botaniſche und oͤkonomiſche
Abhandlungen,
und mit einer Vorrede verſehen
von
D. Karl Abraham Gerhard
Koͤnigl. Preußiſchen Geheimen Ober-Finanz-Kriegs und
Domainenrath.
bey Siegismund Friedrich Heſſe und Compagnie.
[][]
Vorrede.
Mit Vergnuͤgen uͤberliefere ich einem ge-
lehrten Publiko hiermit einen dritten Band der,
unter dem gelehrten Nachlaß des ſeligen Hof-
rath und Profeſſor Gleditſch aufgefundenen,
noch ungedruckten, vermiſchten Abhandlungen.
Wenn ſolche, auch nicht im eigentlichen
Verſtande, botaniſchen Inhalts ſind, ſo wer-
den ſie dennoch, da ſie, auſſer dieſen, mehren-
theils oͤkonomiſche und landwirthſchaftliche Ge-
genſtaͤnde betreffen, auch ſchon dem eigentlichen
Botaniſten angenehm ſeyn, da der beruͤmte
Verfaſſer, als einer der erſten und praktiſchen
Botaniker in Deutſchland, wohl nicht leicht
eine Materie abhandeln konnte, ohne hin und
* 2wie-
[]Vorrede.
wieder, wo ſich ihm nur Gelegenheiten darbo-
ten, praktiſche Bemerkungen aus dem reichen
Vorrath ſeiner, ſo vielfach und ſo muͤhſam ge-
ſammelten, botaniſchen Kenntniſſe anzubrin-
gen.
Vorzuͤglich aber werden dem Oekonomen,
und beſonders dem einlaͤndiſchen Landwirthe,
die in dieſem Bande vorkommenden oͤkonomi-
ſchen Abhandlungen willkommen ſeyn, da ſel-
bigen ſchon die Gruͤndlichkeit und Genauig-
keit, womit der ſelige Mann ſeine Beobach-
tungen anſtellte, hinlaͤnglich bekannt iſt, und
fuͤge ich nur noch hinzu, daß von dieſen ver-
miſchten Abhandlungen wahrſcheinlich noch ein
vierter Band, aber — leider — auch wohl der
letzte erſcheinen wird.
Geſchrieben im Maͤrz 1789.
Gerhard,
Geh. Ober-Finanz-Rath.
Inhalt.
[]
Inhalt.
- Von Anzucht und Eigenſchaften der Buche Seite 1
- Vom nuͤtzlichen Anpflanzen der kleinen Ruͤſter oder
Effendaum 30 - Gedanken uͤber etliche Unterſchiede des Geſchlechts
bey Thieren und Gewaͤchſen (Vegetabills) und
verſchiedenen ſehr merklichen bey den letztern
von Zeit zu Zeit vorfallenden Veraͤnderungen,
die das Geſchlecht betreffen 35 - Summariſcher Auszug einer phyſikaliſchen Unterſu-
chung von den verſchiedenen Geſchlechtsarten
der Bienen uͤberhaupt, inſonderheit von den praͤ-
formirten Weiſeleyern und dem doppelten
Aſt des Eyerſtocks der Bienenmutter, zu weite-
rer Pruͤfung ausgeſetzt 55 - Grundlage einer ſichern phyſiſch-oͤkonomiſchen Kennt-
niß des eigentlichen Hauptzuſtandes vom Grund
und Boden in der Churmark Brandenburg 81 - Von der rechten Nutzung der Brache innerhalb der
bekannten Brachzeit und der abwechſelnden Ord-
nung 112 - Gedanken von den natuͤrlichen Urſachen der hoͤchſt-
ſchaͤdlichen Seuche bey dem Rindvieh listitem119 - Beſchreibung der Wurzel Ginſong aus Kanada 139
- Merkwuͤrdige Cur eines erſtickten Kindes 144
- Eine beſondere Art den Bandwurm zu kuriren 146
- Verſuch eines hiſtoriſch-phyſikaliſchen Beytrags zur
Naturgeſchichte des Campherbaumes auſſer ſei-
nem Vaterlande unter den noͤrdlich deutſchen
Himmelsſtrichen 152 - Verſuch zum Verhaͤltniß der Hoͤlzer bey ibrer Bear-
beitung 177 - Von den Krankheiten des Schaafviehes 204
- Der wahre natuͤrliche Gattungscharakter der Zietenia 231
- Muthmaßung uͤber die durchſichtigen Koͤrper des Mi-
chelii, die bey einigen Blaͤtterſchwaͤmmen gefun-
den werden 241
[[1]]
Von
Anzucht und Eigenſchaften der Buche.
Man pflanzet die Buche am beſten durch den Saa-
men fort, der entweder gegen das Ende des Octobers
oder im Anfange Novembers in guten wichtigen Koͤr-
nern eingeſammlet und ausgeſaͤet wird, oder ſich um
dieſe Zeit von ſelbſt ausſtreuet; allein wer ihn auf
das folgende Jahr aufbewahren will, muß ihn noth-
wendig, ſo viel als moͤglich, vor das Austrocknen
und den Angrif der Maͤuſe bewahren, welche ihm
begierig nachgehen. Das beſte Mittel, das beyde
Uebel abaͤndern kann, iſt nach Duhamel und anderer
Angaben, nach einigen angeſtellten Verſuchen, das
Einpacken in nicht zu trocknen Sand, und deſſen Auf-
bewahrung an einem nicht zu warmen, noch zu kalten
Orte; ob aber das Ausſaͤen im Herbſt oder im Fruͤh-
jabre am rathſamſten ſey, davon werde ich meine
Meynung angeben.
Boden, den die Buche vorzuͤglich liebt.
Den Boden, den ſie vorzuͤglich liebt, beſteht
eigentlich in einem leichten und ſchattigten Grunde.
ADieß
[2] Dieß iſt die Urſache, weßwegen wir die beſten Bu-
chenwaͤlder gegen Morgen und Mitternacht antreffen,
weil nemlich dieſe Lagen ſchattenreicher ſind, als die,
welche gegen Mittag und Abend liegen. Die Erfah-
rung lehret auch, daß die Buchen im ſumpfigen Erd-
reich niemals fortkommen, in einem ihr angemeſſenen
wachſen ſie aber zu hohen Baͤumen auf, und werden
auch allezeit glatter und vollkommener, als wenn ſie
auf einem zu hoch gelegenen, gar zu trocknen und ſtei-
nigten Boden ſtatt haben, denn in dieſem letztern
wird ihr Stamm wohl weißer und haͤrter im Holze,
allein im Wuchſe langſamer und knorriger ſeyn,
Wachsthum der Buche.
Was ihren Wachsthum anbetrift, ſo iſt derſelbe
ſchnell, man kann aber nicht gewiß behaupten, daß
ſie hierin bey einer gleich guten Erde die Eichen hinter
ſich ließen. Es iſt dieſer Wuchs bis in das funf-
zehnte Jahr indeſſen etwas langſam, von dieſer Zeit
an bis in das hundert und zwanzigſte Jahr, nimmt
jedoch eine Buche jaͤhrlich in ihrem Umfange und in
ihrer Hoͤhe, nach einem beſtaͤndig ſteigenden Verhaͤlt-
niſſe mehr zu, und alsdann ſoll ſie nach den Urthei-
len der mehreſten Forſtverſtaͤndigen, ihre Vollkom-
menheit erlangt haben. Ihre Wurzeln gehen nicht
ſenkrecht und tief in die Erde, wie man dieſes wohl
von andern Baͤumen weiß, ſondern ſie laufen unter
der Oberflaͤche hin, auch bey den groͤßten und beſten
Staͤmmen liegen ſie hoͤchſtens vier bis fuͤnf Fuß tief,
und ſchicken ſich theils deswegen nicht gut zu Luſtwaͤl-
dern, zu Hecken und auch andern Alleen in Gaͤrten,
indem ſie durch ihre ausbreitenden Wurzeln den meh-
reſten nutzbarſten Gewaͤchſen eine Menge nahrhafter
Feuchtigkeiten entziehen, theils weil ſich bis zwanzig,
dreyßig
[3] dreyßig Jahre die Krone zu ſehr ausbreitet, und das
uͤbrige noch umherſtehende unterdruͤckt, theils weil ſie
in den erſten Jahren langſam waͤchſet, und den Lieb-
haber auf die Vollkommenheit ſeiner Anlagen zu lange
warten laͤßt.
Ob ihr Anbau im Kleinen oder Großen
vorzunehmen ſey?
Die Hauptfrage bey der Buche iſt: Soll man ihren
Anbau im Kleinen unternehmen, oder ſogleich große
Waldungen anziehen? Da das erſtere keinen ausge-
breiteten Vortheil zeigen wuͤrde, ſo muß man alſo zu dem
zweyten ſchreiten, und es einem jeden anrathen, daß
er ſeine Aufmerkſamkeit auf betraͤchtlich große Plaͤtze
wende, die dieſe reichlicher belohnen, als kleine Oer-
ter. Es iſt aber eine elende Huͤlfe, wenn diejenigen,
denen es an geraͤumigen Plaͤtzen fehlet, um ihre Woh-
nungen, oder auf den Gemeindehuͤtungen, zur Er-
haltung eines Feuerholzes, dergleichen mit vielen Ko-
ſten anpflanzen muͤſſen, und man kann alsdenn dieſe
Art des Verfahrens wohl ein nothwendiges Uebel nen-
nen, welche um ſo mehr verwerflich wird, da ſie die
Ungemaͤchlichkeit mit ſich fuͤhret, daß man Pfaͤhle ſetzen,
und dieſe gehoͤrig befeſtigen muß. Man thut deswe-
gen am Beſten, ſie zu großen Waͤldern, ohne Ver-
miſchung mit andern Gattungen, zu lauter moͤglichſt
geraden und hohen Staͤmmen anzubauen und auf-
wachſen zu laſſen, wozu nothwendig eine geraͤumige,
von aller Huͤtung befreyte Gegend erfordert wird.
In ſolchen Faͤllen kann es geſchehen, daß man
die Frage anſtellet:
1) Ob ein Ort ſchon von langen Zeiten her mit
dergleichen Holze bepflanzet iſt, und alſo nur erhal-
A 2ten,
[4] ten, und nach Abnutzung der alten Staͤmme mit jun-
gen Anwuchſe vereiniget werden ſoll; oder 2) ob man
einen neuen und leeren Platz zu einem Buchenwalde
anbauen will? welche ich in folgenden zu erlaͤutern
mich bemuͤhen werde. Verjuͤngerung eines ſchon mit
Buchen beſetzten Platzes, und wie unſre Vorfahren
dabey verfuhren.
Bey Verjuͤngerung eines ſchon vorher mit Bu-
chen beſetzten Platzes, hatten unfre Voraͤltern den Ge-
brauch, daß ſie nach einer gewiſſen Zeit, z. E. nach
Verfließung von zwanzig bis dreyßig Jahren, den
ganzen Ort durchhauen ließen, allenfalls nahmen ſie
alsdann wohl die ganz veralteten oder gar zu ſchlecht
gewachſenen Staͤmme mit heraus, dabey machten ſie
aber das junge Holz ſo duͤnne, daß auf jedem Morgen
etwa nur 15 bis 30 von den vermeintlichen beſten ſo
genannten Laſtreiſern ſtehen blieben. Zu ihren Zeiten
war auch dagegen nicht viel einzuwenden. Sie hat-
ten einen Ueberfluß an Holze, und man war aus die-
ſem Grunde in den meiſten Gegenden, in Abſicht auf
die Viehzucht, mehr auf die Verduͤnnung, als Ver-
dickung der Waͤlder bedacht, die ihnen ohnedem kaum
bezahlet wurden. Nach und nach ſah man jedoch
ein, daß auf ſolche Weiſe die Menge des nunmehro
nothwendig werdenden juͤngern Wiederwuchſes nicht
erhalten werde, weil bey ſo gar großer Ungleichheit
der Oberbaͤume und der ſo genannten Ueberſtaͤnder, der
mehreſte Nachwuchs des jungen Holzes unterdruͤcket
und verdumpfet werden mußte, da von den jungen
aus dem Saamen aufgekeimten Pflanzen, alles bis auf
die wenigen Laſtreiſer zu Stangen, Wellen und Wa-
ſen mit abgehauen wurden. Ueberdem kam noch der
Umſtand hinzu, daß dieſe duͤnnen und biegſamen Rei-
ſer ſehr [haͤufig] wieder verlohren giengen, und entwe-
der ganz krum bis auf die Erde gebogen wurden, oder
doch
[5] doch ihre Gipfel einbuͤßten, da ſie von ihrem bisheri-
gen Schutze entbloͤßet, jedem rauhen und heftigen
Winde, dem Glatteiſe und Schneegeſtoͤber ausge-
ſetzt waren. Und wie konnte man auf das Wieder-
wachſen derjenigen kleinen Baͤume rechnen, davon
man die duͤnnen Zweige, oder Haare in Waſen ge-
bunden hatte? Es ſchlagen ſolche, der Erfahrung
nach, nur ſparſam von neuem aus, die ausgebroche-
nen Zweige, gelangen kaum in zehn Jahren zu einem
friſchen Triebe, und am Ende werden ſie doch nichts
als niedrige und krumm gewachſene Staͤmme liefern
koͤnnen. Rechne ich nun dazu noch die Gewohnheit,
daß an den mehreſten Orten im ſechſten Jahre des
Zuſchlages Pferde und Schaafe, und im achten,
zehnten oder zwoͤlften alle Arten des Rindviehes in
dieſe Plaͤtze getrieben wurden, ſo wird ein jeder leicht
einſehen, daß dadurch die wenige Anzahl Reiſer, die
hin und wieder einzeln aus Saamenkoͤrnern aufge-
wachſen waren, und das, was ſich noch von den Laſt-
reiſern kuͤmmerlich erhalten hatte, voͤllig zu Grunde
gerichtet werden mußte.
Der natuͤrliche Schluß war endlich bey der Be-
trachtung einer ſolchen Wirthſchaft, daß ein Buchen-
ort von einer Hauung zur andern ſchlechter werde,
und daß man ſich zu verwundern nicht Urſach haͤtte,
wenn niedrige abgenagte Staͤmme, oder die ſo ge-
nannte Kuhmaͤuler, nunmehro den Platz einnahmen,
auf dem ehemals das ſchoͤnſte Nutz: und Feuerholz
ſtand. So viele ſonſt herrliche, jetzt aber verwuͤ-
ſtete Waldungen, koͤnnen den traurigſten Beweis von
der Wahrheit dieſes Gedankens abgeben, und auch
noch zu unſern Zeiten dies fuͤr uns ſo ſchaͤdliche Ver-
fahren beſeufzen laſſen.
A 3In
[6]
In gewiſſen gebuͤrgigten Gegenden befolgte man
eine andere noch ſchaͤdlichere Methode, da man nem-
lich den ganzen Ort auf lauter ſo genanntes Schlag-
holz einrichtete, welches bey jeder Hauung allgemein
abgetrieben ward, und darauf wiederum vierzig Jahre
ſich ſelbſt uͤberlaſſen wurde. Dem alle Jahr einfal-
lenden Glatteiſe und Rauhreife, den Sturmwinden
und ſpaͤten Froͤſten vermeinte man damit Einhalt zu
thun, daß man dieſen Ort, wie bey dem Nadelholze
gewoͤhnlich iſt, allezeit von Mitternacht gegen Mit-
tag abtreiben ließ, und hierin hatte man wohl eini-
ges Recht, ſo und nicht anders zu handeln. Man
handelte richtig, weil alsdenn nicht nur der uͤbrig ge-
bliebene noch unangebrochene Platz ſich ſelbſt wider
die gemeiniglich aus Suͤdweſt kommenden heftigen
Stuͤrme, wider das Glatteis und den Rauhreif ſchuͤ-
tzet, ſondern weil derſelbe auch zugleich dem jungen
Holz zu einer Wand gegen die Oſt- und Suͤdſeite dienet,
denn deren Oefnungen ſind deswegen beſonders gefaͤhr-
lich, weil die Morgen- und Mittagsſonne im Fruͤhjahr die
Rinde der Baͤume zu zart und gegen die Nachtfroͤſte
gar zu empfindlich macht. Allein wenn wir auch auf
der andern Seite wieder uͤberlegen, wie weit der von
einer ſolchen Wand zu erwartende Schutz auf einen
Bezirk von einigen hundert Waldmorgen hinausrei-
chen koͤnne, und was ſie fuͤr Wirkung thun werde,
wenn die Mitternachtsſeite der Gegend einen be-
traͤchtlichen Hang nach Suͤden hat, und mithin die
vermeinte Schutzwand niedriger, als das zuruͤckge-
bliebene Holz ſtehet, ſo koͤnnen wir dieſer Vorſicht
keinen allgemeinen Nutzen zuſchreiben. Ein gleiches
gilt, wenn die Winde, wie z. E. in Gebuͤrgen nicht ge-
rade vor ſich weg wehen, ſondern nach den Thaͤlern
und Schluͤften ſich drehen und wenden, und oͤfters
wollen die Lagen der Reviere, die Begraͤnzungen mit
zaͤnkiſchen Nachbaren, die Hut- und Triftgerechtig-
keiten,
[7] keiten, die Nothwendigkeit einer bequemen Abfuͤh-
rung, die Lagen gewiſſer beſtimmter Rutſchen, Rieſen
und Floͤßen, die Naͤhe oder Entfernung von Dorf-
ſchaften, Berg- und Salzwerken u. ſ. w., die
nach gewiſſen Anſchlaͤgen alle Jahr ihren Antheil ha-
ben muͤſſen, es nicht allezeit erlauben, von dieſer oder
jener Seite die Waͤlder nach Willkuͤhr anzuhauen.
Die Beſchaͤdigung durch die Viehweide, hielt man in
ſolchen Gegenden fuͤr geringe, weil die Hoͤlzer ſehr
weitlaͤuftig und unwegſam waren, man glaubte viel-
mehr, daß nach Verlauf von vierzig Jahren zum Vor-
theil der Gewerke deſto reineres, friſcheres und feu-
rigeres Kohlholz erwartet werden koͤnnte. Wenn ich
es aber dahin geſtellt ſeyn laſſe, ob nicht vielleicht
Buchen 80 bis 100 oder 120 Jahre eben ſo gute
Kohlen geben als vierzigjaͤhrige; oder, wenn dieſes
ungegruͤndet iſt, ob nicht der hieraus erwachſende Ver-
luſt vollkommen erſetzet wuͤrde, daß man bey einer
veraͤnderten Behandlung in dem Maaße eine ungleich
groͤßere Menge zu erwarten hat? ſo bleibt hingegen
unwiderſprechlich wahr, daß alle und jede verhauene
Buchenſtaͤmme, wie ich ſchon vorher geſagt habe,
erſt nach Verfließung vieler kuͤmmerlichen Jahre wie-
der zu einem ledendigen Triebe gelangen, und die mei-
ſten von ihnen gar ausbleiben, beſonders wenn ſie ohne-
dem ſchon ein Alter von vierzig Jahren hatten, und
die wenigen, die auch noch zu Baͤumen aufwachſen
moͤchten, niemahls zu recht guten Schaften und Kro-
nen erwachſen. Der Einwurf, daß in den kuͤnftigen
Heyden zwiſchen durch auch Saamenlohden aufſchie-
ßen koͤnnen, iſt von keiner Wichtigkeit und ungegruͤn-
det, denn dreißig- und vierzigjaͤhrige Buchen geben
noch viel zu wenig oder doch nur taubhuͤlſigen und un-
vollkommenen Saamen. Deſſen Anflug kann alſo
wenig bedeuten, und uͤberdem nehmen auch die Koͤh-
lerpferde noch einen betraͤchtlichen Theil hinweg.
A 4Außer
[8]
Außer dieſem war das Verfahren am allerſchlech-
teſten, da man ein ſolches Buchenes Schlagholz in
noch geringere Diſtrikte, auch auf 15 bis 18 einthei-
len ließ. Die Buchen wurden nehmlich alsdann
wieder abgehauen, da ſie aufiengen, ſich von der vo-
rigen Verwuͤſtung zu erholen, und ſich einigermaßen
von neuem empor zu ſchwingen, und was konnte na-
tuͤrlicher erfolgen, als daß die Staͤmme nach und
nach gaͤnzlich abſtarben, und daß der ſchoͤne Buch-
wald ſich mit der Zeit in Gebuͤſche von Sahlweiden,
Dornen, Sproͤtzern, Himbeeren und Heidelbeeren,
auch Heydefarrenkraut verwandelte.
Verbeſſerung der gedachten ſchlechten Arten
des Anbaues.
Nach ſolchen jetzt von mir angefuͤhrten Wahr-
nehmungen, erdachte man ſich zuletzt eine andere Me-
thode, die von allen alten Gebraͤuchen die beſte blei-
bet, und die nur den Fehler hat, daß der Eigen-
thuͤmer einer Forſt gar zu lange dabey aufgehalten
wird.
Sie beſteht in folgenden Regeln: Man nahm
einen wohl und dicht mit Buchen beſetzten Acker, auf
welchem die Staͤmme groͤßtentheils zwiſchen achtzig
bis hundert und funfzig Jahr alt waren, und zwar in
einem ſolchen Jahre, in welchem ſich der Saame
reichlich zeigte, ſo daß die Buchen dieſen auf dem,
wegen des vielen Schattens, von Gras und Buſch-
werk befreyten Boden, mit guter Hofnung ausſtreuen
konnten. Noch in ſelbigem Herbſte, wurde der
Platz mit Graben umzogen, und dadurch gegen alles
Eindringen des Viehes geſchuͤtzet, nur allein die
Schweine
[9] Schweine wurden bisweilen dahin getrieben, aber
nur zur Mittagszeit oder gegen Abend, wenn ſie ſchon
an andern Orten ſich ſatt gefreſſen und keine andere Nei-
gung mehr uͤbrig hatten, als nach den ſo genannten
Maſtmaden und knolligen Erdgewaͤchſen zu brechen
und zu wuͤhlen. Auf ſolche Art ſollte am Saamen
ſelbſt wenig Abgang verſpuͤhret werden, und den
uͤbriggebliebenen hingegen der Vortheil zuwachſen,
daß er theils mit untergewuͤhlet, und dadurch gegen
alle Beſchaͤdigung gedeckt, theils aber demſelben ein
voͤllig aufgelockerter Boden verſchaft wuͤrde. In
dem darauf folgenden Winter wurden die Baͤume bis
auf den zehnten oder funfzehnten Theil gefaͤllet, und vor-
zuͤglich wurden ſolche umgehauen, die ſehr ſtarke Kro-
nen und ausgebreitete Aeſte hatten, und welche den Zu-
gang der Sonne, des Regens, des Thaues und der Luft
wirklich hinderten. Dieſes einzelne Aushauen wur-
de auch im zweyten und allen, bis zum zehnten und
funfzehnten folgenden Wintern, nach eben den Ver-
haͤltniſſen beſtaͤndig fortgeſetzt, daß nach Verfließung
dieſer Jahre der ganze Platz mit Saamenpflanzen
hinlaͤnglich bedeckt ſeyn konnte, und durch das Ab-
hauen der hohen Baͤume ihnen zum guten Wuchſe
alle Freyheit und aller erforderliche Raum geſtattet
wurde. Nun fraͤgt es ſich, wie man den gewoͤhnlich
ſpaͤten Froͤſten gehoͤrig begegne? Es iſt bekannt, daß
ſelten ein Fruͤhjahr erſcheinet, in welchem nicht der
junge Buchenaufſchlag dadurch im April und May
wiederum zu Grunde gerichtet wuͤrde, und da dieſer
Unfall zu allgemein war und zu ſehr ſchadete, ſo er-
forderte die Nothwendigkeit, daß man auf alle Weiſe
bemuͤhet ſeyn mußte, den boͤſen Erfolg abzuwenden.
Was war alſo natuͤrlicher, als daß man nach einem
ſo boͤſen Fruͤhjahre das Aushauen des Holzes ſo lan-
ge einſtellete, bis bey abermahls eintretender Buch-
maſt hinlaͤnglicher Saamen gefallen, und den ſich
A 5nach
[10] nach und nach geaͤußerten Bloͤßen gute Gelegenheit
zum Nachwachſen gegeben wurde? Allein noch ein
anderes Ungemach beſtand darin, daß bey einem ſol-
chen Verfahren, das alle Jahr zu wiederholende
Fahren der Wagen, eine große Anzahl junger Pflan-
zen gaͤnzlich zernichtete, und man durfte alſo zum Be-
ſten der Forſt dieſes nicht geſtatten. Die Arbeiter
konnten jedoch dieſes verhindern, wenn ſie das ſo
wohl geſchnittene, als in Klafter geſchlagene Holz uͤber
den Graben hinaus, oder auf etwa angelegte Wege
trugen, von da es bequem und ohne weitern Scha-
den, abgehohlet werden konnte. Die Erfahrung
erwieß auch, daß auf dieſe Art, und weil in derglei-
chen Revieren weder Graß nach Mooß aufwachſen
konnte, von den ſonſt ſo ſchaͤdlichen Maͤuſen wenig
oder nichts zu befuͤrchten war, welche theils den
Saamen verzehren, theils die jungen Wurzeln ab-
beißen. Die jungen, noch zarten Pflanzen behielten
in den erſten Jahren gegen ſtarke Froͤſte und ſcharfe
Winde, und im Sommer gegen die brennende Hitze
noch gute Bedeckung; die ſtaͤrkeren hingegen bekamen
durch das einzelne Aushauen mehr Raum und Luft,
und nach vollendeten Hauungsjahren war zugleich
dem weitern Fortwachſen dem nunmehro gaͤnzlich neu
erſchaffenen Orte nichts weiter im Wege. Es zeig-
te ſich zwar wohl nach und nach verſchiedenes unnuͤ-
tzes oder weiches Holz unter dem guten vermiſcht; die-
ſes konnte aber nebſt ſolchen Buchenſtaͤmmen, die von
ſtaͤrkern entweder unterdruͤckt oder untauglich gewach-
ſen wareu, nach Verfließung von funfzehn bis zwan-
zig Jahren, ſchon wieder weggenommen werden, weil
es das Lohn bezahlte. Man nennet dieſes in Nie-
derſachſen das Durchbinden, und zwar war mit ſolchem
ſo lange fortzuſetzen, als ſich verdumpftes Holz vor-
fand, wodurch man in vierzig bis funfzig Jahren
wenigſtens auf einen, im Wuchſe voͤllig gleichen,
geſun-
[11] geſunden und [untadelhaften] Buchenwald rechnen
konnte.
Gruͤnde weswegen ſie vorzuͤglicher iſt.
Die Gruͤnde dieſer verbeſſerten Forſtwirthſchaft
beſtanden eigentlich darin, daß man 1) bey Verneue-
rung eines großen Platzes der Natur alles allein uͤber-
laſſen, und nur dabey vorfallende Hinderniſſe aus dem
Wege raͤumen wollte. 2) Daß man bey ſolchen großen
Anlagen alle Koſten zu erſparen gedachte, welches auch
um ſo noͤthiger wat, da zu jenen Zeiten die gewoͤhn-
lichen Einkuͤnfte der Forſten kaum den dritten Theil
von denjenigen betrugen, was ſie anjezt einliefern.
Weitere Verbeſſerung dieſer Grundſaͤtze.
In der Folge fand man jedoch, daß dieſe bey-
den Grundſaͤtze einer weitern Verbeſſerung faͤhig,
und ſolche Verbeſſerung ohnedem nothwendig waͤre,
weil, wie ich ſchon vorher geſagt habe, der Forſtei-
genthuͤmer mit dem Wiederanbau, und mit der aus
demſelben zu hoffenden Abnutzung, gar zu lange aufge-
halten wurde. Was den erſten Satz anbetraf, ſo ſa-
hen ſie ein, daß die Natur einige Beyhuͤlfe verlange,
und daß auch im gegenwaͤrtigen Falle die von dem
Oberbaume mehrentheils ſenkrecht herabfallende Saa-
menkoͤrner, nicht hinreichend waͤren, den ganzen Ort
ziemlich gleichfoͤrmig zu beſtreuen. Man erlebte uͤber-
dem die ſchon erwaͤhnten, von den ſpaͤten Froͤſten ver-
urſachten, allgemeinen Verwuͤſtungen, man mußte
einen großen Theil des Saamens auf Voͤgel und an-
dere Thiere rechnen, welche davon ihre Nahrung hat-
ten,
[12] ten, und ihn aufſuchten, auch oͤfters entdeckte man
noch zu ſpaͤt, daß in fuͤnf bis ſechs Jahren wenige
Pflanzen aufgekommen waren, hingegen daß an ver-
ſchiedenen, nach der Ordnung der Jahre entbloͤßten
Stellen eine Sammlung von unnuͤtzen Straͤuchern,
als Himbeeren- und Brombeerenſtraͤuchern, die z. E.
Epilobium Anguſtifolium Linn. oder die ſogenannte
deutſche Seidenpflanze, daß Farnkraut, Neſſel, Di-
ſteln und dergleichen mehr, wie auch gewoͤhnliches di-
ckes Gras, uͤberhand genommen hatte, was bleibt
alſo hierbey anders als die Entſchließung uͤbrig, daß
man dieſen Uebeln vorzubauen, gleich vom erſten
Jahre des Einſchlagens an, und unablaͤßig bis da-
hin, da der ganze Raum mit geſunden Pflanzen forſt-
maͤßig bedeckt war, keine Muͤhe und Koſten erſparen
muͤſſe, um das kuͤnſtliche Ausſaͤen anzubringen; daß
man die verſchiedenen Bloͤßen ausfuͤllen, und Straͤu-
cher und Graͤſer vertilgen muͤſſe; und ſollte dieſes be-
folgt werden, ſo muͤßten, was den zweyten Satz ange-
het, eben ſo nothwendig groͤßere Koſten erfordert
werden, die man aber deswegen nicht uͤbel angewen-
det hielt, weil der kuͤnftige Vortheil ſchon im voraus
leicht zu berechnen war. Alles dieſes ſollte jedoch
noch mit der moͤglichſten Erſparung geſchehen, nur
war die Frage: Wie war dieſes am beſten und zu-
traͤglichſten einzurichten? das Pfluͤgen und Graben
ging an ſolchen Orten nicht an, weil der Boden mit
Wurzeln durchflochten war, und es blieb folglich das
Behacken uͤbrig, welches doch wiederum zu koſtbar
wurde, wenn es mit den gewoͤhnlichen ſogenannten
Radehacken und auf der ganzen Flaͤche des beſagten
Platzes geſchehen ſollte. Weniger koſtbar war es
hingegen, wenn jeder leere Platz in unſaͤglich viele klei-
ne Vierecke eingetheilet wurde, und wenn man die
daraus erſchaffenen vielen Kreuzlinien, auf einen Fuß
breit, mit Hacken umarbeiten und nachher mit Saamen
beſaͤen
[13] beſaͤen ließ. Die Wurzeln der jungen Buchſtaͤmme
koͤnnen in ſolchen lockern Boden ſogleich unter und
neben ſich greifen, welches ihren Wuchs gleich im er-
ſten Jahre vorzuͤglich befoͤrdert, und ich kenne einen
Theil einer wohlgebauten Forſt, in der man dieſe Me-
thode als die vorzuͤglichſte und beſte gewaͤhlet hat, ob
ſie wohl ein wenig koſtbarer, als die folgende iſt.
Sollten aber hin und her noch leere Plaͤtze uͤbrig blei-
ben, ſo werden ſie doch in einigen Jahren durch das
Ausbreiten der Aeſte voͤllig bedeckt werden. Will
man aber auch dieſe nicht ungenutzt laſſen, ſo beſaͤe
man ſie nach abgemaͤhten Graſe mit Birkenſaamen,
der auf dem bloßen Boden zu Pflanzen aufkei-
met. Am Ende iſt man endlich der Erſparung wegen
bey einer noch neuern Methode ſtehen geblieben, die
eine Anzahl zehn-bis zwoͤlfjaͤhriger Kinder ins Werk
richtet, wenn ein jedes unter ihnen mit einer zugeſpitz-
ten und mit einem kurzen Stiele verſehenen Hacke,
nebſt einer Schuͤrze mit Buchkoͤrnern angeſtellt wird.
Bey der Arbeit ſelbſt ſtellet man ſie reihenweiſe neben
einander, daß ſie ziemlich geſchloſſen, Fuß vor Fuß ge-
hen und bey jedem Fußtritt mit der rechten Hand eine
Oefnung in den Boden vermittelſt der Hacke hauen,
in dieſen mit der linken einige Buchkoͤrner werfen und
ſo in einer Richtung fortfahren muͤſſen, bis alle Bloͤ-
ßen, oder ſonſt mangelhafte Oerter, mit dem noͤthigen
Saamen hinlaͤnglich verſorget ſind. Nur iſt hierbey
zu merken, daß die Kinder ſo dichte neben einander ſte-
hen, daß diejenige Oefnung, welche das zur linken
Hand befindliche neben dem rechten Fuße einhauet,
von ſeinem Nachbar durch den rechten Fuß beym
Fortſchreiten auch zugetreten werde. Iſt der Saa-
men vorher durch das Werfen mit der Schaufel, mit
dem Winde, oder durch eine Waſſerprobe ausgeſucht
worden, daß nicht leicht einige taubhuͤlſige oder ſonſt
ſchadhafte Koͤrner zuruͤck bleiben, ſo kann man verſi-
chert
[14] chert ſeyn, daß ſie faſt ſaͤmmtlich auflaufen werden.
Der Boden der gemachten Oefnung giebt Fruchtbar-
keit und Feſtigkeit genug, um dem jungen Keime
Wachsthum, und den Wurzeln die Haltung zu geben.
Die Bedeckung haͤlt waͤhrend der Keimung Froſt und
Hitze, auch die aͤußern lebendigen Feinde ab, und da-
her bleibt bey dieſem Handgriffe nichts weiter, als die
gewoͤhnliche Furcht wider die ſpaͤten Froͤſte uͤbrig,
von deren einzigem, vielleicht aber noch nicht hin-
laͤnglichem Gegenmittel ich im folgenden mehr ſagen
werde.
Wenn es daher auf die Frage ankoͤmmt: Wie
ein ſchon in Beſtand geweſener Buchenort abgeholzt,
und wiederum verjuͤngert werden ſoll? ſo bleibet noch
beſtaͤndig dieſe letzte Methode eines fruͤhzeitigen Zu-
ſchlages und einer allmaͤhligen Abholzung ſo lange die
beſte, bis man durch weitere Erfahrung eine ge-
ſchwindere und zuverlaͤßigere ausgefunden haben
wird.
Die Anlegung eines neues Waldes.
Die Anlegung eines neuen Buchenwaldes findet
ſchon mehrere Schwierigkeiten, und iſt weit koſtba-
rer, giebet aber doch weit mehrere Huͤlfsmittel an die
Hand, um den vorgeſetzten Endzweck zu erhalten.
Ein dazu gewidmeter Ort, wird nicht leicht ein
anderer als ſolcher ſeyn, welcher zwar noch einige
Kennzeichen einer alten Waldung, weiter aber auch
nichts davon aufzuweiſen hat, als etwa oberhalb eini-
ge einzelne faule Baͤume, und in der Erde viele alte
Wurzeln, kurz ein ſolcher Platz welcher nur kuͤrzlich
der ungluͤcklichen allgemeinen Huͤtung entriſſen wor-
den iſt.
Bey
[15]
Bey dieſem fallen wieder zwey Fragen vor: ob
naͤmlich der Platz 1) mit Saamen oder 2) mit Pflan-
zen angebauet werden ſoll? Der Eigenthuͤmer muß
bey beyden vor allen Dingen bey ſich wohl uͤberlegen:
ob er im Stande ſey, gleich im Anfange eine ſtarke
Auslage zu wagen, um deſto zuverlaͤßiger fuͤr ſich und
ſeine Nachkommen zur kuͤnftigen Nutzung zu gelan-
gen? oder: ob er mit wenigern Koſten deſto mehr Zeit
darauf verwenden koͤnne? Das erſte bleibt allezeit das
beſte, und kann er die Groͤße dahin einſchraͤnken, daß
er jaͤhrlich nur 25 bis 50 Morgen wirklich beſtellet,
wenn er naͤmlich 500 Morgen anbauen will. Er muß
aber nach dieſen Grundſaͤtzen damit unablaͤßig ſo
lange fortfahren, bis der auserſehne Raum voͤllig
und ohne Mangel nicht nur beſetzet, ſondern auch be-
wachſen iſt.
Anbau durch den Saamen.
Bey dem Saͤen wird allerdings erfordert, daß
das Land locker und zur Einwurzelung der jungen
Pflanzen bequem gemacht wird.
Iſt der Boden nicht mit gar zu vielen Wurzeln
durchflochten, oder iſt er ſelbſt nicht gar zu ſteinigt,
daß man mit dem Pfluge und Egge darin fortkommen
kann, ſo bleibet dieſes freylich das vorzuͤglichſte, in
dem alsdenn der Saame gleichweit von einander ent-
fernt geſtreuet und unter eine gewiſſe Bedeckung ge-
bracht, auch nach Belieben mit Roggenſaamen ver-
miſcht werden kann, damit deſſen Blaͤtter und Halme
gegen die rauhen Winde und brennende Sonne den
jungen Pflanzen einigen Schutz mitzutheilen im Stan-
de ſind. Es iſt jedoch dabey wohl zu merken, daß
bey dem Abmaͤhen des Korns daſſelbe hoch, und hoͤ-
her als gewoͤhnlich abgeſchnitten werde, denn man
kann
[16] kann ſowohl Pflanzen beſchaͤdigen, als auch durch das
ploͤtzliche zu ſtarke Luftmachen den jungen Staͤmmen
Schaden zufuͤgen, und ich wuͤrde alſo das Korn nie-
mals hoͤher als zwey Fuß hoch aufwachſen laſſen, da-
mit die Pflanzen nicht zu wenig Luft und Regen haͤt-
ten. Bey unbedeckten Plaͤtzen giebt es auch keine
Hinderniſſe, ſondern vielmehr Vortheil, wenn zu-
gleich von ſelbſt verſchiedene Straͤucher mit aufwach-
ſen, und zu beſſerer Bedeckung dienen. Iſt aber der
Boden ſo beſchaffen, daß man mit dem Pfluge nicht
arbeiten kann, ſo laͤßt ſich die von mir bereits ange-
gebene Methode mit Kreuzlinien anbringen, und will
auch dieſe zu koſtbar ſcheinen, ſo bleibet abermahls
das ſchon beſchriebene Einhauen des Saamens
uͤbrig.
Wegen Mangel der noͤthigen Decke ſind jedoch
dieſe Arten der Ausſaͤung vielen Gefahren unterwor-
fen. Es gehoͤrt daher eine gepruͤfte Geduld dazu,
mit der man alle Jahre das beſchaͤdigte auszubeſſern
nicht ermuͤdet, auch ſich nicht eher mit einer neuen
Abtheilung abgiebt, als bis die erſte keiner weitern
Wartung bedarf. Das fuͤrchterlichſte Uebel von allen
ſind aber die ſpaͤten Froͤſte. Oft gehet die Frucht ei-
ner jaͤhrigen Arbeit bey dem allerſchoͤnſten Anſehen, in
einer Nacht verlohren, man muß von neuem anfan-
gen, die Koſten verneuern ſich zugleich mit, die Zei-
ten gehen fort, das dicke Gras und das hochwachſen-
de Unkraut vermehret ſich, und dieſes locket die Maͤuſe
wieder herbey. Und wird nun der Beſitzer niederge-
ſchlagen und verdrieslich, ſo verwandelt ſich nur gar
zu leicht die ſchoͤnſte Anlage in wenig Jahren in ihr
voriges nichts.
Gedan-
[17]
Gedanken uͤber die ſpaͤten Froͤſte, und wie dieſem
Uebel abzuhelfen ſey.
Man hat dieſem Uebel auf mancherley Art vorzu-
beugen geſucht, und da die Herbſtſaat die jungen Kei-
me im folgenden Fruͤhjahre gar zu zeitig herauslockte,
und ſie folglich dem Erfrieren zu fruͤhzeitig ausſetzte,
ſo verſchob man das Ausſaͤen bis zum Monat Maͤrz,
in der Abſicht, daß die zaͤrtlichen Saamenblaͤtter nicht
eher als zum Ende des Aprils oder mit dem Anfange
des May zum Vorſchein kommen ſollten; allein auch
dieſes war fuͤr unſere Gegenden noch zu fruͤh. Man
war nun wohl vor dem Erfrieren ziemlich geſichert,
hingegen fiel oͤfters ſtarke Hitze und Duͤrre zu fruͤh
ein, oder man mußte beſorgen, daß dieſe ſpaͤten Pflan-
zen nicht vor dem Eintritte des erſten Winters reif
und ſtark genug werden moͤchten. In einzelen Faͤllen
iſt indeſſen dieſer Handgrif gerathen, und mir iſt er
auch mit andern nur als das einzige Gegenmittel be-
kannt. Ob aber dieſes Verfahren in allen Jahren
und im Ganzen anzuwenden ſey? muͤſſen mehrere
Verſuche und Erfahrungen lehren, als wozu ſich
alle und jede Forſtliebhaber von ſelbſt auffordern
muͤſſen.
Anbau durch Pflanzen.
Das Pflanzen wird bey einem etwas betraͤchtli-
chen Reviere nicht fuͤglich anders, als mit jungen,
hoͤchſtens vier bis fuͤnfjaͤhrigen Staͤmmen vorzuneh-
men ſeyn. Groͤßere und aͤltere Pflanzen erfordern
gar zu vielen Aufwand und nachmahlige Wartung,
und uͤberdem ſchlagen ſie ſelten gut an. Das ſchlimm-
ſte bey ſolchen mit ſtarken Baͤumen bepflanzten Ge-
genden iſt auch noch dieſes, daß ſie ſich zwar oͤfters
Bin
[18] in den erſtern Jahren friſch und munter zeigen, in
den folgenden aber nur merklich abnehmen, und
wohl zehn bis zwoͤlf Jahr nachher abſterben, oder doch
auf beſtaͤndig ungeſtalt und von geringem Nutzen
bleiben. Zum wenigſten gehoͤren die Pflanzungen
mit großen ſtarken Staͤmmen nicht zu der hier er-
waͤhnten Abſicht, naͤmlich eine geraͤumige Wal-
dung von anſehnlichen und nutzbaren Baͤumen zu
ziehen.
Noͤthige Regeln bey dem Verpflanzen.
Bey der vorgeſchlagenen Hauptbepflanzung ſetze
ich als die erſte Regel voraus, daß an Wurzeln und
Zweigen ſo wenig als nur moͤglich, an dem Haupt-
mittelſchuſſe aber durchaus nichts abgeſchnitten wer-
den muͤſſe, und weil dieſes bey ganz jungen Pflanzen
eher als bey großen in Ausuͤbung zu bringen ſtehet, ſo
giebt dieſes vorzuͤglich einen Bewegungsgrund mit ab,
weswegen man eher junge Pflanzen waͤhlen muß.
Die zweyte Regel iſt, wenn man die Pflanzen nicht
aus Baumſchulen, ſondern aus dem wilden Holze
nehmen will, daß man ſolche niemahls aus den Di-
ckungen, ſondern da wegnehme, wo ſie ſchon der
freyen Luft gewohnt geweſen ſind, und zugleich Raum
genug gehabt haben, ſich in Wurzeln und Zweigen
auszubreiten. Duhamel in ſeinem Tractate von der
Holzſaat handelt im dritten Buche weitlaͤuftig und
ſehr ſchoͤn von den Baumſchulen, und es werden
auch ſolche bey kleinen Anlagen von gutem Nutzen
ſeyn. Er verwirft ſie aber in der Einleitung zum
vierten Buche, und beſonders in den Anweiſungen
zum Anbau großer Plaͤtze mit gutem Grunde, und
verweiſet die Unternehmer lieber zu Aushebung ihrer
Pflanzen in dem Walde. Die dritte Regel, und die
zugleich mit der erſten verbunden iſt, iſt, daß man die
Staͤm-
[19] Staͤmme, wenn es ſeyn kann, ſo auszuheben be-
muͤhet ſey, daß ſie einen guten Klumpen Erde um
ihre Wurzeln behalten, und daß man dieſe Wurzeln
ſelbſt nicht beſchaͤdige, welches bey den Buchen am
leichteſten auszuuͤben ſtehet, da ſie gewoͤhnlich keine
Pfalwurzeln treiben. Die vierte Regel beſtehet dar-
in, daß man ſie nicht weiter als hoͤchſtens 6 Fuß und
zwar im Verbande, auseinander ſetze, nachdem vor-
her die Loͤcher weit und tief genug ausgegraben und
mit lockerer Erde ausgefuͤllet ſind. Die jungen Wur-
zeln und vornehmlich die feinen Haarwurzeln koͤnnen
ſich ſogleich einſchlagen und in den erſten Jahren dar-
in deſto bequemer fortwachſen. Wer etwas mehr
Koſten daran wenden kann, der thut wohl, wenn er,
anſtatt der einzelnen Loͤcher, Kreuzlinien einer Elle
breit ausgraben laͤßt, woraus die Vortheile entſtehen,
daß nicht nur die jungen Wurzeln mehr Raum erhal-
ten, ſondern daß auch der Eigenthuͤmer ſich die Gele-
genheit erleichtert, in den folgenden beyden Jahren
das gegrabene Erdreich jaͤhrlich zur Fruͤhlingszeit und
im Herbſte von neuem auflockern zu laſſen. Will je-
mand mit dem Anbau noch ſicherer gehen, ſo kann er
auch die erwaͤhnten Kreuzlinien mit Birkenſaamen,
oder mit Buchkernen beſaͤen. Die Pflanzbuchen
werden ſchon im erſten Jahre dem Saamen einigen
Schutz verſchaffen, und in den folgenden werden die
aus dem Saamen gezogene Staͤmme jene wiederum
beſchuͤtzen helfen, ſo daß dieſe beſtaͤndig miteinander
fortwachſen werden. Man urtheilet jedoch leicht,
daß bey ſolcher gedoppelten Beſetzung, das vorher als
nuͤtzlich angeprieſene jaͤhrliche Auflockern wegfaͤllt.
Natuͤrlich kann alſo in 5 bis 6 Jahren der Aufwuchs
nicht ſehr ſchnell ſeyn, er wird aber voͤllig entſchaͤ-
diget, da man durch den doppelten Anbau mehr
Pflanzen und weit fruͤher eine vollſtaͤndige Dickung
erhaͤlt.
B 2Wenn
[20]
Wenn alle dieſe von mir ſo deutlich gemachte
Vorſchriften mit moͤglichſter Achtſamkeit beobachtet
und ausgefuͤhret werden, auch wenn man dabey die-
jenigen nicht verſaͤumet, nach der man alle Jahre
dasjenige nachbauen ſoll, was durch Zufaͤlle beſchaͤ-
diget oder verdorben iſt; ſo kann man verſichert ſeyn,
einen auf kuͤnftige Zeiten gleichfoͤrmig ausfallenden
auch durchaus nutzbaren Wald angebauet zu haben,
von welchem guten Erfolge mir Erfahrungen bekannt
ſind.
Das Ausſchneiteln wird verworfen.
Nur dem von einigen angeruͤhmten Ausſchneiteln
der jungen Staͤmme muß ich hier widerſprechen, und
das Abſtutzen ſolcher Baͤume, die zu Oberholz gezo-
gen werden ſollen, waͤre gar unbedachtſam und gehoͤ-
ret nur auf ſolche Reviere, die man zu Schlagholz
anziehet, wozu ich die Buche nie mit Nutzen gebrau-
chen kann. Duhamel iſt auch im 5ten Buche und
deſſen 5ten Kapitel S. 221. bis 223. der von Oelha-
fenſchen deutſchen Ueberſetzung gleicher Meynung,
und die Urſachen, weswegen das Ausſchneiteln
in großen Waldungen nicht anzurathen iſt, be-
ſtehen in folgenden: 1) Wo wollte der, welcher
jaͤhrlich auch nur 50 Morgen anbauen wuͤrde, und
auf ſolche Art in fuͤnf Jahren 250 Morgen zu behan-
deln haͤtte, die Zeit und die Koſten hernehmen? 2)
Die Buche leidet uͤberall das Beſchneiden nicht gern,
und ſie wird hingegen am beſten wachſen, wenn ſie
ganz rauh erſcheinet, und umher mit geſunden Blaͤt-
tern beſetzt iſt, welche ihr die beſte Nahrung zufuͤh-
ren. Da ſie auch von ſelbſt in der Mitte einen Haupt-
ſchuß machet, ſo wird dieſer gewiß nicht ausbleiben,
wenn er gleich in den erſten Jahren nicht erſcheinet.
3) Ein durch das Ausſchneiteln verwundeter und alſo
wider-
[21] widernatuͤrlich behandelter Baum, wird der Erfah-
rung nach nimmer einen reinen, geſunden und zu
Bau- und Nutzholz tuͤchtigen Saft erhalten, und
auch dieſen ohne Faͤulniß nie zu einem betraͤchtlichen
Alter kommen laſſen. 4) Iſt die Verwuͤſtung ſehr groß,
welche die Arbeiter einige Jahre hintereinander in dem
Pflanzorte durch das Zertreten und Verbiegen, durch
die Ungeſchicklichkeit der Handgriffe und der Werk-
zeuge, durch das Auf binden und Austragen des ab-
geſchnittenen Holzes u. ſ. w. verurſachen, und wer
kann verſichern, daß nicht noch andere Misbraͤuche
dabey vorgehen ſollten? 5) Die Pflanzungen werden
durch dieſes Ausſchneiteln allzu fruͤh verduͤnnet, und
die verwundete Staͤmme werden den ſcharfen Win-
den zu fruͤh ausgeſetzt, ſo wie ſie auch 6) ſchwerlich
die gehoͤrige Steifigkeit bekommen. Sie koͤnnen alſo
beym Froſte, Glatteiſe und Rauhreife ſich ſelbſt nicht
halten, ſondern ſie werden bey ſolchen Vorfaͤllen un-
fehlbar gedruͤckt und mit ihren duͤnnen und langen Gi-
pfeln oͤfters bis zur Erde gebogen werden, und 7)
ſind die bey dieſer Arbeit erforderliche Koſten uͤber-
haupt unnoͤthig. Wofern die Pflanzen nur nicht
weiter, als hoͤchſtens ſechs Fuß im Verband vonein-
ander entfernt ſtehen, ſo reichen ſie mit ihren Zweigen
in ſehr wenig Jahren gewiß zuſammen. Sie hin-
dern ſich alsdenn ſelbſt im Ausbreiten, und werden
ſich mit der Zeit ſo beengen und wechſelsweiſe
unterdruͤcken, daß alle Seitenaͤſte nach und nach
verdorren, und nach Verfließung von zwanzig bis
dreyßig Jahren ſich keine andere, als gerade, glatte
geſunde, von der Natur ſelbſt gereinigte, mit
geringen Kronen verſehene und beſtaͤndig Pyramiden-
foͤrmig bleibende hohe Baͤume zeigen werden.
B 3Uner-
[22]
Unerheblicher Einwurf gegen dieſe Art
des Anbaues.
Es moͤchten mir aber hierbey diejenigen Forſtbe-
diente, welche Sporteln zu genießen haben, den
Einwurf machen, daß bey dieſem Verfahren nur
wenig Maſt zu hoffen ſey. Wenn ſie dieſes mit einer
ernſthaften Miene ſagen, ſo moͤgen ſie ſich ſelbſt ant-
worten, da die kaum in vier bis fuͤnf Jahren einfal-
lende Buchmaſt gegen den Vortheil gar nicht in Rech-
nung gebracht werden kann, den man ſich bey einer ver-
beſſerten Anzucht, durch die Erhaltung des laͤngern, rei-
nern Nutz- und Kluftholzes verſchaffet, wobey ſie je-
doch auch ihre Gelder genießen, theils daß die Be-
nutzung der Forſt mehr auf den Vortheil des Eigen-
thuͤmers, als auf die Vermehrung der Nebengefaͤlle
gerichtet ſeyn muͤſſe, da man ohnedem annehmen kann,
daß bey einer regelmaͤßigen Wirthſchaft einem jeden
redlichen Forſtbedienten, auch außer den Sporteln, der
noͤthige Unterhalt ſchon beſtimmt iſt.
Wie die Abnutzung anzuſtellen ſey.
Die Art der Abnutzung fordert jedoch eine be-
ſondere Aufmerkſamkeit. Ich ſetze dabey zum vor-
aus, daß ein Eigenthuͤmer ſich aus den neu ange-
ſaͤeten oder angepflanzten Oertern nicht einzig und
allein ernaͤhren duͤrfe, ſondern entweder mehrere
Plaͤtze beſitze, die ihm waͤhrend der Zeit, da er dieſe
neue Anzucht ſchonen und wenig nutzen kann, das
noͤthige liefern, oder aber daß er ſeine ganze Forſt alſo
abgetheilet habe, daß er einen Diſtrikt nach dem an-
dern anbauen, durchbinden, und folglich abnutzen und zu
Gelde machen koͤnne. Iſt dieſes, ſo muß ſich ein ſolcher
Mann zuruͤckerinnern, daß bey einem auf vorbeſchriebe-
ne Art, angeſaͤeten oder angepflanzten Buchenorte die
wuͤrk-
[23] wuͤrkliche Benutzung, ob wohl im kleinen doch ſchon mit
dem funfzehenden Jahre, auch noch wohl mittelſt des ſo-
genannten Durchbindens ihren Anfang nimmt. Dieſe
Art des Abnutzens gehet alsdenn von zehn zu zehn Jah-
ren gewiß fort, und ſie vermehret ſich in ihrem Werthe
dadurch merklich, daß in der Folge ſich beſtaͤndig we-
niger unnuͤtzes Strauchwerk vorfindet, hingegen nach
und nach Stangen und Latten, Roͤhren, Sparren
und Balken, ingleichen ſchoͤne reine Klufthoͤlzer aus
ſolchen Baͤumen zu nehmen ſind, die zur Auslichtung
oder deswegen in gewiſſen Zeitraͤumen herausgenom-
men werden muͤſſen, weil ſie von ihren Nachbaren
unterdruͤcket worden ſind. Es wird auch dieſe Be-
handlung fuͤglich bis dahin ausreichen, daß nach Ver-
fließung von 150 Jahren die beſchriebene Wirthſchaft
von neuem wieder angefangen werden koͤnne, es
muͤßte denn ſeyn, daß ein Forſtverſtaͤndiger, wie
einige dafuͤr halten, bey Endigung dieſer Epoche es
nuͤtzlich faͤnde, die Buchenwaͤlder in Eichenwaͤlder,
die Laubhoͤlzer in Schwarzhoͤlzer, die harten Oerter in
weiche u. ſ. w. zu verwandeln.
Einige uͤbele Eigenſchaften der Buche.
Die Buche hat ebenfalls vor andern Baͤumen
einige uͤbele Eigenſchaften. Verwelkung der Blaͤtter,
und die Urſache dieſes Zufalles.
Dieſe ſind erſtlich in dem Zufalle, da man oͤf-
ters mitten im Sommer die Blaͤtter eines Baumes
um den dritten Theil verwelkt und duͤrre findet. Man
hat lange Zeit dieſes Uebel verſchiedenen Urſachen,
und theils der uͤbermaͤßigen Hitze, theils dem uͤber-
maͤßigen Regen zuſchreiben wollen, bis man endlich
bemerkt hat, daß kleine Wuͤrmer, aus denen zuletzt ein
ſchwarzer huͤpfender kleiner Ruͤßelkaͤfer wird, zwiſchen
den beyden Waͤnden des Blattes ihre Nahrung ſuchen
B 4und
[24] und ſie verzehren, ohne daß aͤußerlich eine merkliche
Verletzung zu ſehen iſt. Der Ritter von Linne be-
ſchreibt ihn in ſeinem Naturſyſtem unter dem Namen
Curculio Fagi.
Die zweyte uͤbele Eigenſchaft beſteht darin, daß
das Holz leicht faulet, wenn es abwechſelnder Trock-
niß und Naͤße ausgeſetzt iſt, auch daß es vor andern
leicht von Wuͤrmern angegriffen wird.
Mittel dagegen.
Da aber die Brauchbarkeit deſſelben allezeit
ſtatt hat, ſo hat die Noth die Menſchen getrieben,
durch eine Reihe von Verſuchen ein Mittel zu der Er-
haltung dieſes Holzes ausfindig zu machen, und man
muß den Englaͤndern den Ruhm dieſer Erfindung uͤber
laſſen, die auf folgende Weiſe die Probe haͤlt.
Man faͤllet die Baͤume etwa 14 Tage vor Pfing-
ſten, zu welcher Zeit der Saft am duͤnnſten und fluͤ-
ßigſten iſt, weil er ſich ſtark in die Aeſte, Blaͤtter
und Fruͤchte ergießet, und der Stamm den geringſten
Antheil daran hat. Ein ſolcher abgehauener Stamm
wird auf der Stelle in Planken oder Bretter geſchnit-
ten, und dieſe hierauf ins Waſſer gelegt, worin ſie
vier bis ſechs Wochen hindurch verbleiben muͤſſen.
Nach Verfließung dieſer Zeit werden ſie aber heraus-
genommen, durch angeſtecktes Stroh, Hobelſpaͤne
und naße Reiſer ſo lange geraͤuchert, bis ſie eine duͤn-
ne ſchwarze Rinde bekommen, und voͤllig ausge-
trocknet ehe man ſie gebrauchen will. Ihr Saft iſt
durch dieſes Verfahren verzehret, und der noch uͤbri-
ge ſo bitter gemacht, daß ihn kein Wurm vertragen
kann, und ein ſo zubereiteter Buchenſtamm wird dem-
nach hierdurch vor dem Unfall geſichert, und außer
Gefahr geſetzt. Eine noch kuͤrzere, jedoch aͤhnliche
Methode
[25] Methode haben auch die deutſchen Muͤller bey ihren
zu Kamm- und Geſchirrholze zu gebrauchenden Bu-
chen, indem ſie ſolche eine gehoͤrige Zeit auf die
Rauchkammern legen; und eben dieſen Vortheil er-
haͤlt man noch beſſer durch die ſo genannte Dampf-
maſchine, in welcher man das Holz durch das Feuer
zum Schwitzen bringet, wodurch es den Saft gaͤnz-
lich verliehret, und außerdem noch feſter und maſeri-
ger, auch in der Farbe dunkeler wird. In Braun-
ſchweig hat man die gute Veranſtaltung getroffen,
eine ſolche Maſchine in dem Hauſe eines dortigen
Tiſchlers anzulegen, in welcher ein jeder gegen geringe
Bezahlung die zu bearbeitende Staͤmme durchduͤn-
ſten laſſen kann, und dieſem Beyſpiele ſollte billig die
Obrigkeit eines jeden großen Ortes folgen.
Die Buchenſtaͤmme berſten bey dem Froſte
der Laͤnge nach auf.
Die Buchen berſten ferner drittens der Laͤnge nach
auf, und nennet man ſolche alsdenn Eiskluͤftige Baͤume.
Sie entſtehen, wenn naͤhmlich ein ſtarker Froſt, nach vor-
her gegangener warmer Witterung, einfaͤllt, nach dem
der Saft ſich ſtaͤrker zu bewegen angefangen hat. Die
aͤußere Kaͤlte ziehet die Gefaͤße zuſammen und draͤnget
den mit Luft verſehenen Saft auf eine Stelle, aus der
er ſich mit einem Schalle durch Gewalt einen Aus-
gang machet.
Die Buche ſtirbt von unten ab.
Ebenmaͤßig ſoll auch viertens ein Forſtverſtaͤndi-
ger bemerken, daß die Buche nicht von oben, ſon-
dern von unten abſtaͤndig wird, und er muß deswe-
gen auf den Fuß des Stammes ſehen, wenn er die
B 5fernere
[26] fernere Dauer beurtheilen, und ſich und andere nicht
hintergehen will. Es fallen ſolche Beurtheilungen
taͤglich vor, und der Mann verraͤth durch ſolche Un-
wiſſenheit den Mangel ſeiner Kenntniſſe, und kann
einen alten ſich erworbenen Ruhm einbuͤßen.
Ich wuͤrde auch noch einen bemerkten Zufall unter
die Uebel bey dem Anbau der Buche rechnen, wenn er
bey der genauern Unterſuchung die Probe gehalten
haͤtte, und wenn er nicht zufaͤllig waͤre. Es hat ſich
nehmlich in dieſem Sommer bey einem mit Buchen
beſaͤeten Platze hin und wieder der Umſtand ereignet,
daß junge aufgekeimte Pflanzen, die ſehr gut ſtanden,
auf einmal trocken wurden. Faßte man ein ſolches
Staͤmmchen an, ſo bemerkte man keinen Widerſtand
und man zog es aus der Erde, und fand, daß ſeine
Wurzeln durch irgend ein Inſekt abgenaget waren.
Der Wurm war jedoch nirgends anzutreffen, und
weil man den ganzen Platz nicht verderben wollte, ſo
war auch das weitere Nachſuchen beynahe unmoͤg-
lich; man ſchloß aber ſehr wahrſcheinlich, daß die
Wuͤrmer des Maykaͤfers, die Roͤſel abgebildet hat,
und die ſich hier finden ließen, dieſe Verwuͤſtungen
anrichteten, um ſo mehr, da dieſer Platz in einem
lockern vorhero in Acker beſtandenen Boden lag, und
gleich in der Naͤhe in feſterem Boden dieſer Unfall
nicht bemerket wurde.
Duͤhamel iſt in der Forſtwiſſenſchaft ein vorzuͤg-
lich guter Schriftſteller.
Endlich kann ich nicht umhin, in Betracht der
Forſtwiſſenſchaft, woran Buchen und Eichen den
groͤßten Antheil haben, nach dem Rathe anderer die
ſaͤmmtlichen Abhandlungen des Duͤhamel duͤ Mon-
ceau.
[27] ceau, vornehmlich aber allen und jeden Forſtliebha-
bern, Pflanzern und Gaͤrtnern, und insbeſondere
denen, die gleich praktiſch belehrt ſeyn wollen, weil
ſie weder Zeit noch Geſchick haben, ſich mit den
Grundwiſſenſchaften abzugeben, denjenigen Band
auf das angelegentlichſte zu empfehlen, welcher ei-
gentlich von der Holzſaat handelt, unter allen alten
und neuen unzaͤhligen Buͤchern und Schriften iſt zu-
verlaͤßig kein einziges, worin uͤberall ſo gruͤndlich, ſo
einſichtsvoll und mit ſo vieler Ordnung und Erfah-
rung gehandelt iſt, und mit welchen die Grundſaͤtze ſo
ſchoͤn verbunden worden ſind. Aus dem Tractat von
der Holzſaat ſollten Gaͤrtner und andere Pflanzer das
dritte Buch, welches von Baumſchulen redet, hin-
gegen Forſtliebhaber, Forſteigenthuͤmer und alle
Forſtbediente das fuͤnfte und ſechſte Buch, die von
theils angelegten, theils im Stande zu erhaltenden,
theils aus der Veroͤdung wieder herzuſtellenden gro-
ßen Waldungen handeln, von Wort zu Wort ſich ins
Gedaͤchtniß praͤgen, um ſich gegen ſo viele abge-
ſchmackte Vorurtheile oder uͤbertriebene Kuͤnſteleyen zu
verwahren, und ſie von ſich zu entfernen.
Nutzen.
Die Buche iſt in allen Haushaltungen als das
beſte Brennholz bekannt, weil das Feuer derſelben
eine helle Flamme giebt, und die gluͤhenden Kohlen
ihre Hitze laͤnger als andere behalten. Es iſt auch
kein Holz von ſo allgemeinen Gebrauche als dieſes.
Im Waſſer dauert es vorzuͤglich, und wird deswe-
gen insgemein zum Muͤhlenbau angewendet. Es
dienet zu verſchiedenen Arten des hoͤlzernen Hausge-
raͤthes, zu Tiſchen, Tellern, Schranken, Rollen,
Walzen, Stampfen und Preſſen, zu Axt- und Spa-
denſtielen und dergleichen mehr. Auch werden aus
jun-
[28] jungen und ſtarken Buchen gute Trag- und Schwung-
baͤume zu Kutſchen, Felgen zu Raͤdern, Axen, Deich-
ſelſtangen, Schlittenbaͤume, Roͤhren, Sparren und
Balken zu geringer Leute Wohnungen angewendet.
Duhamel giebt ferner die Art, wie man aus dem Holze
in Frankreich ſchoͤne Meſſerhefte verfertiget, folgender-
geſtalt an: Ein nemlich aus dem groben gearbeitetes
Heft wird in eine vorher heiß gemachte und mit Oehl
eingeſchmierte Form von polirten Eiſen unter eine
Preſſe gelegt, wodurch das Holz in derſelben auf
eine gewiſſe Weiſe fluͤßig wird, ſich zwiſchen den
eiſernen Blechen der Form ausdehnet, und nachher
vollkommen glatt, hart und von einer angenehmen
Farbe wird, daß man das Holz nicht fuͤr Buchenholz
erkennen kann.
Die Aſche iſt gut zur Waͤſche, und nothwendig
bey Seifen- Pottaſchſiedereyen, und Glasfabriken,
und die Spaͤne ſelbſt laͤutern den Wein.
In England werden die trocknen Blaͤtter ge-
ſammlet und daraus Matratzen in Betten verfertiget,
und dem Strohe vorgezogen, weil dieſes fruͤher dumpfig
und hart werden ſoll. Allein bey dem davon ange-
ruͤhmten Gebrauche faͤllt mir doch auch nothwendig
der Zweifel ein, ob trockne Blaͤtter nicht eher in
Staub zermalmet werden koͤnnen, als ein zaͤheres
eben ſo trocknes Stroh; von dem Gegentheile wird
uns kein Englaͤnder uͤberfuͤhren und uns unſere Stroh-
matratzen verachten lehren.
Die Frucht dienet bekanntermaaßen zur Maͤ-
ſtung des Viehes, und vorzuͤglich der Schweine, ob-
gleich das Speck, das dieſe Thiere dadurch erhalten,
nicht feſt, ſondern mehr fluͤßig iſt, welchem Uebel
jedoch ein Hauswirth, der Erfahrung nach, abhel-
fen kann, wenn er unter das Futter etwas Erbſen
oder Bohnen miſchet. Alles Federvieh und beſon-
ders
[29] ders die kalekutiſchen Huͤhner koͤnnen damit gemaͤſtet
werden. Sie giebt auch ein gutes Oehl, und erhaͤlt
man aus einem Scheffel guten Saamens vier Kannen.
Nach Duͤhamel ſoll dieſes Oehl dem Haſelnußoͤhle
gleichen. Es faͤllt dem Magen beſchwerlich, ſo lan-
ge es noch friſch iſt, doch verlieret es auch wieder
dieſe uͤble Eigenſchaft, wenn es ein Jahr lang in
wohl verwahrten ſteinernen Kruͤgen in der Erde ver-
graben geweſen. So viel bleibt demohnerachtet ge-
wiß, es nimmt jederzeit den Kopf ein, wenn es aus
Fruͤchten gepreßt wird, die man nicht reif genug ein-
geſammlet hat. Der gemeine Mann gebrauchet die-
ſes Oehl oͤfters zum Kochen, auch nimmt er an eini-
gen Orten beym Kornmangel die Fruͤchte unter das
Mehl zum Brodte.
[[30]]
Vom
nuͤtzlichen Anpflanzen
der
kleinen Ruͤſter oder Effenbaum.
Da uns in gegenwaͤrtigen Zeiten nicht nur der all-
gemeine Holzmangel in vielen weitlaͤuftigen Laͤndern
weit empfindlicher zu druͤcken anfangen will, ſondern
auch manche Arten des landwirthſchaftlichen und ſtaͤd-
tiſchen Gewerbes zu ſchmaͤlern, und die zu veredlen-
den unentbehrlichen in- oder auslaͤndiſchen Producte
ſchon ſehr vertheuren hilft, ſo hat man Urſache mit
Unterſtuͤtzung der allgemeinen Feurung, bey der
Land- und Stadtwirthſchaft einen ernſtlichern Anfang
zu machen, als es bishero geſchehen iſt. Hierzu iſt
ein Vorrath von taͤglichem Brennholze noͤthig, und
folglich gewiſſe Holzarten, welche geſchwinder als
andere wachſen, dabey mehr Holz an Scheidknuͤppel
und Reißholz hervorbringen, auch zugleich in allem
Grunde und Boden mit faſt gleichen Vortheilen ge-
zogen werden koͤnnen. Es giebt deren verſchiedene,
welche dem Landmann hin und wieder zum Anſaͤen
und Anpflanzen empfohlen werden. Der Effen-
baum,
[31]baum, Effern, oder die kleine Ruͤſterulmus minor,
die Weißbuchenruͤſter, oder vielmehr die kleinblaͤt-
trige Ruͤſter, macht eine zu dieſen Abſichten ſehr vor-
zuͤgliche Gattung aus. Sie entſtehet aus dem Saa-
men der gemeinen Ruͤſter, wie andere Abaͤnderungen
mehr, und waͤchſet ſo wohl in ſandigem trocknen, als
naſſem Mittelboden, auch in ſchweren und fetten, in
moraſtigen, flachen Ebenen um die Stroͤhme, um
die Inſeln, auch an den Bergen, zwiſchen den Fel-
ſen, wo der Baum ſeine Wurzeln ziemlich tief in die
Spalten und zwiſchen die Steine ſchlaͤget.
Es giebt bis zehnerley Ruͤſtern, die ihre Vor-
zuͤge, auch Fehler im Holze und Wachsthume zeigen,
auch ihren eigenen Grund erfordern, und zum Theil
zahme und fremde Abaͤnderungen von den Europaͤi-
ſchen oder Amerikaniſchen ſind, und durch die Saat
und das Ablegen der jungen Sproßen ſehr vermehrt
werden; von welchen in Holland, zu Hamburg und
in einigen Gegenden in beſondern Baumſchulen große
Quantitaͤten zu Luſtwaͤldern gezogen werden, aber
auch im Ernſte bey der Landwirthſchaft und verſchie-
denen Profeſſionen gute Dienſte thun. Man kennet
ſie unter dem Namen von Ilmen und Vpern Die
kleinblaͤttrige oder weißbuchen Ruͤſter, welche auch
ulmus carpi folio, ſeu cortice arboris albido genennet
wird, und ſich an Blaͤttern, wegen des Ungeziefers, rei-
ner als andere haͤlt, auch mit der Eſche faſt zugleich bluͤ-
het, iſt ihres Nutzens halber in Thuͤrungen um die Saale
und Unſtruth bekannt, und wird eben ſo ſorgfaͤltig da-
ſelbſt erzogen, als in den Ebenen der Pfalz, im Cle-
viſchen, unter Frankfurth und ſonſt am Rheinſtrome.
Man weiſet dieſer nuͤtzlichen Baumart, ihren Stand
an Wieſen, in Zaͤunen, Gaͤrten, Daͤmmen, Trif-
ten und Wegen an, auch auf vielerley entbehrlichen
Plaͤtzen in den Doͤrfern, um dieſelben und an den
Hoͤfen.
[32] Hoͤfen. Das Stammholz iſt nach den Eichen und
Erlen, beym Muͤhlen- und Waſſerbau, das beſte,
beſonders an Orten, wo das Steigen und Fallen des
Waſſers, und folglich Naͤſſe und Trockne beſtaͤndig
wechſeln. Es giebt ſtarke Nutzſtuͤcke in gewiſſen Gebaͤu-
den, wogegen jedoch noch von einigen geſprochen wird;
ob man gleich hierinnen die Erfahrung vor ſich hat. Es
wird vorzuͤglich zu Geſtellen bey Kanonen und Moͤr-
ſeln, Glocken, Stuͤhlen, zu Preſſen, Keltern, Roͤh-
ren, Pumpen und Rinnen, auch ſonſt zu feiner und
dauerhafter mancherley Stellmacher- und Tiſchlerar-
beit genommen, man hat es fein und grobjaͤhrig, und
gebraucht das erſtere auch zu Verfertigung muſikali-
ſcher Inſtrumente, und giebt ihm oft die Farbe des
Magahonyholzes, die Drechsler gebrauchen daſſelbe zu
Bechern, Schuͤſſeln und kleinem Hausgeraͤthe. Der
Baum macht ein feſteres Holz als andere ſeiner Ge-
ſchlechtsarten, und waͤchſet daher etwas langſamer
im Schafte, giebt aber ſo viel Aeſte und Zweige zum
Knuͤppel und Reißholze, als die beſte Weide und
Pappel. Man erhaͤlt weniger Schneidelholz davon,
wenn man die Staͤmme kurz abkappet, und viel,
wenn man die mit jungen Zweigen beſetzten Wipfel,
als den Wuchs des vorigen Jahres auf zwey bis drey
Fuß lang ſtehen laͤſſet. Im Schlage- oder Unter-
holze, auf Bergen und Plaͤnen giebt dieſe Ruͤſter gute
gerade Stangen, die man nach verſchiedener Nu-
tzungsabſicht, alle 9, 12, 15, 20 Jahr hauen
laͤßt. Das leicht ſpaltige Holz, dieſer Art, hat einen
recht feſten Kern, und giebt ſchoͤne braͤunliche Bret-
ter zu Dielen und ſtarke Tiſchlerarbeit, welches die
gemeine wilde Ruͤſter nicht thut.
Um nun dieſe nutzbare Ruͤſter in Menge außer
den Waldungen bald zu ziehen, wie es ſeyn muß, ſo
ſucht man zu Saamen zu kommen, um den Vorrath
zu
[33] zu einer Baumſchule auf einmahl beyſammen zu ha-
ben. Dieſer Saame iſt zu Ausgange des Juny, und
ſpaͤteſtens in der Mitte des July reif, da er in großer
Menge abfliegt, auch leicht zu ſammlen ſteht, und
kann dieſer Saame alsdenn, oder da die Baͤume die-
ſer Art, ohne eben ſonderlich gekannt zu ſeyn, ſich
einzeln unter andern befinden, die Reiſer und Schnitt-
linge davon leicht in Buͤndeln, mit Ausgang des Fe-
bruar Monats, nach andere Oerter zur Anlage verſchickt
werden. Der Saame muß gleich friſch im Schatten in
leichte und ſandige, aber etwas feuchte Erde ganz flach
gebracht werden, in welcher er bald aufgehet, daß man
noch im ſelbigen Jahre, um Michaelis ſchon eine große
Menge Saatpflanzen, einer Querhand hoch, auch
wohl ſpannenhoch haben kann, die ſich ſchon im fol-
genden Fruͤhlinge oder Herbſte in die Baumſchulen
auspflanzen laſſen. Dieſe Erziehung iſt zu ſtarken
Baumſtaͤmmen die beſte und betraͤchtlichſte, welche
man nach 10, 12 Jahren ſchon ſehr anſehnlich finden
wird. Dieſe kann man auch zum Schneideln, wie
bekannt, nach Verſchiedenheit des nahrhaften Grun-
des einrichten, oder abhauen, daß der Stamm uͤber
der Erde 4, 5, 6 Fuß hoch ſtehet, welchen man
nach und nach verſchiedene wagerecht laufende Aeſte
verſchaffet, die ſich kappen laſſen, eine große Menge
Zweige zu Reisholz tragen, und nach gewiſſen Jah-
ren zu Brennholz behauen werden. Es laſſen ſich
aber auch die Staͤmme, wenn ſie in gehoͤriger Weite
4 Fuß auseinander ſtehen, von einem ſolchen Alter,
in einem guten tragbaren Grunde, kuͤrzer abhauen,
um durch ihren Ausſchlag, welcher ſehr ſtark iſt, in
kurzer Zeit davon eine erſtaunende Vermehrung vor
die Schulen und Plantagen zu machen. Wie denn
dazu geſunde Staͤmme von einem Daumen, halben
oder ganzen Fuß ſtark, hart an der Erde weggenom-
men werden koͤnnen. Ihre Sproßen werden als-
Cdenn
[34] denn, wenn ſie dreyjaͤhrig ſind, nach Art der Wein-
reben oder Nelken eingeſchnitten, im Herbſte,
Winter oder ſonſt fruͤh im Jahre, in die Erde geleget
mit hoͤlzernen Haken befeſtiget, da ſie denn bald wur-
zeln, daß man ſie das folgende Jahr abſchneiden und
in die Baumſchule bringen kann, bis ſie die Geſtalt
und Groͤße haben, die man von ihnen, beym Pflan-
zen ſelbſt verlanget. Die uͤbrige Behandlung hier
anzufuͤhren, iſt deswegen uͤberfluͤßig, weil ſie bey
allen uͤbrigen Holzarten vorkoͤmmt und alſo bekannt iſt.
[[35]]
Gedanken
uͤber
etliche Unterſchiede des Geſchlechts bey Thieren
und Gewaͤchſen (Vegerabilia) und verſchiedenen
ſehr merklichen bey den letztern, von Zeit zu Zeit
vorfallenden Veraͤnderungen, die das Geſchlecht
betreffen.
Die Gewaͤchſe als lebendige und organiſche Ge-
ſchoͤpfe ſind wirkliche Bewohner unſerer Erde, wie
die Thiere, nur daß ſie ohne eine eigentliche thieriſche
Empfindung ſind, und keine ſolche beſondern Einge-
weide haben, welche zur Lebenserhaltung und Zube-
reitung des Nahrungsſaftes erfordert werden, wie ſie
bey den Thieren gefunden werden. Indeſſen haben
die Gewaͤchſe doch, wie nunmehr bekannt, eine ſol-
che Art der Erzeugung und der natuͤrlichen Fortpflan-
zung, die ſich auf die wirkliche Befruchtung eines im
Ey oder Saamen verborgenen Keimes gruͤndet.
C 2Dieſe
[36] Dieſe Befruchtung muß, der Vernunft und Erfahrung
zufolge, eben ſo, wie bey den Thieren, durch zwey von
einander verſchiedene Geſchlechter bewirket werden,
wenn das weſentliche des Hauptendzwecks, nicht ver-
eitelt werden ſoll. Wie nun aber die Naturwirkun-
gen zur Befruchtung, bey Thieren und Gewaͤchſen,
auf der einen Seite ungemein viele Aehnlichkeit zei-
gen, ſo giebt es hinwiederum auf der andern, ſehr
betraͤchtliche Unterſchiede, die die Gewaͤchſe vor den
Thieren, und jene wieder vor dieſen, in einigen wich-
tigen Umſtaͤnden der Befruchtung (foecundatio) recht
kenntlich machen.
Es giebt im recht eigentlichen Verſtande maͤnn-
liche Pflanzen (plantas mares) deren beſonders ge-
baute Zeugungsglieder und dazu gehoͤrige Saͤfte, wie
bey den maͤnnlichen Thieren, in dem ihnen natuͤrlich
zugehoͤrigen weiblichen Gegenſtand beſonders wirken,
und dieſen dergeſtalt befruchten, daß ſich alle diejeni-
gen Hauptfolgen in ihren weſentlichen Umſtaͤnden aͤu-
ßern, die man etwa bey der Befruchtung der weibli-
chen Thiere verhaͤltnißweiſe wahrnehmen kann. Die
zur Befruchtung der Gewaͤchſe beſonders beſtimmten
Theile, ſind uns, zuſammengenommen, unter einer
ſehr verſchiedenen Geſtalt und unter ſolchen Eigen-
ſchaften bekannt, welche wir mit einem gemeinſchaft-
lichen Namen, die Blume oder Bluͤte (florem) und
deren eigentliches Geſchaͤfte, naͤmlich das Befruch-
ten oder Bluͤhen (foecundationis negotium ſive efflore-
ſantium) zu nennen gewohnt ſind.
Die Blume macht bey allen Gewaͤchſen den
dritten Haupttheil aus, in welchem ſie ſich endlich alle
gleichſam aus ihrem innerſten entwickeln, und in wel-
chem Theil ſich endlich der Wachsthum der Augen
oder Knospen voͤllig endiget, nachdem ſie ihren aͤußer-
ſten Theil, oder die Spitze des Mardes, dem Herz-
keime
[37] keime (corculo) als dem unausgebildeten Entwurfe,
der zukuͤnftigen neuen Pflanze, in den befruchtenden
Saamen allezeit uͤberlaſſen muͤſſen: der ſich nach der
Reife von ſeiner Mutterpflanze (planta matre) endlich
trennet, abfaͤllet, und vor ſich, aus eigenen Kraͤften
des ihnen mitgetheilten Markes, ein ganz neues Wachs-
thum fortſetzet.
Dieſe Blumen, in denen ſich die (partes foecun-
dationis ſive fructificationis) Befruchtungstheile mit
allen dazu gehoͤrigen Werkzeugen allein beyſammen
befinden, und in einander wirken, machen alſo, die-
ſer ihrer einzigen weſentlichen Function halber, beſon-
ders gebaute natuͤrliche Werkſtaͤtte der Befruchtung
(officinam foecundationis naturalis) aus. Man
wuͤrde einen reichlichen Stoff haben, hieruͤber außer-
ordentlich weitlaͤuftig zu ſeyn, wenn man hier nur die-
jenigen Unterſchiede anfuͤhren wollte, die ſich bey dem
Befruchtungsgeſchaͤfte der Thiere und Gewaͤchſe aͤu-
ßern, ohne von andern Umſtaͤnden Erwaͤhnung zu
thun, die die Uebereinſtimmung mit der Befruchtung
des Eyes oder Saamens erklaͤren. Weil aber ſehr
vieles davon den Naturforſchern bereits bekannt ſeyn
ſoll oder kann, ſo will ich hier nur einige allgemeine,
andern Liebhabern der Naturbegebenheiten zu gefal-
len, in Betrachtung ziehen, welche ſo offenbar und
richtig ſie ſind, dennoch insgemein die wenigſte Auf-
merkſamkeit nach ſich ziehen. Wir wiſſen naͤmlich
aus der Erfahrung, daß mit der allmaͤhligen Entwi-
ckelung der thieriſchen Koͤrper ihre ſaͤmmtliche Theile,
folglich alſo auch ihre Geburtsglieder oder Zeugungs-
Theile, den aͤußerlichen Umſtaͤnden nach, dergeſtalt nach
und nach ausgebildet werden, als ſie naͤmlich gleich bey
der Geburt oder ihrem Ausgange aus dem Ey, in
derjenigen Geſtalt, Anzahl, Lage und Groͤße, auch
der dazu gehoͤrigen uͤbrigen natuͤrlichen Beſchaffen-
C 3heit
[38] heit zugegen ſind, ſoweit ſie dermalen in den erſten
Zeitalter der Thiere ſeyn koͤnnen und ſollen: daß man
daran das weibliche und maͤnnliche Geſchlecht wohl
unterſcheiden kann. Die Abaͤnderungen und Aus-
nahmen, die ſich bey mancherley Gattungen der klei-
nen und noch nicht voͤllig bekannt gewordenen Inſek-
ten finden, muͤſſen ihre Einſchraͤnkungen nur auf die-
ſelben haben, und aus deren noch allmaͤhlig zu uͤber-
ſtehenden Veraͤnderungen verſtanden werden.
Dieſe Bildung der thieriſchen Zeugungsglieder
gehet, ſo weit man ſie aͤußerlich erkennen kann, bis auf
einen gewiſſen Grad, und zwar lange Zeit vorher,
ehe ein Thier durch die innere voͤllige Entwickelung
aller darzu gehoͤrigen und erforderlichen Theile in den
Stand geſetzet wird, daß es durch ſelbige und in den-
ſelbigen, mit vollkommenen Kraͤften auch die zur Be-
fruchtung gehoͤrige Saͤfte abſcheiden, und durch die-
ſelben wirken kann. Dieſer nunmehrige Zuſtand
macht alsdann eine beſondere Periode aus, in wel-
cher ſich die Thiere, bey einer vorzuͤglichen naturli-
chen Lebhaftigkeit befinden. Aller Wahrſcheinlichkeit
nach richtet ſich dieſer Umſtand derſelben Periode, we-
gen der Fortpflanzung, nach der verſchiedenen Lebens-
dauer der Thiere ſelbſt: daß vielleicht unter andern
ein großer Theil derſelben, vorher mehrere oder we-
nigere Jahre dazu noͤthig hat, um die innern Theile
der Zeugungsglieder gehoͤrig zu entwickeln, damit der
Koͤrper nach ſeiner Ausbildung die noͤthigen Kraͤfte
erhalten kann, die zur Befruchtung dienlichen Mate-
rien aus ſich ſelbſt hervorzubringen, abzuſcheiden,
und dadurch in ſeinem Gegenſtande denjenigen uns
noch ſehr unvollkommen bekannten Reiz zu bewirken,
von welchem wir hernach an den weiblichen Thieren
die betraͤchtlichſten Folgen wahrnehmen. Dennoch
kann man ſich auch den Zuſtand derjenigen Thiere
vor-
[39] vorſtellen, welche eine kurze Zeit leben, die ſich auf 2,
3, 8 bis 12 Jahre, oder nur auf ſo viele Monathe,
Wochen oder nur gar auf 24 Stunden erſtreckt, in
welcher ſie ihr Fortpflanzungsgeſchaͤfte zeitiger, ſpaͤ-
ter oder ſparſamer, auch wohl nur ein einziges mahl
zu Stande dringen, ehe ſie vergehen.
Hierzu koͤmmt noch der zweyte Umſtand, der ſich
wegen der ſchon erwaͤhnten obwaltenden großen Ver-
ſchiedenheit, zwiſchen einem ſehr großen Theile der
Thiere und Gewaͤchſe aͤußert, auch eine beſondere
Betrachtung verdienet. Er iſt eben ſo offenbar als
gemein! Es moͤgen naͤmlich alle Thiere beſchaffen
ſeyn, wie ſie wollen, wenn ſie einmahl aus ihrem Ey
kommen, und ohne weitere Verwandlungsart ihre
Zeugungsglieder mitbringen, ſo behalten ſie dieſe ihre
einmal entwickelte Zeugungswerkzeuge auch beſtaͤndig,
ohne ſie jaͤhrlich abzuwerfen, oder ſonſt zu erneuern:
ſie moͤgen nun ihre Begattung nur ein oder mehrere
mahle vornehmen und aushalten, und dabey ſehr
lange fruchtbar bleiben, oder nach den erſten Jahren
untauglich werden. Die Erinnerung dieſes Umſtan-
des kann ſolchen Leuten in der That ſehr uͤberfluͤßig
ſcheinen, welche den Bau und Nutzen der Blumen
nicht verſtehen, und alſo dieſe vor diejenigen Werk-
zeuge nicht anſahen, die ſie wirklich ſind. Die Na-
turforſcher hingegen, wiſſen von dieſer natuͤrlichen
Zeugungsordnung, daß die Werkſtatt der Befruch-
tung, bey denen und zwar allen und jeden, von jeher
bekannt gewordenen Gewaͤchſen, ihr Geſchaͤfte nur
ein einziges mahl aushalten kann, und alſo jaͤhrlich
zu jeder neuen Befruchtung auch von neuem hervor-
gebracht werden muß. Denn niemals hat jemand
geſehen, daß eine oder eben dieſelbe Blume in den
Gewaͤchſen ſtehen geblieben, und zum zweyten, drit-
ten und vierten mahle Frucht gebracht habe.
C 4Die
[40]
Die Gewaͤchſe, ſo viel uns naͤmlich von denjeni-
gen ſehr anſehnlichen Theilen derſelben wiſſend iſt, de-
ren regelmaͤßigen Bau wir durch unſere Sinne unter-
ſcheiden und verſtehen koͤnnen, entwickeln ſich endlich
nach mancherley uͤberſtandenen Veraͤnderungen, zu-
letzt aus ihrem innern in die Bluͤte, wie die Inſekten,
wie anfangs davon gedacht worden iſt. Sie muͤſſen
aber dazu ein gewiſſes beſtimmtes Alter erreichen, wobey
ſie ſich in einem ſolchen Zuſtande befinden, welcher ihrer
Lebensdauer zugleich mit angemeſſen iſt. Denn nie-
mals erſcheinet eine Pflanze gleich anfangs, oder im
allererſten Zeitalter, in ihrer rechten oder voͤlligen Ge-
ſtalt, wenn ſie wie die Thiere, aus ihrem Ey oder
Saamen zuerſt hervor koͤmmt, ſondern ſie wird nur
allmaͤhlig entwickelt, daß ſie in den Stand koͤmmt,
ihre Bluͤte zuletzt zu erzeugen, die noch dazu das erſte
oder zweytemahl dennoch nicht fruchtbar zu werden
Faͤhigkeit genug hat, ſondern mit dem Aufbluͤhen auch
zugleich abfaͤllet. Es laͤßt ſich alſo der Unterſchied
des Maͤnnlichen, des Weiblichen oder des Zwitter-
geſchlechts niemals an den jungen Gewaͤchſen, wie
etwa bey den neugebohrnen Thieren, gleich anfangs
erkennen, zu geſchweige, daß man ihnen ihren eige-
nen Namen ſchon geben koͤnnte, ehe man ihre Bluͤte
abgewartet und unterſucht hat; die uͤbrigen Merkzei-
chen, die man ſich durch viele Erfahrung hierinnen
machen kann, ſind allezeit unſicher und unbeſtaͤndig.
Die Wichtigkeit dieſes Umſtandes, zeiget ſich ſowohl
in phyſikaliſchen als oͤkonomiſch praktiſchen Abſich-
ten haͤufig genug. Es koͤnnen uns hier folgende Ge-
waͤchſe zum Beweiſe dienen, bey welchen ſehr daran
gelegen ſeyn muß, auch nur wegen ihrer Vermehrung
und eines ſtarken Gebrauches in der Wirthſchaft, den
Unterſchied des Geſchlechtes und der Bluͤte, ſobald
als moͤglich zu wiſſen, um die erforderlichen Anſtalten
darnach zu machen. Statt vieler andern wollen wir
hier
[41] hier nur etliche von ſolchen Gattungen anfuͤhren, de-
ren maͤnnliche und weibliche Bluͤten in zwey voͤllig
von einander abgeſonderten Pflanzen aus einem Saa-
men hervorkommen. Dioicaea als die Arten des
Wachholders Iuniperi, der Weiden Salicis, der Pap-
peln Populi, des Wachßſtrauches Myricae, des Wei-
dendorns Hippohae, Piſtanienbaumes Pistaciae, Ho-
pfens Humuli, Ibenbaumes Taxi, Melonenbaumes
Caricae, und andern, die wir bey gewiſſen Umſtaͤnden
nicht entbehren koͤnnen, wozu aus gleichem Grunde
noch andere Gewaͤchſe gerechnet werden, welche einer
und ebenderſelben Pflanze, auf verſchiedenen Zwei-
gen, außer den zum Theil fruchtbaren Zwitterblumen,
noch maͤnnliche oder weibliche erzeugen (plantae po-
ligamae) auch wohl noch dazu gehoͤrige, beſondere
maͤnnliche oder weibliche Pflanz[e]n haben: Derglei-
chen ſind etliche Palmenarten Phaenix, Chamaerops,
Coccos, Areta, Caryota, der Eſchbaum Fraxinus,
Perſimon Dioſpirus, Johannisbrodbaum Ceraelonia,
Maulbeerbaum Morus, Ahornbaum Acer, und der
Kreuzdorn Rhamnus. Etliche Arten unter den hier
angefuͤhrten Gewaͤchſen, bringen ihre beſondere Blu-
menzapfen v. Amenta ſ. Iulos. Derjenige Zeitpunkt,
in welchem ſich die jungen Pflanzen anfangen, in ihrer
Bluͤte zu entwickeln, von deren Gattungen man
ſonſt ſchon gewohnt iſt, daß ſie entweder Zwitterbluͤ-
ten, oder Maͤnnliche oder Weibliche tragen, die
bald fruchtbare ſind, bald unfruchtbare oder blin-
de, hat die Botaniſten, nach Anzeige ihrer
Schriften, ſchon mehr als zu oft hintergangen,
daß ſie ſich in Beſtimmung der Geſchlechter geirret,
uͤbereilet, und die Pflanzen unter ſolche Claſſen oder
Ordnungen gebracht haben, aus denen ſie ſelbige
bald hernach wieder ausſtreichen, und unter andere
bringen muͤſſen.
C 5Wenn
[42]
Wenn ſich nun die Gewaͤchſe endlich einmal in
der Bluͤte entwickeln, und alſo ihre Befruchtungs-
werkzeuge hervorgebracht haben, ſo ſind dieſe zarte
Theile gar nicht von der Eigenſchaft und Dauer, wie
bey den Thieren, daß ſie nehmlich ihr Fortpflanzungs-
Geſchaͤfte mehr als einmal vollbringen koͤnnten, ſie fallen
vielmehr zum Theil mit der uͤbrigen Bluͤte, zum Theil
mit der halb reifen oder ganz reifen Frucht ab, oder
ſie vergehen doch ſonſt auf eine andere Art. Dagegen
bringet jedes Gewaͤchſe, zu einer jeden einzelnen Be-
fruchtung, jaͤhrlich dieſe Theile ganz von neuem wie-
der hervor, wovon das Gegentheil bey denen Thieren
ſatſam bekannt iſt. Wie aber von allen Arten der
Thiere, alſo auch die groͤßten, ein jedes einzelne Stuͤck
nur die zu einer einzelnen aber beſtaͤndigen und dauer-
haften Erzeugungswerckſtaͤtte (unica atque ſingularis
foecundationis officina) gehoͤrigen Theile allein unterhaͤlt,
ſo bringen einzelne Gewaͤchſe hingegen oͤfters jaͤhrlich
eine erſtaunende Menge von einzelnen Blumen. Die
Urſache davon ſcheinet nicht ſo ſchwer zu errathen zu
ſeyn, da ihre Fruchtbarkeit unendlich vielmahl groͤßer
ſeyn muß, als der Thiere, die ſich von den Gewaͤch-
ſen naͤhren, oder ſie doch ſonſt zu einem gewiſſen Ge-
brauch noͤthig haben.
Alle Gattungen von Gewaͤchſen, welche zugleich
mehr als ein Blumengeſchlecht, in zwey von einander
abgeſonderten Bluͤten hervorbringen, dieſe zeugen im
erſten Anfange, nicht immer beyderley Bluͤte zu-
gleich, wie ſie bey zunehmendem Alter und mehrerer
Staͤrke thun. In ſolchem Falle laſſen ſie uns, gedachte
Zeit uͤber, in einiger Ungewißheit, daß wir uns
nicht anders helfen koͤnnen, als wenn wir wohl un-
terſuchen, ob eine Pflanze noch ſehr ſchwach, erſt
angehend, oder jung ſey, folglich nur erſt fruchtbar
zu werden anfange, und ſeine Bluͤte das erſte oder
zweyte
[43] zweyte mahl trage! Dieſer Zuſtand wird uns beleh-
ren, ob wir etwas hierinnen beſtimmen koͤnnen, oder
die Beſtimmung weiter verſchieben ſollen. Denn un-
ter ſolchen Pflanzen, welche etwa eine Maͤnnliche von
der Weiblichen, bloß durch die Lage und den Sitz
auf verſchiedenen Zweigen abgeſonderte Bluͤte brin-
gen, wie etwa der Haſelſtrauch Corylus und der Wal-
nußbaum Fuylans, wenn einer von beyden die erſte
Bluͤte traͤgt, ſo findet man nicht immer die erſte
Zeit daran, eine Maͤnnliche und Weibliche zugleich,
daß man daraus erkennen koͤnnte, was er ſey, und
in welche natuͤrliche Ordnung v. gr. im Linneiſchen
Syſtem er gehoͤre, ſondern mit der Zeit kommen erſt
beyde Arten dieſer Blumen zugleich zum Vorſchein.
Es trift ſich ſogar bey dem Walnußbaume, in
gewiſſen Jahren zuweilen, daß er ſehr haͤufig Maͤnn-
liche, aber ſehr wenig Weibliche Bluͤte traͤgt, oder
auch eine erſtaunende Menge von Weiblichen, ohne
eine einzige Maͤnnliche zu haben: in welchem Falle
die Inſecten, als beſondere Diener der Natur, bey
dieſem Geſchaͤfte, das befruchtende Blumenmehl von
andern Nußbaͤumen in der Naͤhe haͤufig zufuͤhren.
Dieſes Beyſpiel habe ich nicht nur oͤfters vor mir ge-
habt, ſondern noch in dieſem Jahre an einem zwan-
zigjaͤhrigen Baume, in der Naͤhe ſehr genau beob-
achten koͤnnen. Ein in der Sache unerfahrner,
koͤnnte leicht auf die Gedanken gerathen, als ob es
außer dem bekannten Wallnußbaume und Haſelſtaude,
noch andere davon abgeſonderte Maͤnnliche oder
Weibliche gebe! Denn es koͤnnte auch ſeyn, daß ſie
zu einer beſonders vermiſchten oder zwitterbluͤmigen
Gattung gehoͤrten, dergleichen das Ahorn Acer und
Creuzdorngeſchlechte Rhamni enthalten, und bey dem
Johannisbrodbaume Ceradonia nunmehro auch ent-
deckt worden ſind.
Man
[44]
Man wird hieraus nicht undeutlich erſehen, wie
behutſam der Gebrauch eines Herbarii vivi, in Ab-
ſicht der fremden und noch unbekannten Gewaͤchſe
ſeyn muͤſſe, worauf die Botaniſten ihre voreiligen
Beſtimmungen ohne weitere Betrachtung, ſo oft zu
gruͤnden pflegen. Es bleibet indeſſen immer noch die
Frage uͤbrig, was hierbey die verſchiedene Lage und
ein uͤberfluͤßiger oder ſparſamer Nahrungsſaft unter
verſchiedenen Himmelsſtrichen zu thun im Stande
ſey? ob ferner nicht die Blumen aller Pflanzen ſich
daſelbſt in wuͤrkliche fruchtbare Zwitterblumen ent-
wickeln koͤnnen, welche in andern Gegenden nur
Maͤnnlich oder Weiblich gefunden werden: als wo-
von wir in neuern Zeiten die Entdeckungen bereits vor
uns haben. Wie denn ebenfalls noch weiter zu un-
terſuchen ſtuͤnde, ob ſolche Gewaͤchſe, welche bey
uns nur eine ſolche ſogenannte weibliche Zwitterbluͤte
tragen (planta floribus hermaphroditis foemineis) und
deshalben zu ihrer Befruchtung einer andern Maͤnn-
lichen ſchlechterdings von noͤthen haben, in andern
Himmelsſtrichen ſich nicht in fruchtbare Zwitterbluͤ-
ten (flos hermaphroditus foecundus) zuweilen entwi-
ckeln, denn die Staubtraͤger (ſilamenta) und Staub-
huͤlſen (Antherae) ſind ſchon gegenwaͤrtig in denen
(Floribus hermaphroditis foemineis) daß das dar-
innen befindliche Staubmehl nur noch allein ordent-
lich zur Befruchtung ausgebildet ſeyn duͤrfte. Ohner-
achtet der Richtigkeit alles deſſen, was kurz vorher
iſt angefuͤhret worden, und ſich wohl ohne allen Wi-
derſpruch behaupten, als auch aus der Erfahrung zum
Theil ſo gar darthun laͤſſet, ſo geben doch alle uͤbrige Um-
ſtaͤnde zuſammengenommen, daß die Befruchtungsord-
nung bey den Gewaͤchſen eben ſo gewiß und allgemein
ſey, als bey den Thieren, und daß in beyderley Natur-
reichen, außer denen, einem jeden insbeſondere zu-
kommenden Einſchraͤnkungen, ungemein viele Aehn-
lichkeit
[45] lichkeit herrſche. Die Maͤnnlichen Thiere ſind von
den Weiblichen beſtaͤndig verſchieden, und beyde be-
treiben das Geſchaͤfte der Fortpflanzung. Ganz voll-
kommene, oder ſogenannte komplete Zwitterthiere
ſind nur ſelten, die fehlerhaften und unvollkommenen
hingegen deſto haͤufiger anzutreffen, da die Abwei-
chung von der natuͤrlichen Bildung der aͤußerlichen
und innerlichen Zeugungsglieder zu mannigfaͤltig iſt;
daß man denn bey naͤherer Unterſuchung, bald nur
den einen Theil gleichſam deliniret, den andern hin-
gegen nur zur Fortpflanzung tauglich findet: oͤfters
aber keinen von beyden. Wie nun dergleichen Aus-
bildungen unter die offenbar fehlerhaften gehoͤren, ſo
iſt die Monſtroſitaͤt der Zeugungsglieder, wenn ſie
zumahl einen Zwitter vorſtellen ſollen, zuweilen der-
maßen undeutlich, verworren und verkehrt, daß die
wahren Unterſcheidungszeichen des Geſchlechtes bey-
nah zu fehlen anfangen.
Der groͤßte Theil von Gewaͤchſen hingegen be-
ſtehet aus Pflanzen, welche fruchtbare und komplete
Zwitterblumen tragen, das iſt ſolche, wobey die
Maͤnnlichen und Weiblichen Zeugungstheile inner-
halb einer gemeinſchaftlichen und deckenden Einfaſ-
ſung dergeſtalt und allemahl mit einander verbunden
ſind, daß ſie ſich, ohne alle Hinderniſſe beruͤhren, und
alſo befruchten koͤnnen. Eine weit geringere Anzahl
gegen die erſtern, beſtehet in ſolchen ſogenannten
Zwitterpflanzen (Plantae androgynae) welche nem-
lich auf verſchiedenen Zweigen die maͤnnliche oder
weibliche Bluͤte abgeſondert von einander herfuͤr-
bringen. Eine dritte Art von Gewaͤchſen bringet
Zwitterbluͤten und maͤnnliche und weibliche ver-
miſcht, und zuweilen in ganz von einander abgeſon-
derten Pflanzen noch uͤber eine maͤnnliche oder weib-
liche Bluͤte: Da aber hierbey weder etwas uͤber-
fluͤßiges, noch vergebliches oder unvollkommenes herr-
ſchet
[46] ſchet, ſo hat der eben angezeigte Unterſchied der Ge-
ſchlechter, ſeine ſichere Beziehung des einen, auf
die Unfruchtbarkeit des andern Theiles von Blumen:
wie denn bald der maͤnnliche, bald der weibliche nicht
voͤllig bis zur Befruchtung entwickelt gefunden wird.
Sonſt giebt es noch einige Geſchlechter, deren natuͤr-
liche Gattungen aus beſondern maͤnnlichen und weib-
lichen Pflanzen beſtehen (plantae dioicae) wie von
den Thieren ſchon geſagt worden iſt, welche aber im
Gewaͤchsreiche die kleinſte Anzahl gegen die vorigen
ausmachen.
Nun aber gehoͤret zur richtigen Beurtheilung
aller ſolcher Unterſchiede, eine ſichere Erkenntniß,
die ſich auf langwierige Erfahrungen gruͤndet, und
von einer blinden Liebe zerſtoͤhret wird, die uns etwa
an gewiſſe Syſteme, Meiſter, oder deren Anſehn
und Freundſchaft auf eine ſclaviſche Weiſe bindet;
daß wir alſo nicht ſagen duͤrfen, was wir wuͤrklich ſe-
hen, ſondern vielmehr Meinungen gleichſam nach be-
ten muͤſſen, von deren Gewißheit wir noch nicht
uͤberzeugt ſind. Denn bey Unterſuchung der maͤnnli-
lichen und weiblichen Bluͤten, muß man zu unter-
ſcheiden wohl verſtehen, ob ſolche natuͤrlich ſind oder
ob ſie durch Fehler der Ausbildung dergleichen gewor-
den, wie es unter andern bey den wuchernden oder
verſtuͤmmelten Blumen geſchiehet, auch ſonſt bey de-
nen zuſammengeſetzten Blumen (floribus aggregatis)
vornehmlich wegen der Menge oder Groͤße auf einem
allzu engen und eingeſchraͤnkten Blumenſtuhle (thala-
mo) und des mangelnden Nahrungsſaftes halber,
allerdings geſchehen kann. Wie bald aͤndert ſich
nicht die Direction der feinen und mardigen Faſern in
den zarteſten Blumentheilen bey der Ausbildung, und
wie leicht wird nicht das Ausdehnen (Directio) der wei-
chen markigen Fortſatze (procesſus medullares) ge-
hemmet,
[47] hemmet, daß ſie an ihren aͤußerſten Spitzen etwas
haͤrter werden.
Man unterſcheide daher bey der Unterſuchung
insbeſondre, gewiſſe natuͤrliche Pflanzen Geſchlech-
ter und Ordnungen, von denen Syſtemate ſexuali
ſogenannten Syngeneſisten, nebſt den (gramminibus,
monoicis, dioicis und polygamis! aus welchen allen,
wenn man nach der Gruͤndlichkeit und Wahrheit
handeln wollte, aller Regeln ungeachtet, die man,
um dieſe noch zur Zeit ſehr unbeſtimmte Umſtaͤnde zu
decken, der Unordnung vorzubeugen, und das noch zur
Zeit ſo beliebte (Syſtema ſexuale plantarum) auf-
recht zu erhalten, denen Lehrlingen insgemein zu ge-
ben pfleget, verſchiedene Geſchlechter voͤllig ausge-
ſtrichen, und unter die Claſſe der zwitterbluͤmigen
(hermaphroditicarum) gebracht werden muͤſſen: ſo
wie im Gegentheil aus den Letztern, mit allem Rechte
uͤbergehen wuͤrden.
Denn ſo wie der Mangel und die Verſtuͤmme-
lung an den Staubfaden und Staubhuͤlſen (defectus,
et anthere cum ſilamentis mutitatae) in vielen Blumen
nur erwehnten Pflanzengeſchlechter, Ordnungen und
Claſſen bereits erwieſen, und ſogar ſelbſt bey dem
Charakter der Pflanzengeſchlechter angewendet wor-
den iſt, eben ſo iſt im Gegentheil die Zerſtoͤhrung
der Faſern bey der Ausbildung der Blumen und gan-
zer Buͤſchel von Blumen bekannt genug. Hierinnen
kann uns das Exempel der Zea Linnaei ſtatt aller zur
Erlaͤuterung dienen, welche neue Planta monoica
und dem ohnerachtet eine ſo anmerkliche und außeror-
dentliche unnatuͤrliche Zerſtreuung und Vermiſchung,
der ſonſt voͤllig natuͤrlicherweiſe von einander abgeſon-
derten maͤnnlichen und weiblichen Bluͤten zeiget, die
man ſonſt an dergleichen Arten, nicht leicht vermuthen
ſollte, wie ſie doch wirklich gefunden wird.
Endlich
[48]
Endlich muß hier gehoͤriges Ortes noch eines
Umſtandes Erwehnung geſchehen, welcher, da er
zuweilen uͤberſehen worden, unter den Naturforſchen-
den Gelegenheit zu Vorwuͤrfen, Widerſpruͤchen und
Irrungen gegeben hat, und folglich wegen richtiger
Beurtheilung der Bluͤte bey maͤnnlichen und weibli-
chen Pflanzenarten, einzelne Blumen ganz verſteckt,
die man darunter nicht ſuchen wuͤrde: nehmlich eine
maͤnnliche Pflanze, hat etliche wenige weibliche, und
eine weibliche, einzelne maͤnnliche mit hervor, davon
man beym erſten Anſehen nichts daran gewahr wird.
Hierunter ſcheinet eine beſondere natuͤrliche Vorſorge
verborgen zu ſeyn, und man wird daraus erſehen,
warum zuweilen an den maͤnnlichen Pflanzen etliche
Saamen entſtehen, und warum die weibliche ihre
Saamen dennoch zur Vollkommenheit bringet, wenn
man an gewiſſen Orten keinen maͤnnlichen Gegenſtand
weit und breit entdecken koͤnne.
Alle Arten der Bluͤten, von welchen im Vor-
hergehenden die Rede geweſen iſt, ſie moͤgen nun ein-
fache, oder aus dieſen weiter zuſammengeſetzte ſeyn,
und mit einem Geſchlechte zu ihrer Befruchtung und
Fortpflanzung verſehen ſeyn, mit welchem ſie wollen,
ſo behalten ſie doch, nach natuͤrlichen Umſtaͤnden, in
Anſehung dieſes Geſchlechtes, eine ſichere Ordnung,
die dermaßen beſtaͤndig iſt, daß keine Pflanze ihr
Geſchlecht wirklich verwechſelt, und daß alſo eine
weibliche Pflanze, wenn ſie es wirklich iſt, ſich nie-
mahl in eine maͤnnliche verwandelt, ohngeachtet ſie
ihre zur Befruchtung gehoͤrige Theile zu gewiſſer Zeit
abwirft, und jaͤhrlich verneuert: welches Letztere,
wie ſchon geſagt, bey den Thieren im Gegentheil
ſtatt findet. Ohne indeſſen dieſe beſondere Weiſe,
die Wichtigkeit und die beſondere Nothwendigkeit der
Unterhaltung aller Geſchlechtsarten und der Thiere
zu uͤberlegen, die die Natur in ihrer großen Haushal-
tung
[49] tung, durch die Beſtimmung des Keimes im Ey oder
Saamen gleichſam auf ewig gegruͤndet hat, in welche
nehmlich ein Theil des bildenden oder befruchtenden
Markes, und zwar eben desjenigen Markes, durch
den Saamen, mit den darzu gehoͤrigen tingirenden
Saͤften, von derjenigen Pflanzen- oder Thierart, die
ſchon vor 1000 oder mehr Jahren gelebet hat, in alle
nachfolgenden ohne Verminderung hat uͤbergebracht
werden muͤſſen, ohne die Wichtigkeit dieſer Um-
ſtaͤnde zu uͤberlegen, ſage ich, haben ſich etliche ein-
fallen laſſen, im Ernſte zu behaupten, daß Thiere
und Pflanzen ihr Geſchlechte mit ſammt der Ge-
ſchlechtsart veraͤndern koͤnnten, auch wirklich veraͤn-
derten. Vom Anſchein, widernatuͤrlichen Ausbildun-
gen, Mißgewaͤchſen und falſchen Erfahrungen hin-
tergangen, wollen ſie ihre Meinung durch das Exem-
pel der Weiden (Palices) beſonders unterſtuͤtzen, auf
deren Veraͤnderungen, die ſonſt an ſich ſehr groß ſind,
und faſt bis ins unendliche gehen, ſcheinen indeſſen
ſehr wenige aufmerkſam geweſen zu ſeyn! zum Theil
haben ſie das, was ſie geſehen, wenig verſtanden,
und davon eine verkehrte Erklaͤrung gegeben.
Das Thier- und Pflanzenreich zeiget hin und
wieder in gewiſſen Claſſen, Ordnungen und Geſchlech-
tern mehr oder weniger Mißgewaͤchſe, die aber als
Zufaͤlle unbeſtaͤndig ſind, abwechſeln, und dabey ſehr
bald erkannt werden, wenn im Pflanzenreiche unter
andern der Blumenbau, durch außerordentliche Ver-
mehrung oder Verminderung einiger Haupttheile, von
dem natuͤrlichen dermaßen abweicht, daß ſie zu ſol-
chen Mißgewaͤchſen werden, durch die der weſentli-
che Endzweck der Fortpflanzung einigermaaßen mehr
oder weniger vereitelt, oder ganz und gar vernichtet
wird. Vielleicht hat dasjenige, wovon im vorher-
gehenden, von einigen ganz jungen Baum- oder
Straucharten, wegen des Zeitpunktes die Rede ge-
Dweſen
[50] weſen iſt, in welchen ſie zu bluͤhen und fruchtbar zu
werden anfangen, zu dieſem Irrthume Gelegenheit
gegeben, daß man aus der Verſchiedenheit der unvoll-
ſtaͤndigen Bluͤte geſchloſſen, als wenn einige Ge-
ſchlechtsarten ihr Geſchlecht wirklich veraͤndert haͤtten.
Allein wie kann man nicht ſelbſt durch einen einzelnen
und unvermerkten Anflug der jungen Saamenpflan-
zen hintergangen werden, die unter einander ſtehen,
und kurz nach einander in dicken Geſtraͤuchen anfangen
zu bluͤhen, welches etliche mahl abgehauen worden,
und aus denen ganz regelmaͤßig untereinander gelau-
fenen Wurzeln wieder ausſchlaͤget: wenn man nicht
gewiß verſichert iſt, man habe nur einen einzelnen
Stamm vor ſich, deſſen Bluͤthe man verſchiedene
Jahre nach einander genauer betrachten kann.
Die Gattungen der Weiden, die ſich durch eine,
faſt ausſchweifende Vermehrung, ihres abfliegenden
wolligten Saamens, und einer beſtaͤndigen Unter-
haltung durch Saͤtzlinge, Straͤucher und Stoͤcke faſt
unkenntlich gemacht haben, ſind noch zur Zeit mit
wenig Genauigkeit unterſucht. Der Herr von Linne
hat 39 Gattungen davon angegeben, davon ſich aber
ein Theil wieder einſchalten laͤſſet. Alle Gattungen,
die bey uns wachſen, bringen, ſo viel man weiß,
maͤnnliche und weibliche Blumen, die von einander
voͤllig abgeſondert ſind. Bey den maͤnnlichen iſt die
Zahl der Staubtraͤger ſehr verſchieden, ſie wechſelt
von 1, 2, 3, 4, 5 bis 6, bleibt aber bey etlichen
ungewiß.
Herr Scopoli Flor. Carniol. ed 2. giebt unter
den rauch- und breitblaͤttrigen Weiden, die wir hier
im Lande Werft, Sohl- oder Sahlweiden auch Felber
nennen, eine Salicem hybridam an, mit langen ein-
zelnen Staubfaden, welche von einander bis zur Haͤlfte
geſpalten ſind, und ihre beyden Staubhuͤlſen haben.
Der
[51] Der Herr von Linné Spec. Planta 262. No. 10.
fuͤhret eine ſehr ſchoͤne Weidenart mit glatten und
zackigten Blaͤttern an, welche zwitterbluͤmige Blu-
menzapfen (Amenta) haben ſoll, uͤbrigens aber eine
beſondere Aehnlichkeit mit ſeiner Salice pentandra
oder Laurea hat, welches letztere unſer vortreflicher
Lorberbaum oder Baumwollenweide iſt. Wer die
Weide verſchiedene Jahre mit Aufmerkſamkeit be-
trachtet hat, wird ohne mein Erinnern bemerkt ha-
ben, daß ſie ſehr geneigt iſt, ihre Geſtalt zu veraͤn-
dern, als wozu die vielen Saamenweiden das
meiſte thun: wozu auch noch die großen Abwechſelun-
gen kommen, die aus dem vielfaͤltigen Auftragen des
Blumenmehles, durch die Bienen und andern In-
ſekten vom April an, bis im Brachmonat, jaͤhrlich ent-
ſtehen muͤſſen, die bis ins unkenntliche gehen.
Seit drey Jahren, da ich mir vornahm, auf
die Unterſuchung der Weidenarten einigen Fleiß zu
verwenden, habe ich bey oͤfterer Beſichtigung der
Baumwollenweide (Salix pentandra) und einer Mit-
telgattung, die ich der Beſchreibung nach, mit keiner
beſſer, als mit der zwitterbluͤmigen des Herrn von
Linné vergleichen kann, an den weiblichen Blumen-
zapfen bemerkt, daß manche darunter viel laͤnger und
duͤnner als andere waren. Sie hatten zwar abge-
bluͤhet, doch nur in ſo weit, daß ich die Ueberbleib-
ſel, der zwiſchen den nunmehro ſchon verwandelten
Staubwegen (pistillis) noch ſtehenden Staubfaden,
als etwas ganz unerwartetes ſehr gut wahrnehmen
konnte. Kurz vorher fand ich dieſe Erſcheinung an
einzelnen weiblichen Blumenzapfen, bey unſerer Fi-
ſcherweide (Salix viminalis), da eben einer meiner
fleißigſten Discipeln, Herr Steidel, der ſich unter den
Straͤuchern der gemeinen Abaͤnderung, des kleinen
rauhen Werftes (Salix caprea), maͤnnliche und weib-
D 2liche
[52] liche Blumen von einer Gattung zu verſchaffen ſuchte,
an ihren Bluͤtezapfen, eine ungleiche und ganz un-
gewoͤhnliche Vermiſchung von maͤnnlichen und weib-
lichen Blumentheilen wahrnahm, die er mir zu wei-
terer Unterſuchung ſogleich brachte. Ich fand dieſen
Strauch ſeiner beſondern Blumen halber, unter den
uͤbrigen ſehr bald, und noch den folgenden Tag an drey
ganz verſchiedenen Orten, im hieſigen koͤnigl. Thier-
garten in einiger Menge, da ſonſt lauter maͤnnliche oder
weibliche Straͤuche ſtehen. Faſt taͤglich beſuchte ich
dieſe Straͤuche, um bey ihrem Abbluͤhen gewiß zu ſeyn,
ob ſie wirklich fruchtbar waͤren oder nicht. Im ab-
gewichenen Fruͤhlinge, iſt meine Beobachtung fortge-
ſetzt worden, bis zur Reife des Saamens, und habe
ich von allen hierher gehoͤrigen Umſtaͤnden folgende ge-
nau beobachtet!
Nur erwaͤhnte Werftſtraͤucher oder Sohlweiden
waren ſaͤmmtlich als Saamenweiden, von abfliegen-
dem Saamen, entſtanden, ſie trugen, ohne eine ge-
wiß zu beſtimmende Verhaͤltniß und Anzahl gegen ein-
ander, ganze maͤnnliche und beſondere weibliche Blu-
menzapfen, auf einerley Haupt- oder Nebenzweigen,
von einer ſehr gewoͤhnlichen Geſtalt und Groͤße, wie
ſie bey der großen und natuͤrlichen Gattung zu ſeyn
pflegen: nebſt dieſen aber wohl beſondere fruchtbare
zwitterbluͤtige zugleich (Amenta hermaphroditica foe-
cunda). An den beyderley Blumenzapfen der erſten
Geſchlechter, war nichts beſonderes zu unterſcheiden,
ſie wechſelten auf den Zweigen mit den zwitterbluͤmi-
gen, ohne eine ſehr beſtimmte Ordnung ab. Doch
hielten die Letztern ihres Anſehens halber, faſt das
Mittel zwiſchen beyden erſtern, welches mehr bey den
weiblichen Blumenzapfen als den maͤnnlichen war. Die
Staubfaͤden ſtanden paarweiſe mit den Blumen grif-
feln oder Staubwegen uͤberall vermiſcht, und ihre
groͤßten
[53] groͤßten Huͤlſen, gaben ein fruchtbares Staubmehl
von ſich. Der Geruch war ſchoͤn und erquickend,
und die Bienen fanden ſich darauf ein.
An etlichen zwitterbluͤmigen Zapfen wechſelten
die Staubfaden, ſie waren bald haͤufiger, bald ſpar-
ſamer, entweder am untern Ende, oder gegen die
Spitze zu, zuweilen nur bloß in der Mitte, oder auch
auf der einen oder andern Seite des Blumenzapfens
insbeſondere, daß alſo einige bald mehr weibliche oder
maͤnnliche, bald weniger, bald ganz zwitterbluͤmig
waren, fielen nur wenige, außer den maͤnnlichen ab,
und ich erhielte ſchon, mit Anfang des Brachmonats,
ihren reifen Saamen.
Dieſe Weidenart waͤre es demnach, die man
entweder hybridam nennen muͤßte, die aber dennoch
eine von der hybrida des beruͤhmten Herrn Bergrath
Scopoli, nach deſſen ſelbſt eigener Angabe, ganz ver-
ſchieden bliebe, oder ſie wuͤrde mit beſſerm Rechte
Salix polygama hybrida heißen, weil ſie auf verſchie-
denen Haupt- und Nebenzweigen drey verſchiedene
Geſchlechter, und beſonders die zwitterbluͤtigen Blu-
menzapfen hervorbringet.
Man kann den Vorfall an dieſer Weide, und
die Erzeugung einer plantae poligamae, in Anſehung
der zwitterbluͤtigen vollkommenen Blumenzapfen, vor
eine der beſonderſten und allerſeltenſten mit Recht an-
ſehen, die in einem ſolchen Pflanzengeſchlechte ſich
ereignet, welches bey uns ſonſt lauter Species dioicis
enthaͤlt und vor ſich bringet. Es muß bey der Be-
fruchtung des Markes, in dem Saamenkeime ſelbſt,
eine ganz ungewoͤhnliche Vereinigung vor ſich gegan-
gen ſeyn, welche dieſem Marke die Richtung ſeiner
unbegreiflich feinen faſerichen Fortſaͤtze, voͤllig zu
veraͤndern vermogte, und vielleicht eben dadurch ein
D 3ganz
[54] ganz beſonderes Vermoͤgen gegeben, eine ganz neue
Bildung zu Stande zu bringen, von deren Entſte-
hung, wir die Art und Weiſe zu begreifen nicht im
Stande ſind, die uns aber bey aͤhnlichen Faͤllen zu einem
tiefen Nachdenken, mit Nutzen fuͤhren kann. Viel-
leicht haben andere vor mir, dieſen Umſtand von
ohngefaͤhr wahrgenommen, und daher geſagt Salices
ſexum mutant. Vor der [Hand] werde ich mich be-
gnuͤgen, etwas ſo ſeltenes geſehen und mitgetheilet
zu haben, bis ich im Stande ſeyn werde, es nuͤtz-
licher anzuwenden.
[[55]]
Summariſcher Auszug
einer
phyſikaliſchen Unterſuchung von den verſchiedenen
Geſchlechtsarten der Bienen uͤberhaupt, inſonder-
heit von den praͤformirten Weiſeleyern und dem
doppelten Aſt des Eyerſtocks der Bienenmutter,
zu weiterer Pruͤfung ausgeſetzt.
Inhalt.
- Erſter Abſchnitt, handelt von den verſchiedenen Geſchlechts-
arten der Bienen. - Zweyter Abſchnitt, von den verſchiedenen Arten und Gat-
tungen der Eyer der Koͤnigin, von praͤformirten Thraͤnen-
und dergleichen Arbeitsbieneneyern, und wie ein jegliches
Ey urſpruͤnglich zu dem Geſchlecht gebildet ſey, das aus
ihm entſtehen ſoll; - Dritter Abſchnitt, beſchreibt den doppelten Aſt des Eyer-
ſtocks der Bienenmutter, zur Erlaͤuterung der vorherigen
Saͤtze; und der - Vierte Abſchnitt enthaͤlt einige Einwendungen und deren
Abfertigung, zu Aufklaͤrung inſonderheit des Swammer-
dams und Schirahiſchen Syſtems, und zur Kenntniß aller
widrigen Bienenzufaͤlle, nehmlich der verkehrten Faulbrut
und des unaͤchten oder Afterweiſels, der nichts als Thraͤnen
zeuget, und wie ſolchem Uebel abzuhelfen.
Erſter Abſchnitt.
Von den verſchiedenen Geſchlechtsarten der Bienen.
§. 1.
Es giebt viererler Gattungen von Bienen.
D 4§. 2.
[56]
§. 2.
Warum die Arbeitsbienen keines Geſchlechts,
(nullius Sexus) ſind? Darum, weil ſie Arbeitsbie-
nen ſind, und ſich ſonſt mit nichts beſchaͤftigen duͤrfen
noch koͤnnen, wenn anders die Bienenrepublik be-
ſtehen ſoll.
§. 3.
Die Koͤnigin begattet ſich mit Thraͤnen; kann
aber auch ohne Begattung Eyer legen, wie die Huͤ-
ner; dieſe Eyer aber ſind, ohne vorhergegangener
Begattung zu keiner tauglichen Zucht dienlich, ſon-
dern bleiben als unreif liegen, oder bringen, wenn ſie
durch einen zugeſetzten Futterbrey einer beſondern Art
von Bienen belebet werden, vielmals nichts als Mis-
geburten hervor. Es giebt bey der Bienenzucht eine
maͤnnliche Befruchtung ohne maͤnnliche Begattung,
und dieſe zwey Saͤtze ſind wohl von einander zu unter-
ſcheiden. Im uͤbrigen leiten uns die verſchiedenen
Geſtalten der Bienen von auſſen ſchon auf die verſchie-
denen Geſchlechtsarten.
Die Einwendung, daß ein Ableger ſich ohne
Begattung beſaame, iſt ſo voreilig als ungegruͤndet.
Einige Verſuche in dieſer Kunſt zeigen, daß auch
Thraͤnen mit zum Vorſchein kommen, wenn auch
gleich keine ſolche Brut von Thraͤnen mit bloßen Au-
gen zu unterſcheiden iſt, die dennoch oft in Arbeits-
bienenzellen eingelegt vorzufinden ſind, und darin-
nen auch entweder ausgebruͤtet oder auch herausge-
klaubet, und endlich in ordentliche Zellen uͤbertragen
werden. Dergleichen Thraͤnenbrut konnte nicht von
dem jungen Weiſel eines Abgelegten herruͤhren, als
der kaum vor vier bis ſechs Tagen ausgelaufen war,
und dennoch bereits große Thraͤnenwuͤrmer, ja Nim-
phen hatte! Von dieſen Thraͤnen nun kann gar wohl
eine
[57] eine Koͤnigin eines Ablegers befruchtet werden; da-
her hoͤchſt wahrſcheinlich die Befruchtung hier, ſo
wie im ganzen Naturreiche von ſtatten gehet. Es
liegt in einem jeglichen Bieneney, in der kleinſten
Feinheit, die maͤnnliche Befruchtung, ſo wie bey den
Huͤnereyern. Von dem maͤnnlichen Saamen ruͤhret
das Leben des Eyes her, das durch die Bebruͤtung
weiter entwickelt, und durch die gehoͤrige Nahrung
zur weitern Vollkommenheit gebracht wird. Kaͤme
es hauptſaͤchlich auf das weibliche Geſchlecht an, und
haͤtten die weiblichen Eyer vor ſich die Kraft, reiche
Nachkommenſchaften zu liefern; ſo brauchte man
nicht nur keine andere Geſchlechtsarten, ſondern es
waͤre auch die fleiſchliche Vermiſchung uͤberfluͤßig, und
das weibliche Geſchlecht muͤßte vor dem maͤnnlichen
den Vorzug behaupten, welches wider die natuͤrliche
und ſittliche Einrichtung der Natur liefe.
§. 4.
Die Thraͤnen haben alle Kennzeichen der Maͤn-
ner an ſich. Es ſind freylich viel Maͤnner zu einem
Weibe, allein nicht alle ſind zur Begattung beſtimmt,
ſondern nur einige wenige. Der meiſte Theil wirft ſei-
nen Saamen freywillig in diejenige Zelle, worin zuvor
die Koͤnigin ein Ey gelegt hatte. Daß dem ſo ſey,
iſt klar, weil die meiſten Thraͤnen Hoden, obgleich
keine maͤnnliche Ruthe haben: Hoden aber ſind nichts
anders, als maͤnnliche Werkzeuge oder maͤnnliche
Gliedmaßen, wo der Saame in gewiſſe Saamenge-
faͤße bereitet und aufbehalten wird. Es kann alſo
der groͤßte Theil der Thraͤnen dazu erſchaffen worden
ſeyn, den maͤnnlichen Saamen, als einen Futterbrey
in diejenige Zelle fallen zu laſſen, wo die Koͤniginn
bereits ihre Eyer hingelegt hat. Dieſe Muthmaßung
wird durch die Ablegerkunſt hoͤchſt wahrſcheinlich, weil
das Ey ein gewiſſes Alter und Brey haben muß,
D 5wenn
[58] wenn daraus etwas werden ſoll, der aber nur von
Thraͤnen herkommen kann, weil lauter Arbeitsbienen
ohne Thraͤnen nichts zuwege bringen. Daß nur ein
Theil zur Begattung mit der Bienenmutter, der
groͤßte Theil aber zu Einſetzung des maͤnnlichen Saa-
mens beſtimmt ſeyn muß, iſt auch daher zu erweiſen,
daß die Thraͤnen im Fruͤhjahr am mindeſten da ſind,
obgleich die Eyerlage hier am ſtaͤrkſten iſt, und die-
weil ſie am ſtaͤrkſten vorhanden ſind, da die Eyerlage
beynahe ſich endiget. Und ſo hat die ewige Weisheit
den veſtaliſchen keuſchen Jungfern auch ewige Jung-
geſellen als Geſellſchafter beygegeben. Auſſerdem waͤ-
ren die Thraͤnen gaͤnzlich unnuͤtze Glieder, ohne End-
zweck da, welches von Gott und der Natur nicht ge-
ſagt werden mag.
§. 5.
Enthaͤlt die Folge dieſer Saͤtze. Nun kann
man begreifen, warum ſo viele Thraͤnen vorhanden?
warum der Stamm zu Grunde geht, wenn keine da
ſind! warum ſie zur Brutzeit am zahlreichſien! war-
um ſie getoͤdtet werden! warum nur wenige uͤber
Winters bleiben! warum ein Stamm zu Grunde
geht, obgleich Weiſel und Thraͤnen und Volk und
Honig da iſt, welches geſchieht, wenn diejenigen
Maͤnnlein fehlen, die da zur Begattung gehoͤren;
warum oft ſo gar viel Thraͤnen in einem Stamme
ſind? es duͤrfen nur die Maͤnnlein fehlen, die den
Eyerſtock, woraus die Arbeitsbienen, der Weiſel und
die Thraͤnenmaͤnnlein hervorkommen, nicht mehr be-
fruchten koͤnnen; ſo muß nothwendig der andere
Eyerſtock nichts als Thraͤneneyer werfen, die von dem
andern Theil der Thraͤnen befruchtet und belebet wer-
den, durch Zuſatz ihres Saamens oder Futterbreyes;
nun kann man begreifen, woher die Buckelbrut, und
wie
[59] wie ſchwer ſolche zu curiren, und auch wie ſie zu hel-
fen ſey, nehmlich am beſten durchs Copuliren.
§. 6.
Enthaͤlt einige theologiſche Saͤtze und deren An-
wendung zur Verherrlichung des großen Gottes im
Kleinen.
Zweyter Abſchnitt.
Vom praͤformirten Weiſeley.
§. 7.
Zeigt, daß ein jedes Ey, woraus ein lebendiges
Thier entſtehen ſoll, den Grund und Urſtoff vom gan-
zen Koͤrper des Thieres habe, die maͤnnliche Vegat-
tung den ganzen Koͤrper, die Belebung und gleichſam
den Geiſt oder die Seele des Thieres gebe. Und da
die Unterſcheidungszeichen der Geſchlechter zum Koͤrper
mit gehoͤren, auch deren Urſtof urſpruͤnglich in dem Ey
liegt, die maͤnnliche Begattung aber dieſen Urſtof
blos beleben, nicht aber ertheilen muͤſſe.
§. 8.
Wenn auch lebendige Saamenthierchen im
maͤnnlichen Saamen angenommen wuͤrden, die in dem
Ey gleichſam die erſte Nahrung faͤnden, und es alſo
ſcheinen moͤchte, als enthielte nicht das bloße Ey den
Urſtof, beydes zum Leben und Unterſcheidungszeichen
der Geſchlechter; ſo ſey man doch nicht gewiß, ob
nicht das Saamenthierchen erſt durch den Genuß die-
ſes Eyes, oder durch den Nahrungsſaft deſſelben die
Unterſcheidungszeichen der Geſchlechter uͤberkomme,
und demnach im Eye an und vor ſich ſelbſt dieſes Un-
ter-
[60] terſcheidungzeichen der Geſchlechter geſucht werden
muͤſſe! Die Saamenthierchen leben ja ſchon im
maͤnnlichen Saamen, und muͤſſen da ihre gewiſſe
Nahrung zu ihrer Fortdauer uͤberkommen; allein die-
ſe Nahrung giebt ihnen noch keinen thieriſchen Koͤr-
ger, weil ſie ſonſt zu großen Koͤrpern anwachſen muͤß-
ten! Vielleicht iſt im weiblichen Ey auch das thieri-
ſche Leben des Koͤrpers (ſo in Bewegung des Ge-
bluͤts beſteht) in der kleinſten Feinheit enthalten, und
durch den maͤnnlichen Saamen oder Saamenthierchen
wird vielleicht nur das geiſtige Leben des Thiers er-
theilt! Wenn man annimmt, daß im weiblichen Ey,
der Grund des Koͤrpers, und im maͤnnlichen Saa-
men, der Grund zur Seele lieget; ſo truͤgen beyde ge-
meinſchaftlich in proportionirter Austheilung das ihri-
ge zum Daſeyn des Thieres bey. Durch maͤnnliche
Schwaͤngerung reiſſet ſich das Ey vom Eyerſtocke
los; der geiſtige Theil des Thieres aber im maͤnnli-
chen Saamen koͤnnte allemal durch eine gewiſſe feine
Ausduͤnſtung wieder in andere Koͤrper, und von die-
ſen in andere Theile des maͤnnlichen Saamens uͤber-
gehen: ſo wuͤrde im Thierreiche nichts verſchwendet,
alles weislich angeleget und ausgebildet werden.
§. 9.
In beyden Faͤllen wuͤrde man einraͤumen muͤſ-
ſen, daß der Urſtof von dem Unterſcheidungszeichen
der Geſchlechter entweder im weiblichen Ey an und
vor ſich ſelbſt urſpruͤnglich, oder in dem durch den
maͤnnlichen Saamen befruchteten Ey, folglich mit-
theilungs- oder befruchtungsweiſe liege. Die erſte
wuͤrde man praͤformirte, urſpruͤnglich gebildete; die
andern geſchwaͤngerte oder befruchtete Eyer, die be-
fruchteten oder geſchwaͤngerten Eyer aber vor ihrer
Befruchtung einfache, oder unpraͤformirte Eyer heiſ-
ſen muͤſſen.
§. 10
[61]
§. 10.
Alle, ſowohl einfache als praͤformirte Eyer
muͤßten durch einen maͤnnlichen Saamen befruchtet
und belebet werden, wofern ſie anders zu einer taugli-
chen Zucht dienlich ſeyn ſollen.
§. 11.
Solches Beleben geſchieht nicht allemal durch
Begattung, ſondern durch Einſatz des maͤnnlichen
Saamens, folglich durch innerliche und auch aͤuſſer-
liche Befruchtung.
§. 12.
Die Kraft der Belebung des Saamens liegt in
ihm ſelbſten, und nicht in fleiſchlicher Vermiſchung,
und ſolcher zeigt ſich kraͤftig, wenn er in gehoͤriger
Waͤrme zum Eyerſtock und Eyern gebracht wird.
§. 13.
Enthaͤlt eine kurze Wiederholung voriger
Lehrſaͤtze.
§. 14.
Dieſer die Anwendung vom Befruchten des
Eyerſtocks auf die Eyer in den Zellen.
§. 15.
Wird gefragt: ob nur die geſchwaͤngerten oder
auch die praͤformirten und ſogar auch die einfachen
und unpraͤformirten Eyer durch einen aͤußerlichen
Saamen befruchtet werden? da ſolches Befruchten
von den eigentlichen geſchwaͤngerten Eyern bald ent-
ſchieden iſt; ſo wuͤrden ſie noch leichter durch einen
Zuſatz von einem neuen maͤnnlichen Saamen belebet
und
[62] und befruchtet werden koͤnnen. Die praͤformirten
Eyer ſcheinen zwar nicht eher zur aͤußerlichen Be-
fruchtung aufgelegt zu ſeyn, als bis ſie zuvor die in-
nerliche Befruchtung genoſſen; allein, obgleich die-
ſer Weg von dem ordentlichen natuͤrlichen abgeht, ſo
iſts doch wohl moͤglich, daß praͤformirte Eyer blos
durch eine aͤußerliche Befruchtung zu einer tauglichen
Zucht koͤnnen zubereitet werden, wenn gleich keine in-
nerliche Befruchtung zuvor vorhergegangen.
§. 16.
Wird noch, außer dem ungewoͤhnlichen Weg der
aͤußerlichen Befruchtung dieſer darum als moͤglich be-
trachtet, daß die Bienenrepublik weder praͤformirte,
noch natuͤrlich geſchwaͤngerte, ſondern lauter einfache
oder lauter unpraͤformirte Eyer habe, und daß ſie ſol-
che einfache Eyer bloß durch eine aͤußerliche Befruch-
tung zu einer tauglichen Zucht zubereiten koͤnne. Und
das ſind ſeltſame und wunderliche Wege.
§. 17.
Freylich ſcheint es nach dem Urtheil einiger neuen
Bienenlehrer, daß alle und jede Eyer nur durch einen
aͤußerlichen zugeſetzten Futterbrey zu einem dreytaͤgigen
Wurm erwachſen, und eine taugliche Zucht liefern
koͤnnten, ja aus dergleichen wohl gar alſo eine Koͤni-
gin entſtuͤnde.
§. 18.
Zu Entſcheidung dieſer Sache wird viel er-
fordert.
§. 19.
Wenn wahrhafte Maͤnnlein da ſind, eine maͤnn-
liche und innere Begattung ſtatt findet, viele Eyer
und
[63] und viele Brut zu keiner tauglichen Zucht recht fort-
ſchlagen, ohnerachtet der aͤußerliche Futterbrey bey-
geſetzt wird; ſo muß man ſchließen, daß der Grund
von dieſem Umſchlag in dem Mangel innerlicher Be-
fruchtung zu ſuchen ſey, zumai, da die ſitzen bleiben-
de Brut keine lautere Brut iſt, ſondern die eigentli-
che Form junger Bienen deutlich aufweiſet, woraus
augenſcheinlich zu ſchlieſſen, daß ſchon dieſe Geſtalt der
jungen Bienen urſpruͤnglich im Ey muͤſſe gelegen ſeyn.
§. 20.
Solches wird naͤher erwieſen und gezeigt, daß
wenn alle maͤnnliche Begattung fehlet, wenn auch
gar keine innerliche Befruchtung da iſt, daß doch ge-
wiſſe Eyer vollkommen fortſchlagen, wenn nur die
aͤußere Befruchtung dazu gekommen, ein Hauptbe-
weiß des Daſeyns der Nympfe und ihres Urſprungs
durch aͤußerliche Befruchtung und zugleich, daß der
Grund vom Fortſchlagen des Wurms im Ey liege,
folglich das Ey praͤformirt ſey. Es ſey denn, daß
man annaͤhme, daß die aͤußerliche Befruchtung den
Urſtof zum Leben und zu den Unterſcheidungszeichen
der Geſchlechter imprimiren und mittheilen koͤnne;
allein, da dieſer Urſtof nicht einmal durch die innerli-
che Befruchtung eingepraͤgt werden kann; ſo wird
dies noch weniger durch die aͤußerliche Befruchtung
geſchehen koͤnnen. Es ſcheinen alſo die Eyer allemal
praͤformirt zu ſeyn, und die aͤußerliche Befruchtung
nie eine Zucht zu einer vollkommenen Groͤße bringen,
oder zu einer tauglichen Zucht befoͤrdern zu koͤnnen,
wofern nicht ſchon urſpruͤnglich die Eyer praͤformirt
geweſen; es ſcheinen alſo keine einfache und unpraͤ-
formirte Eyer weder bey der innerlichen noch aͤußerli-
chen Befruchtung zum Grund zu liegen, ſondern daß
alle Bieneneyer, ſie moͤgen innerlich oder aͤußerlich
ſeyn,
[64] ſeyn, oder beydes zugleich, zu einer tauglichen Zucht
urſpruͤnglich praͤformirte Eyer ſeyn muͤſſen (§. 34.).
§. 21.
Da nun Eyer ohne innerliche Befruchtung zu
keiner rechten Zucht gedeihen, ſo mag es wohl ſeyn,
daß durch ſolche nur ein Eyerſtock geſchwaͤngert, der
andere aber nicht geſchwaͤngert werde; und daß die
Eyer aus einem geſchwaͤngerten Eyerſtock, bey einer
fehlerhaften Schwaͤngerung, durch einen bloßen
aͤußerlichen Zuſatz oder durch bloße aͤußerliche Be-
fruchtung nicht zu einer tauglichen Zucht aufgeſtellet
werden koͤnnen, diejenigen Eyer aber, ſo aus dem [un-
geſchwaͤngerten] Eyerſtock herruͤhren, gar wohl durch
einen bloßen aͤußerlichen Zuſatz oder aͤußerliche Be-
fruchtung zu einer dienlichen Zucht zubereitet werden.
§. 22.
Man muß alſo vor ein praͤformirtes Weiſeley
eingenommen werden, 1) darum, weil es viererley
Gattungen giebet, naͤmlich eine Bienenmutter; ver-
ſchiedene Thraͤnenmaͤnnlein; ſehr viele Thraͤnenkaͤm-
merlinge, und noch mehr gemeine Arbeitsbienen.
Giebt es viererley Gattungen der Bienen von ver-
ſchiedener Geſchlechtsart, ſo muß es auch viererley
Urſtof zu ſo viel Geſchlechter geben. Das wird ex
analogia und inſonderheit communi erwieſen.
§. 23.
2) Darum, weil eine andere Entſtehungsart
wider die Natur der thieriſchen Zeugung und alle Ent-
ſtehungsarten der verſchiedenen Geſchlechter laͤuft, und
es ohnmoͤglich iſt, daß jetzt aus einerley Ey eine Thraͤ-
ne,
[65] ne, dann eine Arbeitsbiene, und nun eine Koͤnigin
werden ſolle, je nachdem nur die Zelle und der Zuſatz
vom Futterbrey veraͤndert wird.
§. 24.
Es iſt umſonſt, den Grund in der Zelle und Zu-
ſatz zu ſuchen, weil dies eine Hauptvorbringung der
Natur und des Geſchlechts ſeyn wuͤrde. Sollten die
Arbeitsbienen dieſe Kraft haben, die doch keines Ge-
ſchlechts oder keinen ſexum in ſich haben? Nur das
kann man von der Bienenmutter und Thraͤnen zu-
ſammen genommen, gewoͤhnlicherweiſe erwarten.
Wenn die Erweiterung der Zellen den ſexum beſtimm-
te, ſo wuͤrde folgen muͤſſen, daß wenn die Bienen
dergleichen Zellen nur in erwas vergroͤßerten, daß
alsdenn keine Weiſel, ſondern nur Thraͤnen, und aus
der Verſchiedenheit der Groͤßen und Erweiterungen
der Zellen allerhand Thiere aus dem Bienenkaſten,
wie ehedem aus dem Kaſten Noaͤ hervorgehen koͤnnten.
§. 25.
4) Muß das Weiſeley praͤformirt ſeyn, darum,
weil es oͤfters mißlungene Verſuche bey der Ablege-
kunſt giebet, ohngeachtet alles genau nach der Schi-
rachiſchen Hypotheſe in acht genommen worden.
§. 26.
5) Weil unter der dreyfachen Arbeitsbienen-
brut auch ein und die andere praͤformirte Thraͤnenbrut
oder Thraͤneneyer mit zu finden, wie eine dreyfache
Erfahrung ſolches beſtaͤtiget, ohngeachtet keine Thraͤ-
nen in ordentlichen Zellen eingeſetzt waren; und ſo
fand man zum Theil Maden, zum Theil Nymphen,
da die Koͤnigin kaum vier bis ſechs Tage erſt ausge-
Elaufen
[66] laufen war. So wie die Arbeitsbienen dieſe Thraͤ-
neneyer in andere Zellen austragen, ſo machen ſie es
alsdenn, wenn ſie praͤformirte Weiſelbrut finden, die
ſie weit genauer, als wir, kennen.
§. 27.
6) Weil die Bienen im Weiſelkaſten 3, 4, 5
und mehrere Weiſel auf einmal anſetzen, welches ſie
nicht noͤthig haͤtten, wenn ſie aus jedem dreytaͤgigen
Arbeitsbienenwurm eine Koͤnigin hervorbringen koͤnn-
ten. Da ſie viele praͤformirte Weiſeleyer zugleich in
der beygeſetzten dreyfachen Brut vor ſich finden, ſo
koͤnnen ſie, als noch Weiſelloſe, nicht anders, als
ſie alle anzugreifen und zu bebruͤten, daruͤber ſie oft
keinen fertig bekommen, weil ſie ſich in Beyſetzung
des vorhandenen Futterbreyes und Aufbauung der
koͤniglichen Zelle zu ſehr entkraͤften. Vielleicht reicht
der von den Nymphen oder dem vorraͤthigen Thraͤnen-
ſaamen ſich findende Futterbrey nicht zu, ſo viele-
Weiſel auszubilden, oder es theilen ſich die Bienen
bey ſolchem Interregno in verſchiedene Factionen, dar-
uͤber der Stock zu Grunde gehet! Waͤren alle drey-
taͤgige Arbeitsbienenwuͤrmer zu einer Koͤnigin taug-
lich, ſo iſt nicht einzuſehen, warum mancher Able-
ger nur einen, oͤfters gar keinen Weiſel aus einer ſo
großen Anzahl von Bruten anſetzet!
§. 28.
7) Weil die Bienen im Brutkaſten vielmals
ihre Weiſelzellen in der Mitte der dreyfachen Brut-
tafel recht unſchicklich anbauen, und nicht neben an
den Seiten herunterwaͤrts haͤngend anbringen koͤnnen,
die oft [unausgebaut], wegen Mangel des Platzes oder
Beſorgniß, dergleichen praͤformirtes Ey zu verderben,
ſtehen gelaſſen werden.
§. 29.
[67]
§. 29.
Es iſt hoͤchſt wahrſcheinlich, daß Eyer in koͤniglichen
Zellen allemal praͤformirte Weiſeleyer ſind. Legen ſie
auch dergleichen Eyer in andere Zellen, ſo bleiben ſie
nur ſo lange liegen, bis die, mehrere Koſten und
Muͤhe erfordernde, Weiſelzellen erbauet werden koͤn-
nen, wornach gar eigentlich die Austheilung geſchiehet.
§. 30.
Sie bewahren, irregulair, dieſes Heiligthum,
die koͤniglichen Eyer, einsweilen in andern Zellen auf.
§. 31.
Die Bienenmutter legt alſo Weiſeleyer, zweyer-
ley Thraͤneneyer, oder endlich gemeine Arbeitsbienen-
eyer, und ſo laſſen ſich die meiſten verdrießlichen Um-
ſtaͤnde heben.
§. 32.
Wenn auch beym Ablegen aus einem dreytaͤgi-
gen Arbeitsbienenwurm ein Weiſel ausgebruͤtet erhal-
ten wird: ſo iſt dies eben kein Beweis ins Allgemei-
ne! ſondern vielmehr zu ſchließen, daß auch dieſer
Wurm bereits praͤformirt, und von ohugefaͤhr er-
haſcht worden iſt. Sonſt muͤßte es keine fehlgeſchla-
gene Verſuche geben; — in einem ſtark beſetzten
Brutkaſten ſehr viele Koͤniginnen zugleich zum Vor-
ſchein kommen; — bey einem ſchwaͤchern weniger
oder gar gar keine. Und dies geſchieht doch nicht, ja
oft das Gegentheil.
§. 33.
Die edle Ablegerkunſt behaͤlt dieſem ohnerachtet
ihren wahren großen Werth, wenn auch gleich unter
E 2zehn
[68] zehn Verſuchen einer und der andere mißlingen ſollte,
weil man vortrefliche Mittel hat, dieſem Umſchlag
vorzubeugen, inſonderheit das koͤſtliche bewaͤhrteſte
Magazin-Ablegen.
§. 34.
Wenn einige Eyer ohne innerliche Befruchtung
zu keiner tauglichen Zucht, einige aber ohne innerliche
Befruchtung gar wohl zu einer ordentlichen Zucht ge-
deyhen koͤnnen, und von jenen die verkehrte Faulbrut
und zum Theil die Buckelzucht; von den letztern die
Quaͤcker oder uͤberhaͤuften Thraͤnen und der Afterwei-
ſel erzeugt wird, wenn jene verkehrte oder buckelbruͤ-
tige Brut gleichwohl die Geſtalt der Bienen auf-
weiſen; ſo muß ja der Grund zu den verſchiedenen
Geſchlechtern ſchon in den Eyern vor ihrer Befruchtung
liegen. Daß die aͤußerliche Befruchtung ihnen dieſen
Unterſchied eingepraͤgt habe, iſt nicht wahrſcheinlich,
weil ſonſt die aͤußerliche Befruchtung vor der innern
einen großen Vorzug haͤtte, und weil ſodann auf dieſe
Art kein Stock, ſo lange Thraͤnen vorhanden, zu
Grunde gehen koͤnnte; — weil drittens der After-
weiſel alsdann auch eine taugliche Zucht liefern koͤnn-
te, wenn nur die Thraͤnen deſſen Eyer durch ihre
aͤußerliche Befruchtung angefachet haͤtten. Es
muͤſſen einige Eyer nothwendig innerlich befruchtet
ſeyn, wofern ſie zu einer tauglichen Zucht fort-
ſchlagen wollen, andere Eyer aber auch ohne in-
nerliche Befruchtung blos durch eine aͤußerliche
fortſchlagen koͤnnen: folglich muͤſſen einige Eyer
aus einem geſchwaͤngerten, andere aus einem un-
geſchwaͤngerten Eyerſtocke fallen.
Dritter
[69]
Dritter Abſchnitt.
Von dem gedoppelten Eyerſtocke der Bienenmutter,
oder von dem Eyerſtocke der Bienenmutter, ſo
mit zwey Aeſten verſehen iſt.
§. 35.
Die Bienenmutter hat einen doppelten Eyer-
ſtock; es iſt alſo leicht, aus dem einen die Thraͤnen,
aus dem andern aber die Arbeitsbienen zu liefern, und
ſo kann der doppelte Eyerſtock auch eine oͤftere Begat-
tung erfordern.
§. 36.
Es kann wohl ſeyn, daß nur ein Eyerſtock durch die
maͤnnliche Begattung geſchwaͤngert, der andere aber
innerlich nicht befruchtet werde, ſondern daß einer
davon bloß einer aͤußerlichen Befruchtung noͤthig ha-
be. Sollten beyde Eyerſtoͤcke genau in ihrer Lage ver-
bunden ſeyn, und ein jeder ſeine phallopiſchen Gaͤnge
haben, und dieſer beyde Aeſte zuſammenſtoßen, und
den aͤußerſten Enden nach in der Mutterſcheide ſich en-
digen; ſo waͤre es ganz natuͤrlich, daß ſo alle beyde zu-
gleich durch die maͤnnliche Begattung geſchwaͤngert, und
dieſe innerliche Befruchtung zu allen beyden zugleich
aufſteigen koͤnne. Waͤren beyde Aeſte ſo gefuͤgt, daß
ſie in keinem Orte zuſammenreichten, und keine ge-
meinſchaftliche phallopiſche Gaͤnge mit der Mutter haͤt-
ten, ſondern nur einen Eyerſtock, der durch ſolche
Gaͤnge mit der Mutter verbunden waͤre: haͤtte ferner je-
der Eyerſtock ſeine beſondere Oefnung und Ausgang und
reichte jede dieſer Oefnung bis zum aͤußerſten Ende der
Mutterſcheide; ſo waͤre wohl begreiflich, wie bey einer
dazu gekommenen maͤnnlichen Begattung nur ein Eyer-
E 3ſtock
[70] ſtock innerlich koͤnnte befruchtet, der andere aber nicht
befruchtet werden. Und ſo haͤtten wir einen ge-
ſchwaͤngerten und einen ungeſchwaͤngerten Eyerſtock
anzunehmen.
§. 37.
So wie der Eyerſtock beſchaffen, ſo auch die Eyer.
§. 38.
Die zwey Gattungen von Bienen ohne Ge-
ſchlechtszeichen moͤgten vom ungeſchwaͤngerten, die
andern vom geſchwaͤngerten kommen; allein Vernunft
und Bienenrepubliken lehren anders.
§. 39.
Naͤmlich, daß das vorzuͤglichſte, die Thraͤnen-
maͤnnchen zum geſchwaͤngerten Eyerſtock gehoͤren,
Weiſel und gemeine Bienen hierzu zugleich gerechnet.
§. 40.
Arbeitsbienen und Thraͤnenkaͤmmerlinge koͤnnen,
ihrer Menge wegen, nicht zu einem Eyerſtock gerechnet
werden, folglich muß ein Theil, naͤmlich die wichtig-
ſten, die Arbeitsbienen, zu dem geſchwaͤngerten, die
andern zum ungeſchwaͤngerten Eyerſtock hingerechnet
werden. Daher koͤnnte man den letzten den Thraͤnen-
eyerſtock nennen.
§. 41.
Wo denn nun aber mit den Weiſeleyern und
Thraͤnenmaͤnnlein hin? Weil die Thraͤnenmaͤnnlein
ſo wichtig, als die Mutterbienen, ſo werden wir die
Bienenmuttereyer, ſo wie die der Thraͤnenmaͤnnlein zum
geſchwaͤngerten Eyerſtock hinziehen. Man nehme dieſes
Poſtulatum an, bis es naͤher erwieſen iſt.
§. 42.
[71]
§. 42.
Entſteht bey fehlender maͤnnlicher Begattung
hoͤchſt wahrſcheinlich die verkehrte Faulbrut; —
kommt bey mangelnder innerlicher Befruchtung ein
Thraͤnenweiſel; — und gehen hierbey auch die Thraͤ-
nenmaͤnnlein unter; ſehen wir aber bey mangelnder
Begattung dennoch die Thraͤnenkaͤmmerlinge fortſchla-
gen; — und kann ein Afterweiſel ſeine Zucht fort-
fuͤhren, ohngeachtet keine Thraͤnenmaͤnnlein und kein
Weiſel da iſt; ſo muͤſſen wir nothwendig die Weiſel-
eyer, die gemeinen Bieneneyer, die Thraͤnenmaͤnn-
leineyer zu dem geſchwaͤngerten — die andern zu dem
ungeſchwaͤngerten Eyſtock hinrechnen.
§. 43.
Eyer, die aus einem ungeſchwaͤngerten Eyerſtock
fallen, muͤſſen blos durch einen aͤußerlichen Futterzu-
ſatz befruchtet werden, (man behauptet dieſes nicht,
wie von andern geſchieht, von allen Eyern,) es wer-
den alſo die gemeinen Thraͤneneyer allemal nur alſo
belebet werden, und ſie brauchen zu ihrem gedeihli-
chen Fortkommen keiner maͤnnlichen Begattung.
§. 44.
Eyer, aus einem geſchwaͤngerten Eyerſtock, ſo-
fern ſie keiner maͤnnlichen Schwaͤngerung theilhaftig
worden, taugen ſie zur [geſegneten] Zucht? ex analogia
ſehen wir, daß dergleichen Eyer, wenn ſie ſchon ihren
gehoͤrigen Futterbrey bekommen, ſtecken bleiben und
lauter werden.
§. 45.
Daher verdirbt oftmals alle, beſonders Arbeits-
bienenbrut, und geht in Faulbrut uͤber, darum, weil
ſie keiner innern maͤnnlichen Befruchtung theilhaftig
E 4worden
[72] worden. Vielleicht ſind ſie leichter, und ſchwimmen
im Futterbrey, ſo daß ſie eine unrechte Lage bekom-
men. Schwerlich legt ſie die Bienenmutter verkehrt!
ſollten die Bienen beym Zuſetzen des Futterbreyes
dieſen Fehler nicht im Anfange verbeſſern koͤnnen?
und dieſes hernach zu thun etwan nicht mehr im
Stande ſeyn? Es muß nothwendig von einem in-
nern Mangel des Eyes herruͤhren, daß man ſo große
Lagen verkehrt findet.
§. 46.
Auch gute und tuͤchtige Arbeitsbieneneyer koͤn-
nen in ihrer Lage durch uͤberfluͤßig zugeſetzten Futter-
brey verdorben werden und faulen. Vielleicht iſt hier
der Futterbrey zu ſchlechthaltig, oder beſſer das Ey
ſelbſt. Warum entſteht nie in Thraͤnenzellen und bey
Thraͤnennymphen verkehrte Faulbrut?
§. 47.
Liegt der Fehler am Weiſel? hat er etwa keine
maͤnnliche Begattung mehr? daß umgekehrte Brut
erwaͤchſet! oder iſt ſie nach dem Grunde bey den
Thraͤnenkaͤmmerlingen zu ſuchen? ſollten dieſe alle
verdorben ſeyn, und alle miteinander einen verdorbe-
nen Futterbrey zuſetzen? Wenn wir alles ertruͤgen,
ſo bleibts wohl dabey, daß der Mangel maͤnnlicher
Befruchtung dieſes Verderben und Faͤulniß erregt.
§. 48.
Thraͤneneyer, aus dem ungeſchwaͤngerten Eyer-
ſtock, koͤnnen belebt, und zum ordentlichen Wachs-
thum gebracht werden! ſollten nicht auch ungeſchwaͤn-
gerte Eyer, ſo und auf gleiche Weiſe, aus dem ge-
ſchwaͤngerten Eyerſtock herkommen, durch bloßen
zuge-
[73] zugeſetzten Futterbrey belebt, und zum ordentlichen
Wachsthum befoͤrdert werden koͤnnen? Vielleicht
waͤre begreiflich, wie ein Afterweiſel und eine Menge
von falſchen Thraͤnen oder Quaͤckern entſtehen koͤnnte.
§. 49.
Ein Afterweiſel muͤßte auf dieſe Weiſe placirt
werden. Die Koͤnigin muͤßte ein ungeſchwaͤngertes
praͤformirtes Weyſeley aus dem geſchwaͤngerten Eyer-
ſtock legen. Dieſes Ey muͤßte von den Arbeitsbienen
in eine Mutterzelle getragen, und von den Thraͤnen-
kaͤmmerlingen mit ihrem zugeſetzten Futterbrey belebt,
und durch die ordentliche Bebruͤtung zum Wachsthum
gebracht werden. Und ſo muͤßte dieſer Weiſel, weil
es ihm in ſeiner erſten Anlage an der maͤnnlichen Be-
fruchtung gefehlet, nothwendig erwas von ſeiner ſchoͤ-
nen Geſtalt verliehren. Und dieſer Afterweiſel muͤß-
te ſodann auch einen doppelten Eyerſtock haben; weil
er aber ſchwerlich von dem Thraͤnenmaͤnnlein belegt
wird, ſo kann er nur aus dem ungeſchwaͤngerten
Eyerſtock ſeine Eyer ſchmeißen. Das ſind ſodann
nichts denn lauter Thraͤneneyer, und zwar ungeſtal-
tete Thraͤnen.
§. 50.
Hieraus kann gar leicht Buckelbrut entſtehen,
weil die Bienen dieſer Mißgeburt nicht gehoͤrig war-
ten, und ſolche erkaͤlten laſſen. Daher gar leicht eine
doppelte Buckelbrut angenommen werden mag. Ei-
ne, die von einem guten Weiſel bey Entvoͤlkerung
und Erkaͤltung entſteht, als vorige Art.
§. 51.
Die Buckelbrut kann ferner entſtehen, wenn die
maͤnnliche Begattung gar aufhoͤrt.
E 5§. 52.
[74]
§. 52.
Daher moͤgen bey Ablegern die halb ausgebiſſe-
nen Weiſelzellen kommen, —
§. 53.
Folge, wenn beyde Eyerſtoͤcke als geſchwaͤngert
angegeben werden wollen.
§. 54.
Es kann ſodann keine verſtaͤrkte Eyerlage erfol-
gen, wofern nicht zuvor die Eyer durch die innerliche
Befruchtung angefuͤllt oder geſchwaͤngert werden.
§. 55.
Alle Verderbniß der Faul- und Buckelbrut muͤß-
te vom aͤußerlichen Futterbrey herruͤhren.
§. 56.
Es koͤnnte ein Eyerſtock mehr als der andere be-
ſchwaͤngert werden, und folglich mehr Eyer legen;
alſo ein Stamm jetzt mehr Thraͤnen, zur andern Zeit
mehr Arbeitsbienen erhalten, wie leicht koͤnnte hier
mehr Verwirrung und Schaden entſtehen!
§. 57.
Es koͤnnte die Bienenmutter weder aus dem
einen noch andern Eyerſtocke mehr Eyer legen, ſo-
bald die innerliche Befruchtung aufhoͤret, alſo koͤnnte
weder von einem guten noch boͤſen Weiſel, bey Er-
mangelung der Thraͤnenmaͤnnlein irgend eine Faul-
oder Buckelbrut erzeuget werden. Da aber gleich-
wohl der gute und boͤſe Weiſel die Thraͤneneyerlage
fortſetzen kann, ſo muß der Abgang der gemeinen
Bieneneyerlage von einer mangelnden maͤnnlichen Be-
gattung
[75] gattung und mangelnden innerlichen Befruchtung des
einen Eyerſtocks herruͤhren, folglich muß ein Eyer-
ſtock als geſchwaͤngert, und der andere als unge-
ſchwaͤngert angenommen werden.
§. 58.
Es folgt aus dem doppelt angenommenen ge-
ſchwaͤngerten Eyerſtocke, daß dieſe Schwaͤngerung
nicht ein ganzes Jahr zuvor vorhergegangen, und
eine ſogenannte Ausduͤnſtung ein ganzes Jahr lang
ſeine Kraft aufbehielten, und doch hernach noch wirk-
ſam ſich erweiſen koͤnne.
§. 59.
Der Afterweifel, weil er ja Brut ſchmeißen ſoll,
muͤßte ſo gut, als der aͤchte von den Thraͤnenmaͤnn-
lein geſchwaͤngert werden koͤnnen, alſo iſt er weder
eine betruͤbte Wittwe, noch Zwitter, noch eine
Creatur, die aus einem ungeſchwaͤngerten Weiſeley
entſtanden, ſondern vielmehr aus einem geſunden
Weiſeley oder dreytaͤgigem Weiſelwurm, nur daß er
ſeine weitere Ausbildung nicht in einer ordentlichen
Weiſelzelle, ſondern in einer gemeinen oder Thraͤ-
nenzelle erhalten haͤtte.
§. 60.
Ein Afterweiſel wird alſo ſeine Eyerlage ſo gut
verrichten, als ein ordentlicher, folglich wuͤrde er kein
Fehler im Stocke ſeyn. Das iſt nun aber wider die
Erfahrung. Kann aber ein Afterweiſel ohne inner-
liche Befruchtung ſeine Eyer oder Brut legen, war-
um ſollte dies nicht auch der aͤchte thun koͤnnen? folg-
lich haͤtte man einen geſchwaͤngerten und ungeſchwaͤn-
gerten Eyerſtock viel ehender, als zwey zugleich an-
zunehmen. Was ſollte auch ein doppelter Eyerſtock,
wenn
[76] wenn alle Eyer von einerley Schroot und Korn waͤ-
ren? Dieſer innere Unterſchied des Eyerſtocks iſt
ohnmoͤglich ohne Grund! er iſt der Grund des Un-
terſchieds der Geſchlechter! Koͤnnen in der Natur aus
einem Eyerſtock zweyerley Geſchlechter kommen, war-
um nicht aus zwey, vier dergleichen?
Vierter Abſchnitt.
Von einigen Einwendungen wider die hier
vorgetragene Saͤtze.
§. 61.
Es ſtreitet nicht gegen einander, wenn hier von
praͤformirten Eyern, und von andern Bienenlehrern,
von dreytaͤgig praͤformirter Brut geredet wird. Es
ſind gleich viel geltende Saͤtze, ob man ſagt: es gaͤ-
be eine praͤformirte Weiſelbrut, oder ob man ſagt:
es giebt praͤformirte Weiſeleyer; denn man giebt ja
nach dem Schirachiſchen Syſtem zu, daß in jedem
Arbeitsbienenwurm der feinſte Organismus zum weib-
lichen Geſchlecht liege, nur gleichſam verſteckt und
verborgen, ſo lange dieſer dreytaͤgige Wurm in einer
gewoͤhnlichen Zelle liegen bleibt, ſich aber alsbald
entwickele, ſobald er eine groͤßere Zelle und einen an-
dern Futterbrey, auch mehrere Waͤrme uͤberkomme,
als wodurch er ausgebildet und erweitert wuͤrde, daß
eine Bienenmutter zum Vorſchein kommen muͤſſe.
Nun wird nach unſerm Syſtem behauptet, daß dieſer
feine Organismus ſchon im Ey ſelbſt aufgeſucht wer-
den muͤſſe. Giebt es praͤformirte Wuͤrmer, ſo muß
es auch praͤformirte Eyer geben, folglich iſt die
Streitſache nicht verkehrt und es einerley, ob man
von praͤformirten Weiſeleyern oder von praͤformirter
Weiſelbrut redet. Wendet man ein, ein anderes
waͤre
[77] waͤre der Organismus zu einem weiblichen Geſchlecht
uͤberhaupt, ein anderes der Organismus zu einer
Mutterbiene! ſo muß man erſt erweiſen, daß ſolcher
Organismus zum weiblichen Geſchlecht in einem je-
den dreytaͤgigen Arbeitsbienenwurm wirklich anzutref-
fen, ferner, daß die gemeinen Arbeitsbienen lauter
Bienen vom weiblichen Geſchlecht, und alſo die
weiblichen Geburtsglieder in ſich enthalten; imglei-
chen muß man aus dem Geſetze der Natur darthun
koͤnnen, wie es moͤglich ſey, daß blos die Geburts-
glieder durch einen engern Raum ſollten unterdruͤckt
und in ihrer Ausbildung zuruͤckgeſetzt werden, da doch
alle uͤbrige Theile des Leibes den nehmlichen Druck aus-
zuhalten haben, als die Geburtsglieder; erweiſen muͤſte
man, daß ein feiner Organismus zu einem Geſchlecht
blos durch einen aͤußerlichen Futterbrey koͤnne mitge-
theilet werden; — daß zur Belebung einer jungen
Zucht keine innerliche noch aͤußerliche maͤnnliche Be-
fruchtung erforderlich; — daß der dreytaͤgige Wurm,
ſobald er nur 4, 5 bis 6 Tage alt worden, ſchon in
Anſehung der weiblichen Geburtsglieder zuſammen-
gedruckt und verſtuͤmmelt worden waͤre, ſo daß als-
denn keine Bienenmutter daraus entſtehen koͤnnte:
ohngeachtet noch immer der Organismus zum weibli-
chen Geſchlecht in feinſter Kleinheit darinnen liegt,
und noch Platz genug in der Zelle iſt; — daß der
nehmliche dreytaͤgige Wurm, der von der Sorte der
gemeinen Bienen ausgezogen, und in eine beſondere
Zelle getragen worden, nur eine gemeine Biene ge-
blieben waͤre, wenn er in ſeiner erſten Zelle geblie-
ben waͤre! Wie kommts? daß in dem Thraͤnen-
ey nicht der Organismus zu einer kleinen gemeinen
Bienen lieget? ſoll das Thraͤneney urſpruͤnglich den
Grund zu einer Thraͤne in ſich enthalten, und nur ein
gemeines Ey dieſen Urſtof erſt am zweyten oder
dritten Tag durch einen Futterbrey uͤberkommen?
Es
[78] Es kann alſo keine praͤformirte Brut da ſeyn, wenn
nicht bereits praͤformirte Eyer vorhanden ſind.
§. 62.
Warum nehmen die Bienen keine praͤformirte
Weiſeleyer, ſondern einen dreytaͤgigen Wurm? Antw.
1) weil die dreytaͤgigen Wuͤrmer ſchon naͤher zur Be-
bruͤtung zubereitet ſind (daher ſie auch ſechs bis acht-
taͤgige Brut oft nehmen, und ſie ſogleich am erſten
Tag des Ablegens zuſpunden); 2) ſo werden alle
Eier von der Auswahl und Bebruͤtung der aͤußerli-
chen Befruchtung theilhaftig ſeyn muͤſſen, ſo wie ſie
zum Theil der innern Befruchtung nicht ermangeln
duͤrften. Sollte man aus lauter neuen Eyern ein
Stuͤck Bruttafel nehmen, und zugleich in den Brut-
kaſten Thraͤnen beyderley Geſchlechts mit einſetzen,
oder auch nur gemeine Thraͤnenkaͤmmerlinge mit, wer
weiß, ob man nicht auch Weiſel bekommt? Es hin-
dert nichts, daß Ableger erwachſene Thraͤnen nicht
leiden, da ſie zu aͤußerlicher Befruchtung ihrer Wuͤr-
mer ſolche zur Zeit nicht mehr noͤthig haben. Der
erſte Zuſatz, den die Thraͤnenkaͤmmerlinge, als ihren
erſten Saamen einfließen laſſen, verhaͤlt ſich eben ſo,
wie das Weiſſe im Ey zu ſeinem Dotter. Beydes
bleibt ſo lange in ſeinem geſunden Zuſtande, ſo lange
kein Anfang mit der Vebruͤtung gemacht wird. Ohn-
fehlbar thun die Thraͤnen, wenn der erſte wenige
Futterbrey hinzugeſetzt iſt, keinen weitern Zuſatz mehr
hinzu, bis die Bienen die Bebruͤtung anfangen; da-
her kann ein ſogenannter dreytaͤgiger Wurm, der eine
organiſirte Bienenmutter in ſich enthaͤlt, lange Zeit
als ein dreytaͤgiger Wurm oft liegen bleiben, bis etwan
die Noth da iſt, oder man nun eine ſolche Tafel in
den Brutkaſten einſetzet, und die Bienen von ihrem
ordentlichen Weiſel trennet, und dieſe Wahrheit iſt
leicht
[79] leicht ausfindig zu machen, wenn man einen geſun-
den beweiſelten Stock dergleichen Tafel zuſetzet,
nach einiger Zeit wieder wohl betrachtet, ohnveraͤn-
dert erhaͤlt, und nun damit in einem Brutkaſten die
Anſtalt zum Weiſelziehen macht, wie alt wird nicht
der dreytaͤgige Wurm geworden ſeyn, ohne daß er
ſich weiter entwickelt, bis er aus Noth hierzu im
Brutkaſten gebracht wird. Dergleichen dreytaͤgige
Wuͤrmer wird man ſodann mitten unter andern gro-
ßen Wuͤrmern, ja oͤfters unter lauter Eyern antreffen,
ohne daß ſie ſich entwickeln, da andere um und neben
ihnen von Tag zu Tag groͤßer werden!
§. 63.
Soll die Swammerdammſche Ausduͤnſtung ſtatt
finden?
§. 64.
Es kann ein Weiſelwurm in einer gemeinen Zelle
erwachſen, ſo wie verſchiedene Thraͤnen in dergleichen
Zellen. Es entſteht alſo ein kleinerer Weiſel; hat ei-
nen doppelten Eyerſtock, und kann nicht nur Thraͤnen-
eyer, ſondern auch praͤformirte gemeine Bieneneyer
und Weiſeleyer legen; weil aber ein ſolch kleiner Wei-
ſel vom ordentlichen Thraͤnenmaͤnnlein nicht kann be-
ſchwaͤngert werden, ſo wuͤrden die gemeinen Bienen-
und Weiſeleyer lauter ungeſchwaͤngerte Eyer ſeyn, und
gar leicht zur Faulbrut Anlaß geben, und alſo ein
ſolch kleiner Weiſel nichts als lauter Thraͤneneyer oder
Thraͤnenbrut ſchmeißen, und alſo mit Recht ein Thraͤ-
nenweiſel genannt werden koͤnnen.
§. 65.
Nun kann man ſehen, wenn der Weiſel eine
Witwe, — oder von einem ungeſchwaͤngerten Wei-
ſeley
[80] ſeley erzeugt, — aus einem ordentlichen Weiſelwurm
in einer gemeinen Zelle gebohren, — oder aus einer
Thraͤnenzelle gekommen! Will man oͤkonomiſch ver-
fahren: ſo muß man dergleichen Staͤmme mit geſun-
den copuliren.
§. 66.
Wird Swammerdams Syſtem betrachtet;
§. 67.
Als unnatuͤrlich angeſehen, weil dabey inſonderheit
die gemeinen Fehler der Zucht nicht gehoben werden
koͤnnen.
§. 68.
Es muͤßte nach ſelbigem kein Stock zu Grunde
gehen, welches wider alle Erfahrung.
§. 69.
Einige Erfahrungen beſtaͤtigen dieſe wichtige
Sache, die man zu weiterer Pruͤfung hiermit ſumma-
riſch entworfen, mitgetheilet.
[[81]]
Grundlage
einer
ſichern phyſiſchoͤkonomiſchen Kenntniß des eigent-
lichen Hauptzuſtandes vom Grund und Boden in
der Churmark Brandenburg.
Dergleichen aͤußert ſich nach deſſen Verſchiedenheit,
Hoͤhe, Lage und einer darauf gegruͤndeten groͤßern
oder mindern natuͤrlichen Tragbarkeit, bald in einzel-
nen Gegenden, bald in ganzen Provinzen: Es aͤn-
dern ſich aber der Erfahrung zufolge unter ihrem jedes
Ortes eigenem Clima faſt uͤberall zu beſondern Local-
umſtaͤnden, daß man im Urtheilen uͤbetaus behutſam
ſeyn muß.
Diejenigen anſehnliche Striche unter den koͤnig-
lichen deutſchen Laͤndern, welche in ihrer Lage und
Verbindung zuſammen genommen, die jetzige Chur-
mark Brandenburg ansmachen, haben bey ihrer ab-
wechſelnden Hoͤhe und Lage mit ihren naͤchſt angraͤn-
zenden Nachbaren eine zum Theil ſehr aͤhnliche Ober-
flaͤche, deren Grundmiſchung und die davon entſte-
hende Eigenſchaften ſich einander gradweiſe naͤhern,
oder nach eben derſelben ganz verſchieden ſind. Der
FChur-
[82] Churmark fehlen indeſſen hohe und niedrige Gebuͤrge,
Felſen und Klippen ganz und gar, deren Stelle ver-
treten hin und wieder hohe und niedrige Erd- und
Sandhuͤgel, die entweder mit Wald uͤberzogen, oder
auch von ſolchen entbloͤßet ſind. Zwiſchen dieſen
ſind weitlaͤuftig entweder recht fruchtbare, fette oder
auch trockne, mittelmaͤßige und ſchlechte Ebenen, de-
ren Grund und Voden unter dem Namen des Heyde-
bodens bekannt iſt. Dieſer ſtreichet insgemein in
feuchte Niedrungen bis in die weitlaͤuftigen Bruchwieſen
und Moraͤſte an die Fluͤſſe und Landſeen, ein Theil von
den letztern kann zu den Erdfaͤllen gerechnet werden, de-
ren Grund in einem mit Sumpferde vermiſchten Mu-
ſchel- und Kalkſchlamme beſtehet. Ein Theil der
huͤglichten Gegenden in den Provinzen iſt mit Sande be-
decket, von gar verſchiedener Art und Miſchung, dabey
mehr oder weniger ſteinigt, mit verwitterter Eiſenerde,
Glimmer, Kalk, oder Leim, auch mit Staub oder
Gartenerde abwechſelnd vermengt. Ein anderer
Theil wechſelt oft mitten im Sande, mit Thon, ma-
germ Leime, auch einem guten tragbaren Mittelboden
auf Huͤgeln und Plaͤnen ab, ſo wie die flaͤchern und
tiefern Unterlagen deſſelben.
Beyderley Arten von Huͤgeln machen in eben
den Provinzen, mitten in dem beſten oder auch ſchlech-
ten Boden nach und nach ſehr merkliche Veraͤnderun-
gen: es verliehren ſich davon viele, oder ſie werden
doch ſehr niedrig, dagegen wieder neue entſtehen.
Wird nun der unterliegende ſandige Boden von
fruchtbaren Hoͤhen und Huͤgeln durchzogen, oder be-
graͤnzet, ſo fuͤhret ihm der Abfluß der Tagewaſſer eine
tragbare Erde zu, und die naͤchſten Laͤndereyen ver-
beſſern ſich nach und nach: eben ſo, wie ſich im Ge-
gentheil die beſten Laͤndereyen verſchlimmern, wenn
ſie von freyen und hoch gelegenen Pflugſand bergen
theils durch gedachte Tagewaſſer, theils durch die
Stuͤrme
[83] Stuͤrme aus Nord- oder Suͤdweſten ſehr tief oder nur
flach uͤberſandet werden.
Ohne aber hiervon der in der Naturgeſchichte
laͤngſt bekannten Unterſchiede des Sandes zu geden-
ken, ſo finden ſie ſich groͤßtentheils in der Churmark
wie bey deſſen Nachbaren, und die traurigen Verſan-
dungen durch den Flugſand, mit ſogenannten Brenn-
flaͤchen, oder Flaͤchen im todten Sande; von dem
ohne allen Schutz und Bedeckung freygelegenen Hoͤhen
entſtehen dergleichen, in der Churmark auf vorbeſagte
Weiſe, wie bey ihren Nachbaren, ohne daß ſie eben
allgemein waͤren oder ſich ſchlechterdings ereignen
muͤſſen! Derjenige zerſtoͤhrende Zufall, der dem un-
terliegenden Sande ſeiner Decke ploͤtzlich mit Ge-
walt oder auch allmaͤhlich beraubet, an welcher ſonſt
die Natur faſt beſtaͤndig arbeitet, er habe nun Urſa-
chen welche er wolle, ſo verurſachet dergleichen trau-
rige Verwuͤſtungen. Dadurch werden die ehedem
fruchtbar geweſenen Feldmarken, Weiden, Wieſen,
und ſelbſt Torfbruͤcher dergeſtalt begraben, daß man
darunter die Lagen von Torf, Thon- und Wieſenerde
antreffen kann. Auf den ſogenannten wuͤſten Sand-
ſchollen werden nicht unbetraͤchtliche Huͤgel durch
Anhaͤufung des Flugſandes um die Steine und Baͤu-
me gebildet. Wie oft entſtehen nicht dergleichen ein-
zelne Sandberge von verſchiedener Geſtalt und Hoͤhe,
in welchen ein junger Birkenaufſchlag allmaͤhlich uͤber-
ſandet iſt, daß eine oder mehrere Birken zuſammen
bis an die Spitzen voͤllig begraben worden ſind, dabey
ihre aͤußere jungen Zweige jaͤhrlich fortwachſen und
bluͤhen. Das Anſehn ſolcher Flugſandhuͤgel, die zu-
weilen mit der Zeit mit einem ſchlechten Raſen uͤber-
zogen werden, unterſcheidet ſie von weitem dadurch,
daß man gedachte Huͤgel, vor einem ganz jungen Bir-
kenaufſchlag halten ſollte, wenn man ſtatt deren nicht
F 2einzelne
[84] einzelne ganze 10 bis 15 fuͤßige Staͤmme aus dem
Sande graben koͤnnte.
Was die in gewiſſen Jahren ſich ereignende
Ueberſtroͤhmungen und gewaltſame Durchbruͤche von
Fluͤſſen und wilden Waſſern in mehreren deutſchen
Provinzen und faſt aller Orten thun oder gethan ha-
ben, und durch ihre verſandete Verwuͤſtung vor ver-
ſchiedene uͤbele Folgen verurſachet, darf man hier
gleichfalls vor die Churmark Brandenburg insbeſon-
dere nicht anfuͤhren. Am wenigſten aber wird man
gleichſam daraus ſchlußweiſe erzwingen wollen, daß
es der Churmark an gutem tragbaren hin und wieder
fettem Boden mangele: dagegen die Art der Cultur
des Ertrages aus dem Feldbau der Viehzucht, und
Fettweide nach Maßgabe der uͤbrigen oͤkonomiſchen,
auf Localumſtaͤnde und deren Abaͤnderung uͤberall ge-
machten Einrichtungen, ganz etwas anders beſage,
auch bey jenem noch auf zwey ſehr betraͤchtliche Arti-
kel Ruͤckſicht genommen werden muß, die ſich nach
der Natur des Bodens der Menge von Schaͤfereyen
und den anſehnlichen Forſten des Landes von ſelbſt
ergeben.
So manchen Schaden diejenige Laͤndereyen der
Churmark von jeher erlitten haben moͤgen, welche zu-
naͤchſt an den großen Fluͤſſen belegen und ihrer natuͤrli-
chen Lage halber der Ueberſtroͤhmung ausgeſetzet ſind,
ſo haben doch andere von aͤhnlicher Lage, beſage ihres
vorzuͤglichen fetten Ackers und fruchtbaren Wieſen
und Weiden, durch eben dieſelben einen ſehr anſehnli-
chen Ueberzug von einer der beſten tragbarſten Erde er-
halten. Unter vielen andern Gegenden, dergleichen
man betraͤchtlich nennen kann, wollen wir nur den Theil
des Oderbruches nennen, der den Namen desjenigen
Oderbruches hat, und ſich beſonders von Frankfurth
an der Oder faſt bis gegen Wriezen erſtrecket. Der
ganze
[85] ganze Hauptgrund beſtehet zwar aus Sande, uͤber
welchem aber die Oberlage von fetter Erde durch den
Oderſchlamm groͤßtentheils entſtanden iſt. Dazu
koͤmmt ein an verſchiedenen Orten von den Bergen
ſeit langen Jahren herabgeſpuͤhlter Leim. Dieſe
fruchtbare flache Erddecke im Oderbruche, gehet ins-
gemein nicht uͤber zwey Spadenſtiche tief, und an
vielen Stellen betraͤgt ſie kaum die Haͤlfte.
Noch bemerket man hin und wieder einzelne oder
mehrere zuſammenhaͤngende Ueberbleibſel von ehema-
ligen gewaltſamen Veraͤnderungen in den niedrigen
Gegenden, die bey ſtarken Durchbruͤchen der Stroͤhme
von einem geſchwinden und oft wiederholten Zuſam-
menſtuͤrzen der Fluthen und wilden Waſſer verurſa-
chet worden ſind. Sie ſtellen weitlaͤuftige betraͤchtli-
che Untiefen vor, welche entweder ein beſtaͤndiger un-
merklicher Zufluß unterhaͤlt, oder da ihre niedrige
Lage außer der Verduͤnſtung keinen Abgang und Ab-
fluß verſtattet, zu ſogenannten Pfuͤhlen oder faulen
Seen werden. Anſtalten zu muͤhſamen Bearbei-
tungsarten und Koſten haben in der Mark manchen
von dergleichen unbrauchbaren Moraͤſten, mit mehr
oder weniger oͤkonomiſchen Vortheilen ſo viel moͤglich
unſchaͤdlicher gemacht. Einen ſehr anſehnlichen Theil
hingegen hat man ſo lange ſich ſelbſt uͤberlaſſen bleiben
muͤſſen, bis mit der Zeit die langſame, mit nicht
immer gewiß voraus zu beſtimmenden abwechſelnden
Zufaͤllen verbundene Naturwirkung, Bequemlichkeit
verſchaft, dergleichen Oerter endlich nach und nach in
brauchbare Laͤndereyen umzubilden. Viele haben ſich
mit der Zeit langſam mit Sand, kalkigtem Torfſchlamm
und Waſſermooß ausgefuͤllet, bis ſie von ſchlechtem
Seggegraß uͤberzogen worden ſind. Was dabey
durch Nachdenken, wirthſchaftliche Anſtalten, Arbeit
und große Koſten moͤglich zu bewirken geweſen, iſt
F 3gewiß
[86] gewiß geſchehen. Ganze Gegenden in dem groͤßten
Theil der Churmark zeigen von dem gluͤcklichen Fort-
gange dieſes großen Unternehmens, durch den ſtarken
Zuwachs von neuen Laͤndereyen an Acker, Wieſe-
wachs, Viehſtand und der Zahl der Einwohner.
Von denen in einigen Gegenden der Churmark
befindlichen, ſchon vorher erwehnten, vielen Huͤgeln,
welche entweder mit Geſtraͤuche und Waldungen be-
deckt ſind, oder auch nebſt einer offenen und freyen
Lage, bald gewoͤhnlichen Heydeboden, oder eine
fruchtbare uͤber den Sand liegende Dammerde haben,
nicht ſelten aber eine mit dichten kurzen Raſen uͤberzo-
gene, und reine feine Schaafweide unterhalten, iſt
nichts zu wiederholen, als daß ſie wegen ſchon ange-
zeigter verſchiedener Lage und Beſchaffenheit der
Dammerde den daran gelegenen Laͤndereyen bald nuͤtz-
lich, bald ſchaͤdlich werden. Die mit Holz bewachſe-
nen Hoͤhen geben den letztern einen beſondern Schutz,
und die durch Regen und Schneewaſſer dahin abfluͤßen-
de gute Erde, einen Zuwachs. Die aber entweder
einen ſehr ſchlechten duͤnnen Heydegrund haben, oder
auch durch die heiße Witterung ganz von zerſtoͤhrtem
Raſen entbloͤßet ſind, daß der Flugſand durch Waſ-
ſer und Sturmwinde beſtaͤndig nach den Niedrungen
zugefuͤhret werden kann, uͤberſanden nach und nach
ganze tragbare Feldmarken dermaaßen, daß ſich nicht
etwa der natuͤrliche Ertrag davon nur ſichtlich vermin-
dert, ſondern bey etlichen gar aufgehoben wird. Die
alſo unter dem Sande dermaßen begraben worden,
daß ſich ſowohl bey uns, als in andern Laͤndern, ſehr
ſelten oder gar an keine Verbeſſerung mit oͤkonomi-
ſchen Vortheilen denken laͤßt.
Den Anfang ſolcher Verſandungen nach ihren
gewaltſamen Gelegenheitsurſachen, mit den abwech-
ſelnden traurigen Zufaͤllen aus den alleraͤlteſten Zeiten,
nach
[87] nach der erſten Bewohnung der Churmark, nebſt den
vielen merkwuͤrdigen Veraͤnderungen, die durch Ge-
walt von großen Stroͤhmen darinnen vorgegangen
ſind, richtig zu beſtimmen, iſt hier der Ort nicht.
Was wuͤrde es nuͤtzen, wenn man mit manchem al-
ten Geſchichtsſchreiber, das erſte feſte Land aus
dem nicht mehr erweißlichen Meerbuſen herausſtei-
gen ließe, und ihm, durch graͤßliche Vulkane eine
auf den umgeſtuͤrzten und zerriſſenen Gebuͤrgskeiten
entſtandene Oberflaͤche gaͤbe. Wie wenig wuͤrden
hier die bloßen Muthmaßungen befriedigen, wenn
man aus den allerdunkelſten Zeiten der Vorwelt
Beweiſe von koͤrperlichen Ueberbleibſeln, dazu her-
nehmen und dabey ſtehen bleiben wollte, denen man
oͤfters ſogar keinen rechten verſtaͤndlichen Namen nicht
geben kann. Wir geriethen bey einem ſo unanwend-
bahren muͤhſamen Fleiße, welchen wir zur Erklaͤrung des
unuͤberſehlichen Vorrathes unkenntbarer Ueberbleib-
fel von zerſtuͤckten Naturkoͤrpern anwendeten, doch nicht
dahin, daß wir den erſten natuͤrlichen Zuſtand der Laͤn-
der, die wir bewohnen, wieder auffinden und richtig
ausmachen koͤnnten? Was wuͤrden auch einige wenige
und wenig wichtige nachrichtliche Bruchſtuͤcke, von
dem vormahligen vielleicht ſchwer zu erklaͤrendem Zu-
ſtande der aͤußerſten Perioden unſerer Vorwelt auf
unſere Gegenden, als den kleinſten Punkt in derſelben,
ſonderlich nutzen, bey deren unſicherm Ausfinden, wir
in die Finſterniß lauter unanwendbarer Muthmaßun-
gen, ganz begraben wuͤrden? Diejenige phyſikaliſche
in Verbindung mit allen uͤbrigen Hauptkenntniſſen
des gegenwaͤrtigen Zuſtandes unſers Vaterlandes
muß uns dagegen immer wichtiger bleiben, da wir
daraus im Stande ſind, die ſicherſten Vortheile
zu ziehen.
Dieſer abwechſelnde phyſicaliſche und der auf
jenen gegruͤndete oͤkonomiſche Zuſtand der ganzen
F 4Ober-
[88] Oberflaͤche in der Churmark Brandenburg, iſt nach
der einwuͤrkenden Natur ihres darinnen herrſchenden
phyſiſchen Clima, zwar ein ihr eigener, dennoch aber
kein vor ihren naͤchſten Nachbaren ganz beſonderer:
daß man nach der gemeinen Sage und dem daher ge-
nommenen Vorurtheil etlicher Schriftſteller glauben
muͤßte, als zeichnete ſich die ganze Mark ihres ſchlech-
ten und unfruchtbaren Bodens halber uͤberall vor an-
dern Laͤndern aus. Denn dieſer Ausſpruch kann nur von
hohen, trocknen, rauhen, unfruchtbaren einzelnen Ge-
genden wie anderwaͤrts gelten, dergleichen ſie mit ihren
Nachbaren gemein hat. Wenn man aber dieſe in
Betrachtung ziehen wollte, wie viele zum Theil an-
ſehnliche Sandbuͤchſen, wuͤſte hohe Berge, nackende
rauhe Felſen und Klippen, die nach Art der niedrigen
Gebuͤrgsketten hie oder da zuſammenhangen, wuͤrden
nicht manche Kreiſe des heiligen roͤmiſchen Reiches
vor ſich insbeſondere etwas aufzuweiſen haben? mit
wie vielen fruchtbaren Ebenen, an Thaͤlern, Wieſen,
Waldungen und beſonders tragbaren Laͤndereyen aber,
wechſeln dieſe nicht ab. Nicht noch zu wiederholen,
was die Bruͤche, Moraͤſte, Landſeen und weitlaͤufti-
ge Torfmoore, mit ſtehendem Waſſer, welche ſo wie
der Heydeboden und Sand, die in vielen, recht vor-
zuͤglich tragbaren Laͤndern Deutſchlandes, außer der
Mark Brandenburg gleichſam durchſchneiden.
Allein, welche wohl uͤberlegte Anſtalten, wel-
cher faſt eiſerne Fleiß ſind unter Beguͤnſtigung der
groͤßten Summen nicht von je her mehr in der Mark,
als anderwaͤrts mit den gluͤcklichſten Folgen verwendet
worden, um nach recht oͤkonomiſch practiſchen Gruͤn-
den, durch Verbindung der Natur mit der Kunſt, die
der erſten nirgend entgegen arbeiten muß, mit Be-
ſtand reelle Verbeſſerung vorbeſagter Umſtaͤnde zu ma-
chen. Dieſe werden mit gleicher Kraft nach Moͤg-
lichkeit
[89] lichkeit fortgeſetzet, um neues Land hervorzubringen
und es tragbar zu machen, das ſchlechte zu verbeſſern,
das verbeſſerte zugleich in ſeiner Nutzung zu erhalten
und immer zu erhoͤhen: ſo weit nehmlich die beſondere
Lokalumſtaͤnde jedes Ortes verſtatten, dergleichen Ein-
richtungen und Veraͤnderungen zu machen oder vorzu-
nehmen. Wer das Gluͤck und Gelegenheit hat, ſich ſeit
15, 30 bis auf 60, 80 Jahre des vorigen Zuſtandes der
Laͤndereyen in der Mark als Sachverſtaͤndiger zu erin-
nern, muß nothwendig uͤber die jetzige ihm gegebene neue
Geſtalt in die groͤßte Verwunderung gerathen, wo-
von ein anderer, der die außerordentlichen betraͤchtli-
chen Veraͤnderungen nicht nach einander und aus ein-
ander ſelbſt entſtehen ſehen, kaum ein richtiges Ge-
fuͤhl hat.
Daß aber wenn man den Sinnen trauen darf, der
vorher angefuͤhrte abwechſelnde Zuſtand der Oberflaͤche
an Grund und Boden in allgemeinen oder ganzen, we-
gen der verſchiedenen Hoͤhe, Lage, und Grundmi-
ſchung bey dem zunehmenden hohen, oder zuruͤckge-
henden niedrigen Sonnenſtande, und der davon ab-
hangenden Witterungseinwuͤrkung, allerdings ſeine
Richtigkeit habe, ergiebt ſich aus der Beſchaffenheit
der Produkte aller drey Naturreiche, dergleichen die-
ſe koͤniglichen Prvinzen von ſich ſelbſt hervorbringen,
von Mineralien und Foßilien findet man darinnen
nur wenige Arten, die aber zur Anwendung in hinrei-
chender Menge nutzbar ſind. Doch gehoͤren ſie nicht
unter die beſondern, dergleichen ſich in den uͤbrigen
teutſchen Laͤndern nicht vornehmlich an den ausgehen-
den der Gebuͤrge finden ſollten: bis auf die Neſter
oder einzeln Spuhren von Bernſtein, das hieſige Eiſen
befindet ſich allein in Sumpf- oder Wieſeerzten.
Alaun in einer beſondern vermiſchten Erde, dieſem
folget in verſchiedenen Gegenden das Kochſalz. Der
F 5Stein-
[90] Steinkalk bricht nur in einem beſondern Floͤtze, und
iſt zuweilen mit dem Gips und deſſen Abaͤnderungen
beyſammen oder auch nicht. Etliche Gegenden ha-
ben Gruben von hartem und weichem Thon und Kalk-
mergel, welche auch bald flaͤcher oder tiefer unter der
Damerde ſtehen. Mit den farbigen verſchiedenen
Fett- und Walkerthonarten hat es eine aͤhnliche Be-
ſchaffenheit. Man bemerket die letztern, wie den Kalk
und Gips, mit dem Sande und der tragbaren Erde auch
zwiſchen den Durchfluhten zuſammengeſchwaͤmmten
Steinlagen vermiſcht.
Ohne hier insbeſondere von dergleichen zum Mi-
neralreiche gehoͤrigen Produkten zu handeln, von wel-
chen ohnehin in einzelnen Schriften kurze Nachrich-
ten und ein Anfang zu oryctographiſchen Bemerkun-
gen gegeben worden, will ich im Vorbeygehen nur
folgendes in Erinnerung bringen. Das Eiſen, wel-
ches ſich nach ſchon geſchehener Anzeige in dem
Sumpf- oder Wieſenerze befindet, wird in etlichen
Gegenden der Mark haͤufig gegraben und verſchmol-
zen, befindet ſich aber durchgehends in Quellen, Mo-
raͤſten, groben leimfarbigtem Thon und Sandgrund
oft unter der fauchtbaren Damerde, das eintraͤgliche
Alaunbergwerk zu Freyenwalde iſt noch das einzige
im Lande, man findet in der Muttererde deſſelben al-
lerley Beymiſchungen, Gips in einer Art von Frauen
Glaße. Neue Anzeichen auf Alaun und Gips, haben
ſich ſeit zwanzig Jahren, außer der Churmark, hin-
ter Koͤnigswalde, an der Gegend der Warthe bis
gegen den Oderſtrohm in Großpohlen nicht hervorge-
than. Des Kochſalzes wegen iſt in den Provinzen
der Churmark kein Zweifel, da nicht nur die Quellen
ſelbſt zwiſchen der Havel, hinter Spandau, am
Nauenbruche, und um die Luͤtſche vorhanden ſind,
ſondern auch die Altemark davon vornehmlich ein be-
ſonderer
[91] ſonderer Zeuge iſt. Ob man ſchon davon, wegen gro-
ßen Vorrathes in den uͤbrigen koͤniglichen Laͤndern
zur Zeit noch keinen Gebrauch zu machen noͤthig
gefunden hat. Außerdem iſt die Gegenwart des
Kochſalzes, in unſern Niedrungen und faſt ſtrichweiſe
auf Wieſen und Weiden an fetten Graͤſereyen und
uͤbrigen Pflanzen der groͤßte Beweiß, deren Guͤte
ſich auf das Rind- und Schaafvieh erſtrecket. Sonſt
aber wachſen in vorgedachten Gegenden ſogar fremde
Meerpflanzen, dergleichen ſonſt außer einem Salz-
und Meergrunde, weder anderwaͤrts hervorkommen
noch gedeyen.
Kalk findet ſich abwechſelnd in den Churmaͤrki-
ſchen Provinzen in verſchiedener Menge, Lage, Ge-
ſtalt und Tiefe bald reiner und feſter, bald locker und
faſt mit allen uͤbrigen Erdarten vermiſcht. Die be-
ruͤhmte Steinkalkfloͤße, die unter den Namen der
Kalkberge zwiſchen Ruͤdersdorf und Tasdorf gelegen
ſind, und ihres reichlichen Ertrags halber nach Maß-
gabe der Berechnungen fuͤr eines der ergiebigſten
Bergwerke, und fuͤr einen Schatz des Landes gehal-
ten werden koͤnnen, haben fuͤr die Zukunft einen faſt
unabſehlichen Vorrath, an ihrem Ende, auf der rech-
ten Seite, gegen die Schleuſe hin, finden ſich mitten
in derſelben eine Art von Porcelanerde, welche auf
die hieſige Fayance verarbeitet wird, mit einzelnem
Anbruch von Frauenriß, Strahl und andern Gips.
So wie nun die Churmark faſt durchgehends
einen haͤufigen aufgeloͤßten und verwitterten Kalk, in
den meiſten Erdarten fuͤhret, welcher vielleicht nicht
allein aus dem Steinkalke, ſondern auch durch die
Laͤnge der Zeit tief unter Waſſer von zerriebenen und
zertruͤmmerten feinen Meermuſchelſchaalen entſtan-
den ſeyn mag, ſo bildet dieſer mit Moraſt und an-
dern
[92] dern verfaulten Dingen vermiſcht in der Churmark,
bald einen Kalkſchlamm bald ſetzet er ſich wie in
einigen Gegenden der Uckermark, in der Gegend von
Prenzlau in derben und maͤchtigen Lagen unter der
Dammerde feſter zuſammen. Schlaͤmmet man dieſe
Art des Bruchkalkes aus, ſo erhaͤlt man daraus ei-
ne anſehnliche Menge von den kleinſten feinſten ver-
gangenen Meermuſcheln. Koͤmmt eben dieſer in der
verſchiedenen Dammerde zum Vorſchein, ſo ſtellet er
einen weißen Kalkſtaub vor, welcher dieſen Boden
ſproͤde, hungrig und mager macht. Dergleichen
wird an vielen Orten um Berlin von Maulwuͤrfen mit
ausgeworfen, wo er aber in feuchtem fruchtbarem
Bruchacker lieget, ziehet er ſich in den heißen Jahreszei-
ten zuweilen des Nachts um den Fruͤhſtunden als eine
zarte unſchaͤdliche Kalkrinde uͤber die Erde, welche
aber taͤglich in den Vormittagsſtunden uͤber ſo bald
wieder verſchwindet; und von den Coloniſten bey
Neuſtadt an der Doſſe Salpeter genennet wird.
Noch eine in der Chur- und Neumark beſon-
ders [haͤufiger] als anderwaͤrts außer denſelben vorkom-
mende Erſcheinung iſt dieſe, daß gedachter mit fein
und groben Sande vermiſchter Kalkſtaub, die aus
gefaulten hohlen uͤberſandeten Baumwurzeln von etli-
chen Holzarten, Ausfaͤlle und ihre Geſtalt behalte,
wenn auch Holz und Schaale ſchon laͤngſt vergangen
ſind, dieſes beſondere maͤrkiſche Produkt iſt von alten
Zeiten her, und zwar ſchon ſeit der Regierung des
Kayſers Maximiliani II. mit vielen Fabeln von ſeiner
Entſtehung unter dem Namen Knochenſtein oſteocolla
bekannter geworden. Zuweilen faͤhrt man kurz auf
ſtark anhaltenden Platzregen durch die tiefen Wege,
in welchen das Waſſer den feinen aufgeloͤßten Kalk
von den Hoͤhen herunter dahin zuſammenfuͤhret, da
alsdenn Pferde, Wagen und Menſchen gleichſam in
eine
[93] eine weiße fette Milch zu ſtehen kommen, dergleichen
man bey Loͤſchen des Kalkes gewahr wird. Bey die-
ſer Erſcheinung verdienet noch ein Umſtand bemerket
zu werden, welcher noch den ſchon erwaͤhnten Kalk-
ſtaub angehet, und wovon ſchon geſagt iſt, daß er zu-
weilen unter dem Namen des Mergels den Grund
einzelner Landſeen ausmachen. Es iſt nehmlich auf
der Graͤnze des Lebuſiſchen und Oberbarnimmer Krei-
ſes, in dem Forſte, der den Namen Lapenow hat, ein
See belegen, welcher von ſeinem weißen Kalkgrunde
und klarem Waſſer in dortiger Gegend der weiße
See genennet wird. Fiſche, Krebſe und andere dar-
innen lebende Thiere ſind vor denen aus andern Seen
weiſſer an Farbe, daß ſie ſich, wenn man ſie unter
andere Fiſche und Krebſe miſchet, doch an ihrer ſehr
blaſſen und weiſſen Farbe unterſcheiden. Die Kran-
ken laſſen ſich meilenweit Fiſche aus dieſem See
bringen.
Die bekannten Arten von Leime, Ziegelerde,
gemeiner und reiner fetter Walkerthon- auch Bolar-
und Farbeerden, welche letztere ihre Farben den ver-
witterten Eiſenerzten zu danken haben, ſind in der
Chur- und Neumark in einzelnen Gegenden nicht ſel-
ten, und machen die ſogenannte Bolarerde oͤfters un-
ter der Dammerde ganze und ſtarke Lagen aus, wie
der gemeine Thon, oder ſie ſind mit dem Sande ſelbſt
in großer Menge vermiſcht. Sie kommen an einigen
Orten, ſo wie der Staub- oder weiße Kalk oͤfters in
den Maulwurfsbuͤgeln unter allerhand Arten von
Farben zum Vorſchein, nach dem reinigen und aus-
ſchlaͤmmen haben ſie in Oel den Nutzen und Gebrauch
des boͤhmiſchen Bolus, ſonſt aber die Eigenſchaft der
fremden und einheimiſchen Siegelerden. Nach dem
Verſuche unſers großen Chymiſten, Herrn Profeſſor
Potts, gaben ſie eine feine Art von Porcellain, wel-
ches dem ehemahligen zu Plauen an der Havel ver-
fertig-
[94] fertigtem gleich war. Von eben dergleichen rother Bo-
larerde finden ſich in den Gaͤrten der Strahlauer Vor-
ſtadt zu Berlin etwa 1½ Fuß tief oͤfters Lagen. In
etlichen Kreiſen der Neumark hingegen iſt die Walk-
ererde weit haͤufiger und feiner, daß ſie nach dem Ur-
theil Sachverſtaͤndiger nach der Engliſchen die beſte
von allen uͤbrigen ſeyn ſoll.
Da die Churmark keine Gebuͤrge hat, ſo giebt
es in derſelben nur uͤberall zerſtreute Bruchſtuͤcke und
abgerißne Steine von vielerley Gebuͤrgsarten, welche
durch die Fluthen unter dem Sande zuſammen ge-
ſchwaͤmmt worden ſind. Wenn ſie durch die Stuͤr-
me und Fluthen von dem unter und uͤber liegenden
Sande entbloͤßet werden, ſo liegen ſie dermaßen dichter
und in einer Menge beyſammen, daß ſie hin und wieder
gleichſam ganze flache oder tiefere Steinbaͤnkevorſtellen.
Unter ihrer Menge von Kieſel- und Sandſteinen befinden
ſich verſchiedene Arten Truͤmmern von verſchiedenen
Gebuͤrgsarten, von kennbahren und verwitterten grana-
tenartigen Feldſpathen, in talglichen und glimmerrei-
chen Stuͤcken, wie denn auch basalte, ſehr unkennt-
lich gewordene aͤhnliche Steine mit Schoͤrl, alkani-
ſchen und mehrern ausgebraunten Steinen vermiſcht,
die ihre eigentlichen natuͤrlichen Lagerſtellen, ganz an
andern Geburtsorten außer der Mark ſchlechterdings
haben. Einzeln trift man unter gedachten Steinen,
ſo wie in denſelben verſteinerte oder calcinirte Seei-
gel und andere Meermuſchelſchaalen an, welche mit
großen und kleinen Zaͤhnen, Graͤten und Knochen
von Meerthieren an die in einigen Gegenden wie au-
ßer der Mark mit zerſtuͤckten Corallen, Corallinen
und andern ganz fremden unbekannten Meergewaͤchſen
abwechſeln.
Was die einheimiſchen wilden und zahmen Thie-
re in der Churmark betrift, ſo ſind es keine, derglei-
chen
[95] chen ſie etwa mit ihren unter einerley Himmelsſtriche
belegenen Nachbaren nicht gemein haben ſollten.
Von dieſen das oft geſagte von neuem ohne Nutzen
abzuhandeln, muͤſſe vor uͤberfluͤßig gehalten werden.
Wenn man aber auf die Thiere nach ihren Klaſſen-
ordnungen, Geſchlechtern und Arten Bedacht neh-
men will, bis zu den Fiſchen, Amphibien, kleinere
Thiere auf die Inſekten, ſo moͤchten ſich wohl hin
und wieder einzelne Gattungen unter der erſtaunenden
Menge ausfinden laſſen, die wenigſtens ihrer Selten-
heit halber, andere aber wegen ihrer Schaͤdlichkeit
angefuͤhret zu werden verdienen: Ihre Beſchrei-
bung aber haben laͤngſt die Naturforſcher unter-
nommen, vor welche ſie eigentlich bis zur weitern An-
wendung gehoͤret. Da indeſſen in den Provinzen
dergleichen doch einzeln vorkommen, beſonders unter
den Fiſchen und unter den Voͤgeln: indem die erſten
aus dem Meere und entfernten Landſeen in unſere
Fluͤſſe treten, die letztern aber ſowohl im Herbſte als
im Fruͤhlinge bey ihren Ruͤck- und Wiederſtriche, ſich
auf kurze Zeit in gewiſſen Jahren ſehen laſſen, aber
bald wieder unſichtbar werden, ſo gehoͤren ſie als
bloße Wanderer nicht zu den unſrigen. Da wir aber
ohne Nahrung und Bequemlichkeit, die jedem leben-
digen Geſchoͤpfe nach ſeiner Art beſonders zukoͤmmt,
an keinen natuͤrlichen beſtaͤndigen Aufenthalt von der-
gleichen Bewohnern bey uns denken duͤrfen, ſo muß
vorher die Erdflaͤche mit denen dazu erforderlichen
Gewaͤchsarten hinreichend bekleidet ſeyn, welche theils
zu Unterhaltung der tragbaren Erde ſelbſt, theils zur
Erhaltung ihrer uͤbrigen lebendigen Bewohner, nem-
lich der Thiere und Menſchen, als unentbehrlich un-
ter jedem phyſiſchen Clima einzelner Gegenden haben
gegeben werden koͤnnen. Das natuͤrliche Clima brin-
get durch den ganzen Weltraum in einer gewiſſen Hoͤ-
he ſeine ihm beſonders zugehoͤrigen Gewaͤchsarten her-
vor.
[96] vor. Dieſe nun bezeichnen, daß durch ihr Daſeyn,
ganz unbezweifelt, nach Verſchiedenheit der Lage, der
davon abhangenden Witterung des Grundes und Bo-
dens dergeſtalt, daß jene beyden Wechſel derſelben
verſchiedene Eigenſchaften an guten, auch wohl weit
ſchlechtere erhalten. Wie denn dergleichen unter ih-
rem eigenen Clima, bald fruͤher bald ſpaͤter bluͤhen,
und ihre Fruͤchte reifen, bald groͤßtentheils zugleich
bluͤhen und Saamen bringen, oder aber nur ſelten in
ihren Standorten dazu gelangen. Wie denn ferner
die gewoͤhnliche Entwickelung aller darunter wachſen-
den Pflanzen, in einer gewiſſen Hoͤhe der Erde faſt
unmerklich und geſchwinder vor ſich gehet, daß ſich
die Jahreszeiten nach dem in ſelbigen einwuͤrkenden
Sonnenſtande gleichſam kurz in einander verliehren,
von dieſem Zuſtande ſind die abwechſelnden Folgen
nach Localumſtaͤnden merklich genug, man wird ſie an
wilden und zahmen Gewaͤchſen mit Schaden oder
Nutzen gewahr, wenn man ſie anders der Aufmerk-
ſamkeit werth achtet. Denn eben beyderley Pflanzen
werden ſchlechter oder mehr verwandelt, das Clima
bleibet herrſchend, und die ohne wuͤrkliche Kenntniſſe
deſſelben gemachte Rechnungen entſprechen unſere
Einrichtungen.
Wenn aber auch die Rede von ſehr ſchlechtem
Heyde- und Sandboden ſeyn ſoll, ſo wird der eigent-
liche Sachverſtaͤndige, welcher die Sandarten in der
Churmark bis auf dem ſchlimmſten und todten Flug-
ſand hinreichend beurtheilen kann, nach der Lage,
Miſchung, Tragbarkeit und Bearbeitungsart der Laͤn-
dereyen in verſchiedenen Gegenden bey den ordentli-
chen oder außerordentlichen Folgen der Einwuͤrkung
des phyſiſchen Clima ſolche Unterſchiede finden, wel-
che ſich ſogleich an der Tragbarkeit, Menge und Ver-
aͤnderung der Erdprodukte ſelbſt aͤußern. Hiervon
zeigen
[97] zeigen die Gegenden um Berlin, Rathenau im Lebu-
ſiſchen, Oberbarnimſchen und andern naͤchſt anliegen-
den Kreiſen, als wo einzelne ſandige Laͤndereyen bald
einen reinern mit viel oder weniger tragbarer Staub-
erde vermiſchten Sand fuͤhren, bald mit einem thonigen
kalkigen, mergelartigen, eiſenſchuͤßigen und glimmeri-
gen ſtaͤrkern Antheile verſehen ſind. Nach der ver-
ſchiedenen Lage und den angefuͤhrten Verhaͤltniſſen in
der Beymiſchung gegen den Sand ſelbſt, bewuͤrkt die
Witterung, Bearbeitung, der Zuſatz von Duͤnger
und dergleichen Beſtellung nach gewiſſen Graden ihre
beſondere Erſcheinungen, die auf unſere Land- und
Ackerwirthſchaft ihre Beziehung haben.
Ob nun die Churmark aus eben gemeldeten Ur-
ſachen nicht ſchon alle Jahre, durchgehends und
uͤberall, zumahl im Heydeboden, der zwiſchen dem
beſſern Lande gelegen iſt, nach Unterſchied der Wit-
terung, gleich ergiebig ſeyn kann, als in andern Laͤn-
dereyen, die einen guten, beſtaͤndig gleichfoͤrmigen,
Mittelboden haben: ſo hat ſie doch in ſehr leichtem
Lande, und zwar gerade in ſolchen Jahren oͤfters ei-
nen guten Ertrag, wenn ſich anderwaͤrts in dem beſten
und fetten Boden an Feldfruͤchten ein anſehnlicher
Ausfall ereignet. Es mangelt ihr indeſſen hin und
wieder der nach ſeiner innern Beſchaffenheit tragbare
Boden gar nicht; wie die vielen anſehnlichen Wei-
den, Wieſen, Roggen- und Weizenlaͤnder bezeugen,
im Mittelboden ſchlaͤgt der Ertrag ſo oft nicht fehl,
als der in ganz fettem Grunde. Die uͤbrigen Um-
ſtaͤnde und Zufaͤlle, die ſonſt auf Rechnung von Grund
und Boden geſchrieben werden, hangen uͤberhaupt,
ſo wie der groͤßte Theil der Landwirthſchaft, von der
Witterung, wie dieſe von ihrem natuͤrlichen Clima ab.
Dazu kommt nicht ſelten Nachlaͤßigkeit, verkehrte
Beſtellungsart, aus Unwiſſenheit oder Mißvergnuͤ-
Ggen
[98] gen, uͤber den ſelbſt eigenen ſchlechten Vermoͤgens-
zuſtand aus ſelbſt eigener Schuld bey manchen Land-
leuten her, welche das ihrige dazu beytragen.
Es wird ſich aus dem angefuͤhrten, auf Natur
und Erfahrung gegruͤndeten abwechſelndem Zuſtand
des Grund und Bodens in der Mark leicht erſehen
laſſen, ob derſelbe allgemein ſey, oder nur ſtrichweiſe
und in einzelnen Gegenden unter zuſammenwuͤrkenden
Urſachen, als Bedingungen angetroffen werde,
nach welchen daſelbſt ein mehr natuͤrlicher oder auch
durch Cultur in tragbare Umſtaͤnde verſetzter Grund
ſey. Daraus denn zugleich hervorgehet, was die
Natur unter dem ihr eigenthuͤmlichen phyſiſchen Cli-
ma insbeſondere in der Churmark gethan, und was
ſie gegen die ſich von Zeit zu Zeit ereignenden Zufaͤlle
noch immer bewuͤrke und zu bewuͤrken im Stande ge-
weſen ſey. Kuͤnſtliche Anſtalten von Einſichten gelei-
tet, welche ſich uͤberall auf die in der großen Natur-
haushaltung feſt gegruͤndeten Mit- oder Gegenwuͤr-
kungen beziehen, und nach dieſen, mit Ordnung,
Fleiß und Koſten betrieben worden, ſo wie ſie noch im-
mer fortgeſetzet werden, dieſe haben uns in den gluͤck-
lichen Folgen von der Wahl der beſten Mittel derge-
ſtalt uͤberzeuget, daß wir die ſicherſten Vortheile da-
von ziehen, dergleichen wir jetzo vor uns haben.
Von einem todten fliegenden Sandboden, welcher
dazu auf einzelne Laͤndereyen noch außerdem mit bren-
nenden ſogenannten Sandflaͤchen abwechſelt, wird
ohnehin kein Sachverſtaͤndiger, ſo lange etwas frucht-
bares erwarten, bis ihm die Natur, wie es von ſelbſt
geſchiehet, durch Schutz, Schatten und feuchte trag-
bare Stauberde, dergeſtalt darzu vorbereitet hat, daß
er durch ſchickliche Bearbeitung und Pflege verbeſſert
werden kann. Man laſſe ſich von einer ſchwarzen
todten oder zerſtoͤhrten Sumpferde nicht taͤuſchen, die
ſo
[99] ſo lange ſie feuchte genug iſt, ein ziemlich gutes Anſe-
hen hat, aber wenn ſie in der Luft trocknet, und vor
ſich oder mit Sand reichlich vermiſcht, ganz taub be-
funden wird, und wie der Sand von dem Winde
zerſtaͤubet.
Das herrſchende natuͤrliche Clima beſtimmt in-
deſſen, wie ſchon geſagt, die wahre Beſchaffenheit
von jeder Art oder Unart des tragbaren Bodens,
durch die Witterung und Wechſel der Lage gradweiſe,
insbeſondere nachdem ſich die Erhoͤhung der Erde von
dem niedrigſten Stande derſelben, welchen ſie vom
Spiegel des Meeres an hat, und im Anſteigen uͤber die
erſten Vorgebuͤrge bis zu den niedern, mittlern und
hoͤhern Alpen ſichtlich veraͤndert. Die darauf nach
eben gedachter Hoͤhe und Lage der Erdflaͤchen unter
jenen verſchiedenen Clima von ſelbſt hervorkommende
Gewaͤchſe, ſind unwiderſprechliche Zeugen von dieſer
Wahrheit durch die ganze Welt, alſo auch eben in der
Churmark Brandenburg. In dieſer nun koͤnnen wir
von der Lage ihrer niedrigſten Laͤndereyen, Torfmoo-
ren, Suͤmpfen und Landſeen an, bis auf die anſtei-
genden trocknen Ebenen, und die dazwiſchen liegen-
den Hoͤhen, auch nicht unbetraͤchtlichen erhabenen
Leim- und Sandhuͤgel rechnen, die theils nach dem
Umfange des Landes, theils von den Hoͤhen, von Ge-
buͤrgen in nicht beſondere Betrachtung kommen.
Gleichwohl aber muß ſich der Sachverſtaͤndige uͤber
die Anzahl, Mannigfaltigkeit und Guͤte, der in der
Mark Brandenburg von ſelbſt wachſenden Geſchlech-
ter und Arten mit ihren Abaͤnderungen von Pflanzen
nicht wenig verwundern. Von der Tragbarkeit des
verſchiedenen Bodens wird man ſich, aus der Menge
und den verſchiedenen Pflanzenarten keinen ſo niedri-
gen Begrif zu machen Urſach finden, wie andere mit
Grund thun zu koͤnnen geglaubet haben, welchen eben
G 2ange-
[100] angefuͤhrte Umſtaͤnde nicht bekannt genung gewe-
ſen ſind.
Was nun die keineswegen uͤbertriebene Anzahl
der wuͤrklich nuͤtzlichen einheimiſchen Pflanzenarten in
der einzigen Churmark betrift, ſo fehlet aus allen fuͤnf
Hauptklaſſen, die das ganze Gewaͤchsreich ausmachen,
außer der einzigen Palmenordnung, Ordo palmarum,
welche die ſechſte iſt, keine andere. Wir moͤgen uns
zu dem Ende von den Schwaͤmmen, Fungis, den
Flechten, Algis, den Mooſen, Muſcios, Farreukraͤu-
tern, Filicetis, den Graͤſern und Schilfarten, eine
Gramina et Calamaria, wozu noch die ſiebente
Ordnung von Gewaͤchſen kommt, die man insbeſon-
dere Pflanzen, Plantas nennet, an Ort und Stelle,
ſelbſt in ihren verſchiedenen Standorten von der Men-
ge ihrer Arten uͤberzeugen. Unter den Pflanzen be-
finden ſich laut dem vor etliche vierzig Jahren aufge-
nommenen und von Zeit zu Zeit nachgeſehenen Ver-
zeichniſſe, etwas uͤber 1200 Arten, zu welchen 103 ver-
ſchiedene Gattungen in Baͤumen und Straͤuchern ge-
hoͤren, die unter dem Namen von Holzarten, unſere Laub
holz, Kiehn, vermiſchte Waldungen und Gebuͤſche aus-
machen. Seit jener Zeit, da die natuͤrliche Wuͤrkungs-
ordnung, und die oͤkonomiſchen Veraͤnderungen ganzen
Gegenden andere Eigenſchaften und Geſtalten gegeben
haben, wie ſie noch jetzo gefunden werden, ſo hat ſich
ſeit etlichen zwanzig Jahren in der Churmark ihre An-
zahl mit 220 neu entdeckten Pflanzengattungen ver-
mehret: welches eine noch im vorigen Jahre auf das
neue uͤberſehene beſondere Liſte ausweiſet. Es ver-
ſtehet ſich von ſelbſten, daß noch manche unentdeckt
geblieben, welche dem kuͤnftigen Fleiße der Kenner
nicht entgehen kann. Ein anſehnlicher Theil von
Kraͤutern und Graͤſern hat ihre natuͤrliche Standorte
mit anderen verwechſelt, auch an Menge und Guͤte
ſeit ſechzig Jahren erlitten, daß ſie Sachverſtaͤndige
in
[101] in erſten und zweyten Standorten nicht nur nicht mehr
antreffen, ſondern auch an ihnen Veraͤnderung an der
Guͤte wahrnehmen koͤnnen; denn der Naturforſcher
vermißet unter andern ganze Geſchlechter und Arten
von Graͤſerey, oder ſie werden ſo ſelten, daß der
Landmann von Zeit zu Zeit in ſeinem wirthſchaftlichen
Nahrungszweige, wichtige oder geringere Folgen ge-
wahr wird, welche er, als ungewoͤhnliche, nicht
leicht vermuthen konnte, und deren Urſachen er auch
nicht ausfinden kann. Eben von dergleichen Gewaͤch-
ſen bleiben viele vor ſeinem Grund und Nutzen vorloh-
ren, dagegen in Zeit von dreyßig bis vierzig Jahren ab-
wechſelnd, ſich andere zu Verbeſſerung der Grundſtuͤ-
cke wieder einfinden, dabey die vorigen Bewohner
mit Erhoͤhung ihrer Guͤte auf andere Grundſtuͤcke zum
Vorſchein kommen, auf welchen man die dazu erfor-
derliche innerliche Veraͤnderung der tragbaren Dam-
erde nicht leicht vermuthet haͤtte: ohne daß der Ge-
danke von einer andern ganz uneigentlich ſogenann-
ten Pflanzenveraͤnderung dabey ſtatt haben koͤnnte.
Dennoch kann man von der Graͤſerey unter andern
mit vieler Gewißheit darthun, daß ſich dieſelbe bin-
nen einer Zeit zwiſchen dreyßig und funfzig Jahren in
einigen Gegenden der Churmark, in ihren Arten durch
einen Zuſatz neuer Gattungen betraͤchtlich vermehret,
an andern hingegen dergeſtalt vermindert, oder auch
an guten Eigenſchaften, wovon die Urſachen unter
den Naturforſchenden außer Zweifel ſind. Es geben
uns beſagte Veraͤnderungen nach den Unterſchieden
jener und vieler andern Gewaͤchsarten gleichſam einen
beſondern Wink, daruͤber aufmerkſam zu ſeyn, ſo-
bald ſich dergleichen in ihren beſonders angemeſſenen
Clima ereignen, und ſo fruchtbar werden, daß ihr Ein-
fluß auf das allgemeine faſt uͤberhand nehmen will.
Außerdem iſt es gewiß, daß man in der Churmark
zum Beyſpiel, in einzelnen Provinzen unter ihrem An-
G 3theil
[102] theil von einheimiſchen noͤrdlich deutſchen Pflanzen
auch ſolche antreffe, dergleichen in Rußland hinter
Moscow, ferner in Liefland, um Riga, in einigen Ge-
genden der Ukraͤne, in Nordamerikaniſchen Gegen-
den, Meißen, Thuͤringen, Boͤhmen, den noͤrdli-
chen und mittlern Theilen von Frankreich, in der
Schweiz, auf den niedern und mittlern Alpen und
auf dem Harze gemein ſind. Der ſchlechte Sand-
und Heydeboden hat noch uͤberdem etliche eigene Ge-
waͤchſe beſonders vor ſich. Dieſer anſehnliche Vor-
rath von Gewaͤchſen, welcher in den Provinzen der
Churmark als einheimiſch wechſelt, hat auch dieſelbe
mit dem groͤßten Theile von Deutſchland insbeſondere
gemein, wie ein davon neuerlich aufgenommenes,
und mit den Nachrichten der uͤbrigen Laͤnder dieſes
weitlaͤuftigen Reiches wohl verglichenes Pflanzenver-
zeichniß beweiſet.
Was die Anzahl und Arten dieſer Gewaͤchſe be-
trift, ſo beſtehet der anſehnlichſte Theil derſelben in
keinen anderen als ſolchen, dergleichen vorgedachte Laͤn-
der, als vor andern die Schweiz bey einer aͤhnlichen
Lage und Hoͤhe in ihren fruchtbareſten Gegenden und
Boden, wie auch einige nordamerikaniſche gleichfals
abwechſelnd hervorbringen, wo nehmlich der natuͤrli-
che Wechſel der Pflanzenarten am merklichſten werden
kann. Hiervon zeugen insbeſondere die naͤchſten Ber-
liniſchen Gegenden, die zwiſchen der Niederlausnitz
bis zur Spree, und zwiſchen dieſer und der Havel,
bis an die Oder, wie auch die hinter Brandenburg
und Potsdam an der Elbe zwiſchen jenen, und denen
an der Fino und Doſſe belegenen Feldmarken. Hier-
zu kommt die mit dem Mecklenburgiſchen und mit
Pommern graͤnzende Uckermark, die Altemark bis in
den Droͤmling, nebſt der Priegnitz, welche ſaͤmmtlich
unter den gewoͤhnlichſten Pflanzen einige beſonders
eigene
[103] eigene haben. In allen dieſen Gegenden ſtreichten,
wie außer der Churmark, außer einem trocknen,
ſchlechten, ſandigen, kalkigten, warmen vermiſchten
Boden und dem eigentlichen Heydeboden, nach der
abwechſelnden Lage, ein tiefer zaͤher, naßkalter, kleyig-
ter Grund. Der Wechſel von Bruchtorf, der fette
gemaͤßigte gute Mittelboden, mit dem huͤglichen ver-
miſcht, der eiſenſchuͤßige zwiſchen dem ſogenannten
Salzgrunde iſt ganz offenbar, daher es denn der aͤhn-
lichen Beſchaffenheit wegen, die der Grund im gan-
zen betrachtet, mit ſeinem benachbarten hat, nicht eben
zu bewundern iſt, wenn ſich vorbeſagte Unterſchiede,
und Abweichungen der Naturprodukte bey jeder Art,
wie anderwaͤrts gradweiſe ereignen, welche durch das
herrſchende Clima nach Localumſtaͤnden durch deſſen
Einwuͤrkung beſonders beſtimmt werden. Was nun
die beym niedrigſten, zunehmenden, hoͤchſten und
wieder abnehmenden Sonnenſtande ſich ereignende
Witterungszufaͤlle, auf Pflanzen und Thiere vor Ein-
fluͤſſe haben, davon zeugen ihre ſo betraͤchtliche Ver-
aͤnderungen in verſchiedenen Boden.
Daß aber die Churmark Brandenburg ganz eige-
ne und beſondere Gewaͤchſe haben ſollte, die ſich
nehmlich anderwaͤrts, weder in noch außer Deutſch-
land befinden, iſt niemahls vorgegeben worden. Sie
iſt indeſſen, wie ihre Nachbaren, mit manchen vor-
zuͤglich brauchbaren Gewaͤchſen, auch wohl vor jene
weit ſtaͤrker verſehen, welche ihren Nutzen bey aller-
hand Nahrungszweigen der Land- und Stadtwirth-
ſchaft aͤußern, und durch den Anbau, wie andere
fremd eingebrachte, auch mehrere Veredluugsarten
noch weit verbeſſert worden ſind, oder noch werden
koͤnnten. Da nun die Erfahrung davon alle Erweiſe
uͤberfluͤßig macht, ſo iſt wohl keine Frage mehr, ob
in den Provinzen der Churmark unter den einheimi-
ſchen Gewaͤchſen wilde und zahme Futterkraͤuter, Far-
G 4ben,
[104] ben, Fabriken, Arzeney und mehrere Handelsge-
waͤchſe befindlich ſind. Die Haushaltungskunſt und
Handelsgeſchichte dieſes Landes, wird uns hiervon
die voͤllige Aufklaͤrung geben. Wenn man dieſem mit
Grunde beyfuͤgt, daß noch ein nicht unbetraͤchtlicher
Pflanzenvorrath uͤbrig ſey, der bey guten Einſichten
und einer richtigen Anwendung den darunter verſteck-
ten heimlichen Cameralnutzen gewiß bringen werde,
ſo bleibet nichts uͤbrig, als hieruͤber von Zeit zu Zeit
fortzuſetzende Verſuche anzuſtellen, um hernach die
vorzuͤglichſten rohen Produkte davon, ohne zu muͤhſa-
me weitlaͤuftige Bearbeitung, in einer verhaͤltnißmaͤßi-
gen Menge anhaltend zu verſchaffen, deſto ſicherer im
Umgang zu bringen.
Dabey aber hat man nicht noͤthig, den Anbau
ſolcher fremden Gewaͤchſe zu vernachlaͤßigen, welche
unterm hieſigen Clima eben ſo leicht und mit nicht koſt-
baren Anſtalten, auch in gleicher Vollkommenheit zu
gewinnen ſtehen als jene. Wodurch ſich der natuͤrli-
che Ertrag und Werth der Laͤndereyen mit ſichern Fol-
gen erhoͤhet, auch ganzen Gegenden, in welchen vor-
ber noch manches unbenutzt geblieben war, zugleich eine
ſolche und ganz neue Geſtalt gegeben wird: an derglei-
chen zu Zeiten des Churfuͤrſten Georg Wilhelms nicht
gedacht war, bis Friedrich Wilhelm nach der Zeit
vergleichen wohl uͤberdachte Anſtalten in Bewegung
zu ſetzen anfieng, welche unter deſſen durchlauchtig-
ſten Nachfolgern ihre eigentliche allgemeine oͤkonomi-
ſche Richtung mit guten Folgen erhalten haben.
Wie weit es aber, und wodurch es in der Churmark
bis zu unſern letztern Zeiten gekommen ſey, daß dieſelbe
bey allen dergleichen Kenntniſſen, und deren fleißigen
und richtigen praktiſchen Anwendungen, die den ge-
genwaͤrtigen Umſtaͤnden unſers jetzigen Zeitalters ſo
angemeſſen ſind, an Laͤndereyen, Feldbau, Viehzucht
und
[105] und Einwohnern durch alle ihre Provinzen ſo betraͤcht-
lich zugenommen, werden wahre Sachverſtaͤndige
aus dem rechten Geſichtspunkte am beſten zu beurthei-
len wiſſen. Man ſchafte ſeit mancher Zeit nach und
nach viele tauſend Hufen tragbaren Landes, die vor-
her in dem Verſtande noch nicht die waren, daß
ſie den Nutzen geben, und eine groͤßere Zahl von le-
bendigern Bewohnern an Thieren und Menſchen er-
naͤhren konnten, als nun. Denn ſie lagen noch groͤß-
tentheils faſt ſeit undenklichen Zeiten in faulen und an-
dern Suͤmpfen unter Schlamm und Torf begraben,
ohne daß ſie nach einem anhaltenden verhaͤltnißmaͤßi-
gem Ein- und Auswittern den eigentlichen Hauptnu-
tzen haͤtten geben koͤnnen. Hierdurch entſtand eine
betraͤchtliche Nutzung aus den anſehnlichen Forſten,
von welchen diejenigen Antheile, auf welche Sturm
und Waſſer Saamen gebracht, der darauf keinen ge-
deihlichen Wachsthum haben konnte, zu beſſern Ab-
ſichten angewendet, auch wie zuvor noch wenig ge-
nutzte Grundſtuͤcke uͤberall umgeſchaffen wurden. Der
vermehrte Wieſewachs und Heuſchlag, die Weide,
Viehzucht, nebſt dem ganzen Feld- und Gartenbau
erhielte dabey eine nach Localumſtaͤnden moͤgliche und
ſchickliche, auch ſolche Geſtalt, die den Finanzanſtal-
ten auf immer Ehre machen. Nicht von Schaͤfe-
reyen, deren Vergroͤßerung und dem Schaafſtand
oder von dem dazu gehoͤrigen feinen Winterfutter der
Churmark zu gedenken, ſo muß die Schaafweide in
gewiſſen hohen, huͤglichen, trockenen Sandgegenden
noch beſonders in Betrachtung kommen; als welche
aus ihren beſonders eigenen Graßarten beſtehet, die
anderwaͤrts in dem beſten Boden, weder Dauer noch
Fortgang haben, wobey das Vieh gut beſtehet, oder
dauert, fett wird, und an weit feinerer Wolle, wie
bekannt, einen groͤßern Zuwachs erhaͤlt. Dieſe Graß-
atten, von welchen die Schaafe nur die jungen ſuͤßen
G 5Blaͤtter
[106] Blaͤtter allein, nicht aber die Stengel ſo vorzuͤglich
ſuchen, vertauſchen ſie auf keine Weiſe mit dem ſchoͤn-
ſten fetten jungen Weizen. Einzelne Striche zeugen
abwechſelnd in verſchiedenen Provinzen von der Ge-
wißheit dieſes Umſtandes, und von dem Unterſchiede
der daſelbſt entſtehenden feinen Wolle, als unter
andern vornehmlich im Ober- und Niederbarnim-
ſchen, den Beskowiſchen, Lebuſiſchen, Teltowiſchen
Kreiſen, auch im Havelande und in der Angermuͤndi-
ſchen Gegend.
Der Heydeboden ſelbſt, der in etlichen Chur-
maͤrkiſchen Provinzen zwar den anſehnlichſten Theil
ausmacht, hat dennoch ſeine Unterſchiede in Anſe-
hung der ſtarken Miſchung in der obern Dammerde,
der unter der Abwechſelung der Witterung von vieler
Bedeutung iſt, ſonſt aber ein von Natur zum Holz-
trage vorzuͤglich beſtimmter Grund iſt. Dieſer iſt
entweder von Waldungsuͤberbleibſeln bedeckt, und
haͤlt alsdenn die Feuchtigkeit laͤnger, als der der Wit-
terung frey ausgeſetzter, deſſen Ober- oder Damm-
erde, die ſich weit laͤnger als uͤber ein- auch zweyhun-
dert und mehrere Jahre hindurch geſammlet und an
vielen Orten in ſichtlichen Schichten uͤber einander ge-
legt, iſt mit Leim, Stauberde oder auch Kalk vor-
nehmlich vermiſcht, und faſt nirgend ganz, ohne alle
Beymiſchung, von Eiſenerde. Nach Lage der Oer-
ter ſetzen ſie nach ihrem Alter bald mehr, bald weni-
ger in die Tiefe, oder ſie wird nach ihrer Entbloͤßung
als eine flaͤchere Rinde, nachdem ihr ſchlechter zuſam-
mentrocknender Raſen von der Sonne verbrannt und
muͤrbe geworden, entweder durch die Suͤd- und Weſt-
nordlichen Stuͤrme im Staub weiter weggefuͤhret oder
durch die abſtroͤhmende Tagewaſſer, nach denen da-
zwiſchen ausſtreichenden Plaͤnen und Tiefen, mit ver-
ſchiedenen Folgen zuſammengeſchwaͤmmet. Da denn
der aufgedeckte leichte Flug- und Triebſand mit den
Steinen
[107] Steinen zum Vorſchein koͤmmt. Das Entbloͤßen des
Heydebodens von Waldungen und von ſeiner Damm-
erde und Raſendecke, iſt ein hoͤchſt betraͤchtlicher, auch
der Folge halber, ſehr bedenklicher Umſtand. Denn
da die Natur, welche keine Spruͤnge macht, zu
Bedeckung des Sandes und anderer aͤhnlichen
Erdſtriche, Jahrhunderte noͤthig hat, um der-
gleichen durch Wiedererzeugung der Schwaͤmme,
Flechten, Mooſe, Farrenkraͤuter, Heydekraut, Gras
und der uͤbrigen Pflanzen und Holzarten zu bilden, ſo
laͤßt ſich leicht abſehen, was die Zufaͤlle in einer ſo
betraͤchtlichen Zwiſchenzeit zu thun, und wie die un-
gluͤcklichen Folgen uns davon zu uͤberfuͤhren, im
Stande ſind, wir moͤgen wollen oder nicht. Die
Schuld von einem ſolchen Verfahren, und denen dar-
aus kommenden uͤbeln Folgen, welches ſchon weit eher
als vor ein paar hundert Jahren einen ungewiſſen An-
fang genommen, außer welchen die Einwuͤrkung das
ihre noch beſonders beygetragen, kann den jetztleben-
den landwirthſchaftsverſtaͤndigen Bewohnern nicht zur
Laſt gelegt werden, als welche genung zu thun haben,
um den davon noch immer entſtehenden Schaden zu
mildern und den weitern Fortgang dieſes reißenden
uͤberhand genommenen Uebels Einhalt zu thun.
Die uͤbrige ſichtlich große Veraͤnderung mit dem
tragbaren Lande, welche den anſehnlichſten Theil der-
ſelben betrift, hat ihren Anfang in vielen Gegenden,
theils von dem vieljaͤhrigen Abſchwaͤmmen der frucht-
baren Garten- und Stauberde, bald mit dem bald ohne
Zuſatz beſonders von fettem Leim aus den hoͤhern gele-
genen Oertern genommen. Theils haben die Ueber-
ſtroͤhmungen von weiten her die fruchtbare Erde nach
den Niedrungen zu etlichen Zollen bis Fuß hoch uͤber
den elendeſten Sand gefuͤhret, die ſich durch das in
einer verhaͤltnißmaͤßigen Tiefe ſtehende Grundwaſſer
gemaͤßig
[108] gemaͤßig feuchte und unter fleißiger Bearbeitung trag-
bar erhaͤlt.
Die uͤberbliebenen Waldungen in allerley Bo-
den, und in einer abwechſelnden Lage, die die wah-
ren natuͤrlichen Grundſtuͤcke des Staats zur beſtaͤndi-
gen Nutzung und Unterhaltung ausmachen, haben un-
ter ihren beſonders eigenen Hauptholzarten, welche
den groͤßten und wichtigſten Nutzen beſtaͤndig geben,
vornehmlich die Kiefer, Pinus Sylveſtris, die Eiche,
Quercus robus, nebſt ihrer Rothbuche, Fagus ſylva-
tica, die Birke, Betula alba, Erle, Betula Alnus,
und die Weißbuche, Carpinus oſtrya: welche theils
Schifholz, ein ſtarkes mittleres und ſchwaches Bau-
und Nutzholz aller Gattungen, nebſt andern davon
zunehmenden Haupthandels und Nebenprodukten ge-
ben. Die weniger betraͤchtlichen weichen, harten,
deutſchen Nadel- und Laubholzarten ſind in der Chur-
mark dennoch vorhanden, und machen von der gan-
zen Zahl der in den uͤbrigen koͤniglichen Laͤndern einhei-
miſchen 103 bis 106 Holzarten abgezogen, uͤberhaupt,
noch 83 aus. Die ſchwachen und kleinen Straͤu-
cher darunter, die man ſonſt auf ſchlechtes Brenn-
und Reißholz, oder nur auf Fabrikenholz allein, oder
auch faſt gar nicht zu nutzen gewohnt iſt, nebſt dem
allerfeinſten Grund- und Erdholze, kommen, außer
in einzeln landwirthſchaftlichen Faͤllen, kaum in Be-
trachtung. Unter den vorhin angezeigten finden ſich
in manchen Forſten der Churmark etliche wenige Gat-
tungen, die das Clima, nach natuͤrlichen Umſtaͤnden,
von ſelbſten nicht hervorbringen wuͤrde, und durch
Verſuche von einzeln Liebhabern viel ſpaͤter eingefuͤh-
ret worden, auch wie die Amerikaniſchen noch ange-
pflanzet werden, von welchen man vielleicht in der
Zukunft Stamm- und Strauchholz mit Nutzen erwar-
ten kann. Dabey man gelegentlich anmerken muß,
daß dergleichen Verſuche mit fremden Hoͤlzern ſchon
zu
[109] zu Churfuͤrſt Friedrich Wilhelms Zeiten, von dem
Feldmarſchall Doͤrfling auf ſeinen Guͤtern im Lebuſi-
ſchen Kreiſe veranſtaltet worden iſt.
Was die wilde Graͤſerey auf der Weide, in
Feldern, auf Huͤgeln, in Forſten, und auf ebenen,
hohen und andern niedrigen Bruchwieſen, in fetten,
gemaͤßigten, kalkgruͤndigen Boden betrift, ſo iſt dieſe
nach der Art des Bodens, der Witterung, in der
Churmark außer ſolchen Arten, welche man in dem nor-
diſchen Deutſchlande und aͤhnlichen Himmelsſtrichen,
in Amerika und den Gegenden des nordoſtlichen Aſien ge-
legenen, beynahe uͤberall ſehen kann, gar ſehr verſchie-
den. Ihre wahre Beſchaffenheit wird nach den
Gruͤnden ihrer Verſchiedenheit ſehr wenig gekannt,
und von den Landwirthen insgemein aus der Menge
und Guͤte des Graſes und Heues bey der Futterung
geſchaͤtzet. Die Arten, woraus die geſammte Graͤ-
ſerey in der Churmark uͤberall beſtehet, ſind theils
wahre Graͤſer, theils groͤbere Segge- oder Riedſchilf-
graͤſer und Binſenarten, nebſt einer verhaͤltnißmaͤßi-
gen Menge von fetten nahrhaften Arzeney und ſchlech-
ten Staudengewaͤchſen, und Kraͤutern, von welchen
letztern ſich der Antheil, wie zwey zu ſechs, zu den
guten fetten Milch- und Nahrungsgraͤſern verhalten
ſoll, unter denen die Arzeneygewaͤchſe ohnehin die
wenigſten ſeyn muͤſſen. Nehmen aber dieſe nebſt den
zaͤhen, ſtrengen, herben, und ſauerbeizigen, grob-
ſtieligen uͤberhand, ſo kann zwar Graß und Heu den
Wanſt fuͤllen, aber dabey weder Milch noch andere
Nahrung geben. Dieſe Unterſchiede zeigen ſich offenbar
auf der Weide und am Heuſchlage in den Provinzen
zwiſchen der Spree, Havel, der Oder, Warthe,
Netze, und um den Finow und Doſſe. Ob indeſſen
der gute oder ſchlechte Zuſtand der Graͤſerey uͤber-
all ſogleich beym erſten Gebrauche, der jetzige gewe-
ſen, wenn oder wie oft, auch bey was fuͤr Umſtaͤn-
den
[110] den er ſich zum ſchlimmen oder guten veraͤndert habe,
und wie lange er noch anhaltend ſeyn werde oder
nicht, laͤßt ſich ſchwer, auch nur von den gewoͤhnli-
chen Zufaͤllen aus gewaltſamen verſtehen, die ſich
bald in einzelne Grundſtuͤcke, bald in ganzen Gegen-
den ereignen, und daſelbſt den beſagten Zuſtand als
eine ſichere Wuͤrkungsfolge hinterlaſſen, und von we-
niger oder mehr Dauer ſind. Der Anfang davon
verliehret ſich oft in ſehr entfernten Zeiten, und es ſte-
het dabey dennoch in weniger oder ganz einzelner Land-
wirthe Vermoͤgen, bey allen guten Kenntniſſen und
Erfahrungen nicht dergleichen durch Kunſt und Fleiß
nach ihren Wuͤnſchen in einer kurzen Zeit zu veraͤn-
dern. Das langwierige Auswittern der neuen recht
tragbar zu machenden Laͤndereyen, veraͤndert den Grund
allmaͤhlich, es verliehren ſich darauf die ganz erſten
wilden ſchaͤdlichen oder unkraͤftigen Graͤſereyen, dage-
gen ſich abwechſelnd beſſere oder ſchlechtere darauf
einfinden, welche die vorherigen Bewohner verdraͤn-
gen und ausrotten, ſo gehet der vorige Wildheitszu-
ſtand der Graͤſerey ſtufenweiſe in einem beſſern uͤber,
oder er verſchlimmert ſich auf eben die Weiſe langſamer
oder geſchwinder, mit Verbeſſerung der vorigen Wild-
heit, bevor man ihn vor dem Landmann rein, und
tragbar nennen kann. Wie es dabey unterdeſſen mit
Abnahme und Zuwachs an Menge des Heuſchlages,
und ſelbſt mit der Veraͤnderung der Kraͤfte abwechſeln-
der Guͤte und der uͤbrigen Eigenſchaften der Gras-
und Kraͤuterarten hergehe, zeiget der ſtarke Einfluß
davon auf Viehzucht und Ackerbau, bey denen davon
abhangenden laͤndlichen Nahrungszweigen und ſtaͤdti-
ſchen Gewerbesarten.
Da nun der gegenwaͤrtige Zuſtand der Chur-
mark Acker- und Viehwirthſchaft als eine Folge des
vielmahl allzuveraͤnderten vorhergehenden ſich bis in
die allerentfernteſten Zeiten erſtrecket, ſo werden ſich
Sach-
[111] Sachverſtaͤndige huͤten ſogleich ohne Ruͤckſicht auf
vorangefuͤhrte Umſtaͤnde zu nehmen, aus dem erſten
Anſehen etlicher Laͤndereyen geradezu ſichere Schluͤſſe
auf ganze Provinzen ziehen zu wollen. Einrichtungs-
und ſchickliche Bearbeitungsanſtalten erhoͤhen Ertrag
und Werth, und wie viele Handgriffe und Vortheile
werden nicht noch jedes Ortes von Seiten der Finan-
zen mit aufmunternden Beguͤnſtigungen verbunden,
welche die rauheſten, von jeher faſt ganz ungenutzt
gebliebene Oerter zum rechten Nutzen bringen: hier-
von geben die Provinzen der Churmark die neueſten
und einleuchtendſten Beyſpiele.
[[112]]
Von der
rechten Nutzung der Brache
innerhalb
der bekannten Brachezeit und der abwech-
ſelnden Ordnung.
Ein guter Ackerverſtaͤndiger, der ſeine Laͤndereyen
wohl kennet, weiß ſeine Brache in gehoͤriger Ordnung
dermaaßen einzutheilen und zu bearbeiten, ſie moͤgen
der Gewohnheit nach, wegen der auf einander folgen-
den, oder anzubringenden Beſtellung mit der Som-
merung nothwendig abwechſelnden Ruhe, in drey,
vier oder ſechs Felder abgetheilet ſeyn, daß er mit de-
ren Beſtellung von einer Brache bis zur andern her-
umkommen kann. Bey der erſten Abtheilung werden
ſechs Jahre, in beyden folgenden acht bis zwoͤlf er-
fordert: dabey man ein jedes einzelnes Feld, um die
Tragbarkeit deſſelben zu unterhalten, noch wieder in
zwey gleiche Theile zu vertheilen genoͤthiget wird. Es
haͤlt zwar eine uͤbele Witterung, nicht ſelten die eine
oder andere von den Feldarbeiten auf; doch werden
dieſelben von ihm mit moͤglichſter Einrichtung derge-
ſtalt nach einander vorgenommen, damit alle Bear-
beitung demohngeachtet vollbracht werde, und die
darauf
[113] darauf folgende Beſtellung zur Saat, jedesmahl zu
rechter Zeit, ohne Abgang wuͤrklich geſchehen koͤnne.
Es gehoͤret alsdenn zu einer ſolchen Ausfuͤhrung
freylich die Ackereinrichtung eines überaus erfahrnen
Landwirthes; wenn nehmlich diejenigen Feldarbeiten,
die ſchon im Februar und Merz geſchehen ſeyn ſollten,
wegen eines bis im April aber noch anhaltenden Fro-
ſtes in der Erde, erſt im May vorgenommen werden
muͤſſen! Wenn ferner auf einem Winter, ohne Re-
gen und Schnee, gleich in der erſten Zeit, eine große
Duͤrre einfaͤllet, die ſich hernach in einer vom Junio
an, faſt bis zum Ausgange des Jahres anhaltenden
Naͤſſe endiget, dabey ſich ſowohl die Heu- als Feld-
erndte verzoͤgert, Gras, Heu und Frucht verdirbt
und die Bearbeitung der Brache ſelbſt langſam gehet,
und immer unterbrochen wird. Denn wer kann auf
dem Sommerfelde alsdenn das Streiken oder Stuͤr-
zen ordentlich zu Stande bringen? wird bey ſolcher
Naͤſſe nicht der Acker faſt zu einem Moraſte in der Nie-
drung, wenn ſonſt die Saatzeit einfaͤller? und wird
ſie in einen ſolchen Sumpf geworfen, ſo vergehet ſie
doch bald nach dem Auskeimen, daß man eine Nach-
ſaat halten muß oder moͤchte! Hier hat der Ackerver-
ſtaͤndige Gelegenheit, bey einer ſo ſchlimmen Witte-
rung, ſeine Erfahrung und wohl uͤberlegte Abtheilung
der. Bearbeitung der hohen und tiefen Felder, im
trocknen und magern, auch feſten, fetten Boden, in
feuchten Gruͤnden anzuwenden. Eine gute voraus-
geſetzte Kenntniß der Brache, erleichtert die Beſtel-
lung des Ackers zum Sommergetreide! Die Brache
ſoll recht austrocknen, das Sommerfeld hingegen
ſeine Fruͤchte behalten.
Die Beſtellung der Sommerfruͤchte, die ſich
nach der verſchiedenen Abtheilung der Felder richten
muß, erfordert gewiſſe und beſondere Behandlungen,
von welchen man hier nur die noͤthigſten Vorſchriften zu
Heiner
[114] einer allgemeinen Anleitung zu geben im Stande iſt,
die von erfahrnen Leuten immer vor hinreichend gehal-
ten werden.
Die zu Beſtellung des Sommerkorns erforder-
lichen dreyfachen Hauptarbeiten, ſind insgemein das
ſtrecken und ruhen der Brache, und das pfluͤgen zur
Saat. Die erſtere nimmt man deshalb noch vor
Winters vor, damit nicht alle dieſe Arbeiten zu kurz
auf einander kommen ſollen, das Pfluͤgen geſchiehet
zuerſt nur flach, um den Raſen und die Stoppeln
durch den Pflug in ſo weit umzulegen, daß er ver-
ſtockt, daß Froſt und Schnee ihn muͤrbe machen,
und die Erde dennoch nicht durch das Winterwaſſer
abgeſpuͤhlet werde. Im folgenden Fruͤhlinge durch
das Ruͤhren des Sommerfeldes, worauf das leichte
uͤbereggte Land bis zur dritten Beſtellung, nehmlich
dem Saatpfluͤgen ruhen kann: ob ſchon unter andern
der Hafer im leichten, zu Erhaltung der Winterfruͤchte,
nur zweymahl beackerten Boden geſaͤet werden kann,
ſo traͤgt er doch in einem im Fruͤhlinge dreymahl gut-
gepfluͤgtem ſchweren Lande beſſer zu.
Man ſtrecket alſo das Sommerfeld, ſo bald man
mit der Winterſaat zu Stande gekommen iſt, und
ſetzet dieſe Arbeit bis zum Froſte fort, welches
in einigen Gegenden ſchon nach der Roggenerndte,
und wieder nach der Roggenſaat geſchiehet, wenn es
der Huͤtungsordnung halber geſchehen kann, und die
Menge des Unkrautes, und der hohen, ſtarken, dich-
ten Stoppeln ſolches erfordern. Zu Erhaltung der
Feuchtigkeit in einem allzu trocknen, ſtaubigem Lande,
geſchiehet das erſte Pfluͤgen des Morgens oder des
Abends, und nicht am heißen Mittage, allezeit ſehr
flach, und ſo, daß Furchen und Balken faſt mit ein-
ander abwechſeln: die Stoppeln verfaulen dennoch
und die Egge oder auch die Walze macht alles gleich,
da
[115] da denn das hierauf erfolgende Ruͤhren des Feldes um
deſto beſſer von ſtatten gehet.
Gerſte und Buchweizen ſind unter der Som-
merſaat, die zarteſten Arten, welche fruͤh geſaͤet wer-
den ſollen, und von ſpaͤten Nachtfroͤſten bald verfrie-
ren oder ſonſt vergehen, die erſte verdorret leicht,
wenn es zu ſpaͤt geſchiehet, und der letztere ſetzet
ſchlechter an. Die in gewiſſen Gegenden gewoͤhnlich
einfallenden Regen, beſtimmen die Saatzeit der Ger-
ſte am ſicherſten, welche zu der fruͤhen Gerſte, zu
Anfange des Maymonats am beſten befunden wird;
ob ſie gleich duͤnner ſtehet, ſo ſcheffelt ſie doch gut.
Denn die ſpaͤte traͤgt ſo reichlich nicht zu, ob ſie ſchon
im Stroh beſſer ſtehet. Im geilen Lande ſetzet die
ſich uͤberwachſende blaͤſige Gerſte wenig Korn, im
magern Sandboden will es mit ihr nicht fort, bey
trockner Witterung aber verbrennet die Saatpflanze
im hitzigen Miſte ſehr geſchwind. Das fette und
feſte Land bekoͤmmt nach einem gleich bey oder nach
der Gerſtenſaat einfallenden ſtarken Regen, eine har-
te Rinde, durch die der ſchnell auslaufende Keim,
nicht dringen kann, und der Saame leidet die Egge
nicht, außer gleich nach der Ausſaat. Ueberdem ge-
het der Saame ſehr ungleich auf, daß er leicht in
Abſicht auf die Zeit der Reife, eine zweyſchuͤhrige
Frucht bringet, indem die tief liegenden Koͤrner bald
aufgehen, die obern aber ſpaͤter keimen, wenn ſie
nicht gleich vertrocknen! Bey ſehr trockner Zeit und
in einem ſehr trocknen Grund kann man ſo wenig Gerſte
ſaͤen, als bey bald bevorſtehenden Gewittern.
Im magern Sandboden wird Buchweizen mit
Nutzen geſaͤet, und zur Saat werden die ſchlechten
Koͤrner angewendet, damit er in keine geile hohe
Pflanzen erwachſe, ſondern in kleine niedrige Stengel,
welche deſto mehr Saamen anſetzen, deſſen Menge
beym Ausdreſchen hernach, das Stroh ſelbſt uͤber-
H 2wieget,
[116] wieget, das man nach dem Einfuͤhren ſogleich gruͤn
ausdreſchet, und das uͤbrige Kraut zum Schaaffutter
in der Luft trocknet. Im feuchten und beſſern Grun-
de, waͤchſet das Kraut hingegen etliche Schuh hoch,
und bluͤhet beſtaͤndig, ohne Korn anzuſetzen, und
trocknet noch langſamer, als aus dem ſchlechten
Boden.
Da der Hafer in allerley Boden bey verſchiede-
ner Witterung gut zu erbauen iſt, ſaͤet man ihn, um
der Winterfruͤchte halber fruͤh, in ein friſch gebrochen
Land, das erſt zu Acker werden ſoll. Das Eggen
und Walzen vertraͤgt er noch ſowohl wenn er aus-
waͤchſet, als wenn er ſchon Blaͤtter hat, ob es wohl
viel eher nach der Ausſaat im ſtaubigten oder ſandi-
gen Acker geſchehen ſoll, damit er nicht zweyſchuͤhrig
werde. Sonſt, da der Hafer nicht ſo gut zutraͤgt,
als die Gerſte, muß man den beſſern Acker allezeit
der Gerſte, und den ſchlechtern dem Hafer geben, ſo,
wie der Buchweizen im ſchlechteſten gebracht wird.
Die Erbſen nebſt andern eßbahren Huͤlſenfruͤchten
und die Wicken werden, ſobald das Land, der Naͤſſe
halber, zu brachen ſtehet, fruͤhzeitig genug geſaͤet,
da ihnen der Froſt nicht ſchadet. Dieſe Beſtellung
muß eine der erſten ſeyn, wegen Erhaltung der Win-
terfruͤchte, da ihre Stengel viel Saft ziehen und bald
heranwachſen, ihre Wurzeln decken, und ſich ranken
muͤſſen, ehe die Hitze eintritt: außerdem werden ſie
vom Honig- und Mehlthau uͤbel zugerichtet und ver-
dorren, oder ſie wachſen bey nachfolgender Naͤſſe und
kuͤhler Witterung ſehr ſtark, und bluͤhen beſtaͤndig,
ohne Frucht anzuſetzen. Die Erbſen haben indeſſen
den Vorzug im guten Lande, da die Wicken allezeit
den ſchlechten wohl vertragen. Doch hat man ſichere
Erfahrungen, wenn man in einem nur zweymahl ge-
pfluͤgten, aber zuerſt flach geſtuͤrzten Acker, zuweilen
abwechſelnd Wicken ſaͤet, daß ſich die Reitwuͤrmer,
oder
[117] oder Werlen ungemein verliehren. Ein gutes Erbs-
land wird vor Winters geduͤnget, im Fruͤhlinge tief
durchgepfluͤget, und wegen Erhaltung der Winter-
fruͤchte ſogleich beſaͤet, ſo gerathen ſie gut. Im
Herbſte hingegen wird das feuchte Erbsland aus ein-
ander gepfluͤget, damit es nicht kuͤnftig zu zaͤhe blei-
be, im Fruͤhlinge aber erſt geduͤnget, und zur Saat
wieder zuſammen gepfluͤget. Zum Roggen aber
wird es dreymahl wohl durchgearbeitet. Gleich nach
der Erndte wird das geweſene Erbsland geſtreckt,
damit es nicht allzu ſtark oder geſchwind verwilde-
re, wenn das Unkraut Luft zu wachſen erhaͤlt. Wie
es denn auch um deswillen zuweilen geſchiehet, daß
die dicht verwachſene Stoppeln erſt geſtreckt, mit der
Egge rein gemacht, und hernach erſt ordentlich ge-
pfluͤgt werden, worauf man es nach acht oder vierzehn
Tagen Ruhe, zum drittenmahle pfluͤgen und zur
Saat beſtellen laͤßet. Da man ſonſt das Erbsland
vor Winters duͤnget, koͤnnte man die Erbſen einmal
in ungeduͤngtes Land ſaͤen, und den folgenden Herbſt
den Duͤnger fuͤr den Roggen ſpahren.
Der Sommerweizen traͤgt ſehr reichlich zu,
und wird mit Nutzen zum Brauen und Brantwein-
brennen gebraucht: ob er ſchon im uͤbrigen kein ſon-
derlich weiſſes Mehl giebet. Da man ihn zu we-
nig kennet, bauet man ihn nicht ſtark an, weil er
nicht ſo haͤufig, wie der Winterweizen, gekauft
wird. Er verdienet eine mehrere Unterſuchung
und beſſern Gebrauch!
Der Sommerruͤbeſaamen oder Sommerruͤb-
ſen wird erſt gegen Johanni im guten Boden ge-
ſaͤet, wird aber unter den Sommerfruͤchten faſt
am allergeſchwindeſten reif. Vor der Reife leidet der
noch weiche Saame vom Ungeziefer oft Schaden, wel-
ches man die Pfeifer nennt, und im Stande iſt, wo ſich
nicht etwas Hedrig darunter befindet, in 24 Stunden ein
H 3gan-
[118] ganzes Stuͤck von dieſer Ruͤbeſaat auszufreſſen. Der
Anbau dieſer nuͤtzlichen Sommerfrucht iſt in etlichen
fruchtbaren koͤniglichen Provinzen eingefuͤhret. Vom
Leinbau, welcher von ſo vielen neuen Schriftſtellern
weitlaͤuftig abgehandelt worden iſt, wird hier noch
anzumerken ſeyn: daß, ob er gleich in gewiſſen Ge-
genden den Flachs-Leinſaamen und Garnhandel un-
terſtuͤtzet, auch ſonſt manchem Armen ſein Brod giebt,
ſo iſt er doch nicht durchgaͤngig, wie es wohl ſcheinen
koͤnnte, vortheilhaft, ja, er iſt es auf Seiten des
Landmannes faſt am allerwenigſten.
Denn bey der Erbſenſaat wird mehr gewonnen:
bey Leinbau gehet das Schaaffutter verlohren, es wird
mehrere Duͤngung erfordert und angewendet, der
Grund dabey dennoch ausgeſauget, daß die darauf
folgenden Erndten verliehren. Wo der gute Boden
und Duͤnger nicht uͤberfluͤßig iſt, kann alſo der Lein-
bau nicht weiter getrieben werden.
Dieſes waͤren unſere Ackerfruͤchte, die uns im
Sommerfelde die gewoͤhnliche Nutzung geben, und
mit welchen wir ſowohl wegen der Ruhe, als der
darauf folgenden Winterung ordentlich abzuwechſeln
wiſſen ſollen.
[[119]]
Gedanken
von
den natuͤrlichen Urſachen der hoͤchſt ſchaͤdlichen
Seuche bey dem Rindvieh.
§. 1.
Die Frage, woher das Sterben unter dem Rind-
vieh an der Peſt entſtehe, hat, meines Wiſſens, noch
keiner mit Grunde beantwortet. Durch gegenwaͤrti-
gen Entwurf meiner Gedanken, habe ich den End-
zweck, zu verſuchen: ob ich Jemanden auf die Spur
dieſer hoͤchſt ſchaͤdlichen Seuche bringen koͤnne. Da
ich oͤfters zugegen geweſen bin, wenn einige Stuͤcke
von denen an dieſer Seuche krepirten Viehes eroͤfnet
und beſichtiget worden ſind.
§. 2.
Weil das kranke Vieh uns nicht ſagen kann, wo
es ihm fehlet; ſo muͤſſen wir, wenn wir eine Erkennt-
niß von ihrer Beſchaffenheit erlangen wollen, auf deſ-
ſen innerliche Structur ſo wohl, als auf die Bewe-
gungen, und worinnen ſich dieſe aͤußern, acht haben.
H 4§. 3.
[120]
§. 3.
Die Kennzeichen, woran man merket, daß das
Vieh mit dieſer Seuche befallen, ſind folgender Ge-
ſtalt: Es hoͤret auf mit Freſſen und Wiederkauen,
ſtehet traurig, die Augen werden gelb und truͤbe, fan-
gen zum Theil an zu zittern, und denen Kuͤhen ver-
gehet die Milch. Am andern oder dritten Tage faͤn-
get es an zu purairen, da es denn Anfangs Miſt, in
der Folge aber Schleim und Materie weg zwaͤnget,
und welches das deutlichſte Kennzeichen der Peſt iſt:
die Augen rinnen, und aus der Naſe fließet ein gel-
ber Rotz. Endlich faͤngt es an mit geſtrecktem Halſe
zu dampfen und zu ſchlagebauchen, worauf es am
fuͤnften oder ſechſten Tage gemeiniglich krepiret.
§. 4.
Wenn das an dieſer Seuche krepirte Vieh geoͤf-
net wird, findet man den Wanſt, oder großen Ma-
gen, voll von ſtinkenden und mit vielem Waſſer ver-
miſchten, den Blaͤttermagen, oder das Tauſendfach
aber, in allen ſeinen Faͤchern vollgeſtopft von trocke-
nen und ſehr fein zermalmeten Futters, welches man
zu Stuͤcken brocken kann. Die Blaͤtter dieſes, und
die inwendige Haut des großen Magens oder Wan-
ſtes, ſind verbrannt, der Schlund im Rachen iſt
ſchwarz, und die Gallenblaſe iſt groß. Der Rohden
und das kleine Gedaͤrme bis ans Tauſendfach iſt ganz
leer von Futter, ſchwarz, blau und roͤthlich durch ein-
ander angelaufen und voll Wind. Alles uͤbrige her-
gegen ſiehet geſund, und iſt weiter nichts zu ſpuͤren,
das eine Urſach der Krankheit und des Todes haͤtte
ſeyn koͤnnen.
§. 5.
Daß dieſe Krankheit anſteckend ſey, iſt bekannt,
zum Uebe fluß aber will ich ſolches mit einigen Exem-
peln
[121] peln aus meiner Erfahrung beſtaͤtigen. Das Vieh-
ſterben, wovon ich Eingangs erwaͤhnet, wurde durch
einige Ochſen, ſo ein Brantweinbrenner von entfern-
ten Orten geholet, in die Stadt gebracht. Dieſes
Vieh war noch nicht zwey Tage im Stalle, als ſchon
eines nach dem andern krank wurde, und unter ſol-
chen Anzeigungen, wie §. 3 und 4. gedacht, krepir-
ten. Es ſtach das darnaͤchſt ſtehende geſunde Rind-
vieh an, ſo, daß ſolches von einem Hauſe, und von einer
Straße zur andern fortgieng, bis in Zeit von wenig
Wochen von tauſend Stuͤcken uͤber acht hundert dem
Tode uͤberliefert waren. Um aber gewiß zu erfahren,
ob dieſe Seuche anſteckend waͤre, wurde von einem
benachbarten Beamten, auf Veranlaſſung des Orts
Obrigkeit, ein geſundes Rind gekauft, und in einen
Stall zwiſchen das kranke Vieh geſtellet: es wurde
aber auch bald krank und krepirte, und da es eroͤfnet
und beſichtiget wurde, hat man alle die Anzeigungen,
wie §. 4. bemerket, gefunden.
§. 6.
Da das Rindvieh vor allem andern Vieh nur
allein dieſer Art Seuche unterworfen iſt; ſo muß der
Grund derſelben in dem geſucht werden, in welchen
Stuͤcken dieſes Vieh ſich von andern unterſcheidet:
l. G. das Rindvieh wiederkauet, hat einen vierfachen
Magen ꝛc. ein Pferd hat dieſer Stuͤcke keines, und
bekoͤmmt dieſe Krankheit nicht; ſo mache ich den
Schluß: man muͤßte die Urſach darinnen ſuchen, was
jenes hat und dieſes nicht hat.
§. 7.
Weil ſich nach §. 4. bey dem an der Seuche kre-
pirten Rindviehe, nirgends Kennzeichen der Krank-
heit und des Todes, als in dem Blaͤttermagen und
H 5Wanſte
[122] Wanſte gefunden; ſo muß der Grund derſelben in
dieſen beyden Dingen geſucht werden. Denn, ob
zwar das kleine Gedaͤrme entzuͤndet befunden, ſo ruͤh-
ret ſolches von der Hitze und der daher entſtehenden
Schaͤrfe her, und iſt alſo zufaͤllig. Vermoͤge dieſer
von der Hitze entſtandenen Schaͤrfe in den kleinen Ge-
daͤrmen, faͤnget das Vieh nach §. 3. an zu purgiren
und zu zwaͤngen. Und weil die Excremente aus dem
Blaͤttermagen, weil derſelbe verſchloſſen iſt, im ge-
ringſten nicht verfolgen koͤnnen; ſo werden die kleinen
Gedaͤrme immer mehr und mehr gereizet, und voll
Wind, bis endlich der Brand dazu ſchlaͤget und ein
Ende machet. Man muß alſo, wie vor erwaͤhnet
worden, lediglich die Urſachen in denen Maͤgen, und
dann auch in einem noch damit verknuͤpftem Stuͤcke,
in dem Wiederkauen ſuchen.
§. 8.
Alles Vieh, das einen Blaͤttermagen hat, das
wiederkauet, oder umgekehret: alles Vieh, das wie-
derkauet, hat einen Blaͤttermagen. Weil eines ohne
das andere nicht gefunden wird, ſo hat es eine noth-
wendige Gemeinſchaft mit einander. Und iſt die
Gemeinſchaft nothwendig, ſo muß eines auf das an-
dere wuͤrken; wie ich in folgenden Paragraphen noch
mehr zu beweiſen gedenke; und wenn dieſe Wuͤrkung
unterbrochen wird: ſo wird auch das Geſchaͤfte der
Verdauung mit unterbrochen und außer Activitaͤt ge-
ſetzet. So ſtehet eine Muͤhle ſtille, wenn ihr die
Kraft der Bewegung, als Wind und Waſſer, ent-
zogen wird. Hieraus erhellet, daß das Wieder-
kauen eine Kraft ſey, welche der Verdauung ſeinen
Fortgang verſchaffet Dieſe nothwendige Gemein-
ſchaft des Wiederkauens mit dem Wanſte und Blaͤt-
termagen erklaͤret ſich noch deutlicher, wenn man
§. 9.
[123]
§. 9.
Die Beſchaffenheit des Wiederkauens erweget.
Es iſt eine bekannte Sache daß das Rindvieh, wenn
es frißt, wenig oder gar nicht kauet; denn vermoͤge ſeiner
ſcharfen Zunge, die den Mangel der Obervorderzaͤhne
mit erſetzen muß, ziehet es das Futter uͤber die untern
Zaͤhne nach ſich, und fuͤhret ſolches zu Ballen gleich-
ſam gewickelt, wenig zerkaut, in beſtaͤndigem Schlin-
gen, ſeinem großen Magazine, dem Wanſte zu.
Wenn es ſatt iſt, oder wenn es die ihm vorgegebene
Speiſe gefreſſen; ſo faͤnget es ſogleich an wiederzu-
kauen, das iſt: es bringet die ballenweiſe hinunter
geſchlungene, zu wenig gekauete und mit der Feuch-
tigkeit des Gaumens nicht genug vermengete, und
alſo zum Verdauen und Durchgang durch den Blaͤt-
termagen noch nicht geſchickte Speiſe per ructus wie-
der herauf in den Rachen, kauet ſolche mit den Ba-
ckenzaͤhnen ſehr klein, und alsdenn zur Verdauung
und Durchgang des Blaͤttermagens tuͤchtig, ſchlucket
es ſolche wieder herunter, da ſolche denn ſogleich an
einen andern Ort, den man den Magenzipfel oder
Fuhrmannsmuͤtze zu nennen pfleget, und zwiſchen dem
Wanſte und Blaͤttermagen, aber auch zugleich mit am
Schlunde lieget, hingefuͤhret, und von dem Unwie-
dergekaueten abgeſondert wird. Das wiedergekauete
iſt nicht ſo bald hinunter, als ſchon wieder was fri-
ſches zum wiederkauen heraufſteiget; welches Ge-
ſchaͤfte, wenn es nicht unterbrochen wird, ſo lange
dauert, als ſo viel Speiſe zu der Zeit zum Ueber- und
Durchgang der Natur noch noͤthig geweſen.
§. 10.
Weil ich im vorigen §. geſagt habe: daß das
Rindvieh die Speiſe zum wiederkauen, durch Ructus
herauf bringet; ſo halte fuͤr noͤthig, die Beſchaffen-
heit
[124] heit dieſer Sache, ſo gut ich ſie eingeſehen, noch zu
erwegen:
Man pfleget dem Rindviehe vier verſchiedene
Abtheilungen des Magens, oder vier Maͤgen ſelbſt
zuzuſchreiben. Ich laſſe es dabey bewenden, und
will, wie ich oben ſchon oͤfters gethan, den erſten
den Wanſt, den zweyten den Magenzipfel, den
dritten den Blaͤttermagen, und den vierten den
Rohden oder Fettmagen nennen. Dieſe vier ver-
ſchiedene Stuͤcke liegen dicht an einander. Die er-
ſten drey liegen einander zur Seiten, und ſo, daß der
Wanſt auf der linken, der Blaͤttermagen auf der rech-
ten Seite, und der Magenzipfel darzwiſchen lieget.
An dem Orte, wo der Wanſt und Magenzipfel zu-
ſammenhaͤngen, gehet der Schlund herein; und zwar
ſo, daß er geſchickt iſt, ſo wohl dem einen als dem
andern die Speiſe mitzutheilen, welches auch darin-
nen geleiſtet wird, wenn er dem Wanſte die rohe und
noch nicht wiedergekauete, dem andern aber die wie-
dergekanete Speiſe zufuͤhret. Weil nun kein anderer
Kanal aus dem Wanſte gehet, dadurch die Speiſe
weiter transportiret werden koͤnne; ſo muß ſelbige,
wenn ſie weiter will, bey dem Munde des Wanſtes,
und alſo dem Schlunde, da ſie herein gefallen, wie-
der vorbey, woher denn die Ructus entſtehen. Wann
nun ſolch Vieh gefreſſen hat, ſo drucket die erſt ge-
noſſene Speiſe, die bereits im Wanſte vorhandene
fluͤßige Speiſe ſo, daß ſich jene ſenket, und dieſe zum
Wiederkauen uͤbergehet. Denn, weil die unwie-
dergekauete zur Paſſirung des Blaͤttermagens, theils
wegen des ſehr engen Mundlochs, welches ſich noch
darzu nicht dehnet, andern Theils aber wegen der ſehr
ſchmahl und kaum ⅓ eines Zolles weit abgetheilten
Faͤcher, welche noch uͤberdem in ſehr zarten Haͤutchen
beſtehen, nicht geſchickt iſt; ſo ſiehet man die Noth-
wendigkeit um ſo mehr ein, daß ſolche nochmals ge-
kauet
[125] kauet werden muͤſſe, und daß die Ructus hierzu noͤ-
thig ſeyn. Daß aber die wiedergekauete Speiſe
nicht wieder in den Wanſt, ſondern in den Magen-
zipfel ſogleich hineinfalle, habe ich bereits §. 9. an-
gezeiget. Wem dieſes unbegreiflich vorkommen moͤch-
te, der wird bey einer genauen Unterſuchung des
eroͤfneten Viehes, wozu man die beſte Gelegenheit
bey den Fleiſchhauern hat, bald finden, daß es ſich
ſo und nicht anders verhalte. Vielleicht kann folgen-
des zu einer mehrern Erlaͤuterung dienen, wenn
§. 11.
Erwogen wird: daß ein Kalb, ſo lange es die
Muttermilch genießt, nicht wiederkauet; ſobald es
aber Futter frißt, ſo thut es daſſelbe. Man ſchlachte
ein ſolches Kalb, das noch kein Futter gefreſſen, ſo
wird man die Milch, die es eingeſogen, nicht in der
erſten Abtheilung, als dem Wanſte, der zu der Zeit
leer, und noch ſehr klein iſt, ſondern in der zweyten
Abtheilung, dem Magenzipfel, wohin ſie durch den
Schlund ſogleich faͤllet, finden. Da die Milch des
Kauens und alſo auch des Wiederkauens nicht be-
darf; ſo iſt auch nicht noͤthig, daß ſie zuvoͤrderſt in
den erſten Magen gehe; denn wenn ſie dahin gienge,
ſo wuͤrde 1) etwas ohne Noth geſchehen, und 2)
wuͤrde ſie bey dem Uebergehen Ructus erregen und
aufſteigen; welches wo es nicht ſchaͤdlich, doch ohne
Nothwendigkeit waͤre, das man in der Natur nicht
anzutreffen pfleget. Da nun das, was zum Wie-
derkauen nicht noͤthig iſt, ſogleich in den zweyten Ma-
gen gehet; ſo lernet man einſehen, warum die bey dem
alten Vieh gewiederkauete Speiſe, nicht wieder da-
hin gehet, wo ſie hergekommen; und ferner, daß der
erſte Magen, der Wanſt, nicht zur Verdauung, ſon-
dern nur zu einer Vorrathskammer geſchaffen ſey, die
dar-
[126] darinnen geſammlete Speiſe, bey der Ruhe durch ein
nochmaliges Kauen denen uͤbrigen Abtheilungen des
Magens mitzutheilen. Mit dieſen drey bereits ange-
zeigten Abtheilungen oder Maͤgen, die dichte (§. 10.)
an einander liegen, und alſo (nach §. 8.) unmittelbar
auf einander wuͤrken, hat das Wiederkauen die voll-
kommenſte Verbindung, der vierte Magen aber, als
der Rohden, und welchen einige nicht unrecht vor den
rechten Magen angeben, hat ſeine Gemeinſchaft mit
dem Gedaͤrme.
§. 12.
Wenn das Vieh wiederkauet, ſo ſtehet es, oder
es leget ſich dabey nieder. Bisweilen, aber doch
ſeltſam, wiederkauet es bey willkuͤrlichen ſehr lang-
ſamen Schritten. So bald es aber getrieben wird,
und ſtaͤrkere Schritte thun muß, ſo wiederkauet es
nicht. Das Rindvieh muß alſo zum Wiederkauen
Muße haben.
§. 13.
Das Viehſterben ereignet ſich mehrentheils im
Nachſommer, Herbſte oder Winter; alſo in ſolchen
Zeiten, da das Futter dieſer Art Viehes reif, ſproͤde
und hart geworden; im Fruͤhlinge aber, da ſelbiges
zart und weich iſt, ereignet ſich, meines Wiſſens,
dieſe Seuche niemahls.
§. 14.
Ueberall, wo dieſe Seuche ihren Anfang genom-
men, hat man die Urſach demjenigen Viehe Schuld
gegeben, ſo von fremden Orten dahin gebracht wor-
den, und wer kann dieſes leugnen? Einige ſind ehe-
mals
[127] mals der Meinung geweſen, daß dieſe Seuche durch
das aus Pohlen, andere aus Ungarn, ja gar aus
Italien und der Tuͤrkey hergebrachte Vieh in Deutſch-
land heruͤber gekommen ſey. Ich gebe dieſes zu, und
kann durchaus nicht geleugnet werden, daß allemal,
wo ein Viehſterben zuerſt ausbricht, dasjenige Vieh,
ſo von fremden Orten geholet worden, zuerſt krank
geworden und krepiret ſey, und daß alles Rindvieh,
was dieſes im Tode ſchleunig nachgefolget iſt, wenn
es eroͤfnet worden, mit jenem einerley Beſchaffenheit
und einerley Urſachen des Todes gehabt habe. Ich
will zum Ueberfluß nur einige Exempel anfuͤhren; und
wovon ich ein Augenzeuge geweſen: So krepirten im
Jahre 1736 im Winter einem Viehhaͤndler ohnweit
Frankfurth an der Oder uͤber funfzig Stuͤck der fette-
ſten Pohlniſchen Ochſen binnen acht Tage an dieſer
Seuche, die er erſt aus ermeldetem Lande geholet hatte,
und wo bey den einheimiſchen nichts zu ſpuͤhren war.
§. 5. habe ich angefuͤhret, daß dieſe Seuche damals
durch Ochſen dahin gebracht worden ſey, welche ein
Brandweinbrenner von andern Gegenden geholet.
So entſtand auch vor etwa zween Jahren dieſe Seu-
che auf einem in hieſiger Grafſchaft belegenen koͤnigl.
Preußl. Amte durch Vieh, ſo der daſige Beamte aus
der Gegend bey Torgau geholet hatte, und wovon der
Herr Hofrath und Landphyſicus Daniel zu Halle ein
Zeuge war. Endlich iſt uns auch das große und ent-
ſetzliche Viehſterben nicht unbekannt, ſo vor zwey
und drey Jahren, ſich von den Graͤnzen Magdeburgs
an bis ganz an der Elbe hinauf, auch in Sachſen,
im Erzgebuͤrgiſchen Kreiſe und ſonſt noch viel mehrern
Gegenden geaͤußert hat. Wenn man nach denen Ur-
ſachen hiervon vernuͤnftige Leute fraͤget, ſo bekommt
man zur Antwort, daß es zuerſt von dem Vieh ent-
ſtanden, welches die Armeen mit ſich hin und wieder
gefuͤhret, und an manchen Orten zuruͤck gelaſſen ha-
ben.
[128] ben. Und jetzo beſtaͤtiget ſich dieſe Wahrheit leider!
auch an dieſem und einigen andern benachbarten Or-
ten, da einige Einwohner von denen am 4ten Merz
c. a. hierdurch marſchirenden, und aus Sachſen kom-
menden Soldaten, die Rindvieh mit ſich gefuͤhret,
einige Stuͤcke an ſich gekaufet, und in ihre Staͤlle
bey das andere Rindvieh gebracht haben. Dieſes
von ermeldeten Soldaten erkaufte Vieh, iſt in vier
verſchiedene Staͤlle, in drey verſchiedene Doͤrfer,
hier und hieſiger Nachbarſchaft geſtellet worden. Es
war noch nicht 24 Stunden in denſelbigen, als man
gemerket, daß es krank ſey, es krepirte binnen wenig Ta-
gen, und hinterließen das neben ihnen ſtehende ein-
heimiſche Vieh krank, ſo, daß es in drey verſchiede-
nene Staͤllen, wo das fremde Vieh hineingekommen,
bereits alles uͤbrige krepiret iſt, und jetzo noch immer,
langſam, von einem Stalle zum andern dieſe Krank-
heit fortſchleichet, daß ſie ſcheinet allgemein zu wer-
den. Da ich verſchiedene von dieſen verreckten Stuͤ-
cken eroͤfnen laſſen und beſichtiget habe, haben ſich
die Merkmale, wie ſie §. 4. beſchrieben worden, gar
deutlich gezeiget, ſo, daß, wenn ich die Anzeigungen
der Leute, wie ſich dieſes Vieh in der Krankheit ver-
halten hat, darzu nehme, ſicher ſchließen kann, daß
es die wuͤrkliche Viehſeuche ſey.
Da wir nun viele, ja vielleicht wohl keine andere
Exempel vor uns haben, daß das Viehſterben durch
das von entfernten Orten daher gebrachte Vieh ent-
ſtanden, welches entweder ſchon krank in die Staͤlle
gekommen, oder doch bald nachhero krank geworden,
krepiret, und das geſunde Vieh ſeiner Art mit ver-
giftet hat; ſo wird verhoffentlich ſolches niemand mehr
in Zweifel ziehen, und meine angefuͤhrten Saͤtze, die
ſich alle auf die Erfahrung gruͤnden, werden uns bald
auf die Spur der Urſachen dieſer ſchaͤdlichen Seuche
leiten.
[129] leiten. Es iſt gar nicht anzunehmen, daß das von
fremden Orten hergebrachte und nachher krank gewor-
dene Rindvieh, da ſchon von dieſer Seuche inficirt ge-
weſen ſeyn ſollte, wo es hergebracht worden. Wenn
das waͤre, ſo muͤßte ſich das Viehſterben beyder Or-
ten, nehmlich, da wo es her- und wo es hingebracht
und eingeſtallet worden, geaͤußert haben, und das
hat man wenigſtens noch nicht gehoͤret. Die Vieh-
haͤndler kaufen an ſolchen Orten, wo dieſe Seuche im
Schwange gehet, kein Vieh, und im Kriege werden
die Soldaten da auch nichts an ſich nehmen; die Obrig-
keit des Orts und die benachbarten laſſen auch nichts
durch; und wenn dem auch ſo waͤre, ſo wird ſich das
ſchon kranke Vieh nicht ſo weit treiben laſſen; es wuͤr-
de nicht eine, geſchweige mehrere Tagereiſen aushal-
ten: es wuͤrde alſo unterweges ſchon krepiren. Das
Rindvieh, ſo die kayſerl. koͤnigl. auch Reichs- und
herzogl. Wuͤrtemb. Truppen mit in die Gegend des
Elbſtroms gebracht, haben ſie aus dem Hohenſteini-
ſchen, Mansfeldiſchen und dem Saalkreiſe mit ſich
genommen, in allen dieſen Gegenden iſt, Gottlob!
vor und nach dieſer Zeit kein Viehſterben entſtanden.
Gleichwohl aber hat dieſes Vieh die Seuche mit in
dortige Gegenden gebracht, wo ermeldete Truppen
mit dem Vieh durchgekommen. Es muß alſo dieſe
Seuche, oder den Stof dazu nothwendig unterweges
bekommen haben? ich ſage ja: und ſuche es folgen-
dergeſtalt zu beweiſen: Es geſchiehet mehrentheils
im Herbſte, da das Rindvieh aus entfernten Gegen-
den von denen Viehhaͤndlern zur Maſtung und Ein-
ſchlachtung geholet wird. In dieſer Jahreszeit findet
das Vieh an denen Wegen uͤberall viel Futter; dieſes
wiſſen ſich die Treiber wohl zu Nutze zu machen, ſie
laſſen das Vieh auf allen Seiten brav anbeiſſen, und
je beſſer ihnen das Futter ſchmecket, und je weniger
Zeit ihnen zum Freſſen gelaſſen wird, deſto begieriger
Jſchlinget
[130] ſchlinget es. Bey marſchirenden Truppen geſchiehet
ſolches unverwehret: ſie laſſen das mit ſich fuͤhrende
Vieh freſſen, wo das Getreide am dickeſten iſt, da es bey
denen Haͤndlern wohl die Nacht geſchiehet. Und mitler-
weile das Vieh friſſet, ſo ruhen die Treiber, und wenn
das Vieh ſich ſatt gefreſſen, und nun nach §. 12. Muße
zum Wiederkauen bedarf; ſo wird es hitzig fortgetrie-
ben, und das um ſo viel geſchwinder, je mehr der
Treiber glaubt, daß es ſolches nach einer guten Mahl-
zeit deſto fuͤglicher bewerkſtelligen koͤnne. Folglich
wird das nach dem Fraß ſo hoͤchſt noͤthige Wieder-
kauen (§. 8.) und alſo auch die Verdauung unterbro-
chen, da dann die erſt genoſſene Speiſe in dem großen
Magen ungewiederkauet liegen bleibet. Und wenn
es denn auch, nachdem es einen hitzigen Marſch ge-
than, Ruhe zum Wiederkauen bekommt; ſo iſt es
alsdenn viel zu ſpaͤt, weil alsdenn nach §. 9. und 10.
keine Ructus mehr erfolgen, oder, wie ſehr wahr-
ſcheinlich zu vermuthen: daß das im Wanſte vorhan-
dene viele rohe Futter zu fermentiren anfaͤngt, und
den Kopfjammer oder die Maulklemme erreget: und
folglich, da doch nach §. 11. das Wiederkauen auf
den Blaͤttermagen nicht wuͤrken, und der darinnen
verhaltenen Speiſe alſo keinen Druck geben kann, zu-
mahl, wie angemerket worden, die drey verſchiedene
Maͤgen vor ſich keine Kraft, ſondern ihre Bewegung
durch ihre Verbindung mit dem Wiederkauen nach
§. 8. 9. 10. 11. haben, nicht das geringſte von Spei-
ſe und Feuchtigkeit in den vierten Magen und in die
Gedaͤrme uͤbergehet, eine heftige Gaͤhrung und Fer-
mentation, und nachhero der Brand in dem Leibe
entſtehen muß. Da denn dieſen Umſtaͤnden nach,
das kranke Vieh nach §. 3., erſtaunend zu dampfen
anfaͤngt, und nichts anders als giftige und anſtecken-
de Duͤnſte von ſich hauchet, welche ſich durch die
Luft auf den naͤheſten zum naͤhern Gegenſtande ſeines
Ge-
[131] Geſchlechts, ausdehnen, und durch eine gleichmaͤßi-
ge Krankheit, die, wie aus denen Aeußerungen ganz
wahrſcheinlich zu ſchließen, zuerſt den Kopf einnimmt
und das Wiederkauen verhindert, dem Tode uͤber-
liefern.
Anmerkung.
Ich mache mir von der innerlichen Struktur des
Rindviehes 1) dieſen Begrif: daß die drey verſchie-
denen Maͤgen gar nicht verdauen, auch ſich zu bewe-
gen, an ſich keine Kraft haben; ſondern: daß, wenn
das Vieh frißt, daß ſelbige Speiſe auf die im Wan-
ſte befindliche fluͤßige Speiſe druͤcke, daß die fluͤßige
ſich dadurch wie in einem Walkſtocke erhebe, daß,
wenn dieſe an das Orificium komme, Ruktus errege,
vermoͤge derſelben die Speiſe in den Rachen zum Wie-
derkauen komme, und daß, nachdem die Speiſe da-
durch zum Fortgange tuͤchtig gemacht worden, ſie
wieder hinunter geſchlucket werde und in die zweyte
Abtheilung, den Magenzipfel falle, und durch dieſen
Druck, der Durchgang durch den Blaͤttermagen in
die vierte Abtheilung befoͤrdert, und aus der letztern
erſt der Nahrungsſaft dem Koͤrper mitgetheilet werde.
Von Entſtehung der Seuche aber, habe ich 2) den
Begrif: daß das Vieh, wenn es ſich ſatt gefreſſen,
Muße zum Wiederkauen haben muͤſſe. Daß durch
hitziges Treiben das Wiederkauen unterbrochen werde.
Daß durch Unterbrechung des Wiederkauens keine
Speiſe aus dem Wanſte und Blaͤttermagen gehe,
daß die Speiſe im Wanſte ſodann fermentiren muͤſſe;
daß dieſe Fermentation ſodann das Haupt einnehme,
das Wiederkauen vollends verhindere, im Leibe we-
gen der vielen Speiſe Hitze, nachhero den Brand
errege und alsdann krepire. 3) aber und wegen des
Anſteckens: daß das kranke Vieh die fermentirenden
J 2und
[132] und gaͤhrenden Duͤnſte in großer Menge von ſich
hauche. Daß dieſe Duͤnſte giftig ſind. Daß das
geſunde Vieh, das zunaͤchſt ſteht, dieſe Duͤnſte mit
Maul und Naſe aufſchnappe; daß ſolche zuerſt das
Haupt einnehmen, und daß dadurch das Wiederkauen
verhindert, und alsdann eben ſo wie das vorige krank
werde und krepire, und daß das allergeſundeſte Vieh
vor andern darinnen nichts voraus habe.
Sollte ich mit dieſer Erzaͤhlung meiner Gedan-
ken ſo gluͤcklich geweſen ſeyn, [auf] die Spuren der Ur-
ſachen der Rindviehſeuche zu kommen; ſo moͤchte
mancher mich wohl um die Mittel fragen, womit man
dieſes Uebel heben koͤnne.
Es iſt zwar eine bekannte Sache, daß, wenn
man die Urſachen eines Uebels weiß, man um ſo viel
eher zu dienlichen Mitteln darwider gelangen koͤnne.
Aber leider! iſt es auch wahr, daß man ſich bishero
mehr um die Mittel, als um die Urſachen dieſer
Seuche bekuͤmmert hat. Wie verkehrt haben wir
es alſo nicht angefangen! Wollten die Herren Phy-
ſici endlich einmal denen Oekonomen die Haͤnde bie-
ten, und ſich ſolcher Sachen wegen zu ihnen nahen;
ſo zweifle ich an gluͤcklicher Erlangung dienlicher Mit-
tel wider dieſes ſo große Uebel nicht. Indeſſen aber
will ich meine Gedanken, ſo gut als ich ſie jetzo da-
von habe, nicht verſchweigen, das uͤbrige aber an-
dern, zu mehrerer Pruͤfung, anempfehlen, mich aber
bey meinen Unterſuchungen der Zeit fernerer gluͤckli-
chen Entdeckungen uͤberlaſſen.
Es iſt in Wahrheit etwas erſtaunendes, daß wir
bey denen Millionen Mitteln, die vielleicht von
mehr als einer halben Welt zu der Cur dieſer Seu-
che angewendet worden, noch kein einziges zuver-
laͤßiges erfunden, welches wir derſelben mit zuver-
ſichtlichem Nutzen haͤtten entgegen ſetzen koͤnnen.
Wenn
[133] Wenn es wahr iſt, was ich in vorangefuͤhrten Saͤtzen
darzuthun geſucht habe, daß, ſobald dieſes Vieh auf-
hoͤret zu wiederkauen, und welches auch die erſte An-
zeige iſt, daß es krank ſey; daß alsdenn auch die gan-
ze Oekonomie in deſſen Leibe aufhoͤre, und daß als-
denn aus dem großen Futterwanſte, dahin die Arze-
ney durch den Schlund faͤllet, nicht das geringſte von
Speiſe und Feuchtigkeit in den andern und dritten Ma-
gen, auch nichts aus demſelben uͤbergehet; wie iſt es
alsdenn moͤglich, frage ich, daß die Arzeney, wenn
ſie in einen ſo großen ſtinkenden Futterſack faͤllet, und
darinnen liegen bleiben muß, etwas wuͤrken koͤnne?
Die Erfahrung hat gelehret, und beſtaͤtiget mein Ur-
theil hiervon um ſo mehr, da man die Medikamente
bey der Eroͤfnung dieſes an der Seuche krepirten Vie-
hes noch im Wanſte gefunden. Waͤre ein Vomitiv
moͤglich, ſo koͤnnte ſolches, wenn es gleich im Anfang
der Krankheit, ehe der Brand dazu ſchlaͤget, ge-
braucht wuͤrde, vielleicht von großem Nutzen ſeyn.
Es ſey nun, daß wir in Erlangung dienlicher
Arzneymittel gluͤcklich ſeyn oder nicht; ſo iſt doch vor
allen Dingen nothwendig, unſer Augenmerk auf Praͤ-
ſervirmittel zu richten. Wenn ich mir nicht zu viel
Freyheit nehme, ſo will ich unterdeſſen einige doch
ohnmaßgebliche Praͤſervirmittel vorſchlagen, bis wir
beſſere haben werden. Weil ich nun einmahl fuͤr
wahr angenommen, daß das Rindvieh durch ſtarkes
Treiben an dem Wiederkauen, und folglich an der
Verdauung verhindert wird, woraus dieſe ſchaͤdliche
Seuche entſtehet; ſo iſt noͤthig: 1) daß die Vieh-
haͤndler, Fleiſcher und alle diejenigen, ſo fremd Vieh
von entfernten Orten holen, wohl unterrichtet ſeyn
muͤſſen, daß ſie das Vieh langſam treiben, nicht zu
ſtark auf einmal freſſen, und nach dem Fraß, und
ehe ſie weiter treiben, eine Stunde zum Wiederkauen
Muße laſſen. 2) Muͤſſe niemanden erlaubt ſeyn,
J 3Rind-
[134] Rindvieh, es ſey ſo nahe und ſo entfernt es wolle,
von entfernten Orten zu holen, oder zum Verkauf
wegzutreiben, bevor es nicht bey jedes Ortes Obrig-
keit angezeiget, welche ihm ſodann dazu die noͤthige
Inſtruktion und Paß ertheilet, ohne welchen letztern
auch keiner durchgelaſſen werden muß. 3) Was et-
wa von marſchirenden Truppen zuruͤckgelaſſen oder
zum Verkauf angeboten wird, muͤſſe niemand an ſich
nehmen oder kaufen, und in den Stall bey ſein Vieh zie-
hen. Was aber ſtehen gelaſſen wird, muͤſſe entweder auf
dem Felde eingehuͤrdet und da gefuͤttert oder todtgeſchla-
gen, und ſo gut als moͤglich, das Fleiſch und Haut,
wenn es noch keine Anzeigungen der Krankheit hat,
zu Gelde gemacht werden. Die Armeen aber koͤnn-
ten, wenn ſie wollen das zu ihrer Beduͤrfniß mit ſich fuͤh-
rende Vieh Tag und Nacht auf freyem Felde liegen und
daſelbſt futtern, und wenn ſolches einfallenden Winters
wegen, der Stallung bedarf, erſt auf dem Felde die
Quarantaine ein acht Tage aushalten laſſen. 4) Wuͤr-
de es vielleicht von gutem Erfolg ſeyn, daß, wenn
ſich an einem Orte das Viehſterben ereignen ſollte,
und man aus deſſen Erſcheinungen gewiß iſt, daß es
die Peſt ſey, man das kranke Vieh, ehe die Peſt ſo
weit um ſich gegriffen, gleich todtſchlagen laſſe, ehe
es ſeinen giftigen Dampf noch weiter aushauchet,
mehrere anſticht und das Sterben allgemein machet.
Wenn dadurch ein groͤßeres Ungluͤck abgewendet wer-
den koͤnnte; ſo wuͤrden ſich diejenigen, ſo davon Nu-
tzen haͤtten, nicht entbrechen koͤnnen, denen, welchen
das Vieh todt geſchlagen worden, etwas dafuͤr zu erſe-
tzen. 5) Weil die Viehſeuche im Herbſte bey war-
mer Witterung viel heftiger und geſchwinder um ſich
greifet, als im Winter, oder wenn kalte Luft iſt,
welches nicht geleugnet werden kann; ſo fraͤget ſichs:
ob das wohl rathſam ſey, daß man, wie bishero ge-
ſchehen, das Vieh in die Staͤlle ſtecke, allwo die gif-
tigen
[135] tigen Duͤnſte, wegen der Waͤrme darinnen, deſto eher
hinein ziehen und ſich da ausdehnen, und wo, wenn
erſt ein Stuͤck inficirt iſt, ſelbiges deſto gelegentlicher
die andern alle anſtecken kann. Dahergegen in freyer
und kalter Luft der von dem kranken Vieh ausge-
hauchte giftige Dampf, der leichter als die Luft ſelbſt
iſt, ſich dem Erdboden, weil da die Luft am ſchwere-
ſten, ſich entfernet und wie alle Daͤmpfe in die Hoͤhe
ſteiget; folglich dem in freyer Luft liegenden Viehe
weniger, als dem ſo in warmen Staͤllen ſtehet, ſcha-
det. Man wird ſchwerlich ein Exempel anfuͤhren
koͤnnen, daß man mit dem Einſperren des Vie-
hes bey entſtandener Seuche Nutzen gehabt haͤtte.
Das Gegentheil aber hat hinlaͤnglich ſich gezeiget, wo
auf Hoͤfen, da vieles Vieh iſt, wenn ſolches in einen
Stall geſperret worden, wenig oder gar nichts uͤbrig
geblieben; hergegen dasjenige, das gar nicht in den
Stall gekommen, geſund geblieben iſt. Und da auch
6) die Bewegung zur Praͤſervation mir das allerbeſte
Mittel *) zu ſeyn ſcheinet, wir auch keine Exempel
haben, daß im Fruͤhjahr, wenn das Vieh auf die Wei-
de gehet und das junge Gras genießt, kein Viehſter-
ben, wie ich §. 13. angezeigt habe, entſtehet; ſo ſoll-
te man vor allen andern Mitteln dieſe Proben ma-
chen, die darin beſtehen: das geſunde Vieh nicht in
die Staͤlle zu ſtecken, ſondern in freyer Luft liegen,
und wohl gar um der Bewegung willen, wo nicht im
Felde, doch im Hofe und Gaͤrten herumtreiben zu
laſſen. Ich ſage mit Fleiß um der Bewegung wil-
len; denn man erwege: daß alles Vieh an der Seuche
in Staͤllen krank wird und krepiret. Man verſuche
ferner auch, wenn im Winter kein Gras iſt: ob die
J 3gruͤne
[136] gruͤne Saat des Rockens oder Weizens, welche, wenn
es gefroren, keinen großen Schaden davon leiden
kann, nicht ein gutes Praͤſervirmittel ſey, wenn
man das Vieh darauf huͤtete. *) Weil es aber nicht
fuͤglich angehet, das Milchvieh, weil es gefuttert und
gemolken werden muß, ganz und gar aus denen Staͤl-
len zu laſſen; ſo muß das ohnſtreitig von gutem Nu-
tzen ſeyn: wenn allemahl vorhero, ehe das Vieh ein-
gebunden wird, mit ſtark riechenden Sachen, als
Pferdehuf, Leder oder andern Sachen, die einen pe-
netranten Dampf machen, ſtark geraͤuchert wird, wel-
ches ſo oft des Tages geſchehen muß, als ofte das
Vieh zum Futtern und milchen eingebunden wird.
Dieſes waͤren nun meine Gedanken von den Ur-
ſachen der Rindviehſeuche, die ich, ſo viel mir moͤg-
lich geweſen, deutlich und aneinanderhangend vorzu-
tragen geſucht, und wobey ich den Endzweck habe, zu
der Erkenntniß dieſer Krankheit einen guten Grund zu
legen. Zum Beſchluß will ich noch ein paar Ein-
wuͤrfe, die ich unter denen, ſo mir koͤnnten gemacht
werden, vor die wichtigſten halte.
Wuͤrde 1) jemand ſagen: man habe Exempel,
daß das Viehſterben ſich oͤfters auch an ſolchen Orten
geaͤußert, wo kein fremdes Vieh hingekommen? ſo
antworte ich hierauf, daß, wenn man nach der
ſtrengſten Unterſuchung nicht ausfuͤndig machen koͤnnte,
daß von fremden Orten Vieh dahin, wo die Seuche
zuerſt entſtanden, waͤre gebracht worden, ſich auch
keine Spuren entdecken ließen, daß ein anderer be-
nachbarter Ort, wo dieſe Seuche im Schwange ge-
het, daran Schuld ſey; daß man, ſage ich, alsdann
ſein
[137] ſein Augenmerk auf dasjenige Stuͤck, welches zu aller-
erſt krank geworden, richten, und dann genau unter-
ſuchen muͤſſe, was mit dieſem Thiere einige Tage vor-
hero vorgegangen, ob es etwa im Wagen oder Pflu-
ge gebraucht und hitzig getrieben, oder ſonſten etwas
hitziges damit vorgenommen worden. Denn ich ſage
mit gutem Grunde, oft wiederholt noch einmal, daß
die Viehſeuche nichts anders als die Verſtopfung des
Wanſtes und Blaͤttermagens zur Urſach habe, und
daß dieſe Urſache, weil dieſe genannten beyden Stuͤcke
an ſich weder zum Verdauen noch zum weitern Trans-
port der Speiſen keine Kraft haben, in einer andern
Urſache, als die Unterbrechung des Wiederkauens iſt,
ſeinen Grund habe, dahero man unterſuchen muß,
ob und was mit demjenigen Stuͤcke Vieh, das zuerſt
dieſe Seuche bekommen, vorgenommen worden, dar-
aus die Unterbrechung des Wiederkauens herzuleiten
ſey. Damit man ſich aber unter dem Viehe ſo an-
ſticht, und dem ſo angeſtochen wird, nicht irren moͤge;
ſo bitte ich die Anmerkung, ſo ich hinter dem 14ten §.
gemacht habe, nochmals nachzuſehen. Ich habe oben mit
Fleiß gedacht, daß man nachſuchen ſolle, ob das Stuͤcke
Vieh etwa im Wagen oder Pfluge gegangen, weil in
denen Laͤndern, wo der Gebrauch mit Stieren zu ar-
beiten iſt, die Viehſeuche ſich haͤufiger als anderswo
einfindet. Wollte auch 2) jemand einwenden, das
Rindvieh unterließe auch bey andern ſich ereignenden
und nicht anſteckenden Krankheiten das Wiederkauen;
dem dienet zur Antwort: bey andern Krankheiten ge-
woͤhnet ſich das Vieh wegen mangelnden Appetits nach
und nach vom Freſſen, und folglich alſo auch vom
Wiederkauen ab; und muß man hier nicht glauben,
daß es, wie bey der Viehſeuche, nicht wiederkauen
koͤnne, ſondern keine Speiſe mehr zu wiederkauen
habe. Und wenn ein ſolches an dergleichen Krank-
heit krepirtes Vieh eroͤfnet wird; ſo findet man ganz
J 5andere
[138] andere Urſachen des Todes, als bey dem an der Seu-
che krepirten Viehe. Denn bey dieſer wird das Vieh
auf einmal, ſo bald es den Gift aufſchnappet, ploͤtz-
lich krank, ſo daß alle Oekonomie in den Leibern deſ-
ſelben aufhoͤret; woraus ſich ziemlich wahrſcheinlich
ſchließen laͤſſet, daß, wenn es zu der Zeit ſich eben dicke
gefreſſen und noch nicht wiedergekauet hat, bald krepiren
muͤſſe, und dasjenige, ſo zu ſolcher Zeit, da es an-
gefallen wird, ſchon gewiederkauet, und den Wanſt
nicht mehr ſo voll hat, geneſe.
[[139]]
Beſchreibung
der
Wurzel Ginſong
aus
Kanada.
Ginſong iſt eine Pflanze, deren Wurzel in China
einen ſo großen Ruf hatte, daß der groͤßte Theil der
Einwohner, die ſich eine große Hofnung von ihrer
nervenſtaͤrkenden Kraft machen, dieſelbe lange Zeit
mit einer Art von raſender Begierde geſucht haben,
welche ſich noch heut zu Tage bey einem großen Theil
dieſer Voͤlker gehalten hat. Dieſe Meinung, die
ſich wie eine Mode in dieſem Lande bald uͤberall ver-
breitet hatte, ſchmeichelt die verliebte Einbildungs-
kraft der Chineſer noch immer. Dieſe Vorſtellung
wurde bey ihnen, da ſie ohnehin einen Geſchmack an
Liebestraͤnken haben, durch dreyerley Dinge unter-
ſtuͤtzt, die ſie an den Ginſong wahrzunehmen glaub-
ten. Das erſte iſt ſeine aͤußere Form, welche ins-
gemein, wie die Alraunenwurzel, zwey dicke Beine vor-
ſtellet, woraus man zweytens ſchloß, daß die Natur
derſelben, durch dieſe Bildung ſeine Beſtimmung
angedeutet haͤtte. Das dritte endlich iſt der Eigen-
nutz
[140] nutz derjenigen, welche dieſe Wurzel zuerſt entdeckten,
und ihre geheime Eigenſchaften anprieſen, in der Ab-
ſicht, einen deſto groͤßern Vortheil durch ihren Ver-
kauf zu machen. In China gelingen dieſe Kuͤnſte
leicht. Man hat große Begriffe von den verborge-
nen Eigenſchaften der natuͤrlichen Dinge, und nir-
gends kommt die Marktſchreyerey beſſer zurechte, als
unter dieſem Volke, dem von der Kenntniß einer ge-
ſunden Weltweisheit und Naturlehre ſehr wenig be-
kannt iſt. Die Begierde, welche auf dieſe Art jeder-
mann nach den Ginſong zeigte, und der große Werth,
welchen man darauf ſetzte, veranlaßte den Kaiſer gar
bald, ſich den Handel ganz allein zuzueignen, um ſei-
ne Kaſſe dadurch zu bereichern. Zu dieſem Ende ließ
er den Platz, worauf der Ginſong in der Provinz
Leckton waͤchſt, mit Stacketten einfaſſen, auch Wa-
chen umherſtellen, um die Chineſer abzuhalten, dieſe
Wurzel zu ſuchen.
Der Kayſer ſendete zu gehoͤriger Zeit viele tau-
ſend Tartarn ab, die unter ſeiner Herrſchaft ſtehen,
um den Ginſong einzuſammlen. Man beobachtet da-
bey die groͤßte Ordnung, und bey der ganzen Arbeit
wird die groͤßte Sorgfalt angewendet. Die armen
Menſchen, welche hierzu beſtimmt ſind, haben jedoch
vieles auszuſtehen. Die Pflanze ſelbſt waͤchſet auf
hohen Bergen, welche mit vielen Waͤldern bewach-
ſen ſind, und wohin der Zugang ſehr beſchwerlich iſt.
Die Wurzel ſteckt tief in der Erde, woraus ſie gegra-
ben werden muß. Die Arbeit ſelbſt erfordert eine
Zeit von verſchiedenen Monaten, wo die Tartaren aller-
ley Ungemach auszuſtehen haben. Eine jede Perſon die-
ſes zahlreichen Haufens iſt verbunden, zwo Unzen Gin-
ſong dem Kaiſer zu liefern, welche rein, und von der
beſten Gattung ſeyn muͤſſen, und das uͤbrige, wel-
ches ſie noch fuͤr ſich haben ſammlen koͤnnen, dem
Kaiſer fuͤr ſo viel an Silber zu verkaufen, als die
Waare
[141] Waare wiegt. Der Kaiſer, der alles, was er nicht
ſelber behaͤlt, wieder verkauft, und einen ordentli-
chen Handel damit treibet, uͤberlaͤßt dieſe Waare
nicht anders, als gegen eben ſo viel Gewicht an
Golde.
Wenn man den Chineſiſchen Schriftſtellern
Glauben beymeſſen ſollte, ſo waͤre ſie von der heil-
ſamſten Wuͤrkung bey Durchfaͤllen, verdorbenen
Magen, Ohnmachten, Schlagfluͤſſen u. ſ. w. Sie
fuͤgen hinzu: ſie belebe auf eine bewunderungswuͤrdi-
ge Art diejenigen, welche die Liebe erſchoͤpft hat.
Sie ſtelle die verlohrnen Kraͤfte wieder her, ſie be-
foͤrdere den Durchbruch der Blattern, ſie vermehre
die unmerkliche Ausduͤnſtung, ſie verbreite eine wohl-
thaͤtige Waͤrme in dem Leibe alter Leute. Sie ſchlie-
ßen endlich mit einer in den Augen der Damen unge-
mein wichtigen Wuͤrkung, die darin beſtehet, daß ſie
das Alter entferne, die Jugend bis in das achtzigſte
Jahr verlaͤngere, die Schoͤnheit der Haut erhalte und
fuͤr die Runzeln bewahre.
In Europa hat der Ginſong die von den Chine-
ſern ſo ſehr geruͤhmte Kraft nicht gezeiget. Be-
ruͤhmte Aerzte, deren Zeugniß von Wichtigkeit iſt,
unter welchen man den großen Boͤrhave zuerſt nen-
nen muß, verſichert, daß ſie dieſe Wurzel zu ver-
ſchiedenen mahlen verordnet haben, in Baſtien, in
Pulver, in Form eines Thees, bis auf zwey Unzen,
und zwar von dem beſten und theuerſten Ginſong, in
Faͤllen, wo die Kranken ſelber darnach verlangten,
und ſich viel von der Wurzel dieſer Arzeney verſpra-
chen, ſie hatten aber nichts anders wahrgenom-
men, als eine Verſtaͤrkung, und mehrere Lebhaftig-
keit in dem Puls, welches aber durch viele andere
in Europa ganz gemeine Mittel auch zu erhalten
ſtehet.
Der
[142]
Der Ginſong waͤchſt in China zwiſchen einer nord-
lichen Breite von 39 bis 47 Graden in den dickſten
Waͤldern und auf den hoͤchſten Bergen. Man findet ihn
auch in eben dieſer Breite in den Waͤldern von Kana-
da. Der Jeſuit Jartony, der auf Befehl des Chi-
neſiſchen Kaiſers, die Charte von der Tartarey auf-
nehmen mußte, hatte vorher geſagt, daß, wenn
noch ein anderes Land in der Welt den Ginſong her-
vorbraͤchte, ſo muͤßte es Kanada ſeyn, auf ſeinen
hohen Bergen und in ſeinen dicken Waldungen, wel-
ches auch durch die Unterſuchung des Jeſuiten Laffi-
trany wahr gemacht worden. Indem er die Waͤl-
der in Kanada durchſuchte, fand er den Ginſong,
welchen die Akademie der Wiſſenſchaften in Paris
fuͤr den aͤchten erkannte. Die Indianiſche Geſell-
ſchaft hatte ſo gar den Einfall, die Amerikaniſche
Pflanze nach China auf ihren Schiffen zu verſenden,
und der Handel gieng damit ſo gut von ſtatten, daß
ſie im Jahre 1757 ſchon 3 bis 4000 Pfund davon
in China verkauft hatten.
Der Ginſong hat uͤbrigens einen angenehmen Ge-
ruch, einen lieblichen Geſchmack, der ein wenig herb
und mit einiger Bitterkeit vermiſcht iſt, welches anzeigt,
daß er einige den Kraͤften der Angelika und des Meum
gleichkommende Eigenſchaft hat. Man giebt ihn zum
5ten oder 6ſten Theil einer Unze klein geſchnitten, und
einen halben Noͤßel Waſſer langſam bis auf ein Glas
voll eingekocht, wobey man den Topf, waͤhrenden
Kochens, wohl zugedeckt hat. Man macht ihn mit
ein wenig Zucker ſuͤß, und nimmt alles auf einmahl
ein. Man kann auch aus einer Unze zehn Theile ma-
chen, beſonders wenn man ſich deſſelben nur bey ge-
ringen Unpaͤßlichkeiten bedienen will.
Da der Preiß dieſer Wurzel in China ſo hoch
iſt, daß ein Pfund mit eben ſo viel Golde bezahlet
wird
[143] wird, ſo wird ſie ſehr oft mit Ninzin verfaͤlſcht. Man
muß diejenige waͤhlen, welche friſch, wohlriechend
und nicht von Wuͤrmern angefreſſen worden, welches
ſehr gemein bey dieſer Waare iſt. Man hat im Jah-
re 1737 den ganzen Vorrath, den die Hollaͤndiſche
oſtindiſche Geſellſchaft auf ihren Schiffen erhalten
hatte, beym Seba in Amſterdam geſehen, welcher
ihn bey dem oͤffentlichen Ausbieten zuſammen erſtan-
den hatte. Unter dieſer ganzen Menge, die ihm eini-
ge tauſend Gulden koſtete, war der fuͤnfte Theil ver-
dorben. Dieſe hollaͤndiſche Geſellſchaft bringt allen
Ginſong nach Europa. Wie groß aber der Vorrath
von dieſer Waare ſey, iſt nicht bekannt, denn ſie ſteht
nicht auf der gewoͤhnlichen Waaren- noch auf der
Preißliſte. Er kommt bloß in die Haͤnde einiger Lieb-
haber, die ihn theuer genug bezahlen.
[[144]]
Merkwuͤrdige Cur
eines
erſtickten Kindes.
Eine Amme hatte das Ungluͤck ein ihrer Wartung
anvertrautes Kind in ihrem Bette zu erſticken. Ihr
Mann lief zu dem Herrn Janin, einem Wundarzt in
Paris, um ihm dieſen traurigen Vorfall bekannt zu
machen, und es war kein Augenblick zu verliehren,
weil die Amme auch die Zeit, da das Kind geſtorben
war, nicht angeben konnte. Wie der Wundarzt kam,
fand er das kleine Schlachtopfer in ſeiner Wiege, oh-
ne einige Zeichen des Lebens, ohne Pulsſchlag in den
Arterien, ohne Athemholen; das Geſicht war blas-
gelb, die Augen offen ohne Bewegung und Glanz,
die Naſe voller Unreinigkeit, der Mund ſtand weit
offen, kurz, es war ganz erkaltet. Inzwiſchen, daß
etwas leinen Zeug und etwas Aſche warm gemacht
ward, hatte man es loß gewickelt, und legte es in ein wohl
gewaͤrmtes Bett auf die rechte Seite. Darauf wur-
de es uͤber den ganzen Koͤrper gerieben, aber mit fei-
ner Leinewand, damit die zarte Haut nicht verletzt wer-
den moͤchte. So bald die Aſche den gehoͤrigen Grad
der Waͤrme erhalten hatte, begrub Herr Janin das
Kind bis ans Geſichte, legte es auf die Seite, welche
derjenigen, worauf es vorhin gelegen hatte, entgegen
geſetzt war, und deckte es mit einem Oberbette zu.
Er hielt ihm ein Glas mit Eau de Luce, welches er
von ohngefaͤhr in der Taſche hatte, von Zeit zu Zeit
vor
[145] vor die Naſe, und bisweilen ward ihm Tobacksdampf
in die Naſenloͤcher geblaſen. Hierauf ließ man den
Dampf in den Mund, indem man die Naſe zuhielt.
Auf dieſe Art ward die natuͤrliche Waͤrme, nach und
nach wieder erregt, man bemerkte nun bald einige
Pulsſchlaͤge an der Schlaͤfe, das Athemholen ward
heftiger und fruͤher, und die Augen ſchloſſen und oͤfne-
ten ſich eins ums andere, endlich gab das Kind durch
ein Geſchrey ſein Verlangen nach der Bruſt zu erken-
nen. Dieſe wurde ihm vor den Mund gehalten, es
faßte gehorig an, und ſog, als wenn ihm nichts wie-
derfahren waͤre. Eine Aufmerkſamkeit und Sorgfalt,
die nicht viel laͤnger als eine halbe Stunde dauerte,
war hinreichend, dieſes arme unſchuldige Geſchoͤpfe
zum Leben zuruͤck zu rufen. Ob gleich der Pulsſchlag
in den Arterien voͤllig wieder hergeſtellet und das Wet-
ter ſehr heiß, ſo ließ man es doch drey Viertelſtunden
unter der Aſche. Darauf ward es heraus genommen,
gereiniget, wie gewoͤhnlich angezogen, und nachdem
es in einen ſanften Schlaf gekommen war, begegnete
ihm weiter nichts widriges. Es blieb auch nachher
voll Lebhaftigkeit und Staͤrke.
Herr Janin, welcher dieſen Vorfall in ſeinem
Memoire von ſchleunigen und gewaltſamen Todesfaͤl-
len erzaͤhlt, gedenkt nachher noch eines jungen Men-
ſchen, der aus Verzweiflung ſich ſelbſt erhenkt hatte,
und dem er eine eben ſo wuͤrkſame Huͤlfe, als jenem
Kinde geleiſtet. Dieſe Beyſpiele zeigen hinreichend,
daß es moͤglich ſey, nicht allein ertrunkene Perſonen,
ſondern auch erſtickte und erhenkte wieder zum Leben
zu bringen. Wir koͤnnen daher den beſten Erfolg von
denen Bemuͤhungen erwarten, die wir anwenden, um
denen durch ſchleunige Todesarten oder andere Zufaͤlle
ums Leben gekommene Perſonen zu helfen.
[[146]]
Eine beſondere Art
den Bandwurm
zu kuriren.
Vorerinnerung der Kranken.
Dieſe Cur iſt keiner andern Vorbereitung benoͤ-
thiget, als daß man dem Patienten ſieben Stunden
nach dem gewoͤhnlichen Mittagseſſen eine Brodſuppe
nehmen laſſe, welche auf folgende Weiſe zubereitet
wird: Man nehme anderthalb Pfund Waſſer, zwo
bis drey Unzen friſche Butter, und zwey Unzen klein
geſchnittenes Brod; ſalze es ſo viel noͤthig iſt, und
koche es an einem guten Feuer, wobey man es oft
umruͤhret, bis es eben, und zu einer Brodſuppe ge-
worden iſt, etwa eine Viertelſtunde hernach gebe man
dem Kranken zween Zwiebacke mittlerer Groͤße, und
ein Glas unverfaͤlſchten weißen Weins, oder mit Waſ-
ſer, wenn er gewoͤhnlich keinen Wein trinkt. Wenn der
Kranke an ſelbigem Tage keine Eroͤfnung gehabt, oder
wenn er hartleibig, oder Verſtopfungen unterworfen
iſt, ſo gebe man ihm eine Viertel, oder halbe Stun-
de nach dem Abendeſſen folgendes Kliſtir: Man neh-
me
[147] me ſo viel Pappeln und Ibiſchblaͤtter, als man mit
den Fingern faſſen kann (une bonne pincée de
Feuille de Mauve et Guimauve) koche ſie ein we-
nig in einem Schoppen Waſſer, thue ein wenig Kuͤ-
chenſalz hinein, gieße es durch, und thue zwey Unzen
Baumoͤhl darzu.
Behandlung des Kranken.
Am folgenden Morgen, acht bis neun Stunden
nach dem Abendeſſen, gebe man dem Kranken folgen-
des Specifikum: man nehme drey Quentlein fein pul-
veriſirter maͤnnlichen Farrenkrautswurzel Filix non
ramoſa dentata C. B. pin. et juſt. R. A. Polypolium
Filixmas linn. Vermiſche dieſelbe mit vier bis ſechs
Unzen deſtillirten Farrenkrauts, oder Lindenbluͤthwaſſer,
und laſſe es den Kranken alles austrinken, wobey man
das Gefaͤß zwey bis dreymal mit demſelben Waſſer
ausſpuͤhlen muß, damit nichts von dem Pulver weder
in demſelben, noch in dem Munde des Kranken haͤn-
gen bleibe. Fuͤr Kinder iſt die Doſis des [Pulvers]
ein Quentlein weniger. Wenn der Kranke, nach-
dem er das Pulver genommen, etwa einen Ekel bey
ſich verſpuͤhren ſollte, ſo kann er ein wenig einge-
machter Citronen oder ſonſt etwas angenehmes kauen,
oder ſich den Mund mit einem, oder andern Liqueur
ausſpuͤhlen, er muß aber nichts hinunter ſchlucken,
er kann auch den Geruch von gutem Weineſſig durch
die Naſe einziehen. Sollte demohngeachtet das
Pulver ihm aufſtoßen, und er Neigung zum Bre-
chen empfinden, ſo, daß es ihm gar bis in den Mund
kaͤme, ſo muß er es wieder niederſchlucken, und ſein
moͤglichſtes thun, es bey ſich zu behalten. Waͤre
er endlich gezwungen es zum theil oder ganz auszu-
brechen, ſo muß er, ſo bald die Neigung zum Erbre-
K 2chen
[148] chen vorbey iſt, eine zweyte eben ſo ſtarke Doſis von
demſelben Pulver nehmen. Zwo Stunden, nach
dem der Kranke das Pulver genommen hat, gebe
man ihm folgenden Bolus: Man nehme Merkurial-
Panacee, und trockenes Harz, von Scamonium von
Aleppo, von jedem zwoͤlf Gran; Gummi Gutta,
fuͤnf Gran; dieſes zuſammen pulveriſire man ſehr
fein, und vermiſche es mit einer hinlaͤnglichen Ovan-
titaͤt Hyazinth-Latwerge, damit ein Bolus von mitt-
ler Conſiſtenz daraus werde. Dies iſt die Doſis
des Purgiermittels, deſſen man ſich gemeiniglich be-
dienet; Die Doſis der Lattwerge iſt von zween
Scrupeln fuͤr Leute von ſtarker Leibeskonſtitution oder
die hartleibig ſind, oder vorher ſtarke Purgiermittel
genommen haben, nimmt man zum Bolus von der
Merkurialpanacee, und von dem Scamonienharze,
von jedem eine Doſis, von vierzehn bis funfzehn
Gran, und von dem Gummi Gutta, acht und einen
halben Gran; bey ſchwachen Perſonen, die gegen
die Wuͤrkung der Purgiermittel empfindlich, die
leicht zu purgieren ſind, und bey Kindern muͤſſen
die Doſes nach der Klugheit des Arztes verringert
werden; In einem Falle, wo alle dieſe Umſtaͤnde
zuſammen eintraten, hat man nur ſieben und einen
halben Gran Merkurialpanacee, und eben ſo viel
Scamonienharz, mit einer hinlaͤnglichen Quantitaͤt
Hyazinthen-Lattwerge, und zwar ohne Gummi Gut-
ta gegeben, und dieſen Bolus hat man noch darzu
auf zweymal eingegeben, nemlich die Haͤlfte zwo Stun-
den nach dem Pulver, und die andere Haͤlfte drey
Stunden darnach, weil die erſte faſt gar nicht ge-
wuͤrket hatte. Gleich nach dem Bolus giebt man eine
bis zwo Taſſen ſchwachen weißen Thee, und ſobald die
Medizin zu wuͤrken anfaͤngt, giebt man von Zeit zu
Zeit eine Taſſe, bis der Wurm abgegangen iſt.
Erſt
[149]
Erſt, nachdem dies geſchehen iſt, muß der
Kranke ein gutes Bouillon, und einige Zeit hernach
ein zweytes, oder eine ſchwache Suppe nehmen,
der Kranke muß hierauf maͤßig eſſen, und muß ſich
den ganzen Tag, und beym Abendeſſen maͤßig ver-
halten, wie an einem Tage, an welchem man Ar-
zeney genommen hat; haͤtte aber der Kranke den
Bolus zum Theil wieder von ſich gegeben, oder haͤtte
ihn etwa vier Stunden bey ſich behalten, und waͤre
nicht genug purgieret worden, ſo muß er von zwey
bis acht Quentchen Seidlizer- oder Engliſchesſalz in
kochendem Waſſer zerlaſſen nehmen.
Wenn der Wurm nicht in einem Klumpen ab-
gehet, ſondern wie ein Faden, welches beſonders zu
geſchehen pflegt, wenn er hauptſaͤchlich mit ſeinem Halſe,
oder Faſern, in zaͤher Materie verwickelt iſt; ſo
muß der Kranke ihn nicht herausziehen, ſondern
auf dem Becken ſitzen bleiben, und ſchwachen gruͤ-
nen Thee etwas heiß nachtrinken. Wenn der
Wurm lange haͤngen bleiben ſollte, ohne zu fallen,
und das Purgiermittel nicht genug wuͤr[k]te, ſo
muß man dem Kranken Seidlitzer oder Engliſch-
Salz geben, wie oben geſagt worden, und er muß
geduldig auf dem Becken ſitzen bleiben, bis der
Wurm weggefallen iſt. Wenn der Wurm bis
zur Stunde des Mittagseſſens nicht zum Vorſchein
koͤmmt, und der Kranke das Pulver und Purgier-
mittel gut bey ſich behalten hat, ſo muß er gleich
wohl zu Mittage eſſen, weil der Wurm bisweilen, jedoch
ſelten, noch zu Nachmittage zu erfolgen pflegt. —
Wenn der Wurm an dem Tage ganz und gar nicht
zum Vorſchein koͤmmt, welches nicht anders zu ge-
ſchehen pflegt, als wenn man das Pulver oder
Purgiermittel, zum Theil oder ganz wieder von ſich
gegeben hat, oder aber wenn es nur ſchwach ge-
K 3wuͤrket
[150] wuͤrket hat, ſo muß der Kranke zu Abend eſſen,
wie am vorigen Abend, und man behandelt ihn
in allem eben ſo. Wenn der Wurm auch in der
Nacht nicht heraus koͤmmt, ſo muß der Kranke
am folgenden Morgen um dieſelbe Stunde, das
Pulver wie am vorigen Tage, und zwo Stunden
hernach ſechs bis acht Quentchen Seidlitzer oder
Engliſch Salz nehmen, und wird in allen Stuͤ-
cken, wie das erſtemahl, behandelt. Es ge-
ſchiehet bisweilen, daß der Kranke, wenn er im
Begrif iſt, den Wurm von ſich zu geben, oder
ein wenig vorher, oder nach einem ſtarken Stuhl-
gange, eine ſtarke Hitze in der Gegend des Her-
zens, oder eine Herzensangſt ſpuͤhrt, oder gar in
Ohnmacht faͤllt, ſo darf man ſich deswegen nicht
beunruhigen, dies vergehet bald wieder: man darf
den Kranken nur in Ruhe laſſen, und ihm guten
Weineſſig zum riechen geben. Sollte von dem
Kranken, bevor er das Purgiermittel genommen,
der Wurm blos von der Wuͤrkung des Pulvers
abgehen, ſo darf man ihm nur die Haͤlfte, oder
drey Viertheil von dem Bolus geben, den man
fuͤr ihn zubereitet hatte, oder man purgiert ihn
mit Seidlitzer oder Engliſchem Salze. Wenn
man endlich, nachdem man durch dieſe Cur einen
Bandwurm (Tervia) abgetrieben hat, bemerkt, daß
noch ein zweyter uͤbrig iſt, ſo muß man die Cur,
mit dem Kranken, einige Tage hernach, eben ſo
wie zum erſten mahle vornehmen. Wenn dieſe Cur
richtig betrieben wird, ſo iſt ſie allemahl in wenig
Stunden von gluͤcklichem Erfolge. Wir haben ſie
an fuͤnf Perſonen verſucht. — Die Art des
Bandwurms (Taenia), wider welche das Speci-
ſikum und dieſe Methode angerathen worden, und
welche dadurch ſo geſchwinde abgetrieben wird, iſt
diejenige, deren Glieder, Fugen oder Ringe kurz
ſind,
[151] ſind. Dieſe Cur iſt nicht von gleicher Wuͤrkſamkeit bey
den Bandwuͤrmern, deren Glieder lang ſind, und
die gemeiniglich vers cucurbitins in franzoͤſiſcher
Sprache genennet werden. — Um dieſe Wuͤrmer
auszurotten, muß man die Cur mehr oder weniger
wiederholen, und ſeltener oder oͤfterer, nach denen
Umſtaͤnden des Uebels, und der Beſchaffenheit des
Kranken: einer von denen, mit welchen wir die Pro-
be gemacht haben, hat bey der dritten Wiederholung
keine Wuͤrmer weiter von ſich gegeben.
[[152]]
Verſuch
eines
hiſtoriſch phyſikaliſchen Beytrages zur Naturge-
ſchichte des Kampferbaumes außer ſeinem Va-
terlande unter den nordlich deutſchen
Himmelsſtrichen.
Eine der anſehnlichſten und vortreflichſten Aſiati-
ſchen, unter dem Namen des Japaniſchen Kam-
pferbaumes von Kampfer Cleyer, ten Rhene, Ja-
kob Breynio und andern faſt zuerſt bekannt gemachten
Holzarten, kam ſeit etwa hundert und zehn Jahren in un-
ſern großen Pflanzenſammlungen ſehr einzeln zum Vor-
ſchein. Vielleicht waͤre dieſes eher geſchehen und da-
von eine Menge geſchwinder erzogen worden, wenn
man gleich anfangs auf deren Erziehung aus dem Saa-
men Bedacht genommen haͤtte. Aus dieſem Grunde
iſt ſie noch ſehr lange immer ſelten geblieben, und
wird auch in den anſehnlichſten botaniſchen und an-
dern oͤffentlichen Kraͤutergaͤrten noch wirklich vermißt.
Zu geſchweigen, daß der Baum in denjenigen be-
ruͤhmteſten Luſtgaͤrten großer Herrn und reicher Lieb-
haber, in welchen er zu einer anſehnlichen Groͤße er-
wachſen
[153] wachſen iſt, ſeines Alters ohngeachtet, nur wenige
mahl in den allerneueſten Zeiten zur Bluͤthe und
Frucht haͤtte gebracht werden koͤnnen. Ueber die
Richtigkeit dieſer Erfahrung kann man ſich nicht wun-
dern, wenn man im folgenden durch Gruͤnde von den
Urſachen uͤberzeugt ſeyn wird. Die oͤffentlichen
Blaͤtter haben, wie ſonſt gewoͤhnlich, von dergleichen ſel-
tenen Naturerſcheinungen an fremden Gewaͤchſen bey
uns, keine Nachricht gegeben, außer etwa in den letz-
ten 30 Jahren unſers Zeitalters dreymahl, wie ich
im folgenden anzeigen werde.
Der Herr von Linnée macht in ſeinem anſehnlichen
Werke, dem Horto Cliffortiano welches er 1737,
zu Amſterdam herausgab, eine hierher gehoͤrige rich-
rige Anmerkung; wo er ſagt:
Bis dahin hatte der Kampferbaum, auch noch zwoͤlf
Jahre hernach, ſo viel man weiß, in keinem
andern Europaͤiſchen Garten Blumen hervorgebracht,
er iſt alſo ſeiner ſchweren und langſamen Vermeh-
rungsart halber, noch immer ſelten geblieben. Ich
muß daher den einzelnen Nachrichten aus dem vorigen
Jahrhundert, und den Erfahrungen zufolge, die
ich ſelbſt davon habe, ſchlechterdings beytreten; da
uͤberdem keine oͤffentliche Nachrichten vorhanden ſind,
daß er damals anderwaͤrts gebluͤhet haben ſollte:
Denn, ſeitdem von den Jahren 1676, 1678,
1679, 1680 und 1684 an, junge Pflanzen davon von
dem Vorgebuͤrge der guten Hofuung, aus Oſtindien zu-
erſt nach Holland uͤberbracht wurden, welche bey
K 5einer
[154] einer ſimpeln Pflege ſehr wohl angeſchlagen ſind, ſo
iſt doch in den nachfolgenden 48 und mehreren Jah-
ren, noch kein einziger davon zur Bluͤthe und Frucht
gelanget, daß ſich die Liebhaber einer ſo ſeltenen Er-
ſcheinung einen dergleichen Vorfall haͤtten zu Nutze
machen koͤnnen.
Die erſten Nachrichten von dem Kampferbau-
me uͤberhaupt hat Herr Jakob Breyn gegeben, der
ſich bekanntermaaßen um die Naturgeſchichte neuer
und fremder nach Europa gebrachter Pflanzen ſeiner
Zeit beſonders verdient gemacht. Er fuͤhrete deshal-
ben nicht nur mit den Gelehrten in andern Weltthei-
len einen fleißigen Briefwechſel, ſondern beſuchte
auch die damahligen Niederlaͤndiſchen beruͤhmten Gaͤr-
ten ſchon 1679, und vor andern den Beverningſchen,
Beaumontiſchen, Commeliniſchen, Francisc. van
Sewenhuſen, Philip van Hennis, auch mehrere,
traf aber den Kampferbaum nur im Beverningi-
ſchen Garten allein an. Von welcher Pflanze er
ohne weitere Beſchreibung oder Erklaͤrung ſagt: er
habe den Anfang oder den Entwurf der Bluͤthen
wahrgenommen. Weiter erklaͤhret er ſich daruͤber
nicht, als daß er kuͤnftig mehrere Nachrichten da-
von zu geben verſpricht.
Die wahren Umſtaͤnde dieſer Erſcheinung
muͤſſen alſo noch zweifelhaft bleiben, da 1) wei-
ter kein Merkmahl, wie es ſeyn muͤſſen, von ihm
angegeben worden iſt. Weil 2) die allzuſpaͤthe Jah-
reszeit, in welcher Herr Jakob Breyn die anfangen-
de oder ausbrechende Bluͤthe bemerket, von derje-
nigen natuͤrlichen Bluͤthezeit in Europa allzu verſchie-
den iſt, in welcher der Baum nunmehro in Deutſch-
land bey uns in Berlin und zu Dresden gebluͤhet hat.
Dieſe letztere aber faͤllet erſt gegen Ende des Aprils,
auch wohl in die Mitte des Maymonats bis zum
Julius.
Da
[155]
Da 3) der gelehrte Sohn deſſelben, Philip
Jakob Breyne in denen 1739 herausgegebenen
Iconibus Rar. Plant. pag. 16. et Tab. II, ausdruͤck-
lich erinnert floram ſtructuram patri iguotam fuiſſe.
Auch ferner 4) nur von rudimentis florum die Rede
iſt, ſo kann man dieſes zugeſtehen, und ſich die an-
fangende Erſcheinung des neuen Triebes an dem Kam-
pferbaum leicht erklaͤhren, ohne gewiß zu ſeyn, ob
ſich dieſer zu gedachter ſpaͤten Jahreszeit ſchon ſo weit
entwickele, daß man die kuͤnftigen Blumenſtiele dar-
an unterſcheiden koͤnne, oder nicht; oder ob dieſer
neue Anſatz von Trieben ſich in Zweige und Blaͤtter
oder gerade in Blumen habe entwickeln wollen; wel-
ches letztere der Wachsthumsordnung zufolge, ſehr be-
zweifelt werden kann.
Sollten 5) Blumen und Fruͤchte an gedachtem
Baume in Europa, ſeit der erſten Zeit, bis zu dieſem
Jahrhunderte, von 1735 — 39 an zum Vorſchein ge-
kommen ſeyn, haͤtten die ſaͤmmtlichen Geſchichtſchrei-
ber nicht noͤthig gehabt, ſich von jeher bey denen Be-
ſchreibungen derer aus Japan und Oſtindien uͤber-
ſchickten getrockneten Zweige, Frucht- und Blumen-
ſtielen aufzuhalten, und dieſe aus einem Kupferſtiche
und Naturalienkabinette zu benutzen. Kampfer
Amoen. Exotic Faſcic. V. p. 370 — 72 hat unter
allen darzu den vollkommenſten Zweig mit Blumen
und Fruͤchten geliefert, von welchen er in Japan ſelbſt
den Abriß entworfen; obgleich noch mehrere Abbil-
dungen des Kampferbaumes vorhanden ſind, die
ſich zwar nicht wegen der Schoͤnheit empfehlen, wie
die Breynianiſchen, demohnerachtet aber immer eini-
germaaßen brauchbar bleiben werden.
Was ſich 6) in gegenwaͤrtiger Abſicht weiter er-
innern ließe, iſt von mir ſchon 1749 vorlaͤufig be-
richtiget worden, da ich die Ehre hatte, der koͤnigl.
Aka-
[156] Akademie der Wiſſenſchaften den 14ten May einen
bluͤhenden Kampferzweig, als den erſten, welcher in
Europaͤiſchen Gaͤrten gebluͤhet hat, aus dem hieſigen
botaniſchen Garten vorzulegen, wodurch zugleich
manche oͤffentliche Zweifel und Widerſpruͤche mit ein-
mahl gehoben wurden. Die charakteriſtiſche Abbil-
dung davon lege ich nochmals fuͤr.
Der beruͤhmte Andreas Cleyer, welcher das in
zwey Großfolio Baͤnden beſtehende vortrefliche, und
in Japan nach der Natur gemahlte Pflanzenwerk nach
Europa geſchickt, welches unter dem Namen Flora
Japonica, unter den Sachverſtaͤndigen bekannt und
laͤngſt geſchaͤtzet worden iſt, und durch den ehemali-
gen Leibmedikum Chriſtian Menzel an den Churfuͤr-
ſten Friedrich Wilhelm verkauft, welches noch unter
die groͤßten Seltenheiten der koͤniglichen Bibliothek
gerechnet wird, eben dieſer ſchickte 1680 im Septem-
ber dem Johann Commelin uͤber das Vorgebuͤrge
der guten Hofnung, einen jungen Kampferbaum,
wovon deſſen Verzeichniß des Amſterdammer Gar-
tens Nachricht mit einer guten Abbildung gab.
Noch ein damaliger Zeiten hoͤchſt beruͤhmter
Mann in Oſtindien, mit Namen Wilhelm ten Rhyne,
welcher Leibarzt, Botanikus und Chymikus des Kai-
ſers in Japan war, ließ ſeinem Freunde, den Jakob
Breyn, ſchon 1664 einen trocknen Zweig vom Kam-
pferbaum zukommen, der keine Bluͤthen hatte. Ein
aͤhnlicher Zweig ſchreibt ſich aus dem Briefwechſel
1684 von Herbert de Jager her, von welchem das
weitere in Rumphii Herbar Aboineſi. Part. VI. Cap.
82. pag. 82. cura Joh. Burmanni, in der beſonders
daruͤber gemachten Anmerkung nachgeſehen zu werden
verdienet. Von dieſer Zeit an ſind ſeit 1690 ver-
ſchiedene Kampferzweige mit und ohne Blumen, auch
trockne Fruͤchte in die Europaͤiſchen Naturalienſamm-
lungen
[157] lungen gekommen, die die Schriftſteller in ihren
Werken benutzet haben: ſo, wie die Hollaͤndiſchen
beruͤhmteſten Gaͤrten auch junge Baͤume erhielten,
wovon ein Theil gleich Anfangs fuͤr ſehr hohe Preiſe,
doch nur einzeln in etliche deutſche Gaͤrten kam.
Fuͤr Saamen aus Indien oder Japan wurde einiger
bekannten Handelsvortheile halber nicht geſorgt, oder
der Saame wurde mit Vorbedacht, aus Indien, wie
viele andere, nicht ausgefuͤhrt; alſo unterhielte die
ſchwere und langſame Vermehrung die hohen Preiſe
der jungen Pflanzen, und ſie mußten eben ſo ſelten
bleiben, wie ſie es noch ſind: wenn nicht der
bekannte Schleichhandel der Gaͤrtner dabey zuweilen
Ausnahmen gemacht haͤtte.
Ob ſich nun gleich damals, ſo wie in den erſten
Zeiten des jetzigen Jahrhunderts, und nachgehends
nicht weniger verſchiedene von dergleichen anſehnlichen
Baͤumen in den beruͤhmteſten deutſchen Pflanzen-
ſammlungen, in dem beſten Zuſtande befunden, die
von Fuͤrſten, Standesperſonen und beguͤterten Han-
delsleuten unterhalten wurden, ſo blieben ſie doch
darinnen eben ſo verſteckt, wie gewiſſe Buͤcher und
Manuſcripte, in großen oͤffentlichen Sammlungen,
von welchen man zu wenig Nachricht hat, und den
wenigſten Gebrauch machen kann. In einem der-
gleichen Zuſtande befande befanden ſich dieſe ſeltenen
und fuͤr hohe Preiſe dahin gebrachte Baͤume, unter
andern zu Carlsruhe im Marggrafthum Baden, zu
Dresden in dem Churfuͤrſtl. großen Garten, zu
Leipzig in beyden beruͤhmten Boſiſchen Gaͤrten, un-
ter denen der Caspar Boſiſche zu der Zeit denen bey-
den in Italien an Stiftung ſchon aͤltern Luſtgaͤrten des
Fuͤrſten Joſeph del Boſo, zu Palermo in Sicilien,
der von Francisco Cupano zu Neapali 1697 beſchrie-
ben iſt, an Menge der fremden Gewaͤchſe eben ſo we-
nig
[158] nig nachgab, als demjenigen ſchaͤtzbaren zu Rom, des
KardinalsOdoardi Farneſii, deſſen Verzeichniß und
Beſchreibung Tobias Aldinus ſchon 1625 herausgab.
Dieſe vortrefliche Privatſammlungen ſtritten mit ein-
ander um den Vorzug am meiſten, ob ſie ſchon den
Niederlaͤndiſchen Gaͤrten nicht beykamen, aber doch
jeder ſeine beſondern Vorzuͤge noch vor ſich hatte.
Hiervon geben ferner die gleich Eingangs der
Abhandlung angefuͤhrte Gaͤrten nicht nur beſondere
Beweiſe, ſondern Paul Hermann, machte von den
vorzuͤglichſten Arten der Oſt- und Weſtindiſchen Ge-
waͤchſen eine Sammlung, die er Paradiſam Batavum
nannte, und mit 100 Kupferplatten erlaͤutert 1698
und 1705 zu Leyden herausgab. Nicht zu gedenken
des ehemaligen beruͤhmten Stadthalteriſchen Gartens
in Onslaarteich, aus welchem der Berlinſche botani-
ſche Garten unter der guten Einrichtung des ehema-
ligen Reiſegeſellſchafter des großen TournefortD.
Gundelsheimer, noch manche beſondere Original-
ſtuͤcke aufzuweiſen hat.
Aus Holland kam dieſe ſeltene Baum-Art, wie
ſchon geſagt in mehrere teutſche Gaͤrten, in welchen
man dieſelbe von der Zeit an unter andern zu Leipzig,
Herrnhauſen, Salzthalen, Berlin, Hamburg, auch
zu Danzig, Schwoͤbber, Helmſtaͤdt, Trebniz, und zu
Naumburg an der Saale im graͤflich Wertheriſchen
Garten antreffen konnte. Zwar gedenket Paul Am-
man im Horto Boſiano, quoad exotica deſcripto, vom
Jahr 1686. des Campher-Baumes noch nicht, daß
er aber bald hernach gewiß darinnen geweſen, und
viele Jahre aus gedauret, bezeiget das Verzeichniß des
Gartens vom Jahre 1690 durch Elias Peyn, und
von 1723 durch Achatius Weehmann. Der be-
ruͤhmte Garten des Prinzen Eugenii zu Wien, nebſt
dem Kaiſerlichen, dem Fuͤrſtlich Schwarzenbergiſchen
und
[159] und etlichen graͤflichen in Boͤhmen, hatten dieſen
Baum gleichfalls aufzuweiſen. Seitdem die nachfol-
gende Vermehrung mehr oder weniger durch das Ab-
legen der Zweige von ſtatten zu gehen angefangen, hat
man von den erſten Originalen mehrere erzogen,
und die großen Stammbaͤume zum Theil hin und wie-
der bis auf unſere Zeit gut erhalten, daß man ſeit 1730
bis 1766 dergleichen noch hin und wieder antreffen
koͤnnen; wie man auch zuverlaͤßig davon weiß, daß
dergleichen ſehr alte und anſehnliche Stuͤcken im Koͤ-
niglichen Garten zu Paris, in engliſchen Privatgaͤr-
ten, und am meiſten in verſchiedenen hollaͤndiſchen
noch am Leben ſind. In vielen von den botaniſchen
Gaͤrten hingegen, werden ſie noch vermißt, und in
einem großen Theile der beruͤhmten Luſtgaͤrten, ſind ſie
aus mancherley Urſachen laͤngſt abgeſtorben und nicht
wieder erſetzt worden. Man verwahret daſelbſt bloß
ihre traurigen Ueberbleibſel, an beſonders dazu be-
ſtimmten heimlichen Orten, mit andern Verungluͤck-
ten dieſer Art, hebet auch wohl Staͤmme und Wur-
zeln zum Andenken in den Sammlungen natuͤrlicher
Seltenheiten auf.
Wenn man den an den Wurzeln ſolcher vertrock-
neten Baͤume befindlichen Merkzeichen trauen kann,
ſo muͤßen dergleichen durch eine allzu gekuͤnſtelte Pflege
der ſo genannten Kunſtgaͤrtner vor der Zeit ums Leben
gebracht worden ſeyn. Dergleichen Kunſtſtuͤcke ſind
mit mehrern Gewaͤchſen zum Schaden der Gaͤrten
und Nachtheil der Experimentalphyſic ſehr gemein.
Will man ſich von der Richtigkeit nur beſagter
Umſtaͤnde uͤberzeugen, darf man nur auf die ganz un-
natuͤrliche Pflege ſolcher Leute Acht haben, welche da-
mit geradezu verfahren, ohne zu uͤberlegen, daß 1. das
Vaterland des Campferbaumes in einem Theile des
entferntſten Aſiens gelegen ſey, deſſen Witterung der
in
[160] in dem halbſuͤdlichen Frankreiche ziemlich nahe kom-
met; daß 2. dieſer Baum unter die immergruͤnenden
gehoͤre, als deren dickere Saͤfte, vor den uͤbrigen eine
weit langſamere Bewegung haben; 3. daß er folglich
nicht bey uns, zur Zeit des allerniedrigſten Sonnen-
ſtandes, da der Baum nicht von neuem wachſen, ſon-
dern nur eigentlich erhalten werden ſoll, daſſelbe keine
ſchnelle, ungleiche und heftige Bewegung ſeiner ſehr
verdickten ſchweren Saͤfte, mit einem aͤhnlichen Nach-
laße derſelben aushalten koͤnne. Wie er denn eben ſo
wohl von etwas kalter Luft, als einer naßkuͤhlen Wit-
terung Schaden leidet, als er im Winter bey uns des-
halb keinen ſo großen Grad der Hitze in den Glas- und
Treibe-Haͤuſern aushaͤlt, wo zu der Zeit kein ſolcher
Wechſel und Zutritt der gemaͤßigten freyen Luft iſt,
welcher ſich etwa mit der unter der Zona torrida etwas
vergleichen ließe. Wenn nun die vorerwaͤhnte fehler-
hafte Pflege noch dabey durch eine duftige Waͤrme des
Roßmiſtes, oder durch die Kacheloͤfen ſelbſt eine ſo gro-
ße Hitze unterhalten wird, in welcher der Baum einige
Zeit leben muß; die man faͤlſchlich mit derjenigen na-
tuͤrlichen reinen Luft und Waͤrme vor emerley ausgiebt,
welche ſonſt andere Gewaͤchſe zwiſchen den beyden
Wendezirkeln und der Linie genießen, ſo wird daßelbe,
wie es auch geſchiehet, gewiß vergehen.
In ſo weit man aber die Haupteigenſchaften des
Campferbaumes kennen gelernet, und beweiſet, daß
er ſich vom Vorgebuͤrge der guten Hoffnung geſund
nach Holland bringen laſſen, ſo wird man nicht zwei-
feln, daß er ſich als ein ſo hartes Gewaͤchſe leicht an
die europaͤiſche Gartenpflege gewoͤhnen laßen ſollte;
wenn man ihn nur gegen die Kaͤlte ſchuͤtzen kann. Man
gab ihm daher gleich Anfangs in den alten hollaͤndi-
ſchen und teutſchen Gaͤrten ſeinen rechten Stand, be-
ſonders den Winterſtand unter den Orangerien und
Lorbeer-
[161] Lorbeerbaͤumen, mit einer ſehr ſimpeln Pflege: doch
dergeſtalt, daß er etwas mehr Waͤrme, auch etwas
zeitiger genießen konnte als die andern vertragen.
Iſt nun der Kampferbaum durch ein verhaͤlt-
nißmaͤßiges Beſchneiden ſeiner Wurzeln und Zweige
zur Unterhaltung vorbereitet und gehoͤrig verpflanzet,
ſo wird er, wenn in den Monaten Junius und Ju-
lius die warmen Naͤchte bey uns eintreten und anhal-
ten, mit der Orangerie mehr an die freye Luft, oder
aber, damit ihm kein unvermutheter Wechſel der kalten
Luft ſchaͤdlich werden moͤge, doch ſehr nahe an die
offenen Fenſter gebracht, wo er nach dem gebraͤuchli-
chen Ausdruck hinlaͤnglich verluftet werden kann, bis
er ſein voriges Herbſt: und Winterquartier wieder
einnimmt. Er wird in dieſem Zuſtande, ſo lange er
im ſtaͤrkſten Wachsthume ſtehet, verhaͤltnißmaͤßig be-
goſſen, bis Sonnenwaͤrme und Trieb allmaͤhlig nach-
zulaſſen anfangen.
Vey einer ſo einfachen Behandlungsart, auf
welche ſich ſchon Joh. Commelin. in Hort. Amſtelo-
dam. p. l. pag. 185 — 86 beziehet, ſind die Hol-
laͤndiſchen und Pariſer Kampferbaͤume, nebſt et-
lichen in Deutſchland, ohne weitere Beſchwerde und
Kuͤnſte zu einer recht anſehnlichen Groͤße und hohem
Alter gebracht worden; doch ohne daß ſie jemals Blu-
men und Fruͤchte getragen haben ſollten.
Es muß alſo von Seiten der Naturgeſchichte
nicht wenig Aufmerkſamkeit verdienen, daß der Kam-
pferbaum ſeit ſeiner Ankunft aus Oſtindien in Euro-
pa nur von 1680 an bis 1749 noch nicht gebluͤhet
und folglich keine Fruͤchte getragen: daß er aber 1749
in der Mark Brandenburg in Berlin das erſtemahl,
und 1774 im botaniſchen Garten zum zweytenmahle
Blumen getragen, hernach zu Helmſtaͤdt, und am
ſtaͤrkſten im Churfuͤrſtlichen Garten zu Dresden ge-
Lbluͤhet,
[162] bluͤhet, iſt ſchon im Vorhergehenden angezeiget wor-
den. Dabey muß man noch in Erinnerung bringen,
daß der Berlinſche Kampferbaum ein vierzehnjaͤhri-
ger, ſeit 1732 im Boſiſchen Garten, von einem an-
dern gleiches Alters aus Carlsruhe, durch Vorſorge
des Marggraͤflich Badenſchen Leibmedici Herrn Eich-
rots dahin gebrachten und davon erzogenen Ableger
geweſen ſey, dagegen der in Dresden zur Zeit des ſie-
benjaͤhrigen Krieges in der Bluͤthe ſtehende, wie ſich
der Koͤnigl. Leibmedicus, Herr Geheimerath Cothenius,
ſehr wohl erinnert, ein großer anſehnlicher Baum ge-
weſen iſt.
Die erſte oͤffentliche Nachricht von der Bluͤthe
des Kampferbaumes zu Berlin, machte als eine Sel-
tenheit, die Aufmerkſamkeit der Kenner und Liebha-
ber von fremden Gewaͤchſen rege, beſonders ſolcher,
die die Pflanzen naͤher kannten, und vor andern ge-
nauer zu beurtheilen verſtunden. Denn da, beſage
der Nachricht, in hieſigen Landen ein vierzehnjaͤhriger
Ableger, von einem nicht viel aͤltern, und folglich
faſt in ſeinem erſten Alter ſchon zur Bluͤthe gekommen,
(dagegen man dieſe Beobachtung an alten und großen
Baͤumen, beſonders in Paris wie in Holland noch
niemals machen koͤnnen); ſo wollten manche, die da-
von gegebene Nachricht nicht vor ſicher genug halten.
Ueberdem befand ſich vor und eben zu der Zeit ein
etwas aͤlterer Ableger im Garten des Herrn von Zieten
zu Trebnitz, welchen der juͤngere Herr Breyn von
Danzig dahin geſchickt hatte, ohne alle Merkmale
von Blumen.
Ein reiſender Englaͤnder, welcher in Berlin uͤber
einer großen Tafel damals der Nachricht, wie meh-
rere, gleichfals widerſprach, verlohr daruͤber eine
Wette, und nachdem der Herr Praͤſident von Mau-
pertuis den bluͤhenden Baum zum letztenmal beſehen,
ſchnitte
[163] ſchnitte ich einen Zweig mit Blumen davon ab, und
legte ihn in der Verſammlung der Koͤniglichen Aka-
demie der Wiſſenſchaften oͤffentlich vor. Von dieſem
Umſtande hat die Beckmanniſch Maͤrkiſche Chronik
im erſten Theile Nachricht gegeben. Um ſich aber
von der Seltenheit der Kampferbluͤthe noch mehr zu
uͤberzeugen, ſchrieb der Herr Praͤſident von Mauper-
tuis nach Paris und an etliche Gelehrte in Holland, er
erhielt von dort uͤberall her die Antwort, daß ihre
große und alte anſehnliche Baͤume noch niemals Blu-
men getragen haͤtten.
Ob man nun ſchon dieſe in Europa ganz neue
Naturerſcheinung nicht weiter in Zweifel ziehen konnte,
ſo haͤtte man ſie doch ſehr leicht aus aͤhnlichen Bey-
ſpielen vielmehr gleich Anfangs nur unter die ſeltenen
rechnen ſollen. Denn von dieſer Art finden ſich
unter den fremden Gewaͤchſen mehrere, die theils
aus Saamen erzogen, theils durch das bekannte Ab-
legen der jungen Zweige vermehret, auch wohl noth-
wendig unterhalten werden muͤſſen: daß ſie deshalben
den Sachverſtaͤndigen, die ſich mit der Oſtindiſchen
und Amerikaniſchen Baumzucht beſchaͤftigen, lange
ſo fremde nicht ſeyn koͤnnen als andern, ob ſie ſchon
mit Grund immer fuͤr merkwuͤrdig gehalten werden.
Faſt eben ſo ergeht es mit den Ablegern von
jungen und alten Baͤumen, deren Zweige, welche
vielleicht gar nicht, oder doch hoͤchſt ſelten, bey uns
in dem Zuſtande gebluͤhet haben wuͤrden, wenn ſie
nicht abgeleget worden waͤren, daß ſie, ſeitdem ſie
von den Mutterſtaͤmmen abgenommen worden, ganz
unvermuthet in ihrem erſten zarten Alter zur Bluͤthe
kommen, hernach aber der Wachsthumsordnung ohn-
geachtet, in langer Zeit, oder nur einzeln, auch wohl
niemals wieder Blumen anſetzen. Ihre Mutter-
ſtaͤmme, von welchen ſie erzogen worden, kommen
L 2unter-
[164] unterdeſſen bey ihrem hohen Alter hoͤchſt ſelten, noch
das eine oder andere mahl, insgemein aber gar nicht
mehr zur Bluͤthe, ob ſie ſchon ein Alter, wie wir in
Europa gewiß wiſſen, von hundert und mehr Jahren
erreichen, und bis dahin bey einem lebhaften Wachs-
thume unterhalten worden ſind.
Dieſe fehlerhafte Beſchaffenheit, welche bey
der Pflanze ſelbſt, das Nahrungs- noch Wachs-
thumsgeſchaͤfte nicht im geringſten trift, erſtreckt ſich
blos auf die Blume, als den dritten Haupttheil eines
jeden Gewaͤchſes, der allein und insbeſondere, das
natuͤrliche Erzeugungsgeſchaͤfte der Saamen zur
Fortpflanzung durch die Befruchtung bewirken
ſoll, und artet ſo zu ſagen in eine voͤllige unzweck-
maͤßige Unfruchtbarkeit aus. Hierzu aber ver-
einigen ſich ſonder Zweifel weit mehrere phyſikaliſche
zuſammen wirkende Urſachen, die theils allgemein
ſeyn koͤnnen, zum Theil jede Pflanzenart insbeſon-
dere angehen, von welchen ſich viele nicht immer be-
ſtimmen laſſen moͤchten.
An Beyſpielen fehlet es alſo nicht, die von dieſem
gedoppelten Zuſtande des Kampferbaumes, wie von
mehrern Pflanzen zeugen. Denn die Verſuche, alte
oder erwachſene Baͤume, aus ihrem unfruchtbaren
Zuſtande und Abweichung wieder zuruͤck zu bringen,
und in die natuͤrliche Entwickelungsordnung zu ver-
ſetzen, iſt ſchwer, muͤhſam, und die Folgen davon
ſo ungewiß, daß ſie unſern Abſichten und Wuͤnſchen
nur ſehr ſelten entſprechen.
Vor ein beſonderes hierher gehoͤriges Beyſpiel
von einem Verſuche, welcher vielleicht in hundert
aͤhnlichen Faͤllen nicht ſo leicht nach Wunſch ausfallen
duͤrfte, kann folgendes gelten, es hat mir dasjenige,
was ich eben aus Gruͤnden nach der Wahrſcheinlich-
keit
[165] keit zu behaupten geſucht, gar ſehr zu erlaͤutern ge-
ſchienen; ohne daß ich mir einfallen laſſen ſollte,
daraus auf das allgemeine Schluͤſſe zu ziehen.
Es waren nehmlich ehedem aus der bekannten
Oraniſchen Erbſchaft, unter den uͤbrigen fremden
Gewaͤchſen, ein paar durch Kunſt zu dreyfuͤßige und
armesſtarke Baͤumchen gezogenen Lavendelſtraͤuche
von der großen Art, in den hieſigen botaniſchen Gar-
ten gebracht worden, die das Alter ſehr anſehnlich
gemacht hatte. Moriſon fuͤhret dieſe erkuͤnſtelte oder
vielleicht zuerſt durch einen Zufall entſtandene Pflanze
unter dem Namen Lavendula latifolia ſterilis an: weil
niemand in dieſem Zuſtande jemahls ihre Bluͤthe ge-
ſehen hatte, ſich nur wenige einen Verſuch mit den
Zweigen derſelben zur Vermehrung zu machen einfal-
len ließen, auch dergleichen nur ſelten von ſtatten
giengen, ſo rechnete man die Pflanze unter die raren,
von deren Urſprung nichts gewiſſes bekannt war.
Da nun an dieſen beyden ganz veralteten und ſchmach-
tenden Lavendelſtaͤmmen keine Hofnung zur Vermeh-
rung durch die Saamen war, daß die Zweige alſo da-
zu nur allein uͤbrig blieben, wenn man dieſe Pflanze
nicht ganz verliehren wollte, ſo wagte ich die Ver-
mehrung durch abgeſchnittene Zweige, welche ich ſteck-
te, ob mir gleich ihr aͤußerliches Anſehen davon nichts
beſonderes hoffen ließ. Dieſe machten gute Wur-
zeln, entwickelten ſich wieder in ihre natuͤrliche Pflan-
zenart, nehmlich in Lavendulam latifoliam majorem,
den großen breitblaͤttrigen Lavendel oder Spica-
nardi woraus ſie entſtanden waren, und brachten
im dritten Jahre die gewoͤhnliche Lavendelbluͤthe. Da
ich im vorigen Jahre die Ehre gehabt, der koͤnigli-
chen Akademie in einer andern Abſicht von dieſem
Verſuche eine weitlaͤuftige Abhandlung vorzulegen,
ſo muß ich mich gegenwaͤrtig darauf berufen. Viel-
L 3leicht
[166] leicht aber koͤnnte ein ſolcher Verſuch, welcher weder
allezeit geraͤth, oder ſchlechterdings gerathen muß,
ein Reductionsverſuch genennet werden, der, wenn
er geraͤth, ſeinen Nutzen bey einigen Gelegenheiten
gewiß zeigen wuͤrde. Denn wenn man bedenket, daß
eine durch Zufaͤlle aus dem natuͤrlichen Zuſtande in
den Stand der Unfruchtbarkeit gleichſam uͤbergangene
Pflanze, dadurch wieder verjuͤnget und zu ihrem erſten
Vermoͤgen zuruͤcke gebracht werde, ſich durch frucht-
bare Saamen zu vermehren oder wieder fortzupflan-
zen, ſo wird man, ohne bey einer bloßen Bewunde-
rung ſtehen zu bleiben, die Wichtigkeit des Haupt-
umſtandes nicht weiter verkennen.
Denn, ſtellet man zwiſchen dem, was mit dem
Kampferbaume vorgegangen, und ſich bey andern
fremden Gewaͤchſen weit oͤfterer zutraͤgt, eine Ver-
gleichung an: da nehmlich deren alte Mutterſtaͤmme
aͤußerſt ſelten, oder nie in Europa Blumen getra-
gen, groͤßtentheils unfruchtbar bleiben, die davon ge-
zogene ſehr junge Ableger hingegen ſehr zeitig gebluͤ-
het, ohne ihre Bluͤthe weiter fortzuſetzen: ſo wird
man von der Wichtigkeit der Sachen uͤberzeugt, nicht
mehr bey bloßen Muthmaßungen oder bey der Be-
wunderung allein ſtehen bleiben, und in andern Ge-
waͤchſen mehrere Beyſpicle zur Erlaͤuterung finden.
Dabey ſich denn insgemein nachfolgende Unterſchie-
de zeigen und mit einander abwechſeln werden: als,
es werden 1) dergleichen aus Saamen oder Zweigen
erzogene Pflanzen lange Zeit oder gar ohne zu bluͤhen
fortwachſen. Andere werden 2) ganz im Anfange
Blumen tragen, aber ihre Fruchtbarkeit dennoch
nicht fortſetzen. Etliche werden 3) reichliche Bluͤthe
bringen, die ſich aber niemahlen in die Frucht ent-
wickelt, ſondern abfaͤllet, ſo, wie man an mehrern
jaͤhrlich faſt taube Blumen und Fruͤchte antreffen
wird,
[167] wird. An vielen vollkommenen wird man 4) fruchtbare
Bluͤthen und Saamen wahrnehmen, auch die erſten
Jahre wieder Pflanzen daraus erziehen, die hernach
40—50 Jahre hinter einander, laut Erfahrung, nur tau-
be Bluͤthe tragen. Wie ſehr aber wird man ſich ver-
wundern, wenn ſich unter verſchiedenen Himmelsge-
genden, auch in einzelnen Orten, in welchen die Cul-
tur der fremden Baͤume von Zeit zu Zeit veraͤndert
worden iſt, bey angefuͤhrten Umſtaͤnden ganz gegenſei-
tige Erſcheinungen aͤußern?
Warum aber der Kampferbaum ſeit ſeiner An-
kunft aus Japan oder Oſtindien, in Europa erſt nach
etlichen vierzig bis funfzig Jahren, und zwar kaum
mehr als etliche mahl, und ſeit den naͤchſt verfloſſenen
zehn Jahren nicht mehr gebluͤhet! davon werde ich
in der zweyten Abtheilung dieſer Abhandlung die
wahrſcheinlichſten Urſachen anzufuͤhren und zu erklaͤh-
ren ſuchen, ohne mich hier in die ſchon vorher ange-
fuͤhrten Umſtaͤnde weiter einzulaſſen.
Da nun der Baum in dem Berlinſchen botani-
ſchen Garten bereits zweymahl gebluͤhet hat, und
ſchon bey der erſten Bluͤthe von mir mit aller Ge-
nauigkeit unterſucht worden iſt, ſo habe ich zum An-
denken einer ſo unvermutheten Erſcheinung, die da-
mals in den Europaͤiſchen Gaͤrten die allererſte war,
von dem bluͤhenden Hauptzweige eine ſehr genaue Ab-
bildung aufnehmen laſſen, dabey der Zeichner als ein
Selbſtkenner der Natur gewiß getreu geblieben iſt.
Weil nun eine dergleichen charakteriſtiſche Ab-
bildung in den Sammlungen und [Schriften] unſerer
botaniſchen Naturforſcher noch immer mangelt, nach
welcher ich keine deutlichere und richtigere kenne, als
die Kaͤmpferſche, ſo habe ich vor meine Schuldigkeit
gehalten, dieſelbe, nebſt der gegenwaͤrtigen Abhand-
lung, der koͤniglichen Akademie vorzulegen.
L 4Man
[168]
Man wird ſich daraus uͤberzeugen koͤnnen, daß
der Japaniſche Kampferbaum eine beſondere Art
von LorbeerLauro ſey: wovon andere Schriftſteller
vorlaͤufig, meiſt muthmaßliche Nachrichten gegeben:
die ſie außer dem großen und verdienſtvollen Paul
Hermann, der als der ſicherſte Augenzeuge aus Oſt-
indien nach Holland zuruͤck kam, nur aus aufgetrock-
neten Zweigen, Blumen und Fruͤchten, und aus den
von daher zugeſchickten Nachrichten genommen hatten.
Doch iſt durch dieſe einzelne Bruchſtuͤcke manches
nuͤtzliche zur Naturgeſchichte des Kampfers und
Kampferbaumes beygetragen worden.
Außerdem ſind an dem nach der Natur genau
abgebildeten Kampferzweige, die Blumen und zwar
ſowohl die daran befindliche, als andere darneben ge-
legte einzelne Blumentheile nach ihrer Anzahl, Ge-
ſtalt, Lage und Verhaͤltniß gegen einander, in und
außer ihrer Verbindung auf das deutlichſte ausge-
druͤckt, und theils in natuͤrlicher Groͤße A. C., theils
durch das Vergroͤßerungsglas dermaaßen vergroͤßert
B. B. H L. vorgeſtellet; daß man daran zum Bey-
ſpiel innerhalb der BlumenkroneCoralla, B. die
StaubtraͤgerE. E. mit ihren StaubhuͤlſenFilament a in
Antheris, nebſt allen drey Theilen des Blumengrif-
felsPiſtillum F. G. D nehmlich den EyerſtockOva-
rium D. die Fruchtroͤhretuba S. ſtylus, mit der Be-
fruchtungsnarbeſtigma, G. wie auch die Honigge-
faͤßeNectaria D. mit noch etlichen beſondern kugel-
runden Kapern in Fig. B. genau von einander un-
terſcheiden kann, als die, zuſammen genommen, den
natuͤrlichen Geſchlechtskaracter des Lorbeers in
ihrer Verbindung ausmachen.
Zugleich erhellet aus dieſer Abbildung, ſo wie
ſich der Kampferbaum bey ſeiner zweymaligen Bluͤ-
the gezeiget, daß er unter die nach dem Sexualſyſtem
ſoge-
[169] ſogenannte zwitterbluͤtige Pflanzenplantas floribus
hermaphroditicis gehoͤre. Darunter denn ſolche Blu-
men verſtanden werden, deren eigentliche und allein
zu dem natuͤrlichen Befruchtungs- und Erzeugungs-
geſchaͤfte der Pflanzen gehoͤrige und beſtimmte Werk-
zeuge, die durch ein unmittelbares Beruͤhren in ein-
ander wirken muͤſſen, ſo nahe als moͤglich in ein und
eben derſelben gemeinſchaftlichen Befruchtungswerk-
ſtadt officina foecundationis naturalis plantarum mit ein-
ander verbunden ſind. Dagegen die Natur den da-
von verſchiedenen Gewaͤchsklaſſen andere Geſetze ge-
geben.
Dergleichen geſetzmaͤßige Einrichtung iſt dieſer
ſtarken Pflanzenklaſſe vornehmlich deshalben gegeben,
weil ſie weder Trieb noch Vermoͤgen haben, ſich wie
die meiſten Thiere aus einem Ort in den andern will-
kuͤhrlich zu bewegen und umher zu wandern, um ſich
einen zur Befruchtung erforderlichen Gegenſtand auf-
zuſuchen. Ein ſolcher Bau vollkommen ausgebilde-
ter Blumen dienet anbey, diejenigen Schriftſteller zu
widerlegen, welche ohne weitern Erweiß vorgeben,
daß der Kampferbaum maͤnnliche und andere von
dieſen auf ganz von einander verſchiedenen Baͤumen
habe.
Jedoch um nicht bloß gerade widerſprechen zu wol-
len, kann ich dieſe Bemerkung nicht ganz von der
Hand weiſen, da eine nahe verwandte Geſchlechts-
art, nehmlich Laurus nobilisder gemeine Lorbeer-
baum, die maͤnnliche Bluͤthe in einem von den weib-
lichen ganz abgeſonderten Baume herfuͤrbringe. Es
koͤnnte alſo mit der angegebenen Bemerkung zwar ſei-
ne Richtigkeit haben, nur muͤſte man dabey einen voͤl-
lig natuͤrlichen Zuſtand nicht mit einem am oͤfterſten
vorkommenden fehlerhaften verwechſeln; als in wel-
chem letztern die natuͤrliche regelmaͤßige Entwickelung
L 5der
[170] der Blumentheile von Zufaͤllen gradweiſe verſtellt oder
gar unterbrochen wird.
Da man nun bey Unterſuchung der Blumen-
theile nicht immer mit der erforderlichen Genauigkeit
zu Werke gegangen iſt, ſo ſind daraus unvermeidliche
Irrungen entſtanden, die etliche Schuͤler und Anhaͤn-
ger des Linneiſchen Pflanzenſyſtems dahin gebracht,
daß ſie die XXII.Klaſſe deſſelben, die den Namen
Dioecia hat, ganz ausgeſtrichen, wie denn der XXI. oder
Monoecia, nebſt der XXII. der Polygamie ein gleiches
noch bevorſtehet. Man hat indeſſen, ehe man Klaſ-
ſen ausſtreichen zu koͤnnen glaubet, ſehr viele Erfah-
rung uͤber den natuͤrlichen Blumenbau, zu machen,
und deſſen fehlerhaften Zuſtand, aus ſehr verſchiede-
nen Urſachen, die in die Entwickelung der Blumen vor-
nehmlich wuͤrken, nicht mit den erſten zu verwechſeln.
Bey allem ſinnlich vollkommenen Blumenbaue
hat doch unſerer noch gar zu jungen Pflanze das Ver-
moͤgen gefehlet, ſich in die Fruͤchte zu entwickeln; wie
dieſes der Fall bey mehrern jungen zuerſt bluͤhenden
fremden und einheimiſchen Pflanzen ſehr oft iſt, daß
ſie ihre Bluͤthe ohne alle Befruchtung abwerfen: wo-
von im folgenden, verſchiedene Urſachen halber, mit
mehrern zu handeln ſeyn wird.
Der natuͤrliche Geſchlechtskarakter, welchen
die Blumen dieſer Lorbeerart enthalten, iſt nach
beyliegender Abbildung, in der den Botaniſten eige-
nen Sprache folgender.
- Laurus camphorifera.
- Japonica Kaempfer. Amoen. exot. p. 770. tab.
770. Camphorifera arbor, ex qua Camphori
officin. Hermann. Ludg. Batav. 118. vid. et
Thunberg. Flor. Japon. Pag. 172.
Cal.
[171]
- Cal. O.
- Corol. 1. petala, roſacea, calycina, 5. 6. partita,
hypocarpia, perſiſtens: Laciniis erectis patenti-
bus orato ‒ acuminatis, exterioribus alternis. - Nectar. Tubercula 2 ‒ 3 ‒ ſeta intra filamenta et
germen. - Aam. Filamenta 9. corolla breviora eaedemque inſerta
obruſa compreſſa: triplici ordine dispoſita. An-
therae margini filamentorum ſuperiori utrinque
adratae. Glandulae 2. globofae petiolatae, baſi
ſinguli filamenti interioris ordinis inſertae. - Piſtill. Germen ſuboratum. Stylus ſimplex incraſla-
tus, leviter inclinans, longitudine ſtaminum.
Stigma ereptum et obtuſum. - Pericarp. (ex fide auctorum) Drupa globoſa 1. locu-
laris, in fundo a baſi perſiſtentis corollae veſtita. - Sem. Nux globoſa nucleo globoſo foeta.
Man ſieht aus dieſer Beſchreibung, daß der
Camphorifora des Hermanns keine eigene Gattung ſey,
ſondern daß dieſer ſeltene Baum zu den uͤbrigen Ar-
ten der Lorbeergattung gehoͤrt, wohin ihn auch die fa-
denfoͤrmigen Honigbehaͤltniſſe bringen, welche der
ganzen Lorbeergattung eigen ſind. Unſer Baum
hatte uͤberall Zwitterblumen, dies iſt abermal ein
Beweis wie wenig man der Claſſe des Linne Monoecia
Dioecia \&c. trauen darf. Der gewoͤhnliche und uͤber-
all bekannte Lorbeer kommt hingegen in unſern Gaͤrten
immer mit getrennten Geſchlechtern vor. Ich zweifle
aber nicht, daß er auch Zwitterblumen zeugen mag,
wenn nur die Naturforſcher der Gegenden, wo er ein-
heimiſch iſt, ihm mehrere Aufmerkſamkeit ſchenken
wollten. Zwitterblumenbringende Straͤucher oder
Baͤume verhalten ſich oft in andern Himmelsſtrichen
ganz
[172] ganz anders, wie in ihrem natuͤrlichen Vaterlande.
Sie machen, wenn ſie in kaͤltere Gegenden kommen,
keine Zwitterblumen mehr, und zeigen uns Blumen
von getrennten Geſchlechtern. Die Ceratonia Sili-
qua Linn. (Siliqua dulcis Officinar.) kann hier zum Be-
weiſe dienen. Forſkaehl fand dieſen Baum beſtaͤndig
mit Zwitterblumen und 6 Staubfaͤden in Egypten.
Bey uns zeigt er ſich, als ein Arbor diciea floribus
pentandris hexandricoe. Sonderbar genug, wie das
Clima auf die Gewaͤchſe wirkt. Aber noch weit merk-
wuͤrdiger iſt der Einfluß des Climas auf die Werk-
zeuge der Begattung. Hier iſt entweder eine voͤllige
Unfruchtbarkeit, oder ſie aͤußert ſich nur in juͤngern
Jahren. Tritt der letzte Fall ein, ſo kann man; glaube
ich, dreiſt behaupten, daß Mangel der Saͤfte, und vor-
zuͤglich, wenn wir die Linneiſche Fortpflanzungstheorie
annehmen, Mangel an bildendem Marke Schuld ſey.
Der Baum muß noch zu viel Saͤfte auf Bildung der
jungen Blaͤtter und Aeſte verwenden, als daß er ohne
Schaden ſeines Wachsthums Fruͤchte bringen koͤnnte.
Die Kunſt kann ihm zwar hier bisweilen zu Huͤlfe
kommen, und ihn dahin bringen, daß er Fruͤchte tra-
gen muß, aber der Schaden ſolcher kuͤnſtlichen Me-
thoden iſt zu offenbar, als daß man ihn nur auf ir-
gend eine Art anrathen koͤnnte. Die voͤllige Un-
fruchtbarkeit ſcheint aber noch andere Gruͤnde zu ha-
ben, die ich kuͤrzlich hier anfuͤhren will. Erſtlich liegt
es daran, daß man dem Strauche nicht den natuͤrlichen
Standort giebt oder geben kann. Dies beweiſen
ſelbſt einheimiſche Pflanzen, die oͤfters keine Fruͤchte
bringen, wenn man ihnen einen andern Standort als
den natuͤrlichen giebt. Zweytens fehlt es den meiſten
Pflanzen an dem gehoͤrigen Grad der Waͤrme, den
man ihnen nie ſo vollkommen, als in ihrem Vaterlande
geben kann. Solche Straͤucher, die in warmen Him-
melsſtrichen, gerade zur Regenzeit, oder kurz vor oder
auch
[173] auch bald nachher bluͤhen, bringen bey uns am erſten
Saamen und Fruͤchte, weil ihnen nicht ein ſo großer
Grad von Waͤrme noͤthig iſt, als denen, die in der
Mitte des dortigen Sommers, wenn die Sonne am
hoͤchſten ſteht, ihre Blumen hervor bringen. Selbſt
ſchon die eingekerkerte Luft der Gewaͤchshaͤuſer, die
doch bey aller Vorſicht nicht ſo wie im natuͤrlichen Va-
teriande beſchaffen iſt, mag Schuld an dem Abfallen
ſo vieler Blumen ſeyn; aber noch einen wichtigern
Grund findet man in den Honigbehaͤltniſſen. Dieſe
haben auf den Stand und Zweck der Blume mehr
Einfluß, als man vielleicht glaubt. Von ihnen haͤngt
bey vielen Pflanzen die Begattung ab. Sie wirken,
wie man gleich ſehn wird, nicht unmittelbar auf die Be-
fruchtung, indeß haͤngen ſie doch mit dieſer auf eine
wunderbare Art zuſammen. Es iſt jedermann be-
kannt, wie dergleichen Gewaͤchſe faſt immer beſchaffen
ſind, ihr fehlerhafter Bau liegt gemeinhin bloß in den
maͤnnlichen Theilen. Die weiblichen Theile werden
ſelten Fehler zeigen. Nun wiſſen wir ferner, daß der
befruchtende Theil im Staube der Antheren bloßes
Oel iſt. Dies Oel geht bis zu dem Gerinnen und be-
wirkt dadurch das Ausbilden der Frucht. Es iſt auch
bekannt, wie wenige Zwitterpflanzen das Werk der
Begattung ſelbſt verrichten koͤnnen, ſondern das reiche
Heer der Inſecten zur Huͤlfe haben muͤßen. Dieſen
hat die Natur den ſuͤßen Honig angewieſen, der im
Grunde der Blume ſich ſo haͤufig ſammlet. Jede
Blume enthaͤlt etwas Honig, oder ſondert doch wel-
chen ab, ſollte ſie auch nur dieſen ſuͤßen Saft ausduͤn-
ſten. Die Erfahrung beſtaͤtiget uns dies bei heißen
Sommertagen, wo man oͤfters in Waͤldern einen ho-
nigartigen ſuͤßen Geruch wahrnimmt, der ſich auch
auf die Blaͤtter verſchiedener Baͤume oder Pflanzen
ſammlet und dieſe fleckig macht, wenn nicht bald ein
Regen eintritt, der ſie von dieſer Feuchtigkeit befreyt.
Jede
[174] Jede Pflanze hat, nach allen chemiſchen Erfahrungen,
Zuckerſaͤure und brennbares in ihrer Miſchung. Be-
kanntermaaßen machen Oel und Zucker eine ſchleimige
Miſchung aus. Nehmen wir dieſe Erfahrungen, die
alle unlaͤugbar ſind, zuſammen, ſo wird es uns nicht
ſchwer werden zu erklaͤren, warum die maͤnnlichen
Theile ſo vieler auslaͤndiſchen Baͤume unfruchtbar
ſind. Der Mangel der gehoͤrigen Waͤrme, verhindert
das Scheiden des Oels vom Honig, und da iſt es
ganz natuͤrlich, daß ſolche Pflanzen unfruchtbar ſeyn
muͤßen. Wollte man ja dawider einwenden, daß nur
bey wenigen Gewaͤchſen erſt die Botaniker Honigbe-
haͤltniſſe geſehn haͤtten, ſo kann man durch die Erfah-
rung ihnen ſattſam darthun, daß faſt alle Blumen
mit Nectariis verſehn ſind. Man muß nur nicht von
Vorurtheilen eingenommen ſeyn, und alles ſo ſehen
wie es die Natur zeigt, ſo wird man das Geſagte
wahr finden. Nicht alles was man fuͤr Honigbehaͤlt-
niſſe erklaͤrt, ſind Honigbehaͤltniſſe, oft ſind es nur An-
ſtalten, das Ausfließen des Honigs zu verhindern, oder
den Honig vor dem eintretenden Regen zu bewahren.
Doch ich komme wieder auf unſern Kampferbaum.
Aus den Winkeln der Blaͤtter entſprangen die
Blumen, deren botaniſche Beſchreibung oben erwaͤhnt
iſt, in kleinen Riſpen (panicula). Zwey oder drey
Blumen hatten einen gemeinſchaftlichen Stiel und 5
bis 6 ſolcher Stiele waren an einer panicula wech-
ſelsweiſe geſtellt. Die ganze Laͤnge einer ſolchen Blu-
menriſpe, betrug ungefaͤhr die halbe Laͤnge des Blatts.
Von der Frucht koͤnnen wir nichts ſagen, als was
ſchon durch andere bekannt iſt. Der Herr Ritter
Thunberg traf ſie in Japan von gelber, rother und
dunkelvioletter Farbe an. Er erzaͤhlt auch, daß die
Einwohner aus denſelben eine Art Talg bereiten, deſ-
ſen man ſich ſtatt des Wachſes bediene, um Lichter
daraus zu machen.
Der
[175]
Der ganze Baum mit ſeinen Blaͤttern, und die
Art ſeines Wachsthums, iſt ſchon oft und hinlaͤnglich
beſchrieben, daß es uͤberfluͤſſig ſeyn wuͤrde, hier noch
etwas davon zu erwaͤhnen. Ich erinnere nur noch,
daß unſer Baum vielleicht mit zu den groͤßten gehoͤrt,
den je ein botaniſcher Garten hat aufweiſen koͤnnen.
Seine Hoͤhe betraͤgt mit der Krone 25 Schuh. Noch
ſcheint er nicht voͤllig ſeinen Wachsthum geendigt zu
haben, dies beweiſet auch die lange Zeit, in der er nicht
wieder gebluͤht hat. Es fraͤgt ſich aber, woher kam
das Bluͤhen unſers Baums? Ich kann keinen andern
Grund, als etwa einen vorhergehenden gelinden Win-
ter, und einen darauf folgenden ungewoͤhnlich war-
men Sommer angeben. Noch kommt vielleicht dazu
eine andere Art der Behandlung des Gaͤrtners. Oef-
ters haͤngen von ſo geringfuͤgig ſcheinenden Dingen
wichtige Wirkungen in der Natur ab. Vielleicht
kann hier ein kleiner Umſtand eingetreten ſeyn, den
man, weil er zu geringfuͤgig ſcheint, uͤberſieht. Die
Erfahrung wird es in der Folge lehren, was Schuld
daran geweſen ſey.
Um aber doch auch zu wiſſen, wie viel Kampfer der
Baum enthalte, ließ ich eine Unze von den jungen
Blaͤttern dieſes Baumes zerſtuͤcken, mit Waſſer uͤber-
gießen, und gelinde deſtillieren. Anfangs zeigte
ſich nichts von einem Kampfer, bis endlich alles er-
kaltet war, wo ich denn etwas uͤber einen Scrupel er-
hielt. Der Kampfer war blaͤtterig und ſchwamm theils
auf dem uͤberdeſtillierten Waſſer, theils hing er in
kleinen Puncten am Halſe der Retorte, und des Kol-
bens an. Von Farbe war er dem rafinirten voͤllig
gleich, nur hatte er noch einen fremden gewuͤrzhaften
Geruch, der dem engliſchen Gewuͤrze (Semen Amoni.
Myrtus Pimenta L.) aͤhnlich war. Das Waſſer
ſchmeckte ſehr ſtark nach Kampfer und hatte auch etwas
von dem gewuͤrzhaften Geruche bey ſich.
Man
[176]
Man bereitet den Kampfer aus dem Holze, und
Aeſten, die auch vermuthlich ungleich reichhaltiger als
die Blaͤtter ſind. Es ſcheint der ganzen Laurus Gat-
tung eigen zu ſeyn, daß der Stamm mit dem Alter be-
ſonders an den untern Theilen nach Kampfer rieche,
und auch wirklich welchen enthalte. Dies erzaͤhlt
man von dem Zimmtbaume, der auch zu dieſer Gat-
tung gehoͤrt.
[[177]]
Verſuch
zur
Verhaͤltniß der Hoͤlzer bei ihrer Bearbeitung.
Dieſes betrift vornehmlich ihre Haͤrte und Weiche,
Zaͤhigkeit und Sproͤdigkeit, Mildigkeit und Wild-
heit oder Widerſpenſtigkeit, imgleichen ihre Adern
oder feſte Streifen, deren einen der Baum jaͤhrlich
rund herum anſetzt, Narben oder longitudinelle
Gruͤbchen oder duͤnne Furchen, Spiegel oder kleine
glatte Stellen, Blumen oder dunkele Flecken und Fi-
guren, ſeidenhaftes, gewaͤſſertes, wellenhaftes An-
ſehen, gekiepertes Anſehen, wie eine ganz fein oder
klein teſſellirte Flaͤche von abwechſelnden kleinen
Querſtrichlein, ir. Schwehre, Farbe, Geruch, Ge-
ſchmack ꝛc.
I. Wilde Hoͤlzer.
- 1) Schlehen, Schwarzdorn, Acacia offic. ſ. Pru-
nus ſylv. Dod. hat die Haͤrte und das Spint des Pflau-
menbaums, iſt auch im Herzen braͤunlich wie dieſer.
Je aͤlter dieſes Holz wird, deſto aͤhnlicher wird es
dem Pflaumenbaume. Doch iſt es zaͤher als dieſer,
aber es iſt eben ſo wild oder widerſpenſtig es wider den
Strom zu bearbeiten, und pellet. Alles ſproͤde Holz,
Mwenn
[178] wenn es auch noch ſo wild iſt, laͤßt ſich doch mit dem
feinen Hobel beſſer und ohne zu pellen bearbeiten, als
das zaͤhe Holz, wenn es wild iſt, weil ſolches pellet. - 2) Ahorn, weißer Berg-Ahorn aus den Zozen,
Acer mont. candidum CB. Wenn es jung iſt, ſo iſt
es mittelmaͤßig hart, denn je aͤlter der Baum wird,
deſto haͤrter iſt das Holz. Es iſt etwas zaͤhe wie der
Weißdorn. Die Adern oder jaͤhrliche Reifen liegen
dicht an einander. Es hat auch Spiegels wie einige
Eichen und Rothbuͤchen, aber nur kleine. Es iſt ein
feines Holz und laͤßt ſich ſauber bearbeiten. Es iſt
zu Violinenboden, Griffe und Baͤcke geſchickt. - 3) Breitloͤbern, Laͤhnen, Leinbaum, Acer mont.
tenuiß. dacutis fol. CB. iſt dem weißen Berg-Ahorn
in der Haͤrte und Zaͤhigkeit gleich, aber groͤber an
Adern. Es ſpielet ſeidenhaft und iſt etwas gekiepert
wie Acer. mont. candid., aber wegen den groben
Adern dienet es nicht wie dieſes zu Violinen und Re-
ſonanzboden. - 4) Fladern, Malinen, Gaͤnſeflieder, Acer ſim-
plicior Schwenckf. iſt weich und zaͤhe wie Eſpen und
weislicht. - 5) Raͤpelthaͤn, Masholder, Acer campeſtre et mi-
nus CB. iſt mittelmaͤßig hart wie das allerhaͤrteſte
Birkenholz, iſt auch zaͤhe. Viele Hoͤlzer aber, die
glatt und ohne Aeſte ſind, ſind viel leichter zu bearbei-
ten, als was wimmerig, aſtig oder maſerig iſt, denn
hier geht eine Stelle mit der andern wider den Strom,
nemlich hin und her und quer durch; hiermit muß man
ſorgſam und muͤhſam umgehen, die Hobeleiſen ſcharf
halten und zart vorſchlagen, dabei ſich auch vorſehen,
wie und was man hobelt. - 6) Elſe, Erle, Alnus Dod. iſt weich, das geſunde
ſowohl als das im Waſſer grau gewordene. Wenn
es geſund und trocken iſt, ſo laͤßt es ſich gut hobeln
und ſauber machen; aber man muß gut Schneidezeug
und
[179] und Eiſen dazu haben, denn Elſen und Rothbuͤchen
ſtuͤmpfen das Werkzeug am meiſten. Das Elſen-
holz iſt nur ein ſchlechtes Holz zum Verbrennen ſo wohl
als in der Dauer, der Wurm frißt es bald im Trocke-
nen, im Wetter verſpahckt es bald, in der Erde ver-
fault es bald; bleibt es aber ſtets im Grunde des
Waſſers, ſo dauert es lange. - 7) Birke, Meien, Betula Dod. iſt weich und zaͤhe,
laͤßt ſich gut ſpalten (man ſpaltet die Hoͤlzer am lieb-
ſten nach den radiis axeos) der Stamm iſt allezeit haͤr-
ter und zaͤher als der Zopf, nahe an der Erde iſt der
Stamm haͤrter und zaͤher und laͤßt ſich nicht ſo gut
ſpalten als oben. Der Maſer waͤchſt unten, iſt auch
haͤrter und zaͤher. Der haͤrteſte Birkenſtamm iſt an
Haͤrte dem Fliederholze gleich. Die Birkenrinde
brennt wie Kien, in Schweden werden die Haͤuſer
damit gedeckt. - 8) Hagebuͤche, Steinbuͤche, Weißbuͤche, Car-
pinus Dod. Oſtrya Cord. kommt dem l. Ebeno nigro
an Haͤrte und Arbeit meiſtens gleich, iſt nemlich ſehr
hart, ſonderlich der Stamm und das Herz und haupt-
ſaͤchlich die braune dunkele Streifen und Stellen in
alten Baͤumen. Ob nun gleich dieſes Holz hart und
zaͤhe iſt, ſo dauret es doch in der Erde und im Wet-
ter nicht: aber im Trocknen iſt es das allerbeſte Holz
zu Werzeuge fuͤr die Tiſchler und Zimmerleute. Wo
aber hierzu kein Weißbuͤchen zu bekommen iſt, muͤſſen
ſie Aepfel- Birn- oder Pflaumenholz dazu nehmen.
Hier nennt jedermann Carpinum, Weißbuͤche, doch
wollen einige Art Fagi mit weißerer Rinde lieber Weiß-
buͤche nennen. - 9) Hartbaum, Hartriegel Cornus foem. Lob.
Osſea, iſt hart und zaͤhe wie Apfelbaum, aber weiß
wie Weißbuͤchen, laͤßt ſich gut bear beiten. - 10) Haſelſtaude, Corylus ſylv. Lob. iſt weich aber
etwas haͤrter und zaͤher als die Weide, Linde, und
M 2Pap-
[180] Pappel, es iſt ſo zaͤhe und hart wie die Birke. Der
Stamm iſt weich, aber die Wurzel iſt haͤrter ſo
wie das Birkenholz. Der Stamm laͤßt ſich nicht gut
hobeln, aber die Wurzel beſſer. - 11) Hambutten, Wiepken, Cynosbatus Offic. Ro-
ſa ſylv. Tabern. iſt ſehr hart und zaͤhe, etwas gelb-
lich. Was nicht aſtig und wimmerig iſt, laͤßt ſich
ſauber bearbeiten. - 12) Spillbaum, Evonymus Dod. iſt hart und
zaͤhe wie das Hambuttenholz, aber gelber, darum
wird es auch von den Tiſchlern verarbeitet. Das ge-
rade Holz laͤßt ſich ſauber bearbeiten und iſt fein Holz. - 13) Buͤche, Rothbuͤche, Fagus Dod. iſt an Haͤrte
verſchieden. Es liegt vieles an dem Grunde und an
der Sonne. Wenn ſie ſo ſteht, daß ſie Luft und
Sonne hat, und nicht ſchadhaft wird, ſo kommt ſie
dem Weißbuͤchen gleich. Wenn dies Holz naß iſt,
ſo iſt es gut zu hauen und zu ſchneiden, trocken aber
ſtumpft es alle Werkzeuge ſehr. Im Wetter und an
einem dumpfigen Orte iſt es nicht dauerhaft und wird
bald ſpahkig, ſonderlich, wenn es rund und in ſeiner
Rinde liegen bleibt, dann findet man darin verſchie-
dene Farben. - 14) Faulbaum, Frangula Dod. iſt ſehr weich, laͤßt
ſich gut arbeiten und ſauber hobeln; aber im Abziehen
mit der Ziehklinge pellet es doch. - 15) Eſche, Tahw-Eſche, Fraxinus Dod. iſt ſo zaͤhe
und ſo mittelhart als alte Birken. Je juͤnger es iſt,
deſto zaͤher und weißer iſt es. Sonſt und im Kern iſt
es blaßbraun wie der Kern des Hippocaſtani und der
Eiche. Das junge Holz ſpielet ſeidenhaft, mit dem
Alter hingegen werden die Narben groͤßer wie an den
Eichen. - 16) Epheu, Hedera arborea CB. iſt weich wie
Werſt, fahlgraͤulich, weißlich und auſſer der axi ge-
kiepert.
17) Wach-
[181]
- 17) Wachholder, Iuniperus Dod. wird nicht ſehr
groß und dick, weil er viel Aeſte auswirft. Es
iſt mittelmaͤßig hart wie das Birkenholz. Das Spint
iſt weiß und zart, das Herz aber gelblich, die Adern
braͤunlich. Die Adern haben etwas Oel, die Aeſte
aber vielmehr. Es waͤre ſonſt gut zu bearbeiten,
wenn es nicht ſo viele Aeſte haͤtte; wegen dieſen aber
reißt es ſehr ein, weil ſie oͤlig und dabei nicht hart
ſind. Es hat einen ſtarken Geruch. - 18) Waſſerflieder, Hirſchholder, wilde Schnee-
baͤlle, Opulus Ruell. iſt zaͤhe und hart wie Birnbaum,
laͤſt ſich aber nicht ſo gut hobeln, weil es gern auf-
reißt. Iſt weißlicher, haͤrter und zaͤher als der Opu-
lus fl. globoſo T. - 19) Hagedorn, Oxyacantha Lob. iſt ſo hart und
zaͤhe als Birnbaum, laͤſt ſich ſauber bearbeiten, iſt
weißlich, die Adern aber ſpielen etwas braͤunlich.
Deſſen Varietas Weißdorn genannt, iſt wenig weißli-
cher, laͤſt ſich auch mittelmaͤßig bearbeiten und wird
ſauber, hat mit ihm auch gleiche Haͤrte ſc. wie Aepfel-
und Miſpelholz, darum pfropft man Miſpeln darauf,
iſt haͤrter als Creuzdorn. - 20) Elpe, Aepe, Aehle, Toͤlpelgensbaum, Trau-
belkirſche, Ceraſus racemoſa J B. Padus fol. annuis
Linn. iſt ſo ſtark und zaͤhe als Birnbaum, hat mittel-
maͤßig feine Adern. Das Spint iſt weislich, aber
das Herz iſt blaß oder hellbraun wie die Farbe des de-
cocti von der aͤuſſerſten gruͤnen Wallnußſchaale. Die
Knorren hingegen und Seitengewaͤchſe ſpielen ſeiden-
haft ſchwefelgelb. - 21) Kiefer, Kienbaum, wilde Fichte, Pinus ſylv. CB.
Pinaſter Lob. wenn es gerade gewachſen, nicht wim-
merig, noch gedrehet, noch aſtig iſt, ſo laͤſt es ſich al-
lezeit gut behauen, ſchneiden und hobeln, aber nur fuͤr
Zimmerleute: hingegen fuͤr die Tiſchler muß alles tro-
cken ſeyn, weil die Tiſchblaͤtter, Panele, Fußboden,
M 3Tafeln
[182] Tafeln u. d. gl. muͤſſen zuſammengefuͤgt werden, und
die Bretter links und rechts, Zopf und Stamm nach
dem vorhabenden Werke und Maaße muͤſſen zuſammen-
gerichtet und geleimt werden, da dann an vielen
Brettern die halbe Seite vorwaͤrts, die andere ruͤck-
waͤrts muß gehobelt werden, deswegen muß das Holz
gut trocken ſeyn. Das Fichten oder mager und fein-
draͤhtige Kienenholz iſt leicht und nicht zur Dauer im
Wetter, aber im Trockenen zur Fournirarbeit, beſon-
ders zu Kaſten, Kleider- und Eßſpinden iſt es ſehr
gut. Hingegen haben die Bauren das Kienichte gern
zu Laden, je kienichter je beſſer, wenn es auch noch ſo
ſtark riecht. Die alten und ſtarken Sagebaͤume, die
ein groſſes und kienigtes Herz haben, dauren am be-
ſten im Wetter zu Pfaͤle und Haͤuſer, wenn ſie nehm-
lich nach der guten Wahl gefaͤllet worden. Aber
das gute Holz koͤmmt nun ſelten an die Tiſchler. Ein
Kienbaum, der in einem Schuß gewachſen iſt, keine
groſſe Aeſte hat, niemals von andern Baͤumen verdre-
het oder beſchaͤdiget worden, auch nicht ſo frei ſte-
het, daß ihn der Wind ſtark treffen kan, hat feine
Rinde und feine Adern, iſt gut zu hobeln, zu Kehl-
ſtoͤſſe, Reſonanzboden der Claviere und anderer In-
ſtrumente geſchickt. - 22) Schwarze Pappel, Populus nigra Dod. iſt
ſo weich als die Knackweide und von der weiſſen Pap-
pel in der Bearbeitung gar nicht unterſchieden. Jo
feiner man die Weide und beide Pappeln hobeln will,
deſto mehr pellen ſie, d. i. deſto mehr bleiben die feine
losgeſchobene Faden unten am Hobel ſitzen, und ma-
chen durch ihr Eindrucken auf dem weichen Holze
Streifen und hierdurch das Saubermachen muͤhſam.
Will man es uͤber Ende hobeln um Hirnplatten zu
machen, ſo iſt es zu weich und fohſch, ſo, daß es nicht
ſteht noch gegen haͤlt, ſondern ausbroͤckelt. Je aͤlter
die
[183] die Weiden und Pappeln werden, deſto fohſcher und
muͤhſamer ſind ſie zu bearbeiten. - 23) Eſpen, Laubeſche, Populus tremula C B. iſt
ſo weich als die Steinlinde, etwas haͤrter als die zah-
me oder Waſſerlinde (Tilia foem. fol. majore C B.)
Es iſt ſo zaͤhe wie Birken und Linden. Wenn es naß
iſt laͤßt es ſich gut biegen, auch wenn es ſchon trocken
iſt. Es iſt fein gekiepert und laͤſt ſich gut bearbeiten,
darum machen die Drechsler vielerley z. B. Teller
daraus. - 24) Eichenholz, Quercus Tab. iſt ſehr verſchieden,
einiges iſt ſehr muͤrbe oder weich und milde. Die
Mittagsſeite iſt allemal haͤrter als die Mitternachts-
ſeite, beſonders am Stamm. Aber in einer dicken
Heide oder wenn der Baum hinter einem Berge ſteht,
ſo daß ihn die Sonne nicht beſcheinen, noch die Mit-
ternachtſchlimmwetter anbringen kann, ſo iſt der Baum
rund um von egaler Haͤrte und muͤrber als andere
Baͤume. Alle Eichen, die auf niedrigem Grunde ſte-
hen und mehr Naͤſſe haben, haben den Vorzug im
Wachsthum, ſind auch haͤrter als die, ſo auf ſandigen
Bergen ſtehen, wenn ſie nehmlich unbeſchaͤdiget bleiben.
Die Beſchaͤdigung aber iſt mannigfaltig, als durch
Windbruch, oder wann abgehauene Aeſte im herun-
terfallen andere Aeſte mit wegſchlagen, da denn unten
Stuͤcken vom Stamm mit abgeriſſen werden; auch
werden durch das Abſtammen der Nebenbaͤume
manche Aeſte mit weggeſchlagen, wovon der Baum
Schaden oder Schwaͤmme bekommt und faul wird;
oder der Baum wird unten angehauen, ſo daß die
Rinde nicht uͤberwachſen kann, davon wird er trocken,
rothfaul und bekommt den großen Wurm oder den
kleinen Sandwurm. Von der Beſchaͤdigung und
den Schwaͤmmen werden die Baͤume auch oben trocken
und faul, und mit der Zeit mehr und mehr [unter-
waͤrts] an einer Seite oder in der Mitte, und hiervon
M 4wird
[184] wird das Holz roth und bekoͤmmt verſchiedene Farben.
Das Malgiſche hat ſehr groſſe Flammen. - 25) Steineiche, Quercus vulg. brevibus pedicu-
lis J. B. Hall. Lin. iſt viel haͤrter als das gemeine Ei-
chenholz, deſſen Farbe auch mehr ins braune faͤllt, als
des Steineichenholzes, welches mehr weisliches auch
wohl graͤuliches zeiget. Uebrigens gilt bei dieſer auch
was von der gemeinen Eiche erinnert iſt. Einige
meinen, die Steineiche laſſe die trockene Blaͤtter auch
im Winter nicht ſo bald fallen als die gemeine. An-
dere nennen eine Truhf-Eiche ohne das innere Holz
derſelben zu kennen. - 26) Creuzdorn, Wegedorn, Rhamnus catharcti-
cus C B. iſt ſo hart als Creuzdorn, aber zaͤhe und ſei-
denhaft. Sein gerades Holz laͤſt ſich ſauber arbeiten.
Seine Maſer iſt gut zu Pfeifenkoͤpfe, beſſer als Elſen
und Birkenmaſer, weil es ſeidenhaft, paille, gelblich,
ja in recht alten Staͤmmen recht angenehm roͤthlich
ſpielet. - 27) Brombeer, Kratzbeer, Rubus vulgaris C B.
Dieſes Holz iſt hart und zaͤhe, laͤßt ſich gut hobeln
und hat der Hambutte Anſehen und Farbe. - 28) Weide, Salix, iſt das weichſte unter allen Hoͤl-
zern. Es iſt zwar zaͤher als Lindenholz, weil es aber
zu weich iſt, laͤßt es ſich nicht gut hobeln noch mit der
Saͤge gut ſchneiden. Dasjenige, ſo gruͤn geworden,
iſt zwar weich, laͤſt ſich aber doch gut hobeln. Das
Holz der verſchiedenen Weidenſorten iſt an Haͤrte und
in der Bearbeitung, faſt gar nicht unterſchieden und
gleichet der ſchwarzen Pappel. Doch iſt das Holz
der Saalweide (Salix perſicae folio auriculata Hal-
ler) und der Lorbeerweide (Salix perſicæ folio non
auriculata Commelin.) etwas zaͤher, haͤrter und fei-
ner als der Bruch-Knick- oder Knackweide (Salix pro-
cera
[185]cera Dod.) Dieſe beide kommen dem Pappel- und
Waſſerlindenholze gleich, die Steinlinde aber iſt et-
was haͤrter; doch laͤßt ſich Lindenholz uͤberhaupt beſ-
ſer hobeln, ſtechen und ſchneiden. Der Werft (Salix
latifolia, inferne hirſuta J B) iſt etwas zaͤher als die
Bruchweide, und wird daher von den Boͤttichern eben
ſo wie die Haſelſtraͤuche zu Baͤnder gebraucht. Die
gelbe Bind- oder Elbweide (Salix lutea tenuis ſativa
viminea J B.) iſt noch biegſamer fuͤr die Weinmeiſter,
Gaͤrtner ꝛc. als die Saalweide, welche doch die Bruch-
weide an Biegſamkeit uͤbertrift. - 29) Ebereſche, Quitze, Sorbus aucuparia J B. iſt
mittelmaͤßig hart und zaͤhe wie Birken, und laͤſt ſich
nicht gar gut bearbeiten. - 30) Even-Iben-Euenbaum, Taxus, iſt mittelmaͤſ-
ſig hart, ſo wie das milde Eichenholz, aber in der
Bearbeitung und im Anſehen iſt es davon ſehr unter-
ſchieden. Das Ebenholz iſt ſehr ſproͤde oder gelſtern,
laͤſt ſich mit der Sage zwar gut ſchneiden aber nicht
gut hobeln. Es iſt zum Einreißen ſehr geneigt. Man-
ches Stuͤck laͤſt ſich wohl uͤberzwerg hobeln; was aber
durcheinander gewachſen iſt, laͤſt ſich keinen Weg gut
bearbeiten. Dieſes Holz hat keine Augen oder Nar-
ben. Wenn es nicht ſauber oder glatt bearbeitet
wird, iſt ſolches ſehr deutlich zu ſehen. - 31) Linde, Tilia foemina, iſt das beſte Holz fuͤr die
Bildhauer, denn es laͤßt ſich beſſer hobeln, ſtechen
und ſchneiden als die Pappel und Weide, obgleich
die zahme oder Waſſerlinde, folio majore C B.
eben ſo weich als ſelbige und nicht ſo zaͤhe als die Wei-
de iſt, doch iſt auch die Steinlinde etwas haͤrter. - 32) Eichen-Kenſter-Kinſter oder Miſtel, Viscum
quernum J B. iſt mittelmaͤßig weich wie Birkenholz
und laͤſt ſich gut hobeln.
M 533) Ruͤ-
[186]
- 33) Ruͤſter, Ilmbaum, Ulmus Dod. iſt ſo hart
als das allerhaͤrteſte Nußbaumholz, dabei auch zaͤhe,
aber Wurzel und Stamm iſt noch haͤrter. Dieſes
Holz ſpielet in den jungen Baͤumen ſeidenhaft, in den
großen und alten Baͤumen ſchattiret es beſſer ins
braune, denn ſie werden ſo groß als Eichen. Es
laͤßt ſich mittelmaͤßig bearbeiten und hat kleine Augen
oder Narben.
II. Zahme Hoͤlzer.
- 1) Tannenholz, das rothe oder ſchwarze ſowohl als
das weiſſe, Abies rubra Trag. candida. iſt an Haͤrte
und in der Arbeit nicht von einander unterſchieden,
wohl aber am Anſehen, denn das rothe iſt an der
Mittagsſeite roͤther und hat feinere Adern als das
weiſſe. Sie ſind beide weich und nicht ſo gut zu be-
arbeiten als das Kienenholz, beſonders die Aeſte,
weil ſie gerade ſtehen und die Aeſte niederhangen, auch
nicht ſo harzig ſind als das Kienenholz. Jedoch fin-
den ſich zuweilen am Kienbaum ſolche Aeſte, die da-
von vor langer Zeit abgeſchlagen und am Baume tro-
cken geworden ſind, dieſe kommen an Haͤrte denen
Tannen meiſtens gleich. Das Tannenholz iſt fuͤr die
Tiſchler gut im Trocknen zu Orgeln, Paneel, Tiſche,
Schraͤnke ꝛc. it. zum Blindholze darauf zu fourniren oder
ausgelegte Arbeit zu machen. - 2) Spaniſche Schlehen, Acacia hiſpanica. Dies
Holz iſt mittelmaͤßig hart und zaͤhe und laͤſt ſich gut
bearbeiten. - 3) Fremde Schlehen, Acacia indica dicta. Dies
Holz iſt hart, das Herz braun geſtreift, aber das Spint
ſeidenhaft gelbgekiepert. Es iſt dem Ruͤſter und
Creuzdorn meiſtens gleich. - 4) Nachtſchattenbaum, Solanum fruticoſum bac-
ciferum C B. Amomum plinii, Ger. iſt ſo weich und
zaͤhe als Werft zu bearbeiten.
5) An-
[187]
- 5) Annona ex horto Krauſii Berol. Anona, atqua-
lis? iſt ſehr weich, gleichet der Haſelſtaude, und iſt
ſchwer, ſauber oder glatt zu machen. - 6) Erdbeerbaum, Arbutus fol. ſerrato C B. iſt mit-
telmaͤßig hart und etwas zaͤhe, laͤßt ſich auch gut ver-
arbeiten. - 7) Pommeranzenholz, Aurantium acri medulla
Ferr. iſt dem Birnbaumholze gleich, laͤßt ſich gut bear-
beiten, gut und ſauber hobeln, iſt etwas hart und zaͤ-
he wie der Citronenbaum aber etwas gelber. - 8) Pommeſine, Apfelſine, Aurantium dulci me-
dulla Ferr. Ihr Holz iſt etwas hart und zaͤhe wie der
Citronenbaum, gelb und hat feine Adern. - 9) Yerva mora Eulr. Boſia Lin. iſt mittelmaͤßig hart,
etwas zaͤhe und kommt dem Nußbaumholze gleich. - 10) Hoher Buxbaum, Buxus arborescens C B.
Der Stamm ſowohl als die Wurzel iſt ſehr hart, zaͤ-
he, wild und boͤſe zu bearbeiten. Es iſt ſehr hoͤckerig
und wirft viele kleine Aeſte, deshalb reißt es ſehr ein
und iſt daher ſehr muͤhſam ſauber zu machen. - 11) Kampferbaum, Laurus camphorifera Kæmpf.
Iapon. ex horto Krauſii Berol. Camphorifera offici-
cinar. Dies Holz iſt mittelmaͤßig hart, etwas zaͤhe,
wie Birke und Laurus, hat eine dem Lauro aͤhnliche
Structur, ſpielt auch wie dieſer ſeidenhaft, aber ſeine
Farbe faͤllt mehr ins braune, dagegen Laurus mehr
ins graue faͤllt. Der Stamm laͤſt ſich gut bearbeiten.
Es hat einen ſtarken Geruch. - 12) Geisblatt, Specklilie, Caprifolium germ.
Dod. Periclymenum non perfol. J. B. iſt mittelmaͤßig
hart wie Rothbuͤchen, laͤßt ſich nicht gut hobeln. - 13) Aechte Caſtanie, Caſtanea ſativa C B. Ihr
Holz iſt hart und zaͤhe wie Apfelbaum und laͤßt ſich
gut bearbeiten. - 14) Kirſchbaum, Ceraſus ſativa CB. iſt hart und zaͤhe,
wie der Fliederbaum, es reißt gerne ein, und laͤßt ſich
des-
[188] deshalb nicht gut hobeln, darum wird es wenig verar-
beitet. Das Holz der ſpaniſchen Herzkirſche iſt hart
und zaͤhe wie Apfelbaum, und laͤſt ſich mittelmaͤßig
bearbeiten. - 15) Clematitis Canad. Boerh. iſt ſehr weich, laͤſt
ſich gut hobeln, iſt dem weichſten Cedernholze gleich. - 16) Linſenbaum, Falſche Senesblaͤtter, Colutea
veſicaria C B. Sein Holz iſt weich wie Birkenholz
und laͤſt ſich gut hobeln. - 17) Dierlein, Juden- oder Kornelkirſche, Cornus
hort. mas. CB. Sein Holz iſt weiß und haͤrter als des
Ceraſi, es iſt dem Borſtorfer Apfelholze gleich, und
laͤſt ſich gut bearbeiten. - 18) Quittenholz, Cotonea et Cydonia Lob. iſt et-
was haͤrter als Apfelholz, und ſehr wild zu bearbei-
ten. Auf ſeinem Stamm wird anderes Obſt gepfropft. - 19) Cypreſſenbaum, Cupreſſus C D. Dies Holz
iſt hart und etwas zaͤhe wie der Apfelbaum, laͤßt ſich
aber wegen der vielen Aeſten nicht ſo gut bearbeiten.
Es riecht wie Sadebohm Sabina hat aber feine Adern. - 20) Cytiſus Cæſalp. Falcata incana Rivini. Es
iſt ſehr hart, das Spint iſt etwas weicher aber zaͤhe.
Das Herz an Haͤrte dem Olivenholze gleich. - 21) Ecbolium Rivin. Adhatoda Zeylanens. Boerh.
iſt weich zu bearbeiten wie das Birkenholz. - 22) Feigenbaum, Ficus communis C B. Sein
Holz iſt weich und milde, und laͤſt ſich gut hobeln wie
Lindenholz. - 23) Stachelbeerholz, Grosſularia ſpinoſa fativa
C B. iſt mittelmaͤßig hart wie Birken, am Stamm iſt
es etwas zaͤhe, hat in axi ein weiches Mark, und laͤßt
ſich mittelmaͤßig bearbeiten - 24) Roßkaſtanie, Hippocaſtanum vulg. T. iſt et-
was weicher als die Steinlinde, mittelmaͤßig hart und
zaͤhe wie das Ahorn, auch gekiepert weiß wie dieſes,
und laͤſt ſich gut hobeln.
25. Wil-
[189]
- 25) Wilder Jesmin, Jasminum, iſt mittelmaͤßig
hart und zaͤhe, laͤſt ſich ſauber bearbeiten, gleichet
dem Birnholze. Der Cataloniſche Jesmin iſt mittel-
maͤßig hart, laͤßt ſich nicht gut verarbeiten und reißt ein. - 26) Nußbaum, Wallnuß, welſche Nuß, Nux
Iuglans C B. iſt ein ſchoͤnes Holz, beſonders die Wur-
zel, deren Haͤrte iſt mittelmaͤßig wie am Birnholze,
aber der Stamm iſt nicht ſo hart. Dabei iſt es zaͤhe
wie Werft und Haſelſtrauch. Es ſpielet allerley Fi-
guren und ſchattiret auch ſehr. Es laͤſt ſich ſauber be-
arbeiten, und iſt zu den Gewehrſchaͤften und zu vieler-
ley Tiſchlerarbeit das beſte Holz. Friſch riecht es
ſaͤuerlich. - 27) Rothe Bruſtbeeren, Jugubæ offic. Ziziphus
Dod. Dieſes Holz iſt dem Birkenholze gleich, an Haͤrte
mittelmaͤßig, aber etwas zaͤhe zu bearbeiten. - 28) Lerchenbaum, Lier- oder Leerbaum, Larix Dod.
iſt weich wie Rothtannen, hat auch ſolches Anſehen.
Seine Adern und Aeſte ſind hart. Es laͤßt ſich beſon-
ders uͤber Ende fohſch bearbeiten, ſonderlich das jun-
ge, deſſen Haͤrte dem Birkenholze gleichet, welches
auch keinen Geruch hat und nur in axi etwas harzig
iſt wie Larix. Der ordinaͤre Schlichthobel iſt auf
Tannen, Linden, Elſen, Lerchenbaum der beſte, aber
die feine Politur und Hirnplatten erfordern andere
Arbeit. - 29) Lorbeerbaum, Laurus latifol. Boerh. Sein
Holz iſt mittelmaͤßig hart, etwas zaͤhe, gut zu bear-
beiten, iſt dem jungen Wallnußbaumſtamm meiſtens
gleich, aber nicht die Wurzel. - 30) Leonurus fl. rubro. ſein Holz iſt mittelmaͤſ-
ſig weich und zaͤhe wie Nußbaumholz und laͤßt ſich gut
hobeln. - 31) Licium Bütneri, Hippophæ fœm. fr. flaves-
cente Lin. iſt an Haͤrte mittelmaͤßig und muͤhſam, ſau-
ber zu machen wie der Taxus.
32) Spa-
[190]
- 32) Spaniſcher Flieder, Lilac T. iſt zaͤh am weiſ-
ſen und blauen, und zwar ſehr zaͤhe. Weil ſie auch
ſehr aſtig ſind, ſo ſind ſie ſehr muͤhſam zu hobeln; ſind
ſie aber geſund und feſt, ſo kann man ſie doch queer
uͤber hobeln und ſauber machen. - 33) Citronenbaum, Limonie, Limon vulg. Fer-
rar. iſt etwas hart und zaͤhe wie die Birke am Stamm.
Es iſt ein feines Holz, hat keine grobe Adern und laͤſt
ſich gut bearbeiten, iſt etwas gelblich. - 34) Apſelholz, Malus ſativa, iſt an Haͤrte den
Weißbuͤchen gleich, aber etwas zaͤhe, es iſt nicht ſo
zaͤhe als Birnenholz aber etwas haͤrter. Doch iſt bei
allen Baumſorten zu merken, daß zwar an jungen
Baͤumen das Holz von unten bis oben wenig unter-
ſchieden ſei; an alten Baͤumen aber, die in ihrem
Wachsthum gut fortgezogen und nicht ſchadhaft ge-
worden, hat der Stamm von der Erde auf bis zu
einer guten Mannshoͤhe viel haͤrteres Holz als ſeine
Aeſte und als ein junger Baum von gleicher Art. - 35) Mispelholz, Mespilus ſat. iſt dem Birnbaum
an Haͤrte gleich, auch zaͤhe. Wenn es gerade gewach-
ſen und trocken iſt, ſo laͤſt es ſich gut verarbeiten; iſt
es aber krumm und maſerig, ſo iſt es ſchwer ſauber
zu machen. - 36) Weiße Maulbeere, Morus fr. albo C B. ihr
Holz iſt weich und zaͤhe, an Haͤrte dem Birnholze
gleich. Es laͤßt ſich nicht gut ſauber hobeln, weil es
auf der Mitternachtsſeite bis zur Haͤlfte pellet und
einreißt; die Mittagsſeite iſt aber haͤrter. - 37) Schwarze Maulbeere, Morus fr. nigro C B.
Ihr Holz iſt haͤrter als das vorige, ſo daß ſeine Mit-
ternachtſeite der Mittagsſeite des weiſſen Maulbeer-
baums gleich iſt. Es iſt auch zaͤhe, pellet aber nicht
ſo leicht als das vorige. Es gleichet meiſtens dem
Nußbaumholze.
38) Myr-
[191]
- 38) Myrtenbaum, Myrtus latifol. Romana C B.
iſt weich und zaͤhe wie das junge Nußbaumholz und
laͤſt ſich gut bearbeiten. - 39) Oleander, Nerium J B. iſt mittelmaͤßig hart
wie zaͤhes Birken, hat feine Adern und keinen Ge-
ruch. Was wimmerig und hoͤckerig iſt, laͤſt ſich muͤh-
ſam ſauber machen. - 40) Schneebaͤlle, Schwelken, Opulus fl. globoſo
T. iſt weich wie Birken, laͤſt ſich gut bearbeiten, hat
aber einen Peddick in axe, der doch kleiner iſt als in
Flieder. - 41) Pfirſichbaum, Perſica Cæſalp. iſt weich und
milde, gleichet meiſtens dem Lebensbaum. - 42) Weiſſe Pappel, Populus alba Dod. iſt weich
wie die Weide und ſchwarze Pappel. Dieſe drey
Hoͤlzer ſind von gleicher Natur und Haͤrte, ſie laſſen
ſich nicht gut ſchneiden und ſpalten. Ihr gerades
Holz laͤſt ſich wohl grob hobeln; wo aber der geringſte
Wimmer oder Aſt iſt, da iſt es muͤhſam mit dem fei-
nen Hobel ſauber zu machen. - 43) Virginiſche ſchwarze Pappel, Populus nigra
Virgin. iſt weich und pellet, denn unter dem Hobel
ſetzen ſich kleine Faden, die auf dem Holze Streifen
machen, darum iſt es ſchwer ſauber zu machen. - 44) Tuͤrkiſche Espe, Populus tremula Turcica, iſt
der Pappel gleich. - 45) Pflaumenbaum, Prunus ſativa, iſt nicht ſo zaͤ-
he als Birken und laͤſt ſich gar nicht zwingen oder
beugen. Es muß langſam getrocknet werden und
nicht in freier Luft liegen bleiben, weil es ſonſt auf-
reißt. Es hat oft faule Stellen. Es iſt ſo hart als
Weißbuͤchen. Von den Tiſchlern wird es haͤufig zu
Maaßſtoͤcke, Elen, Spiegelraͤhme und fournirter Ar-
beit gebraucht. - 46) Schlehpflaume, Prunus ſat. fr. rotundo.
Dieſes Holz iſt hart und etwas zaͤhe, ſehr geneigt zum
Aufreiſſen und inwendig gar ſelten ohne Fehler.
Wenn
[192] Wenn es gerade gewachſen, keine Wimmer oder Aus-
ſchoͤſſe hat, ſo laͤſt es ſich ſauber bearbeiten: wenn es
aber Aeſte geworfen, oder gedrehet gewachſen, ſo iſt
die Bearbeitung bey dieſem und vielen andern Hoͤl-
zern ſchwer. - 47) Acacia Virgin. ſiliquis glabris Raji. Pſeudo-
Acacia Rivini. Das Holz ſeines Aſtes iſt weicher als
die Staͤmme der vorgedachten Acacien. Es iſt ſo
hart als Birken, ſpielet ſeidenhaft, und laͤſt ſich gut
bearbeiten. Das Herz iſt gelb geſtreift, nach auſſen
braͤunlich, das Spint aber weißlich. - 48) Granatenwurzel, Punica Lin. iſt hart, zaͤhe,
und laͤßt ſich gut bearbeiten. - 49) Birnenholz, Pyrus ſativa, iſt etwas weicher
und zaͤher als Apfelholz, drum iſt es gut zum Stechen,
beſonders zu Formen fuͤr die Zeug und Tapetendrucker
und zu Krispelhoͤlzer fuͤr die Lohgerber. Auch iſt es
das beſte Holz zu ſchwarz gebeizter ſournirter Tiſchler-
arbeit, denn wenn es ſauber bearbeitet und ſchwarz
gebeizt iſt, ſo iſt es vom l. Ebeno nigro nicht zu unter-
ſcheiden. - 50) Ahlbeſien, Gichtbaum, Ribes nigra Lobel.
iſt ſo zaͤhe und mittelmaͤßig hart als Birken, weißlich
und ſo dicht voll Flaͤmmchens als Rothbuͤchen, ſeine
Narben aber ſind uͤberaus fein. - 51) Rothe und weiſſe Johannisbeeren, Ribeſium
fr. rubro Dod. Ihr Holz iſt an Haͤrte und Arbeit ein-
ander gleich, mittelmaͤßig hart wie Birkenholz, doch
etwas feiner und zaͤher, laͤſt ſich gut bearbeiten und
hat eine duͤnne Rinde. - 52) Rothe Centifolie, Roſa purpurea CB. iſt weich,
milde, laͤſt ſich gut hobeln wie Birken. - 53) Gelbe Roſe, Roſa lutea C B. iſt mittelmaͤſ-
ſig hart und zaͤhe, laͤßt ſich gut bearbeiten und glei-
chet dem Nußbaumholze.
54) Him-
[193]
- 54) Himbeer, Hindbeerholz Rubus idæus Dod.
iſt weich und etwas zaͤhe wie die Bindweide, und
laͤßt ſich mittelmaͤßig arbeiten. - 55) Gartenrautenholz, Ruta ſativa J. B. iſt weich
und etwas zaͤhe wie der Birkenzopf und laͤßt ſich nicht
gar gut bearbeiten. - 56) Sadebaum, Sageboom, Sevenbaum, Sa-
bina officin Juniperus fol. inferne ad natis, oppoſi-
tionibus concatenatis Lin. Iſt ſo weich und zaͤhe als
Wachholder, auch ſo wild, weil es pellet und viel
Aeſte hat; iſt ſehr leicht, hat keine Narben, und
dauert wohl etwas beſſer als Linden. Die Adern ſind
mittelmaͤßig fein. Das Spint iſt weiß wie am Wach-
holder. Das Herz faͤllt meiſtens ins blaſſe Purpur,
wie es zuweilen am Taxo ſtaͤrker und wohl gar ins
violette faͤllt, da Taxus ſonſt gewoͤhnlich ein hellgelb-
lichbraunes Herz hat wie Juniperus. - 57) Salbei, Salvia latifolia Rivini, iſt zaͤhe wie
Birken, und laͤßt ſich gut hobeln. - 58) Flieder, Holder, Holunder, Sambucus vulg.
J. B. iſt etwas hart und zaͤhe wie das allerhaͤrteſte Bir-
ken am Stamm, iſt ein dichtes und feines Holz.
Weil es aber vielen Saft haͤlt und deshalb ſehr auf-
reißt, auch einen Peddick oder weichen Mark hat, ſo
wird es nicht haͤufig verarbeitet. Was daran gleiches
geſchlacht und etwas gelbes Holz iſt, das iſt gut zu Li-
neale, Fiſcherknuͤtnadeln, Schuſterpflocke und Woll-
karrnzollen, (d. i. das Holz der Wollkarren, darin
die Spille laͤuft) weil ein anderes Holz vom geſchwin-
den Herumlaufen der Spille leicht brennen wuͤrde. - 59) Balſambaum, Tacamahaca, Tecoma haca
Hernand. ex horto Rheinsberg. iſt jung, ſein Holz iſt
weich und zaͤhe, pellet nicht, laͤßt ſich mittelmaͤßig
bearbeiten, iſt dem Werftenholze gleich.
N60) Le-
[194]
- 60) Lebensbaum, Thuya Theophraſti CB. Arbor
vitæ Clus. iſt das mildeſte unter allen Hoͤlzern, iſt
nemlich das beſte Holz zur leichten Bearbeitung, fuͤr
den Tiſchler, es iſt auch leicht am Gewichte, riecht
Anfangs widrig, iſt nur ſo zaͤhe als Kienenholz und
ſo weich als die Weide. Sein Anſehen, Adern und
Aeſte gleichen dem Wachholder. Das Herz ſpielet
wie Kienenholz, an deſſen Mitternachtſeite iſt es fein-
adrig, ſeine Mittagsſeite aber hat etwas groͤbere
Adern. Wie denn die Mitternachtſeite aller Baͤume
muͤrber oder weicher, feinaderichter und an dicken
Staͤmmen auch von merklich leichterem Gewichte iſt,
als die Mittagsſeite. Milde heißt ein weiches Holz.
das im Hobeln nicht ausſpringt, nicht einreißt noch
pellet, und dadurch alſo des Tiſchlers Arbeit nicht
hindert, ſich auch mit dem großen Hobel und mit der
groͤßten Geſchwindigkeit bearbeiten laͤßt ohne Wild-
heit oder Widerſpenſtigkeit, die das contrarium der
Mildigkeit iſt. - 61) Vitis quinquefolia Canadens. ſcandens T.
Edera quinque folia Canad. Cornuti, iſt ſehr weich wie
das weichſte Eichen, aber etwas zaͤhe wie Birken,
hat eine grobe dicke Rinde wie alte Eichen, dieſe iſt
inwendig am Holze herum ſehr ſchwammig. Ueber
Ende iſt es wie ſpaniſches Rohr anzuſehen. - 62) Weinſtock, Schoͤn-Edel und gruͤner Ungari-
ſcher Wein, Vitis vinifera C B. ſind an Haͤrte, Ar-
beit und Anſehen einander gleich. Die Haͤrte iſt mit-
telmaͤßig und die Zaͤhigkeit wie am Nußbaumholze.
Am Anſehen iſt es dem jungen Eichenholze gleich.
Ueber Ende betrachtet, ſieht es wie das ſpaniſche Rohr
aus; hat kleine Augen, reißt ſtark auf, deshalb man
ſelten Hirnplatten davon machen kann, es laͤßt ſich gut
bearbeiten.
III. Frem-
[195]
III. Fremde Hoͤlzer.
- 1) Agallochum ſpurium iſt ſehr hart, nehmlich
dem l. Ebeno nigro an Haͤrte gleich, aber auch etwas
oͤlig. - 2) Aloeholz, Paradiesholz, Aloes lignum offi-
cinar. iſt ſehr verſchieden, obgleich alle etwas oͤlig.
Denn einiges iſt dabey weich, etwas zaͤhe wie Bir-
kenholz, iſt dem Corinthenholze gleich und laͤßt ſich gut
bearbeiten. Anderes iſt mittelmaͤßig hart wie Nuß-
baumholz, laͤßt ſich aber wegen der Oeligkeit doch
nicht gut ſauber machen. Noch anderes iſt ſehr hart,
dem Guajaco gleich, und laͤßt ſich mittelmaͤßig bear-
beiten. Noch anderes iſt an Farbe und Haͤrte dem
haͤrteſten Nußbaumholze gleich. Endlich iſt dasje-
nige, ſo das beſte ſeyn ſoll, gelblich geſprenkelt, an
Haͤrte dem l. Ebeno nigro gleich, und laͤßt ſich gut
bearbeiten. - 3) Asphaltholz, Asphalati ſ. Asphalti lign. iſt
auch verſchieden, eines iſt weich wie Birken und laͤßt
ſich gut hobeln; ein anderes aber, ſo aus Oſtindien
ſeyn ſoll, iſt ſo hart als Weißbuͤchen und laͤßt ſich auch
gut bearbeiten. - 4) Aureum lignum ex Java, iſt gepellet hellbraun,
ſehr hart und ſehr oͤlig, dem l. Guajaco gleich, laͤßt
ſich nicht gut hobeln. - 5) Benzoës lignum, laͤßt ſich gut hobeln, iſt ſehr
weich wie Saſſafras, hat auch ſolche Narben, ſpielt
ſeidenhaft ganz hellgraͤulich unter Holzfarbe, iſt ganz
fein und dicht gekiepert. - 6) Bintang-Laut von der Inſel Celebes, Bintam-
Laut. iſt nicht hart aber zaͤhe wie das weichſte Nuß-
baumholz, hat aber groͤſſere Narben und keinen Ge-
ruch, ſpielet ſeidenhaft, hat große Blumen, die zwilch-
weiſe abwechſelnd tangiret ſind. Das Herz iſt hell-
braun, das Spint weißlich braun.
N 27) Fer-
[196]
- 7) Fernebock, ſ. Fernambuc, Braſilienſe lignum,
iſt dunkelroth, das ſogenannte Rothholz iſt hellroth,
das Campeſche oder Blauholz, blau Braſilienholz,
auch gelbes ſind alle gleich, ſo hart als Koͤnigsholz oder
l. Ebenum nigrum, nicht ſo hart als Guajacum nicht
oͤlig, nicht zaͤh, ſondern ſo ſproͤde als Koͤnigs-Pflau-
men- und ſchwarz Ebenholz, ſie riechen ſuͤß, ihre Haͤr-
te hindert das Einreißen. Was daran gleich oder ge-
rade gewachſen iſt, iſt wohl muͤhſam, aber ſonſt nicht
widerſpenſtig im Hobeln, die Maſer hingegen iſt wild.
Die Faͤrber brauchen es. - 8) Des Calambacs dritte und theuerſte Sorte,
Calambac, iſt ſo weich, als Birkenholz, ſchwer am
Gewichte, ſehr oͤlig, ſo daß der Tiſchler, der es glatt
hobeln ſollte, ein wenig Teig anſtatt der Hobelſpaͤhne
bekam und ſagte, es naͤhme keine Politur an, weil es
zu oͤlig ſey. Er riecht auch noch nach 10 Jahren bal-
ſamiſch. Er hat meiſtens das Anſehen des Eichen-
Kinſters. Im gekieperten, gelblichen und braͤunlichen
laufen ſeine lange, dunkele, doch feine longitudinelle
Narben oder Furchen parallel und ſehr deutlich, da-
bei hat er Blumen oder große dunkele Stellen. Die
Chineſen zerreiben ihn auf einem Steine mit Waſſer,
und trinken dieſes als ein beſonderes Confortans.
Auf gluͤhende Kohlen geworfen riecht er herrlich. Zu
Batavia Jnd. or. wird er gegen gleiches Gewicht Goldes
verkauft, nach Europa wird er nicht verfuͤhret. - 9) Camœnny-hout von Java maj. Cammonia,
iſt ſchwer, feſt und grieſelich ſ. paille mit aſchgrau ge-
daͤmpft, hat keinen Geruch, keine Narben, feine
Adern. Seine Haͤrte iſt dem Koͤnigsholze gleich.
Es wird wohl ſauber, laͤßt ſich aber doch nicht ſo gut
bearbeiten, als das Koͤnigsholz. - 10) Canary-Holz waͤchſt auf Java maj. gleichet
an Anſehen, Farbe, Haͤrte und geringer Schwere
dem
[197] dem Saſſafraſs, hat große Narben wie feine Furchen,
aber keinen Geruch, und laͤßt ſich gut hobeln. - 11) Carobaccinum lignum, Carabaccium lig-
num iſt Zimmtfarben, mittelmaͤßig weich, aber zaͤhe
wie das Nußbaumholz, laͤßt ſich gut hobeln. - 12) Catiate-Holz, Catiate iſt braunroth geſtreift,
ſproͤde und ſehr hart, ſo hart als der haͤrteſte Fernebuck-
maſer. Es laͤßt ſich gar nicht ſauber hobeln, auſſer
queer uͤber mit dem eiſernen Hobel. Es laͤßt ſich wohl
gut ſpalten, aber nicht gerade. Will man es mit dem
Schnitzer oder Meſſer ſchneiden, ſo iſt es mehr zum
Reiſſen als Schneiden geneigt. - 13) Cayaate-Holz ex Java maj. iſt ſo weich als
das weichſte Birkenholz, aber nicht ſo zaͤhe. Das
Herz iſt doch haͤrter, als was nach der Peripherie hin
ſitzt. Es laͤßt ſich gut bearbeiten, hat große Narben,
iſt blaß zimmtfarben. - 14) Cayoe-Lacka-Holz, Cayoe-Lacka, von der
Inſel Gilolo, iſt ziemlich hart und ſproͤde, nemlich
wie das Pflaumenbaumholz, hat Narben wie Nuß-
baumholz, einen widrigen Geruch wie Gurken, iſt
etwas oͤlig, roth wie Fernebuck, aber nicht ſo hart,
ſpielet dunkel und hell in inegalen longitudinellen
Streifen. - 15) Cedrus das gewoͤnlichſte Cedernholz der Tiſch-
ler, iſt ſo weich als das haͤrteſte Birkenholz vom
Stamm, auch eben ſo zaͤhe, milde und leicht am Ge-
wichte, als dieſes. Es ſpielt faſt zimmtbraun mit
purpurrothen Streifen. Seine Adern ſind mittelmaͤſ-
ſig fein, doch verſchieden, wie am Kienenholze. Es
riecht ſuͤß, kommt wohl von Nord-America, denn was
ich ſub tit. Cedern aus Malaga bekommen und aus
Sud-Amerika iſt, iſt wie das Surinaams Cedar-hout
deutlich gekiepert, ſchoͤn, ſeidenhaft, hellgelblichbraun,
aber nicht ſo gut zu bearbeiten, als das vorige ge-
braͤuchliche. Die ſogenannte Ceder ex Libano, ſo
N 3uͤber
[198] uͤber England kam, iſt JuniperusVirgin. \& Barbad. Raji
oder die Verginiſche Ceder, hat den Cedergeruch, iſt
an Anſehen, Adern und Farbe der Sabinæ gleich, iſt
ſehr weich wie Thuya oder das weichſte Cedern, laͤßt
ſich gut bearbeiten, doch nicht ſo gut als Thuya. NB.
der Baum war noch jung. - 16) Coffée Holz, ſo jung iſt, iſt weich und fein
wie Thuya und laͤßt ſich gut hobeln. - 17) Schlangenholz, Colubrinum lignum, iſt mit-
telmaͤßig weich, laͤßt ſich gut hobeln, und iſt etwas zaͤ-
he wie Nußbaumholz. - 18) Conatepie-Holz iſt uͤber die maaßen hart, et-
was oͤlig, laͤßt ſich nicht gut bearbeiten, ſieht aus
wie Braunholz, hat aber ſchwarzbraune Adern und
Augen wie Nußbaumholz. - 19) Fiſet, Cotinus T. Fuſtel, Fuſtet, hat egal laufende
Adern wie Kienenholz, iſt ſo weich, ſproͤde und mil-
de als muͤrbes oder weiches Eichenholz, pellet alſo
nicht, und laͤßt ſich gut bearbeiten. Die Faͤrber brau-
chen es, die Tiſchler brauchen es auch gern zu Zuͤge
oder Schlungwerk, nemlich Frieſe, ſo nebſt den Lei-
ſten laufen, und die Fuͤllung an den Thuͤren der
Schraͤnke umgeben, denn zu Vorſtellung der Blu-
men ꝛc. iſt es zu grobaderig. Sproͤde oder Gelſtern iſt
einerley, und iſt zwar das contrarium vom zaͤhen,
doch kann es dabey milde ſeyn und nicht ansſpringen. - 20) Corinthen-Holz, junges, iſt weich, etwas
zaͤhe, wie Birkenholz, und laͤßt ſich gut hobeln. - 21) Schwarzes Ebenholz, Ebenum nigrum, von
der moluckiſchen Inſel Batyany, uͤbertrift an Haͤrte
die allermeiſten Hoͤlzer, und iſt hierin dem l. Guajaco
gleich, iſt ſehr ſchwer und inwendig zaͤhe, es wird
wohl ſauber aber mit Muͤhe, ſonderlich die Hirnplat-
ten. Es iſt ſchwarz mit wenig grau und braunroth
verlohren oder gelinde geſtreift, ſo ich am Guineſi-
ſchen uͤber England kommenden nicht ſo finde, als
wel-
[199] welches auch dem Koͤnigsholze an Haͤrte und Arbeit
gleich iſt. - 22) Eiſenholz von Paulus-yland in de Straat
Batjaar in Oſtindien iſt ſo hart als das haͤrteſte Succa-
dana oder Zuckertannenholz, hat auch ſolche Narben,
aber keinen Geruch. Einige ganz duͤnne Narben
ſind weiß. Es iſt auch zaͤhe und ſchwer, hell coffee-
braun, voll ſchmaler ganz dunkeler Streifen; da hin-
gegen das uͤber England kommende Eiſenholz weit hel-
ler, nehmlich hellzimmtbraun und hin und wieder
mit breiten longitudinellen Binden von vielen dun-
kelbraunen, obgleich unterbrochenen, doch weit
dickern und deutlichern Streifen als das moluckiſche
beſetzt iſt. - 23) Gelbholz der Materialiſten wird in Buͤchern
mit dem Fuſtel verwechſelt, aber nicht vom Pomet,
der Hiſt, des Drogues 1735. T. I. p. 135 ſagt, es kom-
me uͤber England und Holland. Es kommt in gan-
zen Stuͤcken ſo wohl als geraſpelt zum Gelbfaͤrben, iſt
ſproͤder als Fuſtel oder Cotinus, welches paille faͤrbt.
Es iſt an mittelmaͤßiger Zaͤhigkeit, Haͤrte und Narben
dem Zuckertannen gleich. Es ſpielet ſeidenhaft Zitro-
nen- und ſchwefelgelb durcheinander, ſo das Fuſtel
nicht thut. - 24) Franzoſenholz, Guajacum lignum, iſt unter
allen Hoͤlzern das haͤrteſte, ſehr oͤlig, widerſpenſtig
und hat harte Adern. Die Traverſieren davon ſollen
den ſchoͤnſten Ton geben. - 25) Japonicum lignum iſt ſeidenhaft, dunkel,
brandgelb, oder Dunkelfeuerfarben; an Haͤrte aber
Geruch und Geſchmack iſt es dem Fernebuck gleich,
jedoch faͤrbet es nicht, wie es denn der Tiſchler vor
alt abgeſtandenes Fernebuck haͤlt. - 26) Koͤnigsholz iſt ſo hart als Zuckertannen, auch
an Anſehen wenig unterſchieden, denn beyde ſind voll
dunkeler longitudineller Streifen, die doch im Koͤ-
N 4nigs-
[200] nigsholze ſtaͤrker abſetzen, ſonſt aber faͤllt Zuckertan-
nen mehr ins caſtanienbraun, das Koͤnigsholz aber
mehr in blaßcarmoiſin. Dieſes iſt nicht ſo hart als
Oliven, aber ſeine dunkele Adern haben mit der uͤbri-
gen Subſtanz gleiche Haͤrte. Es laͤßt ſich ſauber ho-
beln und bearbeiten wie Zuckertannen, welches aber
ſtaͤrker und ſuͤſſer riecht, und eben ſolche Narben hat
wie Nußbaum, die im Koͤnisholze nicht ſo deutlich
ſind. Man hat auch eine Art Koͤnigsholz von ſtaͤrke-
rer Carmoiſinfarbe gewoͤlkt und wenigere dunkele
Streifen, das fein gekiepert iſt. Die Franzoſen nen-
nen das Koͤnigsholz Bois violet. - 27) Maſtixholz, Lentisci lignum, iſt mittel-
maͤßig hart, und zaͤhe wie Nußbaum und laͤßt ſich
ſauber hobeln; einiges iſt weiß, anderes fahl Zimmt-
gelblich braͤunlich, ein drittes hell und dunkeler, zimmt-
roͤthlich dicht geſtreift. - 28) Lingo-Holz von der moluckiſchen Inſel Bœrœ,
iſt weich und leicht, hat große Narben wie das aller-
muͤrbeſte Eichenholz, iſt nicht zaͤhe, laͤßt ſich gut be-
arbeiten, iſt ſeidenhaft, nach auſſen hin feuerroth,
aber nach axin des Stammes hin ſehr blaß, wie etwan
Pfirſichbluͤte oder recht alter Creuzdorn. Rumph hin-
ter Valentini deutſchen Muſeo muſeor. P. I. p. 46.
ſchreibt aus Amboina: Von den hier herum wach-
ſenden einen blutrothen Saft gebenden Baͤumen ken-
ne ich nur den Lingoo-Baum, im Maleitſchen An-
cana genannt, deſſen lichtrothen Saft man austrock-
nen und zu einem Gummi, das ganz klar wie Gummi
ausſieht, bringen kann. - 29) Witte Lingo-Holz von der Inſel Gilolo, hat
das Anſehen des weiſſen Sandels, iſt doch etwas
braͤunlicher, ja ſo feſt oder hart als das allerhaͤrteſte
Weißbuͤchen im Stamm iſt. Drum ſind die Hirn-
platten muͤhſam zu machen. Was daran gerade Holz
iſt, laͤßt ſich gut und ſauber bearbeiten. Es ſpielt
nicht
[201] nicht ſeidenhaft, hat keine Narben, und hat eine duͤn-
ne Rinde wie der Apfelbaum. - 30) Mahagen iſt ſchoͤn hellbraun, fein gekiepert,
mittelmaͤßig hart wie Nußbaumholz, hat auch ſolche
Narben, laͤßt ſich ſauber hobeln. - 31) Grießholz, Nephriticum lignum, das wah-
re iſt blaßgelbbraun, ſehr hart auch dem l. Ebeno ni-
gro gleich, laͤßt ſich nicht gut bearbeiten. Aber ein
anderes von gleicher Haͤrte und Bearbeitung iſt dun-
kelbraun, und hat das Anſehen des beſten Nußbaum-
frießholzes, laͤßt ſich aber nicht ſo gut bearbeiten, denn
es iſt ſo hart und zaͤhe wie Weißbuͤchen. Das l. Ne-
phriticum ſpurium rubrum iſt auch eben ſo hart als
l. Ebenum nigrum, laͤßt ſich gut hobeln, iſt fahl car-
moiſin braun geſtreift. - 32) Ambraholz, Neroli lignum, iſt holzfarben
oder blaßbraun, mittelmaͤßig weich, wie Birkenholz,
etwas zaͤhe, von feinen Adern, etwas oͤlig, hat einen
ſtarken Geruch, an Bois de Jasmin? davon Geoffroy
T. II. pg. 242. ſagt, es komme vom Nerio arboreo
altisſimo, fol. anguſto fl. albo, welchen Sloane Voy-
age to Jamaica Vol. II. p. 62. the wild Jesmintree
nennet. - 33) Olivenholz, Olea ſativa CB. iſt etwas wei-
cher als Guajacum, hat auch harte Adern, die aber
nicht ſo grob ſind als in dieſen. Es iſt auch etwas
oͤlig [und] muͤhſam zu bearbeiten. - 34) Pareirae bravæ radix, dieſe Wurzel iſt weich
und laͤßt ſich recht ausgetrocknet, gut bearbeiten, ſieht
ſchoͤn marmorirt olivenfarbe aus. - 35) Spaniſches Roſenholz, Rhodium lignum,
iſt weich und milde, laͤßt ſich gut hobeln, iſt an Haͤrte
der Elſe gleich, iſt aber oͤlig und riecht angenehm, wie
Roſenwaſſer. Ein anderes iſt etwas zaͤhe, gleicht in
der Arbeit dem Pflaumenholze, und laͤßt ſich nicht
recht gut bearbeiten,
N 536) Sal-
[202]
- 36) Salmonie lign. moluccan. Dieſes Holz kommt
von den moluckiſchen Inſeln Sullabesſy, und hat mit
dem Europaͤiſchen Nußbaumholze gleiche Eigenſchaf-
ten und gleiches Anſehen, ſonderlich wie das beſte
aus Frankreich, es iſt wie dieſes mittelmaͤßig hart,
dabei zaͤhe, hat eben ſolche Farbe, Narben und dun-
kelbraune Streifen und laͤßt ſich in allen Stuͤcken ſo
bearbeiten. Daher haͤlt es der Tiſchler auch fuͤr frem-
des Nußbaumholz und ſagt dabei, es ſey das begaͤng-
ſte Holz fuͤr die Tiſchler und Buͤchſenſchaͤfter, weil es
ſich ſauber hobeln, ſtechen und ſchneiden laͤßt. Soll-
te aber wohl patria Juglandis noſtratis gar der ulti-
mus Oriens ſeyn? Ich habe meinen Indiſchen
Freund ſchon gefragt, ob er ſich etwan geirret. - 37) Zuckertannenholz, Succadana, riecht ſuͤß, iſt
hart, etwas zaͤhe. Einiges hat ein dem Nußbaumholze
aͤhnliches Anſehen, hat auch ſolche Narben, iſt aber
haͤrter. Einiges iſt dem Koͤnigsholze meiſtens gleich,
auſſer daß das Koͤnigsholz ins blaße Carmoiſin faͤllt,
keine Narben hat, und etwas haͤrter iſt, Zuckertan-
nen faͤllt auch mehr ins Caſtanienbraun. Dieſe zwey
Hoͤlzer werden von den Tiſchlern ſtark geliebt, weil
beyde hell und dunkelgeſtreift ſind und ſich ſauber ar-
beiten laſſen. Succadana iſt ein Land der Inſel Borneo. - 38) Tamarindenholz, Tamarindus Raji von Java
maj. ſpielet ſeidenhaft, gelblich, weißlicht und an vie-
len Stellen in longitudinellen Binden, etwas roth-
ſteinroͤthlich. Es iſt hart und etwas zaͤhe wie Apfel-
holz, hat kleine Narben wie Nußbaumholz, iſt aber
muͤhſam zu bearbeiten, denn es iſt wimmerig und in
½ breiten Strichen zwilchweiſe gewachſen. Es wird
in Oſtindien kaum zur Feuerung genutzt. - 39) Terpentinholz, Terebinthus Dod. iſt hart
wie Weißbuͤchen, weißbraͤunlich voll fuchsrother
[Queerſtriche] oder ganz duͤnner [Queerſpiegel], hat feine
Adern, laͤßt ſich gut hobeln.
40) Wor-
[203]
- 40) Wortel-hout aus der moluckiſchen Inſel Oebis
major, Wortelhout moluccanum, iſt eine kleine, feine
gelblich-zimmtbraune Maſer, leicht und milde wie
Linden-Maſer, gut zu bearbeiten, riecht etwas ſuͤß. Iſt
eine bis 3 Fuß dicke Wurzel, wird zu Batavia zu fei-
ne Kaͤſtchens ꝛc. verbraucht. - 41) Zuckerkiſtenholz. Das Gelbe iſt ſeidenhaft,
ſehr hart, wie Koͤnigsholz, riecht nicht, laͤßt ſich ſau-
ber bearbeiten, weil es ſproͤde iſt und nicht aufreißt, iſt
voll Narben wie Nußbaum und Eichen. Das
Braͤunere iſt weicher, nehmlich wie Zuckertannen, iſt
nicht ſo ſproͤde als das Gelbe und laͤßt ſich nicht ſo
gut bearbeiten, weil es gern reißt.
Von
[[204]]
Von den
Krankheiten des Schaafviehes.
Wann man wiſſen will, ob ein Schaaf oder Ham-
mel geſund ſey, ſo darf man ihnen die Augen nur
recht aufſperren, und auf das Weiſe ſehen, ſind ſehr
viele ſchoͤne rothe Adern in dem Weiſen, ſo ſind die
Schaafe geſund, auſſerdem aber nicht.
Des Winters uͤber ſoll man die Schaafe, wo die
Staͤlle in Haͤuſern ſind, vor einer warmen, dumpfi-
gen und dicken Luft in acht nehmen, denn wenn ſelbi-
ges nicht geſchiehet, ſo ſterben ſie bald.
Eine gute Diaͤt, das iſt, die Schaafe recht zu
pflegen und ſie davor recht zu bewahren was ihrer Na-
tur entgegen iſt, wird vornehmlich erfordert.
Das Aderlaſſen bey den Schaafen iſt eines der
ſicherſten Mittel, die Unordnung des Blutes zu be-
ſtimmen, und es wieder auf den rechten natuͤrlichen
Weg zu bringen, es muß unter den Augen und der
Zunge geſchehen.
1) Die Schaafpocken oder Blattern iſt eine der
gewoͤhnlichſten aber auch gefaͤhrlichſten Krankheiten,
welches dieſes Vieh auszuſtehen hat.
Das Kennzeichen, daß ein Schaaf damit ange-
ſteckt ſey, iſt dieſes: man bemerket an den thraͤnenden
Au-
[205] Augen die inwendige Hitze, darauf folget der Aus-
ſchlag an denen Naſenloͤchern, ingleichen wenn es an-
faͤngt auf den Hinterfußen zu hinken, weil die Pocken
zuerſt an den Saamentheilen, ſo wie auch zwiſchen
den Vorderfuͤßen und wo ſie von der Wolle entbloͤßet
ſind, ſich zuerſt zeigen. Wenn man darnach ſuchet,
ſo finden ſich zwiſchen dem Felle gleichſam kleine Kuͤ-
gelchen, wie auch auſſen auf dem Felle dunkele Fle-
cken, woraus hernach die Pocken werden.
Alle angeſteckte Schaafe muͤſſen von den geſunden
abgeſondert in ein beſonderes Staͤllchen eingeſchloſſen
werden und zwar enge, worin der Boden mit reinem
Stroh beſtreuet werden muß, ſie muͤſſen ganz dichte
ſtehen, alle Loͤcher und Lucken gut verſtopfet werden,
daß keine kalte Luft zu ihnen hineindringen kan. Dar-
auf gibt man ihnen ein in Theer getunktes Stuͤck
Brod ein; in dieſem Raum muͤſſen ſie 5 bis 6 Stun-
den ſtehen, wenn die Hitze und Dunſt nicht gar zu
groß wird, da ſie denn ſchwitzen. Wenn dieſes vor-
bey, ſo oͤfnet man die Lucken, damit ſie nicht erſticken.
Nach dieſem werden die Adern mit einem Stilet
geoͤfnet, dann giebet man ihnen nach Verlauf von drey
Stunden reines und duͤrres Futter, nebſt lauligtem
Waſſer zu ſaufen ſo viel ſie wollen.
Wenn die Augen und Naſenloͤcher mit den Pocken
angegriffen ſind, ſo ſchmieret man ſuͤße Milch darauf,
giebt ihnen weiches Brod und Trank von Gerſtenmehl,
damit der Hals nicht zuſammen wachſe.
Die noch geſunden Schaafe ſperret man im Schaaf-
ſtall ein, verſtopfet alle Loͤcher, giebt ihnen ebenfalls
Brod und Theer, damit ſie ſchwitzen; darauf oͤfnet
man ihnen mit dem Stilet die Ader, viſititet darauf,
ob Kranke darunter ſind, und welche man findet, die
werden wie obige traktiret, die andern aber wieder auf
die Weide gethan.
Waͤh-
[206]
Waͤhrend der Krankheit beraͤuchert man die Schaa-
ſe, nemlich man legt wollene Laͤppchens, etwas Pfer-
dehaare auf gluͤhende Kohlen und raͤuchert damit den
Stall, worinnen die Schaafe ſtehen, wodurch die
Luft gereiniget wird.
Wenn die Schaafe an den Pocken krank, ſo iſt
ihr Blut hitzig, deshalben das Aderlaſſen vorgenom-
men werden muß. Je kraͤnker das Vieh iſt, deſto
ſtaͤrker laͤuft ihr Blut, und wenn es genung iſt, hoͤret
es von ſelbſt auf. Die Aderlaͤſſe geſchehen an beiden
Adern des Kopfes laͤngſt herunter nach dem Gaumen-
bein, das ſonſt os palali genennet wird, und ſich gegen
den Mund zuruͤck in einen Aſt beugen, der mit den
Kinnbacken hinauf an den Hals gebet. Gleich oben
vor der Stelle wo die Adern ſich zuruͤcke biegen, ge-
ſchiehet die Inciſion, mit dem Stilet, wo man queer
durch den Kopf unter dem Gaumenbein faͤhret, alſo
daß man auf einmahl die zur rechten und zur linken
liegende Adern oͤfnet, da dann das Blut durch die
Naſenloͤcher und nicht durch die Oefnung laͤuft.
Man kann zwar die Adern an den Schaafen nicht
ſehen, es kommt aber nur auf die Uebung an ſie
mit den Fingern zu ſuchen, und den duͤnneſten Knor-
pel auszuforſchen, der mit dem Stilet ſoll durch ge-
ſtoſſen werden: doch muß ſolches ein Lehrling anfangs
an einem ſolchen Schaafe verſuchen das geſchlachtet
werden ſoll, bis er geuͤbt iſt den Stich geſchwind und
hurtig zu verrichten.
1) Ein Schaͤfer muß zwey bis drey ſolche Stilette
haben, das Inſtrument darf nicht uͤber Zwerg gefuͤh-
ret werden, daß es die Adern nicht abſchneide.
2) Die Ringſucht iſt eine Krankheit, da ſich
Feuchtigkeit in dem Gehirne ſetzet, ſo daß die Schaafe
den Kopf haͤngen, immer herunter gehen, als ob ſie
dummlich waͤren, bis ſie crepiren, hierzu iſt nichts als
Aderlaſſen dienlich.
3) Wenn
[207]
3) Wenn die Laͤmmec oft nur vier Tage alt ſind,
bekommen ſie den Durchfall. Da muß der Mutter
die Milch durch Heu und Grummet gebeſſert werden.
4) Saͤuglaͤmmer bekommen gruͤndige Maͤuler,
welche mit Honig und Eyerdotter zu ſchmieren und zu
helfen ſind.
5) Imgleichen das Gliederwaſſer, dieſes iſt ein
dickes Knie, und ſetzet in den Gelenken ein gelb Waſ-
ſer: da muß das Lamm geſchlachtet und das Bein
weggeworfen werden.
6) Wenn Schaafe boͤſe Eiter bekommen, muß
man ſie fleißig ausdruͤcken und mit Honig ſchmieren.
7) Die Schaafe bekommen manchmal zwiſchen den
Klauen Wuͤrmer, werden wund und lahm, da muß
man Theer oder aus den alten Knieſtuͤcken geſchelten
Wagenſchmier hineinſchmieren, ſo heilet es bald,
und das Schaaf hinkt nicht mehr.
8) Winterszeit werden bisweilen Schaafe blind, da
muß man zartgeſchabten Schieferſtein und Eyerſchaa-
len in die Augen blaßen, hilft es nicht, ſo muß das
Schaaf geſchlachtet werden.
9) Die Hammel bekommen zuweilen Nabelge-
ſchwuͤre; wann Nachſicht und ſchmieren mit Oel
oder Fett nichts hilft, muß man zum Schlach-
ten eilen.
10) Die Raͤude iſt eine ſo gemeine als gefaͤhrliche
und anſteckende Krankheit der Schaafe, das eine iſt
die Sommer, das andere die Herbſtraͤude, das Kenn-
zeichen iſt, daß ſie mit den Fuͤßen an den Ort kratzen,
oder ſich reiben; da darf man nur dicken Sirup, ſo
aus Tobacksrippen gekocht mit Theer darauf ſtreichen,
ſo iſt es gut. Es giebt eine trockne und naſſe Raͤude.
Gute Auswinterung und fleißige Aufſicht in der
Sommerweide bewahren die Schaafe vor vielen
Krankheiten. Bey allen dem darf man aufs Hundert
des Jahrs vier Stuͤck Abgang rechnen.
Deß-
[208]
Deßhalben laͤſſet man gern den Schaͤfern und ih-
ren Knechten ihr Antheil an Schaafen unter der Heer-
de, damit ſie dieſe um der ihrigen willen, deſto beſſer
in acht nehmen, und das iſt die Urſach, warum man-
che Schaͤfereien der Lohnſchaͤfer ihren vorgezogen wer-
den wollen, weil um des gemeinſchaftlichen Viehes
willen, die ganze Heerde beſſer in acht genommen
wird.
So bald ſich ein oder mehrere Stuͤcke krank erzei-
gen, ſoll der Schaͤfer es anzeigen, das Kranke in ei-
nen beſondern kleinen Stall gethan, viſitiret und nach
Befinden curiret werden. Geuͤbte Schaͤfer, wenn
ſie die Raͤude an ihrer Heerde merken, machen das
Vieh auf einer fetten Weide geſchwind fett, verkaufen
es hernach an die Fleiſcher etwas wohlfeiler, und dieſe
machen ſich kein Gewiſſen, dergleichen Fleiſch zu ver-
kaufen, da es niemand weiß.
Wenn denen Schaafen Salpeterſalz in Waſſer
gemiſcht und ſolches ihnen zu trinken gegeben wird,
ſoll es die Egeln, oder Egelſchnecken, wenn derglei-
chen im Leibe ſind, toͤdten, und die Schaafe curiren.
Es ſoll dieſes Mittel ſehr bewaͤhrt ſeyn.
11) Schaaflaͤuſe werden vertrieben, wenn man
Toback und deſſen Rippen kocht und die Schaafe da-
mit waͤſchet, Peterſilienſaamen in die Wolle geſtreuet
vertreibet ſie auch.
Doch iſt von der Raͤude noch zu gedenken, daß,
weil ſelbige anſtecket, ein Schaͤfer, deſſen Heerde da-
mit angeſteckt iſt, ſich der benachbarten Koppelweide
enthalten und keinen Anlaß geben muß, ihn daruͤber
zu verklagen, deshalben haͤlt man die Gemeinden, de-
ren Schaafvieh dergeſtalt inficiret iſt, von Obrigkeits
wegen an, ihre raͤudige Schaafe weg zu thun. Es
giebt aber Schaͤfer, welche eine gewiſſe Salbe ha-
ben wollen, womit ſie eine ganze raͤudige Heerde
Schaafe
[209] Schaafe wieder kuriren koͤnnen, daß ſie ſo rein wie zuvor
werden, ſie halten es aber geheim.
Boshafte Schaͤfer knechte, wenn ſie ihren Herren
einen Poſſen thun wollen, laſſen ein dergleichen rau-
diges Schaaf von weitem herkommen, zeigen ihnen ſol-
ches, machen dadurch die ganze Heerde verdaͤchtig, daß
ſie ſie wohlfeil verkaufen muͤſſen, wenn ſie nicht ſelbſt
genaue Aufſicht haben.
Wider die Raude, welche nach Herrn Ellis Mei-
nung daher kommt, wenn die Schaafe feuchtes, un-
reines Gras freſſen, und des Nachts auf naſſem Bo-
den liegen muͤſſen, ſoll folgendes Mittel helfen:
Huͤnermiſt 24 Stunden in Waſſer geweicht, mit
2 Pfund Tobacksrippen wohl gekocht und zugedeckt,
ſodann die raudige Oerter oͤfters damit gewaſchen;
man kann auch Alaun, Attigkraut, Gerſtenmalz und
Salpeterſalz, Vitriol und Weineſſig dazu nehmen.
Man macht auch Lauge von Strohaſche, kocht
ſie eine Stunde, thut ein paar Pfund Theer, welches
aus den Wurzeln, Stubben und Kienſtoͤcken geſchwaͤ-
let wird, item eine Metze grob Rockenmehl dazu, ruͤh-
ret es um, giebt es dem Schaͤfer in einer Buͤchſe und
laͤſſet die Schaafe damit ſchmieren. Das vornehm-
ſte ſoll ſeyn, ſie alle zuſammen einſperren und ſchwiz-
zen laſſen, drey Tage nichts zu ſaufen geben, ſondern
auf junges Gras treiben, und ſie ſo wieder kuriren
laſſen.
Einige nehmen auch nur gruͤne Hanfſtengel, zie-
hen ſolche den Schaafen durch das Maul, binden ſol-
che hinter den Ohren auf dem Hals zu; weil nun
die Schaafe ſolche Hanfſtengel brav zerkauen und den
Saft davon einſchlucken muͤſſen, ſo purgiren ſie da-
von, und reinigen ſich inwendig aus.
Dieſes Mittel ſoll curative und præſervative nu-
tzen. Die mit der Raude angeſteckte Schaafe, heißt
man das Schmiervieh, und die Schaͤfer Schmier-
OSchaͤ-
[210] Schaͤfer, zum Unterſchied derer, die kein raudiges
Schaaf anruͤhren, kuriren und unter ihrer Heerde
leiden.
12) Wenn im Herbſt giftige Schwaͤmme wach-
ſen, auch wenn die Wieſen mit Spinngewebe, wel-
ches ein zaͤher giftiger Schleim und den Schaafen ſehr
gefaͤhrlich iſt, bedecket ſind, welche ſehr kuͤhlen, ſo
laufen die Schaafe im Gebuͤſche ſehr darnach, und
freſſen ſich krank, da ſoll ein Schaͤfer alle Muͤhe an-
wenden, ſolches zu verhindern, auch bis die Sonne
ſolche aufgezogen hat, nicht da huͤten.
13) Der Trab iſt eine Krankheit, wann das
Schaaf an den Beinen beiſt, ſich an den Bantern
reibt, und endlich verlahmt, dergleichen Vieh ſo an-
geſtecket, muß der Schaͤfer gleich wegthun.
Das oͤftere Salzgeben iſt den Schaafen wider alle
Krankheiten eine allgemeine Arzeney, und dienet ſon-
derlich das ſogenannte Salpeterſalz, welches das Mit-
tel zwiſchen Salpeter und Kuͤchenſalz iſt, darzu. Die
Salpetergraͤber verkaufen, wann ſie duͤrfen, das
Pfund vor 4. 5 Kreuzer. Dieſes Salz wird aber
mit Kleie und gedoͤrrten Kraͤutern vermiſcht, nemlich
Wermuth, Eichen- und Erlenlaub, Lorbeer, Wach-
holderbeeren, Schaafgarben, Leinkuchen, Cammin-
ruß, alles nach Proportion.
Es ruͤhret die Krankheit auch von groben Waſſern
her, auch von Schlagen der Knechte, worauf ein fleiſ-
ſiger Schaafmeiſter ſehen ſoll.
Manchmal ſtreuen boshafte Leute lebendigen Kalk
auf die Schaafe, wenn es nun darauf regnet und der
Kalk auf die Haut koͤmmt, ſo beißt er ſelbige auf und
verurſacht gleichſam eine Raude.
Wider die Lungenfaͤulung dienet folgendes Mit-
tel: 1 Pfund Wermuth, und Lorbeermehl, 1 Pfund
ſpaniſchen Merrettig zu Pulver geſtoſſen, mit 1 Pfund
geſtoſſenen Wachholderbeeren und geſchrotenen Hafer
oder
[211] oder Kleyen, dann eine Hand voll Salpeterſalz ver-
miſcht, alle Fruͤhjahr den Schaafen in die Krippe ge-
geben. Auf hundert Stuͤck rechnet man die Haͤlfte
von beſchriebener Doſi.
Die Egelkrankheit iſt, wenn die Schaafe an Or-
ten das ſtehende Waſſer ſaufen, oder dergleichen
Gras, woran die kleinen Egelſchnecken haͤufig ſitzen,
freſſen, und dadurch ſolche Wuͤrmer und Inſekten mit
in den Leib bekommen, welche ſich ſonderlich in der
Leber und Galle aufhalten. Nach der umſtaͤndlichen
Beſchreibung des Herrn Prediger Schaͤffers in Re-
gensburgde anno 1753 ſind ſie anzuſehen wie lebloſe
Stuͤckchen Haͤute, die aber wirklich lebendig, ſich aus-
dehnen, zuſammenziehen, vor und hinter ſich wenden:
die Grundfarbe ſchiene bey den meiſten braun, blau-
ſchwarz, einige aber auch aſchgruͤn und weißlich: wenn
man ſie in laulicht Oel thut, leben ſie einige Zeit.
Einige ſollen einen Zoll lang ſeyn, und denen Waſſer-
ſchnecken gleich kommen. Dergleichen Wuͤrmer ſollen
ſich auch in den Lebern des Rind- und Schweineviehes
in manchen Jahren einfinden. Man ſollte ſie dem
erſten Anblick nach eher vor Blaͤtter als Wuͤrmer
halten.
Einige wollen behaupten, dieſe Wuͤrmer hielten
ſich auf dem ſogenannten [Pfennigkraute] auf, allein es
koͤnnen ſolche auch auf andern Kraͤutern an ſumpfigen
Orten anzutreffen ſeyn, und dahin ihre Eyer legen,
und von den Schaafen mit verſchluckt werden, von da
ſie durch den Schlunk in den Magen, und ſo fort in
den zwoͤlffingerigen Darm, von da in den Gallengang
und dann in die Leber kommen, allwo ſie ſich zu tau-
ſenden vermehren.
Hieraus entſtehet in der Bauchhoͤhle des Schaa-
fes eine Menge Waſſer, welches von der anhaltenden
naſſen Witterung und Nahrung herruͤhret, und wo-
von viel oder weniger Schaafe oder ganze Heerden
O 2nach
[212][nachdem] ſie alle von ſolcher vergifteten Weide und
Waſſer genoſſen haben, ihren Tod finden.
Das Fleiſch ſolcher Schaafe, wenn ſie geſtochen
werden, ſoll deshalb nicht ungeſund ſeyn, hingegen
Lunge und Leber taugen nichts. Es iſt alſo den Schaͤ-
fern und Schaafknechten ſcharf anzudeuten, daß ſie
ihre Schaafe nie an ſumpſige oder naſſe Oerter wo ſte-
hendes Waſſer iſt, weiden laſſen, und in naſſen Jah-
ren, ſo viel moͤglich, trockene Oerter, Huͤgel und Waͤl-
der ſuchen, bis die regnigten Tage vorbei ſind, wie denn
uͤberhaupt alles Gras, ſo aus ſtehenden Waſſern und
ſumpfigten Orten abgeſchnitten, und den Schaafen
vorgelegt wird, dem Vieh gefaͤhrlich iſt.
Die Mittel wider dieſe vorbeſchriebene Egelkrank-
heit, ſind folgende, wenn in den Augen der Schaafe
die rothen Adern nicht zu ſehen, dabey den Leib voll
Waſſer haben, ſo iſt
1) den Schaafen woͤchentlich einmahl Salpeter-
Salz mit Ruß und Kleye zu lecken zu geben, hingegen
wenig zu ſaufen.
2) Denen Kranken gießt man taͤglich ein Seidel
oder ein halb Maaß warm gemachtes Bier oder Wein-
eſſig ein, in welchem vorhero eine Hand voll Salz auf-
geloͤſet worden, oder geſtoſſene Wachholderbeeren da-
zu gethan. Wie denn Eſſig und Salz ſchon in den aͤl-
teſten Schriften als ein bewaͤhrtes Mittel angeprieſen
worden.
Oft bemeldeter Herr Prediger Schaͤfer raͤth auch
an, daß man denen Schaafen, ſo mit Waſſer ange-
fuͤllet, mit einer Pfrieme, welche mit einem Roͤhrchen
bedecket iſt, ein Loch in die andere Seite des Bau-
ches ſtechen, durch das Roͤhrchen das Waſſer abza-
pfen und hernach mit Theer wieder beſchmieren ſolle,
bis es geheilet iſt. Dieſe Operation wird wohl mit Vor-
ſicht geſchehen muͤſſen.
Die-
[213]
Dieweil ſich auch zu Zeiten die Fatalitaͤt ereignen
kann, daß Schaafe auf der Weide von wuͤtenden Hun-
den gebiſſen werden, ſo iſt in den Stutgartiſchen phy-
ſicaliſch, oͤkonomiſchen Anzeigen folgendes Mittel an-
geprieſen:
Man ſoll Gauchheil, ein uͤberall wild wachſendes
Kraͤutchen, anagallis genannt, ſammt den Stengeln
und Blumen, an einem ſchattigen Ort trocknen, zu
Pulver ſtoßen oder reiben, dem gebiſſenen Vieh bis
zu einem halben Loth auf Brod mit etwas Salz und
Alaune geben, oder auch in Waſſer einſchuͤtten, die
Wunde aber mit friſchem Waſſer auswaſchen, ſo helfe
es. Einige Schaͤfer ſtreuen das Gauchheil unter das
Salz, als ein Pulver denen Schaafen zu einem allge-
meinen Gegengift und zur Befoͤrderung des Appetits.
An einem andern Ort wird verſichert, daß ein Quent-
chen dieſes gepulverten Krautes, in warmen Thee ge-
nommen, auch einem von einem wuͤtenden Hunde ge-
biſſenen Menſchen helfe. Und Herr Profeſſor Schre-
ber verſichert im achten Theil ſeiner beliebten Samm-
lungen, mit Umſtaͤnden, daß das Kraut Gauch-
heil (im Mecklenburgiſchen rothe Mire auch Hanen-
wittig genannt) einen vom wuͤtenden Hunde gebiſſenen
Schaͤfer, dem er dieſes Mittel gerathen, wirklich ge-
holfen habe.
Da mir eben dieſes ſo nuͤtzliche Buch in der Land-
wirtſchaft Gentilhomme Cultuvateur genannt, unter
Haͤnden gekommen, worinnen vieles merkwuͤrdige von
denen Krankheiten der Schaafe enthalten, ſo habe ſol-
ches extractsweiſe hiermit beyfuͤgen wollen.
Von dem Fieber der Schaafe.
Ob gleich die Krankheiten der Schaafe ſo haͤu-
fig nicht ſind, als die Krankheiten des großen Vie-
hes, ſo iſt es doch eben ſo wichtig und noͤthig, daß
ſie der Landmann kenne, weil es wirklich einige dar-
O 3unter
[214] unter giebet, die entweder gar toͤdtlich oder doch ſehr
ſchwer zu helfen ſind.
Damit wir nun dem Landmanne eine ſo nothwen-
dige Kenntniß beybringen, ſo wollen wir die Beſchaf-
fenheit ſolcher Krankheiten erklaͤren, ferner deren Ur-
ſachen ergruͤnden, und die Art und Weiſe vorſchrei-
ben, wie ſie zu curiren ſind, und zwar, vermoͤge ſol-
cher Mittel, welche uns nach oft wiederholten Ver-
ſuchen, vermittelſt des gluͤcklichen daraus entſtande-
nen Erfolgs, am aller untruͤglichſten geſchienen
haben.
Wann das Schaaf vom Fieber befallen iſt, ſo hat
es Hitze im Maule und in deſſen Augen, dabey bren-
net es ihm in den Fuͤßen, dieſe Krankheit ruͤhret ge-
meiniglich von dem Froſte her, welchen das Thier er-
litten hat.
Wenn nur in einer Schaͤferey zwey oder drey Stuͤck
damit befallen werden, ſo iſt dieſer Zufall nicht ſo
ſchlimm, als wenn es die meiſten Schaafe betrift,
denn es zeigt die Erfahrung im letzten Fall, daß die-
ſes eine ſchaͤdliche Krankheit iſt.
Das erſte Mittel, ſo man dawider brauchen muß,
iſt, die Urſach dieſer Krankheit zu heben, und dem
Schaͤfer anzudeuten, an waͤrmere Oerter zu weiden,
welche der rauhen Luft nicht ſo ſehr ausgeſetzt ſind: man
bemerket auch, daß die große Sommerhitze bisweilen
Schuld daran ſeyn kan, wenn die ſchwaͤcheſten Schaafe
in der Heerde das Fieber bekommen. Alsdann muß
man ſie an ſchattigen Oertern weiden laſſen. Doch iſt’s
in beiderley Faͤllen viel beſſer, daß die kranken Thiere
in einem abgeſonderten Stall ruhig bleiben, und da-
ſelbſt mit gutem Graſe gefuͤttert imgleichen mit gutem
Waſſer getraͤnket werden. Wenn man alſo verfaͤhret,
ſo darf man ſich darauf verlaſſen, daß nachſtehende
Arzeneymittel alle Wuͤrkung thun werden, die man
nur wuͤnſchen mag.
Gleich
[215]
Gleich Anfangs muß man ſie zur Ader laſſen, und
folgenden Trank eingeben: nehmet eine Unze Mitri-
dat, loͤſet ihn in ein Maaß warmes Bier auf, oder
in deſſen Ermangelung in eben ſo viel altem guten ro-
then Wein. Thuet noch eine halbe Unze Virginiſchen
Felddragun-Wurtzel hinzu und eine Drachma pulveri-
ſirte Cochenille. Dieſes iſt auf vier Doſis genug,
wovon man einem jeden Schaafe ſo das Fieber hat,
eine Doſis des Abends und des Morgens eingiebet.
Bemerket man aber, daß das Thier, wie es ſich oft
zutraͤgt, hartleibig oder verſtopft iſt, ſo muß man noch
zu jeder Doſis vorerwaͤhnten Tranks eine Unze einer
ſchmerzſtillenden Latwerge hinzuthun. Hat aber das
Thier offnen Leib, ſo wird ſolcher Zuſtand viel zu deſ-
ſen Geneſung beytragen, und folglich waͤre die Lat-
werge uͤberfluͤßig. Wir haben gefunden, daß nach
Gebrauch von vier Doſis das Fieber nicht ferner an-
gehalten habe.
Vom Durchlaufe.
Sollte der Durchfall ſich ſogleich mit dem Fieber
einſtellen, ſo rathen wir der Natur ihren Lauf zu laſ-
ſen. Man merke aber hierbey zugleich, daß der
Durchfall gefaͤhrlich werden wuͤrde, falls man ſolchen
nicht nach aufgehoͤrtem Fieber ſtillen wollte. Allein,
um zu ſeinem Zweck zu gelangen, ſo bediene man ſich
folgendes Mittel.
Nehmet ein Viertelpfund Faͤrberſpaͤhne, laſſet ſel-
bige in zwey Maaß Waſſer bis auf ein Maaß einko-
chen, wenn es bald eingekocht iſt, ſo thut etwas
Zimmt hinein. Seiget dieſen Trank durch ein leinen
Tuch, und gebet viermahl des Tages dem Schaafe ei-
nen halben Schoppen davon zu trinken, bis es gaͤnz-
lich geneſen iſt.
O 4Die-
[216]
Dieſes Mittel hat faſt allezeit wider den Durch-
fall, der von einem Fieber begleitet wird, und der
nach dem vertriebenen Fieber fortdauret, gute Wuͤr-
kung gethan. Man muß zu einer jeden Doſin eine
Unze Diascordium, ohne Honig und zehn Gran Ja-
paniſche Erde hinzuthun. Man giebet dieſe Arzeney
aber nur Abends und Morgens ein, wenn man dieſe
Sachen hinzugethan.
Von der Schwanzkrankheit.
Wenn das Schaaf den Durchfall bekommt, ſo be-
ſudelt der dicke Unflath, welcher heraus fließet, ſei-
nen Schwanz, und dieſe von Natur ſcharfe Materie
wird je laͤnger ſie ſich daſelbſt aufhaͤlt, immer beiſſender,
es entſtehen daher Geſchwuͤre, welche den Schwanz
anfreſſen, das Thier abmatten und ihm heftige Schmer-
zen verurſachen. Dieſe Krankheit iſt noch weit ge-
faͤhrlicher, wenn ſie von einem ſolchen Durchfalle ent-
ſtehet, welcher das Fieber verurſachet; weil die Gaͤh-
rung des Gebluͤtes der Materie noch mehr Schaͤrfe
giebt, und in dieſem Fall muß man dieſes Uebel vor
der Krankheit vertreiben, man muß nemlich dahin be-
dacht ſeyn den Durchfall zu ſtillen, und ſich bemuͤhen,
den Schwanz rein und ſauber zu erhalten.
Was den Durchfall anbetrift, ſo kann man ſol-
chen durch die im vorher gehenden Kapitel angezeigte
Mittel ſtillen. Man muß den Schwanz ſo viel es im-
mer moͤglich iſt, rein abſcheeren, ihn fleißig mit war-
men Waſſer und Milch, hernach aber mit Kalkwaſ-
ſer waſchen.
Wenn man nun alle dieſe Muͤhe angewandt hat,
ſo laͤßet man das Thier auf einer trockenen Weide ge-
hen. Nachdem zwey Tage verlaufen, ſiehet man
wieder nach dem Schwanz, falls das Uebel fortdauert,
ſo wiederholet man den Gebrauch des warmen Waſ-
ſers
[217] ſers und der Milch, und wenn man den Schwanz
wohl gewaſchen hat, ſchmieret man ihn mit unter ein-
ander gemengten Theer oder ſchwarzer Kuͤhnſtocker
gewuͤhlten Wagenſchmier, von jedem eines ſo viel als
das andere.
So bald das Uebel geheilet, ſo waſche man den
Schwanz Abends und Morgens mit warmen rothen
Wein oder Urin, wozu man eben ſo viel Waſſer thut,
um [di]e Wunden zu heilen, und die Wolle wieder her-
aus zu treiben. Es giebt Landleute, welche ſich bey
dieſem Zufalle des Samariter-Balſames bedienen.
Dieſe Methode iſt nicht zu tadeln. Der Balſam iſt
nicht ſchwer zu machen. Er beſtehet aus gleichen
Theilen Wein und Olivenoͤl, welches man ſo lange
untereinander ſchlaͤgt, bis dieſe Vereinigung zu einem
Balſam gerinnet.
Von der Lungenſucht.
Unter allen Thieren werden die Schaafe am mei-
ſten von der Lungenſucht befallen. Man wird ſolches
leicht durch ihr ſchweres Othemholen, und durch ihr
ſtarkes Huſten gewahr, welches ſie plaget. Man muß
hauptſaͤchlich dahin bedacht ſeyn, dieſem Uebel durch
ſchleunige Mittel abzuhelfen, denn wenn dieſe Krank-
heit nur ein wenig vernachlaͤßiget wird, ſo iſt ſie un-
heilbar, und das Thier ſtirbt eben ſo wie ein Menſch,
an einer Art von Schwindſucht, oder Auszehrung.
Gleich Anfangs wird erfordert, das Thier in an-
dere Luft und Weide zu bringen. Beobachtet man
nicht dieſe Vorſichtigkeit, ſo darf man ſich von allen
Arzeneymitteln, die man gebrauchen wird, keine Wir-
kung verſpechen. Die Erkaͤltung iſt die gemeiniglich-
ſte Urſache dieſer Krankheit, deren die Schaafe in nie-
drigen und feuchten Weiden ausgeſetzt ſind, man muß
ſie hernach in verzaͤunte Weiden fuͤhren, wo es kurz
O 5Gras
[218] Gras und einen guten Boden giebt, und wo ſelbſt ſie
entweder Quell- oder anderes laufendes Waſſer ſau-
fen koͤnnen, hierauf druͤckt man den Saft aus einer
Menge Huflattigblaͤtter und Wegwartwurzeln aus;
ſolchen Saft vermiſcht man durch einander, wozu
man den vierten Theil Knobelauchſaft thut. Nach-
dem man dieſen Trank verfertiget, fuͤget man ein Pfund
Honig hinzu, ingleichen eine Unze geſtoſſenen Anis
und anderthalb Unzen Enula Campanæ Alandwurzel,
von dieſem Heiltrank giebt man jedem Schaafe des
Tages einmahl einen halben Schoppen zu trinken,
nach Gebrauch dieſes Mittels und der dabey in acht
genommenen Methode wird verſichert, daß unter vie-
len kranken Schaafen von dieſer Art nur ein einziges
krepiret iſt.
Von der Gelbſucht.
Kein Thier iſt ſo ſehr der Verſtopfung der Leber un-
terworfen, als das Schaaf. Man kennet dieſe Krank-
heit an der in den Augen der Thiere befindlichen gelben
Farbe, ſo bald man ſolches gewahr wird, ſo muß man
dieſelben auf eine offene Weide fuͤhren, und den Schaͤ-
fer anbefehlen, ſie doch ohne ſie ſehr zu ermuͤden, in
ſtaͤtiger Bewegung zu halten, hierauf gebraucht man
folgende Mittel.
Laſſet zwey Pfund Fenchelwurzel, eben ſo viel Pe-
terſilienwurzel und vier Pfund Hundeszahnwurzel,
nachdem es alles recht klein gehackt iſt, in acht Maaß
Waſſer, bis auf die Haͤlfte einkochen, ſeiget dieſen
Trank durch ein leinen Tuch, welches recht ſcharf aus-
gewunden wird, zerſtoſſet hernach in einem Moͤrſel ſo
viel Schellkraut oder Schwalbenwurzel, als erfordert
wird drey Seidel Saft daraus zu preſſen, thut dieſen
Saft zu obbemeldeten Tranke mit drey Drachma Sal.
Martis, miſcht dieſes recht unter einander: laſſet da-
von
[219] von taͤglich drey Schoppen waͤrmen, und gebet es ei-
nem jeden kranken Schaafe ein; dieſes Mittel wird eine
vollkommene Geneſung bewerkſtelligen, falls man nur
zu gleicher Zeit die Thiere auf gleiche gute Weide fuͤh-
ret, ihnen gut Waſſer ſaufen laͤſſet, und ſie in ei-
ner maͤßigen Bewegung erhaͤlt.
Von Verſtopfung der Kehle.
Von dieſer Krankheit werden die Schaafe oͤſters
befallen; die Zufaͤlle woran ſie erkannt werden, ſind
eben diejenigen, als ſolche dabey man die Lungenſucht
bemerket; man wird auch wirklich gewahr, daß die
Schaafe, welche davon angegriffen worden, einen
ſchweren Athem holen, und daß ſie roͤcheln (raſſeln)
Man muß die Urſach dieſer Krankheit der Weide, wel-
che ſchlimm iſt, und der Verkaͤltung zuſchreiben, wel-
che das Thier erduldet. Deswegen muß man ſie auf
hohe Weiden fuͤhren, ſie warm halten und ihnen nach-
folgende Arzeneymittel eingeben.
Nehmet ein Pfund Honig, nebſt einem Schop-
pen guten Weineßig, welches man in ein Maaß Po-
leiſaft thut, davon einem jeden Schaafe alle Abend
einen Schoppen recht warm gegeben.
Es giebt Landleute, welche behauptet haben, als
waͤre der Poleiſaft eine Univerſalmedicin wider alle
Krankheiten der Schaafe, dieſes aber iſt ein gefaͤhrli-
cher Irrthum, da wir mit unſerm eigenen Schaden
gewahr werden, daß man heutiges Tages in keiner
Sache ſo unwiſſend iſt, als in denen Krankheiten des
Viehes, und um welche man ſich ſo wenig bemuͤhet,
ſich gruͤndlich davon zu unterrichten. Die Huͤlfsmit-
tel, ſo wir dabey mit ſo großer Zuverſicht gebrauchen,
gruͤnden ſich auf die Erfahrung, die wir ſo oft mit gluͤck-
lichem Erfolge wiederholet haben.
Vom
[220]
Vom Schwindel.
Dieſe Krankheit iſt eine Betaͤubung, welche die
Schaafe gemeiniglich befaͤllt, die man in ſolche fette
Weide thut, dergeſtalt, daß der Ueberfluß dieſer ſafti-
gen Nahrung ihnen allzu viel Gebluͤte giebt, und die-
ſe Art des Schwindels verurſachet, welcher oͤfters
toͤdtlich iſt. Es iſt dieſe Krankheit faſt eben diejenige,
ſo wir bereits unter dem Nahmen der Saner-Rochus
Krankheit angefuͤhret haben, ſie koͤnnen weder hinter
noch vor ſich gehen.
Bey dem Schwindel iſt uͤberhaupt erforderlich, dem
Schaafe ſcharf zur Ader zu laſſen, und ihm aller vier
Stunden einen halben Schoppen von wilden Bal-
drianswurzelſaft recht warm einzugeben. Wenn das
Thier bald beſſer iſt, ſo laſſe man es auf unfruchtba-
ren Hoͤhen weiden, wo nur etwas weniges aber gu-
tes Gras vorhanden; wird aber ungeachtet dieſer
Sorgfalt das Schaaf noch einmal damit befallen, ſo
kann man dieſen Zuruͤckfall fuͤr toͤdlich halten.
Vom Krampfe in den Fuͤßen.
Dieſe Krankheit kommt den Schaafen in die Fuͤße,
und es traͤgt ſich oͤfters zu, daß eine ganze Heerde
auf einmal damit befallen wird. Kaͤlte und Naͤſſe
ſind die einzigen Urſachen davon. Die Schaafe, wel-
che in der Regenzeit, unter den Baͤumen liegen, von
deren Blaͤttern und Zweigen das Waſſer auf ſie her-
unter trieft, werden ſehr oft von dieſer Krankheit an-
gegriffen.
Gleich anfaͤnglich fuͤhret man die Schaafe auf eine
trockene Wieſe, und ſo bald der Grund dieſes Uebels
gehoben, ſo iſt es untruͤglich, daß die Arzeneymittel
eine
[221] eine gute Wuͤrkung thun werden. Man laſſe Quum-
quefolium ſieden, nebſt wilden Senf in einer hinlaͤng-
lichen Menge Bier, oder guten weiſſen Wein, wenn
man denket, daß der Wein den Saft dieſer Pflanzen
recht an ſich gezogen hat, ſo ſeige man ihn durch ein
Leinewand Tuch. Von dieſem Trank nehme man zwey
Maaß und fuͤge noch einen Theil vom Saft der Bal-
drians-Wurzel hinzu. Alle Abend und Morgen
gebe man einem jeden Schaafe einen Schoppen davon
zu trincken.
Außerdem muß man eine große Menge wilde
Senf-Blaͤtter in Weineſſig ſieden laßen, und wenn
es warm iſt, den Schaafen die Fuͤße damit waſchen.
Wobey die Landleute zugleich vermahnet werden muͤſ-
ſen, ſich die Muͤhe und Fleiß nicht verdrießen zu laſſen,
denn in dem Fall, daß ſie das Vieh vernachlaͤßigen,
laufen ſie Gefahr alle ihre Schaafe zu verlieren; da-
hingegen wenn ſie alles genau befolgen wie es vorge-
ſchrieben iſt, werden die Schaafe geſund und ſelten
mehr damit befallen werden.
Von der eigentlichen ſogenannten Betaͤubung.
Die eigentliche ſogenannte Betaͤubung, welche
von dem Schwindel ſehr unterſchieden iſt, und in wel-
cher das Thier weder ruͤckwaͤrts noch vorwaͤrts gehen
will, ruͤhret von den jungen Baumſproſſen her, worunter
einige ſo ſchaͤdlich ſind, und in welchen die Schaafe
ſehr begierig freſſen: die jungen Eichenſproſſen inſon-
derheit, verſtopfen ſie ſo ſtark, daß die Betaͤubung, wo-
von wir hier geredet haben, davon faſt allezeit unzer-
trennlich iſt. Die Symptomata ſind faſt eben diejeni-
gen wie beym Schwindel; allein man ſiehet wie ſehr
die Urſach verſchieden iſt, und wie ſehr unterſchieden
dieſe beyde Krankheiten eine vor der andern iſt; wir
bemer-
[222] bemerken hierbey, daß die Symptomata der Betaͤu-
bung viel heftiger als des Schwindels ſeiner ſind.
Denn ſo bald das Thier damit befallen wird, ſo zit-
tert es an allen Gliedern, welches ſich aber beym
Schwindel nicht zutraͤgt.
Dieſem Uebel abzuhelfen, nimmt man eine Unze
Teufelsdreck, leget ſolchen in 2 Maaß Waſſer, und loͤſet
ihn darin auf; giebt jedem Schaafe aller drey Stun-
den einen halben Schoppen von dieſem Tranke ein; die-
ſes Mittel verſchaffet einen offenen Leib, und giebt den
angegriffenen Nerven die benommene Staͤrke wieder.
Einige Landleute ſtecken den kranken Schaafen den
Teufelsdreck in die Ohren, um ſie damit zu ſtaͤrken.
Dieſes Mittel kann aber die Wuͤrkung ohnmoͤglich ha-
ben, als der innerliche Gebrauch dieſer Arzeney. Sind
nun die Schaafe geneſen, ſo muß ſich der Schaͤfer
huͤten, ſie nicht mehr Baumſproſſen abfreſſen zu laſ-
ſen, wenn er ſolches verhindert, werden die Schaafe
nicht wieder dieſe Krankheit bekommen.
Man kann aus der Behandlung aller Krankheiten,
die wir dem Leſer vorgeſtellet, leicht abnehmen, daß
die Schaafe ſolchen nur deswegen unterworfen ſind,
weil man ſo wenig Sorgfalt fuͤr ſie traͤgt. Nichts iſt
in der That unter beruͤhmten Schaͤfern gewoͤhnlicher,
als daß man ſiehet, wie ſie ſich ſo gegen dieſe Thiere
verhalten, als wann ſie deren gar keine haͤtten, und
ſich ihrer nur alsdann erinnern, entweder wenn die
Schaafſchur herbey koͤmmt, oder wenn ſie genoͤthiget
werden ſolche zu verkaufen.
Wir haben ſchon angemerket, daß die niedrigen
Weiden nicht geſund, weil ſie allzuviel Gras und
Feuchtigkeit haben, welches ſchaͤdlich iſt; giebt man
ſich aber nur ein wenig Muͤhe dieſe Thiere auf gute
Weide zu fuͤhren, ſo werden ſie denen Krankheiten
nicht ſo unterworfen ſeyn, und geneſen ſehr leicht,
wenn ſie auch von ungefaͤhr gleich krank werden ſollten.
Von
[223]
Von der ſchuppig- oder geſchwuͤrigen Haut.
Dieſe Thiere ſind dieſer Krankheit desfalls ſehr
unterworfen, weil man ſo wenig Sorge traͤgt, ſie
reinlich zu halten und an einen trockenen Ort zu ſtel-
len, wann ſie im Regen an feuchten Orten in Horden
oder unter den Baͤumen liegen, ſo wird ihre Haut
ſchuppig und mit unzaͤhlig kleinen Geſchwuͤren beſetzet
und die Wolle faͤllt ihnen unvermerkt ab. Das
Thier wird matt und mager; dahingegen diejenigen
Schaafe, ſo in der Hoͤhe auf trocknen und geſunden
Weiden gefuͤhret werden, von dieſer Krankheit ſehr
wenig angegriffen werden.
Nichts traͤgt weniger zu ihrer Geneſung bey als
ſie zu ſcheeren wenn es die Jahreszeit nicht zulaͤſſet;
hingegen, muß man ſie fleißig mit Seife und Lauge
waſchen und ſie mit einer Buͤrſchte reiben, die man in
warmes Seifenwaſſer getaugt hat; hierauf laͤſſet man
ſie auf einer reinen und trockenen Weide bis die Schaa-
fe wohl abgetrocknet ſind; hernach fuͤhret man ſie wie-
der in den Schaafſtall zuruͤck, um ſie mit Kalkwaſſer
abzureiben, und macht ihnen eine reine und friſche
Streue. Dieſes Reiben wiederholet man drey-
mal, doch daß man zwiſchen jedesmal zwey Tage
ausſetzt.
Sollten ſie aber ohnerachtet der Cur noch nicht
beſſer ſeyn, ſo muß man die verletzten Theile mit
Theer, jeden Theil ſo viel wie den anderen reiben. In-
nerlich hat man nicht Arzeneymittel zu gebrauchen, weil
dieſe Krankheit nicht ins Gebluͤte treibt.
Von Entzuͤndung der Haut mit Blaſen.
Man wird anfaͤnglich dieſe Krankheit gewahr, daß
ſie ſich an der Bruſt und am Bauche zeiget, allein ſie
breitet ſich auch bald an andern Theilen aus. Es
iſt
[224] iſt eine Entzuͤndung der Haut, die in Blaſen auf-
ſchwellet, in welchen man eine ſchwarze Feuchtigkeit
antrift, welche mit Blut vermiſcht iſt. In dieſer
Krankheit iſt das Gebluͤt entweder mehr oder weniger
verdorben, deßwegen muß man, um ſolches zu reini-
gen, zu innerlichen und aͤuſſerlichen Mitteln ſchreiten.
Gleich Anfangs nimmt man die davon angeſteck-
ten Schaafe von der uͤbrigen Heerde weg, denn ſonſt
wuͤrde die ganze Schaͤferey davon angeſtecket werden.
Man laͤſſet die kranken Schaafe an einem Orte wei-
den, wo es gutes Gras und Waſſer giebt; denn ohne
dieſe Vorſicht in acht zu nehmen, wuͤrden alle ge-
brauchte Arzeneimittel keine Wirkung thun.
Man nehme ein Loth Schwefelblumen und eine
Unze Honig, mache eine Salbe davon und theile ſie
in zwey Theile: wovon man einen Theil in Neſſel-
waſſer einweicht; dieſen Trank gebe man zwey Wo-
chen lang taͤglich einem jeden kranken Schaafe ein;
oͤfne die Beulen, daß die Feuchtigkeit herausfließe,
und netze die Wunde mit Wermuthſaft. Nachdem
vier Tage auf ſolche Art verfahren iſt, ſo laͤſſet man
dem Schaafe wieder ſtark zur Ader und faͤhret damit
fort bis zur voͤlligen Geneſung.
Von den Fuß-Wuͤrmern.
Dieſe Thiere werden ſo oft von den Wuͤrmern in
den Fuͤſſen gequaͤlet, inſonderheit, wenn man ſie auf
naſſe Wieſen fuͤhret; ſie empfinden ſo heftige Schmer-
zen, wodurch ſie nach und nach gaͤnzlich von Kraͤften
kommen.
Es iſt dieſe Krankheit leicht zu erkennen, wenn
ein Schaaf damit befallen wird, ſo hebet es die Fuͤße
auf und ſetzet ſie ſehr behutſam nieder. Wenn man
den Fuß genau beſiehet, ſo wird man eine Geſchwulſt
daran gewahr, die einem Pauſche Haare gleichet; und
die-
[225] dieſes iſt der Kopf des Wurms, den man mit großer
Vorſicht und Behutſamkeit wegnehmen muß, weil er
ſehr ſubtil iſt, daß wenn man ihn im Fuße zerreißt, er ei-
ne ſehr gefaͤhrliche Entzuͤndung verurſachet, man
muß mit einem Feder oder Scheermeſſer ganz um
der Geſchwulſt aufſchneiden, und den Wurm mit ei-
ner kleinen Zange heraus nehmen.
Hierauf leget man Waagenſchmiere oder Theer
und Schmeer auf die Wunde und laͤſſet das Thier auf
eine trockne Weide fuͤhren, denn ſollte es abermahls
wieder damit befallen werden, ſo wuͤrde es faſt ohn-
moͤglich ſeyn, ſolches zu heben.
Von dem Rothlauf.
Der Rothlauf iſt eine heftige Entzuͤndung, welche
ſich auf der Haut der Schaafe an verſchiedenen Orten
zeiget: ſo bald ſich dieſe Krankheit aͤuſſert, kann man
verſichert ſeyn, daß viele, ja die ganze Heerde davon
angeſtecket wird.
Wir leſen bey verſchiedenen Schriftſtellern, daß
unſere Vorfahren, die Art ihres Aberglaubens ſo
weit getrieben, daß ſie ſogar die Schaafe ſo mit die-
ſer Krankheit befallen wurden, mit empor gereckten
Fuͤßen lebendig unter die Thuͤre des Schaafſtalles be-
gruben, indem ſie vorgaben, es waͤre eine Zauberey,
wodurch man dieſe Krankheit von der uͤbrigen Heerde
vertriebe: anſtatt aber dergleichen Traͤumereyen anzu-
nehmen, die noch an verſchiedenen Orten als glaub-
wuͤrdig angeſehen werden, ſo wollen wir vielmehr nur
heilbare Mittel vorſchlagen, die eine vollkommene Ge-
neſung bewirken werden.
Stoſſet eine Menge wilder Koͤrbelblaͤtter, thut
noch eben ſo viel Kalkwaſſer darzu, als ihr Saft aus
den Blaͤttern ausgepreſſet habet, fuͤget noch ſo viel
pulveriſirt vom Saamen von Fenu greco hinzu als noͤ-
Pthig
[226] thig iſt, die Vermengung zu einen feſten Brey zu ma-
chen: dieſes laſſet, wann es recht gekocht hat, wieder
kalt werden; man reibet die erhitzten Theile mit die-
ſer Salbe alle Abend bis zur voͤlligen Geneſung, kann
man es dergeſtalt auflegen, daß es die ganze Nacht
liegen bleibt, wann das Schaaf ruhet, ſo wird
dieſe Salbe gewiß bey dem Thiere ihre gute Wirkung
thun.
Ehe man ſich dieſes Mittels bedienet, ſo muß man
die ſchmerzhaften Theile ſo glatt als moͤglich an der
Haut abſcheren.
Von der Augen-Krankheit.
Die Kaͤlte hat bisweilen bey den Schaafen ſo gro-
ßen Eindruck, daß ihre Augen dergeſtalt davon angegrif-
fen werden, daß ſie ſogar blind werden. Es giebt
auch noch andere Zufaͤlle, welche ihnen dieſe Krank-
heit verurſachen, ſo wohl in einem als im an-
dern Falle muß man ſich folgenden Mittels bedienen:
druͤcket eine Menge großer Schwalbenwurzel aus,
troͤpfelt dem Schaafe einige Tropfen davon bis zu ih-
rer Geneſung in die Augen, ſind die Augen ſehr er-
hitzt, ſo kann man ſo viel ausgepreßten Weywartſaft
hinzuthun. Wofern aber die Augen wegen eines
Schnupfens rinnend ſind, oder daß ſie thraͤnen, ſo
muß man ſie alle Morgen um die Augenlieder herum
mit einem in reinem Waſſer genetzten Leinew and-
Pauſchgen auswaſchen, oder man gießet einige Tro-
pfen guten Franzbrantwein mit darein.
Man hat bey eben dieſem Zufall mit gutem Nutzen
ſechs Tropfen unſers heilſamen Elexirs gebraucht, wel-
che man in ſechs Loͤffel voll Springbrunnen waſſer thut,
damit die Augen des Schaafes Abends und Morgens
bis zur voͤlligen Geneſung anfeuchtet, welches ſich ſel-
ten laͤnger als bis zum ſechsten Tag verzogert hat.
Von
[227]
Von der Waſſerſucht.
Man wird oftmals gewahr, daß der Leib des
Schaafes aufſchwellet, wegen der Menge Waſſer,
das ſich bisweilen zwiſchen dem aͤuſſerlichen Fleiſche
und dem Darmnetze ergieſſet, zuweilen aber gar in
dem Netze ſelbſt befindlich iſt. Im erſten Fall iſt die
Cur ganz leicht, im letztern aber iſt die Krankheit un-
heilbar.
In dem erſten Falle muß man zum Abzapfen ſchrei-
ten und in der Oefnung die man macht, ein Federkiel
ſtecken, um dem ergoſſenen Waſſer einen ſteyen Aus-
gang zu verſchaffen, die Wunde heilet von ſich ſelbſt
zu, wenn das Schaaf keinen andern Zufall hat; iſt
aber die Krankheit langwierig, ſo wird das Thier ſo
matt, daß die Natur nicht hinreichend iſt die Wunde
zu heilen, und alsdann muß man ſich der Kunſt bedie-
nen, indem man die Wunde taͤglich mir Theer und
Schmiere verbindet. So bald nun das Thier gene-
ſen iſt, ſchicket man es auf eine trockene gute Weide,
und maͤſtet es zum Verkauf; denn die ſchlechte Sorg-
falt, welche man die Schaͤfer vor ihre Heerde tragen
ſiehet, macht, daß die Schaafe wieder von neuem in
ſolche Krankheit fallen.
Es giebt noch eine andere Art Waſſerſucht. Die-
ſes iſt die Windſucht. Dieſe Krankheit iſt zwar ſehr
ſelten, allein gleichwohl werden die Schaafe bisweilen
damit befallen, und ſolche ruͤhret von Nachlaͤßigkeit
der Schaͤfer her, die, wenn heftige Winde und Re-
gen, die Schaafe der rauhen Witterung uͤberlaſſen,
anſtatt ſelbige an einen Ort zu fuͤhren, wo ſie Schuͤtz
dawider finden, oder ſie lieber in den Schaafſtall zu-
ruͤck treiben ſolten. Ob nun gleich dieſe Krankheit leicht
zu heilen iſt, ſo mattet ſie doch die Schaafe ſehr ab, die
Winde ſtecken zwiſchen Fell und Fleiſch und ſchwellen
das Schaaf ſehr auf. Man muß alſo an verſchiedenen
P 2Or-
[228] Orten des Leibes, das Abzapfen vornehmen, worauf
die Winde gleich fortgehen, die Wunde heilet ſich von
ſelbſt, wann man ſich die Operation vornimmt, ſo
bald das Thier davon befallen wird.
Die Kraͤtze oder Raude.
Iſt die allerverderblichſte Krankheit fuͤr die Schaa-
fe, und folglich ein ſolches großes Ungluͤck, wider wel-
ches der Landmann am meiſten auf ſeiner Huth ſeyn
muß ſie iſt anſteckend, daß dieſe nicht allein in kur-
zem die ganze Heerde uͤberfaͤllt, ſondern ſich auch in
der ganzen umliegenden Gegend ausbreitet. Die
Nachlaͤßigkeit der Schaͤfer iſt die Haupturſache hier-
von. Die Schaafe ſo in offenen gemeinen Triften
weiden, ſind dieſer und vielen andern Krankheiten haͤufi-
ger unterworfen. Sie ruͤhret von der vielen Kaͤlte her,
wovon die Haut aufſpringet, dieſes iſt der Anfang der
Raude. Der Mangel des Futters und ein von ſchaͤd-
lichen Kraͤutern vergiftetes Gras koͤnnen ſolche auch
verurſachen. Des Landmannes vornehmſte Sorgfalt
muß alſo darin beſtehen, ſeine Schaafe vor dieſer
ſchaͤdlichen Krankheit zu bewahren, indem er ſie von
ſolchen Weiden abhaͤlt; vermittelſt dieſer Behutſam-
keit wird er ſie vielen Krankheiten entreißen, deren
Beſchreibung und Cur wir oben erwaͤhnt haben.
Wann er bemerken ſollte, daß dieſe Krankheit in ſei-
ner Nachbarſchaft eingeriſſen waͤre, ſo muß er mit ſei-
ner Heerde ſich gar nicht den andern Heerden ſeiner
Nachbaren naͤhern, wobey wir hier zugleich an-
merken wollen, daß die niedrige Huͤtungen inſonder-
heit zur Regenzeit ſehr gefaͤhrlich ſind.
Wir rathen auch als einen Hauptgrundſatz an, in
der Regenzeit die Schaafe auf hohen und erhabenen
Weiden zu huͤten, und ſie theils mit Heu, theils
mit andern Gras und Kraͤutern zu fuͤttern. Hier ſind
die-
[229] diejenigen Zufaͤlle, woran man die Raude erkennet.
Das Weiße im Auge wird bleich und dunkel, das
ganze Verhalten des Thieres verkuͤndiget den Verluſt
ſeiner Kraͤfte, es nimmt augenſcheinlich ab, ſeine
Haut wird ſchmutzig und wenn man ſeine Wolle anruͤh-
ret, faͤllt ſie Haͤnde weiß aus. Das Zahnfleiſch verblei-
chet und auf den Zaͤhnen ſitzet ein ſehr dicker weißer
Weinſtein, das Thier iſt traͤge und ſo faul, daß es
gleichſam ſcheinet als koͤnnten die Fuͤße den Koͤrper
nicht tragen.
Man bemerke voraus, daß man diejenigen, ſo da-
mit behaftet ſind, von den reinen abſondern muß, und
die Kranken in einem wohl vermachten Schaafſtall zu
verſchließen ſind, man giebet ihnen ſehr wenig Waſ-
ſer und ſehr fein Heu und Haber zu ihrer Nahrung,
welches dergeſtalt geſchiehet, daß man inwendig im
Schaafſtall rund herum Troͤge anſetzet.
Das Aderlaſſen, welches man bierbey hat verſi-
chern wollen, iſt ſehr gefaͤhrlich. Wir wollen im Vor-
beygehen anfuͤhren, wie man bemerket hat, daß
Schaafe, ſo auf ſalzigen Weiden gehuͤtet werden, nie-
mals mit dergleichen Uebel befallen werden; und die-
ſes iſt der Grund, weswegen verſchiedene Landleute die
Salzlecke mit gutem Erfolg unternommen haben. Es
verſichert Herr Hall, daß er ſolches oft mit gutem Nu-
tzen zwar gebraucht habe, doch fuͤget er unten hinzu,
ſey die Cur nicht ſo ohnfehlbar, wie uns viele Schrift-
ſteller haben glauben machen wollen. Wir wiſſen
wohl, daß das Salz ein gewiſſes Praͤſervativ wider
die Raude ſeyn kann, allein es iſt uns unbekannt, ob
dieſes Mittel eine untruͤgliche Arzeney ſey, wenn die
Krankheit einmahl ausgebrochen iſt.
Man ſtoͤſſet Meerſalz zu Pulver und ſtreuet damit
in trocknem Futter, welches man bisweilen denen
Schaafen wie ein Praͤſervativ zu freſſen giebt; wann
nun die Thiere ſelbſt wirklich mit der Raude befallen,
P 3ſo
[230] ſo menget man etwas mit unter den andern Arzeneyen,
deren man ſich zu ihrer Geneſung bedienet.
Man ſtoͤßet eine Unze Senngaliſcher Pfeffer Koͤr-
ner oder Paradießkoͤrner zu Pulver, nebſt vier Unzen
trockener Wachholderbeeren, hierzu fuͤget man zwey
Pfund Meerſalz und ein halb Pfund feinen Zu-
cker, dieſe Pulver werden alle recht unter einander
gem ſcht, und auf dem Heu und Haber, womit man
die Schaafe fuͤttert, geſtreuet. Dieſe Ordnung muß
man drey Tage hinter einander wiederholen und fleiſ-
ſig die Augen der Thiere betrachten, um zu ſehen, ob
ſie ſich etwas beſſern; werden ſie beſſer, ſo wie-
derholet man eben dieſelbe Methode, wofern aber im
Gegentheil das Uebel in eben derſelben Staͤrke bleibt,
oder wohl gar aͤrger wird, ſo weiche man vier Pfund
Antimonium in vier Maaß Bier eine Woche lang ein,
hiervon giebt man hernach den kranken Schaafen alle
Abend und Morgen einen halben Schoppen ein.
Doar laͤſſet ein Pfund Stobetus-Krautwurzel, und
zwey Pfund Kaiſerkraut in 4 Maaß Waſſer ſo lange
kochen, bis ein Maaß Waſſer eingekocht, waͤhrend
des Einkochens haͤnget man in einem Saͤcklein zwey
Unzen rohen Mercurium, ſeiget die uͤbrigen drey
Maaß durch ein leinen Tuch und gieſſet davon ein Sei-
del in das Waſſer, womit ihr die Schaafe traͤnket.
Durch dieſe Vorſchrift und der Sorgfalt, welche
wir beſtens empfehlen, die Schaͤfereien trocken, rein
und warm zu halten, kan man zum Zwecke gelangen
dieſe Seuche oder Raͤude zu heilen; doch traͤgt
ſich ſolches bisweilen zu, daß die Krankheit ſo einge-
wurzelt iſt, und vermittelſt der ungeſunden und nicht
temperirten Luft ſo ſchaͤdlich wird, daß man ſie faſt
gar nicht kuriren kan.
[[231]]
Der
wahre natuͤrliche Gattungscharakter
der
Zietenia.
In meinem Pflanzenſyſtem pag. 184. n. 766. habe
ich vor einigen Jahren die weſentlichen Kenntzeichen
der Zietenia den Liebhabern der Pflanzenkunde mitge-
theilt, deſſen nachher die Leipziger in den Commen-
tariis de rebus in Scientia Naturali \& Medicina ge-
ſtis Volum. XII. pars II. pag. 359 erwaͤhnt haben. Weil
aber jeder wahre weſentliche Charakter, der [...]emlich
eine einzelne Pflanzengattung von den Verwandten,
durch ein oder anderes Merkmal in der natuͤrlichen
Ordnung unterſcheidet, und unterſcheiden muß, und
auch der kuͤnſtliche Charakter im natuͤrlichen enthalten
wird; ſo erhellet daraus zur Genuͤge, daß die Aus-
einanderſetzung deſſelben zu der Zeit vollkommen
geweſen.
Unſere Zietenia weicht, in der natuͤrlichen Ord-
nung, welche man mit dem Namen der wuͤrfelfoͤrmi-
gen Pflanzen (plantœ verticillatæ) belegt, von denen
verwandten Gattungen, ſowohl durch ihre beſondere
aͤuſſere Geſtalt, als durch den Bau einiger Theile der
P 4Be-
[232] Befruchtung ab. Die Feſtſtetzung des natuͤrlichen
Charakters iſt bey einigen Gattungen aͤuſſerſt ſchwer,
vorzuͤglich aber bey den Pflanzenordnungen, welche
vor andern mehr natuͤrlich ſind, weil ſowohl wenig un-
terſcheidende Merkmale, als auch deutliche, wegen
der großen Verwandſchaft uͤbrig ſind. Zum Bey-
ſpiel, kann unſere Zietenia dienen, die unter die ver-
wandten Gattungen Stachis, Galeopſis, Betonica,
Sideritis und Lamium zu ſetzen iſt.
Die Zietenia, welche in die zweyte Claſſe meines
Syſtems (Petaloſtemones) und in die Ordnung derer,
welche vier Staubfaͤden mit wuͤrfelfoͤrmigen Blumen
(Petrautheræ verticillatæ) haben, gehoͤrt, begreift
bis jetzo nur eine Art unter ſich, nemlich eine ſtrauch-
artige ſchoͤne haarige Pflanze, die die Naturforſcher ſehr
anlockt, und gleichſam reizt. Die aͤuſſere Geſtalt der
Pflanze fuͤhrt die Kenntzeichen der natuͤrlichen Ordnun-
gen, vorzuͤglich in den erwachſenern Pflanzen, die noch
nicht gebluͤht haben, ſehr deutlich an ſich. Sie iſt in die-
ſem Zuſtande eine Abart des Lavendels, die Moriſon La-
vendula latifolia ſterilis nennt, ſehr aͤhnlich, oder
auch einer juͤngern Art von Pflanze dieſer Gattung,
die an den Ufern des mittellaͤndiſchen Meeres, der ba-
leariſchen Inſeln auf Corſica und andern Gegenden
waͤchſt, die man von den Stoͤchadiſchen Inſeln Stœ-
chas nennt, wenn man ſie nicht durch die dicht uͤber-
einander liegende Schuppen des untern Theiles am
Stengel unterſchiede. Hierzu kommt noch, daß der
Kelch der Zietenia ſehr rauch und mit dem des Thy-
rii Maſtichinæ Lin. ſehr verwandt iſt.
Der große Tournefort machte, ohne eine weitere
Beſchreibung davon zu geben, unſere Pflanze, die
er in Armenien auf ſonnigten Huͤgeln entdeckte, unter
dem Namen: Galeopſis orientalis Lavendulæ folio,
calyce villoſisſimo in ſeinem Corollario bekannt.
De-
[233] Deren Beſchreibung er uns mit noch mehrern ſchoͤ-
nen Pflanzen gewiß gegeben haben wuͤrde, wann er
uns nicht durch einen zu fruͤhen Tod entriſſen waͤre.
Nach dieſer Zeit iſt ſie kaum in unſern botaniſchen
Gaͤrten gebauet worden, wo nicht in dem Pariſer
Garten in den erſten Jahren nach ſeiner Zuruͤckkunft
aus dem Orient. Daher hat ſie kein Botaniker wei-
ter unterſuchen koͤnnen.
Indeſſen findet ſich vielleicht die Zietenia unter den
koͤnigl. trockenen Pflanzenſammlungen und unter andern
in der reichen Sammlung des Herrn Jusſieu zu Paris,
oder unter den vortreflichen Zeichnungen des Koͤnigs,
die ſowohl ihrer Seltenheit wegen, als Schoͤnheit an-
ſehulich ſind. In der weitlaͤuftigen Pflanzenſamm-
lung der Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin, wel-
che aus der Guͤndelſchen und Stoßiſchen Samm-
lung beſteht, wird dieſe Pflanze auch getrocknet auf-
bewahrt. Der groͤßte Theil dieſer Pflanzen ſtammt
vom beruͤhmten Gundelius, dem erſten Stifter un-
ſers botaniſchen Gartens her, ein Reiſegefaͤhrte des
Tournefort durch den Orient, Capadocien, Arme-
nien, Griechenland und einigen Inſeln, die er ſelbſt
mit eigner Hand geſammlet hat.
Nach den Zeiten des Tournefort iſt ſie ohne weiterer
Unterſuchung denen nachfolgenden Botaniſten uͤber-
laſſen, einige Zeit ganz verborgen geweſen, bis end-
lich Buxbaum ſie als eine neue Pflanze in den ber-
gigten Gegenden von Armenien bluͤhend gefunden hat.
Er erwaͤhnt ihrer in der fuͤnften Centurie ſeiner Pflan-
zen pag, 32 nach ſeiner Art, ohne weitere Spureu ei-
nes Gattungscharakters mit einer ſchlechten Abbil-
dung Tab. 61. Fig. 1. unter dem Namen Sideritis
parvis floribus purpureis. Mach der Meynung des
Buxbaum iſt dieſe Pflanze der Sideriti vulg[a]ri aͤhn-
lich, nur daß ſie kleiner ſey, und rothe im Monath
May in eine lange Aehre geſtellte Blumen habe.
P 5Wenn
[234]
Wenn aber nun die Gattungen der Pflanzen in Un-
ordnung ſind, ſo muß natuͤrlich das Syſtem auch
unordentlich ſeyn, daher muͤſſen wir alle Gattungen, die
durch den Fleiß unſerer Vorfahren auf verſchiedene
Hypotheſen gebaut ſind, ohne Vorurtheil des Anſehns
nach den natuͤrlichen Geſetzen der Charaktere einer ge-
nauern Unterſuchung unterwerfen; und ſie ſowohl nach
der aͤuſſern Geſtalt, als nach der Struktur der Blu-
men nach beſſern Beobachtungen richtiger beſtimmen,
nachdem wir das bey Seite geſetzet haben, was mehr
kuͤnſtlich und falſch iſt. Nach dieſen Grundſaͤtzen aus-
einander geſetzte Arten geben alsdann Gattungen, die
natuͤrlich ſind und deren Charaktere alle moͤgliche Gat-
tungskenntzeichen enthalten, die wir an denen bey den
Blumen gegenwaͤrtigen Theilen nach aller auf der
Befruchtung ſich gruͤndenden botaniſchen Ordnung
mit leichter Muͤhe fuͤgen koͤnnen.
Die meiſten Arten von Pflanzen, die vorher auf
eine ſonderbare Weiſe verdreht und zweifelhaft unter
die Gattungen Sideritis, Botanica, Lanium, Galeo-
pſis und Stachys eingeſchaltet waren, ſind nun durch
die Muͤhe der Neuern nach der Guͤltigkeit ihres natuͤr-
lichen Charakters in ihre Gattungen gebracht worden:
doch mit Beyſeitenſetzung derer, die ſie noch nicht ha-
ben unterſuchen koͤnnen. Hierher iſt auch die Zietenia
zu zaͤhlen, deren natuͤrlicher Charakter mit einer Ab-
bildung begleitet, eine genaue, nach den Regeln der
Kunſt, gemachte Beſchreibung auseinander ſetzt.
Die Beſchreibung.
Die Wurzel iſt ausdauernd, holzig, faſerig
nach oben zu verdickt und Knoſpentragend. Die
Knoſpen ſtehen gegen einander uͤber, ſind ſtumpf und
wolligt mit gegeneinander uͤberſtehenden Schuppen,
die eyfoͤrmig, abgeſtumpft, dich tuͤbereinander liegend
ſind.
Die
[235]
Die Stengel ſind krautartig, zerſtreut vier-
eckig, und eine Spanne lang; die Baſis des Sten-
gels iſt mit eyfoͤrmigen, ganzen, abgeſtumpften, kiel-
foͤrmigen, dicht uͤbereinander liegenden Schuppen be-
deckt und aͤſtig; die Aeſte ſtehen gegen einander uͤber,
ſind unfruchtbar und haben kurze Zwiſchenraͤume.
Die Blaͤtter ſtehn aufrecht gegeneinander uͤber
lanzettenfoͤrmig, ganz an der Spitze abgeſtumpft, an
der Baſi verduͤnnet, in eine Scheide verwachſen, mit
Linien durchzogen und haarig; bey den bluͤhenden
Stengeln ſind ſie ſchmaͤler und kuͤrzer; bey den un-
fruchtbaren viel breiter, laͤnger und an der Baſi ſehr
ſchmal, daß ſie faſt einen Blattſtiel zu bilden ſcheinen.
Die Scheide iſt bey den fruchtbaren Stengeln ſehr
kurz, und faſt unmerklich; bey den unfruchtbaren
aber laͤnger und ſehr deutlich haͤutig und ganz.
Die Haare ſind einfach an der ſcheidenartigen
Baſi gegliedert, auf den Blaͤttern liegen ſie dicht an;
am Stengel und den Blumen ſtehn ſie ausgebreitet,
allenthalben aber ſind ſie lang, nur auf der obern Flaͤche
der Blaͤtter und der Nebenblaͤtter ſind ſie ſehr kurz.
Die Nebenblaͤtter (Bracteae) ſind gegenein-
ander uͤberſtehend zuruͤckgebogen, den Stengel um-
faſſend, eyfoͤrmig, an der Spitze verduͤnnet, ganz
ſtumpf, mit fuͤnf Nerven verſehen, oberhalb wollig,
unten haarig, flach und laſſen kurze Zwiſchenraͤume.
Der Wuͤrtel ſind viele (4 bis 6) entfernt, ſechs
oder vierblumigt von der Mitte bis zur Spitze des
Stengels. Die Blumen ſind ungeſtielt.
Der Kelch iſt einblaͤtterig, trichterfoͤrmig. Die
Roͤhre cylindriſch, etwas weniges gekruͤmmt, haa-
rig: der Rand iſt fuͤnfmal zertheilt und weit offen ſte-
hend, mit linienfoͤrmigen ganzen zugeſpitzten, allent-
halben haarigen Einſchnitten, von dieſen ſind die
zwey uͤbrigen kuͤrzer und breiter.
Die
[236]
Die Blumenkrone iſt einblaͤtterig, rachen-
foͤrmig und weißlich. Die Roͤhre iſt cylindriſch, haa-
rig, krumm und halbmal laͤnger, als die Roͤhre des
Kelchs. Die Muͤndung iſt zuſammengedruͤckt. Die
Oberlippe iſt in die Hoͤhe ſteigend, eyfoͤrmig, an der
Spitze kaum merklich ausgerandet, auf dem Ribben
ſehr haarig. Die Unterlippe iſt dreymal zertheilt
und ganz; die beyden Seiteneinſchnitte ſind laͤnglich,
rundich, zuruͤck geſchlagen; ihr aͤuſſerer Rand ſteigt
nach auſſen in die Hoͤhe, im Bogen beider Einſchnitte
in die Hoͤhe gerichtet, und wird in dem mittlern Ein-
ſchnitt fortgeſetzt, der eyfoͤrmig nach oben ſich beugt
und ausgerandet iſt.
Der Staubbehaͤlter (Stamina) ſind vier:
die Staubfaͤden vier, zugeſpitzt, aufrecht, in der Ober-
lippe der Blumenkrone verborgen, etwas kuͤrzer als
dieſe und glatt. Die beyden aͤuſſern, die etwas laͤn-
ger als die uͤbrigen ſind, werden nach der Befruch-
tung (wie bey Betonica und Stachys) nach der Seite
gebogen. Die Staubbeutel ſind laͤnglicht und
einfach.
Das Piſtill. Der Fruchtknoten iſt viermal
zertheilt im Grunde des Kelchs. Der Styl fadenfoͤr-
mig glatt unter der Oberlippe und etwas laͤnger als
die Staubbehalter, die Narbe iſt zweyſpaltig und
ſpitz, wie bey der Sideritis.
Eine Frucht iſt nicht da.
Der einzige Saamen iſt kugelrund im Grunde
des Kelchs.
Aus dieſer gegebenen Beſchreibung erhellet, daß
die Gattung Zietenia von den uͤbrigen ſehr verſchie-
den ſey:
- 1) durch den beynah trichterfoͤrmigen Kelch, deſ-
ſen Rand weit offen ſteht und linienfoͤrmige lan-
ge Einſchnitte hat.
2) durch
[237]
- 2) durch die beiden zuruͤck geſchlagenen Einſchnitte
der Unterlippe der Blumenkrone und den mitt-
lern zuſammengefalteten Einſchnitt. - 3) durch einen allezeit vollkommenen Saamen in
jedem Kelche, an deſſen Baſis drey unreife ſehr
kleine, oder vielmehr nur Anlagen bemerket wor-
den, wie bey der Colinſonia.
Der weſentliche Character iſt in meinem Pflan-
zenſyſtem pag. 184. n. 766 gegeben worden. Der
natuͤrliche aber fließt aus der gegebnen Beſchreibung
von ſelbſt, und wir koͤnnen ihn leicht auf folgende Art
machen:
- Cal. Perianthium monophyllum, hypocrateriforme:
Tubo ſub cylindraceo: Limbo quinquefido: la-
ciniis linearibus, acutis, patentibus longisſimis
ſub aequalibus. - Cor. monopetala, ringeus. Tubus cylindraceus in-
curvus. Faux compreſſa. Labium ſuperius ad-
ſcendens, ovatum levisſime emarginatum.
Labium inferius trifidum: laciniis lateralibus
rotundatis, reflexis ſurſum adſcendentibus, in
intermediam ovatam, emarginatam, compli-
catam. - Stam. Filomenta quatuor ſubulata, corolla breviora,
ſub labio [ſuperiore] recondita; quarum duo
longiora ad latus flexa. Antherae oblongae
ſimplices. - Piſtill. Germen quadrifidum; Stylus filiſormis ſtami-
nibus longior, ſub labio ſuperiore ſtigma bifi-
dum acutum. - Pericarpium nullum.
- Semen unicum globoſum, in fundo calycis.
Alſo
[238]
Alſo iſt ſie ſehr nahe mit Stachis verwandt, aber
von Galeopſis, Sideritis, und Betonica ſehr weit ver-
ſchieden, welche Gattungen auf keine Art in eine wah-
re und natuͤrliche Gattung zuſammen fließen.
Die Art der Zietenia.
- 1. Zietenia orientalis
- Galeopſis orientalis Lavendulæ folio, calyce
villoſisſimo Tourn Caroll II. - Galeopſis Armena Lavendulae folio Herb. viv.
Gundelian. - Sideritis parva, floribus purpureis Buxb. Cent.
V. Plant pag. 32 tab. 61. fig. 1.
- Galeopſis orientalis Lavendulæ folio, calyce
Sie waͤchſt in den bergigten Gegenden von Ar-
menien, wo ſie im Monath May bluͤht.
Dieſe neue Pflanzengattung, deren natuͤrlichen
Charakter ich eben feſtgeſetzt habe, habe ich Zietenia
genannt, zum Andenken eines Liebhabers der Pflanz-
kunde, des durch ſeine phyſiſchen Kenntniſſe in der
Gaͤrtnerkunſt, Oekonomie und Forſtweſen ſehr wohlver-
dienten ſiebzigjaͤhrigen Hrn. George Friedrich von Zie-
ten, Rittmeiſter bey dem Garde du Corps-Regiment;
Ritter des Johanniterordens und Commentur, Herr
dieſes Ordens zu Siefelbein und Lagow, der wegen
Seines botaniſchen Gartens zu Trebnitz ſchon uber
dreißig Jahre beruͤhmt iſt.
Erklaͤrung der Kupfertafel.
- Tab. I.
- a. die ganze Pflanze in natuͤrlicher Groͤße ab-
gebildet. - b. Ein abgeſchnittener junger breitblaͤttriger
unfruchtbarer Zweig.
- a. die ganze Pflanze in natuͤrlicher Groͤße ab-
Tab.
[239]
- Tab. II. Die Befruchtungstheile der Zietenia und
zwar:- C. der Kelch mit einer noch nicht entfalteten Blu-
me, die nur wenig aus demſelben hervor-
ragt. - D. der Kelch mit der aufgeſchloßnen Blume.
- E. der Kelch beſonders.
- A. die Blumenkrone von der Seite.
- B. die Blumenkrone von vorne betrachtet.
- t. die Roͤhre.
- l Oberlippe.
- d. die zuruͤck gebogenen Seiteneinſchnitte der
Unterlippe. - e der mittlere Einſchnitt der Unterlippe, deſ-
ſen Raͤnder in die Hoͤhe ſtehn, ſo daß die
Flaͤche oben hohl iſt. - f. die Falte wo beyde Einſchnitte der Lippe
zuſammentreffen.
- F. Die Blumenkrone von der untern Seite der
Laͤnge nach geoͤfnet, damit die innern Theile
getrennt werden koͤnnten.- l. Oberlippe.
- m. die Unterlippe zerſchnitten.
- h. die laͤngern auf die Seite gebogenen Staub-
faͤden. - i. die kuͤrzern aufrechten Staubfaͤden.
- k. der Styl.
- G. Ein laͤngerer Staubbehaͤlter mit einem ausge-
ſtaͤndten Staubbeutel der laͤnglich iſt. n.
H. Ein
[240]- H. Ein kuͤrzerer Staubbehaͤlter mit einem vollen
runden Staubbeutel. p. - I. Der Fruchtknoten mit dem Style und der zwey-
ſpaltigen Narbe. s. - K. Die einzelnen Saamen mit den Anlagen der
unreifen Saamen an der Baſi.- a. Die Blume der Stachis germanica Linn.
mit der ganzen zuruͤck geſchlagenen Unter-
lippe. - b. Die Blume der Stachys paluſtris von
vorne. - c. Der zweylippige, haarige Kelch des Thy-
rii Maſtichinæ Lin.
- a. Die Blume der Stachis germanica Linn.
- C. der Kelch mit einer noch nicht entfalteten Blu-
[[241]]
Muthmaßung
uͤber
die durchſichtigen Koͤrper des Michelii, die bey
einigen Blaͤtterſchwaͤmmen gefunden werden
Dem, der die Arten der Blaͤtterſchwaͤmme (Agaria)
und deren Befruchtungswerkzeuge unterſuchen wird,
kommen in den Blaͤttern der Schwaͤmme ſelbſt drey
der genauern Unterſuchung ſehr wuͤrdige Gegenſtaͤnde
vor. Die Blaͤtter (Lamellæ) von denen ich ſpreche,
die ſich auf der unteren Seite des Huts zeigen, werden
von doppelter Art gefunden. Einige ſind ganz und
von dem Mittelpunkt wo der Stengel befeſtiget iſt bis
an den aͤuſſern Umfang ausgedehnt, mit andern klei-
nern meiſtentheils dazwiſchen geſtellten, die ſchmaͤler
als die erſtern ſind, welche entweder von der Peri-
pherie oder vom Mittelpunkt ihren Urſprung nehmen,
in der Mitte aber ſogleich ſich enden.
Eben genannte Blaͤtter machen die wahren Behaͤl-
ter der Befruchtungstheile aus, aus deren obern
Rande wahre Staubbehaͤlter (Stamina) mit ihrem
Staubbeutel und Zeugungstheilen begabt haͤngen;
beyde Flaͤchen aber jedes Blaͤttchens ſind haͤufig mit
Saamen bedeckt, und von warzenfoͤrmigen durchſich-
tigen Hervorragungen rauch.
QDas
[242]
Das erſte Denkwuͤrdige alſo ſind die maͤnnlichen
Organe oder die Staubbehaͤlter ſelbſt, von den weib-
lichen auf eben dem Gewaͤchſe ſehr entfernt. Das
zweyte Denkwuͤrdige machen die haͤufigen auf jeder
Seite des Blaͤttchens verſtreute, von den Staubbe-
haͤltern entfernte, nur durch ein bewafnetes Auge von
einander zu unterſcheidende Saamen aus. Das dritte
Merkwuͤrdige, was einer nothwendigen und aufmerk-
ſamen Betrachtung uͤberaus wuͤrdig iſt, macht die
haͤufigen durchſichtigen Koͤrper (corpora diaphana
Michelii) des Michelii aus, die von den Staubbe-
haͤltern verſchieden ſind und mit dem Saamen ab-
wechſeln.
Zu verwundern iſt es indeſſen, daß die maͤnnli-
chen Zeugungstheile, die man durch Vergroͤſſerun-
gen entdeckt hatte, und die weiblichen, wegen ihrer
großen Kleinheit aller Naturforſcher Unterſuchung
ſich entzogen haben, ausgenommen der Saame, denn
kein anderer Theil kommt ſo nicht zum Vorſchein. Je-
doch zeigt der Staub der Staubbeutel, welcher zwi-
ſchen die durchſichtigen Koͤrper faͤllt, ſehr deutlich die Ge-
genwart der weiblichen Organen die ſich in der Subſtanz
der Blaͤttchen verbergen, deren kleine Oefnungen die
feinen Theile des Saamenſtaubes vielleicht in ſich
aufnehmen, oder wenigſtens das in ihnen enthaltene
befruchtende Weſen in Geſtalt eines Hauchs oder
Dunſtes aufnehmen.
Vielleicht iſt dieſe Vermuthung der Oefnungen in
den weiblichen Zeugungstheilen innerhalb der durch-
ſichtigen Koͤrper auf der Oberflaͤche der Blaͤttchen ſo
uͤbel und ſo ungereimt nicht? da nicht allein der Saa-
menſtaub zu denen zwiſchen den durchſichtigen Koͤr-
pern gelegenen Raͤumchens wirklich gelangt, ſon-
dern auch kurz nachher an denſelben Oertern voll-
kommen reifer Saame gefunden wird. Sonder-
bar iſt alſo die bey den Blaͤtterſchwaͤmmchen den voll-
kom-
[243] kommenen Pflanzen aͤhnliche Befruchtung zu finden,
bey welchen Maͤnnchen und Weibchen unter ſich ge-
trennt, auf einer Pflanze bemerkt werden. (plantae
monoicae.)
Fuͤr wirkliche weibliche Zeugungstheile koͤnnen
nicht gar wohl die durchſichtigen Koͤrper des Michelii
gehalten werden, und zwar vornehmlich deswegen,
weil ſie vom Anfange gleich bis zum Zerfließen des
Schwammes von der Geſtalt und Groͤße unveraͤndert
bemerket werden; dieſes muͤßte bey den weiblichen
Zeugungstheilen der Gewaͤchſe, nach den Geſetzen der
Zeugung, ſich anders verhalten.
Seine durchſichtigen Koͤrper beſchreibt der gelehrte
Michelius in ſeinen Novis Plantarum Generibus pag.
133 mit dieſen Worten:
„In aliquibus præterea fungorum ſpeciebus ac
„potisſimum in iis, quae in equorum boum
„ac ſimilium animalium fimo naſcuntur illud
„obſervavimus animadverſione dignum videli-
„cet ſuperficiem earundem laminarum Tab. 73.
„fig. I. non ſeminibus tantum verum etiam
„corporibus quibusdam diaphanis ſingula vero
„in nonnullis ſpeciebus conica K. in aliis pyra-
„midata L ornatum eſſe, quibus corporibus fit
„ſagaci naturæ conſilio, ne alterum ex iisdem
„laminis altera contingat, ne forte ſemina in-
„ter easdem laminas depraventur, vel non de-
„cidant, niſi [quando] decidere debent, quae
„quidem corpora maturo ac etiam delapſo ſe-
„mine concidunt.
Hier will ich noch etwas hinzu fuͤgen, was theils
den Nutzen dieſer Koͤrper mehr erlaͤutert, theils aber
auch des beruͤhmten Michelius Meynung einigerma-
ſen verbeſſert. Denn ich bin mehr durch eine haͤufige
Unterſuchung der vollkommenen Blumen, als durch die
Q 2Be-
[244] Betrachtung der Schwaͤmme ſelbſt, uͤberzeugt wor-
den; daß die durchſichtigen Koͤrper eine weit edlere
und ſichere Beſtimmung bey den Blaͤtterſchwaͤmmen
haben.
Was aber die Arten der Schwaͤmme betrift, ſo hat
ſicher Michelius keine andere, als Blaͤtterſchwaͤmme ver-
ſtanden, die ich alle in meinem Methodo Fungorum
nach der Guͤtigkeit ihres natuͤrlichen Characters zum
Agaricus gebracht habe. Seinen durchſichtigen Koͤrpern
aber, die er nur bey einigen Schwaͤmmen und bey de-
nen vorzuͤglich die auf Miſt, oder thieriſchen Unflath
wachſen, will bemerkt haben, kann ich nicht beypflich-
ten. Im Sommer und Herbſt habe ich auch an an-
dern Arten von Schwaͤmmen oft mit bewafnetem
Auge dieſe Koͤrper entdeckt, beſonders bey denen, die
ſchattige, feuchte und fuͤr den freien Luſtzug verſchloſſene
Oerter lieben.
Bey den andern Arten der Blaͤtterſchwaͤmme
aber, deren Blaͤtter haͤrter, trockner, knorpelartiger
und faſt unverwelklich ſind, habe ich die durchſichtigen
warzenfoͤrmigen Koͤrper noch nicht bemerkt, ob ich
gleich nicht zweifle, daß ſie aus aͤhnlichem Grunde im
natuͤrlichen Zuſtande bey mehreren gegenwaͤrtig ſind,
und ſeyn koͤnnen, ob ſie gleich ſich nicht ſo leicht (wie bey
den vorher genannten) bemerken laſſen. Denn natuͤr-
liche Schlußfolge, ihr Nutzen und ihre Nothwendig-
keit ſprechen dafuͤr.
Dieſe Koͤrper ſind, wie ich ſchon oft geſagt habe,
nicht anders, als durch eine ſtarke Vergroͤſſerung ſicht-
bar, ſie ſind warzenfoͤrmige Hervorragungen von ver-
ſchiedener Groͤße, von welchen einige groͤſſer als die
uͤbrigen und ſparſamer, andere zweymal kleiner und
haͤufiger uͤber die ganze Oberflaͤche des Blatts mit den
groͤſſern gemiſcht ſind.
Bey verſchiedenen Arten weicht die Geſtalt der
Koͤrper ab, die bald rund und kegelfoͤrmig, bald py-
rami-
[245] ramidenartig und eckig vorkommen. Die Raͤume
welche zwiſchen den Warzen ſich befinden, ſind waͤh-
rend der Bluͤthen mit Blumenſtaub bedeckt, und kurz
nachher mit dem Saamen ſelbſt angefuͤllt, der entwe-
der in einfacher, oder in keiner Ordnung geſtellt iſt.
Was die Lage der Koͤrper betrift, welche ſie auf
den Blaͤttern der Blaͤtterſchwaͤmme beobachten, dieſe
iſt in Ruckſicht jedes einzelnen Blattes allezeit wage-
recht, und oͤfters auf einer Seite beſſer, als auf der
andern zu erkennen.
Michelius nennt ſeine Koͤrper durchſichtig und
zwar mit Recht, denn ſie ſind vom feinſten Gewebe,
wie cryſtallene Rinde, die man auf Deutſch Druſe
nennt, oder nach Art der Salze durchſichtig, die in
unterirdiſchen Gruben nicht ſelten kleine Hoͤhlen ganz
einnehmen und bilden.
Einen doppelten Nutzen dieſer Koͤrper geſtattet
Michelius; aus der Lage ſchließt er, waͤren ſie viel-
leicht in der Abſicht den Koͤrpern vorzuͤglich gegeben;
erſtlich, damit nicht die mit Saamen belaſteten Blaͤt-
ter zuſammenſchluͤgen, und die Saamen druͤckten;
endlich damit auch nicht die Saamen vor dem Reif-
werden heraus fallen.
Sehr gerne wuͤrde ich der Meynung dieſes be-
ruͤhmten Mannes beypflichten, wenn nicht das wie-
derholte Betrachten der Schwaͤmme etwas anders
lehrte. Denn die durchſichtigen Koͤrper, welche auf
beiden Seiten der Blaͤtter zerſtreuet ſind, bringen zur
Zeit der Begattung wenn ſie eben noch ſteif und erſt
entſtanden ſind, die weichen, vorher ganz bedeckten
und verſchloſſenen Blaͤtter durch die Huͤlfsmittel der
Entwickelung auseinander, indem ſie ſich wechſelſei-
tig ausdehnen und der Luft und dem maͤnnlichen Saa-
menſtaub durch Oeffnung ihrer Hoͤhlen den Eingang
verſchaffen. Nach vollendeter Befruchtung wird der
ganze Schwamm entwickelt und die mit Saamenſtaub
Q 3be-
[246] bedeckten Blaͤtter ſchwellen an, werden ſteif, und ge-
hen ſo weit von einander, daß ſie der Koͤrper nicht
mehr beduͤrfen. Was die durchſichtigen Koͤrper des
Michelii zu der Zeit betrift, da ſind ſie ſehr zart, kurz,
und den Blaͤttern entgegen geſetzt, erreichen ſie aber we-
der, noch ſind ſie wegen ihres ſchwachen Baues im
Stande die Blaͤtter von einander abzuhalten.
Auch ſcheinen ſie von der Natur nicht darum eini-
gen Blaͤtterſchwaͤmmen gegeben zu ſeyn, daß ſie das
zu fruͤhe Abfallen der Saamen verhindern, weil die
reifen geſunden Saamen feſt auf ihrem Behaͤltniſſe
gewachſen ſind, und niemals abfallen, als durch einen
Fehler, Biß der Inſekten oder andere auſſerhalb ſich
zutragende Ungluͤcksfaͤlle.
Da aber die Blaͤtter der Blaͤtterſchwaͤmme die
wahren Behaͤlter der Befruchtung ſind, auf deren
flachen Seite nicht allein das Ausſtreuen des maͤnnli-
chen Saamenſtaubes ſich zutraͤgt, ſondern auch das
Einziehen dieſes maͤnnlichen Staubes in beſondere
Gefaͤße geſchieht, worauf die Vervollkommnung des
Saamens folgt, ſo erhellt daraus, daß die um die
weiblichen Zeugungstheile geſtellten durchſichtigen
Koͤrper des Michelii die vom Anfange der Entwicke-
lung bis zur Reife des Saamens ſtehen bleiben, zu ei-
nem weit edleren Zweck gegeben worden ſind. Und
alle Umſtaͤnde beweiſen, daß ſie in Ruͤckſicht des Saa-
menſtaubs einigen Arten gegeben ſind.
Dieſe durchſichtigen Koͤrper oder Huͤlfsmittel die
Begattung zu befoͤrdern, habe ich auch bey einigen
vollkommenen Blumen, ſowohl auf dem Piſtill als den
weiblichen Organen, als auch auf dem Staubbeutel
bemerkt, und zwar bald laͤnglichrund, eckig, gerade,
unzertheilt; bald aͤſtig, ſteif, borſtenartig, ausgedehnt,
blaͤtterig; zugeſpitzt, zuruͤck gebogen und hackig, nach
der einen oder andern Seite gebogen, oder nach allen
Seiten gerichtet. u. ſ. w.
Sie
[247]
Sie nehmen meiſtentheils das Piſtill ein, ein be-
ſonders Werkzeug, wohin nach den Geſetzen der Na-
tur der Zeugungsſtaub faͤllt. Zum Beyſpiel kann
hier vor allen andern die Narbe in der Blume des
Kuͤrbis und der weißen Lilie dienen.
Die Narbe der weißen Lilie iſt dick und dreyeckig,
ganz mit durchſichtigen dickern nach allen Seiten hin-
gerichteten Koͤrpern wie mit Stacheln beſetzt, welche
auch die oben offene Hoͤhlung des cylindriſchen Grif-
fels umgeben, die aus der Seite ſtaͤubende Menge des
Blumenſtaubes aufnehmen und nicht ſelten bis zum
Verwelken des ganzen Piſtills bey ſich behalten.
Hierzu kommt die runde, laͤnglichte oder ſphaͤriſche
Geſtalt des maͤnnlichen Staubes, die auf der Ober-
flaͤche meiſtentheils mit Stacheln befeſtigt iſt, welche
zu dieſem Zweck vortreflich paßen.
Zwar bringen dergleichen Pflanzen oͤfters keine
Frucht, nichts deſto weniger aber bin ich dieſen Som-
mer von der Aufnahme des maͤnnlichen Staubs
durch die Narbe in dem Griffel uͤberzeugt worden.
Zu welchem Ende ich jeden Monath die Piſtille der
Lilien unterſucht habe, und habe das Ausfallen des
maͤnnlichen Staubs bey der weißen Lilie uͤber die Nar-
be einigemal geſehn. Die Narbe derſelben war mit
einer Menge dieſes Staubs faſt ganz bedeckt, und ein
Theil des vegetabiliſchen Zeugungsſtaubs hing nur ober-
flaͤchlich auf den genannten, durchſichtigen Warzen, am
dritten oder vierten Tag aber war er meiſtens verloh-
ren, der ausgenommen, der auf den Theil der Narbe,
wo die durchſichtigen Koͤrper mit ihren Zwiſchenraͤu-
men weiter eindringen, gefallen war.
Ein einziges Korn von dieſem kleinen Zeugungs-
ſtaube, der bis zur Hoͤhlung des Griffels gekommen
war, war ſchon bis zur Mitte nach dem Fruchtknoten
[gekommen]. Dieſes Korn hatte ſchon ſeine Geſtalt
innerhalb dem Griffel ſo veraͤndert, daß es ganz zer-
ſtoͤrt
[248] ſtoͤrt ſchien, der Fruchtknoten war etwas aufgeſchwol-
len, und hatte ſeine Geſtalt, ſo wie der Saamen ver-
aͤndert.
Eine andere Art der durchſichtigen Koͤrper habe ich
in dieſem Jahre bey dem Kuͤrbiß auf dem Staubbeu-
tel waͤhrend der Zeit, daß der Staub ausgeworfen
wurde, entdeckt, die dick, laͤnglichtrund, oben zuge-
ſpitzt und krumm iſt.
Ein cylindriſcher und gerader Koͤrper bildet den
Staubbeutel, der mit einer ſtaubgebenden cirkelfoͤrmi-
gen Linie die nach oben und auſſen ſich ſchlingt, um-
geben iſt. Bald mehrere, bald wenigere durchſichtige
Koͤrper ragen nach Art der Keile aus den Raͤndern der
ſtaubtragenden Linie hervor, welche, indem ſie die
Decke der Raͤnder durchbohren, allmaͤhlig reizen, ſte-
chen und zur ſchleunigen Auswerfung Gelegenheit ge-
ben, auf welche Art die langſame Ausſtreuung des
Zeugungsſtaubes bewirket wird, indem die Raͤnder
durch die Warzen gereizt, mit einer gewiſſen Schnell-
kraft aufſpringen.
Mehreres habe ich noch nicht geſehn und wage es
auch nicht zu behaupten, die Aehnlichkeit der durch-
ſichtigen Koͤrper des Michelii mit andern auf den Pi-
ſtillen oder Staubbeuteln der vollkommenen Blumen
haben mich bis dahin gefuͤhrt, und zu dieſer Abhand-
lung Gelegenheit gegeben.
und beſte Praͤſervativ, vielleicht auch wohl eine Cur fuͤr
dieſe Seuche ſeyn.
auf die Weide kein Viehſterben ſich ereignet; ſo muß ent-
weder der Genuß des Graſes oder die Bewegung die
Urſach ſeyn.
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CC-BY-4.0
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- Zitationsvorschlag für diese Edition
- TextGrid Repository (2025). Gleditsch, Johann Gottlieb. Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bj2s.0