[][][[1]]
Mit GOtt!
Eigentliche Beſchreibung
Des
Entſetzlich-groſſen
Heuſchrecken-Heers

Welches
Jm AVGVSTO, A. C. cIↄ Iↄc XCIII.
Bey und unweit Jena
Jn denen Fuͤrſtlichen Aemtern
Orlamuͤnda/ Roda/ und Leuchtenburg

mit iedermans Beſtuͤrtzung erſchienen



JENA:
Zu finden bey Johann Bielcken.
[[2]][3]
[figure]

Das walte der groſſe und ſtarcke GOtt/ der
zwar vielerley Heer hat/ ſo Er ausſendet/
uns uͤmb unſerer Suͤnde willen heimzuſu-
chen/ iedoch auch aus vaͤterlicher Barm-
hertzigkeit ſein Abſehen dahin richtet/ uns
zur wahren Buſſe zu locken; wie Er denn
der Bußfertigen Hertzen ihr Gebet nicht
verſchmaͤhet/ noch ſeine Guͤte von uns wen-
det! Seinem heiligen Nahmen ſey Ehr
und Lob/ von nun an/ biß in Ewigkeit/ Amen.


§. 1.


ES hat dem Allerhoͤchſten gefallen/ im Mo-
nat Auguſto/ dieſes lauffenden 1693. Jahres/
unſer Land und Gegend mit Heuſchrecken
heimzuſuchen. Weiln denn ſolches ein gantz
ungewoͤhnliches Werck GOttes iſt/ davon
nicht allein iederman redet/ ſondern auch von
vielen ein ungegruͤndeter Zuſatz gemachet/ hingegen aber
von andern einen gruͤndlichen Nachricht zu haben/ ver-
langet wird; hiernechſt auch dieſe Geſchicht wohl wehrt
iſt/ daß ſie fleißig erforſchet und beſchrieben werde/ das
Gedaͤchtnis der goͤttlichen Wunder zu erhalten/ und da-
mit nicht nur denen/ ſo anitzo leben/ ſondern auch der
Nachwelt zu dienen; Zugleich auch die Erſchrocknen aus
A 2Got-
[4] GOttes Wort aufzurichten/ und die ſichern und rohen
Gemuͤther zu heiligen Gedancken und gottſeeligen Wan-
del anzufriſchen; Als habe ich mir die Muͤhe genommen/
und an alle Diener Gottes/ ſo der hieſigen Inſpection un-
tergeben/ deßwegen geſchrieben/ damit ſie darvon aus-
fuͤhrlichen Bericht erſtatten moͤchten/ was ſich dißfals an
einem und andern Orte zugetragen. Woraus denn/
ſo wohl aus dem/ was ich ſelbſten geſehen/ und von andern
gewiſſen Leuten erfahren koͤnnen/ ich gegenwaͤrtige Nach-
richt verfaſſen/ und mit mancherley Anmerckungen/ und
Erinnerungen erlaͤutern wollen: mit dem inniglichen
Wundſche/ daß er vielen zu erwuͤndſchter Beſſerung die-
nen moͤge!


§. 2. Damit aber der geneigte Leſer den Jnnhalt
gegenwaͤrtigen Berichts kuͤrtzlich vor ſich haben moͤge/ ſo
ſoll von folgenden ſieben Puncten gehandelt werden:
I. Von der Art und eigentlichen Beſchaffenheit unſerer
Heuſchrecken. II. Von der Zeit ihrer Ankunfft. III. Von
der Art und Weiſe ihres Zuges. IV. Von dem Sch[a]den/
den ſie angerichtet. V. Woher es eigentlich ruͤhre/ daß
dergle[i]chen Heer-Zuͤge geſchehen? VI. Was ſie wohl be-
deuten und nach ſich ziehen moͤchten? Und endlich VII.
Was denn vor Mittel/ wieder ſolch Heer/ und anderes
Ubel/ ſo darauskommen moͤchte/ zu ergreiffen?


§. 3. Bey dem erſten/ der gemeinen Schul-Art
nach/ von dem Nahmen der Heuſchrecken anzufahen/ ſo
moͤgen ſie wohl mit dieſen Nahmen beleget werden/ von
wegen des Schreckens und Schadens/ den ſie in dem
Heu anrichten. Wiewohl der gelehrte Matthias Marti-
nius
in ſeinem Lexico Philologico in dem Worte Locuſta an-
mercket/ daß diß Wort eigentlich herſtamme/ von dem
Wort
[5] Wort Schricken/ welches zwar bey uns nicht im Ge-
brauch iſt/ doch ſo viel bedeuten ſoll/ als ſubſilire, paſſum,
facere
, huͤpffen und fortſchreiten; (mit welchen das
Griechiſche Wort [...], ſalire, ziemlich uͤbereinkoͤmmet)
und koͤmt alſo diß Wort den Heuſchrecken zu: quia locuſtæ
in fœno ſaltitant
weiln die Heuſchrecken im Heu und Graß
heruͤmb huͤpffen. Davon vielleicht herruͤhret/ daß man
dergleichen Ungeziefer/ mit Verſetzung zweyer Buchſta-
ben pfleget Schircken zu benamſen. Die Lateiner brau-
chen das Wort locuſta, à locis urendis, weil die Heuſchre-
cken nicht nur im Graſe huͤpffen/ ſondern es an manchen
Orte ſo zurichten/ als wenn es abgeſenget und verbrennet
were; wovon an dem angefuͤhrten Orte ein mehrers/ wie
auch von mehrern Nahmen in all[e]rley Sprachen kan
nachgeleſen werden.


§. 4. Wie vielerley Arten der Heuſchrecken gefun-
den werden moͤgen/ ſolches uͤberlaſſen wir denen Natur-
kuͤndigern zu genauerer Erkundigung. Unterdeß/ was
dieſe unſere neue Gaͤſte anlanget/ ſo haben ſie eine ziemli-
che Verwantnis mit denen jenigen gruͤnen Heuſchrecken/
ſo ſich jaͤhrlich bey uns in dem Graſe und in dem Getreide
zu befinden pflegen/ und ingemein Gratzhaͤuer genen-
net werden/ ſind aber gleichwohl von denenſelben in vielen
Stuͤcken unterſchieden.


§. 5. Denn was der Heuſchrecken ihre Groͤſſe anlan-
get ſo ſind ſie ingemein ſo groß odeꝛ ein weniges groͤſſer/ als
die groͤſten Graßhauer: Wie denn/ wenn man ſie tod gegen
einander wieget/ ſie im Gewicht faſt uͤber einkem̃en/ uñ die
Heuſchrecken jene/ wenn ſie wegerer/ nur uͤmb ein gerin-
ges uͤberwiegen. Sie haben/ gleich jenen/ ſechs Beine/
vier kurtze/ und hinden naus zwey ſehr lange ſo zu Ende
A 3gel-
[6] gelbe und voll ziemlich groſſer Zacken ſind/ womit ſie denn
groſſe Lufftſpruͤnge verrichten koͤnnen. Auch haben ſie
vier Fluͤgel/ wie die Graßhaͤuer. Und ſtelle ich dahin/
wie Plinius zuverſtehen und wovon er redet/ wenn er ſchrei-
bet: inſectum infirmis pennis alatum, die Heuſchrecke ſey ein
Thier/ ſo mit ſchwachen Federn befluͤgelt iſt. Viel-
leicht eignet er ihnen die Federn nur Gleichnisweiſe zu/ wie
der Fiſche ihre Ruder Floßfedern genennet werden. Un-
ſerer Heuſchrecken ihre Fluͤgel ſind nur eine ſubtile Haut/
darinnen ſtarcke Adern Striche machen/ und ſie gleichſam
in Felder abtheilen. Auf ieder Seiten ſtehen zween Fluͤ-
gel/ zu erſt ein ſchmal und langer/ darnach ein breiterer/
welche ſie/ wenn ſie ruhen/ uͤbereinanderlegen/ wie auch die
Graßhaͤuer thun; geſtallt ſie auch nicht viel laͤnger ſind/
als dieſer ihre Fluͤgel zu ſeyn pflegen. Und wie die gemei-
nen Heuſchrecken oben am Halſe einen ziemlichen Dalar
oder Umbſchlag faſt wie eine Muͤnchs-Kappe haben/
dadurch das Haupt und der Ruͤcken an einander ver-
knuͤpffet ſind; ebener maſſen iſt bey unſern Gaͤſten derglei-
chen zu finden; doch iſts auch etwas groͤſſer/ als bey
jenen.


§. 6. Gleichwohl haben ſie hinden am Leibe kein
ſolch Schwerd oder Schwantz/ wie die gemeinen Heu-
ſchrecken oder Graßhaͤuer haben; ſind am hinder Theil
des Leibes etwas ſchwaͤcher/ doch uͤmb die Bruſt (ſo unten
villoſum und mit Faſen bewachſen) viel ſtaͤrcker und brei-
ter. Sie ſind auch ſtaͤrcker am Haupte und Gebiſſe.
Sintemahl/ wie dergleichen Ungeziefer auf ieder Seiten
einen ſolchen Kinnbacken zu haben pfleget/ ſo inwendig ge-
kerbet/ und in der That ein einiger Zahn iſt: alſo haben die-
ſe unſere Gaͤſte auch auf ieder Seite einen ſolchen Zahn/ ſo
ſchwartz
[7] ſchwartz oder blau von Farbe/ doch uͤmb ein merckliches
ſtaͤrcker und groͤſſer iſt/ als die gemeinen Heuſchrecken ha-
ben. Sind alſo von GOtt darzu ſonderlich gewaffnet
und geruͤſtet/ daß ſie mit ſolchen ihren Zaͤhnen harte Koͤr-
ner zu malmen/ und gar leicht groſſen Schaden anrichten
koͤnnen. Wie denn ſolches deſto beſſer zu effectuiren/ die
Natur ihnen ein ſonderlich groſſes receptaculum verliehen/
indem die Speiſe gleich durch den Schlund in einen wei-
ten/ langen Darm faͤllet/ ſo in einer Gleiche biß hinden an
reichet. Mox à ventre inteſtinum rectà in caudam finit, quà
excrementa emittunt; Ariſtot. I. 4. Hiſt. Anim. c. 2
.


§. 7. Die ſo genannten Graßhaͤuer pflegen oben
gantz gruͤn zu ſeyn/ aber mit der Farbe der Heuſchrecken
befindet ſichs etwas anders. Es ſind zwar auch mit un-
ter ſolchen/ welche am Haupte/ Halſe und ſonſten etwas
gruͤn ſeyn/ die meiſten aber haben andere Farben/ als roͤth-
licht/ ſchwartzlicht ꝛc. Gleichergeſtalt ſchreibet Krenzhe-
mius (citante Dn. Hoffm. in chronotaxi Apocal. p. 232.)
von
den Heuſchrecken Anni 1542. varii fuiſſe coloris \& quatuor
habuiſſe alas
, ſie ſeyn von mancherley Farben geweſen/
und haben vier Fluͤgel gehabt
. Wie denn curieuſe
Leute gar vielerley Arten der Farben an ihnen gezehlet ha-
ben: daß alſo die Heuſchrecken ein ſolch Heer repræſenti-
ren/ welches aus Leuten von mancherley Nationen
und L[i]bereyen beſtehet
. Doch ſcheinen die beyden ge-
meineſten Farben gelb und braun zu ſeyn/ alſo/ daß etli-
che am Haupte/ Bruſt und Leibe gelb und am Bauche ſil-
berfarben; etliche aber am Bauche Leberfarb/ und ſonſt
ſchwartz braunlicht ſeyn: davon hernach ein mehrers.
Die Fluͤgel ſind bey allen ſchier uͤberein/ nemlich Silber-
farb/ oder dunckel-weiß/ oder dunckel-gelbicht: dero Fel-
der-
[8] dergen mit ſchwartzen Puncten und Strichlein gar art-
lich ausgezieret ſind.


§. 8. Der ſeelige Herr Johann Möllerus in Allegor.
profano-ſacris part. 1. c. 1. §. 14
. fuͤhret aus andern Autoribus
an/ daß einſten in Engeland/ meiſtlich uͤmb North Folth/
das Getveide von ſolchen Heuſchrecken abgefreſſen/ und
die Erndte verderbet worden/ auf dero Fluͤgel einem das
Wort I. R. A. auf den andern D. E. I. das iſt/ GOttes
Zorn
geſtanden. Gleichergeſtalt iſt bey uns hin und
wieder ausgeſprenget worden/ als ſtuͤnde eine frembde
Schrifft auf den Fluͤgeln der Heuſchrecken. Welches
ſich aber/ bey genauerer Betrachtung/ zur Zeit nicht hat
finden wollen/ dargegen aber Puncte und Strichlein wo-
mit die Fluͤgel/ wie gedacht/ gezieret und ſchattiret ſeyn.


§. 9. Sonſt fuͤhret der ſeel. D. Wolffg. Franzius in
Hiſt. Animal. part. 4. c. 10. p. 812
. aus andern Autoribus an/
daß A. C. 1549. in Ungern eines von Adel ſein groſſer
Weitzen-Schober gantz voll Scorpionen geweſen/ daß
man auch die Garben nicht habe ſicherlich zum dreſchen
hinwegnehmen koͤnnen. Weil man denn endlich reſolvi-
ret/ den gantzen Hauffen zu verbrennen/ ſo habe ſich ein
groſſer Scorpion oben drauf geſtellet/ und geruffen: Deſi-
nite, non ſponte huc venimus, ſed à Deo, in veſtram pœnam
huc misſi
, das iſt/ laſſet nach! denn wir ſind nicht von
uns hieher kommen/ ſondern GOtt hat uns zu eu-
rer Straffe hieher geſendet
. Ob nun wohl unſere
Heuſchrecken nicht alſo ruffen/ auch die Strichlein an ih-
ren Fluͤgeln nichts ſonderliches bedeuten moͤchten/ ſo wird
doch ein Verſtaͤndiger leicht glauben/ daß ſie von GOTT
uns nicht darzu geſendet werden/ daß ſie was gutes ſtiff-
ten/ und dem Lande Nutzen bringen ſolten: davon hernach
mit mehrern wird zuhandeln ſeyn.


§. 10.
[9]

§. 10. Aber wieder auf die Beſchreibung der Heu-
ſchrecken zukommen/ ſo lieſet man/ daß wohl ehe dieſelben
von groſſen Winden in ein Land gefuͤhret werden. Wie
denn/ als Egypten ſolte geplagt werden/ der Oſtwind die
Heuſchrecken herzufuͤhrete/ Exod. 10, v. 13. dennoch/ ſo be-
duͤrffen unſere Gaͤſte zu ihrem Zuge und Fluge keines
Windes. Da die gemeinen Heuſchrecken nur etliche we-
nige Schritte fliegen/ und darnach zur Erden fallen/ ſo
fliegen hingegen dieſe/ auch in der ſtillen Lufft/ und wieder
den Wind (wie dieſer Tage etliche mahl geſchehen) mit ih-
ren Fluͤgeln/ als ein Vogel/ iedoch nicht in ſolcher Ge-
ſchwindigkeit/ dahin. Dabey einige in acht genommen/
daß ſie im fliegen mit ihren Leibern nicht die gerade Linie
ihres Fluges halten/ ſondern den Leib im fliegen etwas
ſchieff fuͤhren. Sind demnach dißfalß von den hielaͤndi-
ſchen gruͤnen Heuſchrecken unterſchieden/ wie etwa die
wilden Gaͤnſe und Enten von den zamen; als welche es
jenen im fliegen auch nicht gleich thun koͤnnen. Wenn ſie
dann in ſtarcken Hauffen fliegen/ ſo gibts ein Geraͤuſche
und Getoͤſe/ da ſie ſonſten/ und ſonderlich/ wenn man ſie
etwas hart angreiffet/ nicht anders/ als ein Vogel oder
Heime zu zwitzſchern pflegen.


§. 11. Die Art und Weiſe der Vermehrung be-
ſchiehet durch Zuſammenhaltung beyderley Geſchlechts/
des Maͤnnleins/ und Weibleins/ alſo daß davon in dem
Leibe des Weibleins/ Eyer generiret werden/ welche es
hernach ſetzet und von ſich leget/ damit ſie durch Wiꝛckung
der Sonnen ausgebruͤtet werden.


§. 12. Unterſchiedliche Scribenten ſind der Mei-
nung/ es ſey zu dero Vermehrung/ die Zuthuung des
Maͤnnleins nicht vonnoͤhten. Unter andern ſchreibet der
BBi-
[10] ſchoff/ Simon Majolus, in ſeinen diebus canicularibus, colloq.
5.p. 188
. alſo: Locuſta etiam à fœminâ, absque maſculo gi-
gnitur. Id habet Ariſtoteles, quem retulit Vinc. Hiſt. natu-
ral. l. 20. c. 140. locuſtam (inquit) vociferantem habuit mu-
lier quædam, eamque nutrivit parvam: cum autem crevit,
ipſam per ſe imprægnatam invenit, \& hoc argumentum, quod
fœmina quælibet ſperma naturaliter habet. Id affirmat etiam
Albertus Magnus animal. l. 1. tract. 1. c. 3
. Aber es ſcheinet
dieſer Beweiß nicht allerdings richtig und bindig zu ſeyn.
Geſetzt/ daß eine Heuſchrecke/ ohne Beywohnung eines
Maͤnnleins Eyer in ſich haben koͤnne/ ſo wuͤrden doch ſol-
ches zur Vermehrung untuͤchtige Eyer ſeyn. Gleichwie
die Huͤner/ Tauben ꝛc. Wenn ſie alleine geſtallet ſind/
auch Eyer legen/ aus welchen aber keine Jungen koͤnnen
gebruͤtet werden.


§. 13. Unterdeß/ nachdem die Heuſchrecken/ ſich uͤ-
ber Vermuthen/ ziemlich lange in hieſiger Gegend aufge-
halten/ und deſto genauer haben betrachtet werden koͤn-
nen/ ſo iſt man gewar worden/ daß ſie von ſehr geiler Art
ſeyn/ alſo daß/ wenn ſie ſich ſetzen/ ſie ſich haͤuffig gatten/
und ſo feſt zuſammen halten/ daß ſie auch wohl ehe/ ſich
mit einander haben laſſen aufjagen.


§. 14. Daruͤber man denn die Maͤnnlein und
Weiblein hat kennen und von einander unterſcheiden ler-
nen. Nemlich die Maͤnnlein ſind ingemein gelbicht/ und
die Weiblein braͤunlicht; ſo ſind auch dieſe ingemein was
groͤſſer und ſtaͤrcker/ als jene/ zumahln/ wenn ſie mit Ey-
ern angefuͤllet ſeyn. (Sunt enim mares, in eo genere, mino-
res, quàm fœminæ
; ſagt Ariſtoteles l. 5. Hiſt. animal. c. 28.)
So ſollen auch der Weiblein viel mehr ſeyn/ als der Maͤñ-
lein/ damit alſo dieſes Ungeziefer ſich deſto haͤufiger ver-
mehren koͤnne.


§. 15.
[11]

§. 15. Jm Anfange/ als ſie zu uns kamen/ funde
man/ bey dero Eroͤffnung/ daß der Darm oder Wanſt
von forne biß hinden aus mit Freſſen ſtarck angefuͤllet/
und ſo dicke geweſen/ daß er den meiſten Theil des Leibes
ausgefuͤllet. Dabey lagen etwa ein paar laͤnglichte
Stuͤcklein/ der dicke nach/ wie eine ziemliche Kaͤſe-Made/
doch nicht gar ſo lang/ und ſo ſchoͤne gelbe/ als ein Eyer-
Dotter/ beneben etlichen ſubtilen weiſen Faͤdgen/ ſo von
Natur zertheilet/ und nicht aneinander zu hangen ſchie-
nen. Doch hat man in Ermangelung eines Microſcopii,
ſolche particulas nicht beurtheilen koͤnnen. Nachdem a-
ber die Heuſchrecken eine ziemliche Zeit in hieſiger Gegend
verblieben/ und von vielen Leuten zerriſſen und genau be-
trachtet worden/ ſo iſt man endlich gewar worden/ daß er-
meldte laͤnglichte und gelbe particulæ, ovula, Eyer oder
Brut ſeyn/ und ſich zeithero ſehr ſtarck vermehret haben.
So iſt man auch zu Reinſtad/ Keßlar/ Croͤbitz und der Or-
ten gewar worden/ daß von gedachten ſubtilen Faͤdgen ei-
nige das Leben haben. Man hat ſie laͤnger als eines Fin-
gers/ ja faſt einer Hand lang befunden/ und wenn man ſie
auf den Tiſch geleget/ ſo haben ſie ein ſchwartz Koͤpffgen in
die Hoͤhe gerecket/ und wie eine Otter getragen/ ſich auch
ſonſt gekruͤmmet und zuſammen geſchlungen/ wie eine
Otter oder Schlange zu thun pfleget/ und ſind etwa nach
einer guten viertel oder halben Stunde geſtorben.


§. 16. Als mir ſolches berichtet/ auch ſolche zuſam-
mengeſchlungene Wuͤrmlein zugeſendet morden/ ſo habe
ich am 2. Septembr. unterſchiedliche Heuſchrecken holen/
und eroͤffnen laſſen/ da ſichs denn befunden (1) daß der
Wanſt nicht ſo mit Freſſen angefuͤllet geweſen/ als vor die-
ſen; Hingegen (2) daß in den Weiblein nicht nur etliche we-
B 2nige
[12] nige ovula, oder Eyer/ ſondern eine groſſe Menge/ zu 60.
70. 80. vorhanden geweſen; neben welchen (3) in dem ei-
nen/ ein obbeſchrieben weiſes Faͤdgen/ das Leben hatte/
und in deꝛ That/ als eine zarte weiſſe Otter anzuſehen war.


§. 17. Jhre excrementa, ſo durch ihren groſſen
Darm von ihnen gehen/ ſind ſo groß/ als ziemlich ſtarcker
Maͤuſe ihre/ vielmahl faſt wie Wildhaber anzuſehen/ doch
von unterſchiedner Farbe/ nach dem Unterſcheid des Fut-
ters/ ſo ſie verzehret/ ſchwaͤrtzlicht/ gruͤnlicht/ grau oder
weißlicht. Ein mehrers/ ſo von dieſen Thieren zu melden/
wird bey folgenden Puncten zu finden ſeyn.


§. 18. Vors andere nun von der Zeit zu handeln/
wenn dieſe Gaͤſte in hieſige Gegend gekommen. So die-
net vor allen Dingen zur Nachricht/ daß man/ wie der
ſeel. Herr Lutherus Tom. 6. Altenb. fol. 923. in der Ausle-
gung uͤber den Propheten Joel beglaubiget/ von dieſer
Plage hiebevor in viel hundert Jahren (nemlich in
Deutſchland) nicht gehoͤret. Aber im vorigen Seculo ha-
ben ſich die Heuſchrecken auch in unſern Landen ſehen laſ-
ſen. Wie denn Sleidanus in ſeinem 14. Buch ad annum
1542
. in der deutſchen edition in folio p. 242. fac. b. ſchreibet:
Jm Sommer dieſes Jahres flohe ein maͤchtiger
Hauffe Heuſchrecken durch Deutſchland und Lom-
bardey/ waren treffendlich groß/ und wie ſie ſich
niederlieſſen/ aͤtzten ſie alles auf dem Felde abe
. Und
der ſeel. Lutherus c. l. erzehlet folgendes: Anno 1544. Hat
man geſehen an viel Enden in Deutſchland/ viel un-
zehliche groſſe Hauffen/ ungewoͤhnlicher Heuſchre-
cken/ gleich als mit Muͤnchs-Kappen/ gruͤn/ gelb
und ſchwartz die weit und breit die Saat auf den
Aeckern/ die Fruͤchte auf dem Felde auffraſſen und
ver-
[13] verderbeten. Und in vergangenen Jahre/ das iſt
im
46. (oder vielleicht 45. Hic numerus 46. habetur etiam,
in latinâ editione, quæ non habetur T. 3. Lat. Jenenſ. velut in
margine notatur, fed T. 4. fol. 645. Sed oportet eſſe vel
ſcribentis aut Typothetæ errorem, vel novam adjectionem:
quia Lutherus ipſo Anno 1546. d. 18. Februar. ex vivis
exceſſit
haben ſie etliche Laͤnder/ ſo an Jtalien ſtoſ-
ſen/ bey Trient/ und an dem Orte im Land zu
Sachſen daß an die Schleſien ſtoͤſſet/ mit groſſen
Hauffen geplaget und Schaden gethan/ und ſind
kom̃en biß gen Koͤnigsberg/ ſo im Lande zu Fran-
cken lieget
.


§. 19. Jch bin auch glaubhafftig berichtet/ daß ohn-
gefehr umbs Jahr 1653. ein ſolch ſchaͤdlich Heer aus Boͤh-
men/ oben im Marck grafthum/ auf den Rhein und die
Schweitz zu ſolle gezogen ſeyn. So hat man auch A. C.
1685
. bey Wien dergleichen geſehen; wird auch von dan-
nen de dato am 15. Auguſti ſt. n. 93. geſchrieben: Geſtern
Abends hat man bey dieſer Stadt eine unbe-
ſchreibliche Menge Heuſchrecken/ welche ſich in der
Lufft/ wie ein Nebel zuſammen gezogen/ geſehen
.


§. 20. Daß eben dergleichen Zug durchs Chur-
Saͤchſiche Voigtland und unſer Thuͤringen iemahl ge-
gangen ſeyn ſolte/ davon habe ich keine Nachricht. Jch
gedencke [n]un durch Gottes Seegen ſelbſten uͤber 50.
Jahr/ h[ab]e aber dergleichen nie geſehen noch davon etwas
gehoͤret weiß mich auch nicht zu entſinnen/ daß ich von
meinen Eltern und andern Leuten (welche in meiner Kind-
heit von vielerley Geſchichten zu reden wuſten) ſolches we-
re berichtet worden. Daher ich ſchlieſſe/ daß wenn ja vor
dieſen ſolche Heere in hieſiger und angraͤntzender Gegend
B 3ſol-
[14] ſolten geſehen worden ſeyn/ ſolches dennoch zum wenigſten
in dieſem lauffenden Jahrhundert nicht geſchehen.


§. 21. Voritzo aber ſind ſie zu erſt/ in der mir an-
vertrauten Inſpection, am 17. Auguſti dieſes lauffenden 93.
Jahres/ war der Donnerſtag nach Maria Himmelfahrt/
und zwar in den beyden Fuͤrſtl. Aemtern Roda und Leuch-
tenburg erſchienen/ und denn weiter ins Amt Orlamuͤn-
da geruͤcket/ in ſolcher Ordnung und Menge/ wie bald her-
nach mit mehrern ſoll berichtet werden.


§. 22. Dannenhero vors dritte/ auf die Art des Zu-
ges zu kommen/ deſſen ſich diß Ungeziefer bedienet/ ſo ſteht
im 30. Cap. der Spruͤche Salomonis v. 27. Heuſchrecken
haben keinen Koͤnig/ dennoch ziehen ſie aus gantz
mit Hauffen egreditur, dimidians totum ipſum, i. e. ut ha-
bet vulgata, egreditur univerſa per turmas ſuas
, ſie verthei-
len ſich/ wie in Schlacht-Ordnungen
/ lautet des
ſeel. Herrn Calovii Auslegung. Darmit denn angezeigt
wird die uͤberaus groſſe Menge/ in welcher die Heuſchre-
cken anzukommen und zu ziehen; darneben ſich gleichſam
in Regimenter und Schwadronen zuvertheilen pfle-
gen.


§. 23. Von dero ſehr groſſen Menge und Hauffen
haben wir allbereit aus Luthero, Sleidano \&c. Bericht ein-
genom̃en/ man findet ſolches auch alſo in den uhralten uñ
andern Geſchichten/ daß ſie in unbeſchreiblicher großer
Menge anzukommen pflegen/ alſo daß ſie das Land/ in
welches ſie kommen/ bedecken/ und wenn ſie fliegen/ die
Sonne/ wie eine dicke Wolcke verdunckeln. Wie denn
auch/ als ſie in Egypten geſendet wurden/ ihrer ſo ſehr viel
waren/ daß ſie das Land bedeckten und verfinſter-
ten
/ Exod. 10. v. 14. 15. Dannenhero auch in Beſchrei-
bung
[15] bung eines groſſen Kriegs-Heeres/ die Vergleichung wird
von den Heuſchrecken hergenommen. Denn im B. der
Richter Cap. 6. v. 5. ſtehet von den Midianitern/ die da-
mahl im Lande Jſrael Meiſter ſpieleten: Sie kamen
herauf mit ihrem Vieh und Hirten/ wie eine groſſe
Menge Heuſchrecken
. Und die Midianiter und Ama-
lekiter/ und alle aus dem Morgenlande hatten ſich nieder-
gelegt im Grunde/ wie eine Menge Heuſchrecken/ und
ihre Camele waren nicht zu zehlen fuͤr der Menge/
wie der Sand am Ufer des Meeres
; ſteht c. 7. v. 12.
wie denn die Gelehrten auch anmercken/ daß das Ebrei-
ſche Wort [...] dem Urſprunge nach/ ein ſolch Gethierig
bedeute/ welches in groſſer Menge daher zu ziehen pflegt/
à Rad. [...] multus ſuit, quod multæ ſemper ſint.


§. 24. Und erinnere ich mich hierbey/ was ich vor
dieſen in des weltberuͤhmten Herrn Ludolfs ſeiner latei-
niniſchen Beſchreibung Abyßinten geleſen/ und wie er aus
bewehrten Scribenten darthut/ daß wohl ehe in den Mor-
genlaͤndern/ Heuſchrecken in unglaublicher Menge/ ver-
mittelſt des Windes/ einen groſſen Weg uͤber das Meer
her gebracht werden/ und ſich auf viel Meilen ausbreiten;
daß ſie offt eines Fußes hoch lebendig uͤbereinander liegen/
von Weibern und Kindern genommen/ an der Hitze ge-
doͤrret/ im Rauch getrocknet/ oder eingeſaltzen/ und her-
nach von den Leuten mit guten Appetit geſſen werden.
Wiewohl dieſe Art der Heuſchrecken/ davon belobter Herr
Autor redet/ von einer ſonderlichen Art/ und Eße-Heu-
ſchrecken ſeyn/ welche etwa der S. Johannes der Taͤuffer
zu ſeiner Speiſſe mag gebrauchet haben. Ja von welchen
er ſelbſt davor haͤlt/ daß ſolche durch das unbekannte Wort
[...]Exod. 16. v. 13. Num. 11. v. 31. verſtanden werden/ und
es
[16] es die Voͤgel geweſen/ damit GOtt die Kinder Jſrael in
der Wuͤſten geſpeiſſet; welches wir an ſeinen Ore geſtellet
ſeyn laſſen.


§. 25. Unterdeß ſagt doch auch Ariſtoteles von den
Heuſchrecken l. 8. Hiſt. Animal. c. 30. tunc optimæ ſunt, cum
gravidæ
, wenn ſie traͤchtig und ſchwanger ſind/ ſind
ſie am beſten
. Es iſt aber an ihnen/ wie ſie bey uns er-
ſchienen ſind, nichts ſonderliches zu finden/ ſo zur Speiſe
dienen koͤnte/ es wird auch nicht leicht iemand es verſu-
chen/ ob etwas davon zu genieſſen; wir habens auch/ Gott
Lob/ zur Zeit nicht Urſach/ es zu verſuchen. Doch machẽ ſich
die Raub-Voͤgel und Sperlinge an ſie/ und lauffen ihnen
die welſchen Huͤner und die Schweine ſehr nach. Derglei-
chen ſollen auch etliche Hunde thun; wie mir denn von ei-
nem bekannten Manne vor gewiß berichtet worden/ daß
ſein/ zwar duͤrr geweſener Hund/ ſich ſtarck und fett dar-
an gefreſſen haben ſolle.


§. 26. Wiederum auf die groſſe Menge der Heu-
ſchrecken/ und dero Art zu ziehen zu kommen/ ſo bin ich vor
gewiß berichtet/ von ſolchen Leuten/ ſo gar genau auf ihr
Thun Achtung gegebẽ/ daß ob ſie ſchon/ wie Salomo ſaget/
keinen Koͤnig haben/ dennoch wenn ſie auf ſeyn wollen/
etliche wenige in die Hoͤhe fahren/ und mit den Fluͤgeln/
wie die Tauben klatſchen/ und denn der helle Hauffe auf-
ſtehe und fortfliege. Wie denn/ auch/ wenn ſie ſich legen
wollen/ etliche/ ſo ein wenig unter den Hauffen fliegen/
auch der gleichen Zeichen geben ſollen; worauf alles auf
einmahl niederfaͤllet.


§. 27. Obbelobter Franzius ſchreibet: p. 807. No-
cturno tempore torpent, \& in æſtu meridiano vigent
, das iſt/
bey naͤchtlicher weile ſind ſie ganz ſchlaff und traͤ-
ge/
[17] ge/ aber bey der Mittags-Hitze ſind ſie hurtig und
gleichſam recht lebendig
. Und pag. 811. Ante ortum,
ſolis à loco, cui inſederant, non movebantur, orto ſole de-
mum per cohortes ſuas proficiſcebantur
, das iſt/ vor der
Sonnen Aufgang bewegten ſie ſich nicht von dem
Orte/ dahin ſie ſich geſetzt hatten/ aber nach der
Sonnen Aufgang zogen ſie in groſſen Hauffen und
Trupweiſe fort
. Eben dieſes haben wir voritzo auch
erfahren. Nemlich: wenn ſie ſich gegen Abend beginnen
zu lagern/ ſo ſitzen und liegen ſie gantz ſtille/ als ermuͤdet uñ
ſchlafftruncken von ihrer gethanen Reiſe/ alſo daß man ſie
treten/ haſchen und zuſammen raffen kan. Und ſo blei-
ben ſie auch des folgenden Tages gleichſam unmuths lie-
gend oder henckend/ wenn naß oder truͤbe Wetter iſt/ be-
ginnet aber die Sonne heiß zu ſcheinen/ ſo werden ſie gegen
9. oder 10. Uhr gleichſam lebendig und fluͤchtig/ daß man
ſie ſo leicht nicht ergreiffen kan. Und wenn ſie denn einem
etwas zu nahe kommen/ ſo ſiehets/ als wenn die Lufft mit
groſſen Schnee-Flocken angefuͤllet were. Sind ſie aber
etwas ferne/ ſo hat es ein Anſehen/ wie ein groſſer Staub
oder Nebel/ oder auch wie ein feuriger Rauch.


§. 28. Es ſind aber dieſe Thiere/ wie die Novellen
und Reiſende berichten/ uͤber Eger/ und Plauen aus Boͤh-
men/ und an obbemeldtem 17. Auguſti fruͤhe gegen
9. Uhr/ in unſer Nachbarſchafft zur Neuſtadt an der Or-
la/ mit groſſen Entſetzen der Buͤrgerſchafft/ in unbeſchreib-
licher Menge/ ankommen/ alſo daß diejenigen/ ſo es von
ferne geſehen/ anders nicht gemeinet/ als ſtuͤnde die gantze
Neuſtadt in vollem Feuer. Und hat ſich dieſer Hauffe
allda in zwey Heer zuſchlagen/ und iſt das eine auf die
Gaſſen der Stadt gefallen/ davon viele ſich den Marck-
CLeu-
[18] Leuten an die Kleider gehangen/ und denen/ die barfuß ge-
weſen/ die Beine gezwicket. Das andere aber hat ſich auf
die Wieſen gegen Neuhoffen gelagert. Gegen 12. Uhren
ſind ſie wieder aufgebrochen/ und haben ſich zwiſchen Suͤ-
den und Weſten/ in hieſige Inſpection, in die Fuͤrſtl. Aem-
ter Roda und Leuchtenburg gewendet.


§. 29. Man hat Anfangs gemeinet/ als kaͤme noch
ein ander Heer von Buͤrgel heruͤber/ und zwar auf Schloͤ-
ben zu/ allwo ſie gegen 3. Uhr ſelbiges Tages auch in ent-
ſetzlicher Menge erſchienen. Es iſt aber ſint dem Nach-
richt eingelauffen/ daß damahl zu Buͤrgel noch keine gewe-
ſen. Hingegen wollen andere obſerviret haben/ daß die-
ſes Heer oben her von Roda und Gernewitz kommen/ und
ſich theils in derſelben Gegend gelagert/ theils ſich weiter
ausgebreitet. Allem Anſehen nach ſind noch andere
Heere geweſen/ welche ſie zur Neuſtadt nicht inne worden.
Wie denn ſchon uͤmb 12. Uhr eines zu Taudendorff erſchie-
nen/ und von dannen fortgetrieben worden.


§. 30. Der Flug ins Roͤdiſche iſt ſo ſtarck geweſen/
daß es uͤber dem Holtze bey Troͤbnitz und Geißenhain/ als
eine ſchwarze Wolcke geſchwebet/ und einem groſſen Rau-
che nicht ungleich geſchienen. Daher die Poſt nach Ro-
da kommen/ als ſey Feuer im Walde/ daruͤber auch mit al-
len Glocken geſtuͤrmet/ das Volck beruffen/ und in den
Wald in der Meuſebacher Revier/ allda zu leſchen/ com-
mandi
ret worden. Selbigen Tages haben ſich die Heu-
ſchrecken in ermeldten Aemtern hin und wieder gelagert/
ſonderlich aber in Thaͤlern um Ottendorff und Eineborn;
Jngleichen in dem Kirchſpiel Schloͤben/ Greben und
Drackendorff/ da das Lager faſt an Lobeda gereichet/ wei-
ter uͤmb Schieblau/ Oelcknitz/ Jaͤgersdorff/ Bockedra/
Un-
[19]
Unter-und Ober-Gneuß/ Bodnitz/ Seidenbruͤck und
Truckenborn. Da hin und wieder die Aecker/ Wieſen
und Waͤlder erſchrecklicher Weiſe angefuͤllet worden/ al-
ſo daß ſie ſo dicke gelegen/ als wenn ſie mit Fleiß an einan-
der geleget worden/ und man den Erdboden nicht davor
ſehen koͤnnen. Ja an manchen Orten haben ſie/ ſonder-
lich gegen Abend/ ſich ſo dicke gelagert/ daß ſie wohl einer
viertel Ehlen hoch uͤber einander gelegen. Haben ſich
auch mit unten an die Buͤſche/ Hecken und Baͤume gehen-
get/ und zwar bißweilen in ſolcher Menge/ daß ziemliche
ſtarcke Aeſte/ von wegen der Laſt zerbrochen ſind. Und
alſo iſt es auch an andern Orten/ wo ſie hernach ihre La-
gerſtaͤdte geſuchet/ befunden worden.


§. 31. Hat ſich alſo dieſes erſte Lager/ ſo in ſehr vie-
len Schwadronen beſtanden/ dieſes Tages uͤber der Saa-
len gehalten/ und uͤber eine gute Meile in die Laͤnge und
Breite/ erſtrecket.


§. 32. Den 18. Auguſti ſind ſie ſtille gelegen/ doch al-
ſo/ daß ein ziemliches detachement uͤber die Welniſe auf
Großloͤbichau zugangen/ und etliche zu Jena ankommen.
Den 19. ejusdem ſind ſie auch meiſtentheils ſtille gelegen.
Gleichwohl iſt aus der Schloͤbiſchen Revier ein groſſer
Hauffe gegen Gleina/ und von dannen in den Buͤrgeli-
ſchen und Großloͤbichauer Grund gezogen. Nicht weni-
ger haben ſich diejenigen/ ſo uͤmb Schieblau/ Zoͤllnitz und
der Orten gelegen/ moviret/ und ſind mit hellen Hauffen
auf Lichtenhan und Jena zugangen.


§. 33. Am 20. ejusdem war gleich der zehende Soñ-
tag Trinitatis, an welchen man von der erbaͤrmlichen Zer-
ſtoͤrung der Stadt Jeruſalem zu predigen pfleget/ iſt der
Aufbruch der uͤbrigen hin und her geſchehen/ und iſt meiſt-
C 2lich
[20] lich heruͤber uͤber die Saale gangen/ und hat ſich der Zug
in der Breite von Rotenſtein biß hieher nach Orlamuͤnda/
und alſo eine deutſche Meile weit erſtrecket. Wiewol ſie
bey Rotenſtein damahl von ſich ſelbſt fortgezogen/ auch bey
uns fortgetrieben worden/ daß man nicht gewuſt/ wo ſie
ſich des Nachts gelagert. Der meiſte Theil der andern
hat ſich an dem Galgen-Berge bey Cahla und auf denen
Eichenbergiſchen/ Altenbergiſchen/ Schirnewitzen und an-
graͤntzenden Hoͤhen gelagert. Gleichwohl iſts uͤber der
Saale nicht gaͤntzlich rein worden/ indem einige Hauffen
nachgezogen/ und ſonderlich dero ein groſſes Heer am 21.
ejusdem
uͤber Moͤrsdorff und Dorna/ nach Ruttersdorff
und dero Gegend; von dannen aber noch ſelbiges Tages
gegen den Saalſtrom fortgewandert. Auch von Sonn-
tags an/ etliche Hauffen von Bodnitz und Bockedra uͤber
Oelcknitz und Rotenſtein hingezogen. Überdiß iſt nach ver-
gangenem 26. dito ein groſſer Schwall in den Thaͤlern/
und ſonderlich uͤmb Ottendorff; ingleichen am 28. und 29.
uͤmb die Stadt Roda geweſen.


§. 34. Anlangend diejenigen/ ſo ſich gegen Lichten-
han und Jena gelagert/ ſo haben ſie auch am 20. und 21.
Auguſti angefangen/ und zwar gegen Magdala und ſelbi-
ge Gegend fortzuziehen. Da ſich aber ein Theil zur lin-
cken Seite/ auf Schorba/ Croͤbitz und ſo weiter/ geſchla-
gen/ die uͤbrigen zur Rechten fortgezogen. Wie ſie denn
auch den 21. allbereit bey Weimar ankommen.


§. 35. Und ſolches fortwandern hat uns nicht ge-
ringe Hoffnung gemachet/ es wuͤrde diß Heer diſſeits der
Saalen/ in den Aemtern Orlamuͤnda und Leuchtenburg
ihr Lager bald aͤndern/ und in kurtzen gar von uns ziehen.
Geſtalt denn auch viele aus der Altenburgiſchen Revier
ſich
[21] ſich bey Zeiten moviret/ und auf die Hoͤhe gegen Croͤbitz
zu/ andere aber den Reinſteder Grund hinauf/ und endlich
gegen das Keßleriſche Kirchſpiel/ Moͤckefeld und Mulda
gezogen; andere haben ſich von Bibra auf Eichenberg;
und denn ferner auf Dinſtaͤdt; darauf weiter in den En-
gerdiſchen Grund/ auf Heilingen/ Dorndorff/ Roͤdelwitz/
Engerda und Schmiden; ſonderlich auch auf die Hoͤhe
des Buchbergs und auf den Spaal gewendet. Allein/ es
hat mit ihren fortziehen nicht fortgewolt/ ob ſchon viele
Tage gut Wetter geweſen; ja es hat geſchienen/ ob noch
mehr von Magdala heruͤberwaͤrts gekommen; und ob ſie
ſchon einen oder den andern Ort verlaſſen/ ſo haben ſie ſich
doch hernach wieder dahin ausgebreitet/ alſo daß ſie bey
Anfange des Septembris faſt an Orlamuͤnda gereichet.
Daß es alſo ſcheinet/ weil die Naͤchte kalt werden/ und der
Regen ſich mitunter einſtellet/ es doͤrfften dieſe Gaͤſte gu-
ten Theils in dieſer Gegend verbleiben. Sonſt iſt an-
faͤnglich zwiſchen hieſigem und dem Rudelſtaͤdiſchen terri-
torio
Ulſtaͤdt und Neuſitz gleichſam die Graͤntze geweſen.
Ob ſie aber neulich dieſelbe noch uͤberſchritten/ ingleichen/
wohin das gegen Weimar geflogene Heer hinkom̃en ſey/
ſolches wird kuͤnfftig zu erfahren ſtehen.


§. 36. Hierauf nun vors Vierdte von dem Scha-
den zu handeln/ welchen die Heuſchrecken anzurichten pfle-
gen/ und bey uns angerichtet haben/ ſo iſt allbereit oben an-
gefuͤhret/ daß ſie von GOtt alſo geſchaffen und zugerichtet
ſind/ daß ſie mit wegfreſſen/ zumahl ſie in groſſer Menge
anzukommen pflegen/ uͤberaus groſſen Schaden thun
koͤnnen. Hat alſo GOtt nicht nur groſſe grimmige freſ-
ſende und reiſſende Thiere/ als Loͤwen/ Baͤren/ Woͤlffe
und dergleichen; Jtem wilde Schweine/ Hirſche und an-
C 3der
[22] der Wildpret (welche wenn ſie/ als offt geſchiehet/ von
groſſen Herren geheget werden/ vielmahl die Feld-Fruͤch-
te alſo zurichten/ daß es ein Jammer iſt/ anzuſehen) ſon-
dern auch kleine und unanſehnliche Creaturen darzu aus-
geruͤſtet/ daß ſie allerley Fruͤchte verderben/ und uns uͤmb
der Suͤnden willen groſſen Schaden zufuͤgen koͤnnen.


§. 37. Wie ſie vor alten Zeiten in Egypten gehauſ-
ſet/ da ſie alles Kraut im Lande aufgefreſſen/ und al-
le Fruͤchte auf den Baͤumen/ ſo von dem Hagel wa-
ren uͤberblieben/ und nichts gruͤnes an den Baͤumen/
und am Kraut auf dem Felde in ganz Egypten-
Lande/ uͤbrig gelaſſen
; iſt bekannt aus dem 2. B. Mo-
ſe am 10. v. 15. daher der Koͤnig Pharao die Heuſchrecken/
wegen des entſetzlichen Schadens den ſie gethan/ einen
Tod
nennet/ wenn er v. 17. zu Moſe und Aaron ſaget:
Bittet den HErrn euren GOtt/ daß er doch nur
dieſen Tod von mir nehme
! von welchem Schaden
auch David redet und GOtt preißet/ daß er damit ſeine
Macht an den Egyptiern/ den Jſraeliten zu gute/ erwieſen/
im 78. Pf. v. 47. und Pf. 105. v. 34.


§. 38. Zu Zeiten Joels war auch durch ſolch Unge-
ziefer groſſer Schaden geſchehen/ alſo daß er ſaget Cap. 2.
v. 4. Was die Raupen laſſen/ das freſſen die Heu-
ſchrecken/ und was die Heuſchrecken laſſen/ das freſ-
ſen die Kaͤfer/ und was die Kaͤfer laſſen/ das friſ-
ſet das Geſchmeiß
. Wie auch die Heuſchrecken hiebe-
vor in Deutſchland an manchen Orten alles weggefreſ-
ſen/ iſt oben aus Luthero und Sleidano angefuͤhret wor-
den.


§. 39. Ein mehrers vor itzo nicht zu erzehlen/ ſon-
dern nur auf den Schaden zukommen/ welchen die itzigen
Heu-
[23] Heuſchrecken angerichtet/ ſo mag er/ wie Reiſende erzeh-
len/ in Boͤhmen/ und ſonſt unter Wegens/ da ſie geweſen/
ehe ſie zu uns kommen/ durchgehends ſehr groß ſeyn. Bey
uns zwar iſt es/ GOtt Lob/ an vielen Oertern/ da ſie nicht
lange blieben/ oder an wuͤſte und abgeraͤumete Oerter an-
gefallen/ ohne Schaden abgangen; gleichwol iſt auch an
vielen Oertern derſelbe nicht geringe/ indem die Heuſchre-
cken/ was ſie an Getraidig/ ſonderlich an Hirſchen/ Hanf/
Haber/ Gerſte/ Erbſen/ Bohnen/ Sommerkorn und Wi-
cken angetroffen/ in geſchwinder Eil weggefreſſen/ oder
doch ſehr verderbet. So haben ſie auch an vielen Orten
den Halm/ ſonderlich von unreiffen Haber das Graß/ ja
die Stoppeln auf dem Felde/ oder doch das darzwiſchen
ſtehende Graß/ alſo weggeaͤtzet/ daß es an manchen Orten
ſoll ausſehen/ als wenn alles weggeſenget und weggebren-
net were. Dergleichen denn ſonderlich die Gegend uͤmb
Ottendorff/ Roda/ Schloͤben/ Bockedra/ Jaͤgersdorff/
Bodnitz/ Truckenborn/ Seidenbruͤck ꝛc. Jngleichen das
Altenbergiſche/ uͤmb Zwabitz/ item Dinſtaͤd/ den Buch-
berg/ den Engerdiſchen Grund den Spaal/ Keßlau/ Droͤß-
nitz/ Moͤckefeld/ Mulda/ Croͤbitz ꝛc. ſehr/ und zwar diſſeits
der Saalen/ ingemein/ haͤrter betroffen/ als jenſeits.


§. 40. Doch iſt verwunderlich was von allen Or-
ten beſtaͤrcket wird/ daß dieſe Thiere des gruͤnen und ſuͤſſen
Graſſes/ ſonderlich an unſerm Saal Strome/ geſchonet/
hingegen aber/ wo es ſauer Graß/ ingleichen duͤrre Raͤn-
der/ item in den Hecken alt und duͤrr Graß/ wie auch
Schilff/ Binſen und dergleichen angetroffen/ mit aller Ge-
walt angefallen. Den Hopffen haben ſie uͤmb Jena ab-
gebiſſen/ als wenn er were abgepflicket worden/ davon ſie
aber allem Anſehen nach nicht gezehret/ ſondern ihn auf
der
[24] der Erden liegen laſſen. So wil man auch an keinem Or-
te/ wo Wein waͤchſet/ zur Zeit davon wiſſen/ daß ſie ſol-
ten die Trauben oder Stoͤcke beſchaͤdiget haben. Man
findet auch zur Zeit nichts an den Baͤumen/ ohne daß an
etlichen Hecken etwas von Laube weggezehret worden.
Von den Baum-Fruͤchten kan man nichts ſagen/ weil hin
und wieder faſt keine Fruͤchte anzutreffen. So ſind auch
Ruͤben/ Moͤhren und Kraut unbeſchaͤdiget blieben; wo-
fuͤr billig GOtt zu dancken/ der auch ferner gnaͤdiglich
helffen wolle.


§. 41. Weiter/ ſo fraget man zum Fuͤnfften nicht
unbillig von den Haupt-Urſachen dieſer Heer-Zuͤge/ und
woher es eigentlich ruͤhre/ daß ſolche Heere uns mit groſ-
ſem Schaden uͤberziehen? Sichere und rohe Hertzen ha-
ben die Einbildung/ als ſey ſolches ein bloſſes natuͤrliches
Werck/ und ruͤhre aus lauter natuͤrlichen Urſachen. Um
des willen man ſich nicht eben mehr zu entſetzen habe/ als
wenn etwa Regen und Sonnenſchein/ helle und truͤbe
Wetter mit einander abwechſeln/ ob man ſchon die natuͤr-
lichen Urſachen ſo genau nicht ergruͤnden koͤnne.


§. 42. Aber die vernuͤnfftigen Heyden haben viel
verſtaͤndiger davon geurtheilet/ und bey ſolchen Heerzuͤ-
gen ein [...] erkennet/ das iſt/ daß GOtt darbey nicht als ei-
ne bloſſe cauſa univerſalis, und nach bloſſen ordentlichen
Lauffe der Natur handele: ſondern/ aus gerechtem Zorn
gleichſam mit ſeiner ſtarcken Hand in die Natur greiffe/
und ſie uͤbernatuͤrlicher Weiſe darzu brauche und antrei-
be/ welches ſie vor ſich nicht verrichten und ausuͤben
wuͤrde. Dannenhero ſie auch die Heuſchrecken peſtem
Deorum
und iram Deorum eine ſonderliche Straffe und
Zorn Gottes genennet.


§. 43.
[25]

§. 43. Deſſ[e]n wir auch aus der H. Schrifft [gnug-
ſam]
verſichert. Als die Egyptier mit Heuſchrecken ge-
plagt wurden/ ſo war es eine ſonderliche Straffe GOttes/
die er mit einem ſtarcken Oſt-Wind uͤber ſie fuͤhrete.
Dieſer allgewaltige HErr drohet auch ſeinem Volck/
Deut. 28. v. [3]8. Du wirſt viel Saamens ausfuͤhren
auf das Feld/ und wenig einſammlen/ denn die Heu-
ſchrecken werdens abfreſſen
. Bey dem Propheten
Joel am 2. v. 25. laͤßt Gott von den Heuſchrecken/ Kaͤ-
fern/ Geſchmeiß und Raupen ſagen: Die mein groſſes
Heer waren ſo ich unter euch ſchicket
.


§. 44. Hieher gehoͤret auch wie Amos am 7. v. 1.2.
der HErr dem Amos ein Geſichte gezeiget/ und ſiehe/ da
ſtand einer/ der machte Heuſchrecken/ im Anfang/
da das Grummet aufgieng/ welche das Kraut im
Lande gar auffreſſen ſolten
. Dieſer fictorlocuſtæ, ſo
dem Amos erſchienen/ war keine Creatur/ als welche nicht
vermag/ eine lebendige Creatur zu erſchaffen/ ſondern
Gott ſelbſten. Daher es Cornelius à Lapide nicht uneben
periphraſiret: Vide Deum quaſi plaſten fingere \& formare
ingens examen locuſtarum, ipſumque examen ab eo jam for-
matum \& productum invadere terram Israël
, das iſt/ ſiehe/
wie GOTT/ als ein Kuͤnſtler einen groſſen
Schwarm von Heuſchrecken bilde und zubereite/
und das von Jhm zubereitete Heer das Land Jſ-
rael anfalle
. Daruͤmb/ ſo offt wir ſehen Heuſchre-
cken kommen/ oder auch die Raupen und derglei-
chen Geſchmeiß ſich Hauffenweiſe an die Frucht ſetzen/ ſo
ſollen wir an GOtt gedencken/ es vor ſeinen Finger hal-
ten/ und gedencken mit dem Propheten Amos: Jch ſahe
D(in
[26] (in meinem Hertzen) einen/ der machte Heuſchrecken/
Raupen/ Zwiefelter und andere.


§. 45. Weiln denn nun vors Sechſte/ Gottes ſon-
derbare Wercke ingemein auch was anders nach ſich zie-
hen/ und zu bedeuten haben/ ſo iſt faſt maͤnniglich beſorget/
was doch dieſer Heeres-Zug der Heuſchrecken bedeuten/
und nach ſich ziehen moͤchte? Die meiſten beſorgen nichts
gutes/ und verſtaͤndige Chriſten beten mit den frommen
Juͤden/ 2. Macc. c. 5. v. 4. daß es ja nichts boͤſes bedeu-
ten moͤge
.


§. 46. Zwar/ es muß iedermann geſtehen/ daß nie-
mand unter uns Menſchen ſo weiſe und verſtaͤndig ſey/
daß er Gottes Anſchlaͤge ergruͤnden/ und was er vorha-
be/ errathen koͤnne. Jedoch/ wenn man die Geſchichte
voriger Zeiten/ ingleichen die heutigen Welt-Laͤuffte/ ne-
ben ein und anderer natuͤrlichen Urſachen/ mit Fleiß uͤ-
berleget/ ſo kan man gar warſcheinlich muthmaſſen/ daß
nichts gutes auf dieſen Zug erfolgen werde.


§. 47. Vors Erſte/ iſt das ſonſt die gemeine Mey-
nung/ wie Buchnerus in voce locuſta anfuͤhret: Earum appul-
ſum fames comitatur
, daß auf dergleichen Zuͤge der
Heuſchrecken theure Zeit und Hungers-Noth er-
folge
. Wie denn auch die alten Egyptier/ in ihren Bil-
der-Schrifften (Hieroglyphicis) durch die Heuſchrecken
theure Zeit und Hungers Noth abgebildet haben. Und
das hat ſeine natuͤrliche Urſachen. Denn/ wenn das Un-
geziefer das Getraide wegfriſſet/ und das Land verwuͤſtet/
wo wil hernach der Vorrath und gute Zeiten herkom-
men?


§. 48. Nun koͤnnen wir zwar Gott nicht gnugſam
ver-
[27] verdancken/ daß er diß Freß-Heer ſo ferne auſſer unſern
Graͤntzen abgehalten/ biß die Erndte bey uns/ ſonderlich
am Saalſtrome/ meiſt voruͤber/ und das Winter-Getrai-
de und Gerſte/ ſambt andern Fruͤchten/ mehrentheils ein-
geerndtet geweſen. Denn were es drey oder vier Wo-
chen eher ankommen/ ſo wuͤrde der Schade und das E-
lend, ſo uns wuͤrde betroffen haben/ unbeſchreiblich wor-
den ſeyn.


§. 49. Unterdeß iſt doch gleichwohl an den Orten/
ſo etwas kalt/ und entweder im oder am Walde/ oder
ſonſt was hoch liegen/ noch ein ziemlicher Vorrath/ ſon-
derlich an Haber auf dem Felde geweſen/ und vernichtet
worden. Nun machet ſich ohne dem das liebe Getraide/
wegen der ſtarcken Abfuhre/ zu dem Kriegs-Heer am
Rhein und Neckar/ ſo theuer/ daß es ſcheinet/ es doͤrffte der
Preiß ſo hoch ſteigen/ als er in dieſen Landen von A. C.
1640. her nicht geweſen. Welche Theurung denn gar
leicht durch den/ von den Heuſchrecken geſchehenen Scha-
den/ kan vermehret werden. Sonderlich doͤrffte das lie-
be Armuth/ wegen des Graßes und andern Futters/ zu
Hinbringung des Viehes/ ein ſchweres Jahr haben. Und
gebe nur Gott/ daß die Heuſchrecken nicht Saamen in dem
Lande laſſen/ der zur Fruͤhlings-Zeit lebendig werde.


§. 50. Denn es ſagt Ariſtoteles I. 5. Hiſt. Animal. c.
28
. von den Heuſchrecken: pariunt ſua ova in rimis, quæ du-
rant hyeme: in terrâ ineunte æſtate proveniunt ex fœtu anni
ſuperioris locuſtæ
, das iſt/ ſie legen ihre Eyer in die
Gluntzen/ ſo den Winter uͤber dauren/ und wenn
der Sommer angehet/ ſo kommen die Heuſchrecken/
aus der Brut des vorigen Jahres
. Nun ſind un-
D 2ſere
[28] ſere Heuſchrecken von Eyern vor itzo ganz dicke und voll/
ſo etliche unbeſchreibliche Heere verurſachen koͤnten; Wo-
fern nicht etwa GOtt in Gnaden dieſelben daͤmpfen ſol-
te/ ehe ſie alles ſetzen/ oder die Brut durch Naͤſſe und Kaͤl-
te des Winters verderben. Zwar es wil zur Zeit nie-
mand ſolche Eyer gefunden haben. Allein/ die Heuſchrecken
muͤſſen doch ſchon haben angefangen zu leichen/ indem
ſchon kleine Heuſchrecken unter ihnen fliegen. Davon ich
am 2. Septembr ſelbſten zwey zu ſehen bekom̃en. Und wie
dem allen? Wer findet itzo/ was unſere gruͤne Heuſchre-
cken leichen/ und woraus ſie im Fruͤlinge wieder wachſen?
Solte nun/ da GOtt in Gnaden vor ſey/ von dieſen un-
ſern frembden Gaͤſten/ ein ſolcher verborgener Saamen/
in den Buͤſchen/ Hecken/ Raͤndern/ Wieſen und Feldern
bleiben/ ſo wuͤrde hernach des S[a]ame[n]s/ Saat und Ern-
de in groͤſter Gefahr ſtehen/ und die Theurung mit Ge-
walt zunehmen.


§. 51. Vors andere/ ſo ziehet der Heuſchrecken-
Zug auch gerne eine Infection und Sterben nach ſich. Vor-
belobter Buchnerus beruͤhret ſolches auch/ wenn er weiter
anfuͤhret: Earum appulſum fames comitatur, \& peſtis, ſi
computruerint
, das iſt wenn die Heuſchrecken an einem
Orte verfaulen/ ſo kommet gerne die Peſt darauf
.
Solten nun die Heuſchrecken (wie es endlich kommen
muß) durch die annaͤhernde Kaͤlte alſo getoͤdtet werden/
daß ſie an manchem Orte in groſſer Menge und Dicke
auf einander liegen blieben/ und bald Hitze einfiele/ ſo ſie
zur Faͤulung braͤchte/ ſo koͤnte leicht von dem Geſtanck die
Lufft inficiret/ und gifftige Kranckheiten verurſachet wer-
den zumahln ohne dem hin und wieder allerley Fieber im
Schwange gehen.


§. 52.
[29]

§. 52. Darbey auch nicht zu uͤbergehen/ was
Franzius ſchreibet p. 807. 808. Dum omnia lambunt, abra-
dunt, detondent, depaſcunt, vaſtant, corrumpunt, intra ſe in
immunditiem \& mucum convertunt \& vicisſim impurisſi-
mam materiam ſuper terram \& res ex terrâ naſcentes, ſpuunt,
excacant, omnia inficiunt
, das iſt/ indem ſie alles bena-
ſchen/ bebeiſſen/ freſſen/ abnagen/ verwuͤſten und
verderben/ ſo verwandeln ſie ſolches in ihrem Leibe
in einen Rotz und garſtigen Unflat und ſpeyen und
ſchmeiſſen ein garſtiges und ſehr unreines Weſen
auf die Erde und dero Fruͤchte/ wordurch ſie alles
inficiren und verunreinigen
. Vielleicht hat er auch gele-
ſen was Simon Majolus in diebus canicularibus, colloq 5. aus
dem Surio von den Heuſchrecken anni 1542. anfuͤhret: Habe-
bant ventres obeſos \& ſanie refertos. Itaq; extictæ, intolera-
bili fœ, aërem corruperunt, ut etiam corvi, cornices, acci-
pitres, aliæque aves cadaveribus alio qui in hiantes, ferre nequi-
verint
, das iſt/ ſie hatten ſtarcke und mit Eiter angefuͤl-
lete Leiber. Daher haben ſie nach ihrem Sterben die
Lufft durch einen unertraͤglichen Geſtanck inficiret/
daß auch die Raben/ Kraͤhen/ Geier und andere
Voͤgel/ ſo dem Aas nachſtreben/ ſolchen nicht ver-
tragen koͤnnen
. Jch ſtelle dahin/ ob nicht in ſolchen
Worten etwas uͤber die Schnur gehauen/ und Unwar-
heit mit eingemiſchet werde. Vielleicht haben dazumahl
einige die im Leibe liegende Eyer zerdruͤcket/ und dieſelben
vor einen ſolchen unreinen Schleim angeſehen.


§. 53. Unterdeß findet ſich/ GOtt Lob/ bey unſern
Heuſchrecken dergleichen noch nicht. Daß ſie auch zur
Zeit keinen Gifft muͤſſen bey ſich haben/ erhellet daraus/
D 3weil
[30] weil unterſchiedliche Thiere ſich daran delectiren/ und da-
von keinen Schaden empfinden/ ſondern vielmehr gemaͤ-
ſtet werden. Sonſten/ ob man eben an ihnen nichts uͤ-
bels riechet/ wenn man ſie einzeln hat/ ſo bezeigen doch un-
terſchiedliche/ daß ſie an ſolchen Orten/ wo ſie in der Men-
ge geweſen/ einen uͤbelen Geruch von ſich gegeben. Es
wurde auch von Bodnitz geſchrieben/ daß diß Ungeziefer
einen ſehr grauſamen Geſtanck von ſich gegeben. Wel-
ches denn zur Inficirung der Lufft auch leichte was beytra-
gen/ und die Pfeile/ ſo im Finſtern gehen ſtaͤrcken und ver-
mehren koͤnte. Uberdiß weiß man noch nicht/ was etwa
die excrementa nach ſich ziehen moͤchten/ die an manchen
Orten ſo dicke liegen/ daß man ſie mit Beſemen koͤnte zu-
ſammen kehren. Viel Hausvaͤter ſind deßwegen beſor-
get/ es moͤchten Schaffe und Rinder/ wenn ſie an ſolche
Oerter kommen wuͤrden/ angeſtecket werden; welches de-
ſto leichter geſchehen koͤnte/ wenn der liebe Regen in die
Laͤnge auſſenbleiben/ und nicht ein und anders unflaͤtiges
Weſen abwaſchen ſolte. Solte nun/ da GOtt vor ſey/
es alſo erfolgen/ ſo wuͤrde es mancher ſehr empfinden/ und
koͤnte leicht von dem Viehe auch eine Infection auf die
Menſchen kommen.


§. 54. Vors Dritte/ ſo ſind nicht Wenige in Sor-
gen/ es moͤchten der Heuſchrecken Heere groſſe feindliche
Heere bedeuten/ welche in unſere Laͤnder bald kommen
moͤchten. Denn es iſt der Chriſtlichen Ausleger faſt ge-
meine Meinung/ daß durch die Heer der Heuſchrecken
feindliche Heere abgebildet und vorbedeutet werden. Der
ſeel. Herr Lutherus, wenn er/ ob angezogener Maſſen uͤber
den Propheten Joel/ der Heuſchrecken/ ſo im vorigen Se-
culo
[31] culo
gekommen/ erwehnet/ ſo ſetzet er folgende Wort hin-
zu: Nachdem aber dieſe Plage ungebraͤuchlich/ und
in ſo viel hundert Jahren zuvor niemahls erhoͤret
iſt/ habens fromme Gottfuͤrchtige Herzen fuͤr ein
Zeichen gehalten und angenommen/ damit GOtt
anzeigte die kuͤnfftige Plagen/ durch einen auslaͤn-
diſchen gottloſen/ wuͤſten wilden Hauffen Kriegs-
Volck. Wie denn auch bey den Juͤden/ nach ſol-
cher Verwuͤſtung der Aecker und der Fruͤchte/ eine
ſchwere grauſame Verwuͤſtung folgete/ durch den
Koͤnig zu Babel/ welcher das Land viel haͤrter ge-
plaget und verderbet hat/ denn zuvor ſolche Wuͤr-
mer
. Qvod horum inſectorum copia ſæpè portendat non
ſolum famem, peſtem, ſed maximè bellum, probat multis
hiſtoriis Aldrovandus in Locuſta; \& recens exemplum extat
de anno 1545. quod pluribus perſequitur Moſes Pflacherus p.
27. ſignificabatur locuſtarum copiâ bellum proreſtantium
,
ſchreibet der ſeel. Herr Johann Tarnovius ad v. 4. cap. 1. Joe-
lis
, das iſt/ daß die Menge dieſes Geſchmeiſſes offt
nicht nur theure Zeit und Peſtilentz/ ſondern auch
Krieg bedeute/ ſolches erweiſet Aldrovandus mit vie-
len Geſchichten. Und haben wir im vorigen Jahr-
hundert ein Exempel gehabt/ welches Moſes Pflache-
rus
ausfuͤhret/ da die Menge der Heuſchrecken 1545.
den Schmalkaldiſchen Krieg bedeutet haben
.


§. 55. Wer kan uns demnach davor gut ſeyn/
daß der Heuſchrecken-Heer voritzo nicht auch auf derglei-
chen deute? zumahln da es gar leicht geſchehen kan/ weil
Hannibal ad portas, und ein ſo maͤchtiger Feind auf des
Roͤmiſchen Reiches Boden Krieg fuͤhret/ da GOtt gar
leicht
[32] leicht verhangen koͤnte/ daß ihm GOtt einen Eingang in
unſer liebes Vaterland eroͤffnete. So ſind auch andere
Kriegs-Feuer unter der Aſche/ welche leichtlich in eine groſ-
ſe Flamme auflodern/ und die benachbarte Provincien mit
anzuͤnden koͤnnen. Und wer weiß/ was wir bey beſorgen-
den Durchzuͤgen dererjenigen/ ſo unſere Freunde heiſſen
wollen noch auszuſtehen haben? Wie es denn GOTT/
wenn er ſtraffen wil/ ein gar leichtes iſt/ boͤſen und verkehr-
ten Angebern den Zuͤgel zu laſſen/ ihren Muthwillen aus-
zuuͤben.


§. 56. Dabey nicht zu uͤbergehen/ daß man an et-
lichen Orten wil obſerviret haben/ daß/ wie es unter keiner
Compagnie im Felde/ nicht gar ohne Zanck/ Rauffen und
Schlagen abgehet/ alſo auch die Heuſchrecken bißweilen
unter einander partheyiſch werden/ einander Wunden/
die Beine ab und ſich wohl gar zu tode beiſſen; Item/ wenn
eines von ihnen ertreten oder ſonſt getoͤdtet wird/ daſſelbe
verzehren und auffreſſen. Doch iſt ſolches gleichſam als
nur ein gering Mißverſtaͤndnis/ ſo ihre Einigkeit nicht ſon-
derlich zerſtoͤret.


§. 57. Wie denn auch aus ihren Heeres-Zuͤgen
eine ſonderliche Harmonie und gute Einigkeit zu ſchlieſſen.
Und daher Corn. à Lap. ad Prov. 30. v. 27. notiret: tertia ſpe-
cies eſt locuſtarum turmatim, ordinatè, quietè, \& concorditer
procedentium
, das iſt/ daß die Heuſchrecken in guter
Ordnung und Einigkeit fortziehen
. Daher viel
von der Heuſchrecken guten Einigkeit eine nuͤtzliche Lehre
nehmen/ welche der ſeel. Herr Oſiander uͤber Prov. 30. v. 27.
anfuͤhret: Hæc beſtiola nos admonet concordiæ, ut con-
junctis animis communibus hoſtibus nos opponamus
, dieſes
Thier-
[33] Thiergen ſoll uns der Einigkeit erinnern/ daß
wir mit zuſam̃en geſetzten Gemuͤthern uns dem
gemeinen Feinde wiederſetzen
. Und unſer Er-
neſtiniſche Bibel glosſiret alſo; von denſelben ſoll
man lernen Eintraͤchtigkeit und Friedfertigkeit
untereinander
. Wir nehmen darbey Gelegenheit/
zu wuͤnſchen/ daß der Schwindelgeiſt unter unſere
Feinde kommen/ und eines Schwerd wieder den an-
dern ſeyn moͤge; Darneben vor unſere Chriſtliche
hohe Haͤupter zu ſeuffzen und zu beten/ daß ſie GOtt
mit dem Geiſt der Eintraͤchtigkeit beſeeligen/ und
Gnade verleihen wolle/ damit ſie unter einander in
guten Verſtaͤndnis leben/ und mit zuſammen geſetz-
ter Hand und Rath den gemeinen Feinden muthig
entgegen gehen/ und vor Wiederbringung und Erhal-
tung allgemeiner Ruhe aufrichtig ſorgen moͤgen. Wo
dieſes von GOtt zu erhalten/ ſo wuͤrden wir uns de-
ſtoweniger vor Landverderblichen Durchzuͤgen/ und
feindlichen Streiffereyen und Einfaͤllen zu beſorgen
haben.


§. 58. Zum Vierdten/ ſo ziehet man auch bil-
lig in Betrachtung/ was droben angefuͤhret/ daß die
Heuſchrecken ſubtile lebendige Wuͤrmer im Leibe fuͤh-
ren/ nicht ungleich denen Ottern oder Schlangen.
Sind alſo die Heuſchrecken dißfalls ein Bild der heu-
tigen Potentaten/ welche in ihrem Buſen/ und faſt
in ihrem Leibe/ das iſt/ unter ihren vertrauteſten
Dienern vielmahl/ doch unvermerckt/ Schlangen/
das iſt/ Frantzoͤſiſche Spionen und Verraͤther he-
gen. Sie ſind auch ein Bild ſolcher untreuer Die-
Ener
[34] ner ſelbſten/ welche unter euſſerlicher ſeiner Farbe/
das iſt/ unter ſcheinbarer Treue und Redligkeit/
Schlangen hegen/ und voller Untreu und anderer
boͤſen Anſchlaͤgen ſeyn: dero boͤſe Anſchlaͤge GOtt zu
nichte machen wolle! Unterdeß hat es das uͤble An-
ſehen/ als wenn dieſe Thiere auch zu dem Ende von
GOtt geſendet weren/ daß ſie mit der Zeit das Land
mit Schlangen und andern gifftigen Wuͤrmen ſolten
anfuͤllen/ (welches denn auch nicht wuͤrde ohne groſ-
ſen Schaden abgehen) Geſtallt auch in gemeinem
Geſchrey allbereit erſchollen/ als wenn an den Oer-
tern/ da die Heuſchrecken vor etlichen Wochen geweſen/
hernach Schlangen ſich eingeſtellet. Ob dem aber alſo/
oder ob andere dieſe Wuͤrmer ſchon hiebevor obſerviret/
und ſich aus einer Vermuthung/ dieſes Geruͤchte ent-
ſponnen/ kan ich nicht wiſſen.


§. 59. Endlich iſt nicht mit Stillſchweigen zu
uͤbergehen/ daß etliche bey dieſem Heers-Zuge der
Heuſchrecken/ ſich eine gute Hoffnung machen doͤrf-
ten/ und zwar durch Veranlaſſung des 9. Capitels
der Offenbahrung Johannis/ in welchen v. 3. \& ſeqq.
zu leſen/ wie der H. Johannes habe aus dem Rau-
che ſehen ſchreckliche und ſchaͤdliche Heuſchrecken auf
Erden kommen/ welche Macht hatten/ 5. (engli-
ſche) Monat/ das iſt 150. Jahr/ die Menſchen zu
beleidigen
.


§. 60. Die Papiſten pflegen zu lehren/ als ſey
durch dieſe Heuſchrecken/ der ſeel. Herr Lutherus mit
ſeinen treuen Nachfolgern zu verſtehen; wie darvon
Bellarminus Tom. 1. Controverſ. lib. 3. de Romano Ponti-
fice,
[35] fice, c. 23. fol. m. 307. lit. C
. zu leſen. Wir ſind aber in
unſern Gewiſſen gnugſam verſichert/ daß wir durch
ſolche Heuſchrecken nicht koͤnnen verſtanden werden.
Denn weil wir bey dem reinen und unverfaͤlſchten
Worte GOttes verbleiben/ und mit allem Fleiße be-
muͤhet ſeyn/ allen falſchen Lehren zu ſteuren und zu
wehren/ die Jrrende und Verfuͤhrte zu rechte zu wei-
ſen/ und die erſchrockene und betruͤbte Gewiſſen zu
troͤſten und aufzurichten/ wie mag uns denn mit
Recht beygemeſſen werden/ daß wir die Menſchen
zu ihrem Verderben beleidigen und quaͤlen?


§. 61. Hingegen fuͤhret der ſeel. Herr Matthæus
Hoffmannus
in ſeiner Chronotaxi Apocalypticâ cap. 12.
weitleufftig aus/ daß durch dieſe Heuſchrecken die
Geſellſchafft der Jeſuiten zu verſtehen ſey. Und wenn
man mit Fleiß uͤberleget/ wie ſie der H. Johannes
beſchreibet/ ſo iſts offenbar/ daß ſolches denen Jeſui-
ten allerdings zukomme. Es gehet aber der ſeelige
Mann noch weiter/ und haͤlt davor/ weil dieſe hoͤchſt-
ſchaͤdliche Geſellſchafft A. C. 1540. vom Paulo III. die
erſte confirmation; und A. C. 1543. voͤlligere Macht/
ſich zu vermehren und auszubreiten erlanget/ es muͤſſe
ihr Untergang vor der Thuͤr ſeyn/ und etwa Anno
1690. oder 93. erfolgen. So haͤlt er auch davor/ es
ſey nicht ſine omine geſchehen/ daß eben zu der Zeit/
da ſolche geiſtliche Heuſchrecken aufkommen/ und ſich
zu verſtaͤrcken angefangen/ nemlich A. C. 1542 [( ja]
auch folgende Jahre) Deutſchland/ Jtalien und Po-
len/ mit groſſen Hauffen Heuſchrecken uͤberzogen
worden.


E 2§. 62.
[36]

§. 62. Dannenhero moͤchte jemand bey dem
itzigen Heerzuge der Heuſchrecken auf die Gedancken
kommen/ weil eben in dieſem von Hoffmanno omi-
nir
ten und nunmehro zu Ende lauffenden 93. Jahre
derſelbe beſchehen/ ob etwa GOtt damit wolle andeu-
ten/ daß der ermeldten geiſtlichen Heuſchrecken ihr
Fall vor der Thuͤr ſey. Dahin fuͤhret mich/ was ei-
ner unter meinen Herren Confratribus (M. J. S.) in ſei-
nem Berichte ſchreibet: Et profectò eſt, quod no[t]etur,
quòd paulò ante Jeſuiticum exordium, ſimilis ferè fari-
næ, 1542. ſe cum ſtupore videntibus exhibuerint, quales
jam (utinam ante exodium Jeſuiticum) oculo luſtravi-
mus
.


§. 63. Alleine es iſt mit ſolchen apocalyptiſchen
Zeit-Rechnungen/ ſo auf zukuͤnfftige Dinge gehen/
ein mißlich Werck/ darauf nicht allerdings zu bau-
en. Geſtalt denn auch der ſeelige Herr Caſpar Heu-
niſch in ſeinem Clave apocalypticâ p. 83. Die beruͤhr-
ten fuͤnff Monat etwas anders/ nemlich auf 147.
Sonnen-Jahre rechnet/ welche ſolten A. C. 1687. zu
Ende lauffen/ da zum wenigſten der Jeſuiten ihr
Fall ſolte angehen. So hat es auch bißhero ein
ſchlecht Anſehen darzu gehabt; wiewohl man gleich-
wohl auch nicht wiſſen kan/ was GOtt thun moͤch-
te/ ehe wirs uns verſehen. Unterdeß/ weil doch
dieſe Heuſchrecken-Geſellſchafft vornehmlich zu dem
Ende confirmiret iſt/ daß ſie das Paͤbſtliche Reich
unterſtuͤtzen/ und uns Lutheraner/ und alſo die rei-
ne Evangeliſche Warheit verfolgen/ druͤcken und
ausrotten ſoll/ ſo gehet gottſeeligen Hertzen ihr Ge-
bet
[37] bet/ wider das Pabſtthum/ vornemlich mit/ wi-
der der Jeſuiten ihre gottloſe/ gefaͤhrliche und blut-
duͤrſtige Anſchlaͤge/ daß GOtt dieſelben zernichten/
oder doch denenſelben/ nach ſeiner groſſen Barmher-
tzigkeit ſteuren und wehren wolle; welches auch/ biß-
anhero nicht ohne Krafft geweſen/ auch/ ob GOtt
wil/ ferner ſeine Krafft haben wird.


§. 64. Jch habe hingegen bey dieſem Heu-
ſchrecken-Zuge/ wegen der ermeldten geiſtlichen Heu-
ſchrecken ſorgliche Gedancken/ daß nemlich derſelbe
bey der Kirchen GOttes groſſen Schaden nach ſich
ziehen werde/ welchen die Jeſuiten und ihr Anhang
anrichten doͤrfften. Denn/ wie ſie bißanhero zu dem
entſtandenen und leider! noch anhaltenden Krieges-
Feuer und Verfolgungen/ mehr denn zu viel beyge-
tragen/ auch alle Gelegenheit/ im Truͤben zu fi-
ſchen/ ſorgfaͤltig zu beobachten wiſſen: alſo ſtehet zu
beſorgen/ daß ſie/ wenn ja/ wie wir wuͤnſchen und
hoffen/ der liebe politiſche Friede ſolte bald wieder ge-
bracht werden/ ſie an vielen Oertern/ wo Evange-
liſche Kirchen geſtanden/ zufahren doͤrfften/ ihrem
Gott Mauſim neue Gebaͤude aufrichten/ und die
weitere Ubung der reinen Lehre verhindern.


§. 65. Endlich ſo fragt ſichs nun: was denn
vor Mittel wieder dieſes Heer zu ergreiffen/ und wie
etwa daſſelbe und auch wohl dasjenige/ ſo dadurch
abgebildet und bedeutet wird/ abzuwenden?


§. 66. Jn der Heiligen Schrifft werden die
Heuſchrecken als furchtſame Thiere beſchrieben/
E3wel-
[38] welche leicht zu verſcheichen und zu verjagen. Denn
ſagt GOtt der HErr zu dem wohlgeplagten Hiob;
Kanſt du das Roß ſchrecken/ wie die Heu-
ſchrecken
: Hiob 39. v. 23. Und David klagt im 103.
Pſalm v. 23. Jch werde verjagt/ wie die Heu-
ſchrecken
. Und dieſes moͤchte wohl ingemein von
denen hielaͤndiſchen Heuſchrecken geſagt werden/ aber
was dieſe frembde Gaͤſte anbelanget/ ſo koͤnnen ſie ſo
leicht nicht verſcheichet werden.


§. 67. Zwar an vielen Orten iſt es geſchehen/
wenn ſie bey Sonnenſchein an einem Orte ankom-
men/ und ſich die Leute mit ſchieſſen/ ſchreyen/ klin-
gen/ Jtem mit Strohwiſchen/ Reiſern und Stan-
gen an ſie gemachet/ daß ſie ſich verjagen laſſen: wie
denn am 10. Sonntage Trinitatis allhier ſelbſten der-
gleichen geſchehen. Geſtalt denn auch/ als ein groſ-
ſer Trupp ſich hinder das Rathhaus in ein Stuͤck
Gerſte niedergelaſſen/ und die Leute darzukommen/
ſie ſich gantz furchtſam erwieſen/ und bald wieder
auftreiben laſſen. Doch wo die Menge gar zu groß/
und der Leute etwas wenig geweſen/ ſo hat ſich die-
ſes nicht practiciren laſſen. Ja es iſt mir glaubwuͤr-
dig erzehlet worden/ daß wenn man in dem Haber/
darinnen ſie geweſen/ mit Senſen gehauen/ ſie zwar
geſchwinde dem Hiebe ausgewichen/ nichts deſto
minder aber ſich bald wieder niedergeſetzet/ und ihr
Freß-Handwerck fortgetrieben. Jnſonderheit/ wie
auch oben angefuͤhret/ wenn es noch fruͤhe oder truͤ-
be Wetter iſt/ ſo ſind ſie nicht fortzubringen/ ſon-
dern viel ehe zu erſchlagen oder zu ergreiffen.


§. 68.
[39]

§. 68. Daher wird auch gemeldet/ als A. C.
1542. ſolche Heuſchrecken-Zuͤge vorgegangen/ und
Welſchland mit beruͤhret/ daß die Heuſchrecken auf
Befehl des Hertzogs zu Meiland zuſammen geleſen/
und damit bey zwoͤlff tauſend Saͤcke angefuͤllet wor-
den. So lieſet man auch in den alten Hiſtorien/
daß wohl ehe bald gantze Laͤnder aufgeboten worden/
ſolchem Libel zu ſteuren. Jn Ungern ſollen ſie dieſe
Thiere mit groſſen Acker-Waltzen auf dem Felde tod
machen/ indem ſie dieſelben daruͤber her ſchleif-
fen.


§. 69. Wiewohl nun dergleichen natuͤrliche
Mittel nicht zu verachten/ ſo ſind ſie doch vor ſich
nicht zulaͤnglich/ den Schaden von dem Lande abzu-
wenden. Wiewohl ehe beſchwerliche Heuſchrecken/
Froͤſche und andere geringe Thiere durch Menſchen
nicht haben moͤgen gedaͤmpffet werden/ iſt aus der
Hiſtoria von den Egyptiſchen Plagen bekannt. Es
kan auch davon geleſen werden Philip. Camerarius in
oper. hor. ſucciſ. part. 2. cap. 13.
Da er auch der Deut-
ſchen Sprichwort anfuͤhret: Wenn GOtt in ſei-
nem Zorn aufbe[u]t/ ſo ſtehen alſobald alle Crea-
turen im Harniſch und Waffen.
Man hat diß
Jahr groſſen Fleiß angewendet/ die Raupen von den
Baͤumen zu bringen/ es ſind auch die Baͤume gluͤck-
lich gereiniget worden/ da wohl ehe hiebevor das
Raupen gar nicht oder doch gar wenig geholffen;
Unterdeß haben wir gleichwohl den Schaden von den
Bluͤthen nicht abwenden koͤnnen/ ſondern es iſt al-
les/ durch eine kalte Lufft/ verderbet und hingerich-
tet
[40] tet worden. Alſo iſt es dem fictori locuſtæ, dem Al-
lerhoͤchſten gar ein leichtes/ wenn gleich ein Heuſchre-
cken-Heer verjaget oder gedaͤmpffet/ ein anders zu
machen/ oder eine andere Art der Straffe uͤber ein
Land zu fuͤhren.


§. 70. Solches haben auch die vernuͤnfftigen
Heiden einiger Maſſen erkennet/ und geſchloſſen/
das ſey das beſte Mittel diß Ungeziefer zu vertreiben/
den erzuͤrneten GOtt mit ihrem vermeinten Gottes-
Dienſt zu verſoͤhnen. Wie ſie denn deßwegen oͤffent-
liche Gebete/ Heuſchrecken-Feſte und dergleichen an-
geſtellet; wie beym Franzio p. 808. und Martinio c. l.
angefuͤhret wird.


§. 71. Uns Chriſten iſt unter andern ſehr troͤſt-
lich/ und dienet zur Lehre/ was bey dem Prophe-
ten Amos am 7. v. 2. ſtehet/ nemlich/ als die Heu-
ſchrecken das Kraut im Lande gar abfreſſen wollen/
ſprach ich: Ach HErr/ HErr/ ſey gnaͤ-
dig/ wer wil Jacob wieder auf helffen?
denn er iſt ja geringe. Da reuet es den
HErrn/ und ſprach: Wohlan/ es ſoll
nicht geſchehen.


§. 72. Sehr troͤſtlich/ ſag ich/ iſt es/ daß durch
das Gebet des Propheten denen Heuſchrecken ge-
ſteuret und gewehret worden. Daher nehmen wir die-
ſe Lehre/ daß das gewiſſeſte und kraͤfftigſte Mittel
wieder die Heuſchrecken/ und alles boͤſe/ ſo ſie be-
deuten
[41] deuten und nach ſich ziehen moͤchten/ das liebe Ge-
bet ſey; daß man ſich mit demſelben zu dem keh-
re/ der uns ſchlaͤget/ und nach dem
HErren Zebaoth frage
/ Eſ. 9. v. I3.


§. 73. Es muß demnach das Gebet nicht bloß
mit dem Munde geſchehen/ wie die Plapperer und
Heuchler zu beten pflegen/ ſondern von Grund der
Seelen/ da ein reuiges/ zerſchlagenes und demuͤthi-
ges Hertze/ auf ſeinen GOtt und ſeinen einigen Mitt-
ler und Heyland JEſum Chriſtum ſein hertzliches
Vertrauen ſetzet/ und durch Wirckung des H. Gei-
ſtes/ uͤmb Rettung und Huͤlffe zu ſeuffzen, nicht muͤ-
de wird.


§. 74. Und eben an dieſem Mittel und dem
rechten Gebrauch deſſelben/ wil es uns Deutſchen/
auch mitten in der Evangeliſchen Kirchen/ leider! all-
zu ſehr mangeln. Denn es iſt wohl vor dieſen unter
Chriſten nicht erhoͤret worden/ wie es heutiges Ta-
ges zugehet. Es iſt ja bey vielen groſſen Herren und
Welt-Leuten/ ja auch bey vielen Gelehrten dahin
kommen/ daß ſie die Religion nur vor eine politiſche
Invention, und was vom Glauben und guten Ge-
wiſſen geprediget wird; ja GOtt ſelbſten/ vor einen
Spott halten. Es bleibet ſolche verfluchte Atheiſte-
rey nicht nur in ihren Hertzen/ ſondern wird offter-
mahls/ ohne allen Scheu/ oͤffentlich ausgebreitet.
Der meiſte Hauffe derer/ die ſich euſſerlich zur wah-
ren Religion bekennen/ iſt voll erſchrecklicher Sicher-
heit/ und haben das alte Lied in ihrem Hertzen:
FEs
[42]Es iſt Friede/ und hat keine Gefahr.
Es ſprechen zwar alle: Jch bin ein Suͤnder! wir
ſind alle arme Suͤnder! Aber in der That fehlet es
dennoch bey den meiſten an aufrichtiger und reuiger
Erkaͤntnis ihrer Suͤnden.


§. 75. Wie ſchwer das zugehe/ daß man den-
jenigen/ der in offenbarer Ungerechtigkeit/ Voͤllerey/
Hurerey/ Luͤgen und andern abſcheulichen Suͤnden
lebet/ berede/ daß er GOtt die Ehre gebe/ und nur
geſtehe/ was man doch ſiehet und hoͤret; wie ſchwer
es zugehe/ die Frevel-Suͤnder dahin zu bringen/ daß
ſie ablaſſen/ ihre boͤſe Stuͤcke zu bemaͤnteln und zu
entſchuldigen; Wie ſchwer es zugehe/ daß die Chriſt-
liche liebe Jugend fleißig zur Schulen und wahren
Gottesfurcht auferzogen werde; Wie ſchwer es zuge-
he/ jungen Leuten aͤrgerliche Exempel/ aus ihrem
Hertzen und Gemuͤthe zu bringen; Wie ſchwer es zuge-
he/ bey denen Erwachſenen/ auch oͤffters bey ſolchen/
die in den geiſtlichen Stand getreten ſind/ ihre ange-
woͤhnete boͤſe Sitten/ Unrecht und Heuchel-Chriſten-
thum abzugewoͤhnen; und ſie zu ungefaͤrbter Gott-
ſeeligkeit zu bereden; Solches alles liegt am Tage/
und erfahrens diejenigen uͤberfluͤßig/ die/ Amts- und
Gewiſſens wegen/ davor zu ſorgen/ und darauf zu
ſehen/ auch von GOtt die Gnade und den Trieb
haben/ ſolches/ in Aufrichtigkeit ihres Hertzens/ zu
beobachten. Was kan man nun von ſolcher Chri-
ſten ihrem Gebet halten/ und was ſolte man ſich gu-
tes darzu zu verſehen haben?


§. 76.
[43]

§. 76. Wolte demnach GOtt/ daß nie-
mand ſeine Ohren/ wie eine Otter zuſtopf-
fen/ ſondern ein ieglicher hohes und niedriges
Standes/ Gelehrte und Ungelehrte/ Geiſt-
liche und Weltliche/ Junge und Alte ſich zu
Hertzen gehen lieſſen/ was der Mund des
HErrn redet: Waſchet euch/ reiniget
euch/ thut euer boͤſes Weſen von mei-
nen Augen. Laſſet ab vom Boͤſen/ ler-
net gutes thun/ trachtet nach Recht. Helf-
fet den Unterdruͤckten/ ſchaffet den Wai-
ſen Recht/ und helffet deꝛ Witben Sachen/

Eſ. i. v. 16. 17. Damit man koͤnne auf-
heben heilige Haͤnde/ ohne Zorn und
Zweiffel/
1. Tim. 2. v. 8. So dann wuͤr-
de uns der Heuſchrecken/ gifftiger Seuchen/
und aller Feinde ihr Wuͤten und Toben nicht
viel ſchaden koͤnnen. Denn/ wolte mein
Volck mir gehorſam ſeyn/ und auf mei-
nem Wege gehen/ ſo wolte ich ihre
Feinde bald daͤmpffen/ und meine
Hand uͤber ihre Wiederwaͤrtige wenden;

ſpricht: GOtt im 81. Pſalm/ v. 14. 15.


F 2§. 77.
[44]

§. 77. Wil aber ja der meiſte Theil nicht
zu Hertzen nehmen/ was zu ſeinem Friede die-
net/ ſo wird dennoch GOtt heiligen Saa-
men laſſen uͤberbleiben/ und hier und dar et-
wa zehen/ ja ſeine fuͤnff tauſend/ uͤbrig behal-
ten/ derer Mund der Epicurer und ſichern
Hertzen Baal nicht kuͤſſen/ ſondern dem wah-
ren GOtt Jſra∼lis mit reinen Hertzen die-
nen/ und zu Jhm ſchreyen Tag und Nacht.
Das wird denn auch nicht vergeblich ſeyn/
ſondern der HErr wird uͤmb ihren willen der
boͤſen Welt gutes thun/ſie aber erretten/
in einer Kuͤrtze/
Amen.


§. 78. Schluͤßlich ſoll das aller/ die die-
ſes leſen werden/ ihr hertzlicher Seuffzer zu
GOtt dem barmhertzigen himmliſchen Vater
ſeyn/ daß er doch bey Zeiten den Kriegen in
aller Welt ſteuren/ und allen verkehrten und
Blut-triefenden Anſchlaͤgen wehren wolle/
damit in unſerm Lande Ehre wohne/ daß
Guͤte und Treue einander begegnen/ Ge-
rechtigkeit und Friede ſich kuͤſſen. Daß
Treue auf der Erden wachſe/ vnd Gerech-
tigkeit vom Himmel ſchaue. Daß uns

der
[45]der HErr gutes thue/ damit unſer Land
ſein Gewaͤchs gebe/ daß Gerechtigkeit
dennoch fuͤꝛ Jhm bleibe/ und im Schwan-
ge gehe.
Darzu ſetzen wir auch den Seuffzer
der Chriſtlichen Kirchen:


Heuſchrecken und Raupen ſind

Deine Ruth/

Alles was Schaden an Fruͤchten

thut/

Solch Ungeziefer/ HErr/ ver-

treib/

Daß Dein Gab' unbeſchaͤdigt bleib/

AMEN.



[46]

Zugabe.


Von den Heuſchrecken iſt noch zu gedencken/ daß
es ſcheine/ als haben ſie nunmehro gleichſam die
Winter Quartier bezogen/ doch alſo/ daß ſie ſich viel
weiter aus einander begeben/ als bey ihrer Ankunfft/
und an vielen Orten ziemlich duͤnne liegen. Bey der
Mitte des Septembris halten ſich nicht wenig noch jen-
ſeit der Saalen/ ſonderlich in dem Rodiſchen Bezir-
cke/ auf: Diſſeits aber reichen ſie von dem Heilin-
ger Grunde/ biß gegen Burgau und Wintzurle/ und
alſo/ in der Breite/ bey zwey Meilen weit. Von dan-
nen gehet ihr Strich gegen Weimar/ und hinder den
Ettersberg/ faſt auf Buttſtedt/ und alſo von der
Saalen an uͤber vier Meilen/ in die Laͤnge. Jn ih-
ren Leibern findet man die langen weiſen lebenden
Wuͤrme hin und wieder; welches ob es nur eine Art
der lumbricorum, oder ob was ſchaͤdliches draus kom-
men moͤchte/ die Zeit eroͤffnen wird. Wenn man
ſie laͤſſet aufſieden/ ſo ſind ſie/ an rother Farbe und
Geruche/ denen geſottenen Krebſen nicht ungleich:
Doch wils zur Zeit niemand verſuchen/ ob ſie zu
menſchlicher Speiſe dienen/ gleich wie diejenigen/ ſo
in den Morgen-und Mittags Laͤndern gefunden wer-
den/ ſondern es wird ſolche delicateſſe denen Huͤnern/
Gaͤnſen/ Hunden/ Schweinen und andern Thieren
uͤberlaſſen/ welche ihnen mit ſonderlichem Appetit
nachgehen. Und wie die Sonne/ mit ihrem Schein
und
[47] und Waͤrme ſie gleichſam lebend machet: alſo haben
ſie in bißheriger Kaͤlte und Regen/ ſich/ bey erſchei-
nenden Sonnen-Blicken/ gar wenig in der Hoͤhe/ mit
fliegen ſehen laſſen/ ſondern ſich meiſtlich mit ſprin-
gen beholffen/ doch daß ſie allenthalben Gelegenheit
geſuchet/ ſich von der feuchten Erden abe zu ziehen/
und ſich an hohe Stoppeln/ Diſteln und andere Stoͤ-
rel/ ingleichen an Kraut und Ruͤben/ item niedrige
Buͤſche/ Dornhecken/ Zaunſtecken und duͤrre Rei-
ſer zu hengen. So hat man auch nicht mercken
koͤnnen/ daß ſie/ bey ſolchem Wetter/ ſtarck gezehret:
geſtalt denn auch von vielen probiret worden/ daß ſie
etliche Tage eingeſperret/ gantz ohne Futter/ auch biß
in die dritte Woche leben koͤnnen. Aber ſolte der
Herbſt warm werden/ ſo duͤrfften ſie auch wieder
munter werden/ die junge Winter-Saat abznaͤtzen.
Unterdeß/ ob ſie ſchon bißher nicht ſonderlich gezeh-
ret/ ſo ſind ſie doch bey ihrer geilen Art verblieben/
und gatten ſich haͤufig. So findet man auch nun
hin und wieder in den Hecken/ ſonderlich an den
Blaͤttern/ wie ſie ihre Eyer geleget/ ſo in ziemlicher
Menge an einander kleben: Welche GOtt/ beneben
dieſem Geſchmeiß balden tilgen/ und alles beſorgende
Ungluͤck von unſerm lieben Vaterlande
abwenden wolle.


Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 1. Eigentliche Beschreibung Des Entsetzlich-grossen Heuschrecken-Heers Welches Jm Avgvsto, A. C. M DC XCIII. Bey und unweit Jena Jn denen Fürstlichen Aemtern Orlamünda/ Roda/ und Leuchtenburg mit iedermans Bestürtzung erschienen. Eigentliche Beschreibung Des Entsetzlich-grossen Heuschrecken-Heers Welches Jm Avgvsto, A. C. M DC XCIII. Bey und unweit Jena Jn denen Fürstlichen Aemtern Orlamünda/ Roda/ und Leuchtenburg mit iedermans Bestürtzung erschienen. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bhxh.0