. Philippinen. Allgemeine Züge der malayischen
Flora, aber es fehlen wesentliche Bestandteile und treten
boreale Typen ein: Pinus Merkusii und insularis. Sechs
Gattungen endemisch; Tectona grandis und viele Diptero-
carpus-Arten hervorragend.
8. Malayische tropisch-immergrüne Region,
von Malakka über die Sundainseln in verschiedener Höhe,
durchschnittlich bis 300 m Höhe, ausgedehnt. Grosser
Palmenreichtum: Corypha Gebanga; Heimat der Areca
Catechu! Nipa, Cyrtostachys, viele Calamus und Plecto-
comia etc. — Barringtonia speciosa, Guttiferenwaldungen,
Myrtus und Ficus.
[481]Vegetationsregionen. Kulturpflanzen.
9. Malayische Bergwaldregion, untere Stufe
(bis ca. 1800 m) mit Dipterocarpeen, darunter der Borneo-
Kampherbaum: Dryobalanops Camphora; Liquidambar
Altingiana, Reichtum an Eichen und Farnen; obere
Stufe mit epiphytischen Ericaceen (Agapetes! Vaccinium)
und Podocarpus.
10. Malayische Alang-Savanen von Imperata
arundinacea oder cylindrica (vergl. oben, S. 295).
Von charakteristischen Familien treten hier also
ausser den indischen Tribus von Palmen die Diptero-
carpaceen, Clusiaceen und Ebenaceen, Cupuliferen in be-
sonderen Abteilungen von Quercus auf; die Aurantiaceen
sind hier bedeutend entwickelt, Citrus medica, die Citrone,
und Citrus Aurantium haben indische Heimat ohne deut-
lich erkennbaren Lokalursprung. Die Gattung Ficus er-
reicht eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit und ist
ebensosehr mit dem indischen Cultus (F. religiosa) als
mit der modernen Industrie (Kautschuk von F. elastica)
verwachsen; vergl. auch oben, S. 249.
Einige Kulturpflanzen, welche noch im Sommer
gemäßigter Klimate Gedeihen finden, haben hier ihren Ur-
sprung gehabt, nämlich die Gurke, Cucumis sativus, und
die von Guinea bis Indien gehende Cucumis Melo neben
vielen anderen Cucurbitaceen. Aber solche Arten sind
selten; die meisten Kulturpflanzen sind auf dauernd
tropisches Klima hingewiesen. Von diesen hat seine
Heimat innerhalb des indischen Florenreichs, vielleicht in
Cochinchina, das Zuckerrohr, Saccharum officinarum.
Hier ist das Indigenat der Zimmetbäume (Cinnamo-
mum ceylanicum), der Piper-Arten ein guter Teil der
Scitamineen, und zwar der die Gewürzpflanzen liefernde,
ist hier zu Hause und formenreich entwickelt: der Ingwer
(Zingiber), die Galgantwurzel (Alpinia Galanga) auf Hainan
entdeckt, der Cardamom (Amomum, in Siam und weiter),
Curcuma-Arten, und hier hat die Banane, Musa sapien-
tum, ihr Vaterland. Auch der Reis (Oryza sativa) findet
hier eine passende Einschaltung; dass sein Vaterland das
nördliche Indien und südwestliche China umfasst und
von da eine grosse Kulturerweiterung gefunden hat, darf
Drude, Pflanzengeographie. 31
[482]14. Indien und Sunda-Inseln.
als gewiss gelten. Verwandte, vom eigentlichen Kultur-
reis abweichende Rassen wachsen wild noch jetzt an
manchen Stellen des Florengebiets, so z. B. auch „Berg-
reis“, Oryza coarctata, bei Parasnath (G. J., X, 315).
Der eigentliche wilde Reis soll noch jetzt an Seeufern
Indiens in grosser Menge wachsen, aber wegen seiner
geringen Erträge nicht sehr beachtet werden (vergl. A.
de Candolle, Ursprung der Kulturpflanzen, S. 487).
Die am reichsten zusammengesetzten Bezirke scheinen
die Berggegenden von Khasia und Assam, und anderer-
seits Borneo zu sein. Die Hauptmasse der vorderindi-
schen Floren dagegen erscheint arm, ihre Ebenen sind
nicht wie in Südamerika mit grossen zusammenhängenden
und formenreichen Wäldern bedeckt, auch fehlt es an
entsprechenden Formationen der Catingas Brasiliens.
Diese und viele andere Ausführungen sind von Hooker und
Thomson in der Einleitung zur Flora indica ebenso klar als an-
ziehend gegeben, so dass dieses Werk auch heute nach so langer
Zwischenzeit seinen hohen Wert voll behauptet.
Ein klares Bild der tropisch-indischen Waldformationen
hat Kurz in seinen Studien über die Wälder von Pegu gegeben
(siehe G. J., X, 190). 7 Waldungen werden unterschieden, von
denen 4 immergrün, 3 blattwechselnd sind; dazu kommt noch eine
immergrüne vom nicht tropischen Typus, indem Pinus Kasya in
Oberava und Martaban nicht unterhalb 1000 m, Pinus Merkusii in
Tenasserim schon von 500 m an aufwärts einfache Kiefernwälder
bildet, die sich bis nach Sumatra fortsetzen. Die übrigen 4 Forma-
tionen sind:
- 1. Die Mangroven (ausser Rhizophora gebildet von Bru-
guiera, Kandelia, Sonneratia, Aegiceras) und Flutwaldungen ohne
Rhizophoreen, gemischt aus 30 verschiedenen Baumarten. - 2. Sumpfwaldungen im Innern, welche ihre Blätter
während der Regenzeit abwerfen, ohne Palmen und Bambus. - 3. Eigentliche Tropenwaldungen immergrüner Be-
laubung, aber auch hier gemischt mit einzelnen laubabwerfenden
Bäumen (Sterculien, Parkia, Albizzia); Rotangpalmen bilden hier
die meisten Lianen, einzelne Bambus eigene „Unterwälder“; viel
hochstämmige Palmen und Pandanus. - 4. Hügelwaldungen, hauptsächlich aus Eichen mit
Myrica, Rhododendron, Eurya etc. gebildet.
Die blattwechselnden Waldungen setzen sich in Birma
fast nur aus Arten zusammen, welche ihr Laub infolge von Trocken-
heit und Sommerhitze abwerfen; sie sind viel weniger mannig-
faltig zusammengesetzt und entbehren fast ganz der Palmen; nur
[483]Tropische Wälder. — Regionen des Himalaya.
Caryota urens, Wallichia und einige Palmlianen vertreten hier
diese Familie. Unterschieden werden gemischte Waldungen
mit Tectona grandis, die zahlreichsten, welche wenigstens ⅔ der
Fläche von Pegu-Arracan bedecken, trockene und offene Wal-
dungen, letztere charakterisiert durch den Engbaum Dipterocarpus
tuberculatus; viele Bäume blühen hier blattlos während der heissesten
Jahreszeit. — Auch aus dieser Skizze geht wiederum hervor, dass
die regenreicheren Gebiete, welche die Signatur immergrüner
Wälder tragen, doch vielleicht zum grösseren Teile regengrüne
mit periodischer Belaubung besitzen, welche dann allerdings auch
aus denselben Familien wie erstere sich zusammensetzen. Der
Einfluss des Untergrundes scheint in dieser Beziehung von hoher
Bedeutung zu sein.
Der gewaltige Kranz des Himalaya vermittelt für
Indien die reichere Vertretung des borealen Floren-
elementes. Die inneren Teile des Gebirges gehören zu
Innerasien (siehe oben S. 410); nur etwa ⅕ seiner ganzen
Breite steht mit der indischen Flora im organischen Zu-
sammenhange, und scheidet sich in Nepal nach Nord-
west und Ost. Die Stufenfolge der Vegetatation im nord-
westlichen Himalaya mag schematisch nach Brandis’
Auseinandersetzungen (etwa für Simla passend) hier ent-
wickelt werden:
- 3900 m Schneelinie:
- Rhododendron Anthopogon und lepidotum (von Kasch-
mir bis Sikkim verbreitet). - Boreale Stauden: Ranunculus. Anemone. Delphinium.
Aconitum. Primula. Parnassia. Pedicularis.
Astragalus. Nardostachys.
- Rhododendron Anthopogon und lepidotum (von Kasch-
- 3660 m Obere Waldgrenze:
- Betula Bhojpattra, Tibet, Sikkim, Bhotan, Ost-
asien; geht 150 m höher als Abies. - Abies Pindrow (A. Webbiana). Rhododendron
campanulatum. Picea Morinda (= Abies
Smithiana, Khutrow). Quercus semecarpi-
folia u. dilatata, immergrün, langsam wach-
send, bartflechten-bekleidet. - Juglans regia, Corylus Colurna; Pinus excelsa
(identisch mit P. Peuce der Balkanhalbinsel)
um 3000 m. - Cedrus Deodara, Himalaya-Ceder. 1800—3000,
selten 3500 m hoch. - Trachycarpus Martiana, mit Chamaerops ver-
wandte Palme 2000—2400 m. Rhododen-
dron arboreum.
- Betula Bhojpattra, Tibet, Sikkim, Bhotan, Ost-
- 2100 m Grenze des subtropischen Waldes:
- Quercus incana 900—2400, immergrün mit
grauer Belaubung, bildet den Uebergang. - Grewia oppositifolia, Celtis australis, Olea cu-
spidata (verw. mit O. europaea). - Albizzia Julibrissin an Wasserläufen. Rosa
moschata, Kletterrose des nordwestlichen
Himalaya. - Rhus Cotinus (dieselbe Art wie in Dalmatien,
Bosnien); Rh. semialata, succedanea (wie in
Ostasien). - Pinus longifolia steigt bis 2100 m.
- Quercus incana 900—2400, immergrün mit
- 900 m Grenze des tropischen Waldes:
- Dalbergia Sissoo, steigt bis 1500 m, vom Indus
bis Assam gesellig. - Acacia Catechu steigt bis 900 m. Im östlichen
Gebiet beginnt Calamus Rotang. - Bambusen: Dendrocalamus strictus. Palmen:
Phoenix acaulis und seltener silvestris.
Combretaceae, Meliaceae. - Shorea robusta, der Sal-Baum, geht bis Assam
(ausserdem Bengal-Bahar-Berar) und steigt
bis 900 m.
- Dalbergia Sissoo, steigt bis 1500 m, vom Indus
Für jeden Kenner der südeuropäisch-orientalen Flora
ist es ersichtlich, wie sehr die Elemente dieser Länder in
dem subtropischen und gemäßigten nordwestlichen Hima-
laya vertreten sind. Das Beispiel von Rhus zeigt, dass
aber auch bis hierher ostasiatische Arten dringen, ob-
gleich deren Hauptbezirk in Assam und Bhotan liegt,
und sie auch Nepal noch ebenso, wie die westlichen
(orientalen) Arten durchsetzen. Ueberhaupt ist der Ueber-
gang beider boreal-subtropischer Elemente ein sehr all-
mählicher, und es ist dabei nicht zu vergessen, dass die
mittlere und obere Waldregion des Himalaya erfüllt ist
mit endemischen Arten (siehe die Eichen und Coniferen),
deren Verwandtschaft allerdings offen daliegt.
Die scharfe Höhengrenzenbestimmung, welche wir im
Himalaya noch finden, hat im Südosten ein rasches Ende.
Schon in der Flora von Birma tritt der Umstand hervor,
dass Arten Vorderindiens, Eichen, Gummiguttbäume etc.
aus den dortigen grossen Höhen in tiefe Formationen
herabsteigen, sich an der hinterindischen Westküste un-
mittelbar über dem Meere finden (G. J., X, 189—190).
[485]Höhengrenzen auf Java und Sumatra.
Auf dieselbe Erscheinung hat Junghuhn bei dem Ver-
gleiche von Java und Sumatra aufmerksam gemacht, da
die Eichen in Java hauptsächlich zwischen 900—1600 m
auftreten, in Sumatra dagegen von 160 m bis über 1600 m
hinaus. Auch die Casuarinen, die merkwürdigste hier
eingeschobene und von Australien-Neuguinea herstam-
mende Formation schachtelhalmartiger hoher Bäume,
pflegen in Java höhere Regionen zu bewohnen, während
sie in Sumatra als lichte Wälder am Küstensaum neben
Guttiferenwaldungen wachsen.
Die Casuarinen, und zwar C. equisetifolia, haben pyramidale
Kronen von blattlosen Rutenzweigen, die beweglich im Winde
schweben. Ihre luftig und schlank emporstrebenden Wipfel sind
mit den Lärchenbäumen zu vergleichen und ragen hoch über das
gelblichgrüne Laubdach des anstossenden Mangrovewaldes hervor.
In ihrem lichten Hain finden auch dunkelgrün belaubte Bäume,
wie Calophyllum, Hibiscus tiliaceus (mit weiter pacifischer Verbrei-
tung) u. a., Platz. Im östlichen Java hat Kuntze die Casuarinen-
waldungen und mit diesen licht besetzte Savanen geschildert
(Um die Erde, S. 384); dort treten sie von 1600—2580 m auf und
K. bezeichnet „die höhere Region Javas als die letzte Station,
wo Casuarinen sich häufiger erhalten konnten“. Ost- und Westjava
besitzen nach ihm und Forbes eine sehr verschiedene Flora, welche
sich etwa im Wilisgebirge begegnen: „Der trockene Ostmonsun
scheint die Flora Ostjavas mit seinen vielen Abkömmlingen Au-
straliens immer mehr nach Westen vorzurücken; die Flora West-
javas weicht langsam zurück. Im Dieng fand ich ¾ westjavanische
Pflanzenarten, ¼ Ostjavaner; im Wilis sind dieselben ostjava-
nischen Pflanzen, die im Dieng selten waren, bereits häufig. In
botanischer Hinsicht scheinen die Grenzen von Asien und Australien
über die Lombockstrasse gegangen und bis hierher vorgeschoben
zu sein.“ Uebrigens geht die Casuarina noch viel weiter nach Osten,
diese Art z. B. an den Sandküsten von Arracan und Tenasserim.
Auf Sumatra folgt auf die untersten 200 m Höhe (Ficus und
Myrtaceen) bis circa 1850 m die Eichenregion mit Dipterocarpaceen,
unter denen der Borneo-Kampferbaum ausgezeichnet ist; „auf
gigantischem weissberindeten Stamm trägt er seine weit ausge-
breitete Krone mit zierlichem, aber breitem, geripptem Laub“
(Junghuhn). Von 1850—2700 m ist als oberster Waldgürtel ein
Mischwald von Ternstroemiaceen, Podocarpus und Vacciniaceen;
Eurya und Gordonia herrschen mit Myricagebüschen vor. —
Tectona grandis ist auf Sumatra noch häufig, fehlt aber schon
im westlichen Java, ebenso Dryobalanops (Forbes). Die inneren
Savanen erstrecken sich von unter 1000 m bis 1800 m, sind oft
Folge der Waldverwüstung, in ausgedehnten Bezirken aber ur-
sprünglich. Neben dem Alanggrase (Imperata Koenigii = var. cy-
[486]15. Pacifische Inseln. — Litteratur.
lindrica!) finden sich höhere, 2—3 m aufschiessende Gräser, zumal
Saccharum spontaneum mit Farnen (Pteris); selbst Erdbeeren
siedeln sich gelegentlich ein.
15. Pacifische Inseln bis Neuseeland.
Auswahl der Litteratur. a) Systematische Floren-
übersichten:Drake del Castillo, Illustrationes Florae insularum
Maris pacifici, Paris (im Erscheinen). Beccari, Malesia: Raccolta
di Osservazioni botaniche intorno alle piante dell’Arcipelago Indo-
Malese e Papuano. 3 Bde., 1877—1888 (in Fortsetzung). Scheffer,
Nouvelle Guinée in Annales du jardin bot. Buitenzorg. Bd. I,
1876 (Florenliste). Schumann, Flora d. deutsch. ostas. Schutz-
gebietes, in Bot. Jahrb. Syst. IX. 189; Schumann \& Hollrung, Fl.
v. Kaiser Wilhelms-Land, 1889. Ferdinand v. Müller, Descriptive
notes on Papuan Plants, 1875 u. folgnd.; Mac Gregor-Highlandplants
from New Guinea, 1889 (siehe Geogr. Mittlgn. 1890, Littb. Nr. 652).
Engler, Phanerogamen d. Gazellenexpedition, in Bot. Jahrb. Syst.
VII, 444. Brongniart \& Gris, Deser. d. pl. de la Nouvelle donie,
Calé-Paris 1866—1872. Sebert \& Pancher, Les bois de la Nouv.-
Caléd., Paris 1876. Seemann, Flora vitiensis, London 1865—1873. —
Hillebrand, Flora of the Hawaiian Islands, London 1888 (G. J.,
XIII, 343).
b) Pflanzengeographie:Wallace, The Malay Archipelago,
1869. Forbes, Wanderings (siehe oben; Timor!). Studer, Besuch
auf Timor, in Deutsch. geogr. Bl. 1878, S. 230. Teysmann, Voyage
à la Nouv.-Guinée, in Ann. jardin bot. Buitenzorg I, 61. Albertis,
Fly River (siehe Geogr. Mittlgn. 1878, S. 423). Hollrung, deutsch.
Schutzgebiet Südsee, in Globus Bd. 54, Nr. 20. Naumann, Vegeta-
tionscharakter d. Ins. Neu-Britann. und Bougainville, in Botan.
Jahrb. Syst. VI, 422. Kittlitz, Vegetationsansichten, 1850 (Caro-
linen, Marianen). Balansa, Nouv.-Calédonie in Bull. Soc. de géogr.
1873, S. 113, Bull. Soc. botan. France XIX, 303 (Griseb. Abh.,
p. 485, 553). Fitzgerald, Lord Howes Island, in Zeitschr. Ges.
Erdk. Berlin XII, 153 und Grisebach, Abh. 401. Horne, Fidji-
Inseln, siehe Geogr. Mittlgn. 1882 und G. J., IX, 195. Betche,
Samoa-Ins., siehe G. J., IX, 196; Marshall-Ins., siehe G. J., X. 193.
Unter dem Namen „Pacifische Inseln“ fasst Drake
del Castillo die zwischen 130° w. L. und 130° ö. L. ge-
legenen Inseln, also von den Molukken bis zu den Mar-
quesas, der Breite nach von den Sandwichinseln im Norden
bis nach Neuseeland im Süden zusammen in eine pflan-
zengeographische Gruppe, welche hier westwärts bis zur
Makassarstrasse erweitert angenommen und mit Neusee-
land in Auschluss gebracht wird. Ein fast 40 Breiten-
[487]Bereich. Florenelemente.
grade erreichender Gürtel, grösstenteils Wasser, bringt
seinen zerstreuten äquatorialen Inselgruppen und dem
Hauptlande: Neuguinea, echt tropisches Klima, wenn-
gleich dasselbe ozeanisch temperiert auftritt; der Rest
gehört zum subtropischen Gürtel, in ihm liegt schon Neu-
kaledonien und er reicht bis zur Lord Howe-Insel süd-
wärts hinab. Nun folgt Neuseeland, in seiner Erstreckung
durch 12 Breitengrade beinahe den japanischen Inseln
(ohne Sachalin) insofern zu vergleichen, als sich auch
hier in starker Aneinanderdrängung solche Klimagürtel
finden, welche in den Grenzscheiden maßgebender For-
mationen sich ausdrücken. Das nördliche Neuseeland ragt
in den konstant gemäßigten Wärmegürtel hinein, ist da-
her befähigt, tropische Formen in Beschränkung zu er-
halten (darunter eine Palme), bildet einen Bestandteil der
zweiten Abteilung der V. Vegetationszone, und diese
Sippen gehören zu dem Hauptelement der pacifischen
Inseln. Die Südspitze aber, zur vierten Abteilung der-
selben Zone gehörend, berührt schon den kalten Gürtel.
Vergleichbar dem südlichsten Sachalin und unterstützt
durch die wundervolle Gebirgsgestaltung der Inselgruppe
hat hier das antarktische Florenelement die weiteste Ent-
wickelung im Bereich der östlichen Halbkugel gefunden,
indem seine Gebirge Anteil an der sechsten Vegetations-
zone nehmen. Es ist daher notwendig, Neuseeland sowohl
als auch unter Kap. 21 zu berühren.
In der Flora dieser weit zerstreuten Archipele machen
sich drei Hauptzüge bemerkbar: 1. Das wichtigste Floren-
element ist das in den Familien des tropischen
Asiens überhaupt sich ausdrückende, und es sind auf den
den Sunda-Inseln benachbarten Gruppen indisch-malayische
Arten in grosser Anzahl. 2. Diese Verwandtschaft ist aber
nicht so gross, dass sie nicht noch durch den Eindruck
der Selbständigkeit übertroffen würde, sobald eine
grössere, natürliche Floreneinheit tropischen Charakters
durch Hinzuziehung des nördlichen und östlich-tropischen
Australiens geschaffen wird; in diese Flora ist auch das
eigentlich australische Florenelement (nicht tropischer
Familien) zumal auf den Bergländern eingedrungen und
[488]15. Pacifische Inseln.
hat sich weit zerstreut. 3. Die Zerteilung nach weit ent-
legenen Inseln bringt es mit sich, dass endemische
Charaktere besonders im Art-, aber auch im Gattungs-
bestande hoch entwickelt sind, selten allerdings von jener
zuerst bei St. Helena bemerkten Unbestimmtheit (Hawai-
Inseln), meistens mit deutlich und einseitig ausgeprägter
Verwandtschaft. Dass der Artbestand an 50—80 % der
Blütenpflanzen endemisch besitzt, ist für die hauptsäch-
lichen Insel-Gruppen daher erklärlich, die niedrigen Ko-
ralleninseln dagegen besitzen nur die indisch-ozeanischen
Pflanzen von weiter Verbreitung. Der Artreichtum ist
meistensgross, zumal in Neukaledonien mit circa 1500 Blüten-
pflanzen.
An wichtigen tropischen Kulturpflanzen, von denen
ein grosser Teil der vorhin unter Indien (S. 481) be-
sprochenen noch ebenfalls ein kräftiges Gedeihen inner-
halb der 20 um den Aequator liegenden Breitenkreise
findet, herrscht hier ein neuer Reichtum, der sich aller-
dings mit dem 10° S. sogleich stark abschwächt und
beim Uebergange in die fünfte Vegetationszone in dem
Nordteil Neuseelands, den herrschenden Formationen sub-
tropisch-immergrüner Wälder entsprechend, durchaus
nichts Erhebliches mehr an Produkten aufzuweisen hat.
— Die an die Sunda-Inseln ostwärts zunächst angrenzen-
den Inseln sind berühmt durch ihren Gewürzreichtum:
Caryophyllus aromaticus, Myristica, Piper Betle und offi-
cinarum neben der noch unentbehrlichen Areca-Nuss etc.
Von stärkeführenden Knollen sind einige Arten von Dios-
corea neben den westlich-indischen (D. sativa) einheimisch;
es sind dies die ostindischen Yamswurzeln, deren Ur-
sprung und Verbreitung durch die lange Kultur undeut-
lich geworden ist; am meisten verbreitet scheint auf Neu-
guinea und den Nachbarinseln D. alata; Berühmtheit
besitzt auch die Colocasia antiquorum. Andere Mehl-
nahrung liefern die Sagopalmen (Metroxylon), deren Hei-
mat hier liegt, und die Brotfruchtbäume, von denen
Artocarpus incisa von Sumatra bis nach den Marquesas
hin von den ersten europäischen Entdeckern in der Be-
nutzung der Eingeborenen getroffen wurde, während A.
[489]Kulturpflanzen. Florenreichscharakter.
integrifolia (anscheinend von geringerer Bedeutung als
Nutzpflanze) in der indischen Ländergruppe zu Hause ist
(„am Fusse der westlichen Gebirge der indischen Halb-
insel“, A. de Candolle). Für Nahrung und Handel ist
die Cocos nucifera von hervorragender Bedeutung; sie
mag es gewesen sein, solange der Mensch auf den
kleinen Archipelen sein Wesen trieb, aber nach allen
pflanzengeographischen Regeln ist dennoch das tropische
Amerika als ihre ursprüngliche erste Heimat anzusehen,
was man auch dagegen einwenden mag.
Die Zweckmässigkeit, auf Neuguinea ein eigenes Floren-
reich vom indischen Reiche getrennt zu begründen, scheint zuerst
von Dyer bei einer monographischen Studie der Dipterocarpaceen
hervorgehoben zu sein i. J. 1878 (G. J., VIII, 210), nachdem Wal-
laces hervorragende Arbeiten den Grund dazu gelegt. Bei dem in
jüngster Zeit bedeutend geförderten Wissen über diese Flora haben
sich allerdings immer neben den eigenartigen, nicht indischen
Elementen auch neue Verknüpfungen mit dem Westen gezeigt,
wie besonders durch Müllers Bearbeitung der von Mac Gregor ge-
sammelten Owen-Stanley-Gebirgspflanzen: hier sind indische, ma-
layische Rhododendren, überhaupt unter den endemischen Arten 17
vom Typus des Himalaya, aber daneben auch antarktische Arten
und australische Familien (Astelia alpina, Styphelia montana,
Uncinia 2 sp., Epilobium pedunculare und Galium australe etc.)
in grossem Prozentsatz; auch hier also trifft sich unter dem
Aequator auf Hochgebirgen das boreale mit dem australen Ele-
ment. Diese Wanderungen haben die alte Getrenntheit, welche
sich geologisch nach Wallace, Geograph. Distribution of Animals I,
464—466 herleiten lässt, teilweise durchbrochen und unter Mit-
wirkung der malayischen Inseln beschränkt, wofür vom geologischen
Standpunkte auch Studer (Deutsche Geogr., Bl. V., 163) Belege für
Timor bringt.
Von Charaktersippen lassen sich wenige nennen, welche
die ganzen pacifischen Inseln auszeichneten; ihre Vegetations-
linien zerteilen sie im Gegenteil in die Neuguinea-, Neukaledonien-
und Viti-, polynesische, hawaische und nördlich-neuseeländische
Gruppe, die teilweise in mehrere nach orographischer Gliederung
wohlgeordnete Vegetationsregionen zerfallen. Die trockenfrüch-
tigen Myrtaceen, vornehmlich Melaleuca Leucadendron u. a., zeichnen
die mit Australien benachbarte nördliche Hauptgruppe aus, wo
auch Casuarinen mit Proteaceen wachsen; die Epacridee Draco-
phyllum ist zwischen Australien und Neukaledonien gemeinsam.
Wichtig sind die Coniferen: Araucaria geht vom nordwestlichen
Neuguinea bis zur Norfolkinsel und schliesst Nordostaustralien
ein, die Neuen Hebriden und alles östlich Gelegene aus. Agathis
(= Dammara) tritt aus dem malayischen Archipel bis zu den Viti-
[490]15. Pacifische Inseln.
inseln und dem nördlichen Neuseeland und zwar A. vitiensis auf
den Fidji, Molukken-Philippinen, A. Dammara von Java bis Neu-
guinea, A. australis in Neuseeland und Ostaustralien.
Die Areca-ersetzende Gattung Kentia ist charakteristisch von der
Westgrenze bis Neuseeland (Kentia sapida), schliesst aber Poly-
nesien und die hawaischen Inseln aus; letztere haben die Fächer-
palme Pritchardia mit den Viti-Inseln in getrennten Artgruppen
gemeinsam. Die Gattung Calamus verliert sich schnell, die Sago-
palmen sind bis zu den Freundschaftsinseln von charakteristischer
Bedeutung, aber nicht südlich 20° S. Pandanus und Freycinetia
sind weit und artenreich verbreitet, auf den Inseln nördlich vom
Aequator ist P. odoratissimus die herrschende Art. Hibiscus tiliaceus,
Ficus-Arten und die stolze Barringtonia speciosa u. a. sind in den
Küstenwaldungen weit verbreitet; zahlreich und häufig von gigan-
tischem Wuchs sind hier in Zone IV die Araceen, zahlreich die
kleinen und baumartigen Farne bis nach Neuseeland hinab.
Die Hauptformationen bestehen aus Mangroven, Littoral-
waldungen von echt tropischem Charakter (mit Barringtonia, Cocos
nucifera, Hibiscus), dann die Tropenwaldungen der Flussthäler und
unteren Berggehänge, über denen ein einförmiger zusammen-
gesetzter oberer Bergwald folgt; in letzterem bemerkt man den
Reiseberichten zufolge oft weit zusammenhängende Bestände einer
einzigen Art, doch sind die Species meistens nicht genannt. So
auch in Neuguinea, wo ausserdem in Höhen zwischen 400—500 m
weite Savanen mit Eucalypten nach australischem Typus auftreten;
die Palmen und Freycinetien steigen einzeln in das Bergland bis
1000 m hinauf. Ausserdem sind noch dichte immergrüne Gebüsche,
welche mit dem australischen „Scrub“ verglichen werden, häufig
in grosser Ausdehnung, zumal auf Berggipfeln, so z. B. auf Neu-
kaledonien von 1200—1600 m von Myrtaceen und Dracophyllum
gebildet. Die Grasgelände zeigen sich aus Arten von meistens
sehr weiter Verbreitung zusammengesetzt.
Auf den hawaischen Inseln reicht bis 300 m eine offene
Graslandschaft mit einzelstehenden Tropenbäumen; von 300—600 m
folgt die untere tropische Waldformation mit der Euphorbiacee
Aleurites moluccana, Ingwer etc. Daran schliessen sich mittlere
Tropenwaldformationen bis 1600 m mit Araliaceenbäumen; von
weiter Verbreitung ist Acacia Koa (Griseb. V. d. E., II. 500). Als
oberste Formationen bezeichnet Hillebrand bis 2800 m Zwerg-
bäume (Sophora) mit strauchigen Compositen, Vaccinien, Epacrideen
(Cyathodes). Endemische Eigentümlichkeiten siehe oben S. 133,
134 und 136.
Es endet in dem oben besprochenen Anschluss zweier
innig verschmolzener Florenelemente dieses Inselgebiet
mit den tropischen und subtropisch-australen Bestand-
teilen von Neuseeland (vergl. unten Kapitel 21).
Litt.:Hooker, Flora of New Zealand (mit col. Taf.) 1852;
[491]Formationen. Hawai-I. — Neuseeland.
Handbook of the New Zealand Flora, London 1867. Engler, In Ver-
such Entwickel. Floren II, 55. — Kirk, Forestflora of New Zealand,
1889 (siehe Geogr. Mittlgn. 1890, Littb. Nr. 613). Hutton, Origin
of the Fauna and Flora of New Zealand in Magaz. of Nat. Hist.
XIII—XV, 1884—1885. Thomson, Flow. plants of New Zealand in
Transact. Proceed. bot. Soc. Edinburgh XIV, 91 (G. J., X, 194).
Cheeseman, Die naturalisierten Pflanzen d. Prov.-Distr. Auckland,
in Botan. Jahrb. Syst. VI, 91. Müller, Vegetation of the Chatham-
Islands. Melbourne 1864. — Grisebach, Abhandl. S. 402, 437.
Der endemische Charakter Neuseelands ist haupt-
sächlich in den Sippen vom Artrange bei den Blüten-
pflanzen kräftig entwickelt (61½ % von gegen 950 Arten,
zu denen noch 130 Farnpflanzen kommen); nur etwa
zwei Dutzend Gattungen sind unter einer Gesamtzahl von
über 300 (!) endemisch, und von allen diesen ist die
Verwandtschaft klar und bestimmt, nämlich tropisch-
asiatisch oder australisch (letzteres selten), oder aber
antarktisch. Bezüglich der Arten ist der Zusammenhang
zwischen Neuseeland und Australien sehr gering, da nur
hauptsächlich solche Sippen übereinstimmen, welche als
„antarktisch“ (d. h. in diesen Breiten austral-montan)
im Berglande der Inselgruppe einerseits und auf Austra-
liens Alpen oder noch häufiger in Tasmanien anderer-
seits gemeinsam vorkommen; viele Repräsentativformen
vervollständigen diese Gruppe. Die ganze Waldvegetation
Neuseelands aber unterscheidet sich von der australischen
in vorherrschenden Vegetationsformen, Gattungen und
selbst Familien; von den eigentlichen Waldbaum-Arten
ist kein einziger, unter höheren Sträuchern sind einige
wenige Neuseeland und Australien gemeinsam, und die
Gemeinsamkeiten beschränken sich in Australien auf die
Ostküste. Dieser eigenartige Waldcharakter ist schon
oben (S. 264) bei Besprechung der immergrünen For-
mationen erwähnt.
Ein wundervolles Gemisch waldbildender Bestände entrollt
uns diese Flora: zum erstenmal hier sind die Coniferen in lauter
australen Sippen da: Libocedrus Doniana und Bidwilli, Phyllocladus
trichomanoides, Podocarpus spicata et Hallii, Dacrydium cupres-
sinum, ausserdem die vorhin genannte Agathis (Dammara) au-
stralis u. a. Ihnen gesellen sich weite Buchenbestände zu, Fagus
Solandri ist die häufigste, andere Arten bergbewohnend. Dazu
finden sich Drachenbäume: Cordyline australis; Proteaceen: Knightia
[492]16. Australien.
excelsa, Magnoliaceen: Drimys axillaris; Leiospermum (Weinmannia)
racemosum bildet grosse Wälder, dazu Myrtus und Metrosideros,
merkwürdige hohe Araliaceen; Baumfarne: Cyathea dealbata am
Rande der Gletscher. Die Blumen der Stauden und Halbsträucher
zeigen im allgemeinen grünliche Farbe und sind nicht auffällig;
doch sind die daran geknüpften Schlussfolgerungen biologischer
Art jedenfalls übertrieben (siehe Abschn. 5, S. 228).
16. Australien.
Auswahl der Litteratur. a) Systematische Florenüber-
sichten: Müller, F. v.: Systematic census of Australian plants with
chronologic, literary and geographic annotations; Pt. I. Vasculares
1. Ausgabe Melbourne 1882, 2. Ausg. 1889 (Namen und Signaturen
in Registerform); Fragmenta Phytographiae Australiae, 1888 u.
folgd.; Eucalyptographia, 1879, und viele andere monographische
Arbeiten. Hooker, Flora Tasmaniae, 2 Bde., London 1860. Ben-
tham \& Müller, Flora Australiensis, 7 Bde., London 1863—78.
Brown, The Forestflora of South-Australia 1883 u. folgd. Tate,
Census of indigenous flora of extratropical South-Australia, in
Transact. R. Soc. South-Austr. Adelaide III.
b) Pflanzengeographie und spezielle Florenlisten, Expeditions-
berichte: Hooker, On the Flora of Australia, being an introduct.
essay to the Flora of Tasmania, 1859. Müller, F. v., Notes on the
vegetation of Australia, Melbourne 1866 (Griseb. Abh., S. 358);
A lecture on the Flora of Australia, 1882, übersetzt in Geogr.
Mittlgn. 1883, S. 249. Engler, in Versuch Entwickelungsg. d. Florengeb.
II, Kap. 2. Tenison-Woods, Botan. notes on Queensland, in Pro-
ceed. Linn. Soc. New-South-Wales VII, 565 (1883). A. Forrest’s
Expedition durch Nordwestaustralien 1879, in Geogr. Mittlgn.
1881, S. 121; der Kimberley-Distrikt, in Geogr. Mittlgn. 1884,
S. 46. Müller, F. v., Plants of northwestern Australia, Perth 1881;
Plants indigenous around Sharks-Bay, Perth 1883 (G. J., IX, 200
und XI, 140). Giles, Expedition durch Inneraustralien, in Geogr.
Mittlgn. 1877, S. 205. Müller, List of plants on Giles’s travels
in Australia, Journ. of Bot. XV, 269 (1877). Behm, Westaustral.
Wüste, in Geogr. Mittlgn. 1876, S. 33. Jung, Die geogr. Grund-
züge von Südaustralien, in Geogr. Mittlgn. 1877, S. 267, 1878,
S. 416. Schomburgk, Flora of South-Australia (Handbook of S. A.,
Adelaide 1875). Müller, Austral. Alps in Hookers Journ. of Bot.
VIII, 243 (1856). Tenison-Woods, Physical description of Tasmania,
in Transact. u. Proc. R. Soc. Victoria XIX, 144 (siehe G. J., XI,
141); On the forests of Tasmania, Nature XXI, 573 (G. J., IX, 202).
Maiden, Useful native plants of Australia, 1889 (siehe Ref. Geogr.
Mittlgn. 1890, Litt. Nr. 571).
Australien stellt keine floristische Einheit dar, eben-
[493]Die drei australischen Florenelemente.
sowenig wie Europa. Dies zu betonen ist auch heute
noch von Wichtigkeit, da in der zweiten Ausgabe von
Grisebachs „Vegetation der Erde“ die Karte unverändert
erschienen ist, die ihr Verfasser unzweifelhaft modifiziert
haben würde (vergl. meine Fl. d. E., S. 61). Denn wenn
auch gewisse australische Gattungen durch den ganzen
Kontinent gehen, so ist das doch nicht anders, als in
Europa, wo verschiedene Pinus-Arten vom Nordkap bis
Spanien reichen, und wo die Calluna vulgaris ein weites
Areal sich errungen hat. Auch in Australien sind drei
verschiedene Hauptflorenelemente zu sondern, welche sich
der Fläche und Artenzahl nach ungleich in das Land
teilen: das tropisch-asiatische, deutlicher gesagt in die-
sem Falle: das malayisch-melanesische Florenelement
herrscht an der Nordküste unbestritten westwärts bis
zum Kingsund und Dampierland (18° S.), an der Ost-
küste den Wendekreis überschreitend und sich allmählich
verlierend.
Das antarktische Florenelement ist als Beigemisch
sehr starker Art, wenngleich in endemischer Ausprägung,
im Berglande Tasmaniens und in den australischen Alpen
in Viktoria, Neusüdwales, ja sogar in Mooren am St. Vin-
cent-Golf (S. A.) entwickelt (siehe G. J., XI, 141). Den
übrigbleibenden Hauptteil des Landes deckt das austra-
lische Florenelement selbständig, eine reiche Subtropen-
flora mit familiären Beziehungen zu Südafrika und dem
subtropischen Südamerika. Dieser Anordnung in Austra-
lien entsprechen ziemlich genau die Klimagürtel in Köp-
pens Darstellung, sofern man zwei subtropische Gürtel
für die eine Hauptflora vereinigt. Denn der Norden und
Nordosten bis über den Wendekreis an der Küste hinaus ge-
hört zur vierten Vegetationszone, der Rest des Landes bildet
vier verschiedene Abteilungen der V. Vegetationszone
(s. S. 92), und zwar das Innere des Landes die erste,
die bergige Ostküste die zweite, die Südwest- und Süd-
ecke die dritte, und Tasmanien mit dem bergigen Süd-
osten die vierte Abteilung dieser Zone.
Zum Verständnis des Ueberganges, welchen zumal an der
gebirgigen Ostküste die Tropenflora durch die spezifisch-austra-
[494]16. Australien.
lische hindurch bis zur Berührung mit antarktischen Sippen nimmt,
sind die in jüngerer Zeit aus Neusüdwales bekannt gewordenen
genaueren Temperaturbeobachtungen sehr geeignet, über welche
der Litteraturbericht der Geographischen Mitteilungen 1885, S. 156
referiert. In der Küstenzone finden sich danach zwischen 30° und
37° S. als mittlere niederste Extreme immer noch 3°C., im Gebirge
unter gleichen Breiten dagegen mittlere Kältegrade von — 3° bis
— 17,5°C., welche am inneren Gebirgsrande und im Binnenlande
sogleich sich auf — 0,1 bis —5° mäßigen, um aber dafür mittlere
Hitzeextreme bis zu 46°C. (im Vergleich mit 34°C. an der Küste)
einzutauschen. Dieselben sind unstreitig am bedeutendsten in den
inneren Wüstenflächen, deren Areal durch die 60 cm Niederschlags-
grenze umschrieben ist.
Die Statistik der Flora, ihr Charakter hinsichtlich
vorherrschender Familien und Gattungen, ist von dem
unermüdlichen und um die Flora des australischen Welt-
teils mehr als irgend ein anderer Zeitgenosse verdienten
Baron v. Müller so grundlegend, zugleich in den Geo-
graphischen Mitteilungen von 1883 so klar und allgemein
anschaulich besprochen, dass jeder Auszug daraus unnötig
erscheint. Nur sei die Statistik auf Grund seines neue-
sten „Census“ nachgetragen: 1409 Gattungen und 8839
Arten von Gefässpflanzen bewohnen Australien, und davon
kommen nur 1338 (15,1 %) zugleich ausser Landes vor,
alle anderen und eine Ueberzahl von Charaktergattungen
sind endemisch. Von der eigenartigen (australen)
Gesamtflora des Kontinents hat Westaustralien mit 3560
(40,3 %) den Löwenanteil, in um so interessanterer Form,
als die mit circa 82 % endemischen Arten sich fast ganz
auf das äussere Dreieck beschränken, welches durch eine
Diagonallinie vom Westende der grossen australischen
Bucht (Russel Ra.) nach der Sharks-Bai hin abgeschnit-
ten wird. Queensland und Neusüdwales, einander in der
Flora sehr entsprechend, haben dann einen ganz anderen
Reichtum an Arten mit 3753 und bez. 3251, darunter
viele tropische Gattungen in eigenen Arten. Nordaustra-
lien besitzt nur 1956, Südaustralien 1892, Viktoria 1894
und Tasmanien 1029 Arten.
Dieser Wechsel der Arten beherrscht naturgemäß
auch die Vegetationsformationen und bestimmt in
ihnen neben dem Klima die Abgrenzung der unten auf-
[495]Statistik. Formationen. Leitpflanzen.
geführten Regionen. Die Formationen bestehen in tropi-
schen Waldungen und Savanen, in sehr reichen feucht-
immergrünen, tropisch und subtropisch gemischten Wäl-
dern, in echt australen, gegen Sommerdürre durch ihre
Organisation geschützten immergrünen Wäldern und Ge-
büschen, in kühl-temperierten immergrünen Bergwäldern
mit Coniferen und Buchen, und in Grassteppen, Kräuter-
und Dornbuschsteppen nebst ausgesprochenen Wüsten-
formationen.
Die tropische Nordküste zeigt Palmenhaine, Bestände von
Tea-trees (Leptospermum) mit Pandanus, Bauhinia und Meliaceen,
dazu weite Savanen. An der tropischen Ostküste von Queensland
sind noch in grossen Massen dichte Waldungen vom Charakter
der indischen Dschungels (Brushes der Einwohner), welche Tenison-
Woods schildert (Proceedings of the Linnean Soc. of New-South-Wales,
Bd. VII. S. 568). Sie bestehen aus hochstämmigen, in vielen
Arten untereinander gemischten Bäumen mit Unterholz von Far-
nen, und dazu klettert Calamus australis als im Typus indische
Palmliane mit langen, stacheligen Geisseln hoch an den Bäumen
empor und nimmt ihnen an diesen Stellen vollständig die Zugäng-
lichkeit; dazu kommt noch der durch seine Stichwunden für Pferde
gefährliche Stinging-tree: Laportea moroides, eine in Australien
auf die tropische Küste beschränkte Urticacee, welche wie fast
alle anderen hier in reichem Gemisch vertretenen Gattungen zu
den Merkmalen des indischen Archipels und südöstlichen Chinas
gehört, während die Charaktergattungen Australiens: Eucalyptus,
Acacia und Banksia hier nur einen sehr geringen Anteil an der
Zusammensetzung der Vegetation nehmen. Es herrscht daher
hier auch nicht die in den Scrubs des Innern regelmäßige und
durch das Obwalten einzelner Arten bedingte Eintönigkeit; stellen-
weise ist allerdings der genannte Calamus zusammen mit zwei
Kletterern aus der Ordnung der Araceen: Pothos longipes und
Rhipidophora pertusa, so sehr häufig, dass er in seinem Gebiete
einen gleichmäßig physiognomischen Zug in dem aus hohen Bäumen
gemischten Urwald zu bewirken vermag.
In das Gebiet der nordöstlichen, um den Wende-
kreis herum in reichster Vegetationsfülle prangenden Küste
fällt die reichste Entwickelung der Palmen in Australien
mit Gattungen, welche, wie solche der Kentia-Gruppe und
Livistona im benachbarten indisch-melanesischen Monsun-
gebiete eine weitere Verbreitung besitzen. Hier ist auch
der Bereich der Araucarien, von denen eine, die herr-
liche „Bunya-Bunya“ A. Bidwilli, grosse Nüsse reift,
[496]16. Australien.
um derentwillen sie in dem Besitze eingeborener Familien
forterbt. Als einer der schönsten dikotylen Waldbäume
gilt die Sterculiacee: Brachychiton acerifolium, endemisch
in Queensland und Neusüdwales, wo ausserdem 33 andere
Arten dieser Tropenfamilie vorkommen. Hier berühren
sich in dem Zwischenraum zwischen südlichem Wende-
kreis und 30° S. an der Innenseite des Küstengebirges
die Südgrenze der tropischen Sommerregen und die Nord-
grenze der subtropischen Winterregen vom März bis
November (Geogr. Mittlgn. 1868, Taf. 21). — Im nord-
westlichen Küstengebiete begegnen sich hauptsächlich an
der Nickolbai (21° S.) und am Fortescue-R. die tropi-
schen und südwestlichen Charakterformen, so dass ein
vom Kingsund bis über die Sharksbai hinausreichendes
und nach innen bis an die Wüstenformationen reichen-
des Uebergangsgebiet entsteht, in welchem Livistona
Mariae, merkwürdigerweise auch noch einmal im Glen
of Palms am Nordhange der Macdonnell-Ra. unter dem
Wendekreise im Innern wiederkehrend, die letzte Palme
bildet. Im Innern des Landes sind nun aber die Busch-
formationen weitaus am meisten für Australien cha-
rakteristisch, und sie lassen mit Gras und Salzbusch
nur verhältnismäßig kleine Flächen für Wüstenbildun-
gen im strengen Sinne frei.
Das Innere Australiens, wenngleich unter gewissen
Bedingungen auf weite Strecken hin wirklich vegetations-
los oder mit sehr dürftiger Vegetation bedeckt, darf doch
nicht in zu grosser Ausdehnung so betrachtet werden
und ist nirgends absolut regenlos. Auch Jung hebt die
Seltenheit regenloser Wüsten ausdrücklich hervor und
nennt die charakteristischen Gewächse der Einöden (G. J.,
VIII, 216). Weit ausgedehnt sind an den besseren Stel-
len die Bestände geselliger Holzpflanzen hauptsächlich
in immergrüner Strauchform: der Scrub; es gibt sehr
verschiedene Klassen vom australischen Scrub, wobei
man zu bedenken hat, dass bei der weiten Ausdehnung
des Inneren aus rein tropischen Gegenden bis zur trocke-
nen Süd- und zur waldgebirgigen Südostküste eine grössere
Zahl verschiedener, wenn auch ähnlicher oder nahe ver-
[497]Die Scrub-Formationen.
wandter Arten die hier oder dort vorherrschenden Holz-
gewächse sein müssen.
Tenison-Woods hat in einer klaren Auseinandersetzung dieser
an sich vorauszusetzenden und aus den Schilderungen der Reisen-
den hervorgehenden Mannigfaltigkeit des Scrub den wissenschaft-
lichen Untergrund verliehen (Proceedings New-South-Wales, Bd. VII,
S. 565) und besonders den Scrub von Queensland an der Westseite
des Küstengebirges geschildert. Derselbe besteht aus Acacia har-
pophylla und wird mit dem einheimischen Namen Brigalow be-
zeichnet; alle anderen Pflanzen, holzige wie Kräuter, schliessen
sich dieser Acacie an, und wenn dieselbe auch so sehr vorherrscht,
dass sie stellenweise kein anderes grösseres Gewächs neben sich
duldet, so finden sich doch an den lichteren Stellen oder Rändern
des Scrubs zahlreiche andere Pflanzen zusammen, nach einer von
Tenison-Woods zusammengestellten Liste noch etwa 240 Arten.
Die Brigalow-Acacie, erst von F. v. Müller als eigene Art
beschrieben, führt ihren botanischen Namen von den sichelförmigen
Blättern mit bläulichgrauer Farbe; daher schimmert der ganze
Scrub in einem silbergrauen Schimmer. Auf armem Boden treibt
diese Acacia verworrene dichte Zweige und ist höher, während
sie auf fruchtbarem Boden vom Grunde aus reich beblätterte
Schösslinge bildet. — Noch zwei andere Acacia-Arten von ganz
verschiedenem Habitus gesellen sich zu der ersteren, aber weit sel-
tener und nie allein Scrub bildend: A. excelsa (früher für den
Hauptbestandteil des Brigalow gehalten) und A. salicina mit lang
herabhängenden Zweigen gleich einer Trauerweide. Von anderen
Bäumen mischen sich nur noch etwa vier oder fünf Arten in den
Brigalow ein; der wichtigste derselben ist das Sandal-Wood oder Dog-
Wood, Eremophila Mitchelli, eine Myoporacee, weit durch das
Innere verbreitet und vielleicht als einer der besten Charakter-
bäume dafür zu nennen, weil dieser Baum nicht auf einen kleineren
Distrikt wie viele andere beschränkt ist; 60 Arten von Eremophila,
alle endemisch, gehören Australien an. Die anderen Beimischungen
sind die Rhamnee Alphitonia excelsa, zwei Sterculia-Arten mit
essbaren jungen Schösslingen und Nüssen (St. rupestris und tri-
chosiphon), eine Sapindacee: Atalaya hemiglauca, und der eben-
falls weit durch das Innere Australiens verbreitete kleine Boragi-
neen-Baum Ehretia saligna. —
Ein dichtes Untergebüsch findet sich häufig neben den Stämmen
dieser Scrubbäume und besteht hier am häufigsten aus einer
Apocynee mit der Schlehe ähnlichen, gut geniessbaren Früchten:
Carissa ovata; den schönsten, oft durch die Masse und den Glanz
der Scharlachfarbe in Erstaunen setzenden Blumenschmuck dieses
Scrubs bildet die Thymelee Pimelea haematostachya, dazu das
afrikanische Marigold Tagetes glandulosus. Gräser fehlen in diesem
Scrub und werden hauptsächlich durch gesellige Stauden wie Sida
cordifolia, Polymeria calycina, Evolvulus alsinoides, Vittadinia sca-
bra und australis ersetzt, welche gelbe, weisse, rosa und blaue Blumen
Drude, Pflanzengeographie. 32
[498]16. Australien.
besitzen. Der Salzstrauch Rhagodia spinescens, und die 2 Fuss
hohe Atriplex nummularia vermag sich dagegen in das Brigalow-
Dickicht stellenweise einzumischen. Wo auf fruchtbarem Boden
ein reicher Graswuchs möglich ist, da tritt dieser mit dem Briga-
low in Konkurrenz, sowie in den deutschen Gebirgen Bergwiesen
und Nadelwald; sie mischen sich nicht, sondern schliessen einander
wechselseitig aus, und es sind mehrfach Beobachtungen darüber
gesammelt, aus denen die traurige Thatsache hervorgeht, dass
durch die die Gräser abweidenden Herden der Brigalow, dessen
Schösslinge nicht abgefressen werden können und keine animali-
schen Feinde haben, an Ausdehnung mächtig gewinnt und dadurch
den Reichtum an Vieh stark zu beeinträchtigen droht.
Die an guten Stellen am häufigsten wachsenden Futtergräser
sind Andropogon sericeus, Anthistiria australis, Perotis rara, Spo-
robolus Lindleyi, Leptochloa subdigitata, Stipa micrantha; Aristida
calycina, ramosa, vagans, arenaria; gelegentlich das Porcupine-
Gras: Triodia Mitchelli (Tenison-Woods, a. a. O.).
Die viel berüchtigten Spinifex-Arten sind S. hirsutus in ganz
Australien und Tasmanien mit Ausschluss der tropischen Nordküste
verbreitet; S. longifolius fehlt von Südaustralien bis Neusüdwales
S. paradoxus fehlt in West- und Nordaustralien.
Weit verschieden von dem Brigalow-Scrub ist der Mallee-Scrub
Südaustraliens, welcher viele tausend Quadratmeilen des flachen
Landes zwischen dem Südufer des Murray und der Küste bedeckt.
Er besteht fast ganz und gar aus dichtstrauchigen Eucalyptus-
Arten, drei oder vier untereinander gemischt und sich wechsel-
seitig vertretend, nämlich E. oleosa und dumosa als die häufigsten
mit gelegentlich eingestreuten Bäumen von E. gracilis.
Die beiden hauptsächlichsten Arten sind keine Bäume; aus
der Wurzel schiessen in dichten Haufen schlanke Triebe von kaum
1 Zoll im Durchmesser hervor, die auf 2—4 m Höhe in einen
Haufen bleichgrüner Blätter enden; rings um die Stämmchen stehen
kleine verwitterte Zweige infolge der Feuer, die die Ebenen ver-
heeren.
Nicht viel andere Pflanzen bringt das mehr sandige als
thonige Erdreich ausserdem da hervor, wo der Mallee Fuss gefasst
hat, am ehesten noch den Box-tree Eucalyptus hemiphloia, und
die gewöhnliche Conifere dieser Region: Callitris verrucosa. Die
Ansicht eines solchen Buschlandes von der Höhe irgend eines kleinen
Hügels aus ist daher durch ihre Monotonie sehr merkwürdig:
„Man sieht über eine unendliche wogende See von gelblichbraunen
Büschen; in weiter Entfernung bemerkt man vielleicht einen blauen
Umriss eines einzelnen Berges oder Granitgipfels, sonst ist die
gleichförmige dunkelbraune Umgrenzung des Horizonts nirgends
durchbrochen, alles schweigsam und bewegungslos, ausgenommen
wo das Scrub-Huhn (Leipoa ocellata) seinen klagenden Ton erhebt,
oder wo der Wind die starren Zweige in der Nähe rührt.“
Unter Berücksichtigung der verschiedenen Küstenlagen
[499]Die tropischen Vegetationsregionen.
Australiens und unter Berücksichtigung des Umstandes,
dass die Formationen des Innern, je nachdem sie mehr
zu den südlichen Grasländern oder zu den tropischen
Savanen Anschluss zeigen oder endlich zur Wüstenbil-
dung neigen, sehr verschiedenartig ausfallen müssen, wer-
den nunmehr die folgenden zehn Vegetationsregionen
Australiens mit Tasmanien als elfter verständlich sein:
1. Nordaustralische Tropenwaldregion mit
Pandanus und einer grösseren Anzahl indisch-malayischer
Palmengattungen (z. B. Licuala, Caryota), tropischen Le-
guminosenbäumen (z. B. Bauhinia Gilesii u. a. A.), mit
Unterdrückung der zahlreichen südwest- und südostaustra-
lischen Sippen.
2. Queensländische immergrüne Araucarien-
und Livistonen-Waldregion (siehe oben). Dieselbe
hebt auf den Gebirgen der tropischen Yorkhalbinsel an
und tritt südlich vom Wendekreise an die Küste, dort
die grösste Breite erreichend, bis sie endlich am Ost-
hange der australischen Alpen in Gippsland (36°—38°)
noch die letzten Oasen bildet, deren Merkzeichen in Li-
vistona australis mit 37° 30′ Südgrenze besteht.
3. Nordaustralische Baumsavanen- und Ge-
büschregion. Landeinwärts von Region 1 und 2 ver-
liert sich rasch jenseits der Küstengebirge der reiche
tropische Charakter, und Uebergangsformationen zum dür-
ren Innern stellen sich ein. Soweit dieselben als Savanen
mit einzelnen Melaleuca- und Leptospermum-Bäumen (Tea-
trees) im Bereiche der regelmäßigen tropischen Sommer-
regen bleiben, gehören sie hierher, d. i. etwa eine Fläche
Landes von Dampierland im Nordwesten bis zur Macdon-
nell-Ra. unter dem Wendekreise im Innern und dem
Binnenlande von Queensland mit Ausschluss der Gebirge,
vielleicht bei 30° S. im Südosten endend.
4. Nordwest-australische Uebergangsregion
am Fortescue, Ashburton, Gascoyne-River und bis zum
Murchison südwärts, wo infolge mangelnder Niederschläge
kein reicher Tropenwald, wie er nach der geographischen
Breite zu erwarten wäre, herrscht, Pandanus fehlt und
die Palmen äusserst spärlich vorkommen.
[500]16. Australien.
5. Westaustralische Wüstensteppen. Diese er-
setzen die vierte Region südlich und südöstlich von der
Grenze der spärlichen tropischen Sommerregen, schon vom
Sturt-Creek unter 20° S. durch die grosse Sandwüste
und ostwärts von 120° ö. L. über den Wendekreis süd-
wärts hinaus (Gibsonwüste) zur grossen Viktoriawüste, wel-
che die reiche westaustralische Region gegen den Osten
absperrt. Hier fand Giles 1875 unter 30° S. und zwischen
123° ö. L. bis 129° ö. L. kein Wasser, aber Ende August
trat an den östlichen Salzseen Regen ein. Offenes Gras-
land, Spinifex und Mulga, Saltbush, bilden Oasen oder
decken das Land dürftig. Ueber den endemischen Cha-
rakter vergleiche oben S. 146, und das auf S. 497 im
vorhergehenden Gesagte.
6. Ostaustralische Wüsten- und Grassteppen.
Am mittleren Darling und Murray-R. sind Gras- und
Scrubformationen, welche die binnenländischen Sippen
Ostaustraliens neben den gemeinsam im Innern verbreite-
ten zeigen, vielfach also nur im Artbestande, auch in
Charaktergattungen vom Westen abweichen. Sie begegnen
sich mit den westlichen südlich der Macdonnell-Ra.; doch
muss es einstweilen unentschieden bleiben, ob hier ein
eigenes Zwischenglied (südaustralischen Charakters) exi-
stiert, wie ja West-, Süd- und Südostaustralien im Be-
reich der reichlicheren Regenfälle stets ihre eigenen
Charakterarten neben denen von weiterer Verbreitung
haben.
7. Südwest-australische Xerotideen- und Pro-
teaceenregion, am besten bekannt durch die schöne
Swan-River Flora, in welcher diese interessanten, oben
(S. 203 und 207) ausführlicher besprochenen Charakter-
formen mit Callitris, Casuarina, dazu noch eine Cycadee
Encephalartos Fraseri, dann Exocarpus und eine Masse
von trockenfrüchtigen, oben (S. 200) gleichfalls genannten
Myrtaceen aus der Tribus Chamaelaucieen, von phyllo-
dinen Acacia-Arten, Epacridineen etc. vorherrschen.
8. Die südaustralische Eucalypten-Waldregion
ist von den drei australen Küstenregionen die ärmste;
der Wald ist hauptsächlich in den Bergdistrikten ent-
[501]Die inneren und südlichen Vegetationsregionen.
wickelt; als wichtigste Arten erscheinen Eucalyptus odo-
rata (endem.), paniculata, viminalis und rostrata.
9. Die südostaustralische Eucalypten- und
Farnwaldregion nimmt das Bergland von Viktoria und
Neusüdwales ein und verliert sich auf den höchsten Er-
hebungen in Queensland in ganz allmählichem Uebergange
mit der Araucarien- und Palmenregion. Die grössere
Feuchtigkeit ermöglicht ein üppiges Gedeihen australer
Farne, unter denen Cyathea- und Alsophila-Arten, Dickso-
nia Billardieri, Todea rivularis (zum Teil bis Tasmanien
verbreitet, in Westaustralien alle fehlend!), durch üppi-
gen Wuchs sich auszeichnen und im Walde von Euca-
lyptus amygdalina Unterwald bilden. Ein neuer Reich-
tum ostaustralischer Proteaceen (Grevillea, Helicia), aber
nicht vergleichbar dem westaustralischen, herrscht hier.
10. Die Berg- und Schneeregion der austra-
lischen Alpen, von 1200 m Höhe aufsteigend und 2000 m
überragend, besitzt antarktische Buchen und alpine Eu-
calyptus: E. Gunnii, pauciflora und alpina in Höhen von
1200 bis über 1600 m, mit alpinen Ericaceen (Wittsteinia!
nur auf der Höhe des Mt. Baw-Baw) und Pultenaea
rosea, Bauera sessiliflora, Stylidium soboliferum u. a. A.
Hier finden sich einige mitteleuropäische Bergpflanzen
wieder (Carex, Alchemilla, Botrychium). Diese Region
ist, mit der vorhergehenden zusammengefasst, am näch-
sten verwandt mit den tasmanischen Formationen.
11. Die tasmanische Coniferen-, Grasflächen-
und Bergwaldregion, in der geographischen Breite mit
dem mittleren Neuseeland vergleichbar, vereinigt den ant-
arktischen Florencharakter mit dem südostaustralischen,
mit welchem es in Eucalypten, Epacrideen (Richea pan-
danifolia steigt noch in schneeige Schluchten der tasma-
nischen Gebirge) etc. übereinstimmt. Die Charaktergat-
tungen der Coniferen vergl. oben S. 185. Diese Region
führt von der vierten Abteilung der V. Vegetationszone
zu der VI. Zone über.
Das Folgende entstammt einer physischen Skizze Tasmaniens
von Tenison-Woods (Transactions \& Proceed. of R. Soc. of Victoria,
Bd. XIX (1883), S. 144). Das Tafelland, meist 1000 m im Mittel
[502]16. Australien. — Tasmanien.
hoch, nimmt die Mitte der Insel, ein wenig gegen Nord verschoben
ein und zeichnet sich durch ausgedehnte und tiefe Süsswasserseen
aus, die Quellen aller bedeutenden Flüsse der Insel. Dies Tafel-
land ist grösstenteils mit schönen Grasflächen bedeckt und steht
nur am St. Clairsee mit bedeutenden Berghängen im unmittel-
baren Zusammenhange, während es sonst in einer Reihe sanfter
Terrassen abfällt; ähnliche kleinere und weniger hohe grasbedeckte
Tafelflächen gibt es auch sonst noch an verschiedenen Stellen der
Insel. Von noch bedeutenderer Ausdehnung aber sind die Gebirgs-
ketten, welche schon an der nordöstlichen Spitze der Insel bei
Kap Portland ansteigen und mit jähem Abfall gegen die Ostküste
in zahlreichen verzweigten Ketten mit wilden Berglandschaften,
in der Eldon-Range etwa 1500 m hoch ansteigend, erst am Südkap
enden. Die Berghäupter sind meistens nackt und mit wild durch-
einandergeworfenen Felsblöcken bedeckt; wo der in Tasmanien
eine so bedeutende Rolle spielende eigenartige „Grünstein“ den
Boden gebildet hat und die Abhänge nicht zu steil sind, herrscht
geschlossener Wald. Die gigantischen Stämme von Eucalyptus
amygdalina und obliqua erreichen mit lang sich verschmälernder
Spitze eine ausserordentliche Höhe; das Unterholz wird von fast
undurchdringlichen Dickichten aus Pomaderris elliptica, Fagus
Cunninghamii und Baumfarnen, zumal Dicksonia antarctica, ge-
bildet, und der Boden ist mit kleinen Farnen und Moosen bedeckt.
Auch die Thalgehänge der kleineren Flüsse sind in gleicher Weise
fast stets dicht waldbedeckt, aber eben nur so lange sie aus den
Bergketten ihre Zuflüsse bekommen, während sie beim Eintritt in
das offene Tafelland oder in die tieferen Ebenen Grasfluren frei
von vollkommenem Baumwuchs zur Seite bekommen. Dort ist
ein auch bis Neusüdwales verbreitetes Riedgras (Button-grass der
Einwohner): Gymnoschoenus sphaerocephalus, die häufigste Pflanze,
zusammen mit Xyris gracilis und Schizaea bifida, dazu viele Moose,
Flechten und Schwämme. Ueberall in den höheren Regionen der
Bergsysteme im Westen und Süden der Insel ist der Boden gleich-
falls waldfrei und offen, durch zu grosse Feuchtigkeit dürftig; der
Schnee liegt hier mehrere Monate lang und macht mit seinem
Schmelzwasser diese Gegenden zu Niederlassungen ungeeignet.
Fagus Cunninghamii, welche mit zierlich myrtenartigem Laube
in allen möglichen Färbungen ebenfalls scrubartige Buschforma-
tionen bildet, ist ebenfalls mit Viktoria gemeinsam, endemisch
dagegen F. Gunnii. Von den 11 Arten tasmanischer Coniferen
haben nur zwei in Viktoria—Neusüdwales weitere Verbreitung ge-
funden, die übrigen sind als Arten endemisch. In 3 Arten ist
Arthrotaxis vertreten, von welcher eine, A. cupressoides, einige
der an der Nordseite Tasmaniens gelegenen Berge mit ihrem
dichten Wuchs vollständig unzugänglich macht. Dacrydium Frank-
linii und Phyllocladus asplenifolia zeigen nahe Beziehungen zu
Neuseeland an, Fitzroya Archeri dagegen solche zu der antarktisch-
amerikanischen F. patagonica.
[503]17. Tropisches Mexiko und Centralamerika.
17. Tropisches Mexiko und Centralamerika.
Auswahl der Litteratur:
a) Gesamte Florenübersicht (systematischer Katalog, Verbrei-
tung der Arten, und im allgemeinen Teile ausgedehnte Darstel-
lung der gesamten pflanzengeographischen Verhältnisse): Hemsley,
Botany in Godman \& Salvin’s Biologia centrali-americana, 4 Bde.,
London 1879—88 (G. J., X, 344). Fournier, Recherches botaniques
de la Mission scient. au Mexique etc., I. Cryptogames, Paris 1872,
II. Graminées 1886 (siehe G. J., VIII, 268).
b) Pflanzengeographie und Spezialflorenberichte: Seemann,
Botany of the Voy. Herald, London 1857. Oersted, Recherch. s.
1. Flore et géogr. phys. de l’Amér. centr., Kopenh. 1863, und Spe-
zialbearbeitungen. Liebmann, Mexikos Bregner in K. Danske Vi-
densk. Selsk. Skrifter V, 1849, und Bot. Zeitg. 1844, S. 688, und
andere Florenbearbeitungen. Oersted, Skizze v. Nicaragua, Costa-
Rica in Bot. Zeitg. 1848, S. 875. Wagner, Veget.-Charakter der
Anden Veragua—Guatemala, in Sitzungsber. d. bayr. Akad. 1866, I,
S. 151 (Griseb. Abh. S. 361). Kerber, Cordoba, in Bot. Jahrb. Syst.
IV, 501 und Vulcan Colima in Verh. Ges. Erdk., Berlin 1882,
S. 237. Woeikof, Reise Puebla-Guatemala, in Geogr. Mittlgn. 1882,
S. 161. Stoll, Guatemala, Leipzig 1886. Polakowsky, Flora und
Vegetationsv. d. Rep. Costa-Rica, in Geogr. Mittlgn. 1877, S. 220,
Botan. Zeitg. 1878, S. 620, Verein für Erdk. Dresden 1879.
Die Tropenfloren der Neuen Welt heben, gerade wie
in Arabien und dem westlichsten Indien, mit einer durch
niederschlagsarme Gebiete hervorgerufenen Xerophyten-
vegetation an, welcher die „tropischen“ Charakterfamilien
fehlen und welche daher ebenso einen deutlichen Anschluss
an die borealen Subtropen vermittelt, als sie das eigene
amerikanische Florenelement in charakteristischer Aus-
prägung zeigt. Es ist hier die mexikanische Steppen-
region zwischen 22° und 17° N. gemeint, die als Ver-
mittlerin auftritt, umringt von einem Walle tropischer
Waldungen; selbst abgeschwächt in gemeinsamen Arten
und besonders in den herrschenden Gattungen weit nord-
wärts über Arizona, Texas und weiter hinaus begründet
sie in einer Gleichsinnigkeit der Formationen dort geo-
graphische Verwandtschaft, ohne aber irgend welche be-
stimmte Verwandtschaft zu den analogen Floren in der
Alten Welt zu zeigen. Klimatisch fällt mit diesem Cha-
[504]17. Tropisches Mexiko und Centralamerika.
rakter zusammen ein Herabreichen des nicht tropischen,
nördlich-sommerheissen Wärmegürtels gemäß Köppens
Entwurf bis etwa 17° N., also weit südwärts über den
Wendekreis hinaus, und ungefähr unter dem Wendekreise
selbst zieht die 10°-Isotherme des kältesten Monats;
demgemäß gehört, abgesehen von dem zur IV. Zone fal-
lenden Küstenstrich, das Binnenland zur III. Vegeta-
tionszone, die hier entsprechend weit (17° N.) nach Süden
vorspringt. In der über 2000 m im Durchschnitt be-
tragenden Erhebung der inneren mexikanischen Hoch-
flächen von Durango über Tlaxcala nach Oajaca erklärt
sich dieses kühle Klima; die Seitengehänge dagegen so-
wohl gegen den Stillen als gegen den Atlantischen Ozean
zeigen Tropenklima und Tropenformationen, welche etwa
zwischen 22° und 26° N. allmählich auslaufen. So ist
in der Halbinsel Californien der 26. Breitegrad die Scheide-
grenze des trockenen subtropischen Gebietes mit regen-
losen Sommern und Winterniederschlägen gegenüber dem
fruchtbareren Süden im Gebiet der Sommerregen (Geogr.
Mittlgn. 1888, Litt. Nr. 57). In der Breite von 26° bis
22° N. verläuft auch die nach Osten gesenkte Januar-
isotherme von 20°C. Mit der Regelmäßigkeit der Nie-
derschläge nimmt die Mannigfaltigkeit der tropischen
Vegetation zu und erreicht daher hier ihr Maximum in
Tabasco am Golf von Campeche; am eigenartigsten ist
sie in den mittleren Höhen der Gebirgswälle rings um
das Centralplateau und in den Südprovinzen ausgeprägt,
weil sich hier boreal-subtropische Elemente (Eichen!) mit
amerikanischen Tropengattungen (Palmeng. Chamaedorea)
mischen, bis über diesen Regionen noch kühlere, den
Hochgebirgsgewächsen des Nordens wie des Südens ge-
meinsame Formationsbildungen gestatten, in denen Andes-
rosen (Bejaria) an Stelle der Rhododendren sich mit den
Fichten, Tannen, Vaccinien und Arbutus des borealen Ele-
mentes, aber meistens in spezifischer Eigenartigkeit und
stark endemischer Ausprägung begegnen. Nach Aus-
schluss des südlichen Centralamerikas (Region 6), welches
sich sehr innig an Colombien und das weite südameri-
kanische Tropenland anschliesst, sind in dem hier be-
[505]Gliederung. Pflanzenreichtum. Kulturpflanzen.
handelten Gesamtgebiete fast 82 % der Blütenpflanzen
endemisch, unter den Hochgebirgspflanzen sogar nach
Teilberechnungen noch höhere Prozentsätze, und dies in
einer nach 20000 und mehr Arten zählenden, reichhaltig
aus den verschiedensten Familien gemischten und mit
circa 200 endemischen Gattungen versehenen Flora. Dieser
starke Endemismus und Artenreichtum erinnert daher an
Westaustralien und das südwestliche Afrika.
Mit den Antillen haben die mexikanischen Regionen
manche Arten und mancherlei Beziehungen gemeinsam,
die Existenz von Kiefernwäldern, die Armut in der Ent-
faltung der tropisch-amerikanischen Palmengattungen etc.;
aber es bedarf der Verbesserung, dass im physikalischen
Atlas (Florenkarte VII) beide in eine Hauptregion vereinigt
sind, da sich durch Hemsleys erschöpfende Statistik her-
ausgestellt hat, dass viel mehrere der weiter verbreiteten
Gattungen und Arten Mexiko mit dem tropischen Süd-
amerika als mit den Antillen verbinden.
Entsprechend der Erscheinung, dass subtropische
Steppenlandschaften für die kulturelle Behandlung wich-
tiger Nahrungspflanzen, welche in diesen selbst oder in
ihrer unmittelbaren Nachbarschaft ihr altes Indigenat
besassen, von hervorragender Bedeutung geworden sind,
ist Mexiko als ein alter Herd amerikanischer Kultur an-
zusehen, wenngleich nicht von dem hohen Alter, wie die
Steppenlandschaften des Orients oder Aegypten in seiner
merkwürdigen Lage am Ufer eines tropischen Flusses;
nur Peru scheint sich von den übrigen amerikanischen
Gebieten noch in dieser Hinsicht mit Mexiko messen zu
können. Auf diese beiden Länder fällt daher nach un-
seren jetzigen Kenntnissen die Ausbreitung der Kultur
des Mais (Zea Mays), der einzigen weltumspannenden,
wärmer-klimatisierten Cerealie von amerikanischem Indi-
genat. Unter Verweis auf die ausführliche Darlegung
von A. de Candolle (Ursprung d. Culturpfl. S. 490) be-
trachte ich die amerikanische Heimat der Maispflanze
als erwiesen; dafür spricht auch nicht zum geringsten
nach R. Browns Regel, dass man die Heimat einer Art
da zu suchen habe, wo ihre Verwandten einheimisch
[506]17. Tropisches Mexiko und Centralamerika.
sind, der Umstand, dass die einzige näher mit Zea ver-
wandte Gattung Euchlaena die centralamerikanische Hei-
mat teilt und ebenfalls monotypisch ist (Eu. mexicana);
fünf andere Gattungen der Tribus Maydeen sind allerdings
zum grösseren Teile altweltlich, darunter die bekannte
Coix. — Von anderen Kulturpflanzen hat die Agave ame-
ricana im mexikanischen Gebiete ihr Indigenat; zweifel-
haft sind andere, zumal die echte Batate Convolvulus
Batatas oder Batatas edulis, für deren (unbekannte) ame-
rikanische Heimat mehrere Gründe zu sprechen scheinen.
Für die Beurteilung der Vegetationsregionen sind
die Grundsätze maßgebend, dass eine gut ausgeprägte
Grenzscheide der reicheren, durch Epiphytenvegetation
und tropische Lianen ausgezeichneten Landschaften in
einer entlang den südlichen Distriktsgrenzen von Sinaloa,
Durango, Zacatecas und San Luis Potosi geführten und
von da etwa zu 23° N. aufwärts gebogenen Linie ge-
geben ist, welche die Hemsleys Werke beigegebene
Karte darstellt. Das nördlich dieser Linie liegende Land
mag als:
1. Mexikanische Uebergangsregion zu Cali-
fornien und Texas hin aufgefasst werden, soweit es nicht
(im Binnenplateau) zu der fünften Region der subtropischen
Steppen gehört. — Der nun verbleibende Hauptteil des
Landes schliesst mit dem Staate Nicaragua ab, da von dort
an, und in noch höherem Grade in Costa-Rica und Pa-
nama der südamerikanische reiche Tropencharakter vor-
wiegt. Dieser Hauptteil nun bildet folgende vier Haupt-
Vegetationsregionen:
2. Mexikanische Tropenregion, (tierra caliente,
Savane und Tropenwald), etwa bis 900 m hoch an den
Gebirgsflanken aufsteigend und in eine pacifische und ka-
raibische Seite zerfallend.
3. Mexikanische subtropische Bergwaldregion
(tierra templada), in welcher immergrüne Eichen mit echt
tropischen Repräsentanten das reichste Vegetationsge-
misch bilden.
4. Mexikanische Hochgebirgsregion(tierra
fria), in welcher sommergrüne Eichen mit Nadelhölzern,
[507]Vegetationsregionen, Gebirgsgliederung.
boreale und australe oder tropisch-alpine Gesträuche und
Stauden herrschen.
5. Mexikanische subtropische Steppenregion,
in welcher besonders die Xerophytenvegetation mit ende-
mischen Gattungen von Succulenten entwickelt ist und
sich bis Arizona Anschluss erworben hat.
Speziellere Belege für diese kurze Scheidung der Vegetations-
regionen finden sich bei vielen Reisenden, welche die mexikanischen
Bergländer von der Küste aus bestiegen, immer mit Berücksichtigung
der Verschiedenheit auf der pacifischen und auf der atlantischen
Seite, welche letztere das Hinaufrücken der Regionen begünstigt.
Liebmann hat die Regionsgrenzen besonders in den mittleren
Breiten des Landes, um Jalapa-Mexiko, gekennzeichnet und die
von Martens und Galeotti vollzogene Einteilung der mexikanischen
Regionen verbessert. Der Osthang zeigt Region 2. (Tropen) bis
gegen 1000 m Höhe, an der Küste bis 150 m spärliche Vegetation
von dürrem Gesträuch, nur an Lagunen und Flussmündungen durch
hohe Tropenwaldungen ersetzt; letztere sind von 150—500 m am
üppigsten entwickelt in Bombax und Carolinea, Combretum, Lau-
raceen und Terebinthinen mit Palmen (Acrocomia, Sabal mexicana,
Oreodoxa etc.), zusammen mit fruchtbaren Savanen; in der nächsten
Stufe von 500—1000 soll die Mannigfaltigkeit der Arten sich
steigern mit zunehmender Regenmenge, aber niedere Palmen
(Chamaedorea) treten auf und viele Lianen geben ein echt-tro-
pisches Gepräge. Die subtropische Region 3. liegt etwa zwischen
1000 und 2000 m und hat eine grosse Niederschlagshöhe verteilt
auf das ganze Jahr; hier ersetzen die immergrünen Eichen mit
Farnbäumen (welche letztere auf der pacifischen Seite fast ganz
zu fehlen scheinen) und einer Fülle epiphytischer Orchideen die
hochstämmigen Palmen, nur die niederen Rohrstammpalmen der
Gattung Chamaedorea sind häufig und artenreich; die Gesamt-
artenzahl erreicht in Mexiko hier ihr Maximum. Bis 2800 oder
2900 m hinauf reicht dann die obere Bergwaldregion 4, welcher
aber dann bis zur oberen Eichengrenze (circa 3400 m) ein kalter
Gürtel sich anschliesst, der bis 1000 m weiter aufwärts noch ein-
zelne Coniferen aufweist und sich ähnlich verhält wie die obere
Region des Himalaya.
Es richtet sich daher zumal mit Rücksicht auf den allge-
meinen Tropencharakter das charakteristische Interesse für Mexiko
auf Eichen und Nadelhölzer in der regionalen Abgrenzung. In
Mexiko erreicht Quercus ihr amerikanisches Maximum (vielleicht
80 Arten nach Liebmann, Americas Egevegetation, 1851) während
sie auf den Antillen fehlen; Qu. oleoides breitet sich bis zur Küste
aus, doch bringt das Land innerhalb Region 2. wenige Arten, erst
oberhalb 700 m eine beträchtlichere Zahl Quercus hervor, wo ihre
Arten kleine Bäume mit steifen, meist wolligen Blättern darstellen
und kleine offene Waldungen auf den niedrigen Gehängen der
[508]17. Tropisches Mexiko und Centralamerika.
Schluchten bilden (Qu. petiolaris, tomentosa, affinis). Erst in
Region 3. wird, wie gesagt, die Eichengattung dominierend, wächst
aber in dichtem Tropenwalde von Lauraceen, Myrtaceen, Anonaceen,
Malpighiaceen mit Lianen und Farnen, Bambusen, Magnolien etc.
als Unterholz (Qu. jalapensis, polymorpha, Alamo, mexicana, Ghies-
bregtii etc.). Bei 1500 m Höhe zeichnen sich besonders Qu. Ga-
leottii mit birkenähnlichen Blättern und Qu. insignis mit Nüssen
von 2 Zoll Durchmesser aus. Diese, wie die meisten Arten sind
nahezu immergrün, indem sie im tiefsten Winter durch die starken
Nordwinde allmählich entblättert werden; nur im Februar, un-
mittelbar vor Frühlingseinzug, erscheint dieser Eichenwald auf
zwei Wochen blattlos und zeigt alsdann manche bunte Epiphyten,
Echeveria, Tillandsia, Columnea Schiedeana und Orchideen. Un-
mittelbar darauf nehmen die Bäume durch die zahllosen durch-
brechenden Kätzchen eine goldgelbe Farbe an und es erscheinen
gleichzeitig die jungen Blätter.
Oberhalb 2000 m mischen sich die Coniferen ein, zuerst wenig
auffallend, dann mehr; hier sind Qu. lanceolata, laurifolia, gla-
brata zu Hause, dann folgen als oberste Qu. spicata, reticulata,
chrysophylla, pulchella. Die Epiphyten sind verschwunden, nur
Loranthaceen mit Moosen und Flechten, Usnea statt Tillandsia:
dies ist Region 4. — Am Orizaba begegnet man bei 2200 m den
ersten Kiefern: Pinus leiophylla; 300 m höher verdrängen kräftige
Wälder von Pinus Montezumae, noch mit Tillandsien behangen,
die Eichen, und dieselbe Art bildet wiederum, unterbrochen durch
Wälder der Oyameltanne: Abies religiosa um 2800 m, über 3200 m
hoch den oberen Nadelholzgürtel. Hier geht im Spätherbst die
Regenzeit in Schneefall über und der Schnee bleibt vom November
bis März liegen. Die waldlosen Gehänge sind mit hohen Gras-
rasen und untermischten Hochgebirgsstauden bedeckt, dazu Eri-
caceen-Halbsträucher (siehe oben), zahlreiche strauchige und halb-
strauchige Compositen: Baccharis, Eupatorium, Stevia; die Liliacee
Veratrum schliesst sich an Labiaten, unter denen besonders Salvia
zahlreich vertreten ist, und oberhalb der Baumgrenze sind die
Strauchformationen (Stevia purpurea und arbutifolia, Holodiscus
discolor = Spiraea argentea) mit Cruciferen, Rosaceen, Umbelli-
feren etc. maßgebend, bis sie endlich von Gras- und Carex-Rasen
mit Compositen-Stauden (Saussurea, Helichrysum) und noch einer
Gaultheria abgelöst werden.
An der Westseite geht der Nadelwald viel tiefer herab,
ist aber in seiner unteren Höhengrenze mannigfachen Schwankungen
unterworfen. Kerber nimmt unter Vergleich seiner eigenen Be-
obachtungen um Colima (G. J., X, 195) mit denen Seemanns um
Mazatlan als mittleren tiefsten Stand des Nadelwaldes an der
mexikanischen Westseite 1260 m an (schwankend zwischen unter-
halb 1000 m und oberhalb 1500 m). Am Colima selbst erreicht
der Wald bei 2500 m seine obere Grenze, aber nur weil der kahle
Aufschüttungskegel einer Baumvegetation nicht mehr genügend
Halt und Nahrung gewährt; Kerber berechnet als ideale obere
[509]Eichen- und Nadelwälder. Steppen. Costa-Rica.
Grenze 2800 m. Uebrigens zeigt sich der wirksame Einfluss der
Feuchtigkeit nicht nur im weiten Ländermaße Mexikos, sondern
auch ebenso in seinem Einfluss auf Ueppigkeit und Höhengrenzen
der Vegetation an jeder isolierten Bergkette, welche an der paci-
fisch-mexikanischen Seite stets an der westlichen Abdachung aus-
geprägteren Tropencharakter besitzen als an der landeinwärts ge-
wendeten Ostabdachung, wo Kiefernwälder (Pinus Teocote) sogleich
über dem mit Savanen und Steppen bedeckten Plateau beginnen.
Die 5. subtropische Steppenregion Mexikos scheint
in vielen Fällen, z. B. in Colima, in allmählichem Uebergange sich
an die tropischen Savanen anzulehnen, sobald diese in einer über
1000—1500 m herausgehenden Höhe von einer die grössere Jahres-
hälfte umfassenden Trockenperiode beherrscht werden. In solchen
Gebieten sind die Xerophyten, zumal die Cacteen, und die xero-
philen Monokotylen: Agave, Dasylirion, Fourcroya, mit Acacia-
Arten, Asclepias-Arten, Argemone mexicana und einer Fülle rot-
und gelbblühender Compositen die herrschenden Gewächse mit
Blütezeit in der nassen Periode und zu Beginn der Trocknis.
Dieselben Charaktergewächse reichen bis 3000 m herauf, oft aller-
dings in Repräsentativarten. Wie schon oben auseinandergesetzt,
steht diese Region in innigem Zusammenhange systematischer
Sippenverwandtschaft mit der auf S. 446 besprochenen 12. und
13. nordamerikanischen Region von Texas und Arizona, welche
mit dieser zusammen das Xerophyten-Florenelement von Mittel-
nordamerika unabhängig von den arktotertiären Elementen in den
Südstaaten ausgebildet haben. Ueber die klimatische Grundlage
dieser Region vergl. Griseb., V. d. E., II. 302—303.
6. Die tropische und subtropische Vegeta-
tionsregion von Nicaragua und Costa-Rica ist in-
sofern als eine Uebergangsregion aufzufassen, als in ihr
die Hauptsippen Colombias und überhaupt der reichen
südamerikanischen Tropenflora mit den genannten Cha-
raktergewächsen Mexikos sich in wesentlicher Mischung
halten, wie denn letztere auch noch in Repräsentativarten
weiter südwärts reichen.
Es fehlen beispielsweise zwar die Eichen in der Küstenkette
von Venezuela und in der isolierten St. Martha, aber sie sind in
der colombischen Hauptcordillere in den drei von Humboldt und
Bonpland dort entdeckten Arten vertreten: Qu. tolimensis 2000 m
hoch 4° 30′ N., Qu. almaguerensis und Humboldtii 2100 m hoch 2° N.
Auch hier halten sich noch, Mexiko entsprechend,
die Gegensätze zwischen den Abhängen zum Stillen Ozean
und dem Karaibischen Meere aufrecht, vermittelt durch
eine centrale Plateauflora ohne Coniferen und mit höher
[510]18. Antillen und Bahamainseln.
hinaufgerückten Eichenformationen. An der Westküste
bauen sich bis 1000 m hoch die tropischen Waldforma-
tionen (um 6000 m Höhe, besonders Acrocomia mit den
untersten Quercus) auf und enden in Savanen; dann be-
ginnen Pinus-Wälder und über 1300 m Höhe die Aga-
ven. Der Ostabhang ist mit undurchdringlichen Wäldern,
reich an Palmen mit den südamerikanischen Charakter-
gattungen Bactris, Geonoma und Iriartea (bis gegen
1000 m heraufgehend) bedeckt, und glänzt durch Baum-
farne, Scitamineen und die Rubiacee Warszewiczia pul-
cherrima. Im Centralplateau um 10° S. bei 1600 m
Höhe sind unter dem Einfluss einer vom Juni bis Oktober
dauernden Regenzeit die lichten, regengrünen Waldungen
aus Cedreleen, Bombax-, Cupania-, Inga- und Bursera-
Arten mit dornigen Mimoseen entwickelt.
Unter 9° N. am Chiriqui sind die Regionen durch Wagner
ausführlich gekennzeichnet; vergl. Griseb. Abh. S. 361—364. Von
1430—2800 m reicht die subtropische Region von immergrünen
Eichen und Alnus * Mirbelii. Der Coniferengürtel folgt hier nicht
mehr, da er bei 13° N. mit den Vulkanen an der Fonsecabai
endet. In Guatemala herrscht von 2900—3300 m Pinus occidentalis.
18. Antillen und Bahamainseln.
Auswahl der Litteratur:
a) Systematische Floren: Grisebach, Flora of the british West-
Indian-Islands, London 1864. Ramon de la Sagra, Histoire phy-
sique, polit. et natur. de l’île de Cuba, Paris. Richard \& Mon-
tagne, Flora cubana, Paris 1853. Grisebach, Catalogus plantarum
Cubensium, 1866; Plantae Wrightianae e Cuba orient. 1860—62;
System. Untersuch. ü. d. Vegetation d. Karaiben, bes. Guadeloupe,
Göttingen 1857.
b) Pflanzengeographie und Spezialfloren: Grisebach, D. geogr.
Verbreitg. d. Pflanzen Westindiens, Götting. 1865. Rein, Bermu-
das-I. in Ber. Senckenberg. naturf. Ges. 1872—73, S. 131. Oersted,
Skildring af Naturen paa Jamaica (nach Griseb., V. d. E., II, 565,
Note 11). Eggers, Flora von St. Croix in Vidensk. Meddels. fra
naturh. Foren, Kjöbenhavn 1876, S. 33, Karte!; und Bulletin U.
St. Nation.-Museum, Washington 1879; Reise in das Innere von
St. Domingo, in Geogr. Mittlgn. 1888, S. 35. Johow, Vegetations-
bilder aus Westindien (und Venezuela), Kosmos 1884—85 (G. J.,
XI, 142).
[511]Litteratur. — Florencharakter. Klima.
Schon unter dem vorigen Kapitel war mehrfach des
Florencharakters der Antillen Erwähnung gethan, welcher
mit Mexiko gewisse Gemeinsamkeiten, aber viel mehr
Analogien als wirkliche Uebereinstimmungen zeigt, be-
sonders darin, dass der südamerikanische Tropencharakter
hier noch wesentliche Einschränkungen durch boreal-
subtropische Elemente erleidet. Eine grössere Zahl en-
demischer Gattungen (Grisebach gibt als ihre Zahl etwa
100 an) erhöht die Selbständigkeit dieses Gebietes, wel-
ches dabei zwar in seinem insularen Charakter betrachtet
werden muss. So abgesondert, wie die westindische Fauna
sich mit ihren merkwürdigen Bildungen verhält, ist die
Flora allerdings nicht, und wir werden in dieser Be-
ziehung wiederum daran erinnert, dass ozeanische Tren-
nungen den Austausch der Pflanzen in gleichartigem Klima
nicht so sehr hindern, als den von nicht fliegenden Tieren;
denn sogar die Südhälfte von Florida ist, entgegen der
noch von Grisebach ausgesprochenen Annahme, mit dem
Antillengebiet floristisch vereinigt durch eine grosse Zahl
gemeinsamer Sippen und ist von den atlantischen Süd-
staaten (siehe oben S. 445) zu trennen (vergl. G. J.,
XI, 134).
Nach Chapmans Flora sind 360 Arten aus Florida bekannt
geworden, welche den 29° N. nicht überschreiten; davon gehören
169 zu 134 Gattungen, die ebenfalls nicht weiter nordwärts gehen,
ja 16 Ordnungen werden dadurch in ihrer Verbreitung nach Norden
ebenfalls auf diese Halbinsel beschränkt.
Das Klima der Antillen erweist sich trotz der dem Wende
kreise genäherten Lage als gut tropisch, die Vegetation
nimmt teil an der zweiten Abteilung der IV. Zone. In
dieser Beziehung würde wahrscheinlich ein noch grösserer
Bruchteil südamerikanischer Tropenarten, welche sich jetzt
auf die mit dem Orinoko-Delta fast unmittelbar zusam-
menhängende Insel Trinidad beschränken, einwanderungs-
fähig gewesen sein, wenn dem nicht die alte Eigenent-
wickelung des Archipels widersprochen hätte. Nur die
nördlichen Bahamas überschreiten die Nordgrenze der
gleichmäßig heissen Temperaturen und schliessen sich
an die Bermudasinseln, welche Mischlingsformationen aus
[512]18. Antillen und Bahamainseln.
Westindien und den atlantischen Unionsstaaten zeigen, an.
Die 24°C.-Januarisotherme schneidet Cuba, die 28°C.-
Juliisotherme schliesst die Hauptinseln der Gruppe ein.
Die Regenhöhe, wenngleich im einzelnen sehr verschieden,
kann doch durch die die Inseln durchsetzende 130 cm-
Linie charakterisiert werden, und es ist auf Grisebach
(V. d. E., II, 320) zu verweisen in Bezug auf die durch
die Regenzeiten hervorgerufene klimatische Gruppierung,
wodurch beispielsweise die Nordseite Jamaikas für Tro-
penwald, die Südseite für Savanen geeignet wird. Die
noch mehr gesteigerte Trockenheit führt zu Steppenbil-
dungen (Region 1), sonst ist Tropenwald mit Savanen
bis zu den Berggipfeln, in höheren Lagen mit den Cha-
rakterelementen der tropischen Montanflora (Podocarpus,
Ericaceen, Farnen) und anderen borealen wie australen
Inquilinen als die ursprüngliche, jetzt durch mehrere
Jahrhunderte emsiger Kultur vielfach nicht zum Schönen
umgewandelte Physiognomie des Landes anzusehen.
Die Bahamainseln lassen die Fülle tropischer Sippen
zurücktreten; die Bermudas besitzen keine endemische
Art: „ihre Vegetation ist aus Ansiedelungen durch den
Golfstrom oder die ihn begleitenden Südwestwinde aus-
schliesslich hervorgegangen“ (Griseb. Abh. S. 483); Juni-
perus bermudiana = J. barbadensis bedeckt das niedere
Land fast völlig mit dunkelgrünem Nadelwald, neben ihr
Lantana odorata, gleichfalls antillanisch; Stenotaphrum
americanum bildet auf felsigem Boden den häufigsten
Grasrasen; die Palmen werden noch durch Sabal Pal-
metto vertreten.
Die Vegetationsregionen der Antillen erscheinen
in dem hier gebrauchten Sinne, wo die Eigenartigkeit
der Sippen in den Beständen neben deren biologischem
Allgemeinverhalten maßgebend ist, viel mehr differenziert,
als es bei dem kleineren Maßstabe der amerikanischen
Florenkarte im physikalischen Atlas ausgedrückt werden
konnte, sind auch aus den besagten Gründen von ihren
nächsten Verwandtschaftsgliedern, die in Honduras und
Yucatan liegen, zu trennen.
1. Die dürre Croton - und Cacteen-Region ist be-
[513]Formationen und Regionen; Gebirgsgliederung.
sonders gut vom südlichen Jamaika und durch Eggers von St. Croix
bekannt. Auf felsigem oder sandigem Boden im dürrsten Gebiete
des Archipels können die Savanengräser nicht aufkommen, aro-
matische Sträucher, besonders Croton-Arten: z. B. C. Eluteria, balsa-
mifer, glandulosus u. a. mit teilweise weiterer Verbreitung über
Mexiko und bis Peru, wachsen hier mit einigen Leguminosen,
unter denen auch Haematoxylon campechianum, ein Blauholzbaum,
genannt wird, welcher dem mexikanischen Gebiete als Savanen-
baum angehört. Endemische Arten von Cacteen sind mit mexi-
kanischen verwandt.
2. Die antillanische Tropenregion zerfällt um 600 m
Höhe in eine untere mit Savanen und heissen Waldformationen,
und in eine obere, welche auf Jamaika von 600 m bis 1200 m
reicht und in welcher besonders Lauraceen (Phoebe montana mit
Nectandra sanguinea) mit Clethra, auch schon Podocarpus und, wie
Eggers angibt, mit Juglans jamaicensis als abweichenden Sippen
auftreten. In den Savanen sind von blattwechselnden Bäumen
besonders wiederum Bombaceen: Ochroma Lagopus und Erioden-
dron anfractuosum, charakteristisch, dann aber die Cedreleen: Ce-
drela odorata, die bis Mexiko und Yukatan geht, und Swietenia
Mahagoni bis Mexiko und Honduras, beide durch ihr Holz berühmt;
Amyris balsamifera verbindet die Antillen mit Colombia; Bursera
gummifera und Guajacum officinale sind zwei andere durch ihre
Aromata bekannte Bäume.
An Palmenarten ist der Tropenwald nicht sehr reich: die
Königspalme Oreodoxa regia, die stachelige Acrocomia lasiospatha,
von fächerblatttragenden Sabal umbraculifera und zahlreichere
Arten von Thrinax, alle vom Orinoko- und Amazonasgebiete aus-
geschlossen, sind hier zu nennen.
3. Die antillanische Bergwaldregion ist von 1200 m
bis 2300 m zu rechnen, charakterisiert durch Farnwald, dessen
baumartige Bestände gerade an der Grenze von Region 2 und 3
ihre grösste Häufigkeit erreichen, mit Ericaceen, Eugenien, Tupa und
als Seltenheit Fuchsia, als andere Seltenheit noch einzelne Euterpe
Manaële-Palmen. Hier ist auch der charakteristischen Antillen-
Conifere zu gedenken: Pinus occidentalis, welche auf Cuba in die
heisse Küstenregion herabsteigt und auch auf Domingo ein Areal
zwischen 190—2300 und darüber hinaus (verkrüppelt bis 2630 m)
hat, daher nach Eggers’ Wahrnehmungen mehr vom Boden, der für
sie aus grobem Kies und rotem Lehm bestehen muss, als vom
Klima abhängig ist.
4. Die antillanische Hochgebirgsregion ist nur von
Jamaika und Domingo bekannt geworden, wo sie zwischen 2300
bis 2900 mit Ericaceen beider Hemisphären (Chimaphila, Lyonia),
borealen und amerikanischen Stauden (Hieracium, Alchemilla, Ra-
nunculus, Carex, Eriocaulon, Garrya Fadyenii aus der eigenen
kleinen Familie der Garryaceen) auftritt.
Bekannt sind die grossen Leistungen, welche dieses
Drude, Pflanzengeographie. 33
[514]18. Antillen und Bahamainseln.
Inselgebiet für den Anbau von vielerlei gemäßigt-tropi-
schen Kulturpflanzen in Hinsicht auf Bodenproduktion
leistet. Die meisten derselben sind allerdings eingeführt,
nicht nur Zuckerrohr und Kaffeebaum, sondern wohl auch
die jetzt dort gebauten besten Tabakarten; Nicotiana als
hauptsächlich tropisch-amerikanische Solanaceen-Gattung
hat auch ihre wilden Vertreter auf den Antillen, aber
N. Tabacum wird von Grisebach nur als naturalisiert
auf Antigua und von unbekanntem Ursprungsgebiet be-
zeichnet, während A. de Candolle Ecuador und anstossende
Länder als die wahrscheinliche Heimat bezeichnet. Eine
kleinere Zahl tropischer Fruchtbäume kann auf den An-
tillen schon vor 1492 einheimisch gewesen sein, doch
ist es nach Jacquins alten Angaben sogar von Persea
gratissima, dem Aguacatebaume, zweifelhaft, sein Vater-
land vielleicht das ungleich reichere Festlandsgebiet vom
Orinoko und Amazonas. Dagegen darf man Carica Pa-
paya, den Melonenbaum, als von den Antillen ausgegangen
betrachten. Vielleicht sind auch einige in die europäische
Kultur übergegangene Cucurbitaceen hier heimisch, näm-
lich ausser der weniger wichtigen Anguriagurke die der
Kürbisarten Cucurbita maxima, C. Pepo und moschata;
so wenigstens lässt der Ausspruch von A. Gray und
Trumbull in ihren Bemerkungen zu A. de Candolles „Ur-
sprung der Kulturpflanzen“ vermuten, dass diese Kürbisse
sicherlich erst südlich von Texas zu Hause gewesen,
aber schon vor 1492 von den amerikanischen Tropen
an bis gegen Kanada hin in Kultur gewesen seien.
A. de Candolle selbst gab Gründe für Verlegung der Heimat
des Riesenkürbisses nach Guinea an; die Leichtigkeit,
mit welcher sich diese Kürbisse im nördlich temperierten
Europa bauen lassen, scheint mir aber sehr für die nord-
tropische Heimat der Antillen zu sprechen, oder viel-
leicht für mexikanischen Ursprung. Gemäß Ratzels
Anthropogeographie (S. 349) leben noch heute mexika-
nische Indianer Monate hindurch von den Früchten einer
„Melone“.
Für den Welthandel sind die Arrow-root liefernden
Knollen der Scitamineen-Marantinen wichtig geworden,
[515]Kulturpflanzen; Baumwolle.
von denen Maranta arundinacea wahrscheinlich ihre Heimat
zwischen den Antillen und Mexiko, bezw. Centralame-
rika teilt.
Noch möge hier im Zusammenhange der Heimat
der Baumwolle gedacht werden. Die Gattung Gos-
sypium ist intratropisch auf die drei Hauptflorenreiche ver-
teilt und hat schwierige Speziesumgrenzungen unter vielleicht
sieben starken Arten. G. barbadense ist die amerikanische
Hauptart, an welche sich G. hirsutum und G. religiosum
anschliessen, und welche bei den Eingeborenen in Nutz-
anwendung und Kultur standen.
„Zur Zeit der Entdeckung Amerikas fanden die Spanier die
Kultur und Anwendung der Baumwolle von den Antillen nach
Peru und von Mexiko nach Brasilien allgemein begründet. Dies
ist eine von allen Geschichtschreibern jener Epoche festgestellte
Thatsache“ (A. de Candolle, Kulturpfl. S. 517). So wird berichtet,
dass unter den Geschenken, welche Montezuma vor 3½ Jahrhun-
derten dem Fernando Cortez vor die Füsse legen liess, sich 30 Ballen
Baumwollenmäntel, an Feinheit und Glanz den schönsten Seiden-
stoffen gleichend, befunden haben (G. J., VII, 428).
Ausserdem aber hat die Alte Welt zwei wichtige
Baumwollarten an der Nordgrenze der Tropen ursprüng-
lich, nämlich G. herbaceum in Indien, wo ihre Produkte
dem klassischen Altertum durch den Feldzug Alexander
des Grossen bekannt und später unter dem Namen Qutn
oder Kutn = Coton durch die Araber westwärts verbreitet
wurden, und G. arboreum wild in Oberguinea, Abessinien,
Sennar und durch Kultur ebenfalls weiter verbreitet. Die
Produkte der letzteren Art sind dem alten Aegypten, in
welchem die Flachskultur herrschend war, als Wert-
gegenstände bekannt geworden; dagegen ist jetzt G. her-
baceum nach Amerika verpflanzt und soll dort in der
südlichen Union die am häufigsten gebaute Art sein.
19. Tropisches Südamerika.
Auswahl der Litteratur. a) Systematische Floren:
Humboldt, Bonpland, Kunth, Nova genera et species Plantar. Orbis
Novi etc. 7 Bde., 1815—1825. Karsten, Florae Columbiae specim.
selecta, Berlin 1858—1869. Weddell, Chloris andina, Paris 1855
[516]19. Tropisches Südamerika.
bis 1857. Martius, Endlicher, Eichler \& Urban, Flora brasiliensis,
München 1840 (bis jetzt in über 100 Fascikeln mit über 3000 Tafeln,
das grösste bis jetzt herausgegebene Florenwerk in Einzelmono-
graphien der Familien). Sagot, Catalogue des pl. phanérog. et
crypt. vasc. d. l. Guayane française, in Annales d. sc. natur. Bot.
6 Ser., X und folgd. Miquel, Stirpes Surinam. selectae, 1850.
Micheli, Contributions à la Flore du Paraguay, 1883 (unvollendet).
b) Pflanzengeographie, Expeditionsberichte etc. (in
der Reihenfolge der Vegetationsregionen): Thielmann, Vier Wege
durch Amerika, 1879. Sievers, Sierra Nevada de Santa Marta,
1888, und Verh. Ges. Erdk. Berlin XIII, 399. Mathews, Höhen-
grenzen der Kulturpflanzen in Bolivien etc., in Verh. Ges. Erdk.
Berlin VII, 212. Berg, Physiognomy of Trop. Veget. in South-
Amer. (Magdalena etc.) London 1854. Appun, Unter d. Tropen
(Venezuela-Amazonas), Jena 1876. Ernst, Veget. d. Savanen von
Caracas, in Gartenflora 1886, S. 313. Everard im Thurn, Roraima-
Expedition. in Proc. R. Geogr. Soc., Aug. 1885; Botany in Transact.
Linn. Soc. Bot., London 1887. Schomburgk, Reisen in Guiana und
am Orinoko 1841; Fauna und Flora v. Brit. Guiana, Leipzig 1848;
Botanical Reminiscenses in Brit-Guiana, Adelaide 1876.
Spix \& Martius, Reise in Brasilien, 3 Bde. 1823—1831. Or-
bigny, Voyage dans l’Amér. mérid. (Brésil-Pérou), Paris 1834—1847.
Martius, Die Physiognomie des Pflanzenreichs in Brasilien, München
1824. Burmeister, Reise nach Brasilien (Rio und Minas) 1853 (Griseb.
Ber. 1853, S. 31). Schwacke, Skizze d. Flora v. Manaos, im Jahrb.
K. bot. Garten Berlin III, 224. — Hehl, Von den vegetabil. Schätzen
Brasiliens u. seiner Bodenkultur, in Nova Acta Leop. Carol.
Acad. Bd. XLIX, S. 171 (G. J., XIII, 347). Liais, Climats etc.,
Geographie botan. du Brésil, 1872. Hassler, Versuch einer Pflanzen-
geogr. Brasiliens, Ref. siehe Geogr. Mittlgn. 1888, Litt. Nr. 459.
Wells, Sketch of of the phys. geogr. of Brazil, in Proc. R. Geogr.
Soc. 1886, S. 353, Karte; und Notes of a Journey, ebenda 1876,
S. 308. — Warming, Excurs, aux montagnes du Brésil, Liège 1883.
— Jhering, Z. Kenntnis d. Vegetat. d. südbrasil. Subregion, Aus-
land 1887, S. 801. Lorentz, La vegetacion del Nordest. d. l. prov.
Entre-Rios, Buenos Ayres 1878 (G. J., VIII, 267); Reiseskizzen aus
d. Gran Chaco, Buenos Ayres 1877. Johnston, Notes on the phys.
Geogr. of Paraguay, in Proc. Roy. Geogr. Soc., London 1876.
S. 494. Niederlein, Y Guazu in d. Missiones, in Verh. Ges. Erdk.
Berlin X. 348.
Vom 12° N. (in Centralamerika) durch das gesamte
Brasilien, und mit drei vorgeschobenen subtropischen
Vegetationsregionen im Gebiet der atlantischen Anden-
gehängen bis 32° oder 33° S., ist dies die grösste aller
mit reicher Tropenvegetation ausgerüsteten zusammen-
hängenden Ländermassen. Nur die Hochgipfel der Anden
[517]Litteratur. Florenreichsgrenzen.
und die trockene Vegetationsregion der inneren Hoch-
flächen derselben sind von einem abweichenden Elemente
besiedelt, welches sich hauptsächlich an die südlicher ge-
legene „andine“ Flora anschliesst, die ihrem Allgemein-
verhalten nach subtropisch-austral ist; ebenso entbehrt
das dem Aequator nahe gelegene Westgehänge der Anden,
von der Bai von Guayaquil an südwärts, der Tropen-
formationen und wird daher (analog der Kalahari-Vege-
tationsregion) trotz ihrer tropischen Lage zu dem andinen
Florenreich gezogen, welches sich hier in trockenheissen,
niederschlagsarmen Ländern in hervorragenden xerophilen
Beständen entwickelt hat.
Die Westgrenze des tropischen Südamerikas, welche
hier als Florenreichsgrenze mit den selbstverständlichen
Verbindungs- und Uebergangsgliedern verstanden ist,
läuft daher von der Bai von Guayaquil über die Anden
(mit Ausschluss der hochandinen Steppen in Ecuador und
Colombia) bis zu den tropischen und subtropischen Wald-
beständen an deren Osthange und folgt diesen etwa bis
zur argentinischen Provinz Tucuman, von wo sie dem
Gebiet des Rio Salado folgend ostwärts nach Parana läuft
und durch Entre-Rios und das nördliche Uruguay zur
brasilianischen Küste bei Porto Allegre. Diese Floren-
reichsgrenze, welche in ihrer Bedeutung von Hieronymus
(Bot. Ztg. 1888, S. 225) angegriffen wurde, ist eine von
Engler ebenso dargestellte natürliche Scheidelinie, welche
mit einer starken Faunengrenze bei Wallace ziemlich
genau übereinstimmt. Auch Balls im folgenden Kapitel
zu nennende wichtige floristische Arbeiten stimmen in
ihrer Argumentation völlig damit überein. Es ist nicht
nur, wie Hieronymus annimmt, eine Abgrenzung von
Xerophilenvegetation gegenüber tropischen Formationen,
obwohl ja die innigen Beziehungen der Systemklassen zu
klimatischen Bezirken auch dieser Trennung Gewicht
genug verleihen würden; auch das Innere von Brasilien
besitzt weite Landstrecken mit trockenheissem Klima,
aber in ihnen sind stets besonders acclimatisierte Arten
der herrschenden echttropisch-amerikanischen Charakter-
gattungen, z. B. Palmen wie Cocos, Copernicia, Diplo-
[518]19. Tropisches Südamerika.
themium, Attalea, zahlreicher Andromedeen etc., welche
alle an der Westküste fehlen. — Wie man bei einem Ver-
gleich von Köppens Wärmegürteln ersieht, fällt in das
floristische „tropische Südamerika“ das ganze Gebiet des
tropisch-klimatisierten Gürtels, nur die Hochanden und
die Westküste bleiben davon in unmittelbarer Berührung
der äquatorialen Breiten frei; nun aber lehnt sich
der grösste Teil des subtropischen Gürtels vom brasiliani-
schen Hochlande bis zum nördlichen Uruguay daran an,
und diese floristische Grenzlinie hält hier ungefähr die
Mitte zwischen dem Verlauf der 20°C.-Juliisotherme,
welche aus dem Gebiet des oberen Ucayale im Bogen
nach Rio de Janeiro hinzieht, und dem Verlauf der 20°C.-
Januarisotherme, welche aus dem andinen Gebiet des
Rio Colorado und Rio Negro im südlichen Argentinien
zur Küste unter 43° S. verläuft. Aber südlich der 20°C.-
Juliisotherme liegen auch hier nur solche Vegetations-
regionen, welche als „subtropische“ und als mit einzelnen
australischen Elementen (Araucaria!) gemischte den Ueber-
gang zum „australen“ Südamerika vermitteln. Auch liegt
dies ganze Gebiet noch innerhalb der 130 cm-Nieder-
schlagskurve. Demnach gehört es botanisch zu der ersten
und zweiten Abteilung der IV. Vegetationszone, und nur
die südlich des Wendekreises gelegenen Regionen bilden
die zweite Abteilung der V. Vegetationszone (siehe oben
S. 88—90).
Während die gewaltigen Ketten der westlichen und
östlichen Cordilleren mit ihren zerteilten Armen in Co-
lombia den ersten und packendsten Grundton in der Ver-
teilung der tropisch-südamerikanischen Vegetation her-
vorrufen, wird durch das brasilianische Bergland ein zwar
nicht so auffälliger, aber doch in seiner Rückwirkung
auf die Niederschlagsverteilung erheblich wichtiger zweiter
Scheidegrund gelegt. Wie Liais auseinandersetzt, bildet
die Verlängerung der Serra Mantiqueira, dos Vertentes
und Pireneos den Kamm des brasilianischen Centralplateaus,
welcher westwärts in Boliviens Hochland ausläuft. Auf diese
Weise wird südlich vom Aequator die Wirkung zunehmen-
der Breite mit der steigenden Höhenwirkung bis zu dieser
[519]Klimatische und orographische Gliederung.
Kammlinie kombiniert und eine Reihe von Vegetationslinien
werden sicherlich hierdurch zu einem raschen Ziele geführt.
Denn das Amazonenstromthal in weitem Sinne hat den Allein-
besitz vieler Gattungen und sehr vieler Arten aus den haupt-
sächlich maßgebenden Tropenordnungen. Nun bringt es
der Zusammenhang zwischen dem weiteren orographischen
Aufbau südlich dieser Kammlinie und den Regenwinden
mit sich, dass nur der Küstenstrich bis über Rio de
Janeiro hinaus, nämlich nach Liais bis zur Bai von Pa-
ranagua unter 25° S., ein mildes und äusserst frucht-
bares Tropenklima besitzt, so dass hier eine Reihe von
Gattungen des Amazonasgebietes wiederkehrt, welche im
trockenen Innern fehlen. In letzterem herrschen anstatt
der Tropenwälder Grassteppen und Grassavanen mit
lichten Gebüschen, kleinen laubwechselnden oder immer-
grün-hartbelaubten Baumbeständen und an Trockenheit
gewöhnten Typen der Palmen, dazu eine Masse von
Cacteen, die grösseren Bäume aus den Bombaceen und
ähnlichen Savanen-Inquilinen. Die Busch- und Baum-
bestände führen hier je nachdem die Bezeichnungen Ca-
rascos oder Serrados, Capoës und Caatingas (vergl. oben
S. 256 und 282). Und an dieses Innere lehnt sich dann
südwärts abfallend die atlantische subtropische Ueber-
gangsregion an, weit über den Wendekreis hinaus an
den Läufen des Uruguay, Paraguay und mittleren Parana,
welcher eine zweite eigenartige, subtropische Bergwald-
region in der geographischen Breite beiderseits vom Wende-
kreise am Osthange der Anden entspricht, im Anschluss
an die Cinchonen-Bergwälder von Bolivien und Ecuador.
Zwischen diesen beiden aber liegt die Gran Chaco-Region,
welche Hieronymus als eine Uebergangsregion der bra-
silianischen Subtropen zu den argentinischen, von Grise-
bach als Chanarsteppe bezeichneten Espinarwaldungen an-
sieht.
Diese Regionen sind in der amerikanischen Floren-
karte (Berghaus’ physik. Atlas Nr. 50) auseinandergehalten,
und an ihrer Bedeutung finde ich nichts zu ändern, ob-
wohl ihre nach bestimmten einzelnen Vegetationslinien
entworfenen Grenzen zumal um den Wendekreis und
[520]19. Tropisches Südamerika.
20° S. herum noch unklar aussehen. Es versteht sich
von selbst, dass es auch nach Martius’ originalen Floren-
karten von Brasilien neuer grundlegender pflanzengeo-
graphischer Kartographien bedarf, welche im Lande selbst
von hervorragenden Floristen entworfen werden müssen,
um die vielleicht richtigen Grundlinien auf ein besseres
Material zu stützen und auszufeilen. Folgendes ist die
Uebersicht ihrer Anordnung:
1. Colombische Tropenregion (mit Einschluss
des südlichen Centralamerikas), im andinen Berglande bis
zu circa 1300 m Höhe hinauf (400 m höher hinauf ge-
rechnet als die Tropenregion des Himalaya, was der
äquatorialen Lage zuzuschreiben ist). Reiche Vegetation
von Regenwäldern aus allen tropisch-amerikanischen
Sippen, in den Palmen besonders durch die Steinnüsse
liefernde Phytelephas charakterisiert (welche im Orinoko-
Amazonasgebiet fehlt), das vermutliche Ursprungsland der
Cocos nucifera, Heimat einer grossen Anzahl von Iriartea,
Attalea (butyracea), Cocos-Arten der Gruppe Syagrus etc.
Von Laubbäumen sind in der bisherigen Litteratur wenige
als physiognomisch von besonders hoher Bedeutung her-
vorgehoben; die Myrtaceen Couroupita nicaraguensis und
guianensis kennzeichnet Orsted als solche, verbreitet von
Nicaragua bis Cayenne und den Kariben.
2. Subtropische und gemäßigte Andenregion,
das Bergland von 1300 m aufwärts bis zu den Páramo-
formationen bei circa 3400 m Höhe umfassend, und
die dritte Abteilung der IV. Vegetationszone darstellend.
Diese wundervolle Vegetation und reiche Flora gliedert
sich naturgemäß in mehrere Abteilungen: a) Obere Pal-
men, Dickichte von Guadua (1200—1600 m), Farnwald.
b) Cinchona-Region in nach Breiten verschiedener Höhe,
meist um 2000 m oder höchstens bei 2500 m endend.
c) Wachspalmen-Region: Ceroxylon Andicola, cerifera u. a.
1800—3000 m. d) Andesrosen-Region von Bejaria (2800
bis 3100 m in Verbindung mit der folgenden). e) Alpine
Gesträuche von Buddleja, Baccharis, Barnadesia, Escal-
lonia, Drimys, Podocarpus, 2800—3400 m; Grenze der
[521]Colombia. Anden. Venezuela, Guyana.
Gerstenkultur; zahlreiche alpine Staudenformationen. —
Viel ärmer erscheinen die Gebirge von Venezuela.
2a. Die Páramo- und Pajonale-Vegetationsregion
der Hochanden ist nur geographisch eng an die gemäßigte
Region der äquatorialen Anden gebunden und gehört floristisch
zu dem besonders in Bolivien breit entfalteten Hochanden-Steppen-
element vom „andinen“ Florenreich, welches die tropischen Forma-
tionen in Südamerika ablöst. Páramos nennt man um Bogota das
Gebiet des unwirtbaren Hochgebirges, traurig-einförmiger als die
schottischen Moore im Spätherbst, wo nach dem Verschwinden
des Baum- und höheren Strauchwuchses noch der Frailejon:
Espeletia grandiflora, corymbosa ausharrt, weisswollige Compositen
mit anderen Gattungen (Culcitium, Werneria) systematisch wie
physiognomisch vereinigt. Er löst die blütenreichen Alpenhöhen
um Bogota, wo er ausnahmsweise in den Blütenflor der Alpen-
stauden herabsteigt, wenige hundert Meter über der Stadt ab. Sein
Gewebe ist so harzreich, dass es selbst in der Nässe Feuer fängt;
sein Aussehen gleicht einer Zwergpalme mit graufilzigen Blättern.
Pajonale heissen die mit den kreisrunden Büscheln eines gelb-
grauen saftlosen Grases Stipa Ichu bedeckten Flächen, welche sich
zwischen Baumgrenze und Schneelinie (4600 m, oder höchstens
4850 nach den höchsten Culcitium-Stauden am Pichincha beurteilt)
durch die ganzen Hochketten von Ecuador ausdehnen. — Chuqui-
raga und Polylepis bilden am Chimborazo in 3950—4250 m Höhe
Zwergbäume; Bambusengesträuche der amerikanischen Gattung
Chusquea sind bis 4580 m Höhe am Pichincha beobachtet. — Ueber
den Endemismus in der Andenkette vergl. oben S. 140.
3. Savanenregion des Orinokogebietes, in Vene-
zuela und Guyana. Dieselbe ist in ihren Gräser- und
Baumbestandteilen durch Schomburgks Arbeiten zuerst
ausführlicher bekannt geworden. Paspalum conjugatum,
vaginatum, virgatum (als kräftigstes derselben fast 2 m
hoch), Leptochloa virgata, Hymenachne amplexicaulis,
viele Panicum-, Cyperus-, Kyllingia-Arten, Hypolytrum
pungens mit Eriocauloneen bilden das Grasland, Bäume
aus den Leguminosen (Swartzia), besonders aber die tro-
pische Proteacee Roupala, ausserdem Humiriaceen, Tern-
strömien schalten sich ein.
Die Entwickelungsweise und Anordnung der Vegetation in
diesen Savanen vergl. oben, S. 296—297.
4. Die Hyläa-Vegetationsregion des Amazonas-
Orinokogebiets. Als Martius seine geographische Karte
von Brasilien (Fl. brasil., Tabulae physiognomicae) heraus-
[522]19. Tropisches Südamerika.
gab, bildete er aus Brasilien die 4 Regionen der Najaden
(4), Dryaden (5), Hamadyraden (6) und Oreaden (7),
welche dieser und den unter 5—7 folgenden Vegetations-
regionen entsprechen und wahrscheinlich als sichere Grund-
lage der Vegetationsgliederung Anerkennung behalten
werden.
Hier, im Bereich der Najaden, ist nach Martius im Innern
am Japura die Theobroma Cacao in natürlichen Waldbeständen;
die Mauritia-Palmen ersetzen die fehlenden Sabaleen mit Fächer-
blättern, Maximiliana, Attalea, Orbignya, Leopoldinia sind neben
zahllosen Bactris, Astrocaryum und Geonoma die hauptsächlichen
Charakterpalmen, zu denen im östlichen Teil merkwürdigerweise
die afrikanische Raphia vinifera in einer Varietät sich gesellt; die
Myrtacee Bertholletia excelsa liefert aus ihren kanonenkugelartigen
Früchten die Paranüsse, die Seringueira-Bäume: Hevea brasiliensis
(= Siphonia elastica) liefern den wichtigsten Exportgegenstand:
das brasilianische Kautschuk; die Lagunen der Flüsse füllt stellen-
weise mit mächtigen Rosetten schwimmend Victoria regia, ist
aber wie manche andere ziemlich weit südwärts verbreitet.
5. Die ostbrasilianische Tropenwaldregion be-
deckt den Osthang der durch mehr als 12 Breitengrade der
Küste entlang ziehenden Serra do Mar in einem zusam-
menhängenden Striche von vielen Tausenden von Quadrat-
meilen und ist in derselben Zusammensetzung von Arten
und Formationen im Bereich des San Francisco, auch
sonst da, wo die Campos und Serrados südlich von der
Hyläa fehlen, ausgebreitet.
Ihrer südlicheren Lage entsprechend, die bis über den Wende-
kreis in einem schmalen Küstenbande herausgeht, ist diese „all-
gemeine Waldung“ Matto Geral mit ihren „jungfräulichen Wäldern“
Matto virgem der zweite grosse brasilianische Waldkomplex, in
dem die Mehrzahl der Amazonas-Typen in Repräsentativarten und
in vermindertem Reichtum wiederkehrt; Region Nr. 4 ist der äqua-
toriale, Nr. 5 der tropische Wald. Die Myrtacee Lecythis Ollaria,
sehr viele Nutzholzbäume, unter ihnen das Brasil- oder Fernam-
bukholz Caesalpinia echinata, Jacaranda, Machaerium firmum, noch
alle wichtigen Palmengattungen: baumartige Geonoma-Arten (G.
Pohliana, macroclona), Cocos (Syagrus), das stachelige Astrocaryum
Ayri, dann von 200—300 m Höhe an grosse Baumfarne, Bestände
von Alsophila armata in der Breite von Rio: das sind hier be-
sonders charakteristische Formen.
6. Regengrüne Sertão-Caatinga-Region (Ha-
madryaden);
[523]Amazonas-Gebiet. Brasilien.
7. Brasilianische Campos-Region (Oreaden);
8. Obere brasilianische Barbacenien-Region
(Oreaden). — Diese drei Vegetationsregionen bezeichnen
das von den Tropenwaldungen im Norden und Osten um-
rahmte Innere von Brasilien mit trockenem Klima und
beschränkter Regenzeit, beeinflusst von der Bodengestal-
tung und Bodenunterlage, unter der die Campos-Vegetation
vorzüglich auf Thon- und Glimmerschiefer, Magneteisen-
stein und roten Eisensteinflötzen ruht. Während die
kühle Region 8 von etwa 1300 m an aufwärts zu rechnen
ist, hängen R. 6 und 7 verwickelter zusammen, und es
scheint einstweilen noch an geordnetem Material zu fehlen,
um beide Regionen schärfer auseinander zu halten; doch
gehört die als Sertão wegen ihrer dünnen Bevölkerung
bezeichnete Region von Ceara-Pernambuco-Piauhy, dem
nördlichen Goyaz und Matto-Grosso, zu dem heissen
Tropenklima, die Campos-Region dagegen, welche von
Minas Geraës bis São Paulo und im südlichen Goyaz
herrscht, liegt schon an dessen Südrand.
Nach Liais’ Auseinandersetzungen scheint die Hamadryaden-
region des Innern mit weiten offenen Feldern nördlich der Campos-
Grasfluren zu beginnen, in denen Irideen, Compositen und besonders
Boragineen-Heliotropieen den Teppich bilden und endlich letztere
allein reiche Weidegründe liefern. Hier wächst an den Ufern
kleiner Teiche und denen der Flüsse nördlich von 12° S. die
schöne Carnauba-Palme Copernicia cerifera, welche merkwürdiger-
weise weit südwärts nochmals im Gran Chaco wiederkehrt, aber
in den Campos fehlt; nach ihr soll die Provinz Ceará den Namen
führen. Noch imposanter sind die stellenweise auftretenden weiten
Buriti-Palmenhaine von Mauritia vinifera und armata; im Kalk-
Sertao von Bahia kommt Cocos coronata als eine der trockenen
Jahreszeit in den lichten, blattwechselnden Caatingawäldern trefflich
widerstehende hochstämmige Palme zwischen Cereus vor, Attalea
compta und Bougainvillea treten in den besseren Waldungen
auf. Dies alles bezeugt den voll tropischen Charakter, der in
den nach Norden geöffneten Flussthälern sogleich mit Hyläatypus
auftritt, und schon Martius setzt in seinen ersten Reiseberichten
auseinander, dass diese nördlichen trockenen, sparsam mit Gras
bekleideten Campos wesentlich in ihrer Florenphysiognomie von
den Campos Geraës abweichen. Die Bäume und Sträucher fand
er hier zahlreicher, oft ausgezeichnet durch grössere, harte, während
der Dürre abfallende Blätter und darin den Caatingas ähnlich; er
nennt als charakteristisch unter ihnen Hancornia speciosa, Simaruba
[524]19. Tropisches Südamerika.
antisyphilitica, Palicurea speciosa, Strychnos Pseudo-China etc.;
auch die Gräser sind andere Arten.
Die Oreaden- (Campos-) Region besteht aus Savanen oder
steppenartigen Gras-Fluren, mit Carascos (s. oben, S. 282), Capoës-
oder Caatinga genannten Busch- und Waldbeständen; der Name
„Caatinga“-Wälder (s. oben S. 259) bezieht sich auf ihr Abwerfen
des Laubes und ihren bedeutend niederen Wuchs. In den Campos
selbst bedeckt den Boden (rötlichen Lehmgrund oder weissen Sand)
ein Teppich graugrüner haariger Grasbüschel (Echinolaena scabra,
Paspalum-Arten, Tristegis glutinosa = Capim mellado auf Eisen-
stein) mit dem mannigfaltigsten Schmucke bunter Blumen; weit
und breit kein hoher Baum, nur kleine Gebüsche, die sich in den
Niederungen wie künstliche Gärten gruppieren oder malerisch an
einzelne Felsmassen anlehnen. Die Büsche setzen sich aus Mal-
pighiaceen, Banisteria, Erythroxylum, schlingenden Paullinien und
Cassien bunt zusammen. Palmen sind hier selten und nur in Zwerg-
formen aus der Tribus der Cocospalmen. — Der oberen Campos-
region ausschliesslich eigen sind die Canella d’ Ema (Straussenfüsse),
stämmige dichotomisch verästelte Liliaceen der Gattungen Vellosia
und Barbacenia, mit oft fussdicken, nackten und durch die jähr-
lichen Brände oberflächlich verkohlten Stämmen, an deren gabeligen
Aesten Büschel langer steifer Blätter sitzen und grosse schönfarbige
Blumen entspringen.
9. Die südbrasilianische Araucarien-Region
ist die erste der subtropischen, die Provinzen Parana,
St. Catharina, Rio Grande do Sul, Paraguay, Entre-Rios
und das noch nicht mit Pampas bedeckte nördliche Uru-
guay einnehmend, soweit als neben den Wäldern der
schon im Innern von S. Paulo grosse Wälder ungemischter
Art bildenden Araucaria brasiliana und den Gebüschen
des Ilex paraguariensis = Cassine Congonha (Martius),
dem Yerba-Maté oder Congonha-Theestrauch, noch dichte
Haine der südlichsten Cocos-Arten, C. Yatai, Datil und
australis zwischen den Grasfluren sich erheben; hier ist
die Heimat der Fächerpalmen der Gattung Trithrinax.
Auch hier überziehen Grasfluren mit graugrünem Teppich
den grössten Teil des Landes und werden von Gebüschen, Carrascos,
und gesellschaftlichen Stauden unterbrochen, südwärts immer häu-
figer, bis die australen Pampas in ihrer Waldlosigkeit zur Herr-
schaft gelangen. Rhexia und Eriocaulon sind hier noch Charakter-
gattungen.
Die Maté-Sträucher sollen von jeher zur Theebereitung im
Gebrauche der Bewohner Brasiliens und Paraguays gewesen sein,
aber von mehreren verschiedenen Arten herrühren; insofern ist
Ilex paraguariensis als ein Kollektivbegriff aufzufassen (vergl. A. de
[525]Paraguay. Nördliches Argentinien und Uruguay.
Candolle, Ursprung der Kulturpflanzen, Anm. zu S. 167). Bei seiner
Expedition nach den Missiones fand Niederlein grosse Bestände
dieser Sträucher im Innern, aber nicht mehr solche von Araucaria
(G. J., X, 197).
10. Die südliche subtropische und gemäßigte
Andenregion von Tucuman und Tarija löst Region 2
etwa unter 19° S. ab und bedeckt, von den Höhen der
andinen Punaregion (siehe das folgende Kapitel) an, den
Osthang der Cordilleren entlang den Oberläufen des Pilco-
mayo, Vermejo, Juramento und im Quellgebiet des Rio
Dulce.
Sie ist von Lorentz in den „Vegetationsverh. der argentinischen
Republik“ 1876 zuerst ausreichend gekennzeichnet als ein reiches
Waldland, in welchem viele Elemente mit Region 9 übereinstimmen,
sehr viele Arten aber endemisch sind oder dem Andenzuge an
sich angehören, daher auch mit den tropischen Anden gemeinsam
sein können. a) Die unteren Formationen bis über 1000 m Höhe
bilden die „Montes subtropicos“ in reicher Mannigfaltigkeit statt-
licher Bäume mit dichten Kronen, aber dennoch reichem Unterholz,
besonders durch die Leguminose Machaerium Tipa (= M. fertile),
den Laurel Nectandra porphyria, den Nogal Juglans australis, auch
durch die ostwärts verbreitete Cedrela brasiliensis charakterisiert;
nach der Ebene zu schliessen diese „Montes“ mit den „Parque“-
Formationen von Grasfluren, Mimoseenbüschen und bunten Compo-
siten, und hernach mit der „Cebil-Acacien“-Formation von Piptadenia
Cebil und der „Quebracho-colorado“ von Schinopsis (Quebrachia)
Lorentzii ab. b) Die oberen Formationen werden von dem „Pino“
Podocarpus angustifolia, der Aliso-Erle (siehe oben S. 189), mit Sam-
bucus Peruviana, Escallonien etc., und ziemlich scharf von diesen
geschieden von der Quenoa, Polylepis racemosa, einer Rosacee von
6 m Höhe, gebildet, in Höhen von über 1000 m bis etwa 2400 m,
wo diese alle von c) Alpenweiden bis über 3000 m Höhe mit
reichem Blumenflor abgelöst werden. — Dann folgt die Puna;
die Höhengrenzen aller erscheinen lokal unregelmäßig.
11. Zwischen beiden unter 9. und 10. skizzierten
Vegetationsregionen schaltet sich endlich der subtropische
Gran Chaco am Unterlauf der genannten Flüsse ein, ein
Parkland mit wechselnden Gehölzen und Wiesenflächen,
Schilfdickichten und gelegentlich Copernicia-Hainen. Die
zu den Nyctagineen gehörige Gattung Bougainvillea, be-
sonders der doppeltmannshohe Duragnello-Strauch B.
praecox, wird von Lorentz als häufigster und am meisten
charakteristischer Strauch dieser Zwischengliedsregion an-
gegeben.
[526]19. Tropisches Südamerika.
Werfen wir nach der Nennung der für die einzelnen Vege-
tationsregionen besonders auffälligen Gattungen bezw. Arten noch
einen kurzen Rückblick auf die in der tropisch-südamerika-
nischen Flora in erster Linie charakteristischen Ord-
nungen, so fallen neben Leguminosen, Myrtaceen, Rubiaceen
(Cinchoneen!) besonders die Melastomaceen, Malpighiaceen, Euphor-
biaceen und an vielen Stellen sogar die Solanaceen auf, neben
denen die Palmen fast überall nebenher gehen. Sind diese Ord-
nungen alle weiter verbreitet, so sind die Bromeliaceen, aus denen
die Ananas stammt, die den Palmen ähnlichen Cyclanthaceen, unter
denen Carludovica palmata als Stammpflanze der Panama-Hut-
geflechte eine weitere Bedeutung hat, spezifisch amerikanisch und
fast nur intratropisch, während die Cacteen allerdings in amerika-
nischen Steppenlandschaften weit die Wendekreise überschreiten
und jenseit des nördlichen vielleicht am meisten maßgebend für
den Vegetationscharakter sind. Den Erstgenannten lassen sich
einige kleinere Ordnungen anschliessen, die Vochysiaceen, Marc-
graviaceen mit ihren merkwürdigen Sonnenschirm-Blütenstrahlen,
die grössere Hälfte der sonst auch in Afrika heimischen Vellosia-
ceen u. s. w. Die charakteristischen Palmen sind oben S. 177 bis
178 genannt. Merkwürdig erscheint dabei nur als Ausnahme der
Beschränkung die Verbreitung von Elaeis guineensis in Afrika
und Amerika gleichzeitig, während die Verbreitung der Cocos
nucifera (von Centralamerika-Columbia aus?) erklärlicher ist.
Im Vergleich mit den indischen, in ihrer ganz anderen Art ebenso
reichhaltigen Tropen vermissen wir z. B. die Dipterocarpaceen und
alle Pandanus-Arten, auch hat Amerika dem dort in den Wäldern
stattfindenden Auftreten zahlreicher Ficus-Arten nichts Aehnliches
aus dieser Gruppe an die Seite zu stellen, obwohl Stämme von
Urostigma in der Flora von Manaos mit unter den Riesen der
Hyläa auftreten.
Zahlreiche Nutz- und Nahrungspflanzen haben noch
heute ihr alleiniges Indigenat in diesem bedeutenden
Florenreich oder sind aus ihm heraus durch menschliche
Kultur, die alsdann immer eine tropische sein muss, zu
einem weiteren Areal gelangt. Hehl’s Aufzählung der
vegetabilischen Schätze Brasiliens ist fürwahr im stande,
ein Bild von den Reichtümern dieser bunt belebten Länder
zu entwerfen! — Allen Kulturpflanzen voran verdient
wohl der Manioc- oder Cassavestrauch, Jatropha Manihot
oder Manihot utilissima, als die Tapioca liefernde Pflanze
aufgeführt zu werden; der Manioc ist schon lange in
Afrika und Indien in weitere Kultur genommen, sein
amerikanisches Indigenat aber unzweifelhaft. Weniger
wichtig erscheinen die Yamsknollen, von denen Dioscorea
[527]Maßgebende Ordnungen. Kulturpflanzen.
triloba in Guyana wirklich wild, die anderen Arten aber
aus Afrika oder Indien eingeführt zu sein scheinen. Die
für Afrika und die europäische Oelversorgung so sehr
wichtig gewordene Erdnuss, Arachis hypogaea, scheint mit
Sicherheit brasilianisches Indigenat zu besitzen, obwohl
ihr Areal seit lange ein sehr weites geworden ist. Keinen
Zweifel bezüglich der Heimat haben wir von Theobroma
Cacao (Theobroma silvestris die wilde Stammform mit
kleineren Früchten) und Ananas sativus, welche vom nörd-
lichen Brasilien bis zu den centralamerikanischen Staaten
ursprüngliches Areal besitzen.
20. Hochanden und australes Südamerika.
Auswahl der Litteratur. a) Systematische Floren:
Gay, Flora Chilena, 8 Bde. in Historia fisica y polit. de Chile,
Paris 1844—1854. Philippi, Catalogus Plantarum vascul. Chilen-
sium, 1881. Miers, Illustrations of South-Amer. Plants, London
1846—1857. Grisebach, Plantae Lorentzianae und Symbolae ad
Floram Argentinam, in Göttinger Abhandl. 1874 und 1879. Hiero-
nymus, Icones et descriptiones plant. in republ. Argentina (im Er-
scheinen); Cordoba 1885. Lorentz y Niederlein, Botanica de la
Expedicion al Rio Negro, Patagonia; (Buenos Ayres 1881, Informe
oficial).
b) Pflanzengeographie, Expeditionsberichte etc.
Tschudi, Reisen d. Südamerika (Pampas-Hochanden in Bd. 4 u. 5,
1869). Darwin, Reise, und Journal of Researches 1843 nach
Griseb. Ber. Fortschr. Pflanzengeogr. 1443, S. 67. Hooker, On the
vegetation of the Galapagos Archipelago, Transact. Linn. Soc.
London 1847. Andersson, Flora Insularum Galapagensium und Om
Galapagos-Oearnes Vegetation, Stockholm 1857—1861 und 1854.
Hieronymus, Klimat. Verh. d. südl. Teile von Südamerika u.
ihre Flora, in Ber. d. Schles. Ges. vaterl. Kultur 1884, S. 306—308.
Engler, Vers. Entwickel. Pflanzenwelt, Bd. II, Cap. X (S. 230).
Lorentz, Vegetationsverh. d. Argent. Republik, Buen. Ayres 1876.
Ball, Contributions of the Flora the Peruvian Andes etc., im
Journ. Linn. Soc. London, Botany XXII (G. J., XI, 143); Notes on
the Botany of Western South-Amer., ebenda Bd. XXII (G. J., XIII)
und Notes of a Naturalist in S.-Amer., London 1887 (siehe Geogr.
Mittlgn. 1888, Littb. Nr. 78—80). Philippi, Florula Atacamensis,
Halle 1860.
Güssfeldt, Reise in den Andes von Chile und Argentinien,
1888 (siehe Geogr. Mittlgn. 1888, Littb. Nr. 466, und Verh. Ges.
[528]20. Hochanden und australes Südamerika.
Erdk. Berlin X, 409—434). Philippi, Veränder. in d. Flora von
Chile, in Geogr. Mittlgn. 1886, S. 294, 326. Philippi, R. A., botan.
Excurs in die Prov. Aconcagua, in Gartenflora 1883, S. 336; 1884,
S. 11; und: Bemerk. ü. d. chilen. Prov. Arauco, in Geogr. Mittlgn.
1883, S. 453. Martin, Der Chonos-Archipel, in Geogr. Mittlgn.
1878, S. 461; Der patagon. Urwald, in Mittlgn. d. Ver. Erdk., Halle
1882, S. 88, und Geogr. Mittlgn. 1880, S. 165.
Niederlein, Südöstl. Pampa bis Rio Salado, in Zeitschr. Ges.
Erdk. Berlin XVIII, 305 und XVI, 81. Ball, Contrib. to the Flora
of N. Patagonia, in Journ. Linn. Soc., Bot. XXI, 203 (G. J., XI, 143).
Moseley, Juan Fernandez, in Notes by a Naturalist on the Chal-
lenger, 1879; und Hemsley, Insular Floras (Challenger-Reports), Hariot,
Plantes etc. du détroit de Magellan, in Bull. Soc. bot. de France
1884, S. 151 (G. J., XI, 143). Franchet, Mission scientifique au Cap.
Horn, 1889. Berg, Naturhist. Reise nach Patagonien, Geogr. Mittlgn.
1875, vergl. auch „Patagonien“ in Geogr. Mittlgn. 1880, S. 48,
und 1882, S. 41.
Es ist im vorigen Kapitel ausführlich der Grenz-
bestimmungen zwischen der als höhere Einheit zu be-
trachtenden amerikanischen Tropenflora und der austral-
südamerikanischen gedacht worden, welche sich haupt-
sächlich durch die von der Bai von Guayaquil über die
Anden und an deren zum Atlantischen Ozean hingerich-
teten Gehänge südwärts entlang zu der brasilianischen
Araucarien-Region hinführende Scheide auszeichnet, indem
sie den peruanischen Küstenstrich ausschliesst. Ein Blick
auf unsere Karte mit Köppens Wärmegürteln belehrt uns,
dass ausser diesem schmalen peruanischen Küstenstrich
bis zum Wendekreise und ausser dem Mündungsgebiet
des La Plata, woselbst noch subtropische Wärmegrade
andauern, dies ganze weite südamerikanische Areal zu-
nächst sommerheisses, dann winterkaltes und endlich die
Südspitze sommerkühles Klima mit Winterkälte besitzt;
der südliche Küstenstrich vom Kap Horn bis gegen den
Chonosarchipel hin besitzt an der Westküste nur noch
10°C. Januarmittel, während unter gleicher Breite der
atlantische Küstenstrich wärmer ist.
Die Winterkälten aber gehen, von den oberen Re-
gionen der Anden abgesehen, nicht an die borealen nie-
deren Kontinentaltemperaturen heran; nur im atlantischen
Gehänge der Feuerlands-Bergketten wird die Juliisotherme
von 0° erreicht, während die 10°C.-Juliisotherme etwa
[529]Klima. Galapagos. Juan Fernandez. Südgrenze.
unter 36° S. den Kontinent durchschneidet. Zu diesen
Temperaturverschiedenheiten gesellt sich sodann der, eben-
falls auf der Karte ausgedrückte starke Unterschied in
der Niederschlagshöhe. An der Westküste Südamerikas
liegt ein Maximum unter 3° oder 4° N. und sinkt wenige
Grade südlich vom Aequator auf sehr geringe Beträge; hier
herrschen die Garuas-Nebelbildungen. Vom Kap Blanco
bis Copiapo, also auf etwa 23 Breitengrade, bleibt der
dürre Charakter erhalten, und hieran nehmen auch die
einen eigenen Bezirk bildenden Galapagosinseln mit
ihrer gut geschilderten, merkwürdigen Flora Anteil
(Griseb. V. d. E., II, 510; siehe oben S. 132. Dann
beginnt im nördlichen Chile und südlichen Peru ein Som-
mer- und Winterunterschied von etwa 5° Wärmemittel
einzutreten. Etwas nördlich vom Wendekreise liegt das
Maximum der Dürre, die Atacamawüste erzeugend, wäh-
rend unter gleicher Breite am Osthange der Anden die
subtropischen Wälder von Salta, Jujuy und Oran sich
ausbreiten.
Nun nimmt der Regenreichtum südwärts an der West-
küste wieder zu: bei 27° S. ist die Nordgrenze regelmäßiger
Niederschläge, bei 30° S. beginnt Baumleben im For-
mationsbestande, südlich 32½° S. beginnt geschlossener
Wald, bei 35° S. ein reicher Wald im zunehmenden
Regen, dessen zweites Maximum im Parallel von Chiloë
liegt. Mit 44° S. hören die subtropisch-australen Cha-
raktertypen auf, und hier kann man daher die Nord-
grenze der engeren „antarktischen Flora“ festsetzen.
In den Breiten der antarktischen Westküste aber haben
pacifische und atlantische Gestade in der Höhe der Nieder-
schläge und in der Gleichmäßigkeit der Temperatur die
Rollen fortan ausgewechselt: die Ostküste ist dürr und
hat kältere Winter.
Unter 34° S. noch zeigt die Insel Juan Fernandez nicht
nur die gewöhnlichen Eigenschaften warmer ozeanischer Inseln,
sondern auch systematische Verwandtschaft mit der feuchten Berg-
region der Anden (siehe Griseb. V. d. E. II, 514; G. J., VIII,
265, und Hemsley, Insular Floras, und oben S. 132—133.
Hiernach lässt sich die in den folgenden 10 Haupt-
Drude, Pflanzengeographie. 34
[530]20. Hochanden und australes Südamerika.
regionen ausgedrückte Gliederung der Vegetation des
mittleren und südlichen Südamerikas leicht auf klima-
tologischer Grundlage verstehen, indem alle Abteilungen
der V. und VI. Vegetationszone (siehe S. 92—93) hier an-
einander lagern, besiedelt von anderen Elementen als denen
des neotropischen Florenreichs. Wie gewöhnlich wird auch
hier durch die Sanftheit der Uebergänge an manchen
Stellen eine Unbestimmtheit der Grenzen erzeugt. Es
ist aber besonders zum weiteren Verständnis vorher noch
nötig, der Sonderung des austral-amerikanischen
Florenelements von dem antarktischen kurz zu ge-
denken.
Wo immer nämlich die Tropenformationen mit ihren
Charaktersippen an Palmen, Araceen, Bambusen, Clusia-
ceen, Meliaceen, Lianen von Malpighiaceen, Bignonia-
ceen etc. gegen Süden einen plötzlichen Abschluss finden,
werden sie durch eine Xerophytenvegetation abgelöst, in
welcher sich noch ein guter Teil der zugehörigen kon-
tinentalen Gattungen aus den Tropen vorfindet (z. B. in
Amerika Bromeliaceen), aber in neuen Gliedern und in
ganz anderer Anordnung, z. B. als Dornbäume von Acacien,
Ilicineen, Rhamnaceen, in Verbindung mit Staudensippen,
welche in den Tropen fehlen oder selten sind, wie Ge-
raniaceen, Umbelliferen etc. Dabei können auch einzelne
Sippen die Tropen vom Norden nach dem Süden oder
umgekehrt durchdringen. In allen diesen Stücken aber
erscheint das australe Florenreich jedes Kontinents selb-
ständig, also in Afrika, Australien und Südamerika je-
weilig verschieden und nur durch nicht sehr zahlreiche
ausgezeichnete Ordnungen, wie die Proteaceen sind, syste-
matisch verbunden. Nach dem im Abschnitt III (S. 111) be-
sprochenen de Candolleschen Gesetz, wonach die starken
Systemsippen inhärente klimatische Charaktere haben, er-
scheinen also die australen Floren als Ausscheideglieder der
hinsichtlich ihres Ursprungs als älter vorausgesetzten
Tropenfloren in nächster Nachbarschaft. Wo nun aber in
regenreicher südlicher Breite, ungefähr von 40° S. an und
in Gebirgen entsprechend nördlicher, auf die australe
xerophile und warmgemäßigte Buschflora folgend eine neue
[531]Absonderung der antarktischen Flora.
immergrüne Waldvegetation aus den Tropen fehlenden
Ordnungen, bez. Tribus und Charaktergattungen, auftritt,
da zeigt sich trotz der grossen geographischen Entfernung
zwischen den einzelnen Kontinenten eine gewisse Gemein-
samkeit, welche zwar an die durchgreifende Verwandt-
schaft der borealen Floren in Eichen, Fichten, Tannen,
Rhododendron etc. nicht entfernt herangeht, aber welche
doch in Hinsicht auf viele systematische Analogien und
Verwandtschaften verdient, als Band eines neuen, zerstreut
liegenden und daher locker zusammengefügten „Antark-
tischen Florenreichs“ hervorgehoben zu werden.
Dieses erstreckt sich gar nicht auf das südliche Afrika,
dessen geographische Lage ungünstig für derartige Be-
siedelung war; es findet seine stärkste Entwickelung an
der südamerikanischen Westküste, zugleich aber im süd-
lichen Neuseeland, wo es zusammen mit dem subtropisch-
indischen Florenelement jenes herrliche, unter Kapitel 15
angedeutete Florengemisch erzeugt; weiterhin findet es
sich in Tasmanien reichlich und in den australischen
Alpen spärlich, sodann in verarmtem Formationsbestande
auf den südlichen Inseln. Die Coniferen spielen unter
den antarktischen Sippen wiederum eine hohe Rolle (vergl.
oben S. 185—186), erreichen aber die südlichen Inseln
nicht; von Cupuliferen sind die australen Buchen (Notho-
fagus, siehe S. 190) überall charakteristisch und dringen
auf den Gebirgen gegen die Subtropen vor; schlingende
Liliaceen (Luzuriaga, siehe S. 209) bilden noch Lianen
ganz anderer Formen als in den Tropen. Von hohem
Interesse ist, dass hier mehrere der ausgezeichnetsten
borealen Staudenordnungen wie Umbelliferen, Ranuncula-
ceen, Cruciferen, in eine ähnliche Wichtigkeit eintreten,
nachdem sie in den Tropen fast unterdrückt waren;
Compositen mit Gramineen und Cyperaceen bilden Matten
und hochalpine Formationen, und hier mischt sich in
Südamerika das andine Element mit dem antarktischen.
Auf den südamerikanischen Anden ist die Wiederkehr
borealer Gattungen besonders gross; Valeriana, Saxifraga,
Draba, Gentiana, Bartsia, Alchemilla und Astragalus
wachsen hoch oben in Peru. So finden wir daher im
[532]20. Hochanden und australes Südamerika.
Süden eine entfernte Wiederkehr borealer Florenvertei-
lungsverhältnisse, welche gewiss eine gute Beleuchtung
zu den allgemeinen Klimawirkungen auf die Auswahl der
für die Besetzung jedes Gebietes passendsten Sippen er-
teilt, und wir sehen mit ihr den bedeutenden Rest tropi-
scher Formationsbestände unter höheren südlichen Breiten
schwinden.
Nunmehr wird der Sinn der folgenden Einteilung in
Vegetationsregionen verständlich sein, von denen die drei
letzten zum antarktischen Florenreich gehören und ihre
Ausläufer bis in die Hochregionen der tropischen Anden
ausdehnen.
1. Peruanische Küstensteppen und andine
Vegetationsregion am Westgehänge der Cordilleren-
kette und bis zu den inneren Steppenhochflächen der
Anden. Sie zerfällt wesentlich in drei Höhenregionen, von
denen a) die untere zwischen 10°—14° S. nach Ball
bis 2400 m Höhe reicht mit dürren Formationen und zu
den, auf der Karte mit rotem Stern ausgezeichneten,
direkt aus den Tropen sich ableitenden xerophilen Misch-
gebieten gehört. Beispiele: Cereus peruvianus, Prosopis
limensis, Acacia tortuosa. Dann folgt bis 3900 m oder
sogar bis gegen 4000 m: b) die „Cordilleraregion“ mit
gemäßigte Wärme liebenden amerikanischen Gattungen
(Calceolaria, Alonsoa, Lupinus, Clematis, Echeveria, Nico-
tiana etc.), und darauf endlich c) die alpine Cordilleren-
formation, welche aber über der unter 4. zu nennen-
den Punaregion nicht bei 4000 m, sondern dem rauhen
Klima des Innenplateaus der Anden folgend schon bei
3650 m beginnt und bis zur Schneelinie, welche in diesen
Breiten um 5000 m liegt, das Hochgebirge einnimmt.
Eine sehr gute Skizze der Uebereinanderfolge verschiedener
Formationen von der Küste bei Lima bis hinauf zu der Cordillere
um Chicla hat Ball (G. J., XI, 143, vergl. auch Englers botan.
Jahrb. Syst. VII, Litt. S. 103) entworfen. Die mittlere Cordillera-
region wird hier an ihrer unteren Grenze durch das bekannte
Heliotropium peruvianum, und an ihrer oberen Grenze durch halb-
strauchige Calceolarien (virgata, lobata, tenuis, ovata, bartsiaefolia)
und grosse Hörste von Lupinus paniculatus bezeichnet, und zwar
fand Ball diese obere Grenze viel höher, als sie früheren Reisenden
zufolge hätte angenommen werden können und in Grisebachs
[533]Cordillere von Peru. Atacama.
V. d. E. angegeben ist. Denn sie sollte nach Humboldt bei 3300 m
liegen, aber Ball befand sich in Chicla mit circa 3650 m Höhe
noch mitten in der gemäßigten Region. Es mag wohl sein, dass
die Höhengrenzen nach örtlichen Einflüssen nicht unerheblichen
Schwankungen unterworfen sind, da sich aus den tropischen wie
subtropischen Anden Südamerikas nicht selten verschiedene An-
gaben gleich genau beobachtender Naturforscher vorfinden. Die
Formationen selbst aber scheinen nach einzelnen Proben recht
scharf voneinander geschieden zu sein; denn von 46 Arten, welche
Ball damals in Eile in der alpinen Region zusammenraffte, hatte
er nur 8 bei Chicla gleichzeitig gesammelt. Unter diesen alpinen
Stauden und Halbsträuchern sind besonders Baccharis- und Senecio-
arten mit Liabum und Chuquiraga charakteristisch, Saxifraga
cordillerarum aus dieser arktisch-borealen Gattung!, Astragalus-
Arten, Gentiana, Halenia, Valeriana und Relbunium, auch eine
Castilleja und Bartsia, zahlreiche Gräser aus bekannten Gattungen:
Poa, Festuca, Bromus, Deschampsia, Agrostis.
Schon oben (siehe Mexiko S. 505) wurde der Wich-
tigkeit dieser peruanischen Region in Hinsicht auf die
Heimat und Kulturverbreitung von Nahrungspflanzen
gedacht. Abgesehen vom Mais sind einige Sorten von
Bohnen erwähnenswert (Phaseolus lunatus, vulgaris), die
hier ihr Indigenat zu haben scheinen; es sei bemerkt,
dass die Mehrzahl der Arten dieser grossen Gattung Bra-
silien bewohnt, dass aber auch die nordamerikanischen
Subtropen ihre eigenen Arten ursprünglich besessen haben
werden. In der oberen Andenregion liefert die Ordnung
der Salsolaceen in Chenopodium Quinoa ein Samenmehl
von Bedeutung.
2. Die Atacama-Wüstenregion, welche ihren
Südrand bei Caldera (27° S.) erreicht, gehört zur ersten
Abteilung der V. Vegetationszone. Sie setzt vielen tro-
pischen Elementen an der dürren Westküste ein Ende
und beschränkt die gemäßigte Cordilleraregion auf die-
jenigen Breiten, welche an der Ostseite der Anden noch
die volle Tropenentwickelung zeigen. In langen Zwischen-
räumen treten Regenfälle ein, und eilig folgt ihnen auch
hier das Erscheinen zahlreicher Blüten. Baumwuchs
(Prosopis Siliquastrum, siehe Griseb. V. d. E., II, 406)
ist auch hier nicht ausgeschlossen: Cristaria Spinolae,
Teucrium-Arten an den Felsen, Rhamneen und Compo-
siten (Baccharis Tola) sind charakteristisch.
[534]20. Hochanden und australes Südamerika.
3. Die chilenische Uebergangs-Vegeta-
tionsregion gehört zur dritten Abteilung der V. Vege-
tationszone. Reich an endemischen Arten ist sie durch
Grisebach (V. d. E., II, 442) sehr natürlich abgegrenzt
und gekennzeichnet durch den Gegensatz zu den unter
34° S. ziemlich plötzlich beginnenden reichen südchileni-
schen (valdivischen) Wäldern und durch die der nörd-
licheren dürren Küste fehlenden Winterregen. Im Haupt-
charakter der Vegetation ist sie den beiden vorigen ähnlich,
(aus diesem Grunde, aber nicht sehr zweckmäßig, im
physik. Atlas auf Florenkarte VII, mit diesen verschmol-
zen), hat daher ärmlichen Baumwuchs, dornige Mimoseen
und Rhamneen (Colletia) und ähnliche Formen; Quisco-
Cacteen, die Puya-Bromelien (Cardones = P. coarctata)
und die Cryptocarya Peumus werden als besonders auf-
fällige Vegetationserscheinungen genannt.
Im Aconcaguagebiet hören nach Güssfeld mit 1200 m die
Cereus-Quiscostämme und Kandelaber auf; an ihre Stelle tritt zu-
nächst Colliguaya odorifera und der „Olivillo“ Aextoxicum penitatum,
beides Euphorbiaceen. Bei 1500 m erscheinen die ersten Libocedrus
chilensis-Nadelhölzer (bis 1650), bilden aber keine Bestände und be-
zeichnen also hier das Eindringen der 8. Vegetationsregion. —
Auch die Cardones fehlen der Andenregion; ihr grotesker Ein-
druck wird weniger durch die Laubrosette ihrer starren, stacheligen
Schilfblätter hervorgebracht, als durch die hochaufspriessenden
Blütenschäfte mit gelbem Blütenkopf und besonders durch die
gewundenen, schenkeldicken, am Erdboden hinkriechenden Wurzel-
stöcke, welche auch das chilenische Landschaftsbild von Kittlitz
trefflich wiedergibt.
4. Andine Puna-Vegetationsregion (vergl. im
vorigen Kapitel unter Region 2a). Dieselbe nimmt die
weiten Steppenhochflächen zwischen der westlichen Cor-
dillere und der östlichen Andenkette ein, besonders durch
Stipa Ichu und Tola-Sträucher, Compositen der Gattung
Lepidophyllum, charakterisiert (Grisebach V. d. E., II, 417
und Abh. S. 399). Südlich schliesst sie sich zwischen
28° S. und 35° S. an die antarktische Hochgebirgsregion
und an die folgende (5) an.
5. Die argentinische Espinale-Region, wiederum
zur ersten Abteilung der V. Vegetationszone gehörig,
durch den Chañar-Strauch Gourliaea decorticans, Bulnesia
[535]Chile. Puaregion. Argentinien.
Retama, Mimoseen-Bäume in struppig-dornigen Waldungen
niederer Holzarten mit kleinen oder sehr fein zerteilten,
wenig Schatten gebenden Blättern ausgezeichnet, nimmt
den zwischen den Pampas und Anden liegenden Teil
Argentiniens ein und hat von Hieronymus diesen Namen
an Stelle von Grisebachs Bezeichnung als Chanarsteppe
erhalten.
Ueber den Charakter der Niederstrauch-Bestände vergleiche
das oben, S. 283, nach Lorentz’ Skizzen darüber Angeführte.
In dieser Vegetationsregion sind auch gleichzeitig Halophyten-
Bestände in reicher Mannigfaltigkeit und in allen Uebergängen
zu nicht salzigen Sand- und Thonsteppen ausgebildet, von denen
im fünften Abschnitt (S. 325) gleichfalls schon ein Charakterbeispiel
angeführt ist.
6. Pampasregion des La Plata, die grossen
zusammenhängenden Grasflächen des australen atlanti-
schen Südamerikas, in denen der Reichtum an Grasarten
aus Gattungen wie Melica, Stipa, Aristida, Pappophorum etc.
bezüglich der hauptsächlich bestandbildenden Formen noch
nicht gesichtet erscheint. Sie tritt als ein weiteres ty-
pisches Glied der regenarmen ersten Abteilung von Vege-
tationszone V auf.
7. Patagonische Geröllflächenregion, von den
südlichen Espinale an das argentinische Patagonien zwi-
schen der antarktischen Hochgebirgsregion und dem At-
lantischen Ozean bedeckend.
Sie ist erst durch wenige Expeditionen und Sammlungen
(zwischen Bahia Blanca und Chubut G. J., XI, 143, Roca G. J.,
IX, 199; Darwin, siehe Griseb. Ber. für 1843, S. 67—72; Berg)
bekannt geworden, und auch dies fast nur an ihrer Nordgrenze,
welche Ball bei 43 ½° S. an der Mündung des Chubut festgesetzt
sehen will. Bei der Geringfügigkeit der Niederschläge, den niederen
Sommertemperaturen und dem stärkeren Ausschlage der Jahres-
zeiten wird hier das Maß der V. Zone überschritten und, ohne
Veränderung des andinen Florencharakters, eine eigene Abteilung
der antarktischen Vegetationszone (siehe oben S. 93, Abtlg. 2) er-
zeugt. Die Flora ist sehr arm und besteht aus Gewächsen, welche
auf trockenen, steinigen Flächen oder in den feuchten, besser ge-
schützten Thalgründen zu gedeihen vermögen. Bei Santa Cruz
(50° S.) sammelte Berg noch 60 Arten und bemerkt das Zurück-
treten der Gräser. Chuquiraga erinacea und andere Compositen-
gesträuche sind mit Plantago-, Verbena-, Acaena-, Margyricarpus-
Arten charakteristisch; selten erheben sich Sträucher bis meterhoch,
[536]20. Hochanden und australes Südamerika.
das Blattwerk ist überall düstergrau, schön blühend fast nur
Adesmia.
8. Valdivische Coniferenwaldregion. Diese
eröffnet an der südamerikanischen Westküste das ant-
arktische Florenreich und bildet, auch auf den Osthang
der Anden übergreifend, dessen nördliche, reich zusam-
mengesetzte Laub- und Nadelwaldformationen als vierte
Abteilung der V. Zone, in welcher hier wiederum Lau-
raceen und Monimiaceen (Persea, Peumus), Rosaceen (Eu-
cryphia cordifolia), sogar ein Compositen-Baum Flotowia,
Magnoliaceen (Drimys Winteri) mit immergrünen oder
auch blattwechselnden Buchen (Fagus betuloides, Dombeyi,
obliqua u. a.) und zahlreichen Nadelhölzern, welche oben
(S. 186) genannt sind, sich mischen. Viele Gattungen
sind mit Neuseeland gemeinschaftlich oder verwandt.
Die Heimat der Kartoffel. Bekanntlich hat Amerika
bei allen seinen Reichtümern der Alten Welt doch verhältnismäßig
wenig neue Kulturpflanzen geliefert. Ratzels „Anthropogeographie“
S. 367 behandelt dies Thema anregend, und F. Höck hat ihm eine
eigene Abhandlung gewidmet (siehe G. J., XI, 111 und Geogr.
Mittlgn. 1885, S. 33, Tabelle im Auszug). Um so wichtiger aber
ist dies eine Kulturgewächs, dessen Ursprung hier zu besprechen
ist, die Kartoffelknolle. A. de Candolle hat in seinen wieder-
holten Arbeiten über die Kulturpflanzen das südliche Chile als
Heimat angegeben und diese Ableitung auch in jüngster Zeit
anderen gegenteiligen Behauptungen gegenüber, welche die Heimat
nach Nordamerika verlegen oder sie auf andere Teile Südamerikas
ausdehnen wollten, aufrecht erhalten. Einige seiner Angaben
mögen hier wiederholt werden: Darwin fand die wilde Kartoffel
im Chonos-Archipel auf den sandigen Gestaden, in grossen Massen
und in kräftiger Vegetation, was der Feuchtigkeit des Klimas zu-
geschrieben werden kann (bis 4′ hoch), wenngleich mit kleineren
Knollen. Ein anderes Exemplar des Herbarium de Candolle, von
Gay gesammelt, besitzt die Etikette „im Centrum der Cordilleren
von Talcague und Cauquenes, an Orten, welche nur von Botanikern
und Geologen besucht werden“. Die dagegen erhobenen Einwände
von Baker, welche A. de Candolle zu einer Revision seiner früheren
Untersuchungen veranlassten (Geogr. Mittlgn. 1887, Litt. Ber. Nr. 413),
begründeten sich auf die nahe Verwandtschaft des echten Solanum
tuberosum mit anderen knollentragenden Solanum-Arten; es hat sich
gezeigt, dass die nahe Verwandtschaft zwar besteht, dass aber so-
wohl die in Peru als die in Arizona wild gesammelten Arten eine
specifische Verschiedenheit besitzen, die hier, bei einer schon vor
dem Bekanntwerden in Europa bestandenen Kultur von Bedeutung
ist und zeigt, dass die Indianer (Peruaner) selbständig die Kultur
[537]Valdivien. Patagonische Anden.
der Kartoffel in die Hand genommen und von ihrer Urheimat aus
nordwärts verbreitet haben.
9. Magellanische Buschwald-Vegetations-
region. Die wärmer klimatisierten, den tropischen Re-
präsentanten verwandten immergrünen Sippen der 8. Re-
gion finden mit zunehmender Breite früher oder später ein
Ende, und damit bleibt als Beginn der VI. Vegetations-
zone ein verarmter Teil des antarktischen Florenreichs in
Südamerika übrig, welchen diese neunte Region von etwa
46° S. an (Ball rechnet von 44° S.) zusammenfasst. —
An der Magellanstrasse ist von Coniferen nur noch Libo-
cedrus tetragona übrig, Fagus antarctica und betuloides
bilden noch im Innern Wälder, an der Küste auf den
Gebirgen niedere Gebüsche, deren torfiger Boden ausser-
dem eine Reihe von Forstera-, Donatia-, Gunnera-Arten
und Astelia pumila, Philesia buxifolia etc. trägt, auch
noch Embothrium coccineum. Hier geht diese Region nur
bis 550 m Höhe.
10. Die antarktische Hochgebirgsregion
schliesslich ist vergleichbar dem arktischen Element,
welches vom nördlichen Lappland aus Skandinavien durch-
zieht und südwärts weiter den Gebirgen folgt, aber sie ist
in ihrer Anordnung verändert durch das riesige Gebirge,
welches in Südamerika den antarktisch-alpinen Forma-
tionen zum Verbreitungswege offen steht. Im Feuerlande
breitet sich dieses Florenelement von 550—1000 m, in
Valdivien bis 2000 m, am Aconcagua bis 3000 m oder
stellenweise bis gegen 4000 m aus: in diesen Höhen ist
eine Adesmia mit kurzem Dorngezweig charakteristisch.
Neben vielen borealen Gattungen (Ranunculaceen, Alsi-
neen, Pinguicula etc.) sind gewisse antarktische Gattungen
mit endemischen Arten, Azorella (= Bolax, Umbellifere),
Acaena, die Ericacee Pernettya und Gräser (Poa flabellata,
Hierochloa magellanica) charakteristisch.
21. Antarktische Inseln.
Auswahl der Litteratur. Hooker, Flora antarctica
(seltenes systematisches Hauptwerk mit kol. Tafeln für die Flora
[538]21. Antarktische Inseln.
von Tasmanien, Neuseeland, südliche Inseln und Feuerland). Hems-
ley, Challenger-Reports, und Report on the present state of Know-
ledge of various Insular Floras, London 1885.
Dumont d’Urville, Flore des îles Malouines, Paris 1825. Crié,
Revision de la Flore des Malouines in Comptes rendus 7. Okt. 1878
(G. J., VIII, 265). Hooker, Notes on the Botany of the antarctic
Voyage, London 1843 (Falkland-I.). Engler, Die Phanerogamenflora
von Neusüdgeorgien, in Bot. Jahrb. Syst. VII, 281 (Geogr. Mittlgn.
1886, Littber. Nr. 187). Will, Die Insel Südgeorgien, in Deutschen
Geogr. Bl. VII, 113, und Botan. Centralbl. XXIX, 251.
Neuseeland: Vergl. die Litt. in Kap. 15, S. 491; ausserdem
Buchanan, Mt. Egmont, im Journ. Linn. Soc. London, X, 57. Green,
Fels- und Gletschertouren am Mt. Cook, Geogr. Mittlgn. 1882,
S. 380, 1883, S. 53. Kerry-Nicholls, Recent explor. of the King
Country, New Zealand, in Proceed. R. Geogr. Soc., London 1885,
VII, 201. Scott, Macquarie-I. in New Zealand Institute, Transact.
u. Proc. XV (1882).
Ross, Voyage in the Southern and antarctic regions 1839—43
(Auckland, Campbell, u. a. I.). Kurtz, Flora d. Aucklands-Insel,
in Verh. bot. Ver. Prov. Brandenbg., 29. Okt. 1875. — Kerguelens-
Land, Natural History etc. 1874—75, London 1879; vergl. G. J.,
VIII, 264. Naumann \& Studer, Botan. Beobacht. u. Samml. der
Gazelle auf d. Kerguelen, in Zeitschr. Ges. Erdk. Berlin, XI,
94, Flora S. 126—131 und Verh. botan. Ver. Prov. Brandenbg.,
XVIII, 26. — Moseley, Flora of Marion-I., in Journ. Linn. Soc., London,
XV, 481. Hooker, Phanerogams etc. of Amsterdam u. St. Paul,
in Journ. Linn. Soc., Bot., XIV, 474 (Griseb. Abh. S. 554). Four-
nier, Bescherelle, Nylander, Farne-Lichenen von St. Paul und Amster-
dam, in Comptes rendus 1875 u. 1876 (G. J., VII, 227—228).
An die im vorigen Kapitel unter 9 und 10 genannten
Vegetationsregionen schliessen sich die eigentlichen ant-
arktischen Inseln hinsichtlich der auf ihnen vorwal-
tenden Florenelemente eng an, obwohl sie sich, von Neu-
seelands Anteil abgesehen, durch Waldlosigkeit erheblich
von der Physiognomie der unteren Regionen des südwest-
lichen Patagoniens unterscheiden: denn alle Inseln liegen
südlich der Coniferengrenze, und die südlichste immer-
grüne Buche sah Hooker auf der westlich vom Kap Horn
gelegenen Hermite-Insel (Griseb., Ber. für 1843 S. 72).
Es ist daher das Vorkommen dieser Bäume innerhalb
des antarktischen Florenreichs auf das südwestliche Süd-
amerika, ferner auf Neuseeland, Tasmanien und die
australischen Alpen beschränkt, so dass sich ergibt, dass
das antarktische Florenreich sich zonal in zwei, klima-
[539]Litteratur. Waldgrenze. Klima.
tisch sehr verschieden beanlagte Teile sondert: der in
weniger hohen Breiten und über grosse Hauptinseln oder
Festlandsstücke ausgedehnte Teil hat Waldungen, in wel-
chen austral-subtropische Elemente sich mit den antark-
tischen Sippen mischen, und bildet die erste Abteilung der
VI. Vegetationszone (s. oben S. 93); der in höheren süd-
lichen Breiten in kleinen zerstreuten Inseln über weite
Ozeanflächen ausgedehnte Teil ist mit niederem Gehölz
oder Gebüsch aus rein australen Sippen (Rubiaceen, Myr-
taceen, Epacrideen, Araliaceen) bewaldet oder ganz wald-
los, bildet als solcher die dritte Abteilung derselben Vege-
tationszone und trägt die antarktische Staudenflora in
einer den borealen Floren ähnlich werdenden Mischung,
aber so, dass jede Inselgruppe ihre Eigentümlichkeiten
bewahrt und vielerlei Endemismen noch auf kleinen In-
seln sich zeigen. Die Verhältnisse des Nordens kehren
also im Süden nicht wieder, und das antarktische Floren-
reich beherrscht, gegenüber dem nordischen Florenreich
mit dessen riesiger Ausdehnung, nur geringe und weit
zerstreute Inseln mit Anschluss an einen, allein weit
nach Süden vorgeschobenen Kontinent; auf diesem aller-
dings hat das hervorragendste Gebirgssystem der Erde
eine ungewöhnlich günstige Ausbreitung bis in die Tropen
hinein und andererseits eine Mischung mit dem boreal-
alpinen Florenelement, sowie mit den tropisch-australen
Gebirgsformen gestattet.
Dem Klima nach fallen alle von der antarktischen
Flora besetzten Räume, einschliesslich der Gebirge von
Neuseeland und Tasmanien, in Köppens kalten und zum
Teil in den polaren Wärmegürtel und liegen weit süd-
lich der blauen Hauptlinie von 10°-Isotherme des kälte-
sten Monats. Nur St. Paul und Neu-Amsterdam im süd-
lichen indischen Ozean (38°—39° S.) nicht; sie liegen
im konstant-gemäßigten Gürtel und sind auch, wie wir
sehen werden, zum Teil mit einem zu Tristan d’Acunha
gehörenden, also austral-afrikanischen und nicht antark-
tischen, Florenelement besetzt. Es ist bekannt, dass die
Florenentwickelung auf den südlichen Inseln durch den
sommerlichen Wärmemangel leidet: mit Ausnahme der
[540]21. Antarktische Inseln.
eben genannten St. Paul-Gruppe bewegt sich das Januar-
mittel von 10°C. bis 5°C. abwärts. Der milde Winter,
der nur für Südgeorgien (—2°C.) und die unbekannten
südlichen Gletschergestade Julimittel unter Null aufweist,
ist nicht im stande, diesen sommerlichen Wärmemangel
auszugleichen; doch kann man es so verstehen, wenn
verhältnismäßig viele australe Sippen, wie eine Myrtacee
auf den Falklandsinseln (Myrtus nummularia), weit nach
Süden gehen.
Die wichtigsten Inseln sind nun kurz zu betrachten;
sie zerfallen 1. in die an das Feuerland am engsten an-
geschlossene Falklandgruppe, 2. in die an Australien mit
Tasmanien am engsten angeschlossene Süd-Neuseeland-
Aucklandgruppe, 3. in die an Tristan d’Acunha ange-
schlossene Amsterdamgruppe, welche nicht zum antarkti-
schen Florenelement gehört, und 4. in die Kerguelengruppe.
Das antarktische Florenreich umfasst also ausserhalb Süd-
amerikas die Gruppen 1, 2 und 4, sowie ausserdem noch
Gebirgselemente in Tasmanien und Südostaustralien.
1. Gruppe. Falklandinseln (Maluinen). Die
Flora ist noch verhältnismäßig reich. Hemsley zählt
115, Crié dagegen zählt 135 Arten Blütenpflanzen, von
denen 26 endemisch sind; die Kryptogamen sind wahr-
scheinlich noch viel zahlreicher (bekannt sind 86 Farne
und Moose, 173 Thallophyten). Einige niedere Sträucher
bilden eine immergrüne, dichte Buschvegetation (Chilio-
trichum amelloides, Pernettya empetrifolia); die berühm-
testen Pflanzen aber sind die nicht endemischen Balsam-
bog und Tussock-Grass.
Ersteres ist eine grosse, hügelartig gewölbte Rasen bildende
Umbellifere: Bolax glebaria oder richtiger Azorella glebaria, welche
ausser auf den Falklandinseln noch die südamerikanischen Anden
bis zu 20° S. hinauf bewohnt. So dicht ist die torfige Masse von
Zweigen, welche in weitem Umkreis zu je einer einzelnen Pflanze
gehören, und so stark scheidet dieselbe Harz aus, dass bei Bou-
gainvilles Expedition grosse Strecken der Insel durch sie unter
Feuer gesetzt wurden und die Insel hernach Ile brûlée genannt
wurde, um sie wegsam zu machen (vergl. Hooker in Hookers Journ.
of Bot. VIII, 74, 1856); häufig wächst Empetrum rubrum in den
Zweighöhlungen dieser harzigen Staudenmasse.
Das Tussock-Gras, Poa flabellata oder Dactylis caespitosa, ist
[541]Falklandinseln. Südgeorgien. Neuseeland.
von den Falklands nach Neu-Südgeorgien, Hermite-Insel, Magellan-
strasse etc. verbreitet; es bildet mit seinen dicht verfilzten Wurzeln
1—2 m hohe, aufgerichtete Hügel, aus denen die dicht stehenden
beblätterten Halme entspringen und einen Schopf breiter Schilf-
blätter über den Wurzelstock herabhängen lassen. — Myrtus siehe
oben, S. 198—199.
Südgeorgien. Die aus 13 Blütenpflanzen und
vielen Kryptogamen bestehende Flora ist durch die deut-
schen Forscher der Venusexpedition bekannt geworden;
von den eben genannten Charakterpflanzen der Falklands
ist Poa flabellata noch vorhanden, die übrigen fehlen.
Dagegen sind von den 13 Arten Südgeorgiens fast alle
zugleich auf den Falklands und 9 weiterhin nach Camp-
bell, Kerguelen etc. verbreitet; eine Art, Juncus Novae
Zeelandiae ist sonst nur neuseeländisch-alpin.
Die Gräser bilden die einzig bemerkenswerten Bestände der
Blütenpflanzen, da ausser dem Tussock noch Aira antarctica Rasen
auf sumpfigen Standorten bildet. Die Blütezeit begann im Jahre 1882
Anfang November und setzte sich bis zum Februar fort, der März
deckte den Boden schon wieder mit grösseren Schneemassen (G. J.,
XIII, 349).
2. Gruppe. Es ist früher (Kap. 15, S. 491), bei
Charakterisierung der neuseeländischen Flora hervor-
gehoben, aus welchem interessanten Gemisch von Arten
diese sich zusammensetzt; mag das Wesentliche in folgen-
den Typen als Beispielen nochmals hervorgehoben werden:
Die in Neuseeland und den Chathams-Inseln ihre Südgrenze
findende Kentia sapida, die einzige einheimische Palme,
gehört zu dem melanesischen Tropenelement der Flora
und schliesst sich an andere Palmen der Norfolkgruppe,
der Fidschi-Inseln, Nordaustraliens, Neuguineas etc. an,
ebenso Dammara als Nadelholz. Die neuseeländischen
Coniferen: Libocedrus Doniana, Podocarpus u. a. mit en-
demischen Arten stellen Bestandteile der wärmeren Zone
antarktischer Flora dar, mit verwandten Beziehungen
sowohl zu Tasmanien als zu Valdivien; demselben Elemente
ist Fagus Solandri zuzurechnen. Gräser dagegen, in den
neuseeländischen Alpen bestandbildend, wie Hierochloa re-
dolens, Agrostis antarctica, Deschampsia caespitosa, Carex
trifida, Juncus Novae Zeelandiae und scheuchzerioides,
Stauden wie Colobanthus subulatus, Oxalis magellanica,
[542]21. Antarktische Inseln.
Oreomyrrhis Colensoi (Umbellifere), Gunnera monoica u. a.
gehören zu dem antarktischen Florenelement und sind
in dem für dasselbe bezeichneten Umkreise in Neusee-
land entweder in identischen oder in repräsentativen Arten
mit den Feuerland-Anden und den antarktischen Inseln
vertreten, nicht in endemischen Gattungen.
Die Gruppe für jede einzelne Art hinsichtlich dieser pflanzen-
geographischen Analyse zu finden, ist selbstverständlich unmög-
lich, aber das Prinzip ist festzuhalten. Voraussichtlich wird ein
aufmerksameres Studium der neuseeländischen Formationen diese
Scheidung unterstützen, und in schwächerem Maße wird sich die-
selbe Untersuchung auf die Gipfel Tasmaniens und der australi-
schen Alpen ausdehnen lassen (vergl. Engler im Versuch Entwickl.
Pflanzenwelt, Bd. II, Kap. 3 mit ausführlicher Pflanzenliste für
Neuseeland).
Hinsichtlich der Regionshöhen, in denen sich der austral-ant-
arktische, der valdivischen Region Südamerikas entsprechende
Waldgürtel von den rein antarktischen Busch- und Staudenforma-
tionen der oberen Alpengelände scheidet, liegen nicht wenige
Messungen vor, die aber noch nicht einheitlich von den Landes-
kundigen verarbeitet sind. Am Mt. Egmont hört der Waldgürtel
mit Libocedrus Doniana bei 1000 m auf, darauf beginnen Gesträuche
holziger Compositen: Senecio elaeagnifolius und Olearia nitida;
500 m höher herrscht nur noch Staudenvegetation mit Gräsern
(Poa foliosa). In der Provinz Marlborough reicht die Waldregion
(vorherrschend Fagus Solandri) bis 1200 oder stellenweise bis gegen
1500 m, worauf der alpine Staudengürtel folgt, bei 2000 m nur
noch aus Cotula coronopifolia bestehend; auch die Grasformationen
machen denselben Wechsel durch, denn 10 bestandbildende Arten
der unteren, wärmeren Weiden erreichen alle unterhalb 1000 m
ihre Höhengrenze.
An dem 3764 m hohen Mt. Cook fand Green den Schluss der
Vegetation mit circa 2000 m gebildet von Haastia, Gnaphalium,
Ranunculus Lyallii, dann Lichenen-Formationen. — Kerry-Nicholls
fand als höchste Blütenpflanzen am Ruapehu Ligusticum aroma-
ticum und Gnaphalium bellidioides 2130 m hoch.
Auckland-Inseln. Diese Eilande sind zuerst durch
Hooker auf der berühmten Ross-Expedition im Jahre
1840 floristisch erforscht. Da auch die höchste Spitze,
Mt. Eden, bei einer Erhebung von nur 400 m nicht in
die Schneeregion aufsteigt, und da die Berge abgerundete
Kuppen besitzen, so bedeckt ein grüner Teppich das
ganze Land; niedriger Wald umgürtet die Küsten, auf
ihn folgt ein breiter Gürtel von Gebüsch, auf dieses Al-
penmatten an den Kuppen hinauf.
[543]Auckland-, Campbell-, Macquarie-Insel.
Der Buschwald, dessen knorriges Astgewirr leuchtend grüne
Farne mit hier und auf der Campbellinsel am weitesten gen Süden
vorgestreckten baumartig sich erhebenden Arten (Aspidium venu-
stum bis gegen 1 m hoch) schirmt, besteht nur aus 5 Bäumen
niederster Höhe: Metrosideros lucida, Dracophyllum longifolium
(Epacridee), Panax simplex, Veronica elliptica und Coprosma foe-
tidissima. Dem südlichen Charakter entsprechend sind alle diese
Bäumchen immergrün.
Auf den blütenreichen Bergmatten sind sowohl antarktische als
boreal-alpine Gattungen zu finden; die schönste Zier bildet eine Li-
liacee: Bulbinella (Chrysobactron) Rossii mit spannenlangen golde-
nen Blütentrauben; Compositen mit Aster-ähnlichen Blütenköpfen
(Pleurophyllum, Celmisia) und die den Europäern vertrauten Reprä-
sentanten von alpinen Ranunculus, Cardamine, Geranium, Epilobium,
Myosotis, Gentiana sind dort gesellig. Die Flora zählt etwa
85 Arten Gefässpflanzen, darunter 8 endemische. Die wild umher-
laufenden Schweine nähren sich hauptsächlich von Pleurophyllum
criniferum und einer interessanten Aralia-Art (A. polaris) mit
riesigen Dolden und tiefgrünen, fast einen halben Meter im Durch-
messer haltenden rundlichen Blättern.
Campbell-Insel. Unter kaum 53° s. B. macht
sich hier eine ärmliche Entfaltung der Vegetation geltend,
die aber noch immer aus 61 Arten, darunter 3 ende-
mische, an Blütenpflanzen besteht. Der aus einigen Arten
der Auckland-Insel gebildete Holzwuchs ist noch viel
niedriger als dort und sucht geschützte Plätze; erst die
Häfen eröffnen dem Auge des Reisenden erfreuliche grüne
Bodendecken, während die Felsen von weitem kahl er-
scheinen und auf ihren bis gegen 500 m ansteigenden
Höhen ausser von spärlichen Gräsern nur von Moosen
und Lichenen gesellig besetzt sind. Aber unten wechseln
mit dem niederen Gebüsch antarktische Alpenmatten,
Wiesen mit zahlreich eingestreuten schön blühenden Stau-
den. Das oben erwähnte Chrysobactron Rossii fand Hooker
als die vorherrschende Art an vielen Stellen, so dass dort
der grüne Rasen aus weiter Ferne gesehen durch ihre
Blüten die Farbe in Goldgelb wechselte.
Tonangebende Gattungen sind ausserdem Myosotis, Ranun-
culus, Sieversia, Stellaria von Stauden, Trisetum, Hierochloa, Lu-
zula und Juncus von Gräsern und Binsen.
Macquarie-Insel. Dieselbe zählt 16 Arten von
Blütenpflanzen in 13 Gattungen, dazu 23 bis jetzt be-
kannte Kryptogamen, kommt also in der Armut mit Süd-
[544]21. Antarktische Inseln.
georgien überein. Der Verwandtschaft nach gehört auch
diese Flora entschieden zu der neuseeländisch-antarkti-
schen, besitzt aber in der Umbellifere Azorella Selago
eine mit Kerguelen und gleichzeitig dem Feuerlande ge-
meinsame, der Neuseelandgruppe sonst fehlende Cha-
rakterart. —
In dem Meridian dieser antarktischen Inseln liegt
zwischen 70° und 80° S. das ferne Viktoria-Land,
aber es erscheint als eine vegetationslose Eiswüste, trotz
der berühmten feuerspeienden Berge und der durch sie
in weitem Umkreis erzeugten Wärme. Doch daran ist
wohl kaum zu zweifeln, dass bei einer künftigen Landung
wenigstens Flechten und wohl ebenso wahrscheinlich Moose
aufzufinden sein werden, selbst wenn die Meinung der
ersten Entdecker in Bezug auf das gänzliche Fehlen der
Blütenpflanzen zu Recht bestehen bleiben wird.
3. Gruppe. Die Insel Neu-Amsterdam unter
38° S. zählt unter 16 Blütenpflanzen 4 endemische Arten,
die Insel St. Paul unter 39° S. von 10 Blütenpflanzen
3 endemische Arten (stets nach Abzug eingeführter euro-
päischer Unkräuter). Amsterdam aber besitzt allein einen
Buschwald, gebildet von Phylica arborea, einer von Tristan
d’Acunha durch die Meeresströmungen herübergetragenen,
sonst auf dieser südafrikanischen Insel endemischen Rham-
nacee aus einer südafrikanischen Gattung. Das Problem
dieser Einwanderung von einer um fast genau 90 Längen-
grade entfernten ozeanischen Insel hat die Pflanzengeographie
nach Hookers Veröffentlichung 1874 lange beschäftigt und
ist wegen seiner auf die einheitliche Artentstehung und
Wanderungsmöglichkeit bezüglichen Bedeutung sehr wert-
voll. Denn auch eine zweite häufige Formationsart,
Spartina arundinacea, ist auf Tristan d’Acunha einheimisch.
Dieses Gras ist auch nach St. Paul gelangt, wo es mit
Poa Novarae und Scirpus nodosus die Rasenformationen
bildet; 4 Farne und 1 Lycopodium vervollständigen die
geringe Zahl der 15 Gefässpflanzen.
Nach diesen Anführungen gehört die Flora dieser beiden
Inseln nicht zum Charakter des antarktischen Florenreichs, und
sie sind auch nur wegen ihrer geographischen Lage in diesem
[545]Amsterdam-I., St. Paul. Kerguelengruppe.
Kapitel als besondere Gruppe aufgeführt. Die folgende letzte
Gruppe dagegen zeigt die Eigentümlichkeiten antarktischer Inseln
fern von Kontinenten und kontinentalen Inseln.
4. Gruppe. Kerguelensland. Unter 49° S.
gelegen, besitzt diese grössere Insel doch nur 21 Arten
von Blütenpflanzen in 18 Gattungen; 1 Gattung und
3 Arten sind endemisch. Es ist aber richtiger, die Gruppe
von Kerguelen, Marion, Crozet- und der Heard-Insel (Mac-
donald-I.) in eine Einheit zusammenzufassen, welche als-
dann ohne Vermehrung der eben für Kerguelensland
angegebenen Totalzahlen (21 Arten) 2 Gattungen und
6 Arten endemisch besitzt, von denen die berühmteste
der Kerguelenkohl, die Crucifere Pringlea antiscorbutica
mit langen Blütentrauben darstellt. Diese Art findet sich
auch auf der Heardinsel, obgleich es dort viel kälter ist
und im Winter vier Monate lang Schnee liegt. Die Marion-
insel hat 9 Blütenpflanzen, als gemeinste die dicke Polster
bildende Azorella Selago und Acaena adscendens, Pringlea
antiscorbutica seltener als auf Kerguelen; schon unterhalb
500 m verschwindet nach Moseleys Darstellung hier die
Phanerogamenvegetation (G. J., VII, 229).
Die Flora und Vegetation von Kerguelensland ist in jüngerer
Zeit durch die Gazellen- und die englische Venusexpedition gut
bekannt geworden (vergl. G. J., VII, 228 und VIII, 264). Die
schroff mit unzähligen Fjorden aus dem Meere bis gegen 1000 m
Höhe ansteigenden Basaltmassen zeigen meist nacktes Gestein; nur
in den geschützteren Thälern an den vom Westwinde abgewende-
ten Gehängen bildet wiederum Azorella Selago zusammen mit
Pringlea und Ranunculus crassipes, R. Moseleyi, trullifolius, torf-
moosartige Rasen. Ende Oktober beginnt die Blütezeit der meisten
Pflanzen, wo aber die Schneelinie noch bis 300—500 m hoch sich
erstreckt; im Januar rückt die Schneegrenze bis 600 m, schliess-
lich bis 900 m in die Höhe, so dass nur noch die höchsten Kämme
und Zacken schneebedeckt bleiben; daher hat sich auch Pringlea
über 700 m hoch am Mt. Crozier wachsend gefunden, höher als
jede andere Blütenpflanze. — Der Kerguelenkohl steht im System
ziemlich vereinzelt und deutet keine näheren Beziehungen an; die
andere endemische Gattung aber, die Alsinee Lyallia (kerguelensis),
ist mit einer die Anden bewohnenden verwandt, auch sind die
übrigen endemischen Arten mit südamerikanischen systematisch
verwandt und eine Reihe anderer mit Feuerlandsarten identisch,
so dass auch hier der Begriff der weite Meeresräume umfassenden
antarktischen Flora klar hervortritt.
Drude, Pflanzengeographie. 35
[546]Das ozeanische Florenreich.
Kapitel IV.
Das ozeanische Florenreich.
In scharfem Gegensatze zu allen Landfloren, ja auch
zu allen Binnengewässern, deren charakteristische Bestände
aus Sumpfpflanzen oder schwimmenden Blütenpflanzen
gebildet sind, welche an dem besonderen Charakter jedes
Florenreiches direkten Anteil nehmen und zu denen sich
ein artenreiches Beigemisch von chlorophyllgrünen Süss-
wasseralgen in geringen Grössenverhältnissen gesellt,
stehen alle Ozeane mit ihrer durchaus neue Formen bieten-
den und neue Lebensbedingungen entwickelnden Flora
von Seetangen und Seegräsern. Diese fasse ich als
das „ozeanische Florenreich“ zusammen, indem ich damit
den Begriff „ozeanisch“ etwas anders und enger mit dem
Wesen des Meeres verbunden auffasse, als es in der Ver-
wendung der Begriffe „ozeanischer Inseln“ geschieht.
Das Leben des Meeres, die Bedingungen der Ver-
breitung seiner Organismen und die faktisch vollzogene
Verbreitung derselben sind jüngere Zweige der Forschung.
Viel ist auf diesem Gebiete durch rege Arbeit in Europa
und Nordamerika an festen Küstenplätzen, unter denen
naturgemäß einzelne marine Stationen wie Neapel, Triest,
Cherbourg und Kiel einen hervorragenden Platz einneh-
men, geschehen, und viele bedeutende Expeditionen haben
im hohen Norden wie im antarktischen Inselreich und
beim Durchqueren der Weltmeere hier ihre schönsten Re-
sultate erzielt. Dennoch bringt es die Unübersichtlichkeit
der Anordnung der Organismen im Meere mit sich, dass
ganz neue Methoden der Forschung haben erfunden wer-
den müssen und dass trotzdem in den Totalverhältnissen
der Verbreitung noch viele Unklarheiten bestehen, welche
hinsichtlich der Landfloren längst überwunden sind. So
ist es innerhalb der Tropen besonders noch ungewiss,
inwieweit die einander gegenüberliegenden Küsten ver-
schiedener Kontinente, wie z. B. die brasilianischen Ge-
[547]Standpunkt der Forschung. Litteratur.
stade und Guinea, eine Verschiedenheit durchgreifender
Art in ihren Algenformationen besitzen, oder ob nicht
vielleicht überhaupt die tropischen Weltmeerküsten ein
ziemlich einheitliches Gepräge besitzen. Es fehlt ja
auch an der durchgreifenden Mannigfaltigkeit der Sippen,
welche derartige Studien in den Landfloren so leicht
machen und anschaulich darzustellen gestatten, da See-
tange überall die Hauptformationen bilden und ihr For-
menkreis mehr von Spezialisten in der Algologie beherrscht
wird, als dass er sich schon zum Gemeingut der geo-
graphischen Biologen ausgebildet hätte, hinter denen eine
grosse Masse tüchtiger Mitarbeiter steht.
Es beschränkt sich daher hier unsere Aufgabe auf
die Darlegung der wesentlichsten Prinzipien der Forma-
tionsbildung und der geographischen Verteilungsweise der
Meerespflanzen.
Auswahl der Litteratur. a) Allgemeine Bearbeitungen:
Lamouroux, Géogr. d. plantes marines, in Annales Sc. natur. Bot.
VII, 60 (1826). Schleiden, Das Meer, 3. Auflage von Dr. E. Voges,
Braunschweig 1888. (In diesem Werke findet der mit den See-
tangen unbekannte Leser in populärer Form eine anziehend ge-
schriebene Einführung in deren Formenkreise und Biologie, unter
besonderer Betonung der Abhängigkeit von den Tiefen- und Boden-
verhältnissen der ozeanischen Küsten.) Drude, Florenreiche d.
Erde, 1884, S. 21 und 39—43; Pflanzengeographie in Neumayers
Anleitung zu wissensch. Beob. auf Reisen, 2. Ausg, II, 180—184.
Ascherson, Geogr. Verbreitg. d. Seegräser, in Geogr. Mittlgn.
1871, S. 241 mit Taf. 13, ferner in Annalen der Hydrographie u.
marit. Meteorol. 1876, S. 119, und in Neumayers Anleitung zu
wiss. Beob. auf Reisen, 1. Ausg., S. 358—373, 2. Ausg., II, 191
bis 212; vergl. auch Actes du Congrès Amsterdam 1877, in Botan.
Ztg. 1880, S. 305 etc. (G. J., VII, 172 und VIII, 226). Piccone,
Prime linee per una geografia algologica marina, siehe Botan. Jahrb.
Syst. Bd. V, Litt. S. 34. Kny, Methoden zur Messung der Tiefe, bis zu
welcher Lichtstr. in d. Meerw. eindringen, Botan. Ztg. 1878, S. 302.
Fuchs, Einfluss des Lichtes etc., siehe G. J., X, 154.
b) Spezielle Floren und Pflanzengeographie: Kjellman, The
Algae of the Artic Sea, in K. Svenska Vetensk. Akad. Handlingar
mit 31 Taf. in 4°, 1883 (G. J., XI, 144). Merrifield, Arctic marine
vegetation in Nature, XII, 55 (1875). Dall, Arctic marine vegetation
in Nature XII, 166 (1875). Farlow, Notes on Artic Algae, in Proc.
Amer. Ac. 1886. Kjellman, Die winterl. Algenvegetation d. Mossel-
bay, Spitzbergen 1872—73, in Bot. Zeitg. 1875, S. 771; Om Spets-
bergens marina Thallophyter in K. Svenska Vetensk. Akad. Hand-
[548]Ozeanisches Florenreich.
lingar XVII; Bihang IV, Heft 1; Ueber d. Algenvegetation d.
Murmanschen Meeres von Nowaja Semlja und Wajgatsch, in Nova
Acta Reg. Soc. Upsal. 1877. Wille \& Kolderup Rosenvinge, Alger
fra Nowaja-Zemlia in Dijmphna-Exped. 1882—83, Kopenh. 1885.
Kjellman, Algvegetationen i det Sibiriska Ishafvet, in Vega-Exped.
Vetensk. Arb. I, 225, und Nature XXII, 376, und Oefvers K. Vet.
Akad. Förhandl. 1879.
Strömfelt, Om Algvegetationen vid Islands Kuster, Göteborg
1886. Rattray, The distribution of marine Algae of the Firth of
Forth, in Transact. botan. Soc. Edinburgh XVI. Gobi, Algen-
flora d. Weissen Meeres etc. in Mémoires Acad. imp. St. Péters-
bourg 7. Ser., XXVI, Nr. 1, 1878 (G. J., IX, 208). Braun, Phy-
sik. u. biolog. Unters. im westl. Teil d. Finn. Meerbusens, im
Archiv f. Naturk. Liv-, Esth- u. Kurlands X, 1, 1884. Kjellman,
Algenregionen und Algenformationen im östl. Skagerrack, Bihang
till K. Svenska Akad. Handl., Bd. IV, Heft 1, 1877. Lakowitz,
Vegetation d. Ostsee etc., in Schriften d. naturf. Ges. Danzig 1888.
Ackermann, Phys. Verh. d. Ostsee, 1885. Reinke, Atlas deutscher
Meeresalgen, Berlin 1889 (Fol., im Erscheinen); Ueb. d. Vegeta-
tionsverh. in d. deutschen Bucht d. Nordsee, in Ber. deutsch. bot.
Gesellsch. 1889, S. 367; Algenflora d. westl. Ostsee deutschen An-
teils, mit Karte, Kiel 1889.
Farlow, List of the marine Algae of the United St., in Amer.
Journ. of arts and sciences 1875, S. 351. Kjellman \& Petersen, Om
Japans Laminariaceer, in Vega-Exped. vetensk. Jakttag. IV, 259.
Hauck, Algenflora in Rabenhorsts Deutschlands Kryptogamen-
flora (einschl. Istrien). Lorentz, Physik. Verh. und Verteil. d. Or-
ganismen im quarnerischen Golfe, 1863. Falkenberg, Meeresalgen
d. Golfes v. Neapel, in Mitteil. d. zool. Station I, 218. Berthold,
Verteilg. d. Algen im Golf v. Neapel, in Mittlgn. d. zool. Station
III, 393.
Kuntze, Dr. O., Ueber das Sargassomeer, in Mittlgn. d. Vereins
Erdk., Leipzig 1880, S. 14; Revision von Sargassum u. d. sog.
Sargassomeers, in Botan. Jahrb. Syst. I, 191.
Hauck, Meeresalgen von Puerto-Rico, in Botan. Jahrb. Syst.
IX, 457 (hebt die merkwürdige Uebereinstimmung dieser Flora
mit dem Roten Meere hervor). Im übrigen beschränken sich
die Arbeiten über tropische und australe Meeresfloren fast nur
auf die Bestimmung der Arten und deren botanische Beschreibung,
so dass ihre Anführung an dieser Stelle weniger passend erscheint.
Von neuer Bedeutung werden dann schliesslich die algolo-
gischen Untersuchungen aus dem hohen Ozean, von denen nur hin-
gewiesen sein mag auf Krümmel und Brandt, Die Plankton-Expe-
dition 1889, in Verh. Ges. Erdk. Berlin, XVI, 502, 515 (1889).
Formen und Lebensbedingungen der ozeani-
schen Vegetation. Wie schon hervorgehoben, sind
nur zwei Hauptabteilungen des Pflanzenreiches an dem
[549]Litteratur. — Vegetationszusammenhang.
Leben der Meere beteiligt, die Seegräser und Tange.
Die Seegräser gehören mit 27, durch Ascherson (l. c.)
ausführlich gekennzeichneten Arten zu zwei monokotylen
Ordnungen, den Hydrocharitineen und den Potameen oder
Najadineen, welche einander so ähnliche Formen im Ozean
bilden, dass vielfältige Verwechslungen zwischen den Gat-
tungen und Arten vorgekommen sind.
„Die grosse Mehrzahl besitzt schmale, grasartige, ungestielt
auf meist langen Scheiden stehende Blätter, wie unser bekanntes
nordeuropäisches Matratzenseegras Zostera marina, dem auch die
meisten Seegräser durch ihren mit verlängerten Gliedern kriechen-
den Wurzelstock gleichen, vermöge dessen sie oft weite Strecken
des Meeresbodens wiesenartig überziehen. Eine Ausnahme machen
nur die Arten der Gattung Posidonia und Phyllospadix; bei P.
oceanica des Mittelmeeres erscheinen die massigen, rasenähnlichen
Verzweigungen des Rhizoms besonders geeignet, die Pflanze auch
auf steinigem Grunde festzuhalten. Von der grasähnlichen Blatt-
bildung weichen nur Cymodocea isoëtifolia und C. manatorum durch
ihre stielrunden binsenähnlichen, sowie die Halophila-Arten durch
ihre breiten, rundlich-eiförmigen oder länglichen, meist in einen
Stiel verschmälerten Blätter ab“ (Aschers. in Neumayers Anl. II, 191).
Diese Seegräser sind ubiquitär in den seichten Meeren
an Festlands- und Inselküsten, mit Ausschluss der arkti-
schen und antarktischen Gestade; sie gehören zu der
unteren Litoralregion und hören nach Ascherson in der
Regel bei 10 m Tiefe auf, zeichnen sich hier vor den
Algen durch Bevorzugung eines schlammigen und san-
digen Grundes aus, wo sie eigene unterseeische Wiesen
bilden und auf ihren Blättern zahlreichen kleinen Algen
eine Heimstätte bieten, welche ihnen sonst durch den
Untergrund versagt wäre; denn die Seegräser festigen
den Boden. Auch ertragen sie eine Entblössung zur
Ebbezeit in der oberen Litoralregion und brackische
Küstengewässer.
Ungleich grösser ist der Reichtum an Sippen und
Formgestaltung in der Hauptgruppe ozeanischer Pflanzen,
den Algen und Tangen aus dem Reiche der Thallo-
phyten. Diese sondern sich sogleich in Florideen oder
Rottange mit zarterem Thallus und meist lebhaft karmin-
roter oder zartrosa Färbung, in Melanophyceen (Fucoi-
deen) oder Brauntange von derberem Bau und meist
[550]Ozeanisches Florenreich.
lederbrauner, beim Trocknen in das Schwärzliche über-
gehenden Farbe, in die eigentlichen Grünalgen, Chloro-
phyceen, deren Farbe am häufigsten dem gewöhnlichen
Verhalten grünen Laubes entspricht und welche zugleich
in den Süsswasserformationen eine Hauptrolle in Hinsicht
auf Artenzahl spielen, und endlich in die mikroskopisch
kleinen Bacillariaceen (Diatomeen), welche nach ihrem
die einzellige Hülle mitaufbauenden Kieselpanzer am
zweckmäßigsten als Kieselalgen bezeichnet werden; auch
diese letzteren, welche leicht fossilisieren und in der „In-
fusorienerde“ oft mächtige Lager bilden, sind sowohl
marin, als im süssen Wasser heimisch, während Rot- und
Brauntange, verschwindend kleine Ausnahmen abgerechnet,
zwei ozeanische Sondergruppen vorstellen.
Wie gross die Artenzahl der grösseren Tange, von
den mikroskopischen Bacillarien abgesehen, in den Meeren
sei, lässt sich noch kaum überschlagen; 260 Arten zählt
z. B. Kjellmans arktische Algenflora, von denen 104 Flo-
rideen und 92 Melanophyceen sind; über 300 zählt die
des Golfes von Neapel, unter denen 187 Florideen und
75 Melanophyceen sind. Ueberwiegen auch die Florideen
in den wärmeren Meeren, so sind doch auch sie, wie
Kjellmans Zahlen beweisen, artenreich noch in den
Polarmeeren, wo aber die Brauntange nicht nur einen
grösseren relativen Artreichtum, sondern auch ganz be-
sonders eine viel mehr gesteigerte Produktionskraft an
organischer Substanz besitzen und mächtige Individuen
ausbilden, denen gegenüber die dort über dem Meere
angesiedelten Landfloren nur dürftige Erzeugnisse besitzen.
Im hohen Norden nimmt die Spezieszahl zwar relativ
ab, doch steigert sich damit um so mehr die verhältnis-
mäßige Individuenmenge und die bedeutende Grösse ein-
zelner häufiger Arten. Schon in den nordeuropäischen
Meeren bilden z. B. die zwei Laminarien grosse Stöcke und
ansehnliches Laub, von den fünf grönländischen Arten er-
reicht die gemeinste, L. longicruris, 20—25 m Länge,
ebenso die Alarien im ochotskischen Meere.
Das ozeanische Algenleben knüpft nun seine wesent-
lichsten Lebens- und Verbreitungsbedingungen an das
[551]Statistik. Lebensbedingungen. Regionen.
zur Ernährung notwendige Licht, welches maßgebend ist
für eine regionale Abstufung der Formationen, dann an
das Substrat, und endlich an die Wassertemperaturen
nebst der in der jährlichen Wärme- und Lichtverteilung
liegenden Periodizität.
Licht. Das Schwinden des Lichtes in den tieferen
Wasserschichten bindet das Algenleben an die oberen
Regionen bis höchstens zu einer Tiefe von 200 Faden,
und zwar erreicht eine reichere Tangentwickelung so
rasch nach unten ihr allmähliches Ende, dass die drei
sich an das Licht anschliessenden Regionen, welche
den Gebirgshöhenstufen nach Wärmeabnahme für die
Landpflanzen entsprechen, sich auf das Oberflächenwasser
allein verteilen, nämlich im Durchschnitt so:
1. Obere Litoralregion, zwischen Ebbe- und Flut-
marke.
2. Untere Litoralregion (sublitorale Region Kjell-
mans) von der Höhe der tiefsten Ebbe oder noch unter-
halb derselben bis 10 oder 15 Faden (20—30 m Tiefe).
3. Tiefenregion (elitorale Region Kjellmans) von der
Grenze der vorigen bis etwa 50—80 Faden Tiefe, wo
die Tangvegetation ihr normales Ende erreicht, und nun
nur noch solche, dieser dritten Region normal angehörende
Arten für weitere Tiefen anpassungsfähig übrig bleiben,
welche im Lichtmangel noch ertragungsfähiger sind. Ohne
also neue Arten aufzuweisen, geht die tiefere und sehr
artenarme Abteilung der dritten Region noch von 50 bis
höchstens 200 Faden.
Nicht alles scheint allerdings mit diesen drei Regio-
nen erschöpft zu sein, noch ein spärlicher Rest von Al-
gen über der ersten und unter der letzten bleibt übrig.
Ueber der oberen Litoralregion wachsen an den Fels-
gestaden einzelne Arten oberhalb der Flutlinie, spärlich
benetzt und stark besonnt, welche man als eine Supra-
litoral- oder Trockenregion zusammengefasst hat.
Und nach den neuesten Untersuchungen hat man in
grossen Meerestiefen frei schwimmende, kleine (einzellige)
Algen mit chlorophyllhaltigem Plasma aufgefunden, deren
Ernährung freilich in Rücksicht auf die sonst als not-
[552]Ozeanisches Florenreich.
wendig erkannte Mitwirkung messbarer Lichtmengen in
Dunkel gehüllt ist; diese letzte Region könnte man, mensch-
lichen Eindrücken folgend, als lichtlose bezeichnen
Es versteht sich von selbst, dass die Abgrenzung der oben
genannten Region 2 gegenüber Region 3 in sich Schwächen trägt,
welche zu formell verschiedenem Ausdruck führen müssen; auch
ist es sehr wahrscheinlich, dass in den Polarmeeren die Abgren-
zungen anders liegen als in subtropischen (Mittelmeer), und in
letzteren wiederum anders als unter dem Aequator. Dafür fehlt
es aber bisher an vergleichenden Untersuchungen. Für die Polar-
meere setzt Kjellman Region 1 wie immer an; sie ist hier wegen der
Treibeiswirkungen besonders arm; Region 2 reicht bei ihm bis
20 Faden, Region 3 in maximo bis 150 Faden hinab. Hauck will
im Mittelmeer die Region 2 in der Hauptsache auf nur 5 Meter
Tiefe beschränkt wissen. Im Quarnero unterschied Lorenz 6 Re-
gionen: Die Supralitoral- und obere Litoralregion, dann eine „unter-
getauchte Litoralregion“ von der Ebbe bis 2 Faden Tiefe (welche
mit 218 Arten 82 % aller dortigen Seealgen zählt), dann die „Seicht-
gründe“ von 2—15 Faden, dann die Tiefenregionen a) 15 bis
30 Faden, und b) unter 30 Faden.
Im Mittelmeer erscheint es also nach diesen beiden vonein-
ander unabhängigen Einteilungen naturgemäß, die Ausdehnung
von Region 2 nach unten sehr zu beschränken.
Substrat. Auch die Tange, wie die Mehrzahl der
Süsswassergewächse und wie alle Seegräser, bedürfen einer
festen Unterlage, gliedern sich selbst dann, wenn ihr
Organismus noch wie bei Caulerpa, einer weit in den
wärmeren Meeren verbreiteten chlorophyllgrünen Algen-
gattung, einzellig-hohl nach grössten Dimensionen ist, in
Wurzeln, welche kleine Steine, Felsstücke, Muscheln oder
grössere Pflanzenteile umklammern, und in die zum Licht
hin wachsenden Sprosse, sitzen also fest. Sehr viele der
kleinen und kleinsten Algen besiedeln in dichten Massen
das grosse Blätterthalluswerk grosser Algen oder die
dichten Seegraswiesen, welche den weichen Schlickboden,
in welchem Algen schlecht sich festhalten, dadurch auch
für diese geeignet machen. So erobern im Mittelmeer
Posidonia oceanica und Phucagrostis minor die beweg-
lichen Sandmassen, während auf schlammigem Boden die
Caulerpa prolifera schon „Wiesen“ zu bilden vermag.
Durch dieses Substrat sind die Seealgen an die Küsten,
und hier wiederum am liebsten an die felsigen Gestade
[553]Substrat. Periodische Erscheinungen.
bis zu den genannten Tiefen gebunden, die grösseren
direkt, die kleineren unter den Algen so sehr zahlreichen
Epiphyten oder epiphytisch wachsen könnenden indirekt;
Hauck fand auf einer mediterranen grossen Cystosira
barbata 115 andere Algenarten als Epiphyten angesiedelt.
Wie weit in flachen Meeren die Algenbesiedelung sich
auf ausgedehnte Flächen erstrecken kann, zeigt die von
Reinke aufgenommene Karte, die einzige meines Wissens,
welche einen kleineren Meeresteil so genau darstellt.
Ausser diesen Küsten-Tangformationen im Verein
mit den Seegräsern gibt es nun kleine, einzellige oder
in Kettenkolonien vereinigte frei schwimmende Algen,
und zu diesen gehören die Hauptmassen der Kieselalgen,
(Bacillariaceen) im hohen Ozean, von deren hohen Be-
deutung für das Tierleben des Meeres man erst durch
die jüngsten daraufhin gerichteten Untersuchungen Kennt-
nis erhalten hat. Sie mögen mit dem für diese Lebe-
welt überhaupt eingeführten Namen als Plankton-For-
mationen bezeichnet werden, und ihr Charakter scheint
in einer hochgradigen Geselligkeit sehr weniger Arten
zu liegen. Eine viel grössere Zahl von Bacillariaceen-
Arten bewohnt übrigens ebenfalls die Küstenflora zusam-
men mit den anderen Algen, auf welchen sie als Epi-
phyten in Ketten festhaften oder mit Schleimstielen kleben,
gerade wie es in Gräben und Teichen mit süssem Wasser
bei diesen Organismen der Fall ist. Zum „Plankton“
könnte man auch ausserdem die losgerissen-treibenden
Seetange ferner Küsten rechnen, wie die Sargassomeer-
tange, deren Heimat in Westindien liegt.
Temperatur des Wassers; Periodizität. Dem
schützenden Einfluss des Mediums, welches die ozeanische
Flora erhält, ist es zuzuschreiben, dass auch noch in den
hohen Breiten der arktischen und antarktischen Flora
ein reiches Algenleben sich entwickelt. Ja, nach den
bisher gemachten Wahrnehmungen zu urteilen, ist in
kühleren Meeren das Algenleben kräftiger entfaltet, als
in den tropischen, sowohl was die Küstenformationen
anbetrifft, als hinsichtlich der Masse an Plankton-Organis-
men. Und was mit den sonstigen Begriffen der arktischen
[554]Ozeanisches Florenreich.
Florenentwickelung am wenigsten sich zusammenreimt, hat
sich bei den Seetangen während der Ueberwinterung der
schwedischen Expedition 1872 auf Spitzbergen unter
80° N. durch Kjellman herausgestellt, nämlich ein stän-
diges Weiterwachsen während der thatsächlich etwa drei
Monate andauernden Finsternis der Polarnacht.
Trotz der zugleich niederen Meerestemperaturen, schwankend
zwischen — 0,5 und — 1,8°C., fand sich den ganzen Winter
hindurch die gleiche Algenflora vor, wie während des Sommers
und Herbstes; Lithothamnium calcareum bedeckte breite Strecken
des Golfes, mit ihr vergesellschaftet viele Florideen, ein Fucus,
die Laminarien, Alarien etc., und drei grüne Arten. Bei den meisten
liess der morphologische Zustand im Winter keine Aenderung
dem sommerlichen gegenüber erkennen, andere zeigten eine deut-
liche Periodizität im entgegengesetzten Sinne: Halosaccion ramen-
taceum fruktifizierte nur vom August bis Oktober, die meisten
Phäosporeen (besonders Chaetopteris plumosa) dagegen nur in
der Polarnacht, da deren Reproduktionsorgane nicht vor Ende
November und nicht länger als bis zum Ende des März aufge-
funden werden konnten.
Es ist dies eine sehr seltsame Erscheinung im Vergleich mit
der sonst die Periode der Lebenserscheinungen streng regulieren-
den Lichtwirkung, um so befremdlicher, als sie im höchsten be-
kannten Norden sich gezeigt hat; es lässt sich thatsächlich keine
andere Erscheinung nennen, welche bei ausdauernden Gewächsen so
aperiodisch sich verhielte, worauf schon oben (S. 18) hingewiesen
wurde. Von 27 Arten zeigten 22 im Winter die Entwickelung
von Fortpflanzungsorganen und verhielten sich augenscheinlich
gleichgültig gegen Wärme- und Lichtabnahme (G. J., VII, 174;
Bot. Zeitg. 1875, S. 771).
Während aber in Spitzbergen wenigstens kein den
Jahreszeiten folgender Wechsel des Bestandes an Arten
eintrat, ist dies das Gewöhnliche in wärmer tempe-
rierten Meeren, z. B. schon in der Regel an den skan-
dinavischen Küsten, ist noch besser und deutlicher im
Mittelmeer beobachtet, unter den Tropen aber leider —
so weit mir bekannt — noch nicht zum Gegenstand von
Beobachtungen gemacht.
Im Mittelmeer folgen im Laufe des Jahres an derselben
Oertlichkeit ganz verschiedene Formationen, lieber in diesem Falle
gesagt: Vegetationen, welche wahrscheinlich sich zu einer ein-
heitlichen Formation ergänzen, aufeinander, wie die bunten Blumen
einer Wiese in verschiedenen Jahreszeiten wechseln. Während an
der Oberfläche die Vegetationszeiten vorwiegend den Spätherbst,
[555]Arktisches Algenleben. Verbreitungsverhältnisse.
Winter und Frühling umfassen und die Vegetation im Hochsommer
dort ruht, fällt dieselbe in den Tiefen von 50—100 m fast ganz
auf den Sommer und Herbst und ruht hinwiederum fast völlig
vom Februar bis April. Am raschesten findet ein Wechsel kleinerer
Algen vom Winter zum Sommer hin statt; aber an der Oberfläche
sind im Hochsommer die sonnigen Stellen auch von Brauntangen
verödet.
Verbreitungsverhältnisse der ozeanischen
Sippen. Seitdem ich in den „Florenreichen“ (S. 39—43)
einen ersten, noch vielfältig sehr schwach gestützten Ver-
such zur Erzielung natürlicher Florengebiete im ozeani-
schen Florenreich gemacht habe, welcher auch in seinen
Resultaten in Schleidens „Meer“ (a. a. O. S. 190) über-
gegangen ist, sind noch keine grosse und allgemeine
Arbeiten von Fachkennern in Hinsicht auf diese Frage
geliefert, während wohl die Kenntnis einzelner Meeres-
floren, besonders der arktischen durch Kjellman, der deut-
schen durch Reinke, und der mittelmeerländischen durch
die Arbeiten der zoologischen Station zu Neapel, wesent-
lich gefördert sind. Unter Hinweis auf das in den „Flo-
renreichen“ Angeführte mag daher eine Wiederholung er-
spart bleiben und nur gesagt werden, dass die Abtrennung
eines borealen, eines tropischen und eines australen ozea-
nischen Florengebietes, von denen jedes in durch Gat-
tungen und Einzelarten geschiedene Bezirke zerfällt, auch
heute noch natürlich erscheint.
Das boreale Gebiet mit einer Hauptmasse von
Laminaria, Alaria, Agarum und Fucus reicht in Europa
bis Irland, Frankreich und Spanien herab, wofür die
Florenkarte von Europa im physikalischen Atlas einzelne
Belege bietet, und im atlantischen Nordamerika bis 41° N.
(Kap Cod); das Tropengebiet ist im Ozean viel weiter
über die Wendekreise hinaus ausgedehnt, als auf dem
Lande, und umfasst in diesem Sinne auch das Mittel-
meer, charakterisiert sich im allgemeinen durch hohe
Formentwickelung der Florideen und durch die mannig-
faltigen Spielformen von Sargassum; das australe Ge-
biet bringt einen erneuten Vorrat von Brauntangen in
von den borealen wesentlich verschiedener Gestalt, die
riesigen Macrocystis, Durvillaea etc., und besiedelt die
[556]Ozeanisches Florenreich.
Südküsten des Kaplandes, Australiens und Neuseelands,
des antarktischen Amerikas nebst den Inseln.
Die damals in den Florenreichen aufgeworfene Frage,
inwieweit zumal in den Tropen die gegenüberliegenden
oder entfernten Küsten der verschiedenen Kontinente eine
eigene Algenflora besitzen, hat seitdem verschiedenartige
Beleuchtungen erfahren. Während die Uebereinstimmung
vieler Arten der Antillengestade mit denen des Roten
Meeres für Ausgleichung der verschiedenen Bezirke spricht,
kann man nach der Verteilung der Seegräser eher auf
ein Getrennthalten schliessen. Ascherson gibt ausdrück-
lich an, dass nur wenige Arten derselben über die ganze
Breite eines Ozeans hinweg verbreitet bekannt geworden
seien, wenn dessen gegenüberliegende Küsten sich nicht
irgendwo auf geringere Entfernungen nahe kommen; als
einzig sicheres Beispiel erscheint ihm Zostera marina an
der europäischen und amerikanischen Küste des Atlanti-
schen Ozeans.
Diese Fragen dürfte also die Zukunft zu entschei-
den haben, welche auch über die wenigen Charakterarten
des Plankton vergleichende Untersuchungen in Hinsicht
ihres Vorkommens in den verschiedenen Weltmeeren hin-
zufügen wird.
Appendix A
[558][559]Appendix B
tungen, welche zwar nicht in Mauritius selbst endemisch, wohl
aber auf Mauritius und Bourbon, Madagaskar, die Seychellen be-
schränkt sind und von denen nur 2 auch die Ostküste Afrikas be-
rühren. Der endemische Charakter jeder einzelnen Insel aus der
Maskarenengruppe erhält durch diese Hinzufügung erst seine rich-
tige Bedeutung.
der Canaren an; die neue Zusammenstellung von Christ (siehe
G. J. XIII) zählt 470, nach Abzug einer Varietät nur 469 ende-
mische Arten im Bereich der Canaren, Azoren und Madeira; von
diesen sind 47 herausgehoben als den Canaren mit den übrigen
Inselgruppen gemeinsam, verbleiben also 422 spezifisch-canarische
Endemismen; dieselben erhalten aber diese hohe Zahl nur, wenn
eine Reihe schwächer unterschiedener Formen als Unterarten mit-
gezählt werden.
also Untergattung, Unterart.
dicht über der Erde in riesigen Klumpen gehäuften Fruchtständen
veröffentlicht jüngst Dr. King aus dem botanischen Garten zu Cal-
cutta von Ficus Roxburghii.
Bull. Acad. St. Petersburg 1863, 1864 u. 1865.
- Holder of rights
- Kolimo+
- Citation Suggestion for this Object
- TextGrid Repository (2025). Collection 1. Handbuch der Pflanzengeographie. Handbuch der Pflanzengeographie. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bj3c.0