botaniſche und oͤkonomiſche
Abhandlungen,
und mit einer Vorrede verſehen
von
D. Karl Abraham Gerhard
Koͤnigl. Preußiſchen Geheimen Ober-Finanz-Kriegs und
Domainenrath.
bey Siegismund Friedrich Heſſe und Compagnie.
[][]
Inhalt.
- Erlaͤuternder Beytrag zu der in den aͤlteſten Zeiten ganz
verfaͤlſchten Geſchichte der Mandragora. S. 1 - Zufaͤllige Gedanken uͤber die Befoͤrderung der an ſich
ſchon leichten und geſchwinden Vermehrung des Faulbaums
in unſern Forſten, zu oͤkonomiſchen Abſichten. S. 45 - Phyſikaliſch-mediciniſche Bemerkung uͤber die Sa-
badille. S. 57 - Kurze Nachricht von der Debreziner Erde, als ein
Beytrag zur Erlaͤuterung der natuͤrlichen Geſchichte des mi-
neraliſchen feuerbeſtaͤndigen Laugenſalzes. S. 78 - Von der Pflanzung und Wartung des Holzes. S. 96
- Kurze Erlaͤuterung eines mit Vortheil zu verbeſſern-
den Hopfenbaues. S. 110 - Gedanken uͤber die in etlichen Gegenden bey der klei-
nen Viehwirthſchaft abwechſelnd gebraͤuchlichen Stallſutte-
rung mit abgeſchnittenem friſchen Getreide. S. 119 - Phyſikaliſch-oͤkonomiſche Abhandlung von den Wieſen
und deren Behandlung. S. 126 - Kurze Anweiſung zum Anbau der Baumwollenweide,
und deren Pflege, nebſt einem Unterrichte, wie die reife
Wolle zum Nutzen der Fabriken davon ordentlich zu ge-
winnen iſt. S. 167 - Beytrag zur natuͤrlichen oͤkonomiſchen und Arzeney-
wiſſenſchaft der Weiden. S. 194 - Ausfuͤhrliche Inſtruktion fuͤr den Schleſiſchen Land-
ſtand, wie ſowohl der Wolletragende Weidenbaum anzu-
bauen und zu pflegen; als auch wie deſſen Wolle zu ſam-
meln, und zum Gebrauch zuzurichten ſey. S. 209 - Vom Anbau der Bienenzucht und ihrer Wartung. S. 207
- Von der in einigen warmen Laͤndern noch gebraͤuch-
lichen uralten Art, die heißen trocknen Sandfelder mit dem
Kraute der weißen Lupinen zu duͤngen. S. 235 - Kurze Geſchichte des Schwaden- oder deutſchen Man-
nagraſes. S. 244 - Von den Schaaflecken. S. 252
- Von Anwendung der Witterungsbeobachtungen bey
der Ackerwirthſchaft. S. 258 - Beſchreibung der Stammraupe. S. 264
- Kurze Anweiſung zu den geſchwindeſten Rettungsmit-
teln, durch welche man den aus dem Waſſer gezogenen
Verungluͤckten am ſicherſten zu Huͤlfe kommen kann.
S. 290
[[1]]
Erlaͤuternder Beytrag
zu der
in den aͤlteſten Zeiten
ganz verfaͤlſchten Geſchichte
der
Mandragora.
Der griechiſche Name Mandragora oder Man-
dragoras, nebſt der damit verbundenen deutſchen
Benennung Alraune (Alruna) zeigen ganz von einan-
der verſchiedene Dinge an, mit denen eine ganz of-
fenbare Verwechslung vorgegangen iſt. Wie nun
aber jede Sache nach ihrer richtigen Beſtimmung
ihren eigenen Namen haben ſollte und muͤßte, ſo
findet ſich hier vielmehr das Gegentheil. Denn
man hat ſie aus Unwiſſenheit, oder auch zum Theil
Amit
[2] mit einigen Vorſatze zu beſondern Abſichten mit ein-
ander zu verwechſeln gut gefunden, welches die
Nachlaͤßigkeit noch mehr beguͤnſtiget hat. Durch
den Aberglauben bey einigen alten beruͤhm-
ten morgenlaͤndiſchen Voͤlkern iſt dieſer Irrthum
mit andern zugleich unterhalten, und nach den
Abendlaͤndern fortgepflanzt worden, wo ihn gewiſſe
Arten von Leuten eine geraume Zeit beyzubehalten
recht zutraͤglich gefunden haben.
Mandragora ſelbſt hat zwar von jeher und
bis zu unſern Zeiten einen wohlbeſtimmten oder doch
leicht zu beſtimmenden Naturkoͤrper aus dem Pflan-
zenreiche bedeutet, man hat dieſen bey den Grie-
chen und Roͤmern gekannt, aber nur ſehr unvoll-
kommen und gleichſam ſchwankend beſchrieben.
Durch den unter den Juden, Heyden und
Chriſten herrſchenden Aberglauben hingegen ſind
die Namen, Eigenſchaften, Wirkungen, Gebrauch
und Nachrichten von der Dudaim, der Baaras, und
der in gar verſchiedenen Verſtande zu nehmenden Al-
raunen mit den von der Mandragora verwechſelt
worden, wodurch man eine ſo große Verwirrung
angerichtet, daß auch die gelehrteſten Sprachver-
ſtaͤndigen und Ausleger alter Schriften jener und
dieſer Zeiten, aus Mangel an Kenntniſſen in der
Naturgeſchichte, nichts vortheilhaftes dagegen aus-
richten koͤnnen. Indeſſen zeigen ſich unter dem di-
cken Nebel der zerſtuͤmmelten Nachrichten und
Menge der Erdichtungen doch immer einzelne Spu-
ren
[3] ren von Wahrheiten, die unſere natuͤrliche Man-
dragora außer allen Zweifel ſetzen, und von allen
andern voͤllig erdichteten Mandragoren deutlich
unterſcheiden. Die letztern waren ohnehin von ei-
ner ſo widerſinnigen Beſchaffenheit, daß der aller-
maͤßigſte Verſtand an ihren Daſeyn zweifeln konnte.
Doch verliert ſich beynahe alle Unterſuchung in der
Dunkelheit der allererſten oder doch ſehr entfernten
Zeiten. Glauben darf man indeſſen keinesweges,
als ob alles dasjenige, was von ſo verſchiedenen
Schriftſtellern in ganz verſchiedener Abſicht, in den
auf einander folgenden Zeitaltern, von nur beſagten
Umſtaͤnden aufgezeichnet worden, durchgehends
gleichen Eingang gefunden habe, daß man die An-
haͤufung von den aberglaͤubiſchen auch damit ab-
wechſelnden philologiſchen Verwirrungen nicht viel-
mehr vorlaͤngſt, ſogar unter den arabiſchen und etli-
chen andern morgenlaͤndiſchen Naturkundigern,
Aerzten und Geſchichtſchreibern angemerkt, auch
zum Theil, nach Auswahl des einzelnen noch darin-
nen ſehr verſteckten brauchbaren Guten, als falſch
und ungereimt oͤffentlich verworfen haben ſollte,
obſchon die Unvernunft, wie gewoͤhnlich, bey der
damaligen gemeinen Welt, noch immer die Ober-
hand behalten hat. Die Ueberbleibſel von allen
dieſen beſtaͤtigen ſich durch die Geſchichte, daß man
davon mit Wahrheit ſagen kann, es ſey faſt etwas
uͤberaus ſeltenes, unter den theologiſchen, medici-
niſchen, philologiſch-kritiſchen und uͤbrigen ausle-
A 2genden
[4] genden Schriftſtellern gewiſſer Zeitpunkte, da, wenn
ſie auf die Mandragoram zu kommen Gelegenheit
gefunden, nicht zugleich von ihrer erdichteten Eigen-
ſchaft und unerlaubten Gebrauche bey den alten
beruͤhmten Voͤlkern Meldung haͤtten thun ſollen.
Durch beſſere Beſtimmung des der Mandragora
gegebenen Namens, naͤmlich Alraune, oder die
Veraͤnderung in die Benennung von Alraunen-
Wurzel, das iſt, die von den alten Alraunen, als
verſchiedenen Arten von Wahrſagern, bey den alten
Voͤlkern zu allerhand aberglaͤubiſchen Handlungen
in Gebrauch geweſener Wurzel der Mandragora,
wuͤrde beſagten Irrungen und manchen daraus weiter
entſtandenen Erdichtungen ſchon einigermaßen ha-
ben abgeholfen worden ſeyn, anſtatt, daß ſich die
Geſchichte mit ſo vielen ganz uͤbertriebenen und wi-
derſinnigen Erzaͤhlungen aufgehalten, welche ſonſt an-
derweit von der Baarus Wurzel gegolten, und ſo
gar die Dudaim der Hebraͤer mit in ihren Cirkel ge-
zogen haben.
Von allen dieſen unterſcheidender zu reden und
mit mehrerer Zuverlaͤſſigkeit urtheilen zu koͤnnen,
muß man die eigentliche natuͤrliche ganze Mandra-
gora Pflanze zu unterſuchen vornehmen. Dieſes
wird uns ins Gewaͤchsreich, auf ihre Theile, Eigen-
ſchaften, Produkte und Anwendung fuͤhren: der
derſelben von Alters her gegebene Name Alraune
hingegen auf gewiſſe Perſonen, Handlungen, Ge-
braͤuche und die Anwendung der Wurzel dieſer Pflan-
ze
[5] ze zuruͤcke bringen, daß wir uns zuletzt in der Ge-
ſchichte der aller entfernteſten Zeiten, in Ceremonien,
Muthmaßungen, Erdichtungen und Aberglauben voͤl-
lig verliehren wuͤrden. Zuletzt koͤnnte uns kaum
nach allen muͤhſamen Unterſuchungen mehr uͤbrig
ſeyn, als daß wir ausgemacht, die Mandragora-
Wurzel befinde ſich auch unter denjenigen rohen Ma-
terialien aus denen ehedem, wie aus Glas, Steinen,
Erden, Metallen, Knochen, Hoͤrnern, Zaͤhnen,
Muſcheln und Korallen oder auch Wurzeln und Holz-
arten und dergleichen, allerhand gegoſſene und ge-
ſchnitzte Zauberbilder und Amulete von der aben-
theuerlichſten Geſtalt gemacht wurden, um eines
Vortheils halber den aberglaͤubiſchen Poͤbel da-
mit zu betruͤgen. Bey dieſer Gelegenheit wuͤrde
man ſehr tief in das Alterthum zuruͤcke kommen und
darin auf eine Menge oder ganze Familien von be-
truͤgeriſchen Prieſtern, Prieſterinnen, Prophetin-
nen, Wahrſager, Sybillen, weiſe Frauen, Gauk-
ler, Zauberer und allerhand von dergleichen viel-
wiſſenden, murmelnden Zigeuner-Hexen- und al-
ten Weibergeſindel gerathen, welche dieſe ihre ge-
heime Nahrungswiſſenſchaft ſchon von ihren Vor-
fahren ererbet, nach welcher ſie recht meiſterhaft
verſtunden, die ganze Poͤbelwelt zu hintergehen,
bey ihrem Aberglauben zu erhalten, und ſich dadurch
von lauter Betrug zu ernaͤhren; wovon weiter un-
ten etliche Beyſpiele ſo kurz als moͤglich beygebracht
werden ſollen, da man Zeit und Arbeit nuͤtzlichern
A 3Ge-
[6] Geſchaͤften widmen kann, als einer fabelhaften zu
weit ausgedehnten Alraunengeſchichte. Da aber
bey aller der Dunkelheit und der aberglaͤubiſchen
Nachrichten in denſelben doch einzelne Spuren
von Wahrheit zur Anwendung gefunden werden,
und man die eigentliche Beſchaffenheit der Schrift-
ſteller aus den erſten und aͤlteſten Zeitaltern unter
den nach und nach bekannt gewordenen Voͤlkerſchaf-
ten gleichſam aus dem rechten Geſichtspunkte be-
trachten ſoll, ſo wird man von ihnen wegen ihres
damahligen Zuſtandes kaum etwas beßeres verlan-
gen. Die Abendlaͤnder, in welchen Kuͤnſte und
Wiſſenſchaften viel ſpaͤter aufzukeimen angefangen,
haben auf die Ruinen der erſtern gebauet, und ih-
ren Grundſtoff daher erhalten, und bald recht, bald
ſchlechter angewendet. Da alſo Kuͤnſte und Wiſ-
ſenſchaften bey beyden ſich noch ſehr lange in ihrer
Kindheit befunden, ſo wird wohl die Strenge der
Beurtheilung hieruͤber von ſelbſt wegfallen. Was
man dabey ſo, wie in aͤhnlichen Faͤllen, thun kann,
iſt dieſes, daß man vor allen Dingen die ſo ſehr ein-
zelnen und einzeln eingeſtreuten Wahrheitsſpuren
aus einem weit uͤberwiegenden Gemenge von Un-
wiſſenheit und Dunkelheit vorſichtig abzuſondern,
und das Weſentliche der Sachen aus dem verwor-
renen Gewebe der vielen Ausleger und deren Mit-
genoſſen zu entwickeln verſuche. Es muͤſſen ſich
alsdenn die ſo tief verſteckten und zum Theil ganz
verſtellten Wahrheiten in ihrer wahren Geſtalt von
ſelbſt
[7] ſelbſt offenbaren. Ob es nun zwar ſehr oft ſein Be-
wenden bey dem bloßen Nachſpuͤren des Urſprungs
einer bloß hiſtoriſchen Wahrheit oder Unwahrheit
haben wuͤrde, als daß uns eine Widerlegung von
offenbaren Ungereimtheiten von ſonderlichen Nutzen
ſeyn koͤnnte, ſo wuͤrde ſich dennoch zur Ehre der
Wahrheit noch manches entwickeln. Das uͤbrige
muͤßte man unter diejenigen Umſtaͤnde bringen, von
denen man aufrichtig wuͤnſchet, daß es beſſer waͤre,
wenn ſie niemahls bekannt geworden. Um nun
den Weg zu bahnen, durch welchen wir dem Haupt-
zweck uns mehr zu naͤhern gedenken, wird hier vor
das erſte auszumachen ſeyn, was nun mit Einver-
ſtaͤndniß aller Sachverſtaͤndigen die wahre oder na-
tuͤrliche Mandragorapflanze ſey, welche dieſe ge-
nannte Alraunenwurzel hervorbringe, die die al-
ten, mittlern und neuern Schriftſteller, nach den
Gruͤnden der Naturgeſchichte und Arzeneywiſſen-
ſchaft, unter dieſem Namen beſtimmt haben, und
deren Aepfel und Wurzeln eigentlich diejenigen
Theile ſind, die durch den theils unerlaubten theils
aberglaͤubiſchen Gebrauch ihre Pflanze ſo beruͤhmt
und merkwuͤrdig gemacht. Was hernach die
Menge der in aͤltern Zeiten damit verbundenen un-
gereimten Begriffe, Namen- und Sachenverwechs-
lungen anlanget, ſo werden ſich dieſe davon von
ſelbſt deutlich genug unterſcheiden, und daraus her-
vorgehen, daß unter den ganz verſchiedenen vielen
Dingen, die den Namen Alraune (Alruna) gefuͤh-
A 4ret,
[8] ret, nur eine die rechte ſey; daß auch ſelbſt der
Name von denjenigen Perſonen die dieſe Frucht
oder Wurzeln gebraucht haben, und Alraunen,
Alruni und Alrunae genennet wurden, dieſen Thei-
len der Mandragorapflanze mit Unrecht gegeben
worden ſey. Die Meynungen der blos Sprach-
verſtaͤndigen Ausleger, die ſich in die Geſchichte
uͤberall eingeſchlichen, koͤnnen alsdenn gegen mehr
beſtimmende wiſſenſchaftliche Gruͤnde nichts ver-
moͤgen.
Es wird ſich auch alsdenn ein neuer Ausweg
finden, durch welchen wir die voͤllig und widerſinnig
erdichtete Baaraswurzel beym Joſepho, deren
auch der beruͤhmte Conrad Gesner, in ſeiner Ab-
handlung de raris et admirandis herbis noctu lu-
centibus, Meldung gethan, aus der Geſchichte der
Mandragorapflanze auszuſtreichen, deren Ver-
wechslung der letztern ſo viele Schande gemacht und
etliche Schriftſteller verleitet hat, aus dieſer ſo un-
reinen Quelle zu ſchoͤpfen. Es wird ſich auch die
Dudaim des Moſes, Ruben, der Rahel, des Sa-
lomonis, gegen die Meynung der 70 Dollmet-
ſcher und die Fabeln der neuern Rabinen und an-
derer blos philologiſcher Ausleger, alsdenn mit meh-
rerer Gruͤndlichkeit beurtheilen laſſen. Wie denn
auch noch mehrere ſehr uͤbel gegruͤndete Muthma-
ßungen, die die Mandragora mit der Dudaim
der Hebraͤer vor einerley ausgeben, mit allen vor
Dudaim gehaltenen Blumen, Fruͤchten, Wurzeln,
Saa-
[9] Scamen und Erdſchwaͤmmen, oder daraus zuberei-
teten erhitzenden, berauſchenden und ſchlafmachenden
Liebes- und Zauberprodukten, und Arzeneyen, mit
den erdachten Fruchtkoͤrben von ſelbſt wegfallen
muͤſſen, welchen letztern weiter nichts zuzuſetzen fehlen
moͤchte, als die quinque ſata polentae welche ein Pa-
ſchius gar vor Saͤcke voll Koffeebohnen gehalten
wiſſen will, mit welchen Geſchenke die Abigail den
erzuͤrnten Koͤnig David zu beſaͤnftigen geſucht ha-
ben ſoll.
Die wahre Mandragora, iſt nach allen
natuͤrlichen Geſchlechtskennzeichen und alten und
neuen hiſtoriſchen Nachrichten noch jetzo eben die-
ſelbe, vor die ſie der weſentlichen Beſchaffenheit
nach ausgegeben worden und werden kann. Von
dieſer Pflanze, welche in den Linnaͤiſchen Schriften
den Namen Atropa Mandragora fuͤhret, iſt ſchon
beym Dioſcorides in Mat. Med. Lib. VII. Cap. 75.
Nachricht zu finden, in welcher 3 Geſchlechtsarten
angefuͤhrt werden. Theophraſt hat die Aropam
Belladonnam vor die rechte gehalten, Plinius aber
in Hiſt. Nat. Lib 25. cap. 13. beyderley offenbar
verwechſelt, daß alſo der Grund der Irrungen in
der alten Geſchichte der Mandragora, insgemein
aber doch eines Theils hierinnen, befindlich iſt.
Sonſt hat es mit der Mandragora nigra und alba
dieſer Alten wenig zu bedeuten. Der beruͤhmte
Tournefort fuͤhret Mandragoram nnd Belladonnam
in zwey verſchiedenen Geſchlechtern auf, welchen
A 5ich
[10] ich deshalb ſo wie dem Herrn von Haller nicht voͤl-
lig widerſprechen kann. Herr v. Linné hat beyde
unter ein Pflanzengeſchlecht zuſammen gebracht,
dem er den Namen Atropa von einer der 3 unerbitt-
lichen Parzen nach folgenden Kennzeichen gegeben:
die Wurzel und Frucht aber ſind nur von der erſten
allein, nehmlich der Atropa Mandragora, zu aller-
hand alrauniſchen Kuͤnſten und Handlungen ge-
braucht worden. Die davon angenommenen Ge-
ſchlechtskennzeichen ſind folgende:
- Atropa Linn.
- Gen. Plant. ed. VI. pag. 99.
- No. 249.
- Cal. Perianthium monophyllum, quinque parti-
tum, gibbum perſiſtens, laciniis acutis. - Coroll. monopetala campanulata calyce ampliori
hypocarpia; Limbus ventricoſus, ore patu-
lo quinquefido, plus minus aequali; Tubus
breviſſimus. - Stam. quinque ſcubulata, baſi corollae inſerta
et in fundo ferme conniventia, fuperne ex-
trorſum divergentia arcuata. Antherae craſ-
ſiusculae eſſurgentes. - Piſtill. Germen ſemiovatum. Stylus filiſormis,
longitudine ſtaminum. Stigma capitatum
aſſurgens. - Pericarp. Bacca magna globoſa, calyce incre-
ſcente impoſita. - Sem. plurima reniformia.
Die
[11]
Die neuern Pflanzenlehrer zaͤhlen zwar gegen-
waͤrtig ſchon 3 Gattungen der Atropa, wenn ſie den
gegebenen Charakter des Linnei folgen, dagegen
aber aus der Struktur der Blumen und Fruͤchte
mit Grund noch etwas erinnert werden kann. Die-
jenige, die ich hier zu erklaͤren die Abſicht habe,
und die die erſte iſt, von welcher nur gegen-
waͤrtig gehandelt wird, fuͤhret die Kennzeichen
der Mandragora, welche Tournefort davon an-
genommen hat. Ihre Abaͤnderungen (varietates)
ſind nur wenige, von welchen man, wegen der Ge-
ſtalt und Groͤße der Blaͤtter und Fruͤchte, Blumen
und Farbe, auch ſelbſt der Wurzel, bey den Alten
Spuren findet, wenn man nur die aberglaͤubiſchen
Erdichtungen davon abſondert. Tournefort nen-
net ſie in Inſt. R. Hb. p. 12. und thut im Coroll.
noch etliche hinzu, die er in der Levante ſelbſt gefun-
den; von dieſen letztern zeige ich die betraͤchtlichſten
hier gleichfalls an. Die gemeine, von Seiten der
Natur- und Arzeneygeſchichte aber ſehr merk-
wuͤrdige Pflanze iſt die Mandragora der Alten,
und zwar
- 1) Atropa (Mandragora) caulis, ſcapis unifloris.
Linn. Sp. Pl. ed. 2. p. 457.- Mandragora. Dodon Pempt. 457.
- Mandragora fructu rotundo. C. Bauhin.
Pin. 169. et officin. - Alraunenwurzel, Schlafapfel.
Den
[12]
Den deutſchen Namen Alraune oder Alrun-
ke ſondern wir mit Vorbedacht ab, weil er nach
Maßgabe der Geſchichte theils gewiſſen Perſonen,
theils beſondern aus der Wurzel verfertigten Bil-
dern, oder auch andern Dingen gegeben worden iſt.
Hierher gehoͤren noch manche aus der Geſchichte
wohl bekannte, zum Theil aberglaͤubiſche und er-
dichtete Namen, welche bald unſere Mandragora
anzeigen ſollen, bald einige Beziehung auf dieſe
haben. Viele beſtehen nur in der Einbildung, oh-
ne daß man daruͤber beſondere Anmerkungen ma-
chen duͤrfte. Dergleichen ſind vor andern Mandra-
gora maſc. et foemina, mit folgenden wenig beſtimmten
Arten, als: Hippomoron, Mozion, Morion, ſ. Fatuel-
la, Circea, Xeranthe, Antimion, Aloete, Archine und
Tridacia, Hippophlomon und Iabora oder Iabruach,
vom Geruch eines Schafſtalles oder Bocks, auch
mehrere unter den Morgenlaͤndern ehedem gebraͤuch-
lich geweſen, und endlich Alruna et Alrunula. Bod.
a Stapel. fuͤhrt in ſeinem Commentar. in Theopra-
ſtum einen alten nordlichdeutſchen Namen der
Wurzel an, nehmlich Manntragen, virigena ſ.
hominifera welche nach deſſen Meynung recht viel
bedeutend ſeyn, und zu Unterſtuͤtzung der alten aber-
glaͤubiſchen Geſchichte etwas beytragen ſoll. Alber-
tus Magnus, welchen man ſeiner bekannten Be-
ſchaffenheit wegen gar wohl vorbey gehen koͤnn-
te, hat ſich ſogar eingebildet, das natuͤrliche Zei-
chen des maͤnnlichen und weiblichen Geſchlech-
tes
[13] tes ſelbſt deutlich an der Mandragorawurzel zu
ſehen.
Die irrige Benennung der Mandragora Wur-
zel durch den Namen Alraunen bringet uns im Vor-
beygehen zu einer kurzen Betrachtung etlicher damit
ehedem verbundenen Nachrichten aus der Geſchich-
te. Wir finden Alrunos et Alrunas Alerunas,
Aliorunas et Ahorumnas, Alirunas et Halirunos
Alraunen und Alraunen, Alrunen und Alrunken,
von welchen allen weitlaͤuftig zu handeln weder die
Zeit noch der Ort iſt. Unter beſagten Namen kom-
men in der alten deutſchen auch uͤbrigen Geſchichte
gewiſſe Prieſter und Prieſterinnen vor, die außerdem,
daß ſie in den Tempel und Haynen ihre gottesdienſt-
lichen Handlungen abwarteten, auch zugleich die
Wahrſagereyen und Prophezeyungen trieben, und
ſich durch Ausuͤbung allerhand geheimer und magi-
ſcher Kuͤnſte, Ruhm und Vortheile erworben. Dieſe
verſtanden die Kunſt, den leichtglaͤubigen Poͤbel in
ſeiner Unwiſſenheit und beym Aberglauben ſo mei-
ſterhaft zu erhalten, daß er ihnen eine faſt goͤttliche
Kraft des Verſtandes und die allertiefſten Einſich-
ten zuſchrieb. Unter den vielerley Kleinigkeiten,
deren ſie ſich als Mittel bedienten, ihre ſcheinheiligen
und gewinnſuͤchtigen Abſichten zu befoͤrdern, gehoͤ-
reten die kleine aus Metall, Glas, Steinen, Hoͤl-
zern und Wurzeln verfertigten Geſtalten und Bilder,
deren ſie ſich zum Schein ſelbſt bedienten, ſie vor ge-
heime Oracul ausgaben, ihnen ganz außerordent-
lich
[14] lich magiſche Kraͤfte zuſchrieben, und ſie aufdas ſorg-
faͤltigſte verwahrten. Dadurch brachten ſie den Poͤ-
bel dahin, daß er dergleichen Bilder, die ſie unteran-
dern aus den Wurzeln der Mandragora kuͤnſtlich
verfertigten, davor annahm, vor was ſie bey
ihm eigentlich gelten ſolten. Dieſe Prieſter und
Prieſterinnen hießen Haliruni, Alirunae etc. und
die magiſchen Bilderimagunculae Alrunicae,
im deutſchen, Alrauen, Alruͤniken; von welcher wir
weiter unten etliche Beyſpiele anzeigen werden, von
ihrer Geſchichte aber eine weitere Unterſuchung aus-
geſetzet ſeyn laßen.
Es hat aber faſt zu aller Zeit unter mancherley
Voͤlkern noch andere Arten ſolcher Leute genug gege-
ben, die ohne einen gewiſſen Siz zu haben und prie-
ſterliche Aemter zu bekleiden, beſonders verwogene
Weiber, welche die Geſchichte vetulas divinatrices
et ſagas ſ. omni ſapientia plenas, praeſtigiatrices va-
tidicas, et, ut credebatur, cum ipſo diabolo murmur an-
tes, circum foraneas atque ſylveſtres nennet, und mit
den herumziehenden Zigeunervolke die groͤßte Aehn-
lichkeit haben. Der Poͤbel ſchenkte beyderley ſein
Zutrauen, bezeigte ſich aber gegen die letztern weit
furchtſamer. Gewiſſe Arten dieſes weiblichen Ab-
ſchaumes waren hin und wieder unter den Namen
der klugen oder weiſen Frauen bekannt, ſie be-
reiteten bey ihrer Wahrſagerey allerhand ſchaͤdliche
verbothene und erhitzende Arzeneyen zu Liebeswerken,
und bedienten ſich der Mandragorawurzel dazu,
wobey
[15] wobey ſie die unfruchtbaren Weiber verfuͤhrten und
ihnen einbildeten, daß ſie bey dem Gebrauche ihrer
Arzeneyen ſchwanger werden ſollten: außer noch vie-
len andern Ausſchweifungen, um welcher willen ſie
bey keiner guten Einrichtung geduldet werden konn-
ten. Dergleichen menſchliche Scheuſaale ſollen ſich
nach des Jornades Zeugniſſen de rebus Gericis Cap.
24. ehemals haͤufig unter dem Volke des Gothiſchen
Koͤniges Philimer befunden haben. Die Geſchichte
ſagt, daß weil ſie bey der Unterſuchung verdaͤchtig
befunden worden, er dieſes Geſindel von der Armee
verjagt, und in die Wuͤſteneyen zuſammen bringen
laſſen, wie die Zigeuner. Die Fabelgeſchichte aber
hat von dieſem Geſindel, durch Vermiſchung mit
den boͤſen Geiſtern, das ſo maͤchtige Volk der Hun-
nen entſtehen laſſen. Dieſe und mehrere Umſtaͤn-
de, die den Namen von Alraunen betreffen, bey
Seite geſetzt, ſo wird uns die Beſchreibung einer
natuͤrlichen und blos zu aberglaͤubiſchen Abſichten
mißbrauchten Mandragora und deren Fruͤchte und
Wurzel in der Geſchichte ein mehreres Licht geben,
wovon ſich in dem Zuſtande, in welchen ſie als ein
fremdes Gewaͤchs in unſern Gaͤrten unterhalten
wird, folgende zuverlaͤßigere Umſtaͤnde anfuͤhren
laſſen.
Dieſe Pflanze gehoͤret unter die beſtaͤndigen,
die wir niedrige Staudengewaͤchſe nennen. Ihre
4 bis 5 Finger ſtarke und, im Verhaͤltniſſe gegen das
uͤbrige Kraut, ſehr große, einen auch faſt 2 Fuß lan-
ge
[16] ge fleiſchige Wurzel, welche einen heftigen, ſchwe-
ren, widrigen narcotiſchen Geruch hat, wenn ſie in
ihrem rechten Boden bey voller Kraft iſt, wird
beym Avicenna Jabrual genennet. Die aͤußerliche
Farbe ihrer dicken Rinde iſt bald dunkel-ſchwarz-
oder hellbraun, bald eiſenfaͤrbig. Sie hat ſehr ein-
zelne feine und weiche Haarfaſern, zumahl an bey-
den aͤußerſten Spitzen ihres ſtarken tief- und zwey-
ſpaltigen Koͤrpers oder Hauptſtuͤcks. Wegen die-
ſer Abtheilung oder tiefen Spalte der Hauptwurzel,
welche oͤfters faſt bis auf die Haͤlfte gehet, ob ſie
ſchon zuweilen auch 3 Abtheilungen hat, iſt ihre
Geſtalt vielen Menſchen ſo beſonders vorgekommen,
welches vielleicht ſeltener geſchehen ſeyn wuͤrde,
wenn ſie unſer zuweilen ſehr fehlerhaft gewordenes
Wurzelwerk fleißiger betrachtet haͤtten. Denn wie
oft theilet ſich nicht die Wurzel der Ruͤben und anderer
Pflanzen dergeſtalt in 2 Theile, daß ſie tiefgeſpaltene
und mehr oder weniger uͤbereinander gelegte oder et-
was geſchlungene Schenkel und Fuͤße vorſtellen, wozu
eine verderbte Einbildungskraft leicht den Unterleib
eines nackenden Menſchen und noch mehr daran
finden kann, doch ohne Kopf und Arme, wenig-
ſtens hoͤchſt ſelten, wie es doch in den kuͤnſtlich ge-
ſchnittenen Alraunenwurzeln gar zu oft vorgeſtel-
let wird.
Rinde, nebſt dem weißen Kern der Wurzel, ſind
ſehr ſaftreich, und bekommen deshalb gar leicht
Faulflecke, ob ſie ſonſt ſchon im guten, lockern, fet-
ten,
[17] ten, gemaͤßigt feuchten Boden dauerhaft genug
ſind, und bald zunehmen. Die Strenge unſerer
gemeinen Winter haͤlt ſie nur aus, wenn ſie
gleich nach dem erſten Froſte gut bedecket wird.
Die Blaͤtter, welche auf der Spitze des Wur-
zelknotens einen Buſch bilden, kommen ſchon in
den erſten Fruͤhlingstagen, ohne einen beſondern
Stengel oder Strunk, auf geraden Stielen hervor,
und leiden zuweilen von den Nachtfroͤſten. An-
faͤnglich ſind ſie bis zur Bluͤthe klein und gedrunge-
ner, ſie wachſen aber hernach bey dem Verbluͤhen
der Blumen dermaßen, daß ſie die Frucht verber-
gen. Bey ihrem guten und fetten Wachsthume
erhalten ſie das Anſehen eines jungen Spinats oder
auch einer recht dunkelgruͤnen Bete (Beta), da ſie
zumahl, bey ihrer allmaͤhligen Entwickelung, einen
ausgeſchweiften gekraußten Rand und ſtaͤrkere Rip-
pen bekommen. Ihr heftiger und widriger Ge-
ruch, der denjenigen ſehr aͤhnlich iſt, welchen wir
von der friſchen Wurzel ſchon angezeigt ha-
ben, verlieret ſich nach dem Abtrocknen bey allen
beyden.
Was die zahlreichen Blumen betrift, ſo ſind
deren immer mehrere, als ſie Fruͤchte bey uns nach-
laſſen, und ſtehen innerhalb der Blaͤtter auf ihren
beſondern, einzelnen, kurzen und geraden Stielen
aufrecht. Sie brechen im May, aber auch ſchon
im April aus, und verbluͤhen bey warmen Wetter
gar bald. Sie ſind glockenfoͤrmig, aͤußerlich etwas
Botan. Abhdl.II.B. Brauch
[18] rauch, und dunkelblau, mit einer 5theiligen Muͤn-
dung (ore), und fuͤhren unten auf dem Grunde einen
großen druͤſenhaften Honigring. Der Kelch, wel-
cher weit kuͤrzer iſt, nimmt nach der Bluͤthe ſehr
ſichtlich zu. Ob dieſe Blumenzwiebeln bey anhal-
tenden warmen Herbſte zum zweytenmahl in einem
Jahre bluͤhen, wie einige melden, habe ich noch
nicht erfahren.
Die fleiſchigten Fruͤchte, die man oͤfters Aepfel
auch Schlafaͤpfel nennet, haben die Groͤße und
Geſtalt eines kleinen Holzapfels, und werden in
den Sommermonaten reif, wenn die Blaͤtter unter-
deſſen vergangen ſind. Sie ſind glatt, dunkler
oder helle gelb, und haben bey ihren aͤußerlichen
ſehr guten Anſehen, wenn man ſie zumahl in den
Stuben recht reifen und etwas muͤrbe werden laͤßt,
einen uͤberaus ſtarken, angenehmen, erquickenden,
und den Quitten ziemlich aͤhnlichen Geruch. Die-
ſer aber nimmt das Haupt unvermerkt ein, er wird
nach und nach ſchwerer, und zuletzt unertraͤglich.
Die Schale der Frucht iſt dicke, und man findet,
beym Durchſchneiden derſelben in der Quere, einen
einfachen Ring von großen Saamenkoͤrnern. Brin-
get man dieſe nierenfoͤrmige Saamen ſogleich aus
der friſchen ſaftigen Frucht in die Erde, ohne ſie
auszumachen, lange zu trocknen, oder aufzuheben,
ſo kann man bald davon einen ſtarken Zuwachs im
Garten haben; welches mit Dephinio Staphiriagra
wie mit mehrern ſchwerer, ſpaͤter, auch wohl ſehr
ſchlecht
[19] ſchlecht von ſtatten gehet, wenn man ſich auf die
trocken uͤberſchickte Saamen verlaͤßt. Mit dem
Verpflanzen hingegen muß man bey uns vorſichtig
und ſparſam ſeyn, weil die Wurzel leicht anſtoͤßig
wird, und zur Faͤulniß geneigt iſt.
Der natuͤrliche Standort der Mandragora-
pflanze in Europa und Aſien iſt bekannt genug. Es
findet ſich dieſelbe in Spanien, etlichen mittaͤglichen
Theilen von Frankreich und in Italien, beſonders
in Apulien, ſonſt aber weiter auf den cycladiſchen
Inſeln, auf Pharos, Candia und andern. Nach
Angabe des Herrn von Hallers waͤchſet ſie auch in
etlichen Gegenden der Schweiz, inMonte generoſo,
bey Chenal und bey Chatelin. Sonſt haben ſie auch
die Morgenlaͤnder ſelbſt aufzuweiſen. Die Alten
verſchaften ſich die Pflanze daher, wie die Roͤmer
beſonders aus Griechenland, nur daß ſie von ihnen
zu dunkel und unvollkommen beſchrieben iſt, daß
man ſie leicht mit mehrern verwechſeln kann. Sie
liebet indeſſen in waldigen Gebirgen, und deren Ab-
haͤngen gegen die Waſſer, warme aber doch ſchat-
tige mit Lauberde bedeckte Gegenden, welcher letztere
Umſtand ſich mit dem Clima mehr oder weniger ver-
aͤndert.
Vom Geruche der Wurzel, Blaͤtter und
Fruͤchten der Mandragora iſt ſchon geſagt, daß er
widrig, durchdringend und berauſchend ſey, bey der
reifen Frucht hingegen angenehmer und quittenar-
tig, dabey ſey er doch betruͤglich, und nehme den
B 2Kopf
[20] Kopf ein. Was den Geſchmack betrift, ſo zeigeter,
vornehmlich in der bey den Aerzten ehedem ſtark
im Gebrauch geweſenen reifen Wurzel, etwas widri-
ges mit einiger Bitterkeit, Schaͤrfe, auch etwas von
einer zuſammenziehenden Eigenſchaft. Kraft und
Wirkungsart wuͤrden von der friſchen und trocknen
Pflanze leicht zu erweiſen ſeyn, wenn hier unſern
Zweck gemaͤß waͤre, theils von dem Arzeneygebrau-
che, theils von der unerlaubten Anwendung der
Mandragora zu handeln, wie es ſchon vor uns von
andern beruͤhmten Naturforſchern und Aerzten oft
genug geſchehen iſt. Wir haͤtten dazu nicht nur die
chemiſchen Zerlegungen, ſondern auch praktiſche
Erfahrungen und Zeugniſſe von allerley Zeitaltern
vor uns. Denn die friſche Pflanze bringet grad-
weiſe und nach einer verſchiedenen Heftigkeit alle
die bekannten narcotiſchen berauſchenden, und dar-
auf folgenden erſchlaffenden, ſchlafmachenden Wir-
kungen, nach dem jedesmahligen Zuſtande eines je-
den menſchlichen Koͤrpers, insbeſondere hervor,
welche von andern dergleichen Mitteln zu entſtehen
pflegen. Der fluͤchtige Hauptbeſtandtheil dieſer
narcotiſchen Mandragora maͤßiget ſich bey dem
Trocknen derſelben, und beym Deſtilliren gehet der-
ſelbe mit dem Waſſer uͤber. Der Geſchmack ver-
mindert ſich gleichfalls, da er in der friſchen Wur-
zel etwas ſcharf iſt, und von der bereits davon
kurz vorher angegebenen Beſchaffenheit. Ob nun
ſchon die Aerzte aͤlterer Zeiten von der Mandrogora
einen
[21] einen ſtaͤrkern Gebrauch gemacht, ſo wie Aber-
glaube und Gewinnſucht einen ſtarken Misbrauch;
ſo haben doch die neuern Aerzte, wegen anwachſen-
der Menge theils beſſerer Mittel, ihn weit ſeltener
unter den Arzeneyen verordnet, und nun beynahe
ganz vergeſſen.
Die Alten ſtanden, vor der Entdeckung und
rechten Anwendung der vernuͤnftigen phyſikaliſch-
chymiſchen Gruͤnde bey dem Arzeneyweſen, und
aus einem beſondern Misverſtande, groͤßtentheils in
den Gedanken, daß dieſe damahls, als eine ihrer nar-
kotiſchen, oder berauſchenden, betaͤubenden, ſchmerz-
ſtillenden und unempfindlich machenden Eigenſchaft
halber, gebraͤuchliche Arzeney eine ſehr kuͤhlende Na-
tur habe und daher eine erſchlaffende und ſchlaf-
machende Wirkung erweiſe. Die neuern vernunft-
maͤßiger handelnden Aerzte haben aus phyſikaliſch-
chymiſchen und mediciniſch-praktiſchen Gruͤnden,
und den aus der natuͤrlichen Grundmiſchung des Opii
und anderer aͤhnlichen narcotiſchen Mittel entſprin-
genden Eigenſchaften und ihrer Wirkungsart, die
dabey obwaltenden Zweifel gehoben, daß uns die
davon herkommenden und nach den verſchiedenen
Zuſtande des menſchlichen Koͤrpers abwechſelnde
Veraͤnderungen oder Wirkungen in denſelben deut-
licher und verſtaͤndlicher geworden ſind. Nur hat
man von den Kraͤften und Wirkungen der ganz fri-
ſchen Mandragorawurzeln, Blaͤtter, Fruͤchte und
Saamen anders zu urtheilen, als wenn ſie bereits
B 3durch
[22] durch Trocknen, Kochen, Zuſaͤtze, und andere Mit-
tel veraͤndert oder zubereitet worden ſind, indem
man ſich zu erinnern hat, daß beſagte Theile der
Pflanze in ihrem friſchen Zuſtande, außer dem nar-
cotiſchen Weſen, noch eine beſondere Schaͤrfe zeigen,
die ſich laut Erfahrung durch ein ſtarkes Brechen
und Purgiren aͤußert.
Das, was indeſſen zur Beſtimmung der Man-
dragora im vorhergehenden angefuͤhret worden, iſt
hinreichend genug, dieſelbe von allen uͤbrigen erdich-
teten und den Alraunenbildern ſelbſt zu unterſchei-
den. Auf diejenigen uralten Traditionen muß man
indeſſen ſehr aufmerkſam ſeyn, wodurch die wahren
Umſtaͤnde einer natuͤrlichen Mandragora von jeher
ſo beſonders verdunkelt und ihre alte Naturge-
ſchichte ſo ausnehmend verunſtaltet worden, daß ſo
gar eine Mandragora hominiformis mit einer großen
Menge von imagunculis alraunicis zum Vorſchein ge-
kommen ſind. Abgekuͤrzte und von andern noch
dazu verſtuͤmmelte Nachrichten, dergleichen unter
andern nur einzeln auch ohne weitere Verbindung
gleichſam aus der Geſchichte des alten juͤdiſchen
Volkes genommen worden, haben zu weitern Mis-
verſtaͤndniſſen Gelegenheit gegeben, daß e. g. die
Dudaim des Moſes, Ruben, der Rahel oder auch
des Salomons, wie ſie verſchiedentlich genennet
wird, mit unſerer vorbeſchriebenen Mandragora
einerley ſey, ohngeachtet Moſes deshalben im
Grund-
[23] Grundtexte weiter nichts beſtimmendes anzugeben
vor noͤthig erachtet. Man ſchrieb derſelben eine
erhitzende auch ſchlafmachende, dabey aber zum
Beyſchlafreizende, und befruchtende Eigenſchaft bey
Menſchen und Thieren zu, und da man nach dem
wahren Sinne deſſelben Grundtextes Spuren ohne
Widerſpruch darinnen gefunden zu haben vermeinte,
ſo legten Auslegungen und willkuͤhrliche Meynun-
gen in nachfolgenden Zeiten, in Ermanglung einer
wahren auf Kenntniſſe beruhende Geſchichte, den
Grund zu allerhand abentheuerlichen Erdichtungen
unter den ehedem ſehr beruͤhmten morgen- und
abendlaͤndiſchen Voͤlkern, und zu machen ganz un-
erlaubten zum Theil vergeblichen Anwendungen der
Mandragora; die wenigen Spuren von Wahrheit
kamen deshalb ganz verdunkelt bis auf unſere Zei-
ten, und Dudaim blieb ohne weitere Unterſuchung
auf Treu und Glauben unſere Mandragora, weil
man beyderley zu wenig oder gar nicht kannte, und
ſich die davon angegebenen Kennzeichen auf viele
zum Theil ganz verſchiedene Gewaͤchſe und deren
Produkte paßten.
Es ergiebt ſich dieſes unter andern daraus ſehr
deutlich, weil man die erſten bald vor Fructus Mori,
Rubi, Fragorum, Ficus, Ananas, Mali inſanae, Zyziphi,
Hali cacabi, bald vor die Frucht von der Muſa paradi-
ſiaca Linn. oder auch Melonis perſici parvi odoratiſſi-
mi, Dudaim dicti ausgab, und zuletzt gar vor Truͤffeln,
Jasmin- oder Violenblumen gehalten wiſſen wollte.
B 4Etli-
[24]
Etliche gelehrte Ausleger, die dieſer Sache der
Wuͤrkung halber genauer nachgedacht zu haben glaub-
ten, gaben vor, daß unter dem Namen der Dudaim
waͤren allerhand ertzitzende, berauſchende und zum
Beyſchlaf reizende zubereitete Dinge, Philtra und
dergleichen verſtanden worden, und verbanden da-
mit die Frucht und Wurzel von der Mandragora,
zumahl da ihnen bekannt war, daß Venus zuwei-
len von denen philtrus amatoriis den Namen Man-
dragoritis gefuͤhret habe. Andere Gelehrten hiel-
mit Bochardo davor, daß man der Meynung der
70 Dollmetſcher gar wohl beytreten koͤnne, welche
meldeten Mila Mandragoras oder die Fruͤchte dieſer
Pflanze waͤren vi amatoria praedita et philtris apta,
in hominibus et elephantis praeſtantia, invitos etiam
ad amores cogentia, und zugleich die wahreDudaim
des Ruben geweſen. Dieſe Meynung nun, welche
einen ſtarken Eingang gewonnen, hatte ſich in nach-
folgenden Zeiten mehr verbreitet, und ihre Vertheidi-
ger gefunden. Zum Beweis wollen wir hier nur
ein einzelnes aber beſonderes Beyſpiel anfuͤhren von
den beruͤhmten Arzte Lange, welcher Epiſt. 2. oͤf-
fentlich ſaget, Dudaim der Hebraͤer ſey die Man-
dragora geweſen, wovon er ſich dermaſſen uͤberzeugt
haͤlt, weil er der letztern erhitzende und zum Bey-
ſchlaf reizende Wirkung durch eigene Erfahrungen
beſtaͤtiget gefunden zu haben glaubet. Er behaup-
tet in folgenden Ausdruͤcken: pleracque Bouonienſium
uxores foecundas Mandragorae vires me conſule ex-
perta
[25]pertae ſunt, et quidem contra aliorum ſententiam, non
ex frigida, ſed ex calida cauſa.
Wollte man nun auf die in der Geſchichte von
der reifen Frucht der Mandragora angezeigte Um-
ſtaͤnde allein ſehen, da man alsdenn deren durchdrin-
genden erquickenden angenehmen balſamiſch-ſpiri-
tuoͤſen Wein und Quittenartigen Geruch, nebſt der
narcotiſchen Eigenſchaft, in beſondere Betrachtung
ziehen muͤſte: vermoͤge welcher ſie, durch eine ſchnelle
und heftige reizende Wirkung, die empfindlichſten koͤr-
perlichen feſten Theile mit den aller feinſten Saͤften
zugleich durch Verduͤnnen und Ausdehnen dergeſtalt
in Bewegung ſetzet, daß davon zugleich im erſten
Anfange alle koͤrperliche Kraͤfte, Actionen und Em-
pfindung auf das lebhafteſte und auſſerordentlich ver-
ſtaͤrket werden koͤnnen; ſo wuͤrde man alsdenn der
Meynung der 70 Dollmetſcher einen ziemlichen
Grad der Wahrſcheinlichkeit zugeſtehen muͤſſen;
obſchon in der Ordnung und Schaͤrfe des Beweiſes
noch eine ſehr betraͤchtliche Luͤcke bleiben wuͤrde.
Denn erwaͤget man dabey, wie es ſeyn ſoll, den vor-
her gleichfalls angefuͤhrten Geſchmack der Mandra-
gora, auch den Geruch bey der insbeſondere ſehr
wohlriechenden Frucht, ſo wird uns deſſen widrige
Beſchaffenheit, nebſt deren unter den Aerzten mittler
und neuerer Zeiten ganz bekannten drastiſchen Wir-
kungsart in den menſchlichen Koͤrper, zweifelhaft ge-
nug machen.
B 5Was
[26]
Was aber die erſtere von vielen Auslegernſeit
langer Zeit angenommene Meynung betrift, daß
naͤmlich die Mandragora die wuͤrkliche Dudaim
der Hebraͤer geweſen ſeyn muͤſſe oder koͤnne, ſo
kommt noch eine zweyte Tradition aus den Schrif-
ten der Rabbiner dazu, welche, ſie ſey nun wahr
oder fabelhaft, dennoch in Verbindung mit der er-
ſten, die die 70 Dollmetſcher davon gehabt, nach
aller Wahrſcheinlichkeit einiger zuſammen paſſenden
Umſtaͤnde, viele Gelegenheit zu Fabeln, und andern
noch heimlich bis jetzo obwaltenden Betruͤgereyen ge-
geben. Iſt ſie indeſſen gewiß, ſo kann ſie ohne Wider-
ſpruch und gegen alle ihr angedichteten Vorwuͤrfe in
ihrem eigenen Werthe bleiben, uns aber wuͤrde ſie auch
bey einer Erdichtung immer gleichguͤltig ſeyn. Ihre
Anwendung hingegen, wenn ſie uͤbel gemacht und
zu falſchen Schluͤſſen angewendet werden ſollte,
welche daraus nicht herkommen, wuͤrde alsdenn
nicht mehr gleichguͤltig ſeyn, wenn man zumahl
ohne Unterſuchung der wahren und anderer erlaͤu-
ternden Umſtaͤnde, folgern wollte, daß dieſe Tradi-
tion, wegen mehrerer in den Rabbiniſchen Schrif-
ten, mit andern ſchlechterdings falſch ſeyn muͤſſe.
Dieſe Rabbinen melden unter andern, daß
die Kinder aus der Nachkommenſchaft des Stam-
mes Ruben, in ihren Fahnen eine ganze Mandra-
gorapflanze, (welche vor die rechte Dudaim ange-
nommen worden), als ein beſtaͤndiges Gedenkzeichen
eines mit der Dudaim fuͤr ſie ſo merkwuͤrdigen Vor-
falles,
[27] falles, in menſchlicher Geſtalt gefuͤhret haben.
Wem aber ſchadete eine dergleichen nicht widerſpre-
chende hiſtoriſche Anzeige, wenn ſie ihre Gewißheit
hat? da bekanntermaßen einzelne Familien und
ganze Voͤlkerſchaften, große Herren und Erdbeherr-
ſcher, beſondere Zeichen in ihren Wappen, Fahnen,
Siegeln und Deviſen zu fuͤhren laͤngſt vor gut ge-
funden haben, und wer weiß nicht, daß es in ihrer
Macht geſtanden, dergleichen zu waͤhlen? Koͤnnen
denn aber die Rabbinen und Nachkommen aus dem
Stamm Ruben davor, daß die nachfolgenden Ju-
den, nebſt den mehreſten morgenlaͤndiſchen Voͤlkern,
den Griechen und Roͤmern, auch etlichen Weltwei-
ſen, wie Pythagoras, die die wahre Geſchichte
der Dudaim nicht mehr wußten, ſich haben bey-
kommen laſſen, aus einem bloßen Wappen oder
Fahnenzeichen zu glauben, daß es eine Mandrago-
ram, die ſie vor Dudaim gehalten, in der Natur
gaͤbe, deren Wurzel eine menſchliche Geſtalt habe.
Columella nennete dieſe erdichtete Pflanze oder
Mandragoras andropomorphos hernach hominiformem
und ſemihominem, und glaubte, ſie habe etwas von
einer thieriſchen Natur an ſich. Die einer unfoͤrm-
lichen Menſchengeſtalt etwas durch Kunſt aͤhnlich
gemachte Mandragorawurzel konnte nur einzig
und allein von den Alraunenbildern gelten, ob-
ſchon der ſonſt gelehrte und hochverdiente Petrus
Lambecius gegen des Matthioli Meynung ſeine
Gedanken dahin geaͤußert, daß, ohngeachtet dieſer
letztere
[28] letztere Schriftſteller der erdichteten menſchlichen
Geſtalt bey der Mandragorawurzel widerſprochen,
er doch dadurch noch nicht erwieſen habe, daß eine
dergleichen Mandragora von menſchlicher Geſtalt
nach natuͤrlichen Umſtaͤnden nicht exiſtire.
Was aber wuͤrde man dazu ſagen, wenn einer
aus den dreyſchwaͤnzigen Loͤwen der alten Schwa-
ben, dem zweykoͤpfigen gekroͤnten und ungekroͤnten
Adler, und anderen gepanzerten Ungeheuer in den
Wappen, Fahnen und Siegeln großer Herren und
anderer zu behaupten ſich unterſtuͤnde, daß es der-
gleichen natuͤrliche Geſchlechtsarten wirklich gegeben
haͤtte. Man wird hieraus ohne Zweifel erſehen,
was bey dieſen Umſtaͤnden nicht mit den Hauptſa-
chen confundirt werden muͤſſe. Es ſcheinet indeſſen
aus dergleichen Verirrung, ſchon in den aͤlteſten Zei-
ten, die ganze Fabelgeſchichte einer Mandragorae an-
dropomorphae, in Ermangelung der wahren Natur-
geſchichte dieſer Pflanze, ihren Anfang genommen zu
haben, von daher ſie ſich nach und nach in ge-
dachte Naturgeſchichte eingeſchlichen, und von den
nachfolgenden Schriftſtellern ohne weitere Unterſu-
chung uͤbernommen worden, daß man ſie endlich
beym Dioſcorides und Plinius wiedergefunden,
welche letztern dieſe verdunkelten Nachrichten mit
vielen andern Seltenheiten, als ein Erbtheil, den
Nachfolgern uͤberlaſſen. Betrug und Aberglaube
haben ſich dergleichen Umſtaͤnde vortreflich zu Nutze
gemacht, und darnach ihre Wurzelbilder gleich als
nach
[29] nach einer ordentlichen Vorſchrift erfunden, welche
kuͤnſtlich geſchnitzet und heimlich unter dem Namen
von Alraunen oder Alraunenwurzeln theuer genug
verkauft worden ſind. So begreiflich es aber iſt,
daß weder dergleichen Wurzelbilder vor natuͤrliche
Mandragora, noch dieſe vor Dudaim ſelbſt gehal-
ten werden koͤnnen; ſo hat es doch noch Bochar-
dus aus dem Rabbi Aben Eſra, und Herbelot aus
dem Rabbi Menahem, beyzubringen gut gefunden,
und dabey der Dudaim oder der davor angenomme-
nen Mandragora ihren Standort bey dem Grabe
der Rahel angewieſen. Der beruͤhmte juͤdiſche
Geſchichtſchreiber Joſephus fuͤhret unter dem Na-
men Baratas eine Pflanze von ganz beſondern Ei-
genſchaften an, nach welchen ſie weder zur Dudaim
noch Mandragora gehoͤren koͤnnte, wenn ſie je-
mahls in der Welt geweſen ſeyn ſollte. Demohn-
geachtet iſt ſie doch zur Mandragora gemacht wor-
den, und hat deren Geſchichte auf das alleraben-
theuerlichſte verwirret und verunſtaltet, daß unſere
Pflanze, wegen der ihr zugeſchriebenen menſchlichen
Geſtalt ihrer Wurzel und denen ganz widerſinnig
erdichteten widerſprechenden Eigenſchaften, voͤllig
unkenntlich geworden iſt. In einer ſolchen Geſtalt
hat man der Mandragora ihren Stand ſogar unter
dem Galgen angewieſen, und dabey vorgegeben, ſie
entſtuͤnde daſelbſt ex urina atque ſemine defluente fu-
rum ſuſpenſorum. Alle dieſe erdichteten und uͤbel
verbundenen Nachrichten ſind noch vor dem 5ten
Jahr-
[30] Jahrhundert unter den Griechen und Roͤmern be-
kannt geweſen; wie denn ein aus dieſem Zeitalter
herſtammender griechiſcher Codex Dioſcoridis ma-
nuſcriptus davon deutliche Beweiſe giebt. Denn
er ſtellet in einem dabey befindlichen gemahlten
Bilde nicht nur die Geſtalt der Mandragorae andro-
pomorphae vor, ſondern auch ſogar denjenigen ſter-
benden Hund, vom welchem Joſephus erinnert,
daß er beym Ausgraben der Barrataswurzel ge-
braucht worden. Hier erſiehet man die Verbin-
dung beyder alten Fabelgeſchichten durch Huͤlfe der
beygelegten Abriſſe ſub No. A et B. ohne Schwie-
rigkeit, wie dieſe Nachrichten auch in Not. Bod. a
Stapel. in Lib. VI. Theophraſti pag. 548. wieder-
holet worden ſind. Wie denn auch aus dem vor-
angefuͤhrten zugleich hervorgehet, daß vorerwaͤhnte
Nachrichten, die ſich zuletzt in dem alten Juden-
thume verlieren, wahrſcheinlichſt in demſelben ih-
ren Anfang moͤgen gehabt haben, von daher ſie ſo-
wohl unter die alten beruͤhmten morgenlaͤndiſchen
Voͤlker, als hernach bald unter die Griechen und
auf die Roͤmer gebracht worden ſind. Die Nach-
kommen haben ihnen, theils aus Unwiſſenheit und
Aberglauben, theils aus beſondern Abſichten, eine
verſchiedene recht abentheuerliche Hauptgeſtalt, Ver-
bindung und Anwendung gegeben, in welcher ſie
noch lange Zeit von einem Volke zu dem andern
uͤbergegangen iſt; wovon die Ueberbleibſel Zeugen
genug ſeyn koͤnnen.
Es
[31]
Es kann auch die Verbreitung dieſer Fabel-
geſchichte, wenn ſie vorher erzaͤhlet worden, von
den Juden ſelbſt auf das leichteſte verbreitet worden
ſeyn, wenn man eine gedoppelte babyloniſche Ge-
fangenſchaft bedenket, bey welcher einige der alten
Staͤmme ſo ſehr gelitten, und vermindert worden,
wie auch durch die große Zerſtreuung unter den
Griechen geſchehen, daß im Verhaͤltniß ihrer gro-
ßen Menge die wenigſten ihr Vaterland wiedergeſe-
hen, oder auch nicht wieder haben ſehen wollen.
Dieſer und mehrerer dergleichen Zeitpunkte haben
ſich die Betruͤger, durch und bey ihren Alraunen-
handel zu Nutze gemacht, indem ſich die wenigen
einſichtsvollen Maͤnner, wegen des oͤftern und haͤu-
figen poͤbelhaften Widerſpruchs, faſt nichts dagegen
haben zu thun machen wollen.
In dieſer Abſicht aber doch nur eines einzigen
alten Arztes zu gedenken, der unter dem Namen
Luth-Dallah bekannt iſt, und welcher der Alrau-
nengeſchichte als einem zu ſeiner Zeit uͤberaus be-
liebten Maͤhrchen, aus Einſichten und ſelbſt eige-
nen Erfahrungen oͤffentlich widerſprochen hat. Die-
ſer verſichert, die Mandragorawurzel ſelbſt, leicht
und ohne alle Umſtaͤnde gegraben, auch daran
niemahls eine menſchliche Geſtalt wahrgenommen
zu haben. Wobey er zugiebt, daß ſich die Wurzel
der Pflanze unterwaͤrts auf eben die Art und eben
ſo tief ſpalte, wie es bey den Wurzeln der zahmen
Kuͤchengewaͤchſe oft bemerkt wird. Er ſagt ferner von
ihrem
[32] ihrem ſtarken Glanz im Finſtern, den Joſephus
ſeiner Baaraswurzel zugeſchrieben, daß er ihr nicht
zukomme, ſondern von den bekannten und im Fin-
ſtern leuchtenden Nachtſchwaͤrmern herkomme, die
ſich auf der Pflanze niederließen, daß es alſo des-
halb ungereimt ſey, ſie, wie es gebraͤuchlich, mit
dem Namen Sirag, Alcotrob, Tuffabat oder der
Diebeslaterne zu belegen.
Von der Gewinnung dieſer Mandragorawur-
zel ſetzet er noch hinzu, daß er ſelbige ohne alle Be-
folgung der gewoͤhnlichen Plinianiſchen Vorſchrift
Hiſt. Lib. 52. Cap. 13. nehmlich ſecundo vento,
ferner auch ohne eine andere Mandragorawurzel
dabey in der Hand zu haben, ohne Lebensgefahr,
ohne die ſonſt beym Ausgraben derſelben vorgeſchrie-
bene 3 C[i]rkel mit einer gleichen Pflanze vorher darum
gemacht zu haben, wohl erhalten habe. Was den in
der Geſchichte von Joſepho erwaͤhnten Hund betrift,
welcher beym Ausgraben an die Wurzel geſpannet
werden ſollen, woran auch bey andern aus dieſer
Quelle ſchoͤpfenden Rabbinen gedacht wird, ſo ver-
ſicherte er, daß er ſeiner Huͤlfe nicht noͤthig gefun-
den, um ihm etwa die Ohren nach der Vorſchrift
mit Pech zu verſchmieren, damit er das Winſeln
und Heulen der Wurzel nicht hoͤren moͤgte. Denn
von dieſen letztern habe er niemahls etwas gehoͤrt.
Tragus ſchreibet in Hiſt. Stirp. dieſe Fabel-
geſchichte dennoch nach, Matthiolus hingegen wi-
derſpricht derſelben in Comment. in Dioſcorid. Lib.
VI.
[33]VI. Cap. 76. de Mater. Med. und fuͤhret noch da-
zu, gegen die ſo lange Zeit vorgegebene menſchliche
Geſtalt der Mandragorawurzel, das eigene Ge-
ſtaͤndniß eines Alraunenhaͤndlers zu Rom an, wel-
chen er krank in der Kur gehabt. Dieſer Alrau-
nenfabrikant offenbarte ihm ſowohl den ganzen Be-
trug, als die kuͤnſtliche Verfertigungsart der ſoge-
nannten Alraunen, Alraunenmaͤnnlein, Galgen-
maͤnnchen, Erdmaͤnnchen, imagunculorum Alru-
nicorum, nebſt den dazu verſchiedenen tauglichen
Wurzeln, welche dermaßen bekannt ſind, daß ſich
kein Kenner einer gereinigten Naturgeſchichte be-
ſonders dabey aufhalten wird. Wie es denn genug
ſeyn kann das Alterthum der ſo verwirrten und ganz
verdunkelten Geſchichte der Dudaim, Mandrago-
ra, Baaras und der Alrunen etwas aufzuklaͤren,
oder wenigſtens dazu einige Gelegenheit zu geben.
Diejenigen Wege, welche zu vielerley Quellen fuͤh-
ren, wird man in des beruͤhmten Lambecii Com-
ment. Bibliothec. Caeſar. Vindobonenſ. finden, und zu
den uͤbrigen hat mir der große nun verſtorbene Leib-
arzt, der Herr Baron von Swieten, die Gelegenheit
erleichtert, wie ich bald dankbarlich erinnern werde.
Die im vorhergehenden ſub Litt. A. et B.
ſchon angefuͤhrte und zur Erlaͤuterung der Fabelge-
ſchichte, wegen ihres betraͤchtlichen Alters, hier
dienende Abriſſe von 2 uralten Gemaͤlden, aus
einem ſeiner ſchlechten Beſchaffenheit halber ſchon
im 5ten Jahrhundert revidirten ausgebeſſerten und
Botan. Abhdl.II.B. Cdadurch
[34] dadurch noch aufbehaltenen Codice Caeſareo mem-
branaceo Dioſcoridis verdienen beſondere Betrach-
tung. Der Codex beſtehet aus 461 Blaͤttern, und
iſt bey der damahligen Reviſion in einem ſolchen Zu-
ſtande beſunden worden, daß er aus ſeiner nahen
Verderbniß gerettet werden muͤſſen. Beſage der
alphabetiſchen Ordnungskennzeichen, nach welchen
die Gewaͤchſe und andere Arzeneyen darinnen ver-
theilet ſind, hat ihn Dioſcorides ſelbſt gewiß nicht
verfertigt, ſo wie Stephanus Athenienſis deſſen Ver-
faſſer auch nicht ſeyn kann. Es finden ſich viel-
mehr Excerpta und Spuren von des Pamphili Ale-
xandrini Arbeiten und Ueberbleibſel von des Cratevas
Entwuͤrfen, und die ganze Ordnung iſt gerade ge-
gen den Sinn des Dioſcoridis, nicht nach den Ge-
ſchlechtern und Kraͤften der Gewaͤchſe, ſondern ſo,
wie ſie Galenus gebilliget.
Der 3te Commentarius uͤber die Biblioth.
Caeſar. Vindobonenſ. des Petri Lambecii giebt den
Liebhabern der alten Literatur davon weitlaͤuftigen
Unterricht, welcher Gelehrte das Werk ſchon da-
mals mit dem Ausdrucke des Angerii de Busbecke
Codicem decrepitae veſtutatis nannte. Den Ken-
nern ſolcher griechiſchen Schaͤtze iſt Anzahl und
Werth derer in der roͤmiſch kayſerl. Bibliothek zu
Wien vorhandenen Manuſcripte bekannt. Es fin-
den ſich aber darunter 4 beſonders ſchaͤtzbare Codi-
ces Manuſcripti Dioſcorideani, von welchen derje-
nige vor den erſten aͤlteſten und beſten gehalten
wird,
[35] wird, von welchen hier die Rede insbeſondere iſt.
Nebſt dieſen befinden ſich dabey noch 24 beſondere
gedruckte Ausgaben des Dioſcorides, welche alle zu
einer neuen und gruͤndlichern Ausarbeitung dieſes
alten ſo beruͤhmten Schriftſtellers zuſammen genom-
men recht beſondre Dienſte erweiſen werden.
Was die Abriſſe ſub Lit. A. et B. betrift, die
wegen ihres großen Alterthumes aus der Geſchichte
des Codicis caeſarei eine kurze Erlaͤuterung gar wohl
verdienen, ſo kann, unter den dazu gehoͤrigen Umſtaͤn-
den, folgende anzufuͤhren nicht umhin. Da ich ſchon
vor manchen Jahren um dergleichen Nachrichten,
wegen der Hiſt. litt. Botanic. bekuͤmmert ſeyn mußte,
und beſonders um ſolche, die nur erwaͤhnten Codicem
Dioſcorideanum ſeines betraͤchtlichen Alters kenn-
barer machen konnten, ſo kamen mir des Lambecii
Commentarii in Biblioth. Caeſar. Vindobonenſ.
zu Geſichte, die mich von der Unſchaͤtzbarkeit dieſes
uralten Codicis noch mehr uͤberzeugten und bewogen,
mich nach deſſen wahren Beſchaffenheit und Inhalt
naͤher zu erkundigen. Bey allen Vorzuͤgen war mir
das Alter deſſelben eine der betraͤchtlichſten, aus
welchen ich erſahe, daß dieſer Codex ſchon im 5ten
Jahrhundert hatte ausgebeſſert werden muͤſſen, und
folglich ziemlich lange vorher verfertiget worden ſeyn
konnte. Weil ich nun eben daher mit Gewißheit
ſchlieſſen zu koͤnnen glaubte, daß das Werk ſeit die-
ſer Zeit ſchlechter geworden, ſo entſchloß ich mich nach
einiger Ueberlegung an den vormaligen oberſten
C 2Vor-
[36] Vorſteher der kaiſerl. Bibliothek zu Wien, den wuͤr-
digen kaiſerl. Leibarzt Herrn Baron von Swieten
zu ſchreiben, und von ihm im Namen aller Kenner
und Liebhaber um die Reviſion, und wo moͤglich, um
die Ausgabe dieſes Codicis Caeſarei zu bitten. Es
dankte mir dieſer große Gelehrte nicht nur in einem
beſondern Schreiben vor meine Aufmerkſamkeit, und
in ſolchen edlen ausnehmenden Ausdruͤcken, welche fuͤr
mich die ruͤhrendſten und aufmunterndſten ſeyn konn-
ten, ſondern legte mir ſogar einen ſehr unterrich-
tenden Conſpectum des ganzen Inhaltes dieſes Co-
dicis bey. Wegen der Ausgabe verſicherte er, daß
ſie wegen ihres großen Nutzens geſchehen ſollte, die
Bearbeitung deſſelben wurde großen Sach- und
Sprachverſtaͤndigen uͤbergeben, und das Werk iſt
in ſo weit zum Ende gebracht, daß wir der Ausgabe
deſſelben mit Verlangen entgegen ſehen.
Die Nachrichten ſelbſt, welche von dieſen Co-
dice vorhanden ſind, laſſen keinen Zweifel uͤbrig,
daß er nicht vor andern einer der aͤlteſten ſey, den
man vom Dioſcoride aufweiſen kann. Er iſt, mit ei-
ner ſtarken Anzahl alter griechiſcher Manuſcripte,
von dem ehmaligen kaiſerlichen Geſandten zu Con-
ſtantinopel Augerius de Buſbeck 1562., zu Kaiſers
Maximilian II. Zeiten, vor die Bibliothek zu Wien
erkauft worden, wo er bey dem Sohne eines juͤdi-
ſchen Arztes, des Sulemanus, nehmlich des Hamons,
gleichſam in einer langwierigen Gefangenſchaft ge-
weſen,
[37] weſen, aus welcher er insbeſondre vor ſchweres Geld
erloͤſet werden muͤſſen.
Deſſen erſte Errettung und Erhaltung von ei-
nen ſchon damals ziemlich nahen Verderben hat man
der Vorſorge einer, in der morgenlaͤndiſchen Kirchenge-
ſchichte und wegen des Briefwechſels mit einigen gro-
ßen Maͤnnern nicht unbekannten, kayſerlichen Prin-
zeſſin, der Julia Annicia, zu verdanken. Dieſe ſtamm-
te von Valeriano I. ſ. magno her, und war die einzige
Tochter des Kayſers Flavii Annicii Olybrii und der
ungluͤcklichen Placadia, einer Tochter des Kayſers
Theodoſii magni, welche letztere nach der Eroberung
von Rom das traurige Schickſal hatte, im Jahr
455. durch den Vandaliſchen Koͤnig Genſericum ge-
fangen weggefuͤhret zu werden.
Laut einer auf der erſten Seite des Titelblatts
mit großen Buchſtaben in griechiſcher Sprache von
einer neuern Hand geſchriebenen Nachricht, iſt dieſer
Codex vor ungefaͤhr 1260 Jahren, auf Anrathen des
Moͤnchen Natanaelis, in dem damaligen koͤnigl. Ho-
ſpitale zu Conſtantinopel, durch den Hoſpitaliten Jo-
hamres ausgebeſſert, ergaͤnzet und wieder hergeſtel-
let worden, damit er ſeines großen Alters wegen
nicht ganz verlohren gehen moͤchte, im Jahre der
Welt, nach der Conſtantinopolitaniſchen Ausrech-
nung 6914, welche mit der angenommenen Zeitrech-
nung von 1046 auch uͤbereintreffen ſoll. Den aber-
maligen ſchlechten Zuſtand dieſes Codicis beym Ver-
C 3kauf,
[38] kauf drucken die Bußbeckiſchen Geſandſchaftsbriefe
beſonders lebhaft aus.
Die erſten Blaͤtter dieſes Codicis koͤnnen den
Kennern und Liebhabern deshalben ſchon uͤberaus
merkwuͤrdig ſeyn, weil ſie Abriſſe von den Abbildun-
gen von alten Aerzten enthalten, und auf dem 4ten
und 5ten Blatte ſind die Abriſſe von 2 uralten Ge-
maͤlden ſub. Lit. A. et B. befindlich, die zur Erlaͤu-
terung der Hauptſache, wie ſchon geſagt, vieles bey-
tragen. Dieſe ſind eben ſo, wie ſie Lambecius
vorgeſtellet, nur etwas kleiner, und ohne die bey ge-
dachten Schriftſteller noch befindlichen beſonders
ſchoͤnen Namensverzierungen, mir mitgetheilet.
Fig. A. auf dem 4ten Blatte ſtellet den auf
einem Seſſel ſitzenden Dioſcorides ſelbſt vor, wel-
cher mit ausgeſtreckten Arme auf eine erdichtete, oder
durch Kunſt alſo zubereitete Mandragoram nigram
andropomorpham foeminam zeiget, welche ihm von
einer gegenuͤber ſtehenden Weibsperſon vorgehalten
wird. Beyde Perſonen haben eine griechiſche Ue-
berſchrift, und zwiſchen ſich denjenigen ſterbenden
oder todten Hund auf der Erde in einer ſolchen
Stellung geſtreckt liegen, in welcher er mit aufge-
ſperrten Rachen gerade gegen den Arm des Frauen-
zimmers gerichtet iſt, mit welchem ſie die Mandra-
gora vorzeiget. Von dieſem Hunde, welcher die
Mandragora aus der Erde ziehen, aber auch dar-
auf ſterben ſoll, geſchiehet in der Geſchichte von Jo-
ſephus Erwaͤhnung.
Eben
[39]
Eben dieſe Mandragora, oder beſſer zu ſa-
gen, die nach einer hoͤchſt verderbten Einbildung
und Fabelgeſchichte erdichtete, und in einer der
menſchlichen etwas aͤhnlichen aber monſtroͤſen Ge-
ſtalt gekuͤnſtelte Alraunenwurzel, wird ſonſt nir-
gend, und in der Natur eben ſo wenig gefunden
wie die Greifen, Drachen, Baſilisken und Bo-
ramets. Das Kopfſtuͤck der Wurzel, welches zu-
gleich ein ganz undeutliches und gleichſam verloſche-
nes Geſichte vorſtellen ſoll, iſt in Fig. A. etwas groͤ-
ßer, als in B., in beyden aber mit einer Krone von 5
Blaͤttern, von welchen die 3 mittelſten in die Hoͤhe
ſtehen, die 2 Seitenblaͤtter hingegen faſt wagerecht,
und dergeſtalt gegen einander uͤber liegen, daß ſie
das Kopfſtuͤck in Geſtalt eines ſolchen Huts decken,
wie man zuweilen dergleichen Verzierungen an den
Kinderpuppen gewahr wird.
Arme und Fuͤße, wie ſie hier vorgeſtellet wer-
den, findet man ſonſt leicht an allen Alraunenbil-
dern, und hier ſind ſie ſo ungeſtaltet, daß ſie
wie ſonſt, ſtatt gewoͤhnlicher Fuͤße mit beyder-
ley zerſtuͤmmelten Gliedern einige Aehnlichkeit ha-
ben. Wie man denn an dieſer Wurzel zugleich
das aͤußerliche Zeichen des weiblichen Geſchlechtes
ganz undeutlich mit angebracht hat. Woher es
denn vielleicht unter andern mit gekommen ſeyn
mag, daß in den alten Nachrichten immer von einer
Mandragora nigra foemina Dioſcoridis Meldung ge-
ſchehen. Sonſt findet ſich unter dieſem Bilde eine
C 4grie-
[40] griechiſche Innſchrift von dem bereits erwaͤhnten
Hoſpitaliten, dem Iohanne reſtauratore des Codi-
cis, welche die Bedeutung des beygefuͤgten Hundes
mit etlichen Worten erklaͤret, nehmlich Canem (ra-
dicem) evellentem, deinde morientem: woraus die
Verbindung der Fabelgeſchichte der Mandragorae
andropomorphae mit der von der gleichfalls erdichte-
ten von der Baaras Ioſephi, als der wahrſcheinlichſte
Urſprung der nachfolgenden Alraunenbilder, hervor-
gehet, deren ſich die Betruͤger der Einfalt unter der
Hand bedient haben.
Merkwuͤrdig iſt es, daß etliche Verehrer der
Alraunenwurzeln ſich ſogar haben einfallen laſſen,
zu behaupten, als ob das eben ſo ſchlaue als be-
ruͤhmte Maͤdchen von Orleans Kraft einer ſolchen
Alraunenwurzel ſo beſondere Dinge gethan habe und
habe thun koͤnnen.
Fig. B. die ich hier gleichfalls zu erklaͤren die
Abſicht habe, befindet ſich auf dem 5ten Blatte des
Codicis Dioſcorideani, und ſtellet gleichfalls ein
Frauenzimmer vor, welche die kurz vorher beſchrie-
bene Mandragoram nigram foeminam dem Dioſcori-
des von etwas kleiner Geſtalt zeiget. Dioſcorides,
welcher auf der linken Hand ſitzet, ſcheinet die Be-
ſchreibung dieſer gekuͤnſtelten Mandragora in ei-
nem Buche zu entwerfen, indem ſie von einem gegen
uͤber mit ſeiner ganzen Geraͤthſchaft ſitzenden Mah-
ler abgebildet wird. Nun mag es mit der Ausbeſſe-
rung und Wiederherſtellung des oft erwaͤhnten ur-
alten
[41] alten Codicis hergegangen ſeyn, wie es will, ſo iſt
ſie doch ſchon im 5ten Jahrhunderte geſchehen, und
die ganze Fabelgeſchichte, mit allen darinnen began-
genen groben Fehlern, die ſich noch aus viel aͤltern
Zeiten herſchreiben, muß doch wenigſtens eben ſo
alt ſeyn, als dieſer Codex Dioſcorideanus wirklich ſeyn
kann, welche Zeit betraͤchtlich genug iſt.
Die Entdeckung der Verfertigung der verſchie-
denen Alraunenbilder, aus der Wurzel der Man-
dragora, der Kletten, Rohr, Angeliken und an-
derer Wurzeln mehr, iſt durch die Erfahrung hin-
reichend beſtaͤtiget. Man verkauft dergleichen noch
am Harze, in Niederſachſen, in den Handelſtaͤdten
und in Pohlen unter der Hand, oder laͤßt ſie auch
in Kaͤſtgen und Schachteln vor Geld ſehen, die mit
einer Glasſcheibe belegt ſind, unter denen ich ſelbſt
verſchiedene ſehr laͤcherliche und mit Fratzengeſich-
tern verſehene wahrgenommen haben. Waͤre hier
der Ort, daruͤber weitlaͤuftig zu ſeyn, ſo wuͤrde ich
aus der Geſchichte der Alrunen und Alruner
unter verſchiedenen alten Voͤlkern vieles anfuͤhren
koͤnnen, deſſen mich Thomaſius, Holzbaum, Deu-
ſing, Fromm, Keiller und Celſius in ſeiner Hie-
rototane, ingleichen die alte Voͤlkergeſchichte ſelbſt
voͤllig uͤberheben. Nur will ich hier noch den Sa-
muel Schmid anfuͤhren, welcher Commentatio-
nem Epiſtolicam ad Rothium de Alrunis Germano-
rum geſchrieben, in welcher er zugleich de foeminis
et imagunculis ſacris handelt, und dabey diejenige
C 5Alrau-
[42] Alraune mit abbildet, von welcher ſich das Origi-
nal in der Buͤcherſammlung des beruͤhmten Probſt
von der Hart befunden. Nebſt dieſer verdienet
Ioh. Chriſt. Rothii zur Philologia ſacra gehoͤrige Ab-
handlung de Imagunculis Germanorum Magicis gar
wohl geleſen zu werden.
Eine der merkwuͤrdigſten von denen aus der
Mandragorawurzel verfertigten Alraune, die
ich noch in dem wahren Original beſitze, iſt die
in Antiquitatibus ſelectis ſeptentrionalibus et celticis
pag. 507. und Fig. XVI.von Joh. Georg Keiß-
ler beſchriebene und abgehandelte Alruna Magica
Lipſienſis. Sie befindet ſich, nebſt einem in gedach-
ten Werke mit angezeigten Originalbriefe eines Leip-
ziger Buͤrgers von 1576, in einer hieſigen Biblio-
thek, und iſt ehedem in die Haͤnde des Gerichtsſekre-
taͤrs Heinſius zu Celle gerathen, und von ihm durch
gedachten Schriftſteller mitgetheilet worden. Die
kurze Nachricht von dieſer Alraune, die Herr Keißler
nebſt dem Briefe gegeben hat, beſagt ſo viel, daß
ſie etwa fuͤr 60 Goldguͤlden von dem Scharfrichter
ſey gekauft, und 1576 einem zu Riga in großen
Verfall der Nahrung gerathenen Buͤrger, von ſei-
nem zu Leipzig wohnenden Bruder, geſchickt worden
ſey. Der Brief verdienet, wegen der Lobeserhebung
und beſondern Ermahnung, auch der rechten An-
wendung dieſer Alraune geleſen zu werden.
Dieſer Alraune fuͤge ich zum Schluß meiner
Abhandlung noch eine andere und in der Alraunenge-
ſchichte
[43]ſchichte nie bemerkte Alraune bey, die ich mit der vori-
gen zugleich der Koͤnigl. Akad. der Wiſſenſchaften vor-
zulegen noͤthig gefunden. Der betruͤgliche Verfertiger
derſelben hat bey deren Ausbildung gegen alle davon
ſonſt bekannte Nachrichten gehandelt, und ſie dem-
ohngeachtet in einer Seeſtadt theuer genug ver-
kauft. Sie befindet ſich in einem Kaͤſtchen mit ei-
ner Glasſcheibe, welches etwas dunkel iſt, und be-
ſtehet in einem aufrechtſtehenden ſcharf getrockneten
Gerippe eines ſehr großen Froſches (Rana eſculenta
Linnei) welchen man das Anſehen eines Menſchen-
gerippes, ſo viel als moͤglich, zu geben geſucht hat.
Es iſt uͤberall mit den Faſern der gemeinen Angeli-
kenwurzel durch: und umſchlungen, und faſt ganz
in dieſelbe eingewickelt. Demohngeachtet iſt daſ-
ſelbe jeden, der nur mit ſehr maͤßigen Kenntniſſen
verſehen iſt, dermaßen deutlich, daß es nur allein
Aberglaͤubiſchen unkenntlich ſeyn kann. Der Al-
raunenverfertiger hat ſich bey ſeinem Betruge da-
durch losmachen wollen, daß er dem Froſch den
Kopf abgenommen, und dem Gerippe einen andern
von ſchwarzen Wachs gemachten aufgeſetzet, welchem
er die Geſtalt von dem menſchlichen zu geben geſucht.
Die Kinnbacken daran ſind etwas auseinander ge-
zogen, und mit recht feinen weißen, glaͤnzenden
Maͤuſezaͤhnchen beſetzt, welche dem Kopf freylich
ein beſonderes Anſehen geben.
So weit gehen die groͤbſten Betruͤgereyen der
Gewinnſuͤchtigen, die auch noch zu unſern Zeiten
aus
[44] aus den alleraͤlteſten Luͤgen und andern nichts be-
deutenden Kleinigkeiten ihre Vortheile zu ziehen ſu-
chen. Der Hang zu allen wunderbaren und ſelte-
nen des uͤber alles erſtaunenden aberglaͤubiſchen ge-
meinen Volks, welches nicht ausſtirbt, wird dieſe
Wunderdinge dermaßen unterſtuͤtzen, daß es Ein-
ſichten und Klugheit nicht zu verwehren im Stande
ſeyn koͤnnen.
[45]
Zufaͤllige Gedanken
uͤber
die Befoͤrderung der an ſich ſchon leichten
und geſchwinden
Vermehrung des Faulbaums
in unſern Forſten
zu
oͤkonomiſchen Abſichten.
Unſere Waldungen, die zum Theil noch die Ueber-
bleibſel und Abkoͤmmlinge der ehedem beruͤhmten,
alten und weitlaͤuftigen deutſchen Waͤlder ſind, zum
Theil aber auch wohl lange nach jenen erſt ent-
ſtanden ſeyn moͤgen, werden gegenwaͤrtig auf einen
ganz andern und ordentlichern Fuß behandelt, als
jene in den damaligen Zeitalter und Umſtaͤnden von
ihren Beſitzern behandelt werden konnten. Denn
die Jagd machte, in jenen entfernten Zeiten, faſt uͤber-
all
[46] all die Hauptnutzung der Waͤlder aus, zu welcher
noch die wilde Fiſcherey nebſt der gleichfals wilden
Bienenzucht kam. Das Holz hingegen, woraus die
Waldungen ſelbſt beſtehen, das einzige und wahre
Hauptprodukt unſerer heutigen Forſten, gab bloß
unter den Nebennutzungen eine der gewoͤhnlichſten,
und was ſonſt noch an mehrern Artikeln abwechſeln-
de Vortheile brachte, kam in eine noch weit geringe-
re Betrachtung.
Wie ſehr haben ſich nicht alle forſtwirthſchaft-
liche Haupt- und Nebenumſtaͤnde, mit der allmaͤhli-
gen ſichtlichen Abnahme der Waͤlder, faſt aller Orten
veraͤndert. Das Holz iſt zu einem beſtaͤndigen und
unentbehrlichen Hauptprodukte geworden, derglei-
chen es auch, wenigſtens nach der gegenwaͤrtigen
Einrichtung und Lage der Sachen, in unſern ſo ſtark
bewohnten Laͤndern wohl noch immer bleiben wird.
Denn nachdem man bey ſo betraͤchtlicher Vermin-
derung der Waͤlder, in ſo vielen Gegenden zugleich,
den Nutzen, Gebrauch und Werth des Holzes viel
beſſer kennen gelernet, ſo hat man ſeit der Zeit,
nicht aufgehoͤret, daraus die groͤßten Vortheile zu
ziehen.
Was mit der Jagd, einen uralten ſo beliebten
Waldgeſchaͤfte, vor eine ſo merkwuͤrdige Veraͤnde-
rung, nach den Gruͤnden der neuern und ſehr gerei-
nigten Forſtwirthſchaft, vorgenommen worden, iſt
gleichfalls bekannt. Man hat zwar Fuͤrſten, Grafen
und Herren ihr Vergnuͤgen nicht gaͤnzlich benehmen
koͤn-
[47] koͤnnen, ſondern in vielen Laͤndern ihnen dazu wenig-
ſtens gewiſſe beſondere Gegenden nachlaſſen muͤſſen;
indeſſen hat ſich doch dieſes ehmalige koſtbare, wilde,
zeitverderbende und zum Thell gefaͤhrliche Geſchaͤf-
te, nach und nach, bis zu einer wirklichen oͤkonomi-
ſchen Nebennutzung, einſchraͤnken laſſen. Seit-
dem haben ſich vieler Fuͤrſten Rentheyen insbeſon-
dere weit beſſer befunden, und die Unterthanen ſol-
cher erleuchteten Herrſchaften haben alle Urſache
gefunden, zufrieden zu ſeyn, da ihnen ein großer
Theil von denen ſo ſchaͤdlichen Jagd- und Frohndien-
ſten erlaſſen, Saaten, Fruͤchte, Wieſen und Gaͤrten
aber in den Wildbahnen nicht weiter verderbet wor-
den ſind.
Was die ehmalige weitlaͤuftige wilde Fiſcherey,
mit dem dazu gehoͤrigen Antheil der Waſſerjagd, be-
trift, ſo hat ſie beym Anbau und Vermehrung der
tragbaren Laͤndereyen, wobey man die ſonſt zu weit
austretenden Stroͤme in feſte und enge Ufer ein-
zufaſſen genoͤthiget wurde, uͤberall ſehr ſtark ver-
lohren. Dagegen ſind die zahmen Fiſchereyen auf
ordentlichen und wirthſchaftlichen Fuß gebracht
worden.
Nicht anders iſt es der ehmaligen wilden Bie-
nenzucht in denen Waldungen ergangen, in welchen
nur noch in neuern Zeiten die anſehnlichſten Bienen-
lehne, Zeidler oder Junkergeſellſchaften, und beſon-
dere Zeidelgerichte vorhanden geweſen ſind.
Denn
[48]
Denn nachdem die anſehnlichſten Waͤlder, bey
zunehmender Vermehrung der Menſchen, zum Be-
huf der Viehzucht und des Ackerbaues, ganz ausge-
radet, oder auch durch Zufaͤlle und mancherley Art
von Wirthſchaft, doch an vielen Orten ſehr duͤnne
geworden ſind, hat dieſe Bienenzucht von ſelbſt auf-
hoͤren muͤſſen. Dagegen hat man die Bienenzucht all-
maͤhlig ſtaͤrker und mit groͤßern Gewinn zu treiben
angefangen, und die Viehweiden haben ſich in den
ausgeleuchteten Waldungen nur deſtomehr ver-
breitet.
Bey allen dergleichen Veraͤnderungen iſt das
Holz im Gebrauche an Werth und Preiß merklich
geſtiegen, und ſteiget in vielen Laͤndern noch immer.
Wie es denn aller Wahrſcheinllchkeit nach, bey der
gegenwaͤrtigen Einrichtung vieler benachbarten Staa-
ten, im Preiſe niemals wieder ſo tief herunter fallen,
oder auch heruntergebracht bleiben wird, wie es in al-
ten Zeiten geweſen iſt. Da nun das Holz das eigentli-
che Hauptprodukt aller Waldungen iſt, und lange
bleiben wird, weil dieſe Waldungen ſelbſt daraus
beſtehen, ſo muß es auch die beſten, die ſicherſten, und
beſtaͤndigſten Vortheile geben, daß wir alle Urſa-
che haben werden, vor deſſen Zuwachs und eine or-
dentliche Unterhaltung zu ſorgen, als ohne deren
Dauer man ſich ohnehin ſonſt keine anhaltende Nu-
tzung zu verſprechen hat.
Das Holz beſtehet in Baͤumen, Stauden, und
Straͤuchen, welche ihr Laub jaͤhrlich, entweder im
Herbſte
[49] Herbſte voͤllig fallen laſſen, und deshalb Laubhoͤlzer
genennet werden, oder beſtaͤndig gruͤnen, und Na-
deln tragen, wovon ſie jaͤhrlich einen Theil, nach-
dem ſie ihren Maywachs zu Stande gebracht, un-
terwaͤrts an dem alten Holze verlieren. Man giebt
ſolchen den Namen des Tangel- Harz- oder ſchwar-
zen Holzes, und unterſcheidet das hohe von dem
kleinern. Das Holz giebt den Waldungen, ſeiner
Vortreflichkeit und nutzbaren Eigenſchaft halber,
zum oͤftern ſeinen Namen, daß man ſtatt Waldung,
Heyde, Forſt, oder Buſch, den Namen von Holz
oder Holzung gebraucht. Es giebt zu unſerer Nu-
tzung, bald edlere bald unedlere, harte und weiche
Arten, die man auf ſtarkes, mittleres und ſchwa-
ches Stamm- Schiff- Zimmer- Latten- und Stan-
genholz nutzet. Dergleichen wird das Oberholz ge-
nennet, und ſowohl beſonders, und in einzelnen Ar-
ten, als mit andern vermiſcht erzogen. Ein großer
Theil unſerer Waldungen beſtehet mehr, oder doch
groͤßtentheils, aus einem niedrigen ſchwachen Stan-
gen- oder auch Buſchholze, als aus Baͤumen.
Die natuͤrlichen Straͤucher und Stauden machen
an manchen Orten das meiſte davon aus, an andern
hingegen der Ausſchlag und Wiederwachs der ab-
gehauenen Staͤmme von den groͤßern Holzarten,
wovon das Unterholz den ſehr uneigentlichen Na-
men des lebendigen Holzes erhalten hat. In einem
ſo genannten Unterholze, oder auch auf ganz freyen
ganz entbloͤßten Plaͤtzen von verſchiedener Hoͤhe und
Botan. Abhdl.II.B. DLage
[50] Lage, finden ſich noch ganz andere ſchwache, nie-
drige und geringe Arten vom Holze, welche ganz
kurze oder ſehr duͤnne Ruthen treiben, die ihnen
mehr das Anſehen eines hochwachſenden Krautes
oder Staudengewaͤchſes geben, als eines wirklichen
Strauches, wenn ſie es, wegen der Haͤrte und viel-
jaͤhrigen Dauer ihrer Wurzeln, Staͤmme und
Zweige, nicht anders zeigten. Dergleichen Holzar-
ten, die die kleinſten unter allen ſind, werden das
Erdholz oder Grundholz genennet, und bey der
Forſtwirthſchaft mehr als unnuͤtze angeſehen und
ausgerottet, als daß man ſie auf Holz nutzen ſollte,
ob ſie ſchon in manchen Gegenden, in welchen ſich
wenig anderes Holz findet, zur Feuerung dienen,
und den Vorrath einer recht guten Aſche uͤberaus
vermehren, zu geſchweigen, daß verſchiedene bereits
einen ſichern Gebrauch bey den Fabriken, oder
ſonſt bey der Landwirthſchaft ſelbſt haben.
Die allergemeinſte, beſtaͤndigſte und ſtaͤrkſte
Nutzung der Forſten geſchiehet, nach Anzeige der da-
rinnen vorkommenden Geſchaͤfte, auf Brennholz,
die zweyte macht das uͤbrige ſtarke Bau- und Nutz-
holz in gewiſſen Laͤndern und Gegenden aus, aber
nicht in allen mit gleichem Erfolg. Zuweilen uͤber-
trift dieſe zweyte die erſtere im Handel ſehr weit,
doch gehet die Nutzung auf Brennholz, wegen der
Menge von ganz unentbehrlichen Beduͤrfniſſen, wo-
zu es ſchlechterdings erfordert wird, als die ſicherſte
der erſtern immer vor, wenn zumahl eine bequeme
Lage
[51] Lage zur Abfuhre, Gelegenheit zum Verkaufe, die
nahe Nachbarſchaft großer, volkreicher und vieler
Staͤdte, Fabriken, Berg- Huͤtten- und Hammer-
werke, nebſt der Menge von kleinern Feuerarbei-
tern und andern Nahrungszweigen, dem Handel
wohl zu ſtatten kommen, und den Vorzug, Preis
und Vortheil erhoͤhen, und beſſer beſtimmen.
Das Brennholz macht ohnedem ſchon an und
vor ſich, vor allen uͤbrigen Haupt- und andern Nutz-
holzarten, allezeit den groͤßten Theil in den Waldun-
gen aus, es entſtehet auch durch den Abgang oder
Abfall von dem Nutzholze von ſelbſt, und das Al-
ter, ungluͤckliche Zufaͤlle, Grund, Boden, Witte-
rung und uͤble Wirthſchaft vermehren es abwech-
ſelnd ungemein; wie ſie denn aus den koſtbarſten
Nutzholzſtuͤcken gar oft ein gemeines auch ſchlechtes
Brennholz machen.
Alle harte oder weiche Holzarten, welche nach
oͤkonomiſchen Gruͤnden gut oder ſchlecht zur Feue-
rung zu nutzen ſtehen, geben bald ein ſtarkes Scheit-
Klafter- Stangen- und Knuͤppelholz, oder ein ge-
meines Reißholz, welches alles, bey den wirthſchaft-
lichen Anſtalten ſeinen verſchiedenen Gebrauch,
Werth und Preis hat. Das Unterholz, nebſt dem
Afterſchlage und Abraume beym Abtreiben der Ge-
haue, giebt nach dem Sortiren noch mancherley Ar-
ten von Nutz- und Fabrikenholze, ſonſt aber zur
gemeinen Nahrung und Feuerung, Stangen, Knuͤp-
pel und Reißholz. Es wird deshalb in manchen
D 2Ge-
[52] Gegenden, vor das Klafterholz weit nothwendiger
und eintraͤglicher, nachdem es nehmlich in gewiſſen
Jahren, bey dem verſchiedenen Wachsthume des
Grundes, in einem Jahrhunderte oͤfterer oder ſel-
tener gehauen werden kann. Man ſetzet, zur Ver-
edlung der daraus geleſenen Nutzſtuͤcken, in den
Forſten ſelbſt beſondere Handwerker an, und ſucht
davon in den Staͤdten einen guten Debit zu unter-
halten.
Aller ſolcher Vorſorge, Einrichtung und An-
ſtalten ohngeachtet, giebt es dennoch recht anſehn-
liche Gegenden, wo nach allen gemachten Verſu-
chen, wegen der daſelbſt und in der anliegenden Nach-
barſchaft ein vor allemahl eingefuͤhrten Verfaſſungs-
arten, die Waldungen auf Holz ſehr ſchwer, ſchlecht,
oder faſt gar nicht zu nutzen ſind. In dieſem Falle
ſchreitet man gezwungen, mit Verluſt der durch das
Holz ſelbſt aus den Waldungen zu ziehenden Vor-
theile, zu ſolchen Mitteln, welche nur einen unbe-
ſtaͤndigen und geringen Nutzen zu verſchaffen im
Stande ſind. Man verſucht ſie nehmlich durch an-
dere aus dem Holz ſelbſt verfertigte Produkte zu ha-
ben, man laͤßt das Holz verkohlen, reißet Harz,
brennet Theer, ſiedet Pech, und macht zuletzt Ruß
und Aſche, oder leget Glashuͤtten an. Wenn der-
gleichen Nebennutzungen in der Forſtwiſſenſchaft
mit den Hauptvortheilen verbunden werden koͤnnen,
iſt es ein gutes Zeichen, indem man keinen einzigen
Artikel der Nutzung vorbeygehet, und die nicht im-
mer
[53] mer oder uͤberall wohl zu nutzenden Ueberbleibſel
von denen vorher gut gewonnenen Vorraͤthen, in
den Forſten vollends aufarbeiten laͤßet.
Es pflegen zwar, wie ſchon geſagt, von derglei-
chen Nebennutzungen viele, ſehr unbeſtaͤndig, auch
von keiner langen Dauer zu ſeyn, da ſie ſich nach den
gegenwaͤrtigen und zukuͤnftigen Umſtaͤnden eines je-
den Forſtes einzelner Gegenden, auch wohl in ge-
wiſſen Zeitaltern, nach dem beſondern Zuſtande des
einen oder andern Landes ſelbſt richten; dabey
denn ein oder der andere vorher nur ſchlecht oder gar
nicht gekannter Forſtnutzungsartikel wichtig zu wer-
den anfaͤnget, indem andere, Vortheile zu bringen,
nachlaſſen. Hiervon iſt die Erfahrung der ſicherſte
Zeuge, welcher noch dazu durch die Polizeyverord-
nung unterſtuͤtzet wird, welche die Auſſicht uͤber alle
rohe im Staate wohl zu gewinnende, zubereitende und
zuverarbeitende Materialien fuͤhret, auch zugleich auf
Verfertigung und Anwendung brauchbarer Inſtru-
mente mit allem Zubehoͤr, ein wachſames Auge ha-
ben ſoll, wie ſie bey allerhand Handwerken, Kuͤnſten,
und vermiſchten beſondern mechaniſchen Profeſſionen
und Fabrikenanſtalten, zu Verarbeitung und Ver-
edlung fremder und hieſiger Produkte, wegen der
Dichtigkeit, Dauer, Schoͤnheit, Werthes und Prei-
ſes im Handel durchaus noͤthig ſeyn muͤſſen.
Die Forſten liefern dazu von ihren Holzarten
manche und viele Produkte; ſie wuͤrden ſonder Zwei-
fel mehrere liefern koͤnnen, wenn man nur Luſt und
D 3Ge-
[54] Geduld genug haͤtte, ſie von ihrer nutzbaren Seite
beſſer kennen zu lernen. Es iſt alſo um Nutzens
und Schadens halber ſchlechterdings noͤthig, die
Waldungen uͤberhaupt beſſer zu kennen, als man thut,
das iſt, zu wiſſen,
- 1. Worans ein Forſt beſtehe.
- 2. Alles, was zum Nutzen oder Schaden darin-
nen befindlich iſt. - 3. Alles das zu wiſſen, was nach wahren oͤko-
nomiſchen Gruͤnden, bey denen Nutzungs-
und Unterhaltungsgeſchaͤften, in und durch
die Waldungen zu bewirken moͤglich iſt.
wotauf koͤnnte ſich ſonſt eine ordentliche Forſtwirth-
ſchaft ſicherer gruͤnden?
Wir wollen indeſſen vorausſetzen, daß es mit
der Nutzung und Unterhaltung von etlichen Haupt-
produkten ſeine Richtigkeit habe, ſo muͤſſen doch alle
Nebennutzungen in der Reihe, in welcher ſie der Zeit
nach und dem Alter und Zuſtande der Forſten folgen
und zu unſern Geſchaͤften werden koͤnnen, wohl in
Acht genommen werden, da ſie auſſerdem niemahls
eben zu gleicher Zeit gegenwaͤrtig ſind. Denn es iſt
in der Vernunft ſowohl, als den oͤkonomiſchen Erfah-
rungen gegruͤndet, daß man alle Grundſtuͤcken bey
einer guten Unterhaltung ſo hoch, als moͤglich, nutzen
ſolle. Dieſes aber geſchiehet alsdenn nicht gehoͤrig,
wenn man aus einem gewiſſen Theile ſeiner eigenen
Produkte Vortheile zu ziehen verſaͤumet, die ſich
doch ſelbſt darbiethen.
Ge-
[55]
Gegenwaͤrtig von ſolchen Nebennutzungen nicht
zu gedenken, die die Forſten geben koͤnnen, auch wirk-
lich aus denen Quellen geben, die nicht eigentlich von
den Holzarten ſelbſt herkommen, ſo wird zu unſern Ab-
ſichten nur noch hinzuzuſetzen ſeyn, daß ſich die Wich-
tigkeit der Nutzung, ſelbſt bey den unedlen und ge-
ringſten, als unter andern den kleinen Erd- und
Grundhoͤlzern, zu ſeiner Zeit nicht nur wirklich zeige,
ſondern auch bey mehrern nuͤtzlichen Entdeckungen un-
fehlbar vergroͤßern muͤſſe: daß es folglich nicht bey
jeden und allen einerley ſey, ſie ohne Unterſchied,
nach der gewoͤhnlichen Weiſe, zu Reiß- oder Waſen-
holze zu verdammen, und davon zu glauben, daß
ſie keiner weitern Verſuche und Anwendung wuͤrdig
waͤren.
Dank ſey es vielmehr denjenigen aufrichtigen
Naturfreunden, welche durch Unterhaltung und Be-
arbeitung der anſehnlichen Sammlungen von Baͤu-
men, Stauden und Straͤuchern, Gelegenheit geben,
zu einer beſſern Erkenntniß ſolcher nutzdaren Ge-
waͤchsarten, wie auch denen, die ihre vieljaͤhrige
Verſuche und Beobachtungen zur praktiſchen An-
wendung und gemeinſchaftlichen Nutzen, mit einer
recht edeln Freymuͤthigkeit und faſt eiſernen Geduld
und Beſtaͤndigkeit, ſonder Verlangen und Hoffnung
nach Dank oder Belohnung, haben fortſetzen wol-
len. Denn dieſe ſind es, welche auch in denen zum
Forſtweſen gehoͤrigen Nutzungsartikeln durch ihre
Erfindung nicht wenig beygetragen haben.
D 4Die
[56]
Die Gelegenheit zu dem, was vorher geſagt iſt,
hat mir der Faulbaum gegeben, eine unter den Forſt-
maͤnnern noch ſtreitige und ſonſt wenig beſtimmte
ſtrauchichte ſchwache Holzart, deren naͤhere Kennt-
niß und Unterſcheidung, von fuͤnf faͤlſchlich alſo ge-
nannten Faulbaumes- oder Schießbeerſtrauchesar-
ten nothwendig iſt, und deren vorzuͤglicheren Nu-
tzen bey der Bienenzucht, auch zu Verfertigung des
feinſten Schießpulvers und einiger Landfarben, nebſt
der Feuerung, Laubfuͤtterung und der Wildbahne,
aller Aufmerkſamkeit wuͤrdig ſeyn muß, damit man be-
ſonders bey den Forſtanſtalten, auf die Befoͤrderung
der an ſich ſchon ſehr leichten und geſchwinden Ver-
mehrung dieſes Strauches, alle Anſtalten machen
kann.
[57]
Phyſikaliſch- mediciniſche
Bemerkung
uͤber
die Sabadille.
Sabadilli oder Sabadillae ſemen officin.Sabadil-
lenſaamen, mexikaniſcher Laͤuſeſaamen, fuͤhren
unſere Apotheken ſeit geraumer Zeit unter den frem-
den Arzeneywaaren. Sie ſind nicht die Kerne aus
der Frucht Sapotilla ſ. Zapotilla des Brown. Iamaic.
2. 280. welche die Franzoſen in Amerika Sapotiller
nennen, Loͤfling aber in Itin. 180. Zapota, und
Linneus Achras (Zapota) genannt. Es beſtehet dieſes
Mittel in einem ſeit 1574 bekannt gewordenen reif und
unreif eingeſammelten Huͤlſenfrucht- und Saamen-
gemiſche, welches wegen ſeiner Schaͤrfe, bey dem
ohnehin faſt uͤbermaͤßig angewachſenen Vorrathe
von rohen und zubereiteten Arzeneyen aus allen
Weltgegenden, inſofern faſt vernachlaͤßigt worden
iſt, daß man deſſen natuͤrliche Geſchichte noch bis
D 5jetzo
[58] jetzo nicht weiter aufgeklaͤrt erhalten koͤnnen. Ob
aber der Mangel der Anwendung der eigentlichen
Pflanzenkunde als eines weſentlichen Theils der Na-
turgeſchichte, oder auch eine ſehr gewoͤhnliche kauf-
maͤnniſche Gewinnſucht ihren Antheil in vorigen
Zeiten mit dabey gehabt, will ich hier nicht erſt aus-
machen.
Man beruhete indeſſen bey dem, was uns
Nikol. Monardes 1574, Carl Cluſius 1576,
Caſtor. Durantes 1584, Joh. Fragoſus 1601,
Franc. Hernandez 1647, auch Caſp. Bauhinus
1595, mit den folgenden gelehrten Ausſchreibern
aus jenen, oͤfters von Hoͤrenſagen, und ohne wei-
tere richtige Erfahrungen und Krankheitsgeſchich-
ten, mit etlichen abgebrochenen Zuſaͤtzen hinterlaſ-
ſen koͤnnen. Es geſchahe alſo, daß die Nachkom-
men dabey nicht nur ſtehen blieben, ſondern noch
uͤberdem ſogar verfuͤhret wurden, wie man ganz
leicht erweiſen kann. Denn aus den erſten fehler-
haften, undeutlichen, verſtuͤmmelten Beſchreibun-
gen der Sabadillenpflanze war es nicht ſchwer,
dieſelbe in eine ganz andere Gewaͤchsordnung zu
bringen, als ihre natuͤrliche ſeyn konnte, es entſtun-
den falſche davon abhangende Namen, und ſogar
eine falſche Abbildung einer damahls in Europa
noch nicht geſehenen Pflanze.
Dergleichen falſche Abbildungen von Pflan-
zen waren ehedem in einem gewiſſen Zeitalter im
Gebrauch, da man die Abriſſe dieſer Koͤrper nach
ſeiner
[59] ſeiner Einbildung zuweilen ganz gegen die Natur zu
ſchildern beliebte. Aus gleichen Gruͤnden war auch
die Sabadillenpflanze gar unter die Grasarten und
zwar unter das Geſchlechte der Gerſte gerathen,
worunter es heut zu Tage theils wegen der Frucht-
ſpitzen, theils der Blaͤtterlage halber kein Sachver-
ſtaͤndiger auch kein Anfaͤnger ſetzen wuͤrde. C. Bau-
hinus hat ſie in Theatro Botanico gegen alle Wahr-
ſcheinlichkeit unter dem Namen Hordeum cauſticum,
beizende Gerſte, Cap. XXVI. pag. 467. vorge-
ſtellet.
Monardes der die Geſchichte der weſtindi-
ſchen Arzeneymittel in ſpaniſcher Sprache ſchrieb,
wie ſie 1574 und hernach 1582, 1597, zu Antwer-
pen herauskamen, und von Cluſius beſorgt und
uͤberſetzt wurde, nannte den unter dem gleich
Eingangs erwaͤhnten Huͤlſengemiſche befindlichen
Saamen Orzadam Hiſpaniae novae, weil man zwi-
ſchen dieſen und den Gerſtenkoͤrnern einige
Gleichheit gefunden zu haben glaubte. Sonſt be-
deutet Cavada oder Cevada in der ſpaniſchen Spra-
che Hordeum, und wird ſowohl von dieſer, als von
dem ſemine ſtaphiſagriae oder den Steffenskoͤrnern,
durch den eigenen und beſondern Namen der letztern
Rerva Piotheyra richtig unterſchieden. C. Bauhin
giebt aus dem Monardes am ſchon angezeigten
Orte eine kurze Nachricht unter ſeinem Hordeo
exotico cauſtico, wo dieſe Saamen Cebadilla, Ceva-
dilla oder Hordeolum Monardis, Fragoſi, Durantes
und
[60] und anderer Schriftſteller genennet werden. Wenn
man indeſſen ſowohl ganze unter dem Sabadillenge-
miſche befindliche Fruchtaͤhren, Huͤlſen und Saa.
men mit der davon gegebenen Beſchreibung, Ab-
bildung, und der Gerſte ſelbſt vergleichet, ſo muß
der Gedanke von einer wahren Gerſtenart von ſelbſt
wegfallen. Ob man nun ſchon ein ſolches Verge-
hen, der in damahligen Zeiten noch ganz in ihrer
Kindheit liegenden Naturgeſchichte, wegen Man-
gel noͤthiger Huͤlfsmittel, ſchlechterdings uͤberſehen
muß, ſo darf doch niemand in unſern Zeiten aus die-
ſer Beguͤnſtigung Vortheile ziehen, denn die Na-
turgeſchichte, als ein weſentlicher Theil der Natur-
lehre, raͤchet ſich bey der wirklichen Anwendung
uͤberall an ihren Veraͤchtern auf das nachdruͤcklich-
ſte. Im Gegentheil erfindet und beſtimmet ſie die
Naturkoͤrper und Produkte, und verwahret ſie, daß
ſie nach der einmahl geſchehenen Erfindung und Be-
ſtimmung weder mit andern verwechſelt, noch verlo-
ren werden koͤnnen. Sie fuͤhret alſo auch die na-
turforſchenden Aerzte durch Gruͤnde auf richtigere
Spuren, und dem Hauptzwecke der weitern Unter-
ſuchung ihrer Arzeneykoͤrper am naͤchſten. Das
in den Arzeneyverzeichniſſen ſchon laͤngſt befindliche
Mittel, daß wir unter dem Namen der Sabadille
erhalten, beſtaͤtiget unſere davon gehegte Meynung
vollkommen.
Dieſes gewiſſermaßen noch unbeſtimmte Ge-
miſche wird von einer verſchiedenen Beſchaffenheit
zu
[61] zu ſeyn befunden. Es koͤmmt damit bey der Mate-
rialhandlung auf eine groͤßere oder geringere Menge
an, die man davon zu unterſuchen Gelegenheit hat.
Denn man findet im kleinen nicht immer alles zuſam-
men vermiſcht, was unter einer groͤßern Menge faſt
niemals fehlet, daß man es alſo dabey finden kann
und muß, wenn man ſeiner Sache gewiß ſeyn will.
Der groͤßte Theil der Sabadille beſtehet aus Spreu
von zerſtuͤckten oder ganzen einzelnen Fruchthuͤlſen
von einer hellbraͤunlichen Farbe. Bald ſind dieſe
Huͤlſen noch ganz, und jede enthaͤlt ihre zwey lang zu-
geſpitzten ſchwarzen Saamen, bald ſtehen 3 ſolcher
Fruchthuͤlſen noch auf ihren Fruchtſtuhle, in eben der
natuͤrlichen Lage und Verbindung beyſammen, wie ſie
in ihren Blumen vorher ſtunden bey welcher zu ſehr
einleuchtenden Wahrheit nunmehro weder Stand,
noch Anſehen, Witz und Argliſt dagegen ſchuͤtzen
kann. Sie haben noch die vorige vollkommene Ge-
ſtalt, die ſie bey ihrer Reife erhalten, und an ihren
untern Ende befindet ſich das ganz zuſammen getrock-
nete Ueberbleibſel einer rothbraun geweſenen Blu-
menkrone, ſo wie man dergleichen beyderley an
dem verbluͤhten Veratro oder Helleboro albo offi-
cinarum zu finden gewohnt iſt. Woraus denn klar
iſt, daß Sabadille keine Gras- oder Gerſtenart
ſeyn koͤnne.
Dergleichen glatte Fruchthuͤlſen, die ſich denen
beym Veratro am beſten vergleichen, ſonſt aber
auch, der Geſtalt nach, mit den beym Aconito Na-
pello,
[62]pello, und etlichen Delphiniis uͤbereinkommen, ſitzen
Aehrenweiſe in langen und dichten Blumenſpitzen
auf kurzen Stielen. Die Hauptſtengel aber ſind
glatt und dabey riſſig, daß ſie wohl von einer frem-
den Art des Veratri ſeyn muͤſſen, nicht aber von un-
ſerer deutſchen. Von ſolchen mit noch ganzen und
mit Saamen gefuͤllten Kapſeln dichte bewachſenen
Stengeln, findet man in dem Gemiſche der Saba-
dille ſehr viele, die einen halben, ganzen, auch an-
derthalb Zoll lang ſind, und die, wenn ſie an den
Hauptſtengeln beyſammen ſtehen, dieſen ein traubi-
ges Anſehen geben muͤſſen.
Nun moͤgte es bey der Unterſuchung und An-
wendung der Sabadille darauf ankommen, ob man
das ganze Gemiſche untereinander ſtoßen, oder aber
die Saamen allein daraus leſen laſſen wuͤrde. Das
letztere iſt kaum beym Arzeneygebrauch uͤblich, es
koͤnnte indeſſen bey der Unterſuchung dennoch von
einiger Verſchiedenheit zeigen. In den Apotheken
erhaͤlt der gemeine Mann, welcher ſich der Saba-
dillen aͤußerlich gegen das Ungeziefer zu bedienen
pfleget, Spreu und Koͤrner zuſammen geſtoßen, und
mit drey oder viermahl auch mehr von Peterſilien-
ſaamen vermiſcht im Pulver, zuweilen aber ſtatt
der erſten nur das Pulver der weißen Nießwurzel
darunter.
Was die Saamenhuͤlſen der Sabadillenpflan-
ze betrift, von denen kurz vorher aus der Gleichheit
des Blumenbaues geſagt worden iſt, daß ſie ſich
mit
[63] mit den Fruͤchten des Veratri am meiſten verglei-
chen ließe, ſo ſind ſie laͤnglich, am untern Ende
ſtumpf rund, dabey nach aufwaͤrts rund und aufge-
trieben. Sie haben auf beyden Seiten nach der
Laͤnge hin eine ſtarke Nath, aus welcher lauter feine
und aͤſtige Rippen uͤberzwerg auslaufen; obſchon
ihre Flaͤche uͤbrigens glatt genug iſt. Auf der in-
nern Seite oͤfnen ſich dieſe Huͤlſen der Laͤnge nach,
von der Spitze an, daß man ihre beyde ſchwarze
Saamen ſehen kann. Dieſe beſtehen in ſehr lan-
gen, ſchwarzen, glaͤnzenden und lang zugeſpitzten, et-
was hoͤckrigen, ſcharf zuſammengetrockneten Koͤr-
nern, die auf der Seite rund, auf der andern aber
platter ſind, und einen weißen Kern haben.
Daß aber die Sabadillenpflanze nicht zum Ge-
ſchlechte der Gerſte, der Wolffswurz, der Ritter-
ſporren und anderer gehoͤren koͤnne, iſt vorhero ſchon
geſagt worden, ſondern vielmehr zu einer glatten
Art eines fremden Veratri, welches nach dem Zeug-
niß des Roedderr. vid. Alberti Medic. Legal. Lib. VI.
obſ. 23. und aus der Hallenſchen Erinnerung noch
wahrſcheinlicher wird, indem derſelbe von dem Ge-
brauche der Wurzeln eines amerikaniſchenVeratri in
etlichen Provinzen Erwaͤhnung thut. Die beruͤhm-
ten Herrn Verfaſſer des WuͤrtenbergiſchenDiſpen-
ſatorii glauben von der Sabadille, daß ſie entweder
zum Acenito oder Veratro gehoͤre, die von der Phar-
macopaea Roſſica hingegen fragen, Sabadillae ſemen an
veratrum?
Was
[64]
Was den Geruch der Sabadille betrift, ſo
hat ſie in ihren trocknen Zuſtande gar keinen, der
Geſchmack hingegen iſt deſto widriger, bitter und
dabey brennend ſcharf, er faͤllt Zunge und Gaumen
ſtark an, mit einer ziemlich anhaltenden Wirkung,
wie etwa die friſchen Wurzeln von Aron, der Weiß-
nießwurz, die Beeren und Rinden von Rellerhals,
der Staphiſagriaſaame, das Euphorbium, der
friſch geriebene Merrettig, die Wurzel des Aconiti
Napelli, und nach meiner beſondern Erfahrung, das
Pulver von der Eſula officinarum oder der Euphorbia
Cyrapiſſiar. Linn. und mehrere. Was aber die
Verſchiedenheit des feuchten oder trocknen Zuſtan-
des, der Zubereitung, nebſt den Graden des Trock-
nens, die Reife und das Alter, nebſt der Aufbe-
wahrungsart ſolcher Mittel, dabey thue, daß eine
in friſchen Zuſtande ſo durchdringend beitzende
Schaͤrfe ſich, nebſt dem ekeln und bittern Geſchma-
cke, laͤnger erhalte, oder vermindre, iſt ſchon be-
kannt.
Denn bey verſchiedenen gehet die Schaͤrfe,
welche in einem ſauern Salzwaſſer beſtehet, wel-
ches mit dem brennbaren in einer genauen Verbin-
dung iſt, mit den fluͤchtigen Antheilen, auch wohl
ſehr bald davon, dagegen ſie bey andern ohne Ge-
ruch mit den fixen, harzig-ſchleimigen Theilen ſehr
feſt verbunden, oder auch zugleich in einer dicken,
fetten, oͤligen Vermiſchung ſehr tief verſtecket, und
eingewickelt iſt, von welchen Umſtaͤnden in der Ord-
nung
[65]nung der ſcharfen Arzeneyen Beyſpiele genug vor-
handen ſind. Der ſcharfe Meerrettig wird, nach
dem Austrocknen, eben ſo ſuͤße und gelinde gefun-
den, als eine trockne Ruͤbe in der Speiſe, und die
ſcharfen, rettig- und kreſſenartigen Pflanzen wer-
den aus dieſem Grunde, wegen Verluſt ihres ſchar-
fen fluͤchtigen Weſens, als des eigentlich wirkſamen
Antheils, und folglich mit Verluſt ihrer Arzeneykraͤf-
te, vergeblich in den Apotheken aufbehalten. Ih-
re Saamen dauern etwas laͤnger, ſobald ſich ein di-
ckes, fettes, oͤliges Weſen in ihrer Grundmi-
ſchung befindet, und ſie bey der Verwahrung nicht
allzu warm gehalten werden.
Wenn nun vorerwaͤhnte Umſtaͤnde, nach den
Gruͤnden der Naturgeſchichte, Naturlehre und
Chymie, wie es ſeyn muß, hier als richtig voraus-
geſetzet werden, ſo wird uns ſowohl die natuͤrliche
Verwandſchaft der Sabadillenpflanze, als die Be-
ſchaffenheit ihrer innern Grundmiſchung uͤberzeu-
gen, daß dieſelbe ihren Platz unter den ſcharfen
Arzeneymitteln habe; wie davon mit mehrern ge-
ſagt werden ſoll. Monardes war der erſte, der
ohne eine richtige Beſtimmung gleichſam vorlaͤufig
von ihren Eigenſchaften und damahls bekannten Ge-
brauche in ſeiner Geſchichte der weſtindiſchen Ar-
zeneyen Anzeige that. Fragoſus, Durantes, Caſp.
Bauhinus und andere entlehnten dieſe erſte Nach-
richten von ihm.
Botan. Abhdl.II.B. ENach
[66]
Nach Anzeige dieſer Nachrichten, iſt die Sa-
badille, ſo wie ſie noch davor gehalten und gebraucht
wird, ſchon vor brennend, beizend und hitzig gehal-
ten worden. Da nun uͤberdem dieſes mexikaniſche
Pflanzengemiſche, nach Anzeige der, bey der Saa-
menreife, noch uͤbrig bleibenden Blumen- und Frucht-
theile, die ohnehin ſchon verdaͤchtige natuͤrliche Ver-
wandſchaft mit dem Aconito und Delphinio aͤußert,
und wegen der nach beſagter Reife noch uͤberbleiben-
den Blumenkrone zu dem Geſchlechte des Veratri
oder Hellebori albi gerechnet werden muß, ſo verbin-
den wir dieſe ſinnliche vorher geſagte Kennzeichen
der Schaͤrfe im Geſchmacke, noch mit dem bey den
Alten ſchon 1574 bekannt geweſenen Arzeneygebrau-
che in etlichen amerikaniſchen Provinzen.
Dieſes alles, nach richtig erwieſenen und an-
genommenen Gruͤnden der Naturgeſchichte, Natur-
lehre, Chymie und Wiſſenſchaft der Arzeneymittel
vorausgeſetzet, bringet die Sabadille in die Arze-
neyklaſſe der ſcharfen und beizenden Mittel. Ohne
nun das vorhergeſagte weiter zu wiederholen, muß
man alſo wiſſen, daß Nic. Monardes Hiſt. Pl. Lib.
VIII. Cap. 9. der erſte geweſen, welcher ohne eine
richtige beſtimmte Geſchichte von der Sabadillen-
pflanze zu geben, von deren Eigenſchaft, Wirkungs-
art und damahligen Gebrauche Erwaͤhnung gethan.
Fragoſus lib. 4. Hiſt. Cap. 140. und Caſt. Durantes
Herb. Nov. Lib. II. Cap. 116. C. Bauhin. Theatr.
Botan. Cap. XXVI. wie auch die Botanici Lugdunen-
ſes
[67]ſes, wie ſchon geſagt, haben ihre Nachrichten daraus
hergenommen.
Es iſt aber die Sabadille, wegen der ihr zuge-
ſchriebenen erweißlichen ſehr hitzigen und brennend-
beizenden Eigenſchaft, beſonders als ein aͤußerli-
ches Pulver beym kalten Brande, unreinen, fau-
len oder um ſich freſſenden Wunden ohne eine wah-
re Vereyterung, ſtatt eines mercurii ſublimati und
cauterii actualis mit Nutzen angewendet worden.
Man hat ferner bemerket, daß das Sabadillenpul-
ver, nach der Groͤße der Geſchwuͤre und Verſchie-
denheit der Fiſtelſchaͤden, nach und nach dabey in ge-
ringerer oder groͤßerer Menge gebraucht, dieſelben
von Faͤulniß und Wuͤrmern gereiniget und zur Hei-
lung gebracht. Um aber die Schaͤrfe, wie man
glaubte, etwas zu mildern und ſeinen Zweck beſſer
zu erhalten, brachte man das mit Roſenwaſſer etwas
verduͤnnte Sabadillenpulver auf Umſchlaͤge von fei-
ner Leinwand, die man ſowohl auf noch verborgene
theils offene Geſchwuͤre legte. Auf deren vorher-
gehenden Gebrauch wurden hernach, unter verſchie-
dener Beurtheilung der Wundaͤrzte, die ſo genann-
ten ſarcotica angewendet. Faſt auf aͤhnliche Art hat
man ſich auch gedachten Pulvers in allen boͤsartigen
Geſchwuͤren der Thiere mit den beſten Folgen be-
dienet.
Was konnte demnach wohl uͤberzeugender ſeyn,
um die Haupteigenſchaft der Sabadille vorlaͤufig zu
beſtimmen? nur der Geruch mangelte bey einer ſo
E 2aus-
[68] ausnehmend beizenden und durchdringenden Schaͤr-
fe, dieſe letztere war auch nicht einfach, wie der un-
gemein widrige mit Bitterkeit vermiſchte Geſchmack
zur Gnuͤge beweiſet. Die Klaſſe der ſcharfen und
beizenden Arzeneymittel (acrium, irritantium, adu-
rentium, exedentium, cauſticorum medicamentorum,)
hat von beyderley Arten ſolcher Mittel noch ſehr be-
traͤchtliche aufzuweiſen, welche, ohne hier von den
Mineralreiche zu ſprechen, ſaͤmmtlich Produkte des
Pflanzenreichs ſind. Bey dem einen Theile dieſer
Klaſſe iſt ein ziemlicher Vorrath von ſolchen, aus
deren Grundmiſchung, ſo lange ſie gruͤn oder doch
friſch genug ſind, ſich im Verhaͤltniß der uͤbrigen
fixen, harzigen und ſchleimigen, auch oͤligen Grund-
miſchung eine große Menge oͤlig-hoͤchſt fluͤchtiger
ſcharfer beiſſender Daͤmpfe von ſelbſt, entweder
bey einem vergroͤßerten Grade der Luftwaͤrme, oder
auch ſonſt bey einer geringen Bewegung entwickelt.
Dagegen nicht wenige andere gefunden werden, wo
dieſes fluͤchtige einfache oder mehr oͤlige ſcharfe
Weſen in verſchiedener Menge in einer harzigen,
ſchleimig, erdigen, auch zuweilen fetten, dicken,
oͤligen Grundmiſchung dergeſtalt tief verſteckt und
eingewickelt iſt, daß es ganz ſo lange unmerklich blei-
bet, bis es entweder durch ein bloßes Zerreiben oder
Stoßen der ganzen Maſſen oder andere Zubereitung
dermaßen in Bewegung gebracht wird, daß es mehr
ſinnlich werden und dermaßen entwickelt werden
muß, daß es mit den zarten Pulverſtaͤubchen oder
als
[69] als ein Duft in Mund, Naſe und Augen flieget, wo-
ſelbſt es nach verſchiedenen Graden der Heftigkeit,
Schmerzen, Beißen, ein Jucken, Nießen und Thraͤ-
nen, mit einem Speichelfluſſe und Abgang von
ſchleimigen Feuchtigkeiten verurſachet: wie es bey
den kurz vorher angezeigten fluͤchtigen, ſcharfen, auch
zuweilen dabey balſamiſch- und gewuͤrzhaften, wohl-
riechenden Mitteln angemerkt wird.
Ob indeſſen die Sabadillenfruchthuͤlſen und
Saamen in ihren friſchen Zuſtande nicht eben gleich
andern, einen ſcharfen, feinen Geruch und eine
fluͤchtige Schaͤrfe haben, und auch einen ſehr em-
pfindlich reizenden Duft von ſich geben, laͤßt ſich
jetzt bey ihren getrockneten Zuſtande, in welchen wir
ſie ziemlich lange nach ihrer Einſammlung erhalten,
nicht genau beſtimmen, wie etwa ein beſonders oͤli-
ger, fluͤchtiger Antheil, außer einer betraͤchtlichen
Menge, die wir zur chymiſchen Unterſuchung an-
wenden koͤnnen, alsdenn nicht ſelten zum Vor-
ſchein koͤmmt. Genug, daß man aus der Erfah-
rung weiß, daß ſie im Munde beym Kauen, Zunge
und Hals durch ihre Schaͤrfe bis zur Entzuͤndung
reizen, dabey ſtark zuſammenziehen, und einen
Speichelfluß erregen.
Schiffsleute, Soldaten und Moͤnche wiſſen
davon auch zuverlaͤßig, daß das Sabadillenpulver,
ſo, wie die Streffenskoͤrner (Staphisagria) aͤußerlich
gebraucht, das Ungeziefer bald und ganz ſicher ver-
treibe. Sie bedienen ſich zu dem Ende entweder
E 3des
[70] des Pulvers ſelbſt, und geſtoßenen Peterſilienſaa-
men in die Haare geſtreut, oder in einer mit Schwei-
neſchmalz gemachten Salbe. Oft nehmen ſie ganze
Stengelchen, die mit den Fruchthuͤlſen und Saamen
beſetzet ſind, und naͤhen ſie uͤberall in die Kleider.
So gewiß aber als des Pulvers aͤußerlicher
erlaubter Gebrauch von vorigen Zeiten her immer
ſeyn kann, ſo ſehr haben die alten erfahrnen Aerztc
ſchon, ſo wie die neuen angehenden und uͤberhaupt je-
dermann vor deſſen innerlichen Gebrauch, der heftig
brennenden Schaͤrfe halber, mit Recht gewarnet,
deren Gedanken man in den mediciniſch-prakti-
ſchen Schriften ſelbſt nachſehen kann. Daß man
aber wohlgethan, unerfahrne, verwegene und alle
von ſich eingenommene Anfaͤnger vor deſſen Gebrau-
che zu warnen, ſo wie man von dem Gebrauche des
B [...]eſam, mercurii ſublimati, des Eiſens, Rampfers,
der Fieberrinde und anderer, unter jungen Aerzten
niemahls eben zu gleichguͤltig denken darf, zumahl
bey ſolchen, die ohne Rath und Ueberlegung ge-
wohnt ſind, auch nur bloß um der Neuigkeit willen,
und auf jedes Geſchrey, alles nachzumachen, braucht
wohl keinen Erweiß; denn es haben viele zu Neue-
rungen, in dem Gebrauche der Arzeneymittel, einen
faſt allzu ſtarken Hang, ohne daß ſie die ſchon be-
waͤhrten alten vorher recht zu kennen ſuchten und
anzuwenden verſtehen ſollten. Bey dieſen iſt eine
wiederholte Erinnerung und Aufmerkſamkeit aller-
dings noͤthig. Ihre Erfahrungen, die ſie ohne ei-
ne
[71] ne ſchlechterdings dazu erforderliche vernunftmaͤßige
und dazu paſſende Krankengeſchichte uͤberall gar
bald verbreiten, verdienen viele Einſchraͤnkungen,
und ſo lange als verdaͤchtig, deſto weniger Glauben,
bis ſie von aͤchten Meiſtern der Kunſt die das Sie-
gel der Wahrheit beſſer anwenden, nach richtigen
Gruͤnden, wohl gepruͤfet und mit den eigentlichen
Kennzeichen der Gewißheit verſehen worden ſind.
Denn Seneca ſagt Lib. I. Epiſt. 75. Non quaerit aeger
medicum eloquentem, ſed ſexantem. Dagegen bleibet
es einem Meiſter der Arzeneykunde allezeit frey,
die Arten von Giften, als die allerwirkſamſten Na-
turprodukte, mit Einſicht in gute Arzeneyen zu ver-
wandeln und zu gebrauchen, von welchen ſie nur
auch in verminderter Doſis nach hohen Graden einer
natuͤrlichen Wirkſamkeit verſchieden ſind. Denn
dergleichen Meiſter, denen noch mehrere bey andern
freylich ſehr fremde Mittel bekannt ſind, verſtehen
ſie nach ihrer Wirkungsart und deren moͤglichſten
Abweichung durch den verſchiedenen Widerſtand der
Kraͤfte des menſchlichen Koͤrpers aus der nothwendig
vorhergehenden Zubereitung derſelben, auch auf eine
gleiche Weiſe nach dem abwechſelnden Krankheitszu-
ſtande und dem Unterſchiede der Krankheitsmaterien,
und beſonders nach der ſchon erwaͤhnten großen Ver-
ſchiedenheit der koͤrperlichen Naturen, nach beſon-
dern Umſtaͤnden, Urſachen und Ausnahmen zu ge-
brauchen. Sie muͤſſen alſo in der Wahl, Anwen-
dung und Anwendungsart ſolcher Heilmittel zur in-
E 4ner-
[72] nerlichen und aͤußerlichen freye Hand behalten. Ihre
ſchon lange vorher vernunftmaͤßig geſammelte Erfah-
rungen geben allen ſolchen Heilungsarten die eigent-
liche Vorſchrift mit einem ganz beſondern Gewichte.
In vorigen Zeiten hat man abwechſelnd gear-
beitet, den ohnehin faſt uͤberfluͤſſig angewachſenen
Arzeneyſchatz von ſehr verdaͤchtigen Mittel zu reini-
gen, andere hat man ohne gegruͤndete Verſuche ge-
fuͤrchtet, etliche ganz verworfen. In unſern Zeital-
ter thun ſich bey denen zum Theil wirklich giftigen,
zum Theil vor giftig gehaltenen und in Vergeſſenheit
gerathene Mitteln ganz neue Erſcheinungen hervor,
indem man im Ernſt bemuͤht iſt, dieſe nuͤtzlich zu
machen und wieder im Gebrauch zu bringen.
Sabadille gehoͤret unter die letztern, nehmlich
unter die natuͤrlich ſcharfen erweißlichen Pflanzen-
Gifte, das ſind ſolche, deren beizend-brennender
Geſchmack vor ſich allein ihren innerlichen Gebrauch
verdaͤchtig genug macht, daß ſie bloß durch geſchick-
te Anwendung, nach den richtigſten Anzeigen wohl
gemiſcht und zubereitet, in maͤßiger Doſis einigen
Gebrauch haben koͤnnen: der Zufall macht ſie zu-
weilen weniger ſchaͤdlich, als ſie natuͤrlicher Weiſe
ſeyn koͤnnten. Die bekannteſten und faſt gemein-
ſchaftlichen Kennzeichen ihrer Schaͤdlichkeit ſind vor
andern folgende, welche ſie auch, wenn ſie gruͤn
oder doch noch friſch genug ſind, nach verſchiedenen
Graden der Heftigkeit an den menſchlichen Koͤrper
aͤußern, wenn ſie innerlich oder aͤußerlich in demſel-
ben
[73] ben wirken koͤnnen: wenn ſie durch den Mund und
Schlund nach den Magen, beſonders den nuͤchter-
nen und leeren gebracht werden, als wenn ſie unter
andern durch die Wunden zu dem Blute und uͤbri-
gen koͤrperlichen Saͤften eingedrungen, erregen ſie ins-
gemein ſehr ſchwere bedenkliche oder gar toͤdtliche
Zufaͤlle, die die heftigſten Entzuͤndungen bewirken
und den heißen und kalten Brand: und Tod nach ſich
ziehen. Die Schriftſteller der praktiſchen Arzeneyge-
lahrheit ſowohl, als diejenigen Beſichtigungen derer
daran verungluͤckten Perſonen und die daruͤber erſtat-
teten gutachtlichen Berichte, welche die bey den Ge-
richtshoͤfen ſo oft vorkommenden traurigen Vorfaͤlle
aufgezeichnet, legen uns dergleichen ſo deutlich vor
Augen, daß wir ihnen ihre Guͤltigkeit nicht abſpre-
chen koͤnnen. Niemand wird es alſo rechtſchaffenen
Aerzten verdenken, wenn ſie von ſolchen noch allzu
wenig verſuchten Mitteln dieſer Art unter vielen
Einſchraͤnkungen und Behutſamkeit ſprechen.
Um aber hiebey uͤberhaupt einen Mittelweg
zwiſchen Beyfall und Zweifel zu erwaͤhlen, wird es
weder ungewoͤhnlich noch uͤberfluͤßig ſeyn, dergleichen
zu weitern Verſuchen, und phyſiſch-chymiſchen
mediciniſchen Bemerkungen den Wegordentlich zu
bahnen, und koͤnnen folgende vor dem Anfang dazu
dienlich ſeyn.
Wenn man acht Unzen von dem zu Pulver
geſtoßenen Sabadillenſaamengemiſche in deſtillir-
ten oder andern recht reinen Brunnenwaſſer etliche
E 5Tage
[74] Tage lang beizet, und nach deren Verlauf dem an
Geſchmacke ſehr ſcharf und brennend gewordenen
Aufguß durch ein ſehr gelindes Retortenfeuer wie-
der davon anziehet, ſo bleibet ein gewiſſer Theil
deſſelben, welchen man als ein recht wohl geſaͤttigtes
Decoct in der Retorte zuruͤcke gelaßen. Wenn man
dieſes letztere wohl ausdruͤcket, das Decoct durch-
ſeigert, und endlich bey einen gleichfals gelinden Ab-
dampfen bis zur gemaͤßigten Dicke eines Honigs oder
guten Extraktes bringet, ſo wird daſſelbe am Ge-
wichte etwa zwey Loth betragen, woraus man als-
denn wahrſcheinlich wiſſen kann, daß aus jeder
Unze der Sabadille ungefaͤhr ein Quentgen des be-
ſagten Extraktes habe geſchieden werden koͤnnen,
welches bey den Chymiſten extractum primum aquo-
ſum gummoſum ſ. mucilagineum genennet wird. Der
oben erwaͤhnte recht reichlich geſaͤttigte Sabadillen-
aufguß auf Waſſer iſt ohne Geruch und oͤlige Spu-
ren, ſonſt aber einigermaßen ſaͤumig oder ungrioͤs,
er brauſet auch mit einer fixen alkaliſchen Solution
vermuthlich deswegen noch nicht auf, weil die darin-
nen zu tief verſteckte Saͤure, nach dem zu ſtarken Ver-
haͤltniß des ſchleimig erdigen Antheiles, allzu ſehr
eingewickelt oder davon uͤberſetzet iſt, daß die Saͤu-
re zu ihrer voͤlligen Entwickelung eine beſondere und
bekannte Zubereitung erfordert.
Laͤßet man ferner vier Unzen des gedachten
Sabadillenpulvers mit Alkohol hinreichend uͤber-
gießen, und darinnen acht Tage lang beizen, ſo er-
haͤlt
[75] haͤlt man davon eine recht ſtarke Tinktur, die man
abgießen und durchſeigern kann. Das Extractum
primum ſpirituoſum ſ. reſinoſum iſt faſt zwey Loth
ſchwer, daß alſo jede Unze der Sabadille beynahe
zwey Quentgen davon enthaͤlt. Beyderley Ex-
trakte wuͤrden indeſſen, wenn man die vorgemeldete
Unterſuchungsart durch abwechſelnde Fortſetzung
veraͤndern wollte, noch einigen Abgang leiden. Von
der angegebenen mit ſtarken Weingeiſt gemachten
Tinktur iſt noch ſo viel zu merken, daß ſie beym
Abziehen einen uͤberaus ſtarken, vortreflichen, et-
was gewuͤrzhaften Geruch von ſich giebt; obſchon
von dergleichen in trocknen Saamen, wie von einem
gewuͤrzhaften Oele, ſelbſt nichts zu ſpuͤren iſt; es
muͤſte denn von den Sabadillenſaamen eine Menge
zuſammen bearbeitet werden, daß man durch die
Deſtillation dergleichen in wenigen Gewicht erhielt,
auch wohl nur als Spuren unſcheidbar bemerkte.
Doch bin ich, nach Anleitung der beyden vor-
her angezeigten Produkte, nehmlich der Aufguͤße,
Tinkturen und weiter daraus zubereiteten Extrak-
ten, mehr geneigt zu glauben, daß die offenbare und
durchdringende Schaͤrfe, ſowohl im harzigen als
ſchleimigen, doch in dem erſten Grundweſen in
weit groͤßerer Menge befindlich ſey, als in dem letz-
tern. Die Klaſſe der ſcharfen Arzeneyen enthaͤlt
dergleichen Beyſpiele, wie auch ſolche, wo die
Schaͤrfe, bald in einen hoͤchſt fluͤchtigen feinen
und ſehr einfachen ſalzig-brennlichen Weſen,
bald
[76] bald in einem ſolchen beſtehet, welches zugleich mit
oͤlig-fluͤchtigen verbunden iſt. Armoracia, Squilla,
Arum, Staphisagria, Aconitum, Helleborus albus,
Clematis, Mezereum und andere, ſind Beyſpiele da-
von mit mehrern aus der Klaſſe von uͤbermaͤßig ab-
fuͤhrenden Brech- und Purgiermitteln.
Was nun die ofterwaͤhnte Schaͤrfe betrift,
welche allen Arzeneyen ihrer Klaſſe wegen der unan-
genehmen Empfindung der Wirkungsart und Folgen
das eigentliche Hauptmerkmal giebt, ſo zeiget der
Geſchmack einer noch kraͤftigen Sabadille davon,
daß ſie ſowohl im Pulver als in beyden Extracten,
deren Aufguſſe, Decocte und Tinktur recht lebhaft
durchdringend, beizend, oder brennend ſey. Dieſes
wird man bald empfinden, wenn man ein weniges
davon auf die Zunge bringet, wo es ein recht
ſchmerzhaftes Brennen mit einem ſtarken Speichel-
fluſſe erreget, wie Aconitum Napellus, und dieſe unan-
genehme heftige Wirkung weiter im Halſe bis in die
Naſe verbreitet, daß ſich der ſtechende Schmerz
kaum unter einer Stunde in etwas vermindert. Es
vergleichet ſich die Sabadille deshalb der Wirkung
des Hellebori albi und Aconiti Napelli gar ſehr, wel-
che beyde auch ohne merklichen Geruch ſind. Der
ſcharfe, ekle und unangenehme bitterliche Ge-
ſchmack iſt, wie bey erſtern, der nehmliche, nur daß
der etwas anziehende Nebengeſchmack bey der
Sabadille nicht bemerket wird, und von den beym
fixen Grund-Beſtandtheilen, die die oft gedachte bren-
nen-
[77]nende Schaͤrfe enthalten, iſt ſchon das noͤthige er-
innert worden.
Wir uͤberlaßen die fernere Beurtheilung und
Anwendung, ſowohl der gelinden und ſcharfen, als der
cauſtiſchen Mittel, dem vernuͤnftigſten und erfahren-
ſten Theile der praktiſchen Aerzte, welche nach
ſichern Anzeigen zu unterſcheiden verſtehen, wenn,
wo und wie die hoͤchſt ſcharfen Arzeneyen anzu-
wenden ſind, wie ihre Heftigkeit vermindert wer-
den koͤnne und muͤſſe, auch folglich diejenigen Krank-
heiten und Faͤlle richtig zu beſtimmen im Stande
ſind, bey welchen bald der innerliche bald nur der
aͤußerliche Arzeneygebrauch ſtatt finde.
Kurze
[78]
Kurze Nachricht
von der
Debrezinererde
als ein Beytrag
zur Erlaͤuterung der natuͤrlichen Geſchichte
des mineraliſchen
feuerbeſtaͤndigen Laugenſalzes.
Daß das Koͤnigreich Ungarn, mit denen daran
graͤnzenden und zum Theil dazu gehoͤrigen Laͤndern,
an Foſſilien und Mineralien einen ſehr anſehnli-
chen Schatz beſitze, daß auch eben daſſelbe an aller-
hand nuͤtzlichen Produkten einen nicht wenig be-
traͤchtlichen Vorrath zur Materialhandlung und
Manufakturen liefere, iſt bekannt. An Verſchie-
denheit ſolcher Dinge uͤbertrift es andere noch weit-
laͤuftigere Reiche ſehr weit; wie denn auch noch meh-
rere dergleichen, und von Zeit zu Zeit in mehrern
Ge-
[79] Gegenden dieſes fruchtbaren Koͤnigreiches entdecket
werden. Ein betraͤchtlicher Theil aber davon, hat
noch nicht gehoͤrig unterſucht werden koͤnnen, oder
es haben ihm Oeconomie- und Cameralverſtaͤndige,
doch aus dieſem Grunde, wegen einiger davon zu zie-
henden Vortheile, noch in wenige oder keine Be-
trachtung gezogen.
Was hat Ungarn nicht außerdem ſchon, ſeit
dem Ausgange des vorigen, und dem jetztlebenden
Jahrhunderte nach und nach vor betrachtungswuͤr-
dige Naturkoͤrper, im Thier- und Pflanzenreiche der
Naturgeſchichte uͤbergeben, was wird es nicht noch
thun, da man ſich von den Arbeiten derer kayſ. und
koͤnigl. Hrn. Bergraͤthe Brummer, Jaquin und
Scopoli in allen drey ſo genannten Naturklaſſen ſo
vieles verſprechen kann. Ihre zum Theil ſchon ſehr
aufmerkſamen Vorarbeiter, die daſelbſt ſehr einzeln
wohnenden Naturforſcher und Chymiſten, nebſt an-
dern Reiſenden haben durch einzelne Bearbeitun-
gen der Mineralien und beſondere Sammlungen
und Beſchreibungen der Gewaͤchſe und Thiere,
bey aller Gelegenheit Vortheile geſtiftet: andere ha-
ben durch neue Entdeckungen und Erfahrungen,
dabey den Weg zu nuͤtzlichen Erfindungen auch Er-
laͤuterungen mancher wichtigen Grundſaͤtze gebah-
net. Nicht zu gedenken der einzelnen Schriften und
Nachrichten, die theils die Bergwerke und Minera-
lien betreffen, oder auch hin und wieder in den Ta-
gebuͤchern der roͤmiſch kayſerlichen Naturforſcher
auf-
[80] aufbehalten ſind, ſo will ich nur ſtatt aller, des
Cluſius Geſchichte der Gewaͤchſe in Ungarn, und
des, wegen mehr als eines Umſtandes, ſowohl in der
gelehrten Geſchichte, als der vorigen Kriege halber,
hoͤchſt merkwuͤrdigen Grafen von Marſilli, und deſ-
ſen vortreflichen Danubii gedenken. Die Vorthei-
le, die ihr Fleiß, zuſammengenommen, geſtiftet hat,
ſind außer Zweifel, und wir muͤſſen ihnen vielen
Dank ſchuldig ſeyn, da ſich die Fruͤchte ihrer Be-
muͤhungen, auch bis auf uns erſtrecken.
Denn was ſind nicht ehedem noch, unter an-
dern, vom Natro der Egyptiſchen und anderer war-
men Laͤnder, vor falſche oder doch ſehr dunkle Nach-
richten von ſo vielen Schriftſtellern verbreitet wor-
den, und wie oft iſt nicht das Natrum mit dem
Nitro der neuern Naturkundigen, von Gelehrten
und Ungelehrten, deßwegen verwechſelt worden,
was hat man ferner in dieſer Abſicht, von ſo ver-
ſchiedenen Erden, Erdlagen, Gruben und Quellen,
andern nachgeſchrieben, in welchen ſich eine gewiſſe
natuͤrliche Salzart vor andern z. E. in Perſien,
Armenien, Natolien, Egypten, Lybien, Oſtindien,
auch mehrern warmen Laͤndern befinden ſollte, de-
ren verſtuͤmmelte Geſchichte hernach, bey der Erklaͤ-
rung von der Erzeugung des Meerſalzes, Steinſal-
zes, Salpeters, Salmiacks und Borax, zum oͤftern
ſo gar uͤbel angewendet worden iſt. Wir haben die-
ſerwegen keinen Beweis zu fuͤhren noͤthig, und wer-
den
[81] den auch dadurch uͤberzeuget, wie viel aller Arten der
Geſchichte, an der Wahrheit gelegen ſeyn muͤſſe.
Solchen gruͤndlichen Naturforſchern und Chy-
miſten, muß man alſo um deſto mehr Ehre und
Dank wiederfahren laßen, die ohne etwa die großen
Luͤcken der gekuͤnſtelten und auf ſo unſichern Grund-
ſaͤnlen erbauten, auch uͤberhaupt noch viel zu ge-
ſchwind errichteten Lehrgebaͤude erſt ausbeſſern zu
wollen, ſogleich mit der Unterſuchung ſolcher zwei-
felhaften und unbeſtimmten Naturkoͤrper ſelbſt,
auf eine zwar muͤhſame, aber auch weit einfachere
und richtigere Weiſe, von neuen zu Werke gegangen
ſind, um von deren Grundmiſchungen und ihren
Verhaͤltniſſen gegen andere Koͤrper, und denen da-
her ganz unleugbar entſpringenden Eigenſchaften
etwas entſcheidender urtheilen zu koͤnnen: daß wir
nunmehro, nach einem hoͤhern Grade der Wahrſchein-
lichkeit, von vielen Umſtaͤnden, aus denen bey an-
geſtellten Verſuchen vorkommenden Erſcheinungen,
zu ſchließen im Stande ſind; ob wir im uͤbrigen
gleich den hoͤchſten Gipfel in der Naturwiſſenſchaft
zu beſteigen niemahls hoffen duͤrfen.
Zu ſolchen Gedanken hat mir eine oͤftere Ver-
gleichung der Nachrichten und Bearbeitungen Anlaß
gegeben, die ſich wegen des egyptiſchen Natri, des
mineraliſchen feuerbeſtaͤndigen Laugenſalzes, eines
vermeinten Salpeters, auch des Glauberſchen
Wunderſalzes nebſt andern dahin gehoͤrigen Be-
ſchreibungen von ſalzigen Erden, Erdarten und
Botan. Abhdl.II.B. Fdaraus
[82] daraus gezogenen weiter verſuchten Laugen, hin und
wieder in denen Misc. Acad. Nat. Curioſor: als un-
ter andern Ann. 9. Obſ. 196. von Johann. Otto
Helbig befinden, ferner auch in Haſelquiſts Reiſe-
beſchreibung, p. 548. wegen Egypten, in des Herrn
Direct. Marggrafs chymiſchen Schriften I. Theil
pag. 144 — 189. Herrn Hofr. Models Unterſu-
chung vom Borax und des perſiſchen Salzes, Hen-
kelsFlora ſaturnizante, den Schriften der koͤnigl.
Akademie von Paris. An. 1729, D. Juſti Johann
Torkos Berichte von den natuͤrlichen Alcal. hunga-
riſchen Mineralſalze, vom Jahr 1766, nebſt andern
Schriften unſerer großen deutſchen Naturforſcher,
die ſich beſonders mit Unterſuchung der Mineralwaſ-
ſer und ſo genannten Geſundbrunnen beſchaͤftiget
haben. Hierzu iſt neuerlich eine zuverlaͤßige Nach-
richt von der Debrezinererde gekommen, die ich dem
Hrn. Kagel, einen fleißigen und geſchickten natur-
forſchenden Brandenburger zu danken habe, welche
den Kennern und Liebhabern um deſto angenehmer
ſeyn muß, da ſie zur Erlaͤuterung der Geſchichte ei-
niger ſalzigen Erden, und des mineraliſchen feuer-
beſtaͤndigen natuͤrlichen Laugenſalzes, ſehr wohl die-
nen kann.
Nur gedachter Naturforſcher, deſſen Aufmerk-
ſamkeit auf natuͤrliche Koͤrper ſeinen Aufenthalt in
Ungarn etliche Jahre verlaͤngerte, und ihm die Be-
kanntſchaft mit großen und geſchickten Maͤnnern an
verſchiedenen Orten zuwege brachte, hatte von einer
Seife
[83] Seife gehoͤret, die ihrer Guͤte und mancher Vorzuͤge
halber, durch ganz Ungarn im Gebrauch ſeyn ſollte.
Er brachte mir daher ein Stuͤck davon mit; ſie iſt
recht trocken, glatt und fett und leicht anzufuͤhlen,
dabey weiß und uͤbrigens ſo beſchaffen, daß ſie der ve-
nediſchen Seife ſehr gleichet. Da ſie nun ſich immer
trocken haͤlt, niemahls ſchmierig und ſtinkend gefun-
den wird, iſt ſie im gedachten Koͤnigreiche in den
meiſten Gegenden in einen beſondern Ruf, und wird
weit und breit verfuͤhret.
Sie wird in Debrezin gemacht, und die da-
ſigen Seifenſieder bedienen ſich, bey deren Zuberei-
tung, einer gewiſſen beſondern ſalzigen Erde, die an
Farbe grau, am Geſchmacke aber ganz offenbar
und ſtark alcaliſch oder laugenhaft befunden wird.
Sie iſt manchmahl reiner, als gewoͤhnlich, aber oft
nicht ohne das Glauberſche Wunderſalz, und alle-
zeit mehr oder weniger fett, wie ſich in den weitern
Nachrichten davon ergeben wird. Dergleichen
aͤhnliche Erden, die in ihrer Vermiſchung mehr oder
weniger von einem natuͤrlichen reinen oder unreinen
mineraliſchen feuerbeſtaͤndigen Laugenſalze enthalten,
finden ſich unter andern in Oſtindien auch, und zwar
im ſandigen Boden, und auf der Kuͤſte von Coro-
mandel nicht weit vom Strande. Von einer derglei-
chen trift man in ſchon angefuͤhrten Miſc. Nat. Cu-
rioſor: eine Nachricht an, die den ehedem beruͤhmten
Johann Otto Helbig, einen oſtindiſchen Arzt, zum
F 2Ver-
[84] Verfaſſer hat. Von dieſer Erde wird gemeldet,
daß ſie bey der Stadt Tegnopatonam, von einer
hellgrauen Farbe, faſt taͤglich in den Morgenſtunden
eingeſammlet worden. Man glaubt von ihr, daß
der daſige Grund und Boden ſelbige die Nacht uͤber
austreibe. Man bedienet ſich derſelben insgemein
bey Verfertigung einer Lauge, der man, wenn ſie
vorher mit ungeloͤſchten Kalk geſchaͤrft worden iſt,
verſchiedene farbige Kraͤuterſaͤfte beymiſchet, um
damit allerhand bunte Tuͤcher auszumahlen. Eben
dieſe hellgraue Erde, welche mit den mineraliſchen
Laugenſalze reichlich verſehen iſt, ſoll nach des Hrn.
Helbigs Anzeige, wenn ſie vorher an dem Orte ih-
rer Entſtehung, eine Zeitlang in der freyen Luft ge-
legen, die Saͤure aus der Luft an ſich ziehen, und
ſich dadurch von ſelbſt in ein Mittelſalz verwandeln,
welches gedachter Arzt, doch ſehr uneigentlich, vor
einem wahren Salpeter (Nitrum) ausgiebt.
In der Geſchichte der koͤnigl. Akademie zu Pa-
ris vom Jahr 1729 wird von einer ſolchen Erde
gehandelt, die ſich in Natolien um Epheſus und
Smyrna finden ſoll. Der fleißige Herr Hofrath
Model gedenket in ſeiner Abhandlung vom Borax,
und dem dazu gehoͤrigen Anhange vom perſiſchen
Salze, p. 44. §. 7. einer grauen zwiſchen den Fin-
gern fett anzufuͤhlenden Erde, die mit etwas Sand
und Holzſpaͤhnen vermiſcht geweſen, und woraus
ſich, nach der Aufloͤſung des perſiſchen Salzes im
deſtillirten Waſſer, nehmlich aus zwey Unzen, 75
Gran
[85] Gran niedergeſchlagen haben. Das alſo noch un-
reine Salz hatte dem Waſſer eine helle gelbe Farbe
gegeben, welches Salz, nach der ſehr gegruͤndeten
Muthmaßung dieſes Chymiſten, ſchon vorher auf-
geloͤſet, und in ein Stuͤck zuſammengebracht, auch
zugleich von dem groͤbſten und unreinſten Antheile
der Erde ſelbſt mit andern fremden Dingen gerei-
niget worden war.
Der verſtorbene Haſelquiſt hat in ſeiner Rei-
ſebeſchreibung p. 548. eine Nachricht vom Natro in
Egypten hinterlaßen, der zufolge das Natrum
von einer weißroͤthlichen Farbe, in Vermiſchung ei-
nes Kalkſteines, aus einer Grube, bey Manſur ge-
bracht wird. Er ſagt, daß er mit dem Eſſig auf-
brauſe, ſonſt aber unter den Egyptiern hauptſaͤch-
lich einen gedoppelten Gebrauch habe, und von den
Baͤckern daſelbſt im Lande, ſtatt des Sauerteiges,
ins Brod gemiſchet werde, um dadurch die noͤthige
Gaͤhrung deſſelben zu bewirken, außerdem diene
daſſelbe Salz ſtatt der Seife, das leinene Geraͤthe
damit auszuwaſchen.
In wie vielen Gegenden der verſchiedenen
Welttheile werden nicht noch die Lagen von der-
gleichen ſalzigen mehr oder weniger reinen Erde an-
getroffen, die die vorerwehnten Merkzeichen eines
feuerbeſtaͤndigen mineraliſchen Laugenſalzes, in oder
außer Vermiſchung und Verbindung mit andern
Koͤrpern nicht haben ſollten, da wir außerdem das
Weltmeer in ſo vielen Weltgegenden ſo ſehr geſal-
F 3zen
[86] zen antreffen, Salzbergwerke, und am ausgehen-
den unſerer Gebirge ſo viele Salzquellen, Salz-
ſeen, auch allerhand Mineral- und Bitterwaſſer,
Sauer- und Geſundbrunnen haben, in welchen die-
ſes Salz, in Vermiſchung des Kuͤchenſalzes und des
Glauberſchen Wunderſalzes, in gar verſchiedener
Menge befindlich iſt.
Da nun unſer Naturforſcher nicht gleich an-
fangs oftgedachte alcaliſche Erde, ſondern nur die da-
mit verfertigte Debrezinerſeife erhielt, ſo loͤſete er
dieſe Seife ſogleich in genugſamen Waſſer auf,
und ſaͤtigte die davon gemachte Lauge gehoͤrig mit
der Vitriolſaͤure, in welcher ſich, unter waͤhrender
Saturation, eine ziemliche Menge von einem weißen
ganz ſchmierigen Talg oder Unſchlitt abgeſondert
hatte. Die geſaͤttigte Lauge wurde alsdenn ſiltrirt
und abgeraucht, da ſich denn hernach mit der erſten
erfolgenden Cryſtalliſation zugleich eine ſehr weiße
Gypserde zeigte, und ein Salz, das dem Glauber-
ſchen Wunderſalze ſehr gleich war, auch wie jenes
und einige Brunnenſalze, in der Waͤrme zerfiel.
Zuletzt kam noch ein Tartarus vitriolatus dazu,
welcher ſo, wie die Gypserde ſelbſt, nach aller
Wahrſcheinlichkeit, bey der Saturation mit der Vi-
triolſaͤure, mit der Kalkerde, entſtanden ſeyn muſte,
weil der Seifenſiederlauge noch etwas Aſche beyge-
miſchet geweſen ſeyn mochte.
Hierauf erhielt unſer Naturforſcher die gleich
anfangs angezeigte alcaliſche Erde ſelbſt, in denjeni-
gen
[87] gen Zuſtande, in welchen ſie an Ort und Stelle
von den Seifenſiedern zur Seife genommen wird,
nehmlich aus der Debreziniſchen Gegend nebſt dem
unreinen alcaliſchen Salze, und zwar aus dem bogo-
diſchen See. Dieſes letztere enthaͤlt nebſt dem al-
caliſchen Salze zugleich, etwas vom Glauberſchen
Wunderſalze, welches in den Debreziniſchen Salz-
erden abwechſelnd iſt. Wenn die graue Erde,
nicht ſo vieles Salz enthielte, wuͤrde ſie vermuthlich
nicht hellgrau, ſondern ſchwaͤrzer ſeyn.
Dieſe nuͤtzliche Erde wird an verſchiedenen Or-
ten der Debreziner Gegend gefunden, ſo wie in ge-
wiſſen Jahreszeiten auch das auf derſelben anſchie-
ßende Salz ſelbſt. Alle Jahre faſt entdecket man noch
mehrere dergleichen Oerter, die mit einer etwas fet-
ten Erde und haͤufigen Salze verſehen ſind. Die
Doͤrfer, wo eine ſolche Erde vor andern geſammlet
wird, ſind Berezke, Sziget, Vamos und Dirts.
Der gleich anfangs genannte Presburgiſche
Arzt Torkos hat, bey ſeinen 1754 angeſtellten Un-
terſuchungen etlicher Sauerbrunnen im Zolienſer
Comitate, ein natuͤrliches alcaliſches Salz entdeckt,
wovon er berichtet, das daſſelbe hin und wieder im
Koͤnigreiche Ungarn, in manchen unterirdiſchen Hoͤ-
len und Bergkluͤften, in manchen warmen Baͤdern
und Sauerbrunnen, in den Rinnen, Kanaͤlen und
Gaͤngen derſelben, wie auch in der Erde, wo ſich
ſolche Mineralwaſſer ausbreiten und verſinken, des-
gleichen auf manchen flachen Feldern und in Thaͤlern
F 4zu
[88] zu finden ſey. Er hat indeſſen keine Gegend, noch
weniger einige Oerter insbeſondere mit Nahmen an-
gezeiget, wo er es eigentlich vor andern gefunden,
noch weniger aber von einen daſelbſt bekannten Ge-
brauche gewiſſe Erwaͤhnung gethan, wie denn viel-
mehr deſſen Abſicht dahin gegangen iſt, ſeine daraus
zu ſeinen Privatnutzen verfertigte arcana, nehmlich,
den Liquorem Alcalicum polychreſtum, und ſein
Sal Alcalicum polychreſtum dem Publico zu em-
pfehlen. Indeſſen warnet er dennoch, daß man ſich
vorſehen ſolle, andere aͤhnliche und unreine, auch
nicht alcaliſche Salze damit zu verwechſeln.
So viel man nun von der Debrezinerſalzerde
muͤndlich oder ſchriftlich in Erfahrung bringen koͤn-
nen, ſo wird auch das bloße Salz, ohne die Erde,
recht gut, allein, und ohne alle Kunſt eingeſammlet,
wenn man nur dabey die Jahres- und Tageszeit
wohl in Acht nimmt. Nach allen Zeichen, wenn
es auf eine ſolche Art gewonnen wird, iſt es ein wah-
res mineraliſches feuerbeſtaͤndigen Laugenſalz, der-
gleichen der Torkos ſchon Sal alcalinum minerale
pannonicum genennet hat. Deſſen Sammlung
aus oͤfters angezeigter Erde geſchiehet bey guter
Witterung, nicht das ganze Jahr hindurch, ſondern
außer dem Winter, allezeit im Fruͤhlinge und im
Sommer, wenn der Thau faͤllet, vor Aufgang der
Sonne, dahingegen die Erde bey guten trocknen
Wetter in Fruͤhlinge, Sommer und Herbſte geſam-
let werden kann.
Das
[89]
Das ſchneeweiße Salz findet ſich, zu beſagter
Zeit, ganz frey auf der Erde, an ſolchen Stellen,
wo kein Gras waͤchſet, da es denn in ſolcher
Menge aus der Erde hervorkoͤmmt, daß man es
ſammlen kann; und zwar in einer ſolchen Ge-
ſtalt, wie ſich etwa die Flores Antomonii dar-
zuſtellen pflegen. Alsdenn wird es mit feinen
Beſen oder Flederwiſchen ſauber zuſammen gekeh-
ret. Allein dieſes letztere geſchiehet auf eine und
eben der Stelle mit Vortheil nur einmahl, daß
man alſo mit andern friſchen Stellen immer abwech-
ſeln muß, die Sammlung auch nicht uͤber dreymahl
wiederholen darf, weil man ſonſt von dieſem noch
zu zarten Salze, allzuwenig zuſammen bringen
wuͤrde.
Herr Hofr. Springsfeld ſaget in ſeiner Ab-
handlung vom Carlsbade, §. 41. von einem Erd-
ſalze, welches ſich in Geſtalt eines Schnees an die
Felſen, Gewoͤlbe, Mauern und Rinnen anleget,
daß daſſelbe rohe Salz, ſo, wie er es geſammlet hat,
ſich durch alle Proben, als ein wahres alcaliſches
Salz, verhalten habe, wenn er es aber gelaͤutert ha-
be, waͤren deſſen Cryſtallen, nach allen Verſuchen,
ein Mittelſalz geweſen, wie er es auch ſonſt bey den
aus dem Waſſer des Carlsbades ausgekochten Salz-
Cryſtallen gefunden habe. Niemand wird ſich daruͤ-
ber wundern, wenn er auf die von der Cryſtalliſation
uͤbrig bleibende, und weiter zu evaporirende Lauge
Acht hat, auch niemand, welcher weiß, das das
F 5rechte
[90] rechte Carlsbaderſalz aus einem Sale alcali minerali
fixo, und einem Sale mirabili Glauberiano, insge-
mein beſtehe. [Dieſer] Umſtand trift auch bey eini-
gen Ungariſchen Salzerden, aber nicht durchgehends
bey allen ein.
Die ſalzreiche Debrezinererde enthaͤlt einen
ziemlichen Antheil ihres alcaliſchen Salzes in klei-
nen Cryſtallen, die zum Theil mit dem bloßen Auge
zu unterſcheiden ſind, und die Geſtalt eines Glau-
berſchen Wunderſalzes haben, zum Theil ein Ver-
groͤßerungsglas zur Unterſcheidung erfodern. Ihr
Geſchmack iſt laugenhaft, und wenn man die Erde,
wenn ſie noch roh iſt, mit etwas gereinigten Sal-
miack, in einem glaͤſernen Moͤrſer, ganz trocken zu-
ſammenreibet, ſo wird dadurch das fluͤchtige Salz
aus dem Salmiack los gemacht.
Unſer Naturforſcher loͤſete nun die oft gedach-
te etwas fette Erde in einer hinreichenden Menge
von kalten Waſſer auf, die Solution davon muſte
ſich ſetzen, und die klar gewordene Lauge wurde fil-
trirt. Nach einem gelinden Abrauchen gab dieſe
Lauge recht ſchoͤne und ziemlich weiße Cryſtallen,
die man, nach allen Kennzeichen, vor ein wahres
Sal minerale alcalinum fixum halten muſte. Die
getrockneten Cryſtalle vom erſten Anſchuſſe aus
der erſten Lauge wurden zum andernmahle aufge-
loͤſet, womit es aber dieſes mahl ſchon etwas lang-
ſamer hergieng, als es ſonſt wohl nicht mit andern
Salzen aus den Kraͤuteraſchen zu geſchehen pfle-
get.
[91] get. Wie es denn mit dem Auslaugen, der Cry-
ſtalliſation, Filtration, faſt eben ſo geſchieht, bis
endlich in Zeit von 14 Tagen, ſchoͤne weiße und
dabey ziemlich große rhomboidaliſche Cryſtallen an-
geſchoſſen waren, die auf dem Loͤſchpapier in freyer
Luft getrocknet wurden, hernach aber wie gewoͤhn-
lich in ein weißes Pulver nach und nach zerfal-
len ſind.
Die von dieſer Cryſtalliſation uͤbrig gebliebene
und abgegoſſene braune Lauge iſt hernach in einem
Glaſe mit der Vitriolſaͤure ſaturirt worden, wel-
ches mit einem heftigen Aufbrauſen geſchahe. Dieſe
Lauge war dermaßen ſtark alcaliſch, und dabey rein,
daß ſich aus derſelben, weder bey der Vermiſchung
mit der Vitriolſaͤure, noch nach derſelben, auch
nicht bey der Evaporation, das geringſte ſepariren
oder praecipitiren wollte, außer, daß man im Filtro
hernach etwas ſehr weniges von einen fetten ſchmie-
rigen Weſen (unguinoſo) antraf. Aus dieſer mit
der Vitriolſaͤure alſo ſaturirten und zum anſchießen
hingeſetzten Lauge entſtand ein wahres Glauber-
ſches Wunderſalz, in recht großen und ſchoͤnen Cry-
ſtallen, die hernach in der Waͤrme eben ſo, wie
das vorher verfertigte Sal alcali minerale ſelbſt, zu
Pulver zerfallen ſind.
Vom Sale minerali alcalino, wurden ferner
2 Quentgen, da es noch in feſten Cryſtallen ſtand,
in einer Glaßſchale, in die Waͤrme gebracht, damit
es
[92] es zerfallen ſollte, welches auch geſchahe, da denn
das uͤbergebliebene Pulver am Gewichte nur 2
Scrupel betrug, daß alſo davon ein Quentgen und
ein Scrupel verlohren gegangen waren, welches das
beym Austrocknen verdampfte Waſſer eben aus-
machte.
Diejenige Erde, woraus der groͤßte Theil des
ſalzigen Weſens durch das Auslaugen gezogen wor-
den war, und die man im Filtro zuruͤcke gelaßen
hatte, wurde hernach mit vielen kalten Waſſer
vollends ausgeſuͤßet, und, ſoweit ſie ſich etwa ab-
ſchlaͤmmen ließ, gehoͤrig geſchlaͤmmet; da ſie denn
auf dem Grunde eine reine Kieſelerde zuruͤck
ließ. Der davon abgeſchlaͤmmte obere Theil hinge-
gen zeigte ſich als eine Thonerde, mit wenigen
kalkartigen Spuren, und es wurde daraus ein klei-
nes Gefaͤß gemacht, daß im brennen gut zuſammen
hielt. Der Magnet hat zwar die darinnen ver-
ſteckt geweſenen Eiſentheilgen nicht entdecken wol-
len, doch iſt die Thonerde durch das Brennen un-
gemein roth geworden, und duͤrfte ſich das Eiſen
nunmehro bey fernerer Bearbeitung und angewen-
deten Handgriffen doch naͤher zeigen.
Die fortgeſetzten Verſuche mit der Debreziner-
erde ſind folgende: es ſind nehmlich davon noch 2
Pfund, nach dem Wiener Krahmergewicht gerechnet,
nach und nach, in ſehr vielen kalten Waſſer aufgeloͤ-
ſet worden, die daraus gezogene Erdlauge war
braun, und braußte, wie das reine und unreine
Salz
[93] Salz ſelbſt, mit allen leichten und ſchweren Saͤuren
ſehr ſtark auf, das den mercurium ſublimatum
orangegelb niederſchlaͤgt, und den Violenſaft graß-
gruͤn faͤrbet. Sie wurde ſehr gelinde evaporirt, und
zur Cryſtalliſation hingeſetzet, welche aber, des vielen
darinnen befindlichen ſchmierigen fetten Weſens
halber, uͤberaus ſchwer, und nicht ſobald von ſtat-
ten gieng, als man es verlangte, doch aber zuletzt
ihre Cryſtallen gab.
Aus der erſten Cryſtalliſation der braunen Erd-
lauge von 2 Pfund Debrezinererde erhielt man
2½ Unze der beſten rhomboidaliſchen Cryſtallen, die
an der Luft in ein Pulver zerfielen, und ſonſt die ge-
meinen und uͤberall bekannten Eigenſchaften des
ſalis mineralis alcalini in allen Proben erwieſen.
Die uͤbrige von nur beſagten Cryſtallen abgezogene
Lauge wurde bis zur voͤlligen Trockne evaporiret,
und ließ eine Unze zwey Quentgen eines ſchwarz-
braunen alcaliſchen Salzes zuruͤcke, welches in ei-
nem mit Papier leicht bedeckten Glaſe ſich uͤber
4 Monate noch immer ganz trocken hielt. Zwey
Pfund von der Debrezinererde haben zuſammen
3 Unzen und 6 Quentgen vom Sale aleali minerali
fixo gegeben.
Nach Verlauf von 4 Wochen wurde das
letztere braune trocken gebliebene alcaliſche Salz
mit Waſſer aufgeloͤſet, und der eine Theil mit
Cremore Tartari bis zu den erforderlichen Punkte
ſaturiret, mit welchen er eben ſo ſtark, als mit den
aceto
[94]aceto deſtillato aufbraußte; da ſich denn unter
waͤhrenden Aufbrauſen der nehmliche Geſtank
aͤußerte, denn man ſpuͤret, ſo bald man die Lauge
von der ſpaniſchen Soda mit Cremore Tartari ſa-
turiret. Die Solution wurde filtriret, und zum An-
ſchießen hingeſetzet; da denn die darinnen entſtande-
nen Cryſtallen, dem Sali polychreſto de Seignette
ganz aͤhnlich waren.
Von dem alcaliſchen Salze aus der Debre-
ziniſchenerde von der erſten Cryſtalliſation iſt
noch zu merken, daß ſich daſſelbe, nach ſeiner Cal-
cination, faſt auf eine aͤhnliche Art, wie die Blut-
lauge bey einer Praecipitation, verhalten habe.
Denn die davon beſonders gemachte Lauge hat
die Solutionem vitrioli martis blau niedergeſchla-
gen, auch eben dieſe Farbe gegeben, wenn Alaun
dazu geſetzet worden iſt. Das Oleum Tartari per
deliquium hingegen wollte eben dieſen Solutionen
keine blaue Farbe geben.
Man vergleiche dieſerwegen, mit denen hier
eben angefuͤhrten Umſtaͤnden, nur diejenigen Nach-
richten und Gedanken, die man daruͤber in des be-
ruͤhmten Bergrath HenckelsFlora ſaturnizante
finden kann. Deßgleichen die Arbeiten und Anmer-
kungen des Herrn Hofrath Models, im Anhange
zur Abhandlung des Borax de Sale Perſico.
Zur Bereitung der Blutlauge aber wird
ein Sal alcali volatile erfordert: da nun unſer alca-
liſches mineraliſches feuerbeſtaͤndiges Salz, nach
ſeiner
[95] ſeiner Calcination, in der Solution die Eigen-
ſchaft einer Blutlauge aͤußert, ſo muß man nicht
vergeſſen, was zum Theil von einen fettigen Weſen
in der Erde ſelbſt erinnert worden iſt, zum Theil
auch einſehen, daß, nach aller Wahrſcheinlichkeit,
die haͤufig faulenden animaliſchen und vegetabili-
ſchen Koͤrper den Grund zu einen brennbaren fet-
ten ſchmierigen Weſen haben legen koͤnnen, wel-
ches eine ſo ſtark alcaliſche Erde ſehr haͤufig in
ſich gezogen und behalten hat. Woher hat alſo
nun, wenn man die Umſtaͤnde ordentlich zuſammen
nimmt, aus einen alcali fixo ein alcale volatile,
wenn es auch nur gegen die uͤbrige große Menge
des Salzes ein weniges betragen ſollte, entſtehen
koͤnnen oder vielmehr muͤſſen.
Wie ich hoffen kann, ſo wird dem Herren
Bergrath Scopoli zu Schemniz dieſe alcaliſche Er-
de nebſt vielen andern nicht entgehen, da er ge-
genwaͤrtig auf kayſerlich koͤniglichen Koſten, we-
gen der Produkte aller Naturreiche, auf ſeinen
Reiſen durch Ungarn Verſuche anzuſtellen Er-
laubniß erhalten hat, und man hat alle Hoffnung,
daß deſſen Entdeckungen die Naturwiſſenſchaft um
ein vieles bereichern werden.
[96]
Von
der Pflanzung
und
Wartung des Holzes.
Die vornehmſte Schuld des immer ſteigenden
Holzmangels iſt die ſehr aus der Acht gelaßene und
vernachlaͤßigte Wartung und Pflanzung der Waͤlder.
Es iſt nicht wahr, daß das Holz keiner Anbanung
von noͤthen habe, und daß es von ſelbſt an denen
Orten, wo es gefaͤllt worden, eben ſo gut wieder
aufwachſe, als wenn man ſolches pflanzet; ſondern
die Erfahrung zeiget, daß da, wo die ſchoͤnſten Tan-
nen gefaͤllt worden, viele Jahre nichts wieder her-
vorgekommen. Es iſt alſo noͤthig, zu ſehen, wie
man den Wachsthum deſſelben nachhelfen, und be-
foͤrdern koͤnne. Im Laubholz iſt es zwar nicht noͤ-
thig, weil ſolches, ſobald ein Hau ausgehauen iſt,
ſogleich wieder aus den Stoͤcken und Wurzeln aus-
ſchlaͤgt, und bey dieſen Holz muß man nur darauf
ſehen,
[97] ſehen, daß man es ſo nahe als moͤglich von dem
Stamm weg haue, weil es deſto ſtaͤrker ausſchlaͤgt.
Hingegen in Tannen- und andern Hochholze kann
man durch Pflanzung das Wachsthum ſehr befoͤr-
dern. Wenn man einen Wald faͤllt, und kein jun-
ger Faſel allbereit vorhanden iſt, ſo muß man die
Stoͤcke zuſammt den Staͤmmen faͤllen, die etwa vor-
handenen Stauden und Straͤucher ausrotten, und
den Platz verebnen. Wenn das geſchehen iſt, ſo
muß man Achtung geben, ob gegen Abend ein
Wald gelegen ſey, der reifes Holz hat, das Saa-
men traͤgt. Iſt ein ſolcher vorhanden, ſo kann man
hoffen, daß ſich der Platz von da wieder, vermit-
telſt des Windes, beſaͤen werde. Iſt kein ſolches
Holz vorhanden, ſo muß der Platz fleißig beſaͤet
werden, wie wir unten zeigen werden. Es iſt auch
in einen ſolchen Holz, wo ſchon einiger junger Faſel
vorhanden iſt, beſſer, daß man ausſtocke, weil im Faͤllen
der Baͤume derſelbe leicht beſchaͤdiget und verderbt
wird, und weil das junge Holz auf umgearbeitetem
Boden beſſer fortwaͤchſet, als auf alten; noch beſſer
iſt es, wenn man einen ſolchen Boden, zu mehrerer
Umarbeitung, mit Hafer beſaͤet. Ueberhaupt aber
muß man darauf Achtung geben, daß er ganz eben
gemacht werde, und keine Loͤcher und Vertiefungen
bleiben, in die ſich das Waſſer verſetze, ſo daß
Suͤmpfe und ſeichte Oerter daſelbſt entſtehen; wo
neben den Stoͤcken, von einem vor etwas Zeit gefaͤll-
ten Holz, ſchon ſchoͤner junger Aufwachs vorhan-
Botan. Abhdl.II.B. Gden,
[98] den, iſt es beſſer, daß man die Stoͤcke ſtehen laͤßt,
und damit ſie deſto eher faulen, muß man ſie der Laͤnge
nach ſpalten, damit ſie in der Mitte hohl werden,
und ſich das Waſſer darein ſetze. An jaͤhen Orten
und ſonderlich an ſolchen, die einen ſteinichten Bo-
den haben, darf man nicht ausſtocken, weil die
Waſſerguͤſſe den Grund wegfuͤhren wuͤrden. Es
koͤmmt viel darauf an, was man fuͤr eine Gattung
Holz auf ein Stuͤck Land pflanzt, weil das eine da-
rauf beſſer fortkoͤmmt, als das andere. Der Unter-
ſchied beſtehet in der Lage gegen Morgen, Abend
und Mitternacht, in der Hoͤhe oder Tiefe, und in
der Natur des Bodens. Auf einem ebenen Lande
kann man einen Eichwald pflanzen, wann der Bo-
den nur nicht zu naß und ſumpficht iſt. Man kann
auch Eichen zu Vorholz mit Nutzen rings um ande-
re Hoͤlzer, an den Straßen und Zaͤunen nachſtecken.
Die Lage gegen Morgen und Mitternacht iſt beſſer,
als die gegen Mittag: man kann daſelbſt entweder
zu Bauholz Buchen, Tannen, Eſchen, Ahornen,
Ilmen, Steinlinden und Eichen pflanzen: oder aber
zu Brennholz, am meiſten Buchen, auch Eſchen,
Ahornen, Steinlinden und Tannen, je nachdem
man eine Gattung Holz noͤthig hat, oder mit Vor-
theil verkaufen und wegfuͤhren kann; liegt ein Stuͤck
gegen Mittag und Abend, ſo kann man zwar am
Fuß des Berges auch noch obbemeldete Gattungen
Holz pflanzen. Je hoͤher man aber koͤmmt, deſto
ſchlechter und duͤrrer iſt gemeiniglich der Boden,
und
[99] und kann man in der Mitte und zu oberſt Tannen
pflanzen. Ueberhaupt im guten Grund waͤchſet
alles Holz gut. Fuͤr den naſſen mooſigten, gehoͤren
die Weißtannen, und beſonders die Saarbachen
(Pappeln), Erlen, Weyden, Eſchen, wenn er gar
zu naß iſt, wie unten gezeiget wird. Hingegen ein
Boden, der mit kleinen Steinen vermengt iſt, iſt
der beſte fuͤr Rothtannen, die im ſumpfigten ſo-
wohl, als im ſandigen und hitzigen Boden, faulen
und ſtockroth werden. Wo wegen vielen Waſſer
faſt kein Holz wachſen kann, muß man Erlen pflan-
zen, die ein gut Brennholz geben, und bald erwach-
ſen ſind, ſo auch Weiden; in Suͤmpfen kann
man vermittelſt Graͤben, die man aufwirft, das
Waſſer abziehen, und auf den erhoͤhten Theil die
Erlen pflanzen.
Den Eichenſaamen ſammlet man unter dem
Baume, und bringt ihn ſogleich in dem Boden.
Die Buͤchnuͤßlein ſchuͤttelt man vom Baume, legt
ſie an einem Ort, wo die Luft durch ziehet, zu trock-
nen. Wenn die Kaͤlte einbricht, vermengt man ſie
mit Spreu oder trocknen Sande, und verwahrt ſie
bis im Fruͤhlinge. Die Weißtannzapfen muß man
vor Martini ſammlen, weil ſie von der erſten Kaͤlte
zerfallen. Man leget die Zapfen an die Kaͤlte, da-
von ſie zerſpalten, ſo daß man ſie zerreiben kann,
und der Saamen heraus faͤllt. Die Rothtannzap-
fen kann man von Martini bis im Merz ſammlen,
ſie ſpalten nicht von der Kaͤlte, ſondern von der
G 2Waͤrme
[100] Waͤrme auf. Den Erlenſaamen zu ſammlen muß
man die Zaͤpflein abnehmen, wann ſie ſich oͤffnen
wollen, dieſelben in einem Sack mit einen Stecken
ſchlagen, hernach muͤſſen ſie gewannet, und zum
Ausſaͤen mit ausgeſuchter Aſche oder Sand ver-
mengt werden. Der Eſchen- und Ahornſaamen
wird im Auguſt- und Herbſtmonat geſammlet; ſo
auch der Stein-Linden- und Lindbaumſaamen.
Der Ilmenſaamen kann ſchon im May geſammlet
werden, und wenn er ſogleich geſaͤet wird, koͤmmt
er auch im gleichen Jahre wieder hervor.
Man muß aber, um einen Wald anzuſaͤen,
den Grund erſt wohl zubereiten. Zu einen Eich-
wald ackert man im Fruͤhling das Feld um, und beſaͤet
es mit Haber; im Herbſt wird es wieder umgeackert,
und wenn es etliche Wochen geruhet, mit der Egge
uͤberfahren; ſodann ſtecket man die Eichen reihen-
weiß, und uͤberfaͤhret ſie wieder mit der Egge. Die
Buchnuͤßlein (welche klein ſind) werden geſaͤet und
untergeegget. Der Tannen und Lerchenſaamen
ſoll im Fruͤhlinge geſaͤet werden, wenn das Land
vorher im Herbſte umgekehret, und im Fruͤhlinge
nieder geegget worden. Wenn aber ein Stuͤck
Land auf die eine oder andere Weiſe beſaͤet worden,
ſo koͤmmt es denn am allermeiſten darauf an, daß
man den jungen Aufwachs nicht beſchaͤdigen laße.
Zu dem Ende ſollte im keinen jungen Aufwachs Vieh
gelaßen werden, weil das Vieh alles ohne Unter-
ſchied abfrißt; daher entweder kein Holz aufkommt
oder
[101] oder das, ſo etwa noch aufkoͤmmt, krumm und un-
geſtalt wird, welches an dem Bauholze ein großer
Schade iſt. Wenn aber das Holz dem Viehe ent-
wachſen iſt, daß es ſeinen Wipfel nicht mehr errei-
chen kann, ſo kann man es wohl wiederum darein
zur Weide laßen. Dieſes geſchiehet in einen Laub-
holze ohngefehr im 25ten Jahre, und etwa, nach
Beſchaffenheit des Bodens, fruͤher [oder] ſpaͤter.
Ein Tannenholz hingegen kann ein wenig eher der
Weide wieder geofnet werden, manchmal ſchon im
8ten Jahre, auch im 12ten oder 15ten, je nach
Beſchaffenheit des Bodens; aber es wird ſodann
wenig oder gar kein Gras mehr darin vorhanden
ſeyn: Am beſten waͤre es, das Weiden im Holze
uͤberall aufzuheben, zumal neben dem Abfreſſen das
Vieh auch dadurch ſchadet, daß es mit ſeinen Hoͤr-
nern die Rinde verletzt, darbey auch das Holz beſchaͤ-
diget wird, und mit ſeinen Horn die Wurzeln ver-
brennt. Graſen ſoll man in einen jungen Holze
eben ſo wenig, und eben ſo lange Zeit nicht, als
weiden, weil man theils daß junge Holz abhaut
und beſchaͤdiget, theils ihm den noͤthigen Schutz
gegen Froſt und Hitze entziehet. Eben die Bewand-
niß hat es auch in den Laubhoͤlzern mit Sammeln
des Laubes, welches man nicht zulaßen kann, bis das
junge Holz aufgewachſen, damit die Wurzeln nicht
zu ſehr entbloͤßet werden: auch ſoll man ſich nur leich-
ter Inſtrumenten, als Beſen, nicht aber der eiſernen
Rechen bedienen: und einige Monate aufhoͤren, weil
G 3der
[102] der junge Anflug ſchon unter dem Laube aufkeimet.
Es geſchiehet gar oft, ſonderlich im Tannenholze,
daß vor und mit den jungen Faſel, Doͤrne von allen
Arten aufwachſen. Wenn es nur leichte Doͤrne
ſind, wie Brombeeren und Heidelbeeren, ſo hat es
nichts zu bedeuten, ja wo man ſonſt nicht Sorge hat,
daß kein Vieh dahin komme, ſo iſt es noch ein Vor-
theil, indem ſie daſſelbe vom Faſel abhalten, und her-
nach, wenn der Faſel aufwaͤchſt, verderben. Hin-
gegen aber Stechpalmen, Weißdoͤrne, Schwarz-
doͤrne, Faulbaͤume, wilde Aepfel, u. ſ. w. ſchaden
den Faſel, und laßen ihn nicht aufkommen. Wenn
alſo ſchon Doͤrne vorhanden, ehe der Saamen auf-
gegangen iſt, ſo iſt es am beſten, man arbeite den
ganzen Boden um, und rotte ſie alſo von Grund
aus. Wenn ſie aber mit ſammt den jungen Faſel
aufkommen, ſo braucht es mehr Muͤhe, man kann
ſie denn nicht aus der Wurzel reißen; jedoch, wenn
man ſie im Fruͤhling, da der Saft darin iſt, mit ei-
nem Grabeiſen unterſticht und auf die Seite druͤckt,
verderben ſie auch ganz. Solches kann man ſchon
verrichten, wenn der Faſel nur ein oder anderthalb
Schuh hoch iſt. Wo ſie ſich erſt zu zeigen anfangen,
kann man ſie auch mit dem Rebmeſſer ausvotten.
In Laubwaͤldern (Staudenholz) kommen weniger
Doͤrne auf, und ſchaden auch weniger.
Ferner muß man Achtung geben, wann ein
Wald muͤſſe verduͤnnert werden. Da iſt nun ein
Unterſchied zu machen, wenn ein Holz nur von ei-
ner
[103] ner Gattung iſt, und wenn mehrere Gattungen ne-
ben einander darin ſtehen. Ein junger Eichwald
kann in Zeit von 15 bis 20 Jahren ſo verduͤnnert
werden, daß keine andere als Eichbaͤume darin ſte-
hen, und dieſe ungefehr 2 bis 3 Schuh weit von ein-
ander. Wenn er ſo dann 20 Jahre wiederum ge-
ſtanden hat, ſo nimmt man eine Hauptverduͤnnerung
vor, da alles was nicht ſchoͤn, gerade und wachs-
muͤndig iſt ausgehauen wird; ſodann laͤſt man ihn
andere 40 Jahre ſtehen. Da er aber in ſolcher
Zeit ſehr weitlaͤuftig wird, maßen die Staͤmme 50
bis 100 Schuh weit von einander zu ſtehen kommen,
ſo kann man mit Nutzen Kopfholz zwiſchen hinein
pflanzen, als Eſchen, Maßholdor, ſonderlich Hage-
buchen, die man dann in der Hoͤhe von 6 bis 10
Schuh abhaut, ſo daß ſie in 15 oder 20 Jahren ei-
nen betraͤchtlichen Vortheil an Brennholz auswer-
fen. Ein Buchwald, der zu Oberholz beſtimmt iſt,
ſoll von 15 bis 20 Jahren das erſtemahl ſo verduͤn-
nert werden, daß die Aſpen, Erlen, Weiden, Bir-
ken, Maßholder, Mahlbaͤume, wilde Birnen und Ae-
pfelbaͤume ausgehauen werden; das zweitemahl
aber etwa in ſeinen 30ten Jahre, da denn die Baͤu-
me auf eine gewiſſe Weite verduͤnnert werden, und
bis er erwachſen iſt, hinfuͤhro nichts als das unter-
wachſene ausgebauen wird. Ein Laubholz aber,
daß zu 36 oder mehr Jahren ausgeholzet wird, oder
die ſo genannte Haͤue, haben gar nicht noͤthig ver-
duͤnnert zu werden. Ein Tannenholz ſollte erſtlich
G 4etwa
[104] etwa 25 Jahr dichte in einander aufwachſen, ohne
verduͤnnert zu werden; ſodann wuͤrde es wiederum
10 Jahre ſtehen, und wiederum verduͤnnert werden,
und ſo nach und nach bis auf 100 Jahre, da man
dann erſt die groͤßten Stuͤcke zu Bauholz und Schiff-
tannen noch ſtehen laͤſt. Wenn ein Tannenwald
nicht enge und dichte waͤchſt, ſo ſchlaͤgt er deſto ſtaͤr-
ker in die Aeſte, da man dann die unterſten nach
und nach und bedachtſam abhauen, und den Baum
ohne Schaden ſchneiteln kann. An dichtern Holze
nuͤtzet es weniger, oder iſt unnoͤthig, und wirft auch
nichts aus. Wenn man aber aufſtuͤcken oder
ſchneiteln will, ſo muß ſolches vom Gallustage bis zu
Ende des Wintermonaths geſchehen; man muß die
Aeſte von unten auf abhauen, und Sorge tragen,
das die Rinde am Stamm nicht verletzt werde.
Man muß aber den Rothtannen allezeit wenigſtens
9 Ringe ſtehen laßen.
Es iſt ferner noͤthig und nuͤtzlich zu wiſſen,
was fuͤr Krankheiten und ſchaͤdlichen Zufaͤllen einzelne
Baͤume oder ganze Stuͤcke Holz ausgeſetzet ſind,
davon ſie entweder verderben oder zum Gebrauch
ganz unnuͤtz werden, um demſelben wo moͤglich,
vor zu bauen. Die Eichen nehmen großen Scha-
den, wenn ihnen die Rinde abgeſtreift wird; ſonſt
ſind ſie auch den Schroͤteln ſtark ausgeſetzet, die ſie
inwendig zerfreſſen; inſonderheit auch die aͤltern
abſtehenden Eichen einem Ungeziefer, das ſie
durchloͤchert, daher man ſie zur rechter Zeit, ehe ſie
gaͤnz-
[105] gaͤnzlich verderbt ſind, faͤllen muß. Die Buchen
ſind geſunde Baͤume, ſie verderben aber, wenn ſie
von andern uͤberwachſen werden, daher iſt es beſſer,
man laße ſie nicht zu enge in einander ſtehen. Auch
wenn an einen ſolchen Baum Schwaͤmme wach-
ſen, muß man ſie faͤllen, ſonſt verfaulen und verder-
ben ſie. Eben ſo kann auch der Eſchenbaum nicht
fortwachſen, wenn er von andern Baͤumen uͤber-
wachſen iſt. Der Ilmenbaum iſt einer der ge-
ſundeſten, dauerhafteſten Baͤume, daher er im
Laubholz vorzuͤglich zu pflanzen iſt. Die Rothtanne
wird im Wachsthum gehemmet, wenn man ſie
allzu hoch aufſtuͤckt, oder wenn ſie an der Rinde
ſonſt ſtark verletzt wird. Am allermeiſten ſchadet
ihr das Harzen; ſonſt ſchadet ihr auch das Epheu
gar ſehr. Dieſem allen kann man vorbeugen.
Neben dieſen aber wird ſie auch vor Alter krank,
wenn ſie nicht auf gar guten Boden ſteht, denn auf
moſigten Grunde faulet ſie ſchon fruͤhe, und im
trocknen wird ſie ſtockroth. Dieſen muß man vor-
kommen, wenn man einen Wald anlegt, und dabey
nach obbemeldeten Regeln verfahren. Steht aber
der Wald ſchon da, ſo iſt nichts beſſers zu thun,
als in Zeiten, ſobald ſich die Krankheit ſpuͤhren
laͤßt, den Wald faͤllen. Insbeſondere aber ſcha-
den die ſtarken Windſtuͤrme den Tannenwaͤldern,
daß ſie verderben, weil ſie in ihren Wurzeln be-
wegt worden ſind. Dieſem vorzubeugen, muß
man, wie oben ſchon angerathen worden, Eichen
G 5zur
[106] zur Vormauer vor die Tannenwaͤlder pflanzen, da,
wo die Winde am ſtaͤrkſten anſtoßen. Wo aber
der Schaden geſchehen, kann man ihm am aller-
beſten erſetzen, wenn man denſelben Platz umar-
beitet, und mit jungen Taͤnnlein 1 bis 2 und einen
halben Schuh hoch beſetzet. Aber dieſes muß
entweder im Herbſt oder im Fruͤhlinge geſchehen,
wenn ſie noch nicht im Saft ſind. Die Weißtan-
nen ſind dauerhafter und ſtaͤrker, doch bekommen
ſie eine Gattung Kroͤpfe, die zwiſchen Holz und
Rinde anſetzen, und um ſich freſſen, davon der
Baum faulet; im Anfange kann man ſie aushauen,
ſonſt thut man wohl, wenn man auf Baͤume, die
auf dieſe oder andere Weiſe beſchaͤdiget ſind, Ach-
tung giebt, und ſie beym verduͤnnern weghaut.
Eine jede Gattung Holz hat auch eine gewiſſe
Zeit, waͤhrend welcher es zu ſeiner Vollkommenheit
gelangt, nachhero aber nicht groͤßer wird, ſo daß
man es alsdann faͤllen muß. Dieſe Zeit iſt bey
dem Eichen am laͤngſten, kuͤrzer bey den Tannen,
noch kuͤrzer bey dem Laubholz, und bey obernannten
Haͤuen. Sie iſt aber auch verſchieden, in Abſicht
auf Lage und Boden; da in dem einen Grund und
Gegend ein Holz laͤnger waͤchſt und zunimmt, folg-
lich auch nicht groͤßer wird, wenn man es gleich laͤn-
ger ſtehen ließe. Ein Eichwald kann bis auf 200
oder 300 Jahre ſtehen. Das hoͤchſte Alter des
Tannenwaldes iſt 150 Jahr, da er dann Staͤmme
von 120 bis 140 Schuhe haben ſoll, im andern
Grund
[107] Grund und Lage waͤchſt er nur 70 bis 80 Jahr,
und wird nicht groͤßer dann 50 bis 70 Schuh. Es
giebt noch andern Grund und Boden, wo er nur
50 Jahre waͤchſt, und nicht hoͤher wird, als 30 bis
40 Schuh. Dieſe Zeiten ſind alſo kuͤrzer oder laͤn-
ger, je nachdem der gute Holzboden mehr oder we-
niger tief reichet; von welcher Tiefe das Abſtehen
der Baͤume hauptſaͤchlich abhaͤngt. Andere Arten,
die auch zu Bauholz erwachſen, koͤnnen gemeinig-
lich 100 Jahre ſtehen und zunehmen, beſonders in
guten Grund. Laubholz hingegen, oder die ſo ge-
nannte Winterhaͤue, werden mit dem meiſten Nu-
tzen zu 25 bis 30 Jahren abgeholzet.
Da aber dieſe Zeit unbeſtimmt iſt, und man
zu fruͤh oder zu ſpaͤt ein Holz faͤllen koͤnnte, ſo ſind
gewiſſe Zeichen und Merkmahle, auf die man Ach-
tung geben muß, um die eigentliche Zeit zu beſtim-
men, wenn ein jeder Wald beſonders zu faͤllen ſey.
Bey den Eichen iſt das Zeichen, wenn ſie keine oder
nur kleine Schuͤße und Aeſtlein druͤcken; inſonder-
heit aber, wenn ihr Laub ſchon im Auguſt anfaͤngt
gelb zu werden, und abzufallen, ſo iſt dieſes ein Zei-
chen, daß der Baum nicht mehr in ſeinem Wachs-
thum iſt. Bey den Tannen, wenn ſie oben hinaus
keine lange Kerzen treiben; wenn das Reiß zu aͤu-
ßerſt in den Aeſten abfaͤllt; und ſie ihre lebhafte
gruͤne Farbe verlieren; ſo iſt es hohe Zeit, den
Wald zu faͤllen. Im Laubholze iſt neben den Zei-
chen, wie bey der Eiche, auch noch dieſes ein Merk-
mahl
[108] mahl, wenn das junge Holz aus den Stoͤcken aus-
ſchlaͤgt, und die alten Staͤmme faulen. Wenn man
auf dieſe Zeichen nicht Achtung giebt, und ein Holz
uͤberſtehen laͤſt, ſo nimmt das alte Holz ab, wird
duͤrre und faul, indeſſen daß der junge Faſel, be-
ſonders im Laubholz, zwar waͤchſt, aber dann beym
Faͤllen des alten Holzes verderbt wird. Die Jah-
reszeit, das Holz zu faͤllen, iſt von Martini bis im
Merz, wenn der Saft beſtanden iſt; es iſt den Wurm
weniger unterworfen, und giebt im Brennen beſſer
aus. Eichen und Rothtannen kann man im Fruͤh-
ling faͤllen, weil die Rinde davon geſchaͤlet wird,
aber den Sommer uͤber nicht auf den Boden liegen
laßen, ſondern mit etwas unterlegen. Man ſoll
nicht faͤllen, wenn es hart gefroren iſt, wegen den
jungen Aufwachs: wenn dergleichen vorhanden, ſo
ſchadet es ihm mehr, wenn er in der Kaͤlte beſchaͤ-
diget wird, als wenn er im Saft waͤre. Wo man
beym Faͤllen eines Waldes zugleich ausſtockt, iſt es
ebenfalls gut, wenn ſolches im Herbſt geſchiehet,
weil ſodann der umgeworfene Boden ſich dem Win-
ter uͤber bauet. Es koͤmmt auch viel darauf an,
von welcher Seite ein Wald angegriffen werde, ſo
wohl der Winde halber, als auch, damit die Sonne
nicht zu ſtark auf den abgeholzten Platz ſcheine,
und der junge Faſel verdorre. Man muß ſoviel
moͤglich ſehen, daß der Wald an der Morgenſeite
angegriffen werde, denn ſo beſaͤet ihn der Abendwind
von ſelbſt, indem er den Saamen aus dem noch ſte-
hen-
[109] henden Holz darein traͤgt. Auch muß man ſehen,
daß das gefaͤllte Holz nicht uͤber den jungen Faſel
weggeſchleift werde, weil es ſonſt darin großen Scha-
den thun wuͤrde.
Es koͤmmt endlich auch bey Faͤllung eines Hol-
zes viel darauf an, daß man daſſelbe wohl anzuwen-
den wiſſe, indem man von dem einen Holze ſehr viel
mehr Nutzen ziehen, und es theurer verkaufen kann,
wenn man es zu einen Nutzen widmet, als vom an-
dern. Bey dem Eichen hat es ſeine Bewandniß, daß
es, ſo viel moͤglich, alles zu Bauholz beſtimmt wird,
das ſchoͤnſte und ſpaltigſte aber zu Stab- und Boͤtt-
cherholz. Vom Tannenholze iſt der groͤßte Nutzen,
wenn man Boͤttcherholz daraus verfertiget. Das-
jenige aber, ſo nicht gern ſpaltet, zu Saͤgbaͤumen
und Bauholz beſtimmt: das kleinere, ſo gern ſpal-
tet zu Weinpfaͤhlen, wo nicht zu Bauholz; und end-
lich das uͤbrige zu Brennholz. Das Laubholz iſt
am eintraͤglichſten, wenn man allerley Gattung
Wagnerholz daraus liefern kann, oder auch Bau-
holz; das uͤbrige aber iſt zum verbrennen gut.
[110]
Kurze Erlaͤuterung
eines
mit Vortheil zu verbeſſernden
Hopfenbaues
Obſchon der wilde und zahme Hopfen ohne wei-
tere Beſchreibung bekannt genug ſeyn koͤnnte, der
Anbau des letztern aber, nebſt deſſen verſchiedenen
vortheilhaften Anwendungen, noch weit bekannter
ſeyn muͤßte; ſo macht doch ein unter den Landleu-
ten dagegen herrſchendes Vorurtheil, noch immer
haͤufige Einwendungen, gegen welche alle zeitherige
Aufmunterung faſt nicht mehr hinreichend ſeyn wol-
len. Wo ſonſt des Grundes und der Lage wegen
Gelegenheit zum Hopfenbau iſt, macht eine gute
Einrichtung, bey einer Anzahl fleißiger Arbeiter,
bald einen ſehr anſehnlichen Zweig der Landwirth-
ſchaft daraus. Bey guten Jahren traͤgt der wilde
Hopfen im fetten Grunde ſtark zu, daß man ihm
unter den andern mit verbrauchen kann: an ſich aber,
iſt
[111] iſt er der leichteſte, weniger gewuͤrzhaft und ſtark,
auch am Geſchmack unangenehm, krautig, bitter
und herbe. Man kauft und baut deßwegen den
engliſchen und boͤhmiſchen Hopfen, oder doch an-
dere davon fallende gute Arten. Das erſtere ſchaft
heimlich vieles Geld aus dem Lande und der Wirth-
ſchaft, das letztere ziehet das Geld in die Landwirth-
ſchaft, und verſchaft uns ſtarke dauerhafte geſunde
Biere.
Wenn man in Gaͤrten oder Bergen den Hopfen
mit Nutzen bauen will, hat man zufoͤrderſt auf den
Platz, deſſen Lage, Grund und Zubereitung zu ſe-
hen. Eine freye Lage an der Nordoͤſtlichen Seite,
wo eine abwechſelnde reine Luft, die Duͤnſte leicht
zerſtreuen kann; wo keine uͤbermaͤßig druͤckende
ſchwuͤhle Luft den Honig- und Mehltau leichte her-
vorbringet und die Bluͤte verdirbt, iſt die beſte.
Naͤße und Schimmel koͤnnen hier nicht uͤberhand-
nehmen. Die Morgenſonne iſt deßwegen dem Hop-
fen beſonders zutraͤglich, er mißraͤth an dieſer Seite
ſeltner, und man hat wegen Kaͤlte und ſchaͤdlichen
Nebel in den Sommermonaten weniger zu fuͤrchten.
Die Suͤd-Weſt und Nordweſtſeite hingegen wer-
den mit einen Schutze von bald wachſenden Erlen,
Ruͤſtern, Eſpen, Weißpappeln oder Weiden verſe-
hen, um gegen die Reife des Hopfens die Stoß-
winde im Auguſt und September etwas abzuhalten:
dieſe Holzarten, wenn ſie 8 Fuß von der Erde geſtu-
tzet,
[112] tzet, und aller 6, 8 bis 10 Jahr gehauen werden
koͤnnen ohnedem gute Stangen geben.
Der rechte Grund zum Hopfenbau muß locker,
gemaͤßigt feuchte, fett, warm und fruchtbar ſeyn,
wenig andere Frucht getragen haben, und von allem
Unkraute und Wurzelwerk rein gemacht und gehal-
ten werden. Ein tragbahrer Wieſegrund, ein fet-
tes neues Bruch-Moor- und Kohlland ſchicken ſich
faſt am beſten dazu, wenn ſie gehoͤrig erhoͤhet und
durch tiefe Graben von allem wilden Waſſer und
kalten Quellen befreyet worden. Wie denn der
gute Grund unter 3 Fuß nicht ſeyn kann, auch keine
zaͤhe, kalte Thonlager, ſondern vielmehr einen gro-
ben Grand oder Grieß unter ſich haben ſoll. Die
hohen Oerter werden zur Anlage des Hopfens, im
Herbſte, die tiefen und flachen hingegen durch ein
oͤfteres Pfluͤgen und Graben im Fruͤhlinge zubereitet,
und nach einer ſolchen Ordnung mit kleinen Staͤben
abgetheilet, in welcher nachgehends die Hopfengru-
ben, welche 5 Fuß weit und 1½ Fuß rief gemacht
werden, auch 4 bis 5 Fuß auseinander zu ſtehen
kommen. Dieſe Gruben, die mit der fetteſten und
wohl verfaulten Kuͤh- und Schweineduͤnger gut ver-
miſchten Erde, ausgefuͤllet und in kleine runde Huͤ-
gel erhoͤhet werden, erfordern einen ſo ſtarken Vor-
rath davon, daß man damit wenigſtens in 12 Jah-
ren 4 mahl herumkommen kann.
Die jungen Hopfenſtoͤcke werden hernach, um
allem Schaden und Zufaͤllen auf das ſicherſte zuvor-
zu-
[113] zukommen, im Fruͤhlinge zu 3 hoͤchſtens 4 Stuͤcke
in einer Grube zuſammen, einen Fuß tief gepflanzet,
mit der guten Miſterde bedecket, erhoͤhet, angehaͤu-
fet, und zum Zeichen, wohin die kuͤnftigen Stangen
kommen ſollen, mit den vorigen kleinen Staͤben
wieder beſtecket. Gedachte Wurzelſtoͤcke, muͤſſen
ſtark ſeyn, auch nicht dichter, als geſagt, beyſammen
ſtehen. Man kann davon jaͤhrlich einen großen
Vorrath machen, wenn man beym Ausleſen der
Ranken an die Stangen, immer etliche von der
uͤberfluͤßigen Brut, anſtatt ſie wegzuſchneiden, ſeit-
waͤrts einleget. Es muͤſſen indeſſen dergleichen
junge Stoͤcke, wegen der verſchiedenen Guͤte,
Groͤße und Reifezeit der Fruͤchte, von wohltragen-
den Arten immer aus einem gleichartigen Erdreich
in das andere gebracht werden, folglich niemahls
aus verſchiedenen Boden oder von verſchiedenen
Arten hergenommen ſeyn. Wie man denn bey uns
auch niemahls klein knoͤpfigten, klein troßtigen oder
ſpaͤt bluͤhenden Hopfen anbauen ſoll.
Der boͤhmiſche und engliſche Hopfen ſind un-
ter allen zum Anbau die zutraͤglichſten, und gehet der
letztere den erſten in einigen Stuͤcken noch etwas vor.
Denn 1) waͤchſet er nicht uͤbermaͤßig hoch, er brin-
get 2) ſeine meiſten Fruͤchte nicht nur haͤufig auf
der Spitze, ſondern 3) ſogleich auf beyden Seiten
von unten auf reichlich, und 4) in großen dichten
Trauben, 5) mit großen 1 auch 1½ zoͤlligen Fruͤch-
Botan. Abhdl.II.B. Hten,
[114] ten, welche zuweilen das Laub verdecken, und deshalb
gut zu gewinnen ſind.
Dem jungen Hopfen werden an etlichen Orten
im erſten Jahre keine Stangen, an vielen andern
hingegen 7 bis 10 fuͤßige gegeben, in allen folgen-
den Jahren, muͤſſen die Hopfenſtangen 18 bis 20
Fuß hoch, und eines Armes ſtark ſeyn. Man
nimmt ſie aus den vorerwaͤhnten Holzarten, auch
aus Weisbuchen, Birken, Pappeln, Haſeln und
den hohen Fiſcherweiden, in den ordentlichen Ge-
hauen von Laubholze, Feld- und Dorfbuͤſchen, wo
ſie beſonders von den Hopfenbauenden Gemeinen
ordentlich gezogen, und aller 6, 8 bis 10 Jahren
vom Januar an bis zur Mitte des Merz gehauen
werden koͤnnten. Sonſt weiſet man ſie im Nadel-
holze auch hin und wieder an, wo ſie ohne Scha-
den zu entbehren ſtehen. Dieſe Stangen werden
geſchaͤlet, und in freyer Luft auf hoͤlzern Kreuzen
vor und nach jedem Gebrauche erhalten.
Die beſte Nutzung, die ein Hopfen-Berg oder
Garten geben kann, erſtrecket ſich vornehmlich auf
die erſten 12 Jahre, zu welcher er, durch eine gute
Pflege, bey ſeiner Kraft erhalten werden muß.
Nach deren Verlauf kann man die veralteten hol-
zigen Wurzelſtoͤcke ſicher ausreißen, ausſtocken,
und dieſe Laͤndereyen von neuen anlegen.
Wenn der auskeimende junge Hopfen ſeine
Ranken verlaͤngert, und leicht und behutſam be-
harkt worden iſt, bekoͤmmt er die erſten kurzen
Stan-
[115] Stangen, an welche die 3 beſten Ranken zuſam-
mengewunden angeleget, die ſchlechteſten wegge-
ſchnitten, und die uͤbrigen ſeitwaͤrts abgeleget wer-
den. Man heftet ſie mit Baſt etwas an, macht
dann das Land reine, und kontinuirt mit dieſer
Huͤlfe, ſo lange ſie noͤthig iſt, macht auch das zwi-
ſchen den Gruben liegende Land ſo reine, daß es
Braunkohl, Tartuffeln oder Schminkbohnen tra-
gen kann. Wenn dieſer Hopfen ſeine Frucht an-
ſetzt und zur Reife bringet, wird er ½ Fuß uͤber der
Erde mit der Sichel abgeſchnitten, nach dem Be-
trocknen von den Stangen abgeſtreift, in Buͤndel
eingebracht, gepfluͤckt und auf einen luftigen Bo-
den ausgebreitet, worauf er wohl getrocknet in
Haufen gebracht, und endlich in Saͤcken oder hoͤl-
zernen Kaͤſten zuſammen gepreßt, etliche Jahre auf-
bewahret werden kann. Die Stoͤcke werden uͤbri-
gens mit Miſterde gut bedecket, bis ihre weitere
Pflege nach dem Winter von neuem fortgeſetzt wer-
den kann.
Die Pflege des Hopfens im zweyten und fol-
genden Jahren, die uns die Frucht liefert, nimmt
ihren Anfang mit Ende des Merz, bis in die Mitte
des Aprils. Die Stoͤcke werden alsdenn durch die
Harke geluͤftet, von allen angeſteckten, todten, hoh-
len und faulen Wurzel- und Rankenwerke, durch
den Schnitt gereiniget, alsdenn wieder mit friſcher
fetter Miſterde bedeckt und angehaͤufelt, wie ſchon
geſagt worden, wie denn das zwiſchen dem Hopfen
H 2gele-
[116] gelegene Land, das man die Baͤnke nennet, bis um
Johannis gereiniget wird, zugleich nimmt man die
jungen abgelegten Rankenſtoͤcke ab, und leget die 3
ſtaͤrkſten Ranken an. Die Loͤcher zu den Stangen
werden mit einem Pfahleiſen etwas tief gemacht, und
die Stangen feſt eingeſtoßen.
Wenn der Hopfen zu Ende des Junius ſeine
Stangen uͤberlaufen hat, ſtehet er in voller Bluͤ-
the; dieſe zu befoͤrdern und zu vermehren, auch die
Verflechtung der Wipfel zu verhindern, ſchneidet
man die Spitzen mit einer hohen Stangenſichel ſehr
zeitig ab, worauf nicht nur die Trauben ſtaͤrker wer-
den, ſondern auch die Fruͤchte, in großen traubigen
Buͤſcheln, bey guter Witterung um Bartholomaͤi
zur Einſammlung eher reifen, ob wohl die Zeit der
Reife nicht in allen Jahren gewiß und gleich iſt.
Die Fruͤchte des Hopfens, die man Hoͤpferlinge oder
Hopfenhaͤupter zu nennen pfleget, ſind lockere ſchu-
pige, ſpitzig- oder ſtumpfrunde Knoͤpfe, die mit run-
den Saamen und einem Mehle verſehen ſind, und
den eigentlichen Hopfen ausmachen.
Das Zeichen der Reife eines guten Hopfens
iſt der gewuͤrzhafte Geruch, und der deine bittere ge-
wuͤrzhafte Geſchmack, nebſt der mehr ins hellgruͤne
oder Hellbraune als ins unangenehme Dunkle fal-
lenden Farbe. Nachdem der Hopfen der freyen
Luft und Sonne mehr ausgeſetzt iſt, und an dem ei-
nen oder dem andern Ende fruͤher zu bluͤhen anfaͤn-
get, nachdem reifet er eher. Es muß alsdenn der Ho-
pfen
[117] pfen noch wohl geſchloſſen ſeyn, ſeinen Saamen
und voͤlliges Mehl haben, dabey ein oͤligtes fluͤchtiges
gewuͤrzhaftes, und angenehmes bitteres, harziges
Weſen enthalten, vermoͤge deſſen er die verlangte
Eigenſchaften zeiget, lange dauert, und dem Biere
die bekannten Vorzuͤge giebet. Wird er zeitiger
oder ſpaͤter gepfluͤckt, und dabey uͤberhaupt nach ei-
ner ſchlechten Pflege auch ſchlecht gewonnen, und
behandelt, verlieret er gedachte Kennzeichen der
Guͤte, Kraͤfte, Schwere, und folglich auch ſeinen
Preis im Handel. Wegen der Sturmwinde oder
einer einfallenden Naͤſſe, kann man ihn nicht wohl
ſpaͤter ſammlen.
Wenn man wegen der Reife gewiß iſt, ſo wer-
den die Ranken mit der Sichel 2 Fuß hoch uͤber der
Erde abgeſchnitten, damit ſie an den Stangen be-
trocknen, und mit dieſen aus der Erde gehoben wer-
den koͤnnen. Man pfluͤckt den Hopfen alsdenn an
Ort und Stelle friſch ab, oder laͤßt ihn von den
Stangen abgeſtreift in Buͤndeln einbringen, da
man ihn denn bald abpfluͤcken laͤßt, ehe er ſich er-
hitzen kann.
Der gepfluͤckte Hopfen wird auf luftigen Bo-
den eine Hand hoch ausgebreitet, daß er, ohne
durch das Ausdampfen allzuviel zu verlieren, ſo-
bald als moͤglich recht lufttrocken werde. Einige
bringen den Hopfen auf eine Darre, andere bringet
die Noth dazu; der Vortheil davon iſt immer ſchlecht,
und der Unterſchied betraͤchtlich. Den getrockneten
H 3Hopfen
[118] Hopfen laͤßt man auf Haufen bringen, und wegen
des ſtarken Ausdampfens mit groben gedoppelten
Tuͤchern bedecken. Iſt aber der jaͤhrliche Hopfen-
gewinnſt ſehr ſtark, ſo bringet man ihn nach den
Hopfenkammern in beſondere Hopfenkaſten, in de-
nen er durch ſchwere Decken, Breter und Gewichte
zuſammengepreßt wird. Sonſt wird er auch in Ho-
pfenſaͤcke feſt zuſammen getreten, wo er wegen des
Ungeziefers zuweilen beſehen werden kann. Er
haͤlt ſich in ſolchen trocknen Orten einige Jahre lang
ſehr gut.
Alle Gegenden ſchicken ſich indeſſen nicht zum
Hopfenbau, er wird in einigen nicht reif, in an-
dern mangeln die Arbeiter und der Duͤnger, in an-
dern geraͤth er ſehr gut, und erhaͤlt eine Menge von
Menſchen. Die ſtarken Bierbrauereyen erfordern
ihn ſchlechterdings, und die Vortheile aus dem Ho-
pfenhandel ſind laͤngſt bekannt. Unſere Nachbaren
verſtehen dieſes ſehr wohl, ſie ſind noch in keinen
Vorrath von Hopfen, deshalb werden die Untertha-
nen noch faſt uͤberall zum Hopfenbau aufgemuntert.
[119]
Gedanken
uͤber die
in etlichen Gegenden bey der kleinen Viehwirthſchaft
abwechſelnd gebraͤuchlichen
Staufuͤtterung
mit
abgeſchnittenen friſchen Getreiden.
Dieſes einzelnen Nothfutters bedient ſich der
Landmann bey melkenden Kuͤhen nur ſelten, außer
in ſolchen Gegenden, die einen zu fruchtbaren Bo-
den haben, und wo die Saat durch Zufaͤlle ſich der-
maßen uͤberwaͤchſet, daß ſie ihrer Geilheit halber
zu einem Lagerkorn wird. Dieſes geſchiehet als et-
was gewoͤhnliches, aber nicht immer, daß die Wai-
zenſaat deshalb, ehe ſie in die Halme treibet, ein
oder zweymahl geſchroͤpft werden muß. Dieſes
Schroͤpfen oder Schragen giebt nach Verſchieden-
H 4heit
[120] heit des Ackers und der Witterung viel oder weni-
ger, aber das ſchoͤnſte Futtergras. Dieſe Art ſich
dergleichen friſches Gras fuͤr das im Stalle zu fuͤt-
ternde Vieh zu verſchaffen, wird im Kleinen an an-
dern Orten nicht ſelten ordentlich betrieben. Denn
der Viehwirthſchafter ſaͤet in hoͤhern, auch etwas
ſchlechtern, aber gut zubereiteten Boden eben der-
gleichen Getreide zu gleichen Abſichten, und der
Miſchling, das Mengſel, welches aus Wicken,
Erbſen, Hafer, Weitzen und Roggen beſtehet,
die Gerſte insgemein davon ausgenommen, wie
man ihn friſch und gruͤn zum Futter fuͤr Melkevieh,
Ochſen und Pferde ſaͤet, iſt bekannt. Mit der
Gerſte hat man ſeine Abſichten auf eine gewiſſe
Viehart insbeſondere. Die von der Acker- und
Viehwirthſchaft geſchriebenen alten und neuen Ta-
gebuͤcher und Schriften handeln davon weitlaͤuftiger,
als wir hier zu thun im Stande ſind. Von der
Saat des einfachen Wickfutters iſt hier eben ſo
wenig die Rede, als von deſſen Nothwendigkeit,
Gewinnung, Eigenſchaften, und gruͤner und trock-
ner Anwendung fuͤr die verſchiedenen Arten des
Viehes im Stalle.
Es wird indeſſen, wie bekannt, mit der gruͤ-
nen Futterung und der trocknen ſehr ordentlich in
den Staͤllen abgewechſelt, es gehe nun dabey auf
die Weide, oder nicht. Fuͤr den Landmann iſt die
Weide eine große Wohlthat, weil er ſie in ſeiner
Gemeinde, gleich andern, ohne Koſten haben kann,
da
[121] da das Vieh auf die natuͤrlichſte Art in der freyen
Luft genaͤhret, und bey guter Bewegung, Verdauung,
Nahrung und Kraͤften erhalten wird, wenn anders
der Gebrauch davon, wie es ſich von ſelbſt verſteht,
auf die rechte Art gemacht wird. Denn da die wil-
den Thiere weit ſtaͤrker ſind, als die zahmen, beyde
zuſammen aber nicht erſchaffen ſind, beſtaͤndig in
Staͤllen zu leben, ſo haben die letztern ſowohl, als
die erſtern einen großen Anſpruch auf die Nahrung
in freyer Luft, wenn nur die uͤbrige Pflege der letz-
tern damit in einem richtigen Verhaͤltniſſe ſtehet.
Da aber der Haus- und Landwirth ſeiner Ge-
ſchaͤfte, Behandlungsart und beſonderer Vortheile
halber daran gewoͤhnt iſt, um vornehmlich mehr
Duͤnger als gewoͤhnlich zu ſammeln, ſein melkes
Vieh ohne Hirten mehr zuſammen zu halten, und
beſſer behandeln zu koͤnnen, ſo koͤmmt es darauf
an, ob die Stallfuͤtterung der Milch, Butter und
Kaͤſe halber vornehmlich betrieben werde, oder ob
an manchen Orten die Menge eines guten Duͤngers
die vornehmſte Abſicht ſey, und alſo die Hauptvor-
theile bringe. Beyderley kann abwechſelnd Statt
haben, oder auch nur mittelmaͤßig und ſehr mittel-
maͤßig ſeyn. Von dieſem Unterſchiede zeigen klei-
nere Staͤdte, Flecken und die Vorſtaͤdte großer weit-
laͤuftiger Oerter, wegen der ſogenannten Ackerbuͤr-
ger, dabey die Rede von der Ackerwirthſchaft des
Landmannes ſelbſt nicht iſt, ſo groß uͤbrigens die
H 5Aehn-
[122] Aehnlichkeit in der Nahrungsart und Geſchaͤften
zwiſchen beyden immer ſeyn muß.
Von den letztern werden Handthierungen und
Ackerbau zugleich als Haupt- oder Nebengeſchaͤfte
betrieben, und die unter ihnen befindlichen Hand-
werker haben etliche Stuͤcke Kuͤhe, und zu dieſen
wenig ſelbſt eigenes Land, Acker- Wieſen- oder
andere Grundſtuͤcke, ſondern vielmehr gemiethetes
Land, wovon ſie etwas Heu und Stroh gewinnen,
ſich den Duͤnger zu Beſtellung ihrer Kohl- und
Kuͤchenlaͤnder ſammeln, dabey ſie bald [ihr] Vieh
mit auf die Weide gehen laſſen koͤnnen, oder ganz
im Stalle fuͤttern muͤſſen. Viele haben dabey
noch Brauen und Brandweinbrennen und etwas
Maͤſtung.
In weitlaͤuftig großen Staͤdten haben derglei-
chen Leute oͤfters nur die Wohnung, Land und alles
uͤbrige iſt gemiethet, die Weide faͤllt weg, Heu-,
Stroh-, Blaͤtterwerk, Weidegras, Trebern und
Brandweintrank muͤſſen ſie kaufen, und ſich uͤber-
haupt ſchlecht behelfen. Des gruͤnen Futters we-
gen bleibt ihnen nichts uͤbrig, als ſich Wieſen und
kleine Morgenlaͤnder, Grasgaͤrten und Hoͤfe zu
miethen, und alles muͤhſam zuſammen zu ſchleppen.
Dergleichen Einwohner und Vorſtaͤdter ha-
ben hier zu Lande, ihrer vornehmſten Nahrungsar-
ten halber, die Namen von Viehmaͤſtern und
Milchleuten, da ſie insbeſondere die großen Staͤdte
taͤglich mit Milch verſorgen, obſchon wegen der vie-
len
[123] len Saͤuglinge und der Arten von Speiſen und Ge-
traͤnken die Menge der Milch ſehr oft von den
naͤchſt gelegenen Meyereyen, Vorwerken und Doͤr-
fern unterhalten werden muß. Um nun in ihren
nur gemietheten Wohnungen, bey ihrer nothwen-
dig gewordenen Stallfuͤtterung, friſches Gras und
Futter zu haben, ſo ſchleppen ſie daſſelbe aus den
gemietheten Grundſtuͤcken uͤberall her taͤglich zu-
ſammen, und verfahren im uͤbrigen damit zu ih-
ren Abſichten, wie davon ſchon geſagt iſt. Un-
ter andern gruͤnen Futter legen ſie ihrem Melke-
und Zugvieh die Schrape von Waizen, Hafer und
Roggen mit andern Graſe abwechſelnd vor, wie
ſie es bekommen koͤnnen.
Der Anbau dieſer Getreidearten iſt eben ſo
einfach, als dieſen Leuten nuͤtzlich, denn ſie erhalten
dadurch eine maͤßige Menge von friſchen, reinen,
ſuͤßen Futtergraſe, wozu ſie das Land theils noch
vor Winters, theils im Fruͤhlinge vom Ausbruche
des Birkenlaubes an bis gegen Johannis bey kuͤhler
Witterung beſtellen, und durch den Regen dabey
uͤberaus beguͤnſtigt werden. Wenn ſich die Saat
wohl beſtaudet und bis zu der Groͤße gehoben hat,
daß es abgemaͤhet oder beſſer mit der Sichel ge-
ſchnitten werden kann, ſo geſchiehet dieſes. Wor-
auf ſich aus dem Knoten uͤberall noch neue Pflan-
zen erzeugen, die man zum zweytenmahle ſchneiden
kann: [ohne] daß man ſich dabey vor dem Abſchnei-
den der Halme zu fuͤrchten haͤtte. Man maͤhet da-
von
[124] von ſo viel als man dem Vieh auf ein- oder ein
paarmahl vorzulegen willens iſt: da es denn alle
Vorzuͤge eines jungen und friſchen Graſes, gegen
ein anderes zaͤhes und grobſtichliches Gemiſche zei-
get, dergleichen den Sommer hindurch aus den
Kohl- und andern Garten mit allerhand groͤbern
Blaͤtterwerk ausgejaͤtet wird. Und ſo nutzet man
dieſes Gras in etlichen Abſchnitten, bis man im
Herbſt den letzten Schuß ſtehen laͤſſet, damit er voͤl-
lig mit den Aehren auswachſen kann, ohne daß er
zum reifen Saamen kommen duͤrfte, dieſer wird
endlich geſchnitten, getrocknet eingebracht und das
Stroh davon im Winter verfuͤttert. Wiewohl etli-
che von vorgedachten Viehmaͤſtern dergleichen zu-
letzt durch Ochſen nach dem letzten Schnitte bald ab-
huͤthen laſſen.
Wenn man dieſe Umſtaͤnde erwaͤget, und mit
den vorbeſagten, in kleinern einzelnen Viehwirthſchaft-
ten vorkommenden, richtig vergleichet, ſo wird man
als Sachverſtaͤndiger den wirklichen Nutzen an ſei-
nen rechten Orte voͤllig einſehen, dagegen ſie bey
großen Viehwirthſchaften, wo fuͤr Winter- und
Sommerfuͤtterung, Weide, Heuſchlag und Ackerbau
alles beſorgt iſt, mit Recht vor Kleinigkeiten gehal-
ten werden koͤnnen. Denn der Mangel an Gele-
genheit zu friſchem Graſe macht dieſes Anbau- und
Futterungsgeſchaͤfte nur unter gewiſſen Bedingun-
gen nothwendig und nuͤtzlich, noch mehr, da man etli-
chemahl junges friſches und reines nahrhaftes Gras
zu
[125] rechter Jahreszeit dadurch erhalten kann. Dieſes
iſt bey Viehmaͤſtern und Milchleuten in großen
Staͤdten um deſto vorzuͤglicher, da dem Vieh aller-
hand Unkraut und Wiedekraut aus den Gaͤrten vor-
geleget wird, das es meiſtens unter die Fuͤße treten
muß, und dabey Appetit und Verdauung verliert.
Man muß ſich verwundern, wenn man derglei-
chen Kraͤutereyen, die zaͤhe, vermiſcht, welk und
weder Nahrungs- noch Arzeneymittel ſeyn koͤnnen,
ſtatt des friſchen Graſes zuſammen bringet, da ſie
kaum die Stelle eines alten unkraͤftigen Graſes vertre-
ten koͤnnen. Dieſer Umſtand war deshalb noͤthig zu
beruͤhren, weil man oft, ohne dem Vieh die gehoͤrigen,
geſunden Nahrungsmittel zu geben, von Milch,
Fleiſch, Haut und Duͤngung dennoch alles zu ver-
langen und damit zu erzwingen gedenkt, wovon der
im gemeinen Leben entſtehende Schaden, bey einer
genauern Policeyunterſuchung, gerade das Gegen-
theil zeiget.
[126]
Phyſikaliſche
oͤkonomiſche Abhandlung
von
den Wieſen
und deren Behandlung.
Die Wieſen ſind, wie die Triften, Viehweiden
und Waldungen, landwirthſchaftliche, aber natuͤr-
liche und zwar ſolche Grundſtuͤcken, von einer, von
jenen ſehr verſchiedenen, aber ſo vorzuͤglichen Be-
ſchaffenheit, daß ſie von denjenigen Gras, Kraͤu-
ter- und Staudengewaͤchſen, die ihren eigentlichen
Zuſtand abwechſelnd beſtaͤndig darauf haben, eine
groͤßere Menge hervorbringen, die außer der Laͤnge
die Eigenſchaft haben muͤſſen, daß ſie deshalb zu
Heu gemacht werden, und werden koͤnnen, wodurch
ſich die Wieſen eben bey der Anwendung von an-
dern grastragenden Stuͤcken unterſcheiden, ob gleich
die Wieſen ſchon unter gewiſſen Umſtaͤnden, auch
zu
[127] zu anderer Zeit, zur Weide genutzt werden. Nach
Beſchaffenheit der Lage und des Grundes iſt ihre Graͤ-
ſerey und deren Menge und Guͤte gar ſehr verſchie-
den, welches aus einer genauern Kenntniß und Un-
terſuchung deutlich erhellet. Das Gras iſt alſo
ihr natuͤrlich eigenes und beſtaͤndiges Produkt, das
ſie von ſelbſt ohne weitere Beſtellung geben, wenn
ſie nur ſonſt bey ihren guten tragbaren Eigenſchaf-
ten erhalten werden. Der Grund muß unter al-
len natuͤrlichen grastragenden Laͤndereyen auf den
Wieſen ſo vorzuͤglich tragbar oder fruchtbar ſeyn,
daß er nicht nur mehr Gras zum Heu als anderer,
ſondern auch ſelbſt von den dazu gehoͤrigen guten
Arten giebt; denn deſſen innere Guͤte unterſtuͤtzt die
Lage, die Witterung vermehret ſie, und die ordent-
liche Behandlung unterhaͤlt ſie.
Wenn man auf die guten tragbaren Wieſen ſie-
het, auf welchen die eigentlichen nahrhaften Graſe
und Grasarten, gegen die dazwiſchen hervorkom-
menden uͤbrigen Kraͤuter, Standengewaͤchſe, Schilf-
rohr und Riedgraͤſer, auch ſtarke Arzeneygewaͤchſe,
gewiß 3 Theile, oder wenigſtens doch etwas uͤber
die Haͤlfte betragen muͤſſen; ſo wird ſich finden,
daß der groͤßte Theil ſolcher Graͤſer, weil er mit
kriechenden oder doch weit um ſich gehenden flachen,
oder in etwas verſchiedener Tiefe uͤber, unter und
durcheinander ſtreichenden [Wurzeln] verſehen iſt,
auch weitlaͤuftige und dichte Raſenſtuͤcke bildet, wo-
durch der maͤßig feuchte und lockere gute Boden
feſte
[128] feſte, auf 3 bis 6 und 8 Zoll tief dermaßen uͤberall
durchflochten wird, daß er ganze Flaͤchen, in Ver-
miſchung mit den nachfolgenden, als eine feſte filzige
Decke uͤberziehet. Dieſe erſtere Art der Wurzeln
unterhaͤlt die Wieſen, befeſtiget den Raſen, und
hat die laͤngſte Dauer und groͤßte Lebhaftigkeit.
Zwiſchen ſolchen Graſen koͤmmt eine groͤßere oder
geringere Menge von andern Graſen hervor, die
nicht ſowohl weit auslaufende, wie die vorigen, aber
deſto dichtere und ſtaͤrkere faſerige Wurzelſtoͤcke und
Buͤſche machen. Dieſe Art, wodurch die Wieſen
ein dichtes und haͤufiges Gras erhalten, iſt eben ſo
vorzuͤglich als noͤthig, und ſtirbt immer abwech-
ſelnd in der Mitte der Stoͤcke aus, ob ſie ſonſt
ſchon ziemlich dauerhaft gefunden wird, und erſetzet
ſich von ſelbſt.
Eine dritte Gattung der Graͤſer, welche auch
unter die beſtaͤndigen gehoͤrt, wurzelt einzeln zwi-
ſchen beyden vorigen, ohne ſich ſtark zu vermehren,
und die Sommergraͤſer, welche nur eine jaͤhrlich
oder 2jaͤhrige Dauer haben, wachſen zwiſchen den
uͤbrigen, und Waſſer und Wind erhalten ihren Zu-
wachs abwechſelnd. Zur Erhaltung der Wieſen
tragen ſie ſelbſt weniger bey, als vorige, da ſie nicht
immer da ſind, und faſt an alle grastragende Oerter
hinfliegen und kaum an irgend einem Orte ungeſtoͤrt
ſind, auch manche Jahre ſehr mangeln, da aus den
Saamen, der an Raͤndern ſtehen geblieben, ſich Stau-
den erzeugen muͤſſen, welches ungewiß iſt.
In
[129]
In erwaͤhntem derben und zaͤhen Raſenfilze von
Gras wurzeln die Sommerkraͤuter nur flach, ſie
vermehren aber doch das gute nahrhafte Heu, ob
ſie ſchon auf der Weide von groͤßern Nutzen ſind.
Die beſtaͤndigen 2, 3, 6 und ſelbſt 10jaͤhrigen klei-
nern niedrigen und hohen Staudengewaͤchſe gehen
mit ihren zaſerigen oder einfachen Wurzeln zwi-
ſchen denſelben in ungleicher Tiefe, wie die Graſe
ſelbſt, daß man es von 2, 4 bis 6 Zoll tief abwech-
ſelnd rechnen kann; die Graͤſer mit kriechenden und
ausſchweifend laufenden Wurzeln hingegen flechten
ſich uͤberall durch und durch, wie etwa vom Que-
ckengraſe bekannt genug iſt. Die wenigſten von
den gewoͤhnlichen Wieſengewaͤchſen darunter haben
ſtarke wagerecht ſtreichende flache Wurzeln, ſie
muͤſſen ihre Richtung nach der Dichte und Feſtig-
keit des Raſens zu oft aͤndern, den ſie zu durch-
bohren gezwungen ſind. Einige haben einzelne Knol-
len oder etliche ruͤbenfoͤrmige, keil- oder kegelfoͤrmi-
ge Wurzeln, welche zugleich einzeln wachſen, aber
dabey recht ſtark und derb fleiſchig ſind. Dieſe ſte-
cken theils in ſtarken Raſen zwiſchen den Gras-
wurzeln, auf 2, 3 bis 5 Zoll tief, und die aller-
groͤßten, deren 1, 3 bis 4fache Wurzeln einen Fuß
und druͤber in die Laͤnge haben, ſtehen mit andern
Graswurzelarten ſchon unter den Raſen, und auf
1½ Fuß tiefer, als alle andere.
Aller Wieſen Graſe und Gewaͤchſe Wurzeln,
welche ſo dichte als moͤglich in und unter einem Ra-
Botan. Abhdl.II.B. Jſen-
[130] ſenfilze beyſammen und in einander verwachſen,
treiben insgemein bey uns vom Merz bis zum An-
fang des Septembers nach und nach, auch noch
ſpaͤter hervor, in welcher Zeit ſie ſich bis zu ihren
Saamen voͤllig entwickeln, oder nur bis zur Bluͤthe
gelangen, zum Theil aber wegen verſtrichner Jah-
reszeit kaum noch die Halme und Stengel hervor
zu bringen im Stande ſind. Die letztern darunter
machen der Zeit nach nur Stoͤcke und Blaͤtter im
Herbſte, um die Saͤfte fuͤr das kuͤnftige Jahr zu
ſammlen, die im Winter theils noch gruͤnen, theils
uͤber der Erde vergehen.
Wenn man alſo die natuͤrliche Staͤrke und Dich-
tigkeit des Raſens in einem fruchtbaren Wieſen-
grunde bedenket, welcher in einem feſten Zuſammen-
hange eine Decke uͤber dergleichen weitlaͤuftige Laͤn-
dereyen ziehet, unter welcher ſich die noͤthige nahr-
hafte Feuchtigkeit anſammeln, ausbreiten und das
ganze Jahr hindurch lange genug bey der warmen
Witterung erhalten kann; Wenn man ferner die
uͤber und unter einander in verſchiedenen Tiefen, in
der obern Dammerde ausſtreichende Wurzeln be-
trachtet, nebſt denjenigen Wurzeln, die ſich in die-
ſem Wurzelfilz, ſowohl beſonders verbreiten, als
durch den ganzen Raſen hindurch in die unterlie-
gende Erdſchichte gehen; ſo muß man ſich uͤber die
große Menge von Keimen wundern, die jaͤhrlich
und faſt ohne Aufhoͤren daraus, nach einander ab-
wechſelnd aus etlichen Quadratfuß Raſen, hervor-
kom-
[131] kommen, daran genaͤhret werden, und ſich bis in
das Kraut, die Stengel, Blumen und Saamen
voͤllig entwickeln, und zur Erzeugung kuͤnftig meh-
rerer Koͤrner doch noch immer Platz und Nahrung
genug uͤbrig laſſen.
Ein dergleichen dichter beſtaͤndiger Raſen erfo-
dert zu ſeiner Unterhaltung einen ſehr feinen nahr-
haften und beſtaͤndig gemaͤßigt feuchten Boden,
wenn er bleiben ſoll, wie man ihm auf fruchtbaren
Auen, Angern und Weiden findet. Noch weit
mehrere Fruchtbarkeit deſſelben gehoͤret darzu, wenn
er ſo vielerley nach einander hervorkommende feine
niedrige, mittlere und hohe Grasarten, in einer
verhaͤltnißmaͤßigen Hoͤhe in den bluͤhenden Halme
und Stengeln beſtaͤndig tragen ſoll, daß man 1, 2
bis 3mahl im Jahre ſogar wiederholt einen ordent-
lichen und guten Heuſchlag darauf fuͤhren kann, das
ſie alſo wirkliche Wieſen oder Matten bleiben, und
nicht blos als Weiden und Triften mit kurzem und
geringem Gras dienen muß. Lage und Witterung,
nebſt der Behandlung, kommen hierbey allemahl
zu ſtatten, wie ſie auch im Gegentheil die beſten
Wieſen und ihre guten Eigenſchaften zu verringern,
laut Erfahrung, im Stande ſind. Es verſtehet ſich
von ſelbſt, daß es ſchlechtere, mittelmaͤßige und gute
Wieſen in aller Abſicht, und wieder mit ihren, dem
Grunde und Lage eigenen, mancherley Unterſchiede
gebe, bey welchen nicht allein, die mit dem Raſen
durchflochtene und bedeckte Dammerde, ſondern
J 2auch
[132] auch die untern und naͤchſt verdeckten auswitternden
Erdlagen, und verborgene Quellen und dergleichen,
in Betrachtung kommen.
Ganze Laͤndereyen, ſo wie ſie in manchen Ge-
genden weitlaͤuftig an einander hangende fruchtbare
Wieſen ausmachen, auf den ein ordentlicher Heu-
ſchlag eingefuͤhret worden iſt, wechſeln dennoch in
der Lage und Tragbarkeit der Dammerde zuweilen
dergeſtalt ab, daß darinnen einzelne ſchlechte Stri-
che von Sand, Kley und kaltſpringigen Stuͤcken,
ſteinigen und ſumpfig torfigen Boden gefunden wer-
den, worauf alsdenn viele vorerwaͤhnte Umſtaͤnde
und Vortheile ihren großen Abfall leiden, daß auch
dergleichen einzelne Flecken zuweilen als Ackerland
oder zu andern Gebrauch angewandt werden, wenig-
ſtens doch zu einem beſſern Graswuchs abwechſelnd
muͤſſen bearbeitet werden, welches die an ſich na-
tuͤrlich fruchtbaren nicht noͤthig haben, noch weni-
ger aber wenn ſie ſich nehmlich durch Wind und
Waſſer ordentlich von weiten her ſelbſt beſaamen,
und durch fruchtbare Waͤſſerung jaͤhrlich einen duͤn-
genden Schlamm verſchaffen, dabey ein gewiſſer
gelinder, ſchraͤger Hang zum Abzug der Winter-
und wilden Waſſer nach flachen Graben, worin
ſich die noͤthige Feuchtigkeit, das ganze Jahr
uͤber in der beſten Jahreszeit, hinreichend erhalten
kann, ſehr gut iſt.
Eine ſolche Lage unterhaͤlt den Wieſengrund
bey ſeiner Guͤte und Vorzuͤgen, je mehr ſie ihm aus
den
[133] den anliegenden fernen und nahen Gegenden Vor-
theile zu verſchaffen im Stande iſt, daß deren Guͤte
anhaltend bleibt; ſo wie eine weniger gute Lage
dergleichen ſtufenweiſe, bald oder langſam, gar
merklich zu veraͤndern vermoͤgend iſt, dergeſtalt daß
erſt der Wachsthum ſich vermindert, und aus 3 oder
2maͤhigen vorher guten Wieſen, einmaͤhige und zu-
letzt Viehweiden werden. Hierbey verlieren ſich ge-
wiſſe Sorten von Gras und Kraͤutern, welche an
Guͤte und Menge ſich in Heu vorzuͤglich erweiſen,
daß die Wieſen nachher nur ganz duͤnnes Gras
bringen, oder dafuͤr entſtehen andere groͤbere und
ſchlechtere Arten, welche ganze Wieſen uͤberziehen,
den wenigſten Vieharten angenehm und nuͤtzlich
ſind, oder gar nicht dienen, wenn ſie nicht etwa gar
unnuͤtze ſind, oder in friſchen Graſe oder dem Heue
wohl gar ſchaͤdlich werden.
Die Lage der Wieſen macht ein Hauptſtuͤck
aus, wenn ſie zu der Guͤte des Grundes ſich paßt,
worauf der Landwirth zu ſehen hat, daß er die
Wieſe ſo einrichtet und in einem ſolchen Zuſtande
unterhaͤlt, daß er davon beſtaͤndig profitiren kann.
Sind aber die Wieſen gut, wie man ſie verlanget,
ſo veraͤndern ſich doch oft manche Umſtaͤnde einer
umliegenden Gegend, durch neue nicht zu verhin-
dernde oͤkonomiſche Einrichtungen der Nachbaren,
bey den Feldern, Wieſen, Huͤgeln, Landſeen,
Stroͤmen, Forſten und Suͤmpfen, als aus welchen
uns das Waſſer durch jaͤhrliche zu rechter Zeit ein-
J 3fallende
[134] fallende und kurzdauernde Ueberſtroͤmung, die trag-
bare Gartenerde aufgeſpuͤhlt, und guten Saamen
beſtaͤndig zugefuͤhrt hatte, und es erſtrecken ſich die
Folgen davon oͤfters auch auf unſere Laͤndereyen;
alsdenn ſind wir genoͤthiget, dergleichen Grundſtuͤ-
cke, wenn beſagter Nutzen aufhoͤret, doch gegen
alsdenn etwa entſtehende Zufaͤlle zu verwahren,
daß ſie durch ſolche Veraͤnderung nicht zu ſehr ent-
kraͤftet werden, ſondern ihnen auf andere Weiſe
zu ſtatten zu kommen ſuchen. Wer auf dergleichen
Veraͤnderungen nicht acht giebt, oder zu geben ver-
ſtehet, wird ſie ſchwerlich einſehen, in ihren Fol-
gen, die uns ohne unſere Schuld begegnen koͤnnen:
oder ſie nicht fuͤr ſo wichtig halten, wie ſie es doch
ſind. Da aber die Erde auf ihrer obern Flaͤche ei-
ner beſtaͤndigen Veraͤnderung unterworfen bleibet,
wovon die Nahrungsumſtaͤnde ganz ungemein ab-
haͤngen, ſo hat der Landwirth davon allerdings ſeine
Kenntniß zu nehmen, und Einrichtungen zu ſeiner
Sicherheit zu machen.
Der Naturforſcher iſt gewohnt, ſeit 20, 40,
60 und mehrern Jahren, in welchen die Aufmerk-
ſamkeit zu ſeyn angefangen, dergleichen zu ſehen,
zu unterſuchen, und iſt wegen ſeiner Kenntniß dazu
am geſchickteſten, da er ihre Urſachen, Nothwen-
digkeit oder Zufaͤlligkeit aus natuͤrlichen Gruͤnden
einſiehet, und ſie aus den wahren Umſtaͤnden lange
vorher ſehen, auch langſam ankommen und wirken
ſehen kann. Er muß ſich bey aller gruͤndlichen
Kennt-
[135] Kenntniß der natuͤrlichen Wirkungen, Wirkungs-
arten und Folgen, auf die Quellen der beſten und
allgemein nuͤtzlichen Nahrungszweige im menſchli-
chen Leben, doch von der Menge unwuͤrdiger, un-
wiſſender und niedertraͤchtiger Betruͤger laͤcherlich
machen, verfolgen und unterdruͤcken laſſen; wie
es denn den Anſchein gar nicht hat, daß Anſtalten
und Ordnungen nach Einſichten aufrichtig betrieben
werden ſollten. Vielleicht iſt eine ſo nothwendige
Ausuͤbung bey der Oekonomie, mit Fleiß den jetzt-
lebenden noch vorenthalten. Faſt zeigen ſich bey
der Haus- und Landwirthſchaft noch uͤberall der-
gleichen Vorfaͤlle, wo man alles außer der gehoͤri-
gen natuͤrlichen Ordnung, mit Hintanſetzung der-
nach den allerwahreſten Kenntniſſen gemachten Ein-
richtung, noch dazu durch ganz uͤbertriebene Anſtal-
ten geltend zu machen ſuchet.
Der vernuͤnftige Landwirth, welcher ſich uͤber-
all Kenntniſſe zu verſchaffen ſucht, auch dieſe zu er-
weitern bemuͤhet iſt, weiß von den natuͤrlichen Zu-
ſtande und Eigenſchaften ſeiner Grundſtuͤcken, deſſen
Unterhaltung, Dauer, Veraͤnderung und Nutzung
einen beſſern Gebrauch zu machen, als auch von
ſolchen Umſtaͤnden, welche er als mitarbeitend zu
ſeinen Abſichten billig anſiehet, und beſtaͤndig ein-
zurichten bemuͤhet iſt. Als natuͤrliche Grundſtuͤcke,
die als ſolche bey der Landwirthſchaft, ohne jaͤhrliche
neue Zubereitung, vorzuͤglich genutzt werden, ſind
die Wieſen und Waldungen, zu betrachten;
J 4beyde
[136] beyde entſtehen von ſelbſt, und unterhalten ſich oh-
ne einiges kuͤnſtliche Zuthun und Bearbeitung der
Menſchen, wenn ſie nicht mit Fleiß daran verhin-
dert, oder zu andern Abſichten veraͤndert und einge-
richtet werden. Die Wieſen insbeſondere entſte-
hen, in einem zum Graswuchs vorzuͤglichen Grun-
de, in welchem ſich nach der Lage der weitlaͤuftigern
Oerter oder kleinern Landſtriche Gelegenheit findet,
daß Waſſer und Wind beſondere feine, nahrhafte
und gemaͤßigt fruchtbare Erdlagen von tragbaren
lockern Staub oder Schlamm und vergangenen
Duͤnger, aus den umliegenden nahen und fernen Ge-
genden, nach Verlauf gewiſſer Zeit, zuſammen fuͤh-
ren, und ſie vor andern viel fruchtbarer und trag-
barer machen. Berge, Huͤgel, Felder, Wieſen,
Gaͤrten auch viele Weiden, werden zuweilen all-
maͤhlig abgeſpuͤhlet, nach den gelegenen abhaͤngigen
Laͤndereyen hingefuͤhret, daß ſie damit bedeckt und
aufeinander verſenkt und vermiſcht werden, und auf
ſolche Weiſe einen beſondern zum Wieſenwachs
eingerichteten Boden bilden, wozu die zu verſchie-
dener Jahreszeit gewiſſe und ſtark wehenden Winde
noch uͤberdem die dazu ſchicklichen Saamen hinbrin-
gen auch das nachfolgende Waſſer ſelbſt jaͤhrlich
damit continuiret.
Zu dieſer Naturwirkung, die einen deutlichen
Beweis der gewoͤhnlichen Erdveraͤnderung abgiebt,
wird geraume Zeit erfordert; denn ſie macht den
Grund, und auf dieſem das Gras wachſend, wor-
aus
[137] aus in der Folge, nach Unterſchied der Lage, des
umliegenden Bodens und der Guͤte, Anger, Trift
und Weide werden, welche ſich, der Fruchtbarkeit
halber, endlich zu wirklichen Wieſen von verſchiede-
ner Art und Guͤte verwandeln. Wenn vorbeſagte
Umſtaͤnde immer die nehmlichen bleiben, wie ſie
zur Bildung der fruchtbaren Wieſelaͤnder beſtaͤndig
geweſen ſind, ſo unterhalten ſie ihren guten Zuſtand
und Beſchaffenheit. Sobald ſie aber in der Naͤhe
oder Ferne an den Laͤndereyen durch mehr oder we-
niger gewaltſame ploͤtzliche Zufaͤlle oder langſamere
oͤkonomiſche, oder andere Veraͤnderungen und Be-
gebenheiten, von ihren vorigen Eigenſchaften in ſo
fern abgehen, daß Waſſer, Winde, und Witte-
rung von der vorigen Wirkungsart allmaͤhlig abwei-
chen, oder zum Theil ganz aufhoͤren, oder, von ei-
nem gewiſſen Zeitpunkte an, ganz andere und dem
vorigen gerade entgegen laufende Wirkung thun;
ſo zeiget dieſe Wirkung an ſolchen Wieſen, ſo un-
merklich es auch anfaͤnglich zugehet, daß dergleichen
Wieſen anfangen, an den Arten von Gras auszu-
arten, an der Menge zu verlieren und endlich uͤber-
dem ein ſo kurzes Gras zu bringen, daß aus 3 oder
2maͤhigen Wieſen 1maͤhige, aus den letztern aber
endlich auf Heu nicht weiter zu nutzende Triften,
Weide und Anger werden, die man entweder dem
Pflug unterwerfen und in Felder verwandeln, oder
von neuem zu Wieſen kuͤnſtlich und muͤhſam zube-
reiten muß; denn man ſetzt voraus, daß man bey
J 5der
[138] der Landwirthſchaft, ohne Abgang des einen allge-
meinen Artikels derſelben, jede Art der Laͤndereyen
accurat und eigentlich zu denjenigen Produkten an-
wenden, und zu keinenandern, als die, worinnen
ſie ihren hoͤchſten und mehrſten Nutzen geben, be-
ſtimmen muͤſſe.
Nun iſt die Verſchiedenheit des Wieſengrun-
des an und fuͤr ſich gewiß und offenbar; denn einen
andern macht das Meer an vielen Orten durch An-
ſetzung des Schlickers, einen anderen und ſehr unter-
ſchiedenen die Stroͤme; Seen und Suͤmpfe; und
was vor Erdarten von vergangenen Kalk-Schiefer-
Thon-Eiſenſchuͤßigen Lagen und Sandgebuͤrgen le-
gen ſich nicht oft zwiſchen ganze Schichten oder vermi-
ſchen andere, zwiſchen die Lagen von Torf in den Moo-
ſen- und Raſenwurzeln und bringen die durch die Tage-
waſſer nach und nach zuſammengeſpuͤhlten Pflanzen-
und Thiererden mit dem feinſten Schlamm dahin, und
findet man nicht ſelbſt, daß ſich darinnen die an dem
Ausgehenden der Vorgebirge befindlichen Salzquel-
len darinnen verbreiten. Alle dieſe und dergleichen
Erdmiſchungen, mit ihren Unterlagen und Waͤſſerun-
gen, ſind geſchickt, ſowohl eine verſchiedene Graͤſung
in Menge, Groͤße, Feinheit, und Wirkſamkeit her-
vor zu bringen, als auch dieſelbe fruͤhzeitig, ſpaͤt
zugleich oder ungleich zum Heu wachſend zu ma-
chen, und auch, welches ein Hauptſtuͤck ausmacht,
dabey gewiſſe Gras- und Gewaͤchsarten vor andern
hervorzubringen, die im Heu, gut, fein, kraͤftig
und
[139] und nahrhaft, oder in friſchen Graſe beſſer zu nutzen
ſind, oder ſie ſind grob, unkraͤftig, unnuͤtze oder
gar ſchaͤdlich, friſch und getrocknet. Denn jeder
Grund traͤgt nicht alle oder einerley Gattung, von
einer und eben der Guͤte, wie etwa einige Stellen
darunter, welches Vernunft und Erfahrung hinrei-
chend beweiſen.
Mit Veraͤnderung eines fetten Grundes in ei-
nen magern, eines naſſen in einen trocknen, eines
lockern in einen feſten und ſo weiter, veraͤndern ſich
alle auf einer Wieſe ſtehende Gras- und Gewaͤchs-
arten mehr oder weniger, nachdem der magere
Grund fetter, der lockere feſter, der leichte ſchwe-
rer, und der trockne naſſer wird, an ihren Wachs-
thume und uͤbrigen Eigenſchaften; und da ſich
viele auch deshalb ganz verlieren, ſo finden und
vermehren ſich andere gegen die erſten, welche vor-
her darauf gar nicht oder doch nicht merklich da
waren. Dieſes nun geſchiehet jaͤhrlich, nach den
gewoͤhnlichen Naturwirkungen, ganz unmerklich,
dergeſtalt, daß ein Wieſengrund in Zeit von 10,
20 bis 30 Jahren an Graͤſung ſelbſt, und den Ei-
genſchaften ſtark veraͤndert wird, und werden kann:
die verſchiedene Witterung verdeckt oder offenbaret
manches beſonders.
Der Landmann merkt dieſe Veraͤnderung an
der Menge und Farbe des Graſes, auch der Guͤte
und an den uͤbrigen Eigenſchaften des Heues, ob er
ſchon nicht immer die rechten Urſachen ſolcher Ver-
aͤnde-
[140] aͤnderung wirklich einſiehet, am allerwenigſten aber
den Zuwachs oder Verminderung von den eigentli-
chen guten oder ſchlechten Arten des Graſes kennt,
denn die wenigen von ſchlechtern, auch grob-
ſtenglichen und ſchlechten Arten, welche er auf
einmaͤhigen Wieſen und unter den Grummt etwa
kennen gelernet, machen die Kenntniß noch nicht aus,
oder auch von ſolchen die ſich etwa auf neu gemach-
ten Wieſen im Anfange noch finden, und im fol-
genden Jahre, wie uͤherhaupt auf keiner Wieſe, ei-
gentlich ſonſt gefunden werden.
Gewaltſame Naturbegebenheiten machen er-
ſtaunende und ploͤtzliche verwuͤſtende Veraͤnderun-
gen und Unordnungen auf der Erdflaͤche; ſie erſchaf-
fen Berge, hinterlaſſen weitlaͤuftige Vulkanen, Ab-
gruͤnde, Erdfaͤlle und Seen, veraͤndern den Lauf
der Stroͤme und Fluͤſſe, thun einige Quellen auf
und verſtopfen andere, und kehren die Erdlagen
beym Einſtuͤrzen um. Wenn ſie aber aufhoͤren,
und die durch ſie ganz verunſtaltete und veraͤnderte
Gegend ihre vorige Ruhe dergeſtalt genießet, daß
die gewoͤhnliche Witterung 3 bis 400 Jahre wieder
darauf wirken kann; ſo uͤberziehen ſich die wildeſten
und ganz entbloͤſten Berge, Ebenen und Abgruͤnde
mit einer Moos- Gras- und Holzdecke, und die
Seen, Erdfaͤlle, Suͤmpfe und Fluͤſſe werden nach
und nach mit Sand, Stein, Moos oder Schlamm
ausgefuͤllet, erhoͤhet, auch zuletzt in Weiden und
Wieſen langſam verwandelt. Denn daß ſelbſt in-
ner-
[141] nerhalb der weitlaͤuftigen Vulkane, große Ebenen,
Weiden, und anſehnliche mit Wild beſetzte Wal-
dungen entſtehen, iſt eine Sache von gemeiner Er-
fahrung.
Von der bekannten Verſchiedenheit des Wie-
ſengrundes haͤngt der Graswuchs, und folglich die
Art und Nutzbarkeit des Heuſchlages ab; wie er ge-
wiſſen Gegenden oder Laͤndereyen uͤberhaupt eigen
iſt; ſo wie ihn Lage und Witterung ordentlich oder
außerordentlich befoͤrdern, vermehren, beſchleuni-
gen oder hindern, vermindern und verſpaͤten, wel-
ches in gewiſſen einzeln Jahren mehr oder weniger
merklich iſt. Demnach giebt der eine Grund viel,
aber grobes Gras, der andere zartes aber weniger
davon, oder auch mehr, und immer gleich viel, und
hat eine Lage, daß Sonne und Witterung darein
gleich wirken koͤnnen. Der Abzug des Waſſers
von ganzen und fruchtbaren Ueberſchwemmungen,
die gewoͤhnlich ſind, oder auch des wilden Som-
mer- Winter- Eis- und Schneewaſſers, kann zu
rechter Zeit dergeſtalt von den Wieſen geſchehen,
daß ſich der Grund im Fruͤhlinge bald erwaͤrmen
kann, und doch bis im Auguſt eine gemaͤßigte
Feuchte zu erhalten geſchickt iſt, ohne daß es nach
der Heuerndte gewaͤſſert werden duͤrfte; daß das
Gras fruͤh in einen feinen gleichen Wachsthum
kommen, ſich heben, und noch in den Fruͤh-
lingsmonaten gehauen werden kann, ohne daß es
ein
[142] ein unvollkommenes, ſtark ſchwindendes auch groͤß-
tentheils weniger unkraͤftiges Heu gaͤbe.
Auf den Wieſen iſt zwar allgemein eine Ver-
miſchung von mehr oder weniger jaͤhrlichen 2jaͤhri-
gen und beſtaͤndigen Gewaͤchsarten; doch iſt das
Verhaͤltniß zwiſchen denſelben nur uͤberhaupt in ſo
fern aͤhnlich aber nicht beſtaͤndig, daß man auf reinen
Graswieſen, blumige oder auch ſchilfige Striche fin-
det, welche zuweilen auf ihre niedrige, einzelne, hohe,
ebene, tiefe, ſauerbeizige, moorige trockne Flecke
abwechſelnd ſich beziehen, andere ſind durchgehends
von einer oder der eben angezeigten Beſchaffenheit.
Graßwieſen haben den groͤßten Theil von
Gras, gegen andere blumigen Kraͤuter und Gat-
tungen von Staudengewaͤchſen, ſie geben alſo ein
einfoͤrmiges Heu oder Grummet. Andere ſind
blumenreich und dabey bald feiner und kraͤftiger,
bald grobſtenglicher auch unkraͤftiger, ſchlechter als
ſolche, mit weniger Gras, und die Schilfarten und
roͤhrigen Pflanzen ſollten allezeit das wenigſte aus-
machen, da ſie doch leicht die Wieſen uͤberziehen,
welche ſpaͤt gehauen werden, und machen ein
ſchlechtes oder altes Heu mit andern, worunter
noch darzu die uͤbrigen Graſe, Riedgraſe und gro-
be Staudengewaͤchſe ſind. Dieſe ſaͤmmtliche Wie-
ſengewaͤchſe halten ihre gewiſſe Jahreszeit in wel-
cher ſie nacheinander hervorkommen, welches nicht
nothwendig, oder in allerley Boden zuſammen
gleich eintreffen muß: daß ſich alſo einige uͤberſtehen
lange
[143] lange vor oder kurz vor der Heu- und Grummet-
Erndte, die andern alsdenn kaum halb ausgewach-
ſen ſind, und etliche in der Bluͤthe oder Saamen
ſtehen. Dieſer Zuſtand macht eine ſtarke Vermi-
ſchung, daß deswegen bald die eine Wieſe die man
zu einer geſetzten Jahreszeit zu hauen gewohnt iſt,
oder machen kann, nur ein gutes Gras zur gruͤnen
Futterung, die andere zu Heu, und die dritte zu
beyden liefert: welcher Umſtand gewiß nicht etwa
in der Einbildung beſtehet, manchmahl wechſelt,
manchmal aber beſtaͤndiger iſt.
Bey 3 auch 2maͤhigen Wieſen iſt der Nach-
wachs von fruͤh abgehauenen jungen Graſe gewiß
genug, der ſich unter dem von ſelbſt ſpaͤter wachſen-
den folgenden Grasarten findet, welches dem Heu
und Grummet gar verſchiedene Eigenſchaften geben
kann: denn man hat zuweilen dreyerley Graswuchs
bey einem Heuſchlage oder Nachmath beyſam-
men, nachdem viel fruͤhe oder ſpaͤte Grasarten
zuſammen kommen, wo nehmlich ſpaͤte Heuerndte
dergleichen zugleich haben. Unter der erſten
Pflanze und deren Nachwachs iſt indeſſen immer
ein Unterſchied, wegen der Menge der Vollkom-
menheit und Guͤte. Denn manche Graſe bluͤhen
und tragen Saamen 3 bis 4 Monate, andere bluͤ-
hen 2mahl, andere nur einmahl, daß man ſie unter
der uͤbrigen Graͤſerey mehr oder weniger in ihren
verſchiedenen Alter und Umſtaͤnden abwechſelnd
antrift.
Denn
[144]
Denn wenn 3maͤhige Wieſen in der erſten
Haͤlfte des July gehauen werden, und viele ſchon
im May, oder gar im April in der Bluͤthe ſchon
geſtandenes, und alſo 6, 7, 8 Wochen altes Gras
haben, wenn andere ſchon nach Johannis den Ju-
lius hindurch gemaͤhet werden; ſo haben ſolche oft
andere von der erſten unterſchiedene Arten Gras,
und die erſtern Fruͤhlingsgraͤſer fehlen dabey, oder
ſind grobſtenglich geworden, und ſtehen ſchon in
reifen oder unreifen Saamen, dabey ihr Mark
ſchon gebrochen iſt in Halm und Stengeln: wer
die Arten kennet, wird einem Landwirth augen-
ſcheinlich dasjenige Gras und Kraut, ſo wie es in
verſchiedenen Boden zu einer geſetzten Jahreszeit
in einem kraͤftigen und vollkommenen Futterungszu-
ſtande iſt, davon unterweiſen koͤnnen, da es nach
dieſer Zeit, auch außer ſolchen in 14 Tagen bis 3
Wochen, nicht mehr ſeyn kann. Bey den Herbſt-
wieſen um Michaelis, da ſie gemacht werden, iſt
ein langſamer und grober Wuchs, es fehlet eine
große Menge der vorigen Graſe und Gewaͤchſe aus
den Sommer, dagegen andere da ſind, welche ſich
unter dem vorigen Heu oder Grummt noch nicht be-
finden. Dieſes ſind fuͤr Kenner des Wieſenwach-
ſes wichtige Unterſchiede, die nothwendig einen gro-
ßen Einfluß in die gemeine und trockne Futterung
ſo verſchiedener Arten von Thieren, und deren Zucht,
Dauer, auch verſchiedener Anwendung bey der
Stadt- und Landwirthſchaft haben muͤſſen.
Ein
[145]
Ein vorzuͤglicher Wieſenwachs, macht einen
guten Heuſchlag, und wird, bey der Guͤte des Grun-
des, von der ſchicklichen Lage und den gedeihlichen
Witterungsumſtaͤnden, bey dem Uebergang der
einen Jahreszeit in die andere, abwechſelnd beſtim-
met, ſo daß er ſich bald gut, bald ſchlecht, bald mit-
telmaͤßig zeiget, mit Vorbehaltung derjenigen beſon-
dern Eigenſchaften, die ein jeder Grund der Graͤ-
ſerey ſelbſt demohngeachtet noch beſonders giebt.
Das Gras muß ſowohl fein und dichte ſtehen, und
ſo hohe Halme und Stengel treiben, daß es die
Senſe faſſen kann; es muͤſſen auch die dazwiſchen
befindlichen Kraͤuter ſo beſchaffen ſeyn, daß ſie auf
der Schwade mit der Harke wohl gewendet werden
koͤnnen, ohne die Blaͤtter zu verlieren, oder ſich
beym Sammeln zu verſtreuen. Andere Grasfle-
cken, die ſich dadurch von den Wieſen unterſchei-
den, theils, daß ſie zur gruͤnen Fuͤtterung und nicht
auf Heu genutzt werden koͤnnen, theils wegen des kuͤr-
zern und duͤnnern Graſes darauf nicht genutzt wer-
den, laſſen zwar den Hau der Senſe zu, aber wer-
den doch mehr durch die Sichel abgeſchnitten, we-
nigſtens das erſte- oder zweytemahl. Manche Wie-
ſen koͤnnen, da ſie ſpaͤte oder Herbſtwieſen ſind, nur
einmahl mit der Senſe ordentlich behauen werden,
das zweytemahl werden ſie zur Viehweide wegen
des Graſes angewendet, wie die Triften und Anger,
welche weder der Senſe noch der Sichel unterwor-
fen ſeyn koͤnnen.
Botan. Abhdl.IIB. KAlle
[146]
Alle dieſe und dergleichen Umſtaͤnde haben
nach der gemeinen Erfahrung uͤberhaupt zwar ihre
Gewißheit, allein auch das iſt gewiß, daß alle und
jede Gewaͤchsarten ihren natuͤrlichen Stand haben
und behaupten, in welchen ſie ihre natuͤrlichen Ei-
genſchaften und Guͤte entweder ohne alle oder doch
mit einer ſehr geringen Abaͤnderung beybehalten,
nach welchen man ſie zu nutzen gewohnt iſt. So
richtig ſolches alſo iſt, ſo giebt es auch verſchiedene
Gewaͤchſe und deren Grasarten, welche zugleich ih-
ren Stand in verſchiedenem Grunde und Boden
haben, nehmen und behalten; doch wenn der
Stand ihnen natuͤrlich iſt, ſo erhalten ſie ſich, im
Gegentheil werden ſie ſchlechter, und halten darin-
nen gar nicht, oder doch nicht lange aus.
Denn daß die Gewaͤchſe nach einer gewiſſen
Zeit und Dauer ihre Standplaͤtze wirklich veraͤn-
dern und veraͤndern muͤſſen, ergiebt ſich klar aus
ihrer beſtaͤndigen Wanderung, die einem erfahrnen
Naturforſcher bekannt genug iſt, und deren ſich die
Natur, wie bey den Thieren, zur Unterhaltung des
beſtaͤndigen, ſchlechten und nothwendigen Abganges,
in ihrer Haushaltungsordnung bedienen muß; da
indeſſen den Gewaͤchſen das Vermoͤgen, ſich aus ei-
nem Orte in den andern willkuͤhrlich zu begeben, (als
uͤberfluͤßig bey dieſen Uhrkoͤrpern) verſagt iſt, ſo
geſchiehet ihre Wanderung durch die Saamen und
Fruͤchte. Die Mittel dazu ſind Waſſer und Winde,
Stuͤr-
[147] Stuͤrme und Ueberſtroͤmungen, die ſich in gewiſſen
Jahreszeiten, bey der Reife der Saamen, zu wieder-
holtenmahlen, gewoͤhnlich oder ungewoͤhnlich ein-
ſtellen, auch allerley Thiere, welche bey ihren ver-
ſchiedenen Zuͤgen und Nahrungsarten an Stand
und Ruheplaͤtzen die gemeine Beſaamung in den
entlegenſten Gegenden befoͤrdern helfen, und die
Saamen ſowohl auf als in dem Leibe eine Zeitlang
herumtragen.
Durch nur erwaͤhnte und mehrere Zufaͤlle
kann der reife Saame eben ſo gut, auch ſo weit, aus
einander gebracht werden, daß er wieder ſeinen na-
tuͤrlichen Stand fuͤr ſich findet, da er auf 5 bis 6
Meilen ganz verſchiedenen Boden fallen kann, wo-
hin er nicht gehoͤret, und daſelbſt weniger oder merk-
lich veraͤnderte Pflanzen erzeuget, bald nicht ein-
mahl aufgehet, oder gedeihet. Dieſes alles haͤngt
von bloßen Zufaͤllen ab, welche mehr oder weniger
gewoͤhnlich ſind, und alſo zur Verbeſſerung der
Wieſen und des Graſes bald zutraͤglich ſeyn koͤnnen,
bald auch nicht; ſie bleiben aber auch zuweilen mit
aͤhnlichen Folgen außen, das Waſſer bringt die
Saamen mit dem zarten Erdſchlamme vermiſcht von
den Gebirgen und Hoͤhen, nach den Tiefen, und der
Wind treibt ſie an Oerter von beyderley Lage, bis
zwiſchen die hoͤchſten Felſen, die Thiere legen die
Saamen auf verſchiedene Weiſe, an ihren Lager-
ſtaͤtten und Oertern, durch die ſie gehen.
K 2Dem-
[148]
Demnach kommen Pflanzen und Graͤſereyar-
ten und Gattungen aus ganz entlegenen Orten nach
und nach unvermerkt zuſammen, und auf gleiche
Weiſe werden ſie wieder zerſtreuet. Einige ſind
beſtaͤndiger, daß ſie an einem Orte laͤnger aushalten
als andere, wie wir dieſes auch von mancherley
Gattungen der groͤßern und kleinern Thiere und
Inſekten zu ſehen gewohnt ſind; aus den Feldern,
Ebenen und freyen Niederungen werden manche in
die Huͤgel und Verge, andere hingegen in die ver-
ſchiedene Waldungen, oder aus dieſen auf die Wie-
ſen gebracht. Der verſtaͤndige Landwirth, Hirte
und Schaͤfer erfaͤhret gedachte Veraͤnderung der
Jahreszeit an Guͤte, Menge, und andern Eigen-
ſchaften auf Wieſen, Angern, Triften und Gras-
plaͤtzen zuweilen nach Verlauf gewiſſer Jahre und
vorgewalteten Witterungsarten.
Die Aufmerkſamkeit auf die natuͤrliche Ver-
aͤnderung, welche ſich bey den Graͤſereyen, und dem
Wieſenwachſe aͤußert, verſchaft uns eine ſolche Er-
kenntniß, der Urſachen, Zufaͤlle, Anſtalten und
Umſtaͤnde, die in Abſicht und Anwendung ſolcher
auf den Werth der Grundſtuͤcke, der Viehzucht und
des Ackerbaues von großer Wichtigkeit zu ſeyn befun-
den wird. Sie iſt gewoͤhnlich auch kein Werk eines
gemeinen Landwirthes, als welcher nur lauter Hand-
arbeiten von den landwirthſchaftlichen Geſchaͤften
und ihre Ausuͤbung in ſeiner Gegend, durch Laͤnge
der
[149] der Zeit kennen gelernt, ohne daß er dabey die wah-
ren Urſachen des dabey beſtaͤndigen oder abzuaͤn-
dernden Betriebes in ihrer Ordnung und Verbin-
dung einſaͤhe. Er wird alſo demohngeachtet bey
der Ausuͤbung in einzelnen Faͤllen, die er lange ge-
nug gewohnt iſt, ſo lange er unter gewiſſer Aufſicht
mit Anweiſung arbeiten muß, immer brauchbar ſeyn;
allein Ueberſchlaͤge ins Große zu wichtigen Anſtal-
ten, in Hauptdingen, da Wieſenwirthſchaft, Pferde,
Rindvieh und Schafzucht mit den uͤbrigen Theilen
des Feldbaues, in gehoͤrigen Verhaͤltniß ohne Abgang
der Ordnung verbunden werden muͤßen, thut er die
verlangten Dienſte nicht. Er macht lauter Ver-
ſuche, wie einer der voller Zweifel iſt, und der im
Finſtern tappet.
Eben ſo wenig wird er, im Fall eines Man-
gels der beſagten noͤthigen Erkenntniß von Wieſen,
Triften, Weide, Heu und Grummet, wirklichen
Nutzen ſtiften, wenn er in andern Gegenden ein
Gutachten geben ſoll, ob Stutereyen, Kuhmelke-
reyen, Schafzucht, Fettweiden und dergleichen da-
bey einzufuͤhren ſind, ehe er nicht vorher vielmahl
aus Unwiſſenheit mit ſeinen Vorſchlaͤgen und An-
ſtalten Schaden genug angerichtet, oder doch ſonſt
weniger Vortheil verſchaft, weil er erſt dadurch gleich-
ſam hintennach einigermaßen klug geworden iſt.
K 3Denn
[150]
Denn einmahl iſt eine hinreichende Erkenntniß
von Grundſtuͤcken nach ihren wirklichen und kuͤnſt-
lichen Eigenſchaften noͤthig, wenn man ſie ſo zum
Nutzen anwenden will, wie es wirklich ſeyn muß.
Ferner iſt die allmaͤhlige Veraͤnderung von Graͤſern
bey den Wieſen, wie bey den Waldungen, zum Gu-
ten- und Boͤſen gewiß, oder ſie erhalten ſich bey
ihrem Zuſtande laͤnger oder kuͤrzer, dabey iſt auch
der Unterſchied der Graͤſerey außer Zweifel nach
ihren Gattungen, der Art der Lage, des Bodens,
nebſt der Wirkung der Witterung bey den 4 Jah-
reszeiten; aber auch in Abſicht auf die Beſchaffen-
heit, Nutzung, Vorzuͤge und Fehler iſt es gar
nicht gleichguͤltig, was vor Gattungen der Graͤ-
ſer und andere Gewaͤchſe auf unſern Wieſen hervor
kommen.
Denn wir verlangen zur Unterſtuͤtzung des
Ackerbaues davon gute und nahrhafte Graͤſerey,
welche theils friſch zur Stallfutterung oder einer
ordentlichen Vieh- auch Fettweide verſchiedener
Thiere, theils zum Heu, tuͤchtig ſeyn ſollen. Der
Graswuchs iſt auch, laut der allgemeinſten Erfah-
rung, in Abſicht derjenigen Arten von einzelnen Ge-
waͤchſen, die einigen Gegenden mehr eigen ſind,
als andern, und die ſich auf der Wieſe und Weide
abwechſelnd beyſammen befinden, ſchlechterdings
an gewiſſe Jahreszeiten gebunden, und er macht
alſo auch nach den bloßen Jahreszeiten, in ſeinem
gewiſ-
[151] gewiſſen Grund und Boden, dabey uͤberdem einen
ſehr merklichen Unterſchied. Einige Triften wer-
den vor Johannis nicht behuͤtet, ob ſie ſchon voll
von Graͤſerey und kraͤftiger Kraͤuter ſind, weil das
Rindvieh und Pferde darauf Zufaͤlle bekommen.
Der verſchiedene Zuſtand wird, theils durch das
Heu von Fruͤhlings- Sommer- und Herbſtwieſen,
theils durch das Grummet oder durch die Nach-
math klar.
Auch beweiſet bey der Viehzucht der Gras-
wuchs auf Triften, Angern und Weiden eben das,
durch die verſchiedene Huͤtung und Huͤtungsart,
bey Rindvieh, Pferden und Schaafen, welche je-
des Ortes oder in ganzen Gegenden, nach der Jah-
reszeit, das iſt, wegen des auf gedachten Grund-
ſtuͤcken jedesmahl befindlichen alten und neuen, ſtar-
ken, geringen, ſchlechten oder nahrhaften Gras-
wuchſes, bald ſogleich im Fruͤhlinge oder Herbſte,
bald erſt im Sommer darauf geweidet werden duͤr-
fen, wenn man ihnen reine und hinreichende, ge-
ſunde Nahrung verſchaffen, und ſelbige vor ſchaͤd-
lichen Zufaͤllen verwahren will, daß es daſelbſt vor
den Landwirth gut und lange ſtehen ſoll. Mit der
Fettweide im Herbſte hat es wegen kurzer Dauer
ſchon weniger zu bedeuten.
Die nach der Math in den 3 Haupt- Jahres-
zeiten benannten Wieſen unterſcheiden ſich wirklich
K 4und
[152] und zwar nach der Graͤſerey uͤberhaupt; denn
auf den fruchtbaren fruͤhlingsfruͤhzeitigen Wieſen
iſt bey der Heuerndte allemahl der erſte Fruͤhlings-
wuchs in ſeiner Vollkommenheit, welcher vom
Ausgange des Aprils angehet, und bis zur erſten
Haͤlfte des Brachmonats in voller Bluͤthe ſtehet,
(das iſt bey guter einſchlagender Witterung ohnge-
faͤhr in 6 bis 7 Wochen), und zu ſeiner Vollkom-
menheit koͤmmt, auch allein ein ſogenanntes reifes
Heu geben kann. Dieſer erſte Wuchs hat bereits
den angehenden noch jungen Sommerwuchs mit in
ſich welcher erſt im Wachſen und Schießen iſt, auch
zwiſchen den erſten Fruͤhlingswuchs die Wieſen treflich
fuͤllet, ohne zur Bluͤthe gelangt zu ſeyn. Man wird
ſich indeſſen leicht vorſtellen, was eine fruͤhere oder
ſpaͤtere Erwaͤrmung des Bodens dabey beſchleuni-
gen, eine ſchattige, kalte, waldige, gebuͤrgigte,
nordliche, verdeckte, auch eine anhaltende, trockne
Lage, rauhe Witterung, und ein langſtehendes
Winterwaſſer auf den Ebenen dabey verzoͤgern
muͤſſe.
Die zweyte Sommermath ſolcher fruchtbaren
Fruͤhlingswieſen, oder erſte Nachmath, die Grum-
met giebt, fuͤhrt vornehmlich eine groͤbere Graͤſerey,
die mit dem feinen Nachwachſe der erſten Erndte
mehr oder weniger vermiſcht ſeyn muß. Sie entſtehet
nach der erſten bey guter Witterung, in Zeit von 5 bis
6 Wochen, nehmlich von der andern Haͤlfte des Ju-
nius
[153] nius bis July und Ende des Auguſt; dieſer zweyte
Nachwachs iſt denn theils in der Bluͤthe theils
ſchon in Saamen; der darauf folgende iſt noch im
groͤßten Wachsthume, und der letzte zur dritten
Math macht erſt jung die Halme, ſo daß man alſo
unter den erſten Grummet von den Fruͤhwieſen
dreyerley Graswuchs antreffen muß; aus der
Verſchiedenheit zum Heumachen, auf 2, 3 und
1maͤhigen Wieſen und eben aus dem Nachwuchs laͤßt
ſich erweiſen, daß eine und eben die Art Gras, ſo-
wohl in Saamen, als in der Bluͤthe ſtehen konne,
die erſtern oͤfters in der Saamenreife, die folgenden
zugleich mit jenen in der Bluͤthe.
Die dritte oder Herbſtmath der Fruͤhlingswie-
ſen, welche das zweyte, ſpaͤte und groͤbere Grum-
met giebet, iſt in allem ſchlechter in der Futterung,
als die 2 erſtern. Der Graswuchs iſt theils alt
geworden, und mehr ein Nachswuchs beyder vor-
hergehender, als der Wuchs von der eigentlichen
an ſich ſelbſt ſpaͤten Herbſtgraͤſerey. Dieſer Herbſt-
wuchs faͤngt ſich mit den Wiederwachſe des abge-
maͤhten vorherigen 2ten Sommerwuchſes, nach der
andern Haͤlfte, gegen das Ende des Heumonats an,
auch in einigen Gegenden erſt im Auguſt, und
wird gegen das Ende des Septembers um Mi-
chaelis insgemein gemacht, und giebt das zweyte
Grummet.
K 5Dieſe
[154]
Dieſe drey verſchiedenen Mathen haben jede
ſowohl ihren eigentlichen Graswuchs beſonders,
als auch noch dazu einen Nach- oder Viehwachs.
Denn einige ſtaudige Grasarten bluͤhen zweyſchuͤ-
rig, andere von ſelbſt 2mahl im Jahre, und ver-
ſchiedene ſetzen von May an ihre Bluͤthe nach ein-
ander 1 bis 2 Monate fort, und etliche kann man
erſt die meiſte Zeit im Jahre in der Bluͤthe, auch
noch ſpaͤter finden, welche Umſtaͤnde, einzeln genom-
men oder zuſammen betrachtet, immer ſichere An-
zeigen von unterſchiedenen Grasſorten ſind.
Was die Sommerwieſen betrift, ſo werden
darunter ſolche verſtanden, welchen ein weniger
fruchtbarer Grund und Boden in allen Gegenden
eine ſolche etwas ſpaͤtere Eigenſchaft giebt, daß
ihre Graͤſerey erſt im Juny in einen Wachsthum
koͤmmt, daß ſie ein zeitiges nutzbares Heu im July
das erſtemahl, und im September das 2temahl
Grummet, oder ihre Nachmath einmahl geben koͤn-
nen, welche Nachmath bey der vorhergehenden
allezeit gedoppelt iſt. Der ganz erſte Wuchs, ob
er gleich in gewiſſen Jahren etwas beſſer ſeyn kann,
iſt gegen den erſten auf den Fruͤhlingswieſen, ſpaͤt,
einzeln, duͤnne, auch ſo ſchlecht, daß er von keinen
Belang gefunden wird. Man rechnet alſo
nicht darauf, und laͤßt ihn, bis zur Heuerndte
im July mit ſtehen, da er bereits zum Theil im
Saamen iſt.
Hier-
[155]
Hiervon muß man die 2maͤhigen vermeintli-
chen Wieſen nach einer nachlaͤßig betriebenen
Wieſenwirthſchaft in recht fruchtbaren weitlaͤufti-
gen Auen, wohl unterſcheiden, welche wegen Ue-
berfluß des guten Wieſewachſes und der Wei-
de, aus einer verkehrten Gewohnheit auch Un-
fleiß, als 2maͤhig traktiret werden, und eben des-
halb bey der erſten Heuerndte im July ein ſehr gro-
bes Heu geben muͤſſen: dagegen ſelbige wenn ſie
andere Jahre ſchon im Johannis das erſtemahl ge-
hauen worden ſind, ein ſehr feines gutes Heu ge-
ben, und hernach, noch 2 Nach- oder Grummet-
mathen: man muß alſo wohl zuſehen, daß man
nicht eine Heuerndte verliehre, aus ſchlechter Be-
urtheilung des Bodens und Graſes, und noch dazu
ein altes und grobes Heu dafuͤr gewinne.
Die Herbſtwieſen oder einmaͤhigen ſind die
ſpaͤteſten wegen der Lage des geringen und ſchlech-
ten Bodens, ſie geben nur eine Heuerndte um Mi-
chaelis insgemein, von groben bald etwas lang und
grobſtieligen bald nur kurzen Heu; ſie geben aber
keine Nachmath, wie die vorigen. Man nennet
ſie auch eben, wegen dieſer ihrer groben Math, oͤfters
Grummetwieſen; da alsdenn die Jahreszeit ei-
nes neuen Graswuchſes ſchon viel zu weit verſtri-
chen, als daß dieſe Wieſen von neuen wieder in be-
ſondern Wachsthum kommen koͤnnten; ſo werden
ſie nachher bald abgehuͤtet, bald wegen eines gu-
ten
[156] ten Bodens zu einer beſondern Fettweide ange-
wendet.
Alle guten aber vernachlaͤßigten Wieſen koͤnnen
endlich in den Zuſtand dieſer letztern kommen, da ihnen
alsdenn durch Duͤngen, Aufreißen, Beſaͤen, und
endlich durch eine gehoͤrige Beackerung, auch wech-
ſelsweiſe Beſtellung zur Frucht, wieder aufgeholfen
wird. Bey vielen dieſer Art, wo die Cultur aus
mancherley Urſachen nicht angebracht werden kann
oder darf, werden Viehweiden daraus, wenigſtens
in trocknen Jahren. In hohen Gebirgen, Mittel-
und Vorgebirgen, auch bey denen um, an, und
zwiſchen denſelben liegenden Wieſen, giebt es we-
gen der damit zu treibenden Wirthſchaft, zur Zeit der
Heuerndte und des Grummtmachens, wie auch in
Abſicht auf die verſchiedentliche abwechſelnde Gras-
und Kraͤuterarten, ſelbſt manche Ausnahmen und
Abaͤnderungen, welche auch dem beſten Landwirth
nicht immer voͤllig bekannt ſeyn, und den davon ſonſt
angenommenen guten Principiis, nicht ſelten zu wi-
derſprechen ſcheinen koͤnnten.
Der ſalzige Weide- und Wieſegrund mit oder
ohne dergleichen Quellen, er liege nun hin und
wieder mitten im Lande oder an dem Meere ſelbſt,
giebt ein fettes, dunkelgruͤnes Gras, und eine gute
Weide. Da aber hier allein die Rede von den ei-
gentlichen Wieſen iſt, auf welche ein ordentlicher
und
[157] und beſtaͤndiger Heuſchlag iſt, das iſt, von ſolchen
grastragenden Laͤndereyen, die wegen des ſtarken
und hohen Graswuchſes auf Heu genutzet werden
auch werden koͤnnen: ſo ſchließen ſich die uͤbrigen
von ſelbſt aus, wenn ſie noch ſo fruchtbar ſind, ſo-
bald ſie wegen des kurzen und duͤnnen Graſes mit
der Senſe nicht gehauen und zu Heu genutzt werden
koͤnnen. Der Grund und Boden kann in gewiſſen
Gegenden zwar einerley oder verſchiedene Graͤſe-
rey tragen, welche ſaͤmmtlich gut und nahrhaft
ſind, aber dabey ein ganz duͤnnes auch kurzes Gras
tragen, das man mit der Sichel zu ſchneiden und
friſch zu verfuttern pfleget: andere koͤnnen ein noch
viel kuͤrzeres Gras bringen, das ſich gar nicht ab-
maͤhen laͤßt, und folglich als eine verſchiedene Art
von Viehweide gebraucht werden kann. Es kann
auch in gewiſſen Jahren an einzeln Orten in den
Waldungen ſchoͤnes Gras ſeyn, daß einmahl zu
Heu gemacht wird, in vielen Jahren hingegen nur
mit der Sichel zu friſchem Futter geſchnitten wer-
den kann, in den meiſten aber zur Waldhuͤtung ſte-
hen bleiben muß.
Die Wieſen haben nach dem Grunde und
Boden ihre gewiſſe Unterſchiede, welche auf de-
ren Haupteigenſchaften zuweilen einige Beziehun-
gen haben, als da ſind Feldwieſen, Bergwieſen,
Bruch- und Moorwieſen, Wald- oder Forſt- Hey-
dewieſen, Gartenwieſen. Denn etliche ſind fruͤh
etliche
[158] etliche ſpaͤt, andere geben hohes, kurzes, feines
oder hartes zaͤhes, grobes ſauerbeiziges Schilfgras,
mit einer Miſchung von ſolchen hierher gehoͤrigen
Kraͤutern, auch etlichen Wolletragenden Stauden-
arten, auch ſo gar ſchaͤdlichen und giftigen Pflan-
zen, vor einiges oder vor alles Rindvieh, wenn ſie
haͤufig ſind, oder auch zu friſch in Heu verfuttert
werden. Wegen der giftigen oder doch ſchaͤdlichen
Pflanzen kommen alle grastragende Laͤndereyen
uͤberein, daß ſie bald haͤufig zumahl in gewiſſen
Jahren ſind, bald einzeln in ihren eigenen Mona-
ten, oder ſie fehlen gar. In Anſehung der Wir-
kung ſolcher friſchen Gewaͤchſe kann die Wei-
de und Trift ſchaͤdlich werden, das Heu aber
iſt es nicht.
Es kann im erſten Fruͤhlinge die Weide an
manchen Orten ſchaͤdlich werden, ganz im Fruͤh-
linge, weil die erſten Triebe alsdann am aller-
ſtaͤrkſten ſeyn, und noch mehr beym Vieh, wel-
ches nur mit ſchlechten Futter und Hechſel den
Winter durchgebracht worden, auch wegen der
Menge ihrer ſehr kraͤftigen Arzeneykraͤuter, wel-
che doch nicht giftig ſind, und wegen der ſtarken
Bewegung in den Thieren Zufaͤlle erregen; im
Heu hingegen faͤllt dieſe Beſorgniß eines Theils
weg, da ſie 4 Wochen aͤlter und zur Bluͤthe er-
wachſen ſind, auch getrocknet worden, wenn nicht
etwa die Wieſen allzuvoll von bittern zugleich
ſchar-
[159] ſcharfen reizenden Gewaͤchſen ſind, als die allzu
heftig Harn- und Schweistreibend ſind, auch
purgieren, ſtatt Nahrung zu geben, und Arzeney-
wirkungen thun wenn ſie zumahl in Menge ge-
noſſen werden, als wovon das Vieh matt, laͤßig
und mager wird, wie es auf der Weide zuweilen
bald verſpuͤret wird. Man muß alſo hier ſehr
unterſcheiden unter den Nahrungsgewaͤchſen und
ſtarken oder auch gemaͤßigten Arzeneykraͤutern.
Die erſtern gehoͤren zur Nahrung und Erhaltung
der Thiere und Menſchen, die andern zur Wie-
derherſtellung ihrer verlohrnen Geſundheit. Man
wird verhoffentlich nicht gerne in der Hand- und
Hauswirthſchaft mit lauter kranken Thieren zu
ſchaffen haben wollen, folglich hat man den Ueber-
fluß an Arzeneykraͤutern, wenn ſie ſtark ſind, nie
zu wuͤnſchen.
Denn ſo wenig man bey guten Laͤndereyen
ſolche Wieſen zur Weide braucht, die eben des-
halb einen ſehr geringen Werth haben, wenn
ſich darauf ein Ueberfluß von den ſcharfen pur-
gierenden bittern Gratiola findet, eben ſo we-
nig muͤſſen die Gaͤrten, Wieſen und Grasflecke
vor Kaͤlber und jungen Vieh zur Weide, die
ſtatt des eigentlichen Graſes zu viel von Ta-
naceto, Jacobea, Alcea, Artemiſia offinalis, auch
um die Seen, Suͤmpfe und Erdbuͤſcher herum
von Epatorio, Lyſimachia, Thalictro, Ulmaria,
auch
[160] auch andere bey der Heuerndte, und den folgen-
den Grummethau ſchon zu ſehr alt auch uͤber-
ſtanden und grobſtenglich werdenden Kraͤutern
traͤgt. Das junge Vieh wird mager und verhun-
gert faſt mitten unter der Menge ſolcher blumigen
Staudengewaͤchſe, wenn nicht andere feinere,
und ſuͤße, gute Grasarten dazwiſchen ſtehen.
Bey der erſten fruͤhen Heuerndte ſind dergleichen
noch niedrig, auch kaum zu maͤhen, im July
aber zu alt, grob und unverdaulich, unkraͤftig,
und ihr ſpaͤtes Nachwachs in Grummet erſt
wieder gut.
Auf einen feuchten lockern fruchtbaren Wieſe-
grunde, bleiben dergleichen hohe Stauden viel laͤn-
ger weich und ſaftig, und wachſen wieder eher nach,
als auf hohen, trocknen, heißen Boden. Ueber-
haupt ſind viele ſchlechte Grasarten und Gewaͤch-
ſe, zur Weide und Heu in gutem Grunde gut, in
ſchlechtern aber ſchlechter, und in gewiſſer Gegend
auch die beſte Art immer ſchlechter auch unnahrhaf-
ter, ei [...] verbeſſern ſich im Heu, andere werden
ſchlecht, [...][w]ohlriechende balſamiſche, theilen
dem Heu [...][we]nn ſie in Haufen ſtehen, indem ſie
ausduͤnſten, einen Theil ihrer fluͤchtigen Beſtand-
theile mit, wie die Muͤnzarten, das Tunkegras,
und andere wohlriechende mehr.
Alle Gras- und Gewaͤchsarten kommen ent-
weder auf der Weide, und der Trift, in Feldern,
auf
[161] auf Angern, in Waldungen, auf Bergen und Huͤ-
geln vor, wo ſie nutzen, ein gewiſſer Theil davon
aber nur auf den Wieſen allein, damit ſie Heu ge-
ben. Von den Wieſen und Graskraͤutern haben
die Weiden und Triften auch einen Theil, der aber
eben, weil er daſelbſt entweder nicht zu Heu ge-
macht wird, oder werden kann, abgehuͤtet werden
muß, eben ſo, wie einige Wieſen nur 1 bis 2mahl
gemaͤhet werden, und ihr kurzer oder ſpaͤter Nach-
wachs abgehuͤtet werden muß.
Reine Graͤſung iſt die geſuͤndeſte, ſie iſt rein
in Abſicht auf die Art der Gewaͤchſe, auf den Grund
und deſſen freyen, hohen, oder ebenen Lage, welches
die Wirkung auf Heu und Weide ausweiſen, wenn ſie
nehmlich reine, weiche, hinreichende Waͤſſerung,
ohne Schlamm und ſcharfen Schleim, auch zu
rechter Jahreszeit einen guten Abzug haben, und,
wegen gleicher Erwaͤrmung des Grundes, auch glei-
chen Graswuchs, und eine ſolche Lage zur Ausduͤn-
ſtung haben, daß ſie die friſche Luft beſtreichen, und
die daraus gehenden, und ſich ſonſt mit einer großen
Menge der Inſekten niederſenkenden, ſchweren, fet-
ten, ungeſunden Duͤnſte beſtaͤndig zerſtreuen kann.
Das Clima erhoͤhet die Guͤte der Gewaͤchſe, die in
einem andern ſchlechter ſind, und die beſten werden
in einem ſchlechtern immer ſchlechter.
Die ganz fruͤhen Graſe und Gewaͤchſe, die
auf den Wieſen im April zu bluͤhen anfangen, und
bis zur erſten Haͤlfte des Mayes fortbluͤhen, ſind
Botan. Abhdl.II.B. Lbey
[162] bey uns wenige, und zum Theil gegen die Heuerndte
ſchon in reife oder unreife Saamen, gegangen oder
doch grob, unſchmackhaft und unkraͤftig, oder auch zu
niedrig, als daß die Senſe viel davon beym Maͤhen
faſſen koͤnnte, und zerſtreuen ſich im Heu groͤßten-
theils ſelbſt; auf allen Arten von Triften und Wei-
den hingegen ſind ſie deſto betraͤchtlicher.
Ob nun ſchon alle und jede natuͤrliche Grund-
ſtuͤcke, welche die Eigenſchaft haben, Graͤſerey und
Kraͤuter von ſelbſt in großer Menge hervor zu brin-
gen, einen ſehr betraͤchtlichen Theil ſolcher Gewaͤchſe
unter ſich gemein haben, daß ſie, in einem abwech-
ſelnden Verhaͤltniß vermiſcht, mit dem Wechſel der
Jahrszeiten, des Himmelsſtrichs, der Witterung,
auch des Grundes und Bodens, darauf beyſammen
wachſen; ſo haben doch verſchiedene Grundſtuͤcke,
auch in Anſehung der Arten von Graskraͤutern und
Staudengewaͤchſen, ihre eigene und beſondere Arten,
welche ſie vor ſich allein hervorbringen. Dieſes wird
man an den verſchiedenen Wieſen, Triften, Weiden,
Fruchtfeldern, Waldungen, Bruͤchen, Inſeln, Huͤ-
geln, Bergen, Weingebirgen, Kalkgebirgen, und
Garten gewiß wahr befinden.
Hier iſt indeſſen nur die Rede von wirklichen
Wieſenwachs, das iſt ſolcher Graͤſerey, die ihrer
Menge, guten Wachsthums und Eigenſchaften hal-
ber, die Wieſen zu Wieſen macht, ſo daß ſie zum
Heuſchlag allezeit tuͤchtig ſind und bleiben, ob ſchon
viele fruͤhere oder ſpaͤtere, kleine auch ſehr kurze
Graſe
[163] Graſe darauf unter den uͤbrigen hochwachſenden
Arten zuweilen in verſchiedener Menge befindlich
ſind, die auf jedem Grundſtuͤcke auch vorkommen,
aber auf Heu oder Grummet weder genutzt werden,
noch werden koͤnnen. Denn wenn ſie dazu taugen
ſollen, muͤſſen ſie vorher ſchon zwiſchen Pfingſten
und Johannis, oder doch in der Mitte des July,
ferner zum andern oder drittenmahle von da an, bis
Anfang des Septembers, zum Hauen oder Abmaͤhen
gehoͤrig ausgewachſen ſeyn, und ihre Hoͤhe haben.
Demnach giebt es fruͤhe, ſpaͤte, gute, mittlere und
ſchlechte Wieſen, auch nicht alle Oerter die Graͤſe-
rey bringen, ſind zu Wieſen tauglich, wegen ihres
geringen Graswuchſes. Ein Grundſtuͤck, Ort,
Feldmark, Provinz, Land und Gegend hat wenig
oder ſtark und guten Wieſenwachs, die andern hin-
gegen zwar viel Graͤſerey, aber deshalb keinen
Heuſchlag.
Da nun die Wieſen ſolche natuͤrliche Grund-
ſtuͤcke ſind, auf welchen die Graͤſereyen ihren natuͤr-
lichen Hauptſtand haben, und von ſelbſt hervor-
kommen, ſo beſtehen dieſe noch nicht immer, oder
noch uͤberall an allen Orten aus etlichen Arten,
noch weniger aus einer einzeln allein, ſondern aus
mehrern oder wenigern, welche untereinander, und
im Jahre nacheinander hervorkommen, und zwar
insgemein in einem eben nicht zu beſtimmenden be-
ſtaͤndigen Verhaͤltniß.
L 2Die
[164]
Die Graͤſereyen beſtehen hauptſaͤchlich aus
dreyerley Gewaͤchsarten, die unter den Namen des
Graſes verſtanden, zu Heu gemacht, und zuletzt
oder in manchen Jahren abgehuͤtet werden, als:
1) aus einem wirklichen Graſe, welches von den
uͤbrigen Gewaͤchsarten voͤllig verſchieden iſt, 2) aus
Kraͤutern, welche ihre wohlbeſtimmten Kennzeichen
haben, 3) aus Staudengewaͤchſen, die mit den
Kraͤutern außer der Groͤße, Dauer, Anſehen und
Vermehrung vieles gemein haben, in Abſicht aber
auf die Nutzung von vieler Bedeutung ſind. Was
das eigentliche Gras betrift, ſo macht es auf den
Wieſen allezeit den groͤßten Theil aus, und wenn
die Futterung ſowohl friſch, als in Heu, die rechte
Eigenſchaft haben ſoll, muß es allezeit, vor allen
andern das meiſte ſeyn.
Das Gras ſelbſt (Gramen) hat als eine zahl-
reiche Gewaͤchsklaſſe, ſeine verſchiedenen Arten und
deren Gattungen, deren Unterſchiede in aller phy-
ſikaliſchen und oͤkonomiſchen Betrachtung unge-
mein wichtig ſind. In Betrachtung der Nutzung
zu oͤkonomiſchen Abſichten giebt es wahre Graſe,
(Gramina vera) und deren verwandte Gewaͤchsar-
ten (Gramina officinalia) welche ſonſt Riede- Seg-
ge- Schilf- Cyper- und Binſenartige Graͤſer ge-
nennet werden, auf die der Landwirth, wegen ihrer
Eigenſchaft zu futtern oder zu ſchaden, gar ſehr Acht
zu geben Urſache hat, ſo wie er von den wahren
Graſen aus der Erfahrung hat, daß ſie bald gruͤn
bald
[165] bald in Heu, zu rechter Zeit und in gehoͤrigem Zuſtande
gemacht, gut oder ſchlecht, auch zuweilen gar nicht fut-
tern. Denn die Graſe, welche gewiſſen Gegenden und
Wieſen abwechſelnd eigen ſind, beſtimmen die Ei-
genſchaft des Heues und friſchen Futters vornehm-
lich dergeſtalt, daß es gar nicht einerley ſeyn kann,
welches Gras, oder in welcher Menge, auch zu
welcher Jahreszeit es vor andern zugegen ſey, und
in vollem Wachsthume ſtehe, daß es ſeinen beſten
Nutzen geben kann.
Gegen die uͤbrigen Gewaͤchſe gerechnet, muß
das Gras auf guten Wieſen allezeit das meiſte
ausmachen, und zwar ein gutes, feines, nahrhaf-
tes Gras, welches auch im Heu von ſeiner Guͤte
nichts, oder wenig verlieret. Es muß nicht zu fruͤh
im Jahre voͤllig erwachſen, und vor der erſten Heu-
erndte verbluͤhet haben, es mag vielmehr ſpaͤter
kommen, und bey der 1ſten bis 2ten Nachmath im-
mer nachwachſen. Man hat etliche ſehr gute ſuͤße
Graͤſer, welche den May, Juny, und July durch
bluͤhen, und alſo beſtaͤndig ihren jungen Nachwachs
haben. Andere ſind zu fruͤh ausgewachſen, und bey
der Heuerndte ſchon zu alt, zaͤhe, grob und uͤber-
ſtanden, als daß ſie noch Kraͤfte zu naͤhren haben
ſollten; der Grund aͤndert die beſten, einige verlie-
ret er, andere behaͤlt er laͤnger oder kuͤrzer, und beſ-
ſert zuweilen die ſchlechtgewordenen, wenn ſie nicht
von Natur ſchlecht ſind, und Verbeſſerung er-
lauben.
L 3So
[166]
So wenig gleichguͤltig alſo ein gutes Gras und
Heu dem Landwirthſchafter immer ſeyn muß, eben
ſo wenig koͤnnen es alſo die guten und ſchlechten
Arten, und deren erſter Ueberfluß und der letztern
geringer Antheil auf den Wieſen ſeyn, und um deſto
weniger kann es uͤberfluͤßig ſeyn, die gehoͤrige Kennt-
niß davon wirklich zu haben. Die meiſten denken
zwar, es iſt Gras, und Gras iſt Gras, und eine naͤhere
Beſtimmung und beſondere Kenntniß einzelner Graͤ-
ſer und zwar der beſten Gattung iſt ihnen uͤberfluͤßig,
oft laͤcherlich, weshalb ſie auch, aus großer Gleich-
guͤltigkeit, die Wieſen ſelbſt vor lauter Gras nicht
deutlich zu ſehen, und gruͤndlich genug mit einem
oͤkonomiſchen Auge zu beurtheilen, im Stande ſind.
Die meiſten ſind im eigentlichen Verſtande keine
Oekonomen, ſondern bloße Handarbeiter bey der
Landwirthſchaft, von denen man nichts von Einſich-
ten in die Landwirthſchaftsgeſchaͤfte, Ordnung, Un-
terhaltung und Verbeſſerung fordern darf.
[167]
Kurze Anweiſung
zum Anbau
der Baumwollen Weide
und deren Pflege,
nebſt
einem Unterrichte,
wie die reife Wolle zum Nutzen der Fabriken
davon ordentlich zu gewinnen iſt.
Dieſe Anweiſung erſtreckt ſich auf die Mark,
Pommern und Preußen, und zwar vornehmlich
auf ſolche Gegenden, in welchen tief gelegene Els-
bruͤche, unbrauchbare zwiſchen Heiden und Triften
gelegene Pfuͤhle, und Torf- und Moorwieſen vor
andern haͤufiger angetroffen werden, die nie vor
dem Ende des July, und dennoch kaum, auch wohl
gar nicht austrocknen, auch uͤberall ein ſaures, gro-
bes und ſchlechtes Gras einzeln hervorbringen.
L 4Die-
[168] Dieſen folgen andere feuchtere Bruͤche und ſandiger
Boden, nebſt den uͤbrigen moraſtigen Oertern um
die Waͤlder, welche lange und oft unter Waſſer und
Eis ſtehen, und ſonſt mit flachen Graben durchzo-
gen ſind, oder unter ſchattigen und kaltſpruͤngigen
Bergen liegen, oder auch wegen des Vorwaſſers
ungenutzt liegen bleiben, wohin nach oͤkonomiſchen
Gruͤnden weder Rindvieh noch Schafe geweidet
werden duͤrfen, auch die Ziegen nicht hinkommen
koͤnnen. Andere fruchtbare Striche von Laͤndereyen,
die man beſſer nutzen kann, muͤſſen zum Anbau der
Baumwollen Weide nicht angewendet werden, es
muͤßte denn ſeyn, daß dieſe Weide um die Doͤrfer
in naßem Grunde, an den Baͤchen, Muͤhlgraͤben,
Daͤmmen, Landſtraßen und Zaͤunen unter den uͤbri-
gen ſtaͤnden, weil doch die Nutzung von einer ſol-
chen vollkommen ausgewachſenen Baumwollen-
Weide allezeit diejenige uͤberſteigt, welche der Land-
mann von dem Maulbeerbaume zeither gehabt, oder
ſonſt von ſolchen Plaͤtzen haben kann.
Die Weide, die die Baumwollenweide,
Schafweide, Bitterweide und Lorbeerweide ge-
nennet wird, hat mit den uͤbrigen Weiden, außer
der Nutzung des Holzes und des Laubes zur Futte-
rung, vieles gemein, als welches, als hier nicht
zur Sache gehoͤrig, auch in gegenwaͤrtiger Abhand-
lung uͤbergangen werden ſoll. Sie waͤchſet in vor-
erwaͤhnten Koͤniglichen Provinzen von ſelbſt, und
zwar nur einzeln, aber doch zu einer kuͤnftigen ſtar-
ken
[169] ken Vermehrung immer hinreichend genug. Man
wuͤrde ſie haͤufiger finden, wenn ſie ſich, wie andere
Wieſenverderbende kleinere Strauchweiden, durch
den Saamen haͤufiger vermehrte, und dabey nicht
unter den Namen eines Werftſtrauches mit den
Wurzeln uͤberall unwiſſend ausgeriſſen worden
waͤre.
Dieſe Weide iſt in ihren natuͤrlichen naſſen
Moorboden oft ein Baum, wenn ſie nicht verhin-
dert wird, ihre Zweige ordentlich abzuloͤſen und ein
Baum zu werden, der aber zwiſchen den Elſen und
uͤbrigen Weiden nicht ſonderlich regelmaͤßig ſeyn
kann, ob er gleich deren Hoͤhe erreichet; in freyen
und geraͤumten Bruͤchen hingegen wird ſie nur ein
hoher Strauch, der ſich ſtark ausbreitet. Sie
treibt 2 bis 3 Nebenſtaͤmme und viele Brut, welche
letztere ſehr uͤberhand nimmt, wenn ſie ſtark ge-
hauen oder geſtutzt wird. Dieſe Staͤmme ſind ins-
gemein Armesdick und rauh, werden mit dem Alter
brauner als andere, auch wohl 3 bis 4 Spannen
ſtark, ohne auszufaulen. Das juͤngere zaͤhere Holz
hat eine glatte Rinde, welche dunkelgrauer iſt, bey
den neuen Zweigen und Ruthen iſt ſelbige, wenn
ſie geſund ſind, roͤthlich oder dunkelroth, aber nicht
ſehr biegſam, die Stengel ſind glatt und glaͤnzend,
als wenn ſie mit Firniß uͤberſtrichen waͤren.
Ihr Laub iſt an dem verſchiedenen Holze auch
verſchieden, ſo daß es bald dunkelgruͤn und ſtark,
bald heller und weicher, kleiner, kuͤrzer und run-
L 5der,
[172[170]] der, oder groͤßer und laͤnger, nach Unterſchied des
Alters, Bodens und der Fruͤhlingswitterung ge-
funden wird. An Geſtalt gleichet es oft den gro-
ßen Kirſchlaube, bald den Kirſchlorbeerblaͤttern,
bald dem Mandel- oder Pfirſchenlaube, und fuͤh-
ret unten am Stiele 2 kleinere Ohren. Dieſe Un-
terſchiede, die man hier im Lande zuweilen ſo gar
an einem einzelnen Baume zugleich finden kann, wech-
ſeln mit dem Alter, dem Grunde und der Jahres-
zeit oͤfters ſo, daß der Baum ein ganz verſchiedenes
Anſehen bekoͤmmt, welches bey den Schriftſtellern
mehrere Arten hervorgebracht hat, als es davon
wirklich giebet. Die belaubten Zweige haben ei-
nen ſehr angenehmen erquickenden Geruch, wenn
ſie zuſammen in die Stube gebracht werden, und
geben den Baͤumen ein ſehr ſchoͤnes Anſehen und
Glanz. Bricht man dieſe Zweige mit dem jungen
Laube, ſo wird dieſes daran beym Trocknen leicht
ſchwarz, im Herbſte aber gelb.
Vor dem Ausſchlagen werden die Baumwol-
lenweiden unter den uͤbrigen von den Landleuten,
vorerwaͤhnter Veraͤnderung halber, bey uns etwas
ſchwerer erkannt, auch nicht immer an ihren an-
ſehnlichen Blumenzapfen, welche ſonſt den Blu-
men des gemeinen Werftes gleichen, welche vor
dem Laube im Fruͤhlinge, etwas ſpaͤter aber, als
bey andern Werſtarten, ausbrechen. Sie wird
auch oft im Ausſchlagen mit einer rothen großblaͤtt-
rigen und einer andern wolltragenden Mandelweide
ver-
[173[171]] verwechſelt, die ſchon im July ſtirbet, und eine
ziemliche Wolle traͤget. Wenn das ſchoͤne wohl-
riechende Laub ausgewachſen, und die Zweige ihren
Glanz erhalten haben, iſt ſie leicht in den dunkeln
Elsbruͤchen zu unterſcheiden, oder ſie ſtehet einzeln
in denſelben an den Triften.
Das beſte und gewiſſeſte Unterſcheidungszei-
chen, woran ſie die Bauern, Hutleute und Foͤrſter
ſchon von weitem erkennen, ſind ihre langen und
großen Baumwollenzapfen, darin ſich die feinen
Saamen enthalten, und zwar zur ſpaͤten Jah-
reszeit, da man dergleichen Wipfel nicht wahr-
nimmt.
Beſonders unterſcheiden ſie ſich 1) in Anſe-
hung ihrer Groͤße, 2) wegen der außerordentlichen
Jahreszeit, 3) wegen ihrer Dauer an den Baͤu-
men, 4) der haͤufigen und weißen Wolle wegen.
Denn dieſe großen mit zwey Blaͤtterchen verſehene
Zapfen haͤngen an laͤngern, wegen zunehmender
Schwere, ſehr ſtarken Stielen, und verlaͤngern
ſich, bleiben auch zu einer ſolchen Jahreszeit noch
immer an den Baͤumen, da man ſie ſonſt an keiner einzi-
gen Weide mehr nach dem Monat July (da die andern
gaͤnzlich ausgeſtaͤubet haben) hier im Lande zu ſehen
oder zu finden gewohnt iſt, wie es denn geſchiehet, daß
nach einem ſpaͤten Honigthau die Zweige verderben,
oder aus andern Urſachen eine Nachreife thun, und
man nicht ſelten die Zapfen mit der Baumwolle her-
nach, den ganzen Winter uͤber, auf den kahlen Zwei-
gen,
[174[172]] gen, bis ſie wieder ausſchlagen, finden kann, wel-
cher einzige Umſtand den Landleuten dieſe Weiden-
art kenntlich genug macht. Indeſſen iſt es gut, ſo-
wohl den Ort, als dieſe Art von Straͤuchen und
Baͤumen, durch kleine weiße Stoͤcke oder Pfaͤle
zu bemerken, damit ſie allezeit wieder gefunden wer-
den koͤnnen, wenn ſie auch ohne Laub und Zapfen
ſind, damit ſie Reiß und Zweige davon zur Vermeh-
rung im Fruͤhlinge nehmen koͤnnen.
Dieſe langſtieligen Baumwollenzapfen wach-
ſen viel langſamer und laͤnger, als an unſern hieſi-
gen Landweiden; ſie werden daher auch groͤßer
und ſchwerer an Wolle, als die andern, und reifen
erſt mit dem Ende des Auguſtmonats und der erſten
Haͤlfte des Septembers, ob ſie ſchon den ganzen
Oktober durch, wegen der kuͤhlen Witterung und
Nachtkaͤlte, noch an den Baͤumen ſitzen bleiben, bis
ſie endlich aufplatzen, abfallen, und mit Verluſt
des feinſten Antheils der Wolle nachher gefunden
werden. Einige Baͤume reifen an waͤrmern Stel-
len, wo ſie von der Sonne beſſer beſchienen werden
koͤnnen, 8 bis 14 Tage fruͤher, als andere, viele
aber ſcheinen nur dieſes zu thun, weil ſich die weiße
Wolle ſchon an den Spitzen der etwas zuvor geoͤf-
neten Wollenknoͤpfchen zeiget, wodurch man ſich
nicht irre machen laſſen, und die unreifen Zapfen
einſammlen muß, wie einige mit wenigem Vortheil
verſucht haben.
Die
[175[173]]
Die rechte Reife faͤllt hier im Lande von der
Mitte des Septembers bis zur Mitte des Okto-
bers ein, da man bey guten ſtillen Wetter das Pfluͤ-
cken der Zapfen durch Kinder ordentlich, ohne die
Zweige herunter zu brechen, anfangen laſſen kann.
Ehe man aber dieſes unternimmt, werden kleine
Partien vorher davon zur Probe gepfluͤcket, in die
Stuben oder Kammern auf dem Boden gebracht,
die ſich in der Waͤrme bald in 8, 10 bis 12 Stun-
den, in der Kaͤlte aber erſt nach 3, 4 bis 6 Tagen oͤf-
nen, da denn die Wolle in einiger Menge heraus tritt,
und die ganzen Zapfen uͤberziehet, ſo daß man ſie
davon taͤglich etlichemahl abnehmen muß. Findet
man nun, daß die meiſten Wollenknoͤpfchen fein zu-
gleich aufſpringen, und nicht etwa nur zuweilen hie
und da, die Wolle aber auch nicht recht weiß (ob
ſie ſchon aus dem Weißen ins Gruͤnlichte faͤllt)
auch dabey lang, recht gelinde und weich, und nicht
kurz iſt, daß ſie ſich voͤllig abloͤſet, auch ihre Saa-
menkoͤrnchen mit den kleinen Stielchen, Faſern und
Blaͤtterchen groͤßtentheils fallen laͤſſet; ſo iſt es
Zeit, die Zapfen abpfluͤcken zu laſſen, weil ſie ſonſt
an den Baͤumen uͤberreifen und uͤberall aufſpringen,
da ſie alsdenn gerade die erſte laͤngſte und beſte Wolle
geben, die ſich ſelbſt loͤſet, durch Wind und Wetter
aber verlohren gehet.
Die Baͤume werden mit dem 3ten oder 4ten
Jahre tragbar, dieſe Zeit nimmt an den meiſten
Gegenden ihren Anfang von der Mitte September
und
[176[174]] und dauert bis Ausgang des Oktobers, ob ſchon an
andern Orten noch bis Mitte November geſammelt
werden kann; ſie tragen alle Jahr ziemlich ſtark,
aber je aͤlter und weniger beſchnitten ſie werden, je
mehr Wollzapfen bringen ſie. Die ganz niedrigen
Straͤucher, welche noch allzuſtark ins Holz treiben,
und immer abgehauen werden, bringen ebenfalls in
Zweigen wenig und gar nichts, oder doch ſehr kleine
kurze und duͤnne Zapfen, welche etwa 1½ Zoll lang
ſind; dieſes geſchiehet auch, wenn ſie in trocknen Or-
ten ſtehen, eine große Hitze und Duͤrre einfaͤllet,
oder die Torfmoore, wegen allzu tief ausgeſtochnen
Graben, zu zeitig im Jahre ihre Feuchtigkeit verlie-
ren, es giebt aber auch Saamenſpaͤtlinge, die an und
vor ſich kleiner, als die andern Zapfen, ſind.
Die alten Baͤume hingegen, welche nicht ganz
frey ſtehen, und zwiſchen den Elſen hoch aufwach-
ſen, ohne behauen zu werden, wo das Grundwaſ-
ſer nicht vor den Auguſt, auch nicht ganz, vertrocknet,
bringen ſolche ſtarke Zapfen, die in der Laͤnge mehr
als eine Querhand ausmachen, auch eine große
Menge von einer langen Wolle enthalten. Da in-
deſſen ſchon die Menge der inlaͤndiſchen Baumwolle
an einzelnen Baͤumen, nach kurz vorher erwaͤhnten
Umſtand, von 5 bis 6 kleinen und ſehr ſchlechten
Straͤuchern, etwa 10, 12 bis 14 Pfund rohe Wolle
betraͤgt, wenn ſolche in guten und naſſen Grunde
ſtehen; ſo geben doch auch 3 bis 4 große alte Baͤume
zuſammen wohl 30 bis 32 Pfund, und man kann
davon
[177[175]] davon noch mehr erhalten, wie die Erfahrung be-
weiſet. Ueberhaupt kann man von den einzeln lan-
gen und recht reifen Zapfen mit Gewißheit ſagen,
daß ſie, wo nicht mehr, doch eben ſo viel, an
Baumwolle geben, als die Fruͤchte der fremden cy-
perſchen und perſiſchen Baumwollenſtaude, nur
daß unſere Baumwolle noch feiner und leichter iſt,
und der kurzen Art von fremden Baumwolle in der
Laͤnge gleich koͤmmt.
Die Sammlung der reifen Wollenzapfen ge-
ſchiehet durch Kinder, oder andere in der Wirth-
ſchaft entbehrliche Leute, zwiſchen andern Arbeiten,
ſo lange das Wetter gut iſt. Die Zapfen muͤſſen
mit ihren langen Stielen, ohne alle Zweige und
Blaͤtter, rein in Kobern und Koͤrben bey trockner
Witterung gepfluͤckt werden, wozu man keine beſon-
dere Anweiſung vonnoͤthen hat, es muͤßte denn
dieſe Erinnerung dabey noͤthig ſeyn, daß man in der
erſten Zeit, ehe man niedrigere und ordentlichere
Baͤume genug angezogen haben wuͤrde, die wilden
allzu hoch wachſenden Baͤume nnd Straͤucher an
ihren aͤußern Zweigen durch Abreißen, Abſtreifen
und Abſchneiden verſchonen muß, damit ſie im kuͤnf-
tigen Jahre weiter bluͤhen koͤnnen, welches ſonſt
die neuen Zweige nicht thun, und man ſich alſo die-
ſer Urſache wegen etliche Jahre um die Wolle brin-
gen wuͤrde. Man ſammlet auf einmahl nur ſo viel,
als man ausbreiten kann, welches, wo nicht viel
Platz iſt, in großen Stuben, Staͤllen, auf den
Botan. Abhdl.II.B. MTaͤn-
[178[176]] Taͤnnen und luftigen Boden, auf glatten Brettern
ganz duͤnne geſchehen muß, damit ſie Platz haben,
ſich zu oͤfnen, ihre Wolle ordentlich zu geben, und
ſich nicht etwa feſt aneinander anhaͤngen. Am be-
ſten aber geſchiehet es, wenn es ſeyn kann, auf ge-
flochtnen Horden oder ausgeſpannter Leinewand;
wie ſie denn nicht lange auf einander liegen duͤrfen,
ohne ſich zu erhitzen, da ſie noch gruͤn und ſaftreich
ſind, auch nicht zu hoch, denn ſie quellen zu ſehr
auf, und erfordern mehr Platz, es muͤſte denn ſeyn,
daß man ſie ſehr kuͤhle ſetzen koͤnnte, wobey ſie
nicht ſo ſtark ausduͤnſten, ſich erhitzen, und zu ge-
ſchwind oͤfnen. An ſolchen Orten, wo man Sei-
denwuͤrmer haͤlt, oder andere aͤhnliche Anſtalten
macht, kann man ſich im Herbſte der dabey gewoͤhn-
lichen Stellagen und Geruͤſte bedienen, die ſich
gut dazu einrichten laſſen; weil die Zapfen darauf
liegen koͤnnen, bis die Wolle abgeleſen iſt.
Wenn die reifen Wollzapfen an vorgedachten
Orten ausgebreitet ſind, wo ſie mehr Waͤrme ha-
ben, als in freyer Luft, werden ſie nach etlichen
Tagen langſamer oder geſchwinder aufſpringen.
Dieſes kann man in warmen Stuben annoch da-
durch ungemein befoͤrdern, daß es nehmlich geſchwind
hinter einander geſchehe, damit man mit einem Theil
bald fertig wird; auch wenn man die Zapfen etwas
hoͤher ſetzet; da denn die austretende Wolle Kinder
und alte Leute ſo geſchwind und faſt beſtaͤndig be-
ſchaͤftiget, ſo, daß man mit den Abnehmen der
Wolle
[179[177]] Wolle nicht ſo bald fertig werden kann, als die
Wolle unter den Haͤnden ſogleich wieder heraus-
quillt, welches bey einigen 5, 6 bis 8mahl ge-
ſchiehet, bis in dem Zapfen nichts zuruͤck bleibet,
als ein kurzes, wolliges, ſproͤdes Weſen, das man
weder achtet, noch mit der ſchoͤnen lockern Wolle
vermengen muß, da es uͤberdem etwas aufhaͤlt und
heraus gezopft werden muß. Dabey muß man ver-
huͤten, daß die Zapfen nicht in waͤhrenden Auf-
ſpringen von der Hitze trocken werden, weil ſich ſonſt
die uͤbrige Wolle nicht loͤſet.
Das Abnehmen der hoch und voͤllig aus dem
Zapfen heraustretenden Wolle, geſchiehet durch
Ableſen aus einer Hand in die andere, und zwar ſo
viel, als darin auf einmahl Platz hat, worauf man
die Wolle mit beyden flachen Haͤnden etwas gelinde
reibet und zuſammen druͤcket, damit ſie nicht verflie-
get, und in kleine Klumpen in Saͤcken oder Kaͤſten
weggelegt werden kann. Zu allen dieſen Verrichtun-
gen hat man eben ſo wenige Anweiſung vonnoͤthen,
als zum Federnreißen, weil ſich die Handgriffe und
Vortheile von ſelbſt zeigen, und bald erlernen laſ-
ſen. Man wird ſich uͤbrigens leicht vorſtellen, daß
ſowohl das Pfluͤcken, als das Ableſen und Sam-
meln der rohen Wolle, unter einer Aufſicht vor
Tagelohn geſchehen, und die Arbeiter ordentlich be-
ſchaͤftigen muͤſſe: wovon man hier im Lande vor der
Hand noch keine Quantitaͤten oder gewiſſe Preiſe
feſtſetzen kann, ob es ſich gleich durch Berechnung
M 2findet
[180[178]] findet, daß von dieſer Wolle ſehr viel fuͤr ſchlechtes
Lohn eingeſammelt werden koͤnne, und daß es oͤf-
ters nichts weiter koſte, ſie zu gewinnen, als viel große
Baͤume, die keine weitere Pflege koſten, zu beſitzen,
und ſie ſammeln zu laſſen. Denn es laͤſſet ſich in etli-
chen Stunden von Baͤumen, wo man dazu kann,
an Zapfen ſehr viel pfluͤcken, und allezeit mehr, als
man in 4 bis 5 Tagen durch das Einſammeln der
Wolle abfertigen kann. Das Ableſen und Samm-
len der Wolle wuͤrde, wo auch nicht uͤberall ſehr
große Gelegenheit waͤre, kuͤnftighin bey zunehmen-
der Menge in alten Gebaͤuden, wo große Kammern
und Boden ſind, und zwar in Hoſpitaͤlern und
Wayſenhaͤuſern, mit wenig Koſten durch Kinder
und alte Leute geſchehen koͤnnen, welchen die Za-
pfen bey kuͤhler Witterung, wenn ſie locker uͤbereinan-
der liegen, haͤufig zugefuͤhret, und daſelbſt gleich ausge-
breitet werden koͤnnen, und zwar an ſolchen Orten,
wo ſie ſo lange ungeſtoͤrt liegen, und aufſpringen,
bis die Wolle bequem abgeleſen werden kann.
Vielleicht wuͤrde dieſer Artikel eine Art von Unter-
haltung fuͤr die Monate September, Oktober und
November, fuͤr gewiſſe Spinnerdoͤrfer mit abgeben
koͤnnen, wo man hernach die Wolle leſen, reinigen,
miſchen und ſtreichen, auch nach verſchiedener
Starke, als in einer ordentlichen Niederlage, ſpin-
nen laſſen koͤnnte; wie es die Baumwollenfabrikan-
ten, blos oder in vermiſchten Waaren zu nutzen gut
finden. Sollte ſich auf dem Lande keine Gelegen-
heit
[181[179]] heit finden, dieſe Baumwolle ordentlich zu gewin-
nen, wie es ſeyn muß, ſo wird der Landmann dennoch
ſeine Baͤume pfluͤcken, und an dergleichen Oertern,
zu weiterer Sammlung der Wolle, nach geſchloßner
Taxe, Scheffelweiſe fuͤr gewiſſe Preiſe die reife
Zapfen bringen koͤnnen, da man aus dem Scheffel
3 bis 4 Pfund Wolle rechnen kann.
Um aber der inlaͤndiſchen Handlung einen
neuen Zweig zu verſchaffen, und eine ſichere Anlage
im Lande zu machen, um dergleichen nuͤtzliche
Baumwolle zur Verarbeitung in den Fabriken,
kuͤnftig jaͤhrlich in Menge zu gewinnen, deren Un-
terhaltung wenig oder nichts koſtet, und demohn-
geachtet erſt nachher deſto importanter werden muß,
da alle Proben der Nutzung und Verarbeitung den
Gebrauch bey allerhand Waaren, die curantes Kauf-
mannsgut ſind, auch ohne daß ſie auf leere Pro-
jekte und Spielereyen hinauslaufen ſollten, den Land-
mann von der Realitaͤt der Sache uͤberzeugen, wel-
cher, ohne ſie gruͤndlich zu kennen, ſonſt zu wider-
ſprechen gewohnt iſt; ſo muß man baldmoͤglichſt im
Lande die Baumwollenweide uͤberall aufſuchen,
wie ſie vorher gleich Eingangs beſchrieben worden
iſt, auch an allen gleichfalls angezeigten ſchicklichen
Orten, ſo geſchwind und ſo haͤufig man kann, an-
pflanzen, um nach und nach mit den Jahren davon
eine immerwaͤhrende Erndte dieſes Landesprodukts
zu erhalten, welche ohne Koſten, Kuͤnſte und Muͤhe
beſtaͤndig zunehmen muß, ohne daß den uͤbrigen
M 3Haus-
[182[180]] Haus- und landwirthſchaftlichen Artikeln das ge-
ringſte dabey abgehen darf; zu geſchweigen den be-
ſondern Nutzen der Blaͤtter dieſer Weidenart bey der
Winterfuͤtterung in den Schaͤfereyen, wenn ſie auch
nicht zur Baumwolle angepflanzt worden.
Die Baumwollenweide, welche ohne dieſen
Namen, als ein Werftſtrauch, aus vorangefuͤhr-
ten Zeichen, bekannt iſt, laͤßt ſich nach dieſen
Zeichen an gehoͤrigen Orten leicht ausfinden,
wenn fuͤr das erſte nur Anſtalt gemacht wird,
daß ſie durch die Foͤrſter, Meyer, Schaͤfer
und andere Hutsleute aufgeſucht wird, wie man
denn jedes Ortes durch Befehle leicht veranſtalten
koͤnnte, daß ſie durchgehends in allen Hauigten, und
wo ſie ſich etwa finden moͤchte, richtig angezeigt und
bis auf weitere Ordre mit dem gewoͤhnlichen Aus-
hauen und Ausraden verſchonet wuͤrde, um den noͤ-
thigen Vorrath zur jaͤhrlichen Vermehrung fuͤr den
Anfang daher zu machen.
Was ihre Anpflanzung und jaͤhrliche Vermeh-
rung weiter betrift, ſo hat ſolche nicht die geringſte
Schwierigkeit, wenn ſie in gewiſſer Ordnung be-
folgt wird, daß dieſe Weide nehmlich etwas ſpaͤter, als
andere Weiden, im Lande ſeyn muß; deswegen kann
dieſe Vermehrung allezeit in der Mitte des Merzes
und den ganzen April feſtgeſetzt werden, wenn der
Froſt aus der Erde, und ſie nur etwas erwaͤrmet
iſt, wenn ſie nur ſchon auszuſchlagen und zu bluͤhen
angefangen hat, wie die Erfahrung beſtaͤtiget. Sie
hat
[183[181]] hat zwar uͤberhaupt bey der Vermehrung groͤßten-
theils die Eigenſchaften der uͤbrigen Weidenarten,
vermehret ſich aber nirgend bey uns ſo ausſchwei-
fend, wie die andern Weiden; durch den Saamen
geſchiehet es am allerwenigſten, da man keine
Spuren ihrer jungen Saatweiden in den Elsbruͤ-
chen zeither gefunden hat. Alſo kann es blos durch
abgehauene Zweige geſchehen ſeyn, die zufaͤlliger-
weiſe an naſſen Orten liegen bleiben und Wurzeln
ſchlagen, oder wenn dergleichen mit Fleiß eingele-
get worden ſind; den Anbau der Weide muß ſich
alſo niemand ſelbſt beſchwerlich oder muͤhſam
machen.
Wenn man feuchten und zugleich lockern
Grund hat, dergleichen ſich in allen zuerſt ange-
fuͤhrten Orten findet, werden im Merz und April
vor der Hand von der Baumwollenweide Zweige
gehauen, dabey man wie es uͤberhaupt und ſchlech-
terdings geſchehen ſoll, die alten guten Baumwolle
tragenden Baͤume mit allen Abhauen verſchonen,
und nur von denen 2 bis 3jaͤhrigen Holze hierzu
anwenden muß; dazu laͤßt man die Erde in ordent-
lich ſchmale Reihen tief ausgraben, und die Zweige 8
bis 10 Fuß weit auseinander einlegen, daß ſie uͤber der
Erde kaum 6 bis 8 Augen behalten, allenfals ſchneidet
man ſich auch das Reiß, nach Befinden kuͤrzer. Hier-
zu nimmt man ſowohl Reiß als andere 2 bis 3 dau-
menſtarke Setzlinge und Aeſte, unter einander,
worunter uͤberhaupt dasjenige Strauchwerk am be-
M 4ſten
[184[182]] ſten anſchlaͤgt, auch weit eher waͤchſet, das von un-
tern Stamm-Ende und den Wurzeln genommen wird,
als die oberſten und aͤußerſten Zweige. Es iſt
nicht noͤthig, ſtarke Stangen, wie zu den Satzweiden,
auszuhauen, und die tragbaren, zumahl jetzo zum
Anfange, dadurch zu verderben, ob man wohl ſonſt
beydes thun kann, da daraus theils die kleinen Ru-
then in feuchten lockern Grunde, in Zeit von 3
Jahren, hohe und ſtarke Straͤucher genug machen,
welches man recht gut befoͤrdern kann, wenn man
ſie nicht zu dicke neben einander in die Graben ein-
leget, damit ſie ſtarke Wurzeln genug machen koͤnnen,
anderntheils weil ſie durch das Ausputzen ohnehin
leicht zu dauerhaften 2, 3 bis 4aͤſtigen niedrigen
zum kuͤnftigen Gebrauche ſehr bequemen Baͤumen
gemacht werden koͤnnen, wenn ſie alsdenn vorher
mit ſtarken Wurzeln verſehen ſind. Dieſes Einle-
gen der Straͤucher hat vor dem Einſtecken bey der
erſten Anlage der ſtaͤrkern Stangen oder Satzwei-
den dieſe Vortheile, daß beym erſten ſaͤmmtlich die
Zweige die erſten 3 Jahre ruhig ihre Wurzeln ma-
chen, und weniger ausgehen, beym andern aber,
da ſie die erſten Wurzeln und oberwaͤrts die Krone
machen, ſelbige bey ſtarkem Sturm und Windſtoͤßen
zur Erndtezeit bewegt werden, ihre aͤußerſten zarten
Wurzelkeime einbuͤßen und leichter verdorren, oder
doch ſo zuruͤcke ſchlagen, daß ſie erſt in 2 bis 3
Jahren zu niedrigen Straͤuchern werden, welche
hernach durch das Ausputzen wieder gezogen wer-
den
[185[183]] den muͤſſen. Ehe man aber zu derjenigen Menge
von Baͤumen von einem ſolchen Alter gelanget,
welche die inlaͤndiſche Baumwolle vor die Fabri-
ken tragen, muß man ſich vor allen Dingen huͤten,
den im Lande befindlichen tragbaren Baͤumen ihre
Zweige zu nehmen. Man ſuchet unterdeſſen die
aus den Staͤmmen unten herum ausgeſchlagenen
2 bis 3jaͤhrigen Latten dazu aus, und von den uͤbri-
gen niedrigen Straͤuchern die Zweige, welche ohne-
dem abgewartet werden muͤſſen, wenn man ſie aus-
putzen will, und verfaͤhrt mit ſolchen, wie ſchon
vorher geſagt worden iſt.
Wenn dieſe Zweige und Setzlinge 3 Jahr ge-
legen und gut gewachſen ſind, werden ſie ausge-
putzt, die ſtaͤrkſten Stangen davon gleich zu niedri-
gen Baͤumen mit 2 bis 3 Staͤmmen gezogen, die
ſchwachen aber ganz kurz bis etwa Spannenhoch
von der Erde abgeſchnitten; mit den 2 bis 3jaͤhri-
gen Reiße oder Strauchwerke macht man weitere
Anlagen, ohne ſich damit die nutzbaren Plaͤtze zu
verderben, wie ſchon erwaͤhnt worden iſt.
Die Wolletragenden Baͤume muͤſſen des be-
quemen Pfluͤckens wegen nicht zu hoch gezogen
werden, auch deshalb nicht andern dickewachſen-
den Baͤumen zu nahe ſtehen, damit ſie ſich aus-
breiten koͤnnen und nuͤtzlich werden, theils wegen
des allzuſtarken Schattens und der Traufe, theils
wegen der Luft, die ſie mit ihren Wipfeln allezeit
ſuchen, daß ſich oͤfters die untern Zweige wenig
M 5oder
[186[184]] oder gar nicht ausbreiten, ſondern verdorren und
abloͤſen, daß daher ein Stamm von etliche 30 bis
40 Fuß hoch, außer ſeinen Wipfeln, wenig oder nur
ganz flatterich wachſende gruͤne Zweige hat; wie ſie
denn auch nicht wohl unter andern dicken Baͤumen
auswaͤrts an breiten und tiefen Waſſer, Moraͤſten
und Graben ſtehen muͤſſen, wo ſie nicht nur auf
der einen Seite kahl werden, ſondern ſich auch uͤber
das Waſſer dermaßen ausbreiten, daß man nicht
davon pfluͤcken kann, und die Wollzapfen ohne Nu-
tzen ins Waſſer fallen. Ferner lieben dieſe Art
Weiden einen ſolchen feuchten Sand, wo ſie nicht
ganz frey den trockenen Winden voͤllig ausgeſetzt
ſind, ſie werden aber wolltragend, wenn ſie ſich im
Schatten ausbreiten koͤnnen. Sie wachſen zwar
an ganz freyen Orten auch im trocknen Boden, koͤn-
nen aber die Menge von ſo großen wollreichen Za-
pfen nicht bringen, als warum ſie eigentlich ange-
bauet zu werden vorzuͤglich verdienen.
Bey ihrer Pflege iſt nichts beſonders zu be-
merken, als daß man ſie nicht in ganz freye hohe
und trockne Gegenden verpflanze, 1) wegen der
Sturmwinde im Herbſte und der ſchaͤdlichen Nacht-
froͤſte im May, wenn ſie verbluͤhet und die jungen
Zapſen angeſetzet haben, 2) wegen des noͤthigen
Saftes bey der Hitze, damit ſich die Wollzapfen
gehoͤrig vergroͤßern, und nicht eintrocknen, oder vor
der Zeit reifen und allzu kurze mehr ins Gruͤne fal-
lende, auch ſteifere, ſproͤdere Wolle bringen. 3)
Ferner
[187[185]] Ferner daß man ſie nicht zu Kropfweiden ziehen und
in gewiſſen Jahren kroͤpfen ſolle. Man kann ihnen
die unterſten und innerſten Aeſte nehmen, wo ſie zu
dicke ſtehen, und ohnedem abſterben, welches ſie
ſehr ſtark zu thun pflegen. Sollten ſie zu hoch ge-
hen, alsdann verſchonet man den Wipfel nicht.
Die Nebenſproſſen aus der Wurzel und dem
Stammende nimmt man ihnen alle 2 Jahr, um ſie
zur Anlage zu gebrauchen; wenn aber die Baͤume
zu alt werden, durch den Honig-Mehlthau zuwei-
len zuruͤcke gehen, oder ſonſt ſchlecht werden, laͤßt
man einen oder zwey von den ſtaͤrkſten Schoſſen ſte-
hen, und mit aufwachſen, da man denn mit der Zeit
einen von den alten ſchlechten dagegen abnimmt,
und auf dieſe Weiſe die tragbaren Staͤmme und
Baͤume erneuert.
Bey der Baumwollenweide giebts wenige Zu-
faͤlle, welche ſie mit andern Arten in naſſen und ſchat-
tigen Gegenden in gewiſſen Jahren von der Witte-
rung und Inſekten nicht gemein haͤtte; der Honig-
thau ſchadet dem Wachsthume der jungen Zweige
und der Wollzapfen nicht wenig, wo kein Regen
bald erfolget, wie ſich denn in manchen Jahren
wunderliche Gewaͤchſe daran befinden, da die ſaft-
reichen Spitzen in ſtarke Knollen aufſchwellen, oder
breit, platt und kammfoͤrmig zuſammen gepreßt ſte-
hen, auch in ganz verwirrte knotige Blaͤtterbuͤſchel
ſich verkuͤrzen. Was den Wachsthum der Baum-
wollenzapfen oder Aehren betrift, ſo erfordert dieſer
in
[188[186]] in den Fruͤhlingsmonaten eine gemaͤßigte Waͤrme,
daß die Bluͤthenzapfen an den Baͤumen fein gleich
abbluͤhen, wenn ſie ſtaͤuben, und die zarten Frucht-
knoͤpfe ausdehnen. Dieſe Zapfen bleiben ſonſt
uͤber die Haͤlfte Staub, bey der Hitze und lang an-
haltenden Trockniß auch ſehr kurz und klein, wach-
ſen auch ſehr klein und einzeln, welches letztere
nicht nur im trocknen Boden, ſondern oͤfters an
jungen und niedrigen noch ſehr ſtark wachſenden
Straͤuchern, wahrgenommen wird, bey gemaͤßigter
Waͤrme in feuchten Grunde werden oft gedachte
Zapfen groß, zuweilen doppelt ſo lang als ſonſt,
wenn nehmlich die Baͤume ſtark auch recht ausge-
wachſen ſind. Ob das Pfropfen oder Okuliren
groͤßere Zapfen und laͤngere Wolle hervorbringt, ſte-
het zu verſuchen, es kann auch etwas weichlichere
Baͤume hervorbringen. Es wird indeſſen das er-
ſtere im Merz, das zweete in der Mitte des July
vorgenommen werden muͤſſen.
Was die Art der Einſammlung der inlaͤndi-
ſchen Baumwolle betrift, ſo iſt das dazu gehoͤrige
vorher ſchon angefuͤhrt worden. Von dieſer Wolle
ſelbſt iſt noch ſo viel anzumerken, daß ſie, laut Er-
fahrung, weder von den Motten noch durch Naͤſſe
und Froſt verdorben werde: wie man denn damit
Verſuche genug gemacht hat, auch in Anſehung
ſolcher, die den ganzen Winter durch in Eis, Schnee
und Waſſer gelegen hat. Beym Gewinnen dieſer
Wolle hat man zu wiſſen, daß allezeit der lockere
An-
[189[187]] Antheil der das erſte- zweyte- und drittemahl von
ſelbſt aus den Wollzapfen herausdringet, und nur
ganz locker mit den Fingern abgenommen werden
darf, der feinſte und beſte, auch laͤnger als der nach-
folgende Reſt ſey, der letzte hingegen, welcher aus
den Wollenknospen heraus gepfluͤckt wird, iſt
ſchlechter, etwas ſproͤder, und kann deshalb nicht
wohl mit Nutzen gemiſcht werden, doch wiſſen ver-
ſtaͤndige Arbeiter dieſe Sproͤdigkeit, aus aͤhnlichen
Zubereitungen, bald zu behandeln; das allerletzte iſt
zu kurz, zu ſteif und haͤnget zu feſte, als daß man
es des Einſammelns werth halten koͤnnte. Die
Wolle von einer Nachreife der Wollenzapfen muß
man mit den feinſten auch nicht vermengen.
Die feinſte Art davon iſt zwar ungemein weiß,
faͤllt aber nach der Verarbeitung, und noch vor
der Bleiche doch etwas ins Gruͤnliche, welches ſich
aber theils verlieret, theils aber auch bey der Farbe
nichts verhindert, da die Wolle, gelb, blau, gruͤn
auch ſchwarz wohl annimmt.
Die inlaͤndiſche Baumwolle hat ſich bereits
ſeit Jahr und Tag in verſchiedenen Vorproben ſehr
brauchbar erwieſen, ſo daß kein Kunſtverſtaͤndiger
an ihrer Brauchbarkeit und wirklichen Nutzen beym
Fabrikenweſen dagegen mit Grunde etwas anfuͤh-
ren kann, welcher verſtehet, von einem rohen Ma-
terial dasjenige zu verlangen, was es nach ſeinen
Eigenſchaften leiſten kann. Im feinen Gemenge
beym Huthmachen hat ſie, vorher gereinigt, ſich
wohl
[190[188]] wohl verarbeiten laſſen, und recht ſchoͤne ſchwarze
auch feine Huͤthe gegeben, von Papier ſind eben
gute Proben vorhanden.
Was die durch die neuern Proben bekannt
gewordene Zubereitung dieſer Wolle betrift, ſo beſte-
het ſie außer der Reinigung darinnen, daß man ihr
die noͤthige Gelindigkeit giebt. Die Reinigung iſt
nach verſchiedenen Gebrauch der Arbeit bey einigen
Handwerkern auch verſchieden; die allgemeinſte,
da ſie von Spitzen, Saamenkoͤrnern, feinen Blaͤt-
terchen und Stielchen gereinigt werden muß, ge-
ſchiehet ſehr bequem, durch eine hierzu gemachte
und verſuchte Maſchine, die in den Schwediſchen Ab-
handlungen der Koͤnigl. Akademie zu Stockholm be-
kannt gemacht worden, welche aber noch einige Ver-
beſſerung erfordert, auch erhalten hat, durch wel-
che man eine groͤßere Quantitaͤt von ſolcher außer-
ordentlich feinen Wolle mit einem mahl reinigen
kann. Die Erfahrung hat alsdenn gewieſen, daß
man die Wolle zum Spinnen rein genug damit ma-
chen koͤnne. Die Mittel, eine ſehr feine aber dabey
etwas ſproͤde Wolle zu machen, ſind den geſchickten
Baumwollenarbeitern hinreichend bekannt, wobey
uͤberall beſondere Vortheile obwalten.
Wenn die inlaͤndiſche Baumwolle gehoͤrig ge-
reinigt und gelinde gemacht worden iſt, wird ſie mit
der kuͤrzeſten Art der Levantiſchen Baumwolle ver-
miſcht und geſtrichen, denn da ſie kurz iſt, kann ſie
ohne dieſen Zuſatz nicht verarbeitet werden. Zu
an-
[191[189]] andern Arten der Wolle iſt ſie noch nicht verarbeitet
worden. Man hat verſchiedene Proportionen von
der Levantiſchen Baumwolle damit zuſammengeſetzt,
wovon die, zur Haͤlfte genommen, als die beſte be-
funden worden iſt; dabey hat ſich gefunden, daß
man aus etlichen Oertern derſelben den Kern
herausgezogen, und nur den groͤbern Antheil mit
der inlaͤndiſchen vermiſcht, welches ein recht feines
Geſpinnſte gegeben. Denn man hat zu merken,
daß die inlaͤndiſche Baumwolle noch feiner und an
Gewicht viel leichter, als die Levantiſche ſey, und
folglich an Maſſe mehr einbringen muͤſſe ins Ge-
menge, als jene.
Das Streichen der inlaͤndiſchen Baumwolle,
mit der Levantiſchen in Vermiſchung, geſchiehet mit
kleinen und feinen Kartetſchen, dergleichen man ſich
zu Berlin zu Bereitung der Florettſeide bedienet,
und da wegen Kuͤrze der Wolle auf die Gleichheit
der Faden beſonders zu ſehen iſt, ſo geſchiehet die-
ſes Streichen derſelben allein in der Laͤnge, damit
Faſer an Faſer zu liegen koͤmmt, und zwar auf dem
Knie am beſten, anſtatt daß es ſonſt wie bey der
ordentlichen Baumwolle in die bekannten Floͤten ge-
macht wird.
Das Spinnen wird auf denen in Berlin
neuerlich eingefuͤhrten und verbeſſerten kleinen Raͤ-
dern vorgenommen, und aus 1 Pfund 20 bis 21
Stuͤck
[192[190]] Stuͤck geſponnen, auch man hat nicht zu fuͤrchten, daß
ſie beym Spinnen verſtaͤube, wenn man nur damit
ordentlich zu verfahren verſtehet, wie denn dieſes
Vorgeben gegen die gemeine Erfahrung laͤuft. Aus
einem ſolchen Garne ſind vor das erſte Struͤm-
pfe verfertigt worden, welche man theils roh gelaſ-
ſen, theils ſchwarz gefaͤrbet hat. Ferner hat man
ſehr dauerhafte Schnupftuͤcher, auch 2 Ellenbrei-
tes geſtreiftes Zeug mit leinen Aufzug davon
verfertigt, und endlich auch einen guten Catun dar-
aus gewebt.
Da es nun blos auf einen jaͤhrlichen beſtaͤndi-
gen Vorrath von dieſer ſehr feinen Baumwolle
hauptſaͤchlich ankoͤmmt, und aus denen damit ge-
machten vorlaͤufigen Proben ſowohl, als andern
davon anfangs ſchon bekannt gewordenen Umſtaͤn-
den mit großer Gewißheit voraus zu ſehen iſt, daß
dieſes vortrefliche Landesprodukt mit der Zeit beym
Fabrikenweſen mit wirklichen Vortheil im Lande
weiter und beſſer zu verarbeiten ſtehen werde, auch
unter den Haͤnden erfahrner und kuͤnſtlicher Fabri-
kanten recht gute und aͤchte Kaufmannswaare ge-
ben koͤnne; So kann man die wirklichen Anſtal-
ten zur Anlage der hierzu erforderlichen Weiden-
plantagen gewiß fuͤr ein hoͤchſt importantes Werk
anſehen, das mit der Folge bey der Landwirth-
ſchaft und dem Fabriquenweſen einen neuen ſehr na-
tuͤrlichen Nahrungszweig verſchaffet, der allemahl
immer
[193[191]] immer um deſto wichtiger ſeyn muß, da er ohne
Abgang der uͤbrigen Artikel einen jaͤhrlichen Ge-
winnſt dem Landmanne ohne große Kunſt und ſon-
derliche Muͤhe liefert, auch jeder ſie ohne ſon-
derliche Koſten muͤhſamer Unterhaltung von ſelbſt
erhalten kann.
Botan. Abhdl.II.B.Beytrag
[194[192]]
Beytrag
zur
natuͤrlichen, oͤkonomiſchen
und Arzney-Wiſſenſchaft
der Weiden.
Die Weiden, deren Arten wir in vielen Gegen-
den von Deutſchland mehr in ihren abwechſelnden
Veraͤnderungen zu ſehen, als richtig von einander
zu unterſcheiden gewohnt ſind, ſind mit ihrem
ganzen Geſchlechte, eben weil ſie zu gemein ſind,
bey unſern wirthſchaftlichen und uͤbrigen Anſtalten
von jeher fuͤr ſo ſchlecht gehalten worden, daß man
ſie beſſer zu kennen und zu nuͤtzen faſt fuͤr uͤberfluͤßig
gehalten. Denn man ſtehet ſogar noch immer in
den ſehr fluͤchtigen Gedanken und Vorurtheilen,
daß man alles dasjenige ſchon wiſſe, was ihre Ei-
genſchaften, Nutzen und Nutzungsarten bey der
Anwen-
[195[193]] Anwendung betrift, und daß folglich dem Natur-
forſcher, dem Arzte oder dem Haushalter gar nichts,
oder doch nichts erhebliches weiter davon, zu entde-
cken uͤbrig gelaſſen ſey. Wir denken hingegen an
andere nur halb oder wenig bekannte fremde Baͤu-
me, z. E. der Ceder von Libanon, dem Lingvo-
Eben-Mahony-gelben Sandel-Gvajac-Ad-
lerholz- Calambac-Granadillen-Neroli- Ro-
ſenholze, der Chinarindenbaͤume und anderer,
mit einer beſondern verwunderungsvollen Achtſam-
keit, wir erkaufen ihre Hoͤlzer und Rinden pfund-
weiſe oͤfters vor ſchweres Geld, kennen aber dabey
die Guͤte und Vorzuͤge unſerer Landbaͤume, der
Tannen und Fichten, als wahrer Balſambaͤume,
der Ruͤſtern, Ahornen, Wacholdern, Eſchen
und des Taxus- oder Eybenbaumes, auch mehre-
rer vortreflichen Holzarten dermaßen ſchlecht, daß ſie
in manchen aͤhnlichen Handelsartikeln, wo es doch
recht wichtige Landesprodukte betrift, ſehr weit,
auch noch lange genug unter der Balance mit frem-
den bleiben, und ihre Indianiſchen Colonien mit un-
terhalten helfen werden.
Denn wer wuͤrde wohl einer oder der andern
von unſern Weiden- oder andern Holzarten die
Ehre anthun, ſie ſo genau kennen zu lernen, zu be-
ſchreiben, ſie zu einem gangbaren Handelsprodukte
zu machen, und, wie es mit dem Baume der Chi-
narinde geſchehen iſt, ſie etliche 100 bis 1000
mahl abmahlen, und den Reiſenden aus Vorſicht
N 2aus-
[196[194]] austheilen zu laſſen, damit ſie davon zu allerhand
Abſichten in andern Gegenden Kenntniß nehmen
und ſie entdecken koͤnnten? Welch Ungluͤck aber
wuͤrde es fuͤr unſere jetztlebende Welt nicht ſeyn,
wenn einmahl die auf den hoͤchſten amerikaniſchen
Kettengebirgen, los Cordileras, immer drohenden
Vulkane, einen Theil der fruchtbaren Gegend von
Quito oder andere Gegenden mit Lava uͤberſtroͤmte,
und den daſelbſt wachſenden Chinarindenbaum, Cin-
chona, auf eine geraume Zeit verwuͤſteten? Als-
denn wuͤrde die Frage ſeyn, ob die Handlung mehr,
als die Fieberpatienten durch ihre Aerzte verlieren
koͤnnten, welche außer der Chinarinde kein einziges
wirkſames Arzeneymittel von gleichen Kraͤften mehr
auszufinden im Stande waͤren, wie ſie ſich und an-
dern einbilden wollen? Wer weis, ob man die al-
te Welt, vor der durch einen Zufall entdeckten Fie-
berrinde, eben fuͤr ungluͤcklicher halten konnte, als
die jetzige.
Geſetzt aber, daß ſich alle unſere Holzarten
oder doch die meiſten, in Fieberrindenbaͤume, oder
in jene bereits angezeigten theuren Hoͤlzer verwan-
deln koͤnnten, ſo wuͤrde es noch darauf ankommen,
ob uns eine ſolche Neuigkeit in der That vortheil-
haft ſeyn und lange genug bleiben koͤnnte? Sollte
man deshalb etwa anfangen, die Forſten ſchicklicher
zu behandeln, als es in vielen deutſchen Provinzen
geſchehen iſt? ſollte man alsdenn von dieſen Schaͤ-
tzen des Staats wohl beſſere Kenntniſſe nehmen,
wie
[197[195]] wie es von allen nutzbaren Landesprodukten uͤber-
haupt ſeyn muͤßte? Vielleicht iſt es nicht zu hart
geſagt, daß ſich noch wichtige Anſtalten in ihrer er-
ſten und eben derjenigen Kindheit befinden, welcher
ſich die Naturgeſchichte, ohne dem Staate zu nutzen,
wegen der Menge ihrer uͤbertriebenen Spielwerke,
mit ſtarken Schritten faſt wieder zu naͤhern ſcheint.
Zu dem, was ich hier ſage, veranlaſſet mich eine
ſehr gewoͤhnliche Nachlaͤßigkeit bey der Unterſu-
chung und deſſen Anwendung der deutſchen Holzar-
ten und uͤbrigen nutzbaren Landesprodukte, von
welchen ein großer Theil, faſt blos aus dieſem
Grunde, gegen die fremden immer noch ungenutzt
bleibt.
Was nun die Weide betrift, als einen der
Betrachtung des Naturforſchers, des Arztes und
des Haushalters nicht unwuͤrdigen Vorwurf, ſo
habe ich unter denen in meiner Syſtematiſchen Ein-
leitung in die neuere Forſtwiſſenſchaft angefuͤhr-
ten 103 wilden Holzarten, die in ſaͤmmtlichen
Landen Koͤnigl. Preuß. Hoheit, von der Flaͤche des
Meeres, den Preuß. Pommeriſchen und Oſtfrieſi-
ſchen Kuͤſten, und den Ufern des Rheinſtromes an,
uͤber die Weſtphaͤliſchen Harzen, und deren anſtei-
gende Mittelgebirge, auch die in unſern Landfor-
ſten ausſtreichenden Vorgebirge, bis nach Schleſien
auf das Rieſengebirge und die Grafſchaft Glatz ge-
funden worden, nur 13 verſchiedene und wohl zu
beſtimmende Weidenarten, ausgezeichnet, wie
N 3dieſe
[198[196]] dieſe in Zeit von 40 Jahren nach und nach in ihren
Abaͤnderungen entdeckt worden ſind. Außer dieſen
Graͤnzen hat der verſtorbene Ritter von Linné in
ſpeciebus Plantarum 31, Mr. Duͤ Hamel 32, der
Herr von Haller in Hiſtoria Stirpium Helvetiae 22,
der beruͤhmte Rajus in Hiſtoria Plantarum 20,
und Herr Scopoli in flora carneolae altera 12, an-
gegeben, worunter aber noch manche Abaͤnderungen
der Hauptarten mit begriffen ſind.
Alle Weidenarten aber theilen ſich bey uns
von ſelbſt in 2 Hauptunterſchiede, welche, ob ſie
ſchon bey den Votaniſten in keine beſondere Be-
trachtung kommen, doch dieſelbe in Abſicht auf
die Landwirthſchaft und Forſtkenntniß verdienen.
Ihre Rennzeichen ſind ſehr ſinnlich und entſchei-
dend, nehmlich die fruͤhe Bluͤthe der einen Ord-
nung von Weiden, welche zuerſt noch vor dem
Ausbruche des Laubes geſchiehet, auch aus beſon-
dern Bluͤthenknospen, die von den uͤbrigen Blaͤt-
teraugen ganz beſonders ſind. Dieſe haben den
Namen des Werftes oder der Werftweiden, Pal-
men und Palmweiden. Die zweyten Weidenar-
ten hingegen, welche eigentlich Weiden genennet
werden, unterſcheiden ſich von den erſtern darinnen,
daß ihre Blumenzapfen mit dem ausbrechenden
Laube auch kurz nach demſelben zum Vorſchein
kommen.
Es befinden ſich unter allen dieſen zuſammen
genommen nur 7 Gattungen, die man bey uns ge-
wohnt
[199[197]] wohnt iſt, beſonders anzubauen, und zu Baͤumen
zu ziehen, und deshalb zahme Stamm- Baum-
Kropf- und Zucht-Weiden genennet werden; ob man
ſie gleich, ihrer langen Ruthen halber, mit etlichen von
den uͤbrigen, auch zu beſondern Abſichten, zu hohen,
mittlern, oder feinen Straͤuchen ziehet, oder gar
wild aufwachſen laͤßt, unter welchen ſich die Stamm-
weiden, zumahl in ihren natuͤrlichen Standoͤrtern,
wieder in niedrige ſchwarze Strauchweiden, auch
von ſelbſt in Stammweiden verkehren, wie es nach
Anzeige des Theophraſts der Myrtenbaum, auch
viele von den aus Ablegern erzogene, oder ſonſt in
Krone und Stamm fehlerhaft gewordene, Laubhoͤlzer
auch thun. Dieſer Umſtand des wieder Ausſchla-
ſchlagens der Sproſſen oder Lohden aus Wurzel
und Stamm unterſcheidet faſt alles große Na-
delholz, das wir kennen, als wahre natuͤrliche
Baͤume von andern aͤhnlichen immergruͤnenden
Gattungen, weil es nach dem Hiebe des Stammes
niemahls aus ſeiner Wurzel wieder ausſchlaͤgt, und
folglich nur ein einziges mahl denjenigen hoͤchſten
Nutzen geben kann, den man von Stamm- oder
Oberholze erwartet.
Die uͤbrigen Weiden werden entweder, we-
gen der kurzen Dauer ihrer ſchwachen Staͤmme,
nicht zu Baͤumen erzogen, oder ſie bringen groͤßern
Nutzen, wenn man ſie in niedrigen Straͤuchern er-
ziehet. Ein Theil von den letztern bleibet allezeit
niedrig, und treibet, nach Unterſchied des Bodens,
N 4bald
[200[198]] bald kurze, bald laͤngere, doch immer ſchwanke und
ſchwache Ruthen, ohne das Anſehen der erſten je-
mahls zu erhalten, und fuͤhret den Namen der
Heck: oder Strauchweiden. Die allerkleinſten
Gattungen, darunter ſind die Erd-Zwerg-An-
ger-Feld-Berg-Stein-Moos-Bruch-Moor-
und Grund-Weiden, welche zuweilen auf Wieſen,
Triften und in Forſten uͤberhand nehmen, wo ſie
ohne weitere Kenntniſſe, unter dem Namen der
wilden Weiden und des Unkrautes, ausgerottet
werden muͤſſen. Unkraut aber iſt keine beſondere
Gattung, Ordnung, oder Klaſſe von Gewaͤchſen,
es erhaͤlt vielmehr jede ſonſt uͤberall nuͤtzliche Pflan-
ze den Namen des Unkrautes alsdenn, im land-
wirthſchaftlichen Verſtande, ſobald ſie auf den ge-
bauten oder natuͤrlichen Grundſtuͤcken gegen die
Abſicht entſtehet, darauf uͤberhand nimmt, und den
uͤbrigen Pflanzen aus den Boden das Nahrhafte
entziehet. In dieſem Verſtande werden die klei-
nen und jungen Erdweiden oͤfters Unkraut ge-
nennet, wenn ſie zumahl, dem Aeußerlichen nach, den
Staudengewaͤchſen gleichen. Sie bleiben dem-
ohngeachtet doch wahre, aber die kleinſten und
ſchwaͤchſten Holzarten von allen, indem ſie nicht
nur eine beſtaͤndige, holzige Wurzel haben, ſondern
auch holzige, beſtaͤndige Stengel und Triebe zu-
gleich, die ſich jaͤhrlich, wie die großen Holzarten,
durch einen Zuſatz von Holzringen vergroͤßern. Die
wahren Staudengewaͤchſe hingegen, ſie moͤgen an
Groͤße,
[201[199]] Groͤße, Staͤrke und uͤbrigen Wachsthume mit den
kleinſten Holzarten ſo viele Aehnlichkeit zeigen, wie
ſie wollen, werden doch bey uns niemahls Holzar-
ten, indem ſie noch, vor der Zeit, alle Jahre ihr
Mark verlieren, und folglich ſterben, ſobald ihre
Fruͤchte oder Saamen reif geworden ſind, ehe ſich
aus ihrer Rinde der Baſt abſondern, in den Splint
verwandeln, der Splint aber zu Holze werden kann,
da ſie denn als abgeſtorbene Stengel abgeworfen
werden, oder doch vergehen. Dagegen erſetzet die
beſtaͤndige Wurzel den Abgang dieſer Zweige jaͤhr-
lich durch neue Sproſſen.
So wenig man aber eine zu ihrer Vollkom-
menheit ausgewachſene große Baumweide, deren
nur 7 Arten bey uns unterhalten werden, mit an-
dern ihrer Gattung verwechſeln kann, ſo leicht iſt
es doch ſich in den Kennzeichen derſelben zu irren,
ſobald man nur die aus ihren Zweigen gezogenen
Zaum- Heck- Bach- und Waſſerweiden vor ſich
hat, oder in einen ſolchen natuͤrlichen Aufſchlag
geraͤth, wo ſich, wie nach den Waſſerjahren, etli-
che Sorten von Baum- und kleinen Erdweiden
untereinander von abfliegenden Saamen in Moos-
Schlamm-weißen oder Torf-Moor ſelbſt geſaͤet ha-
ben, oder durch Sturmwinde an den hohen Felſen,
zwiſchen andern Geſtraͤuche von Erd- und Berg-
weiden, ein junger Aufſchlag erfolget. Das phyſi-
ſche Clima jeder Gegend, nebſt der verſchiedenen
Art des hoch und frey, tief, ſchattig, trocken oder
N 5feucht
[202[200]] feucht gelegenen Grundes veraͤndert dergleichen
junge Saamenpflanzen eben ſo ſtark, wie die
aus der aͤltern Wurzel entſtehenden Triebe, auch
bis ins unkenntliche, daß man zur Sicherheit ihrer
Beſtimmung, ohne ſchnell zu ſeyn, mehrerer Kenn-
zeichen halber, ihre folgende Ausbildung abwarten
muß. Der junge Ausſchlag und Aufſchlag des
Werftes, den man ſonſt Sol- oder Seil- und
Saalweide nennet, giebt mit ſeinen Arten und de-
ren Abaͤnderungen, in ſeinen erſten Zeitalter, man-
che Gelegenheit, daß ſich ſonſt wohl geuͤbte Kenner
in Schlagehoͤlzern, auf ſumpfigen Wieſen, an bu-
ſchigen Huͤgeln und zwiſchen den Steinfelſen auf
hohen Gebirgen, ſelbſt dadurch hintergehen laſſen.
Der alte verehrungswuͤrdige C. Bauhin zu
Baſel, an welchen man ohne Dankbarkeit nicht
denken ſollte, der in ſeinen muͤhſamen Schriften
noch immer lebet, und eine Menge von Tadlern
uͤberlebt hat, welche in ihren Schriften mehr Critik
und Geſchrey angebracht hatten, als daß ſie damit
den Nachkommen bey der Anwendung haͤtten Nu-
tzen ſchaffen ſollen, dieſer hat uns in ſeinem Pinace
25 Weidenarten angegeben, und Mr. Tournefort,
der mir und allen Kennern immer gleich groß bleiben
wird, hat ſich nach dieſen aufrichtigen Vorgaͤnger
in vielen Stuͤcken uͤberaus gerichtet, wie auch der
juͤngſt verſtorbene Herr von Haller, welchen drey
großen botaniſch- praktiſchen Maͤnnern zuſammen-
genommen, ich bey vielen Umſtaͤnden weit mehr
zu
[203[201]] zu trauen Urſache finde, als vielen andern, die ſich
mehr mit fremden Federn geſchmuͤckt, und durch
Meynungen beruͤhmter gemacht, als durch ſelbſt
erlangte Kenntniſſe und Arbeiten. Der durch-
ſchauende Ritter von Linné, ein ſeltenes Origi-
nal ſeiner Nation, deſſen Wachſamkeit nicht leicht
eine alte oder neue Pflanze entwiſchen konnte, wenn
nur davon wenigſtens einige obſchon dunkle Spu-
ren aufzufinden moͤglich waren, hat bey der ſchwe-
ren Beſtimmung der Weidenarten alles gethan,
was er unter einem ſolchen Clima, worunter er le-
ben mußte, thun konnte.
Dieſer wegen Einrichtung ſeiner Pflanzen-
charaktere hoͤchſt verdiente Gelehrte hat mir uͤber
die offenbare Veraͤnderung der Alpen- und Ge-
birgsweiden in Lappland, wenn ſie in die Gaͤr-
ten verpflanzt werden, eine ſchriftliche Erklaͤrung
gegeben. Dieſe Weiden ſind, wie man ſiehet, und wie
durch die noch neuern Guͤldenſtaͤdtiſchen und andere
Erfahrungen noch verſichert wird, von denen auf den
hoben Schweizergebirgen, den Pyrenaͤiſchen, Walla-
chiſchen, Caucaſiſchen, Savoiſchen, Tridentiniſchen,
Schottiſchen, Ungariſchen, und andern Italieni-
ſchen Alpen wenig verſchieden, daß ſie vielmehr
manches mit ihnen gemein haben. Der Ritter
meldet in ſeinen Nachrichten an mich, er habe dieſe
ſeine Weiden in Speciebns Plantarum ſo beſtimmt,
wie er ſie gleich anfangs in ihren natuͤrlichen Stand-
orten beſtimmen koͤnnen, habe aber an eben dieſen,
in
[204[202]] in ſeinen Garten verpflanzten Alpenweiden eine
ſehr betraͤchtliche Veraͤnderung erfahren, indem ſie
an ihrer aͤußern Geſtalt, nebſt andern Eigenſchaften,
mit den zunehmenden Alter und Wachsthume, mehr
oder weniger, aber doch dermaßen veraͤndert wor-
den, daß er, wegen der unbrauchbar werdenden ehe-
maligen Kennzeichen, ganz neue annehmen muͤſſen,
um ein an Gattungen ſo reiches Geſchlecht richtiger
beſtimmen zu koͤnnen.
Der Herr von Haller berichtet mir einen et-
was aͤhnlichen Umſtand, der aber nicht die Ver-
aͤnderung der Alpengewaͤchſe durch das Verpflan-
zen in Gaͤrten, ſondern die merkwuͤrdigen, unbe-
ſtaͤndigen Abaͤnderungen der hohlen, ſtaudigen,
fremdenDelphiniorum und Aconitorum betraf,
und ſich durch die Saat dieſer Gewaͤchſe ereignet
hatte; wobey er eine ſchriftliche Vergleichung
zwiſchen jenen und der Unbeſtaͤndigkeit der neuen
Linnaͤiſchen Pflanzengeſchlechtscharakteren macht.
Ueber dieſe von beyden großen Maͤnnern angegebe-
nen Abweichungen und Veraͤnderungen, die ſich
aus einem phyſiſchen Clima in das andere zutragen,
habe ich gelegentlich hin und wieder in meinen
Schriften ſo faßliche Erklaͤrungen gegeben, als mir
davon zu geben moͤglich geweſen iſt, welchen
ich hier nur folgendes beyzufuͤgen im Stan-
de bin.
Es giebt nehmlich ganze natuͤrliche Ge-
waͤchsordnungen, die ſich nicht nur ſchwerer, ſon-
dern
[205[203]] dern auch ſeltener veraͤndern, bey andern iſt die Ver-
aͤnderung theils langſamer, theils unmerklicher, wel-
ches ſogar bey ihrer Vermehrung angemerkt zu
werden verdient, da unter andern die aus Wur-
zeln, Ablegern, Knoſpen und Pfropfreißern, ver-
mehrten Gewaͤchſe, zum großen Vortheil der Haus-
und Landwirthſchaft, beſtaͤndiger ſind, als andere,
die man aus der Saat zumahl im Graſe erziehet.
Ueberhaupt aber iſt keine einige Geſchlechtsart, un-
ter ihren natuͤrlichen Clima, und in einerley ihr be-
ſonders zukommenden Standorten, ſo beſtaͤndig,
daß ſie nicht zuweilen aus einem ſchlechtern Zuſtan-
de in einen beſſern, oder aus dem letztern in den er-
ſtern uͤbergehen ſollte, wobey ſich nicht allezeit an
Groͤße, Geſtalt, Farbe, Geruch und Geſchmack,
die Merkmale aͤußern koͤnnten.
Bey der natuͤrlichen und kuͤnſtlichen Ausſaat
der Gewaͤchſe, wenn ſie im Großen geſchiehet, ſind
zu Zeiten weniger, ein andermahl viele oder die
meiſten, ja faſt alle, Veraͤnderungen und Veraͤnde-
rungsarten gradweiſe, auf einmahl beyſammen zu
finden, die man davon erwarten kann, ſie moͤgen
betreffen, welche Theile der Eigenſchaft ſie wollen,
oder auch deren Fehler und Vollkommenheiten,
das Clima mag außerdem einerley oder verſchieden
ſeyn. Dabey aber iſt wohl zu merken, daß vieles,
nach der verſchiedenen innern Vollkommenheit der
Saamen ſelbſt, in denen abwechſelnden Ausbil-
dungsperioden der Gewaͤchſe, vor ſich gehet, und
ſich
[206[204]] ſich bey einem großen Theile derſelben erſt kurz zu-
vor, oder nach ihrer Befruchtungsperiode aͤußert,
von welchen allen der Grund ſchon in den Zufaͤllen
lieget, die in des eben auskeimenden Saamens ganz
erſten und unbegreiflich zarten Anlage und Saͤften
dermaßen wirken, daß deſſen faßrig markiger Ent-
wurf dergleichen nicht auszuhalten im Stande iſt.
Aendern nun die innern Bewegungen unter andern
die Richtung der unentwickelten Faſern nur im ge-
ringſten und auf das unmerklichſte, ſo werden ſich
die Folgen davon bey der abweichenden Ausbildung
der Pflanzentheile allemahl zeigen muͤſſen, indem
dieſe nachfolgenden aͤußerlichen Umſtaͤnde mit der
Lebhaftigkeit, Heftigkeit, Schwaͤche, Gleichheit
und Ungleichheit der innern Bewegungen ſo genau
verbunden ſind, daß ſie, nach Maasgabe der uͤbri-
gen zufaͤlligen Ausbildungsurſachen, davon groͤßten-
theils abhaͤngen.
Ob uns nun zwar eine tiefere Einſicht in das
Innere der natuͤrlichen, auch der davon verſchiede-
nen abweichenden und der unnatuͤrlichen, geſtoͤhrten
Ausbildungsordnung bey den Gewaͤchſen aus ihren
belebten Saamenkeimen nicht uͤberlaſſen iſt, daß
wir von denen dabey abwechſelnd vorgehenden Na-
turwirkungen entſcheidend genug urtheilen koͤnnten;
ſo nehmen wir doch die aͤußerlichen Veraͤnderungen
bey der verſchiedenen abweichenden Entwickelung
der Pflanzentheile, als Folgen davon, ganz deutlich
wahr. Denn die aͤußere Geſtalt, Groͤße, Farbe
und
[207[205]] und noch andere Eigenſchaften mit Geruch und
Geſchmack, ſind oͤfters nicht mehr diejenigen ge-
woͤhnlichſten, welche wir ſonſt, nach der uͤbereinſtim-
menden Vielheit ſolcher Kennzeichen, vor die na-
tuͤrlichſten halten koͤnnen, wie uns denn einzelne
Gewaͤchſe dadurch gradweiſe dermaßen fremd und
unkenntlich werden, daß zuletzt die Kenner ſelbſt in
Verlegenheit gerathen muͤſſen.
Die natuͤrlichen Pflanzenordnungen koͤnnen
hiervon die richtigſten Beweiſe geben, und man
kann von vielen einzelnen Gewaͤchſen mit Wahrheit
ſagen, daß es zuweilen weit leichter ſey, ihre na-
tuͤrliche Ordnungen zu erkennen, als die Geſchlech-
ter zu errathen, unter welchen die ſo zahlreichen Ab-
aͤnderungen ſtehen muͤſſen; ob gleich, dem einmahl
beſtimmten Naturgeſetze zufolge, kein einziges Ge-
waͤchſe, gleich allen uͤbrigen organiſchen belebten
Naturkoͤrpern, im eigentlichen Verſtande ausarten
kann, das iſt, aus ſeiner oder derjenigen Art ſchla-
gen kann, aus welcher daſſelbe entſtanden iſt.
Aus der nunmehro angefuͤhrten Veraͤnderung
der natuͤrlichen Pflanzengattungen durch die natuͤr-
liche und kuͤnſtliche Saat, kann man auf diejenige
leicht ſchließen, welche den in den Upſaliſchen Gar-
ten verpflanzten Lapponiſchen Alpenweiden wieder-
fahren iſt. Der Umſtand wird vor das erſte ſchon
vor die Botaniſten ſehr betraͤchtlich gefunden, daß
er manche unter ihnen, wegen ihrer allzu betruͤgli-
chen und uͤbereilten Beſtimmungskennzeichen von
Ge-
[208[206]] Geſchlechtern und Gattungen recht aufmerſam ma-
chen ſollte. Denn wie wuͤrde es mit dieſen und
vielen andern Gewaͤchsarten weiter gehen, wenn ſie
unter einen noch gemaͤßigtern Himmelsſtriche, als
unter welchen Upſal gelegen iſt, verpflanzet wuͤrden.
Der natuͤrliche Zuſtand und Standort der Ge-
waͤchſe auf unſerm Erdballe macht, gegen die mehr
gekuͤnſtelte und oft ſehr unnatuͤrliche Gaͤrtnerbehand-
lung derſelben unter fremden Himmelsſtrichen, ſehr
große Unterſcheide, die die Pflanzengeſchlechtscha-
raktere ſo wie die Arten bey den Botaniſten und
uͤbrigen Naturforſchern, faſt beſtaͤndig aͤndern, und
zuweilen ganz ausſtreichen; daß ſie deshalb auf die
kuͤnftige Gewißheit und Ewigkeit ihrer Lehrgebaͤude
eben ſo wenig und nicht gewiſſere Rechnung zu ma-
chen haben, als auf die Dauer eines Regiſters.
[209[207]]
Ausfuͤhrliche Inſtruktion
fuͤr den Schleſiſchen Landſtand,
wie ſowohl der
Wolletragende Weidenbaum
anzubauen und zu pflegen,
als auch
wie deſſen Wolle zu ſammeln, und zum Gebrauch
zuzurichten ſey.
Auf mancherley Baͤumen, Pflanzen, und Graͤ-
ſern Deutſchlands hat man meiſtens zwiſchen ihren
Saamen eine haͤufig wachſende Wolle von ſo ver-
ſchiedener Beſchaffenheit und Feine getroffen, daß
man, geruͤhrt von dieſer Vorſorge der guͤtigen Natur
allerhand wohl uͤberlegte Verſuche damit ange-
ſtellt. Die mehreſten hiervon geriethen, ſo wie wir
wuͤnſchten, und konnten jedermann ſattſam uͤber-
zeugen, daß dieſe Baum- und Pflanzenwollen zu
Botan. Abhdl.IIB. Oviel-
[210[208]] vielfaͤltigen Haushaltungs- und Manufakturge-
brauch mit Nutzen anzuwenden waͤren. Die Na-
turgeſchichte Schleſiens belehrt uns auch ganz un-
truͤglich, daß bereits vor 5 Jahren die gelehrte
Aufmerkſamkeit einiger Schleſier eine feine, weiße,
auf den Lorbeer- oder Schaafweiden wachſende
Baumwolle nicht nur in Schleſien zuerſt entdeckt,
ſondern, daß auch ihr nachahmenswuͤrdiger Fleiß
und Geſchicklichkeit, in denen damit angeſtellten gro-
ßen und kleinen Verſuchen, es ehedem ſchon ziem-
lich hoch gebracht habe. Die Fortſetzung derſelben
wurde durch die ſeit etliche und zwanzig Jahren
in Schleſien abwechſelnden Kriegsunruhen gaͤnzlich
unterbrochen.
Nachdem aber auf allerhoͤchſten Koͤnigl. Be-
fehl in Breslau beſonders ſeit ein Paar Jahren
mit der Weidenwolle viele neuerliche Verſuche an-
geſtellet, und die Nutzungen derſelben ſehr erheblich
befunden, auch bereits von vielen Dominiis ein be-
traͤchtlicher Vorrath dieſer Wolle anhero geliefert
worden; ſo hat man nicht laͤnger Anſtand genom-
men das darnach begierige Schleſiſche Publikum
annoch umſtaͤndlich zu unterrichten, wie dieſe ehe-
malige Schleſiſche ſchoͤne Entdeckung koͤnne ge-
meinnuͤtziger gemacht werden, und wie die ſchon
vorgekehrten guten Anſtalten mit leichter Muͤhe und
großem Vortheil zu unterſtuͤtzen ſeyn.
Nach den genauen phyſiſchen neuerlichen Un-
terſuchungen ſind in Schleſien und hauptſaͤchlich im
Bres-
[211[209]] Breslauiſchen Fuͤrſtenthum 22 Sorten Baum- und
Strauchweiden, darunter aber vornehmlich 8
Wolletragende Gattungen aufgefunden worden, die
ſowohl an Menge, als auch an Guͤte, ſehr unter-
ſchiedene Wolle tragen.
Ob nun gleich bey den Landoͤkonomien die
Fortpflanzung aller Weiden uͤberhaupt, wegen der
vielfachen Nutzung ihres Holzes, hierdurch gar nicht
unterſagt wird, ſo ſind doch vorzuͤglich, zur Erfuͤl-
lung der ſo vortheilhaften Abſichten mit der Baum-
wolle, nur zwo Gattungen bekannt, deren Wolle die
andern 6 Sorten an Menge und an Feinheit weit
uͤbertreffen, weswegen man den Anbau derſelben
um deſto haͤufiger zu veranſtalten vor noͤthig befindet,
da ſie entweder noch gar nicht, oder doch nur ſpar-
ſam, vorhanden ſind.
Die erſte Gattung heißt der Landmann nicht
nur in Schleſien, ſondern auch in andern Provinzen,
die Lorbeer- oder Schaafweide, welche ſich von al-
len andern Weiden, aus der gleich folgenden Be-
ſchreibung, am allerkenntlichſten unterſcheiden laͤßt.
Sie waͤchſt, beſonders wenn ſie oͤfters tief behauen
wird, und aus den unterſten Stamme wieder neue
Triebe und Aeſte machen muß, als eine Strauch-
weide. Stehet ſie aber nur lange ruhig, und
kann ſie unbehauen ohne Hinderniß fortwachſen,
oder wird ſie bald anfangs in langen vierelligen
Stangen fortgepflanzt; ſo wird daraus ein Stamm
von mehr als 20 Ellen in der Hoͤhe, dergeſtalt,
O 2daß
[212[210]] daß es blos die Verſchiedenheit des erſten Anbaues
und der Pflege beſtimmt, ob man ſie nur unter den
Strauchweiden, oder ebenfalls unter den Baͤumen,
wo nicht mitten in großen harten Holzwaͤldern, doch
an den Raͤndern derſelben ſuchen ſoll.
Die Stammrinde eines ſchon ziemlich erwach-
ſenen Baumes iſt etwas ſchuppigt, von mehr brau-
ner Farbe, als bey andern Weiden: die jungen 4
bis 5jaͤhrigen Staͤmme oder Aeſte, bedeckt eine
glatte Rinde von etwas dunkler gruͤnen Farbe.
Das Holz iſt hart, zaͤhe und feſter, mithin auch
die Aeſte nicht ſo ſehr biegſam, ſondern etwas ſproͤ-
der, demohnerachtet aber knackt es im Feuer viel-
mehr, als Tannenholz. Es macht eine ſchoͤne
feine Aſche, die beynahe der Aſche von Buchen-
holz gleich kommt.
Sehr ſelten, ja faſt gar nicht, trift man von
dieſer Art Weiden, ſo ausgehoͤlte und beynahe nur
mit ein wenig Rinde zuſammenhaͤngende Staͤmme
an, wie bey andern Weiden am gewoͤhnlichſten iſt,
woraus ganz deutlich zu ſchließen, daß dies Holz
in freyer Luft von Wuͤrmern und Inſekten nicht
leicht angegriffen wird, auch dauerhafter und ſchwe-
rer, als gemeines Weidenholz, ſey.
Das von allen uͤbrigen Weidenblaͤttern ſich ſo
ſehr unterſcheidende Blatt hat mit denen jedermann
bekannten gemeinen Lorbeerblaͤttern eine große, doch
nicht vollkommene, Aehnlichkeit. Es iſt dunkel,
gruͤn, breit, lanzenartig, geſpitzt, ſteif, an beyden
Raͤn-
[213[211]] Raͤndern oder Kanten fein gezackt, und auf beyden
Seiten glatt und glaͤnzend. Es waͤchſt auf rothen
duͤnnen Stielchen, die kaum einen Zoll lang ſind.
Zwiſchen den Blaͤttern traͤgt ſie ſowohl an den
obern als untern Aeſten, nach Maasgabe des Ue-
berfluſſes ihrer Saͤfte, viel, oder wenig lichtgruͤne
Wollaͤhren oder Zaͤpfchen, die ſelten drey Zoll lang
ſind und 60 bis 80 kegelartige, oben zugeſpitzte, bis zur
Reife verſchloſſene, Knospen reihenweiſe an einen
fortgeſetzten gruͤnen Stiele tragen, welche etwas
dicker als die Wollenknospen von andern Weiden
ſind. Zunaͤchſt unten an den Aehrenſtielen ſtehen
gemeiniglich kleine, ſchmaͤlere, und nicht ſcharf ge-
ſpitzte Blaͤttchen, worunter auch einige oberwaͤrts
rund verſchnitten ſind. In den kegelartigen Knos-
pen ſteckt ein mit zwo Valveln verſehenes Saamen-
behaͤltniß, worinnen die Natur, aus einem zuvor ge-
weſenen dicken Safte, die belobte Wolle erzeugt,
welche das ungemein kleine, ſchwarze, ſchmale und
kurze Saamenkoͤrnchen in ſich faſt. Zuweilen wach-
ſen auch, nach Angabe einiger Gelehrten, auf der-
gleichen Lorbeerweiden, Aehren oder Zaͤpfchen mit
kelchartigen, reihenweiſe an einem Stiele, neben
und uͤbereinander haͤngenden, offenen Schuppen,
aus welchen gerade auf lange fadenfoͤrmige Roͤhr-
chen hervorragen, worauf ſich ein in 4 zarte Faͤcher
getheiltes Behaͤltniß mit den gelben Blumenſtaub
befindet. Dieſe heißt man maͤnnliche Blumen,
O 3und
[214[212]] und duͤrfen, weil ſie nicht Wolle tragen, nicht auf-
geſammelt werden. Jene hingegen mit der Wolle
ſind die weiblichen Blumen, die zu unſern Abſich-
ten dienen. Wir erinnern dies blos beylaͤufig des-
wegen, damit, wenn man ja in einigen Gegenden ſol-
che Lorbeerweiden mit maͤnnlichen Blumen finden
ſollte, das Publikum doch hiervon ſattſam unter-
richtet ſey.
Ihre Bluͤthezeit iſt, nach Beſchaffenheit des
Bodens, des ſchattigen, oder Sonnenreichen Orts,
und der Witterung verſchieden, gemeiniglich ſchon
zu Anfange des Auguſtmonats, in andern Gegen-
den aber auch manchmahl drey bis vier Wochen
ſpaͤter. An Teichdaͤmmen, an ordentlichen Waſ-
ſergraben, an feuchten Wieſen und Straßen, in
Gegenden, wo Erlen, Orlen, Aſpen, Ruͤſtern,
Eſchen und dergleichen befindlich ſind, in ſchwarzer,
in gruͤner und in Moorerde, in feuchten und etwas
ſumpfigen, ferner in lehmigen, wie auch in Lehm-
mit Sande vermiſchten Boden, pflegt die gedachte
Weide am geſchwindeſten zu wachſen, und am be-
ſten Wolle zu tragen. In grob kieſigen, in ſtar-
ken und fein ſandigen Boden, der mit keiner an-
dern Erde vermiſcht iſt, kommt ſie zwar auch fort,
bleibt aber viel ſchwaͤcher, und traͤgt ſowohl weni-
ger als kleinere Wollenzaͤpfchen, weil ſich die Re-
genfeuchtigkeiten nicht lange genug um die Wur-
zeln aufhalten, ſondern bald durchſeigern, imglei-
chen auch, weil die durch die Sonnenſtrahlen zu
ſehr
[215[213]] ſehr erhitzten Sandkoͤrner die in den Wurzeln be-
findlichen Nahrungsfeuchtigkeiten, auf mancherley
Art, verderben und vermindern.
Ob man gleich, vermoͤge genauern Unterſuchun-
gen, in einem einzigen Wollenzaͤpfchen oder Aehre
einige Hundert Saamenkoͤrner wahrgenommen, ſo
iſt doch die Vermehrung dieſes Baumes durch den
Saamen allzu langweilig, ſo daß, mit weniger Ar-
beit, und mit weit beſſerm Fortgange, ihre Fort-
pflanzung nach Art anderer Weiden vorzunehmen iſt.
Im Fruͤhjahr ſchneidet man Stangenaͤſte und
Zweige ab, und ſteckt ſolche, ſobald der Boden
von Eis und Froſt befreyt iſt, an den dazu beſtimm-
ten Orten, 3 bis 4 Ellen weit auseinander in die
Erde, wobey man aber, nach der jedem Landmanne
bekannten Art, wie mit andern Satzweiden, ver-
faͤhrt.
Weil nun, wie oben erwaͤhnt, ob dieſe Weide
kuͤnftig hoch, baumſtammig oder niedrig und ſtrauch-
artig iſt, meiſtens durch die erſte Anpflanzung beſtimmt
wird, ſo iſt rathſam, ein bis zwo Zoll dicke und
drey bis vier Ellen lange Stangen und Aeſte ein-
zuſtecken, woran die unten aus dem Stamme anſe-
tzenden Schoͤßlinge ſorgfaͤltig abzuputzen ſind, damit
die ganz oberwaͤrts ausſchlagenden Triebe deſto
geſchwinder ihre vollſtaͤndige Krone bekommen. Es
belohnet dieſe Vorſicht ein mannigfaltiger Vortheil,
denn das allzuſtarke ganz niedrige Ausbreiten der
Aeſte einer Strauchweide vermindert dem auf
O 4dem
[216[214]] dem Boden befindlichen Graſe ſeinen Wachsthum,
und wegen der vielen ſo gar ſtarken verwachſenen
Aeſte kann es nicht genugſam genutzt werden. Sie
nimmt auch unnoͤthigerweiſe durch dies Ausbreiten
zu viel Platz ein. Das in dieſen Gegenden wei-
dende Vieh, beſonders Schaafe und Ziegen, wie
nicht weniger Haaſen und Fuͤchſe pflegen um deſto
bequemer die jungen Sproͤßlinge, die zarten Blaͤt-
ter, und die feinen Aeſtchen zu erreichen, und abzu-
beißen. Ja man hat beobachtet, daß Ziegen und
Schaafe die jungen, halberwachſenen, annoch voller
Saft ſteckenden, Bluͤthen und Wollenaͤhren, als
ein Leckerbißchen, mit beſonderer Begierde abfreſ-
ſen; beſonders wenn die in der Naͤhe befindliche
Weide, bey duͤrrer Zeit, entweder zu ſparſam oder
zu trocken iſt, oder wenn ſolche den dieſen, nach al-
lerley Futterungsabwachſe ſo begierigen Viehe, ge-
woͤhnlichen Appetit nicht genugſam erfuͤllen mag.
Wird hingegen gleich bey dem erſten Anbau darauf
geſehen, hochſtaͤmmige Baͤume zu erziehen, ſo kann
das Vieh nicht durch Abfreſſung der Sproͤßlinge
den Wachsthum der Baͤume hindern; die darun-
ter befindliche Graͤſerey waͤchſt reichlicher, und iſt
vollſtaͤndiger zu nutzen: imgleichen koͤnnen die Wol-
lenzaͤpfchen ungeſtoͤrt fortwachſen, und uͤber dies
alles iſt es bekannt genug, daß eine baumartige in
der Hoͤhe ſich ausbreitende Weide eine viel groͤßere
Menge Wollenaͤhren traͤgt, als eine niedrige
Strauchweide, deren Wachsthum auf mancherley
Art
[217[215]] Art mehr verhindert wird. Sonſt iſt bey der uͤbri-
gen Kultur noch beſonders zu beobachten, daß
man dieſe Art Weiden nicht, wie die andern Gattun-
gen, in gewiſſen Jahren behauen duͤrfe, weil ihre
Nutzung nicht ſowohl in Ruthen und Holz, ſondern
blos in der darauf wachſenden Wolle beſtehet. Die
neu anwachſenden Aeſte ſind gemeiniglich erſt im
dritten Jahre faͤhig, Wollenaͤhren zu tragen, wes-
halb man hierbey hauptſaͤchlich auf die Conſervation
und Pflege der Aeſte zu ſehen hat, wofern man ſich
nicht muthwillig einer reichlichen Wollenſammlung
verluſtig machen will.
Nach Verſchiedenheit der Lage der Oerter
und der Witterung, reifen die Wollenzaͤpfchen in
Schleſien gegen Ende des Auguſtmonats, und
auch wohl erſt im Herbſtmond. Hierbey iſt eine
ſorgfaͤltige Aufmerkſamkeit anzuwenden. Die
Aehren bleiben in der beſten Reife gruͤn, und die
daran haͤngenden Fruchtbehaͤltniſſe pflegen, wenn
ſie reifen, dergeſtalt von einander aufzuſpringen,
daß die Wolle heraustritt; bis dahin iſt bey der
Wollenſammlung ſelten zu warten, weil ſonſt zu
viel von dieſem nutzbaren Material verloren gienge,
welches ebenfalls geſchiehet, wenn Sonnenhitze und
Winde das Stielchen zu ſehr vertrocknen, mithin
die Aehre abzufallen noͤthigen, da denn uͤberdies
das Abfallen und das uͤberſtaͤndige Reifen der
Wolle ſelbſt an ihrer Subſtanz und Feine Schaden
macht; uͤbereilt man ſich hingegen mit der Samm-
O 5lung,
[218[216]] lung, obgleich an einigen zu oberſt ſtehenden kegel-
foͤrmigen Fruchtbehaͤltniſſen der tragenden Aehre
ſich ſchon, durch das anfangende Aufſpringen, weiße
Spitzen zeigen, und werden ſie noch unreif abge-
nommen, ſo iſt die Wolle kurz, kraus, und gar
viel ſproͤder, als bey voͤlliger Zeitigung. Zwar
verderben weder Feuchtigkeit, noch Motten, dieſe
Wolle, doch iſt es zutraͤglich ſie an Tagen, da es
nicht regnet, zu ſammeln. Wenn man einige Aeh-
ren oder Zaͤpfchen 24 Stunden lang in Kammern,
Scheunen, oder lauligten Gemaͤchern liegen laͤßt,
und die Wolle faͤngt von ſelbſt an heraus treten, ſo
daß ſie die Aehren faſt bedecket, und daraus ohne
Gewalt leicht abgeſtreift werden kann, weiß man
ein untruͤgliches Kennzeichen der Reife. Ferner
lehrt auch die Erfahrung, daß, ſobald die Spitzen
des kegelfoͤrmigen Saamens oder Fruchtbehaͤltniſ-
ſes, aber nicht nur die oberſten, ſondern die an der
ganzen Aehre durchgehends, ſich auf den Baͤumen
etwas zu oͤfnen angefangen, das Abpfluͤcken beſt-
moͤglichſt ohne Aufſchub zu veranſtalten ſey, weil
ſonſt, bey uͤbermaͤßiger Zeitigung und laͤngern War-
ten, die Wollenbehaͤltniſſe ganz aufſpringen, zu-
gleich aber auch nur durch einen maͤßigen Wind die
mehreſte Wolle verſtaubt wird, und verloren gehet.
Dieſe angegebenen Kennzeichen des rechten Punkts
der Reife ſind von allen denen wohl zu beurtheilen,
die eine zu Haushaltungs- und Manufakturarbei-
ten recht dienliche Wolle mit Nutzen zu ſammeln,
ge-
[219[217]] gewilligt ſind. Ueberdies muͤſſen ſich die Samm-
ler und Abpfluͤcker ſorgfaͤltig in Acht nehmen, daß
ſie aus obigen angefuͤhrten Urſachen, nicht ganze
Aeſte abbrechen, ſondern nur die Aehren mit den
Stielen abpfluͤcken, weil viele abgebrochne dreyjaͤh-
rige und ſtaͤrkere Aeſte die Tragbarkeit und Nutzung
des Baumes auf einige Zeit vermindern. Oefterer
Regen und darauf jaͤhlings erfolgter Sonnenſchein
reizt die Aehren auf den Baͤumen zu zeitig zum Auf-
ſpringen, und macht, daß die Wolle auf einmahl
zu viel heraustritt, da ſie denn auch von der gering-
ſten Luft als leichte Koͤrperchen zerſtreut wird. Bey
naſſen Jahren iſt darauf gar genau Acht zu geben,
und dagegen maͤchtige Vorſicht zu brauchen, damit
nicht die ganze Sammlung dieſes Produkts auf
einmahl fehlſchlage und ſich vereitele. Das Ab-
pfluͤcken der Aehren kann durch darzu unterrichtete
Kinder gar wohl vollbracht werden, damit man die
erwachſenen Perſonen nicht bey andern Haus- und
Feldarbeiten vermißt.
Die geſammelten Aehren lege man ausge-
ſtreut an einen bedeckten Ort, Kammer, Stube,
Boden und dergleichen, wo keine Luft dazu kommt.
In etlichen Stunden eroͤfnen ſich die Knoͤspelchen,
die Wolle quillt heraus, ſammelt ſich oberwaͤrts,
und wird bequem zuſammen abgeraſt. Nach fer-
nern Verlauf von 20 bis 36 Stunden iſt wieder
aufs neue Wolle ausgetreten, die man auf eben
dieſe Art abſtreifen und bey der erſten verwahren
kann,
[220[218]] kann, hernach ſind die Aehren einige mahl aufzulo-
ckern und umzuwenden, daß das oberſte zu unterſt
kommt, damit die uͤbrige Wolle vollends heraus
quillt. Mit dieſem Verfahren haͤlt man ſo lange
an, bis die Zaͤpfchen ganz ausgeleeret ſeyn. Der
Sonnenſchein oder eine andere gelinde Waͤrme des
Gemachs befoͤrdert das Austreten der Wolle ganz
ungemein. Da nun aber, aller Sorgfalt unerachtet,
doch manchmahl aufgeſprungene Knoͤspelchen, Huͤl-
ſen, und allerhand andere Unreinigkeiten in der ge-
ſammelten Wolle zuruͤckbleiben, die ſie zum Spin-
nen und zu andern Arbeiten untauglich machen, ſo
iſt es noͤthig, ſelbige vorher zu reinigen. Die vor-
trefliche Akademie der Wiſſenſchaften in Schweden,
welche mit dieſem Material auch viel nuͤtzliches un-
ternommen, hat diesfalls im VII. Bande ihrer
Schriften eine Reinigungsmaſchine bekannt ge-
macht, wornach der Magiſtrat zu Breslau unter
einigen Verbeſſerungen ebenfalls eine verfertigen
laſſen, auf welcher von etlichen Hoſpitalknaben
eine betraͤchtliche Menge Wolle ſehr gut bearbeitet
worden.
Man ſtellet es einem jeden frey, ſich nach
dieſem Modell eine dergleichen Maſchine anzuſchaf-
fen. Wem aber dies zu weitlaͤuftig oder zu koſtbar
zu ſeyn ſchiene, dem ſchlagen wir hier eine etwas
leichtere Methode zur Reinigung vor, weil doch
der Landmann die Wolle bereits von ihren groͤbſten
Unreinigkeiten geſaubert abliefern ſoll. Man
breite
[221[219]] breite nehmlich entweder die Wollenzaͤpfchen ſelbſt,
oder die ſchon bereits davon abgeſonderte und abge-
rafte Wolle auf Brettern, Boden oder Tiſchen et-
wan zwo Queerfinger hoch uͤber einander aus, und
laſſe ſolche mit kleinen Stoͤckchen oder Gerthen von
einigen Kindern eine Zeitlang beſtaͤndig ſtark peit-
ſchen, und in heftige Bewegung ſetzen, ſo wird alles
unreine Weſen unterwaͤrts liegen bleiben, die reine
feine Wolle hingegen in der Hoͤhe herumfliegen, bis
ſie, nachdem man aufgehoͤrt hat zu peitſchen, wie-
derum herab ſinkt, und alsdann ſehr bequem kann
abgeraſt werden. Oeftere Verſuche und Erfahrun-
gen beſtaͤtigen dies ſattſam. Vielleicht theilt auch
die Erfindungskunſt einem oder dem andern, der
daruͤber weiter nachdenken will, kuͤnftig noch eine
bequemere und beſſere Methode mit, wodurch eben
dieſe Abſichten vollkommen zu erlangen waͤren.
Wir muͤſſen jetzt noch die zweyte ſehr gute
Sorte von Wolletragenden Weiden beſchreiben und
anpreiſen, die man am haͤufigſten in Schweitſch
bey Breslau zu einigen hundert Stuͤcken gefunden,
und wir zweifeln gar nicht, daß dieſelbe eben auch
in andern Gegenden und Kreiſen wuͤrde anzutreffen
ſeyn, wofern man ſich die Muͤhe nicht reuen ließe,
ſolche mit Fleiß aufzuſuchen.
Mit Recht heißt man ſie die Weide mit den
langen, breiten, glaͤnzenden und geoͤhrten Blaͤt-
tern, und mit den laͤngſten Wollenaͤhren. Sie
waͤchſt als ein ſtarker, hoher und gemeiner Weiden-
baum.
[222[220]] baum. Die Rinde iſt leichter, braun, und das
Holz weicher, als von der Lorbeerweide, daher
man auch zuweilen ſo ausgehohlte Staͤmme, wie bey
den gemeinen Weiden, findet.
Es iſt eben nicht hoͤchſt noͤthig, ſie in den vor-
her gedachten Boden anzubauen, da ſie auch mit
einem vermiſchten Lehm und Sande vorlieb nimmt,
wenn es nur nicht lauter grober Triebſand iſt, als
in welchem Boden ſie wohl wachſen, aber ſehr ſpar-
ſam tragen wuͤrde. Sonſt kann ihr Anbau auf die
oben erwaͤhnte Art veranſtaltet werden. Ihr
Blatt iſt glaͤnzend, lang, oben ſpitzig, unterwaͤrts
rund verſchnitten, an einen gruͤnen Stiel gewach-
ſen, und an beyden Raͤndern tiefzackig eingekerbt.
Meiſtentheils in der Mitte des Aſtes von dreyjaͤh-
rigen und aͤltern Wuchſe treibt die Natur zehn bis
zwoͤlf Wollenzaͤpfchen hervor, woran unten am
Stiele zwey bis drey ſchmaͤlere, kuͤrzere, oben ver-
ſchnitten und unterwaͤrts zugeſpitzte, und an den
Raͤndern ſehr fein gekerbte Blaͤttchen haͤngen, die
von dem großen Aſtblatte dieſer Weide ganz ver-
ſchieden ſind, und man auch Aehrchenblaͤtter nennt.
An den fuͤnf bis ſechs Zoll langen Aehren ſind 100
bis 140 kegelfoͤrmige Kapſeln, nur etwas ſchmaͤler,
ſonſt faſt von gleicher Geſtalt wie bey der Lorbeer-
weide gewachſen, in welcher die Wolle befindlich iſt.
Da dieſe Weide ſehr wollig und auch die allerlaͤng-
ſten Aehren mit den zahlreichſten kegelfoͤrmigen
Wollenbehaͤltniſſen traͤgt, ſo iſt ſie auch eben ſo
nutz-
[223[221]] nutzbar, wo nicht an Menge der Wolle nach ergie-
biger, als die Lorbeerweide, obgleich beyde Sorten
an Feinheit einander ganz gleich ſind.
Sie bluͤhet gemeiniglich etwas zeitiger, nehm-
lich ſchon mit Ende des Heumonats oder bald mit
Anfange des Auguſts. Die Merkmale, wenn ihre
Wolle in den Behaͤltniſſen voͤllig reif iſt, ſind eben
aus dem Aufſpringen der Knospelchen, nach denen
oben ertheilten genugſam erklaͤrten Regeln und
Kennzeichen, genau zu pruͤfen; gleichwie auch die
Sammlung, das Ausbreiten der Zaͤpfchen und
Knoͤspelchen, imgleichen das Abraffen und die Rei-
nigung der Wolle auf eben dieſe Art, wie oben
ſchon angewieſen, nur mit dem Unterſchied kann
vorgenommen werden, daß da die Wolle, wenn ſie
nicht die Witterung daran hindert, etwas eher rei-
fet, mithin auch die Sammlung derſelben etwas zei-
tiger zu beſorgen ſey.
Bey dieſer Beſchreibung, die ſich auf mancher-
ley genaue und richtige Unterſuchungen gruͤndet,
erhellet von ſelbſt, daß ſie eben ſowohl, wie jene
Weide angebaut und fortgepflanzt zu werden ver-
dient. Wenn demnach in gewiſſen Gegenden oder
in ganzen Kreiſen gar keine Lorbeerweide anzutreffen
waͤre, hingegen ſich daſelbſt dieſe jetzt belobte Wei-
de mit dem langen, breiten, ſpitzigen Blatte und
mit den allerlaͤngſten Aehren befinden ſollte; ſo
wuͤrde der Anbau dieſer Sorte dem Landmanne
jaͤhrlich ebenfalls eine ziemliche Menge guter Baum-
wolle
[224[222]] wolle zu einer reichlichen Sammlung anbieten, und
die Koͤnigl. Allerhoͤchſten Abſichten auch dadurch
zu erfuͤllen ſeyn.
Dem fleißigen und der Natur immer nachfor-
ſchenden Landmanne thut man noch den Vorſchlag,
daß er doch naͤchſtens verſuchen moͤgte, dieſe zwey
Sorten Weidenbaͤume mit einander durch die be-
kannte allgemeine Einpfropfung zu vereinigen.
Wir verſtehen darunter, daß er in den Aeſten der
Lorbeerweide zu rechter Jahreszeit Augen von der
Weide mit den laͤngſten Aehren, und wiederum
in dieſen Aeſten Augen von der Lorbeerweide gehoͤrig
einpfropfe und dabey ſorgfaͤltig Achtung gebe,
wenn dieſe Aeſte tragbar wuͤrden und ob die darauf
wachſende Wolle etwa an Feine, Zaͤhigkeit oder
Menge einige nutzbare Abweichungen erhielte. Die
Naturkunde lehrt, daß, durch dergleichen Vermi-
ſchungs- und Einpfropfungsproben, nicht nur eine
unzaͤhliche Menge von Fruͤchten, groͤßer, ſchmack-
hafter und eßbarer werden, ſondern daß man auch
durch dieſe Kunſt viele neue, ſchoͤne und wohl-
ſchmeckende Sorten von Fruͤchten hervorgebracht,
die ſonſt noch gar nicht bekannt geweſen. Viel-
leicht entſtuͤnde auch daraus eine neue Art Weiden,
deren Wolle zu Manufaktur- und Haushaltungs-
arbeiten annoch verbeſſert waͤre und gewiſſe Vor-
zuͤge beſaͤße. Da man in einigen Stunden etli-
che Dutzend Aeſte einpfropft, und dieſe leichte Ar-
beit mit geringer Muͤhe von den Lehrjungen der
Gaͤrt-
[225[223]] Gaͤrtner gar wohl kann verrichtet werden, ſo hoffet
man, das Publikum werde dieſen Verſuch nicht
unterlaſſen, und davon an behoͤrigen Ort weitern
Bericht einſenden.
Die mit dieſer Wolle bereits auch in andern
Gegenden mit gutem Erfolg gemachten Proben
haben die Nutzbarkeit derſelben bey allerhand Haus-
haltungs- und Manufakturarbeiten, gegen alle Vor-
urtheile und Einwendungen, ſattſam beſtaͤtiget. Wir
wollen hier nicht weitlaͤuftig erinnern, wie ſolche
mit gutem Vortheil zu halbſeidenen Zeugen, zu
Neſſeltuch, Kattun, Parchent, Watten, zu ge-
ſchicklichen Bettdecken, und beſonders zu außeror-
dentlich feinen Huͤten gebraucht werden; vielmehr
benachrichtigen wir das Publikum, wie man noch
zu mehreren dergleichen nuͤtzlichen Verſuchen mit
allen Eifer die ſtaͤrkſten Vorkehrungen macht, und
wie man ſowohl hier, als anderwaͤrts, ſich beſtrebet,
durch neuerliche Entdeckungen, die Sache in noch
beſſern Fortgang zu ſetzen, und immer hoͤher empor
zu bringen. Man hat daher das Vertrauen, die
denen Schleſiern mit allem Recht zuzuſchreibende
Ehre der erſten Erfindung und des Gebrauchs die-
ſer Baumwolle werde auch noch jetzt die Bewohner
Schleſiens anreitzen, nicht nur in emſiger Fortpflan-
zung beſagter Wolletragender Weiden, und auch in
ſorgfaͤltiger Sammlung und Zubereitung der belob-
ten Baumwolle, ſondern auch in allen andern zur
Botan. Abhdl.IIB. PErfuͤl-
[226[224]] Erfuͤllung dieſer ſo nutzbaren Abſichten dienlichen
Beſchaͤftigungen allen moͤglichen Eifer anzuwenden,
damit die Nachwelt uͤberzeugt werde, der erfindende
Fleiß und die Geſchicklichkeit der Schleſier habe
den Gebrauch der deutſchen Baumwolle vor andern
Nationen auf die nuͤtzlichſte Art vollkommen zu ma-
chen gewußt.
[227[225]]
Vom Anbau
der
Bienenzucht
und
ihrer Wartung.
Da meine Gedanken uͤber den Plan, die
zum Theil unterlaſſene, theils verkehrt behan-
delte und folglich faſt ganz darnieder liegende Bie-
nenzucht, in einigen Koͤniglichen Laͤndern, in eine
vorzuͤgliche Aufnahme zu bringen, erfordert worden,
unter andern aber die Frage iſt, ob
- 1) ſich die Bienenzucht in hieſigen Landen
wirklich in eine beſſere Aufnahme bringen
laſſe?
P 22) was
[228[226]]
- 2) was daraus dem Lande vor Vortheile zu-
wachſen wuͤrden? - 3) wie dabey das Koͤnigl. Intereſſe gewinnen
koͤnnte? und ob - 4) auch ein dergleichen Unternehmen den Sei-
denbau befoͤrdern wuͤrde?
ſo dienet auf die erſtere Frage in ergebenſter Ant-
wort: wie nach einem gehoͤrigen Plane ſowohl an
der Aufnahme der Bienenzucht, als des Seiden-
baues, durch die dazu ſchicklichen Etabliſſements im
geringſten nicht zu zweifeln ſtehe, da beyde den rech-
ten Stoff in gehoͤriger Menge, Guͤte und einer be-
ſtaͤndigen Dauer zu verſchaffen im Stande ſind.
Denn, da ſie eigentlich durch beſondere, und einzig
und allein ganz beſonders dazu beſtimmte zu unter-
richtende und einzurichtende Leute betrieben werden
ſollen, welche dazu willig, geſchickt und ordentlich
ſeyn, und bey ſolchen ihrem Metier geſchuͤtzt wer-
den muͤſſen, ſo muͤſſen auch Bienen- und Seiden-
bau durch ſachverſtaͤndige Beſitzer und Aufſeher ge-
hoͤrig veranſtaltet und beſſer eingerichtet werden,
als es zeither faſt uͤberall geſchehen iſt: wobey aber
denn zugleich viele Laͤndereyen welche eine lange
Zeit her, oder faſt von jeher zwiſchen den Forſten,
und um dieſelben, faſt ohne allen wirklichen Nutzen
des Koͤnigs und des Landes, auch wohl nur blos
ihrer Entfernung halber, wuͤſte geblieben ſind, an-
gebauet
[229[227]] gebauet werden, und von Meilen zu Meilen nach
und nach dergeſtalt unter Kultur gebracht werden
koͤnnten, daß ſie Menſchen und eine erſtaunende
Menge von Bienen, wie auch in gewiſſem Ver-
haͤltniß, einige Arten von Vieh ernaͤhren wuͤrden,
wodurch denn gewiß ein ganz neuer und weit be-
traͤchtlicherer Theil von Honig und Wachs aus den
Heiden und umliegenden Gegenden, als vorher
noch nie recht genutzter Landesprodukte, daraus gezo-
gen, auch theils roh, theils im Lande ſchon in meh-
rere Waaren verarbeitet, und von ſeinen Beſitzern
als aͤchtes Kaufmannsgut aus dem Lande gefuͤhret
werden koͤnnte. Dieſer noch zur Zeit nur viel zu
wenig gekannte Zweig der Landwirthſchaft, wel-
cher den uͤbrigen Feldarbeiten und Arten von Ge-
werbe gewiß nicht das geringſte entziehet, auch
wenn er recht ordentlich betrieben wird, niemahls
entziehen darf, muß zu Vermehrung eines innerli-
chen Reichthums im Lande gewiß das ſeinige beſon-
ders beytragen, beſonders da, wo einige andere ein-
traͤglichere Theile derſelben ſonſt faſt von Natur
wegfallen muͤſſen. Zu allen ſolchen Anlagen, de-
ren Vortheile ſich ganz ſicher auf Tonnen Goldes
in der Folge erſtrecken muͤſſen, wenn zumahl ge-
wiſſe Familien dazu beſonders von Sachverſtaͤndi-
gen und Erfahrnen inſtruirt, und dabey beſtaͤndig
erhalten werden, giebt der hohe Landesherr aus ſei-
nen Kaſſen nicht das geringſte, er unterſtuͤtzt ſie le-
diglich durch Begnadigungen, die ihm im Ganzen
P 3betrach-
[230[228]] betrachtet nichts entziehen, und dennoch an urbaren
vorher ungenutzten Laͤndereyen, neuen Untertha-
nen, einer beſondern Art der verbeſſerten Nah-
rung im Lande, und den uͤbrigen heimlichen und
oͤffentlichen Cameralintereſſen, allezeit vortheilhaft
werden muͤſſen.
Wenn die bekannten Vorſchriften in denen zu
einem Bienenſtande ſchicklichen Gegenden gehoͤrig
befolget werden ſollten, ſo wuͤrde ein vorher ganz un-
erkannter Schatz geſammelt werden, welcher an
und fuͤr ſich im Handel und Wandel keines Er-
weiſes bedarf, ob er gleich an Ort und Stelle von
Herrſchaft und Unterthanen faſt gar zu wenig be-
guͤnſtigt worden iſt, ſo, daß man den Verluſt deſ-
ſelben, nur von einem Jahrzehend in das andere be-
rechnet, immer zu Tonnen Goldes ſchaͤtzen kann,
den man doch haͤtte vermeiden koͤnnen, wenn man
nur haͤtte Luſt gehabt, nach einer guten Anweiſung
Bienen zu halten, und fuͤr ihre Vermehrung eine
beſſere und beſtaͤndige Sorge zu tragen. Es ma-
chen ſich freylich nur ſehr wenige auf eine recht-
ſchaffene Weiſe mit der Bienenzucht zu thun,
weil nur ſehr wenige ſolche recht nuͤtzlich zu ma-
chen verſtehen: und dieſe ſind es, die man beguͤn-
ſtigen ſoll, denn ſie unterhalten eine gewiſſe Art
von Arbeitern, das ſind die Bienen, die faſt ohne
ſonderlich bemerkt zu werden, und ohne andere zu
ſtoͤhren, einen ſolchen Stoff zuſammen zu tragen
im
[231[229]] im Stande ſind, den niemand in der Welt, außer
ihnen, zu ſammeln, und alſo ihren Herren, aus
allen ſchon vielfaͤltig genutzten und noch zu nutzen-
den Grundſtuͤcken, noch einen beſondern Nutzen zu
verſchaffen verſteht, den er ohne ſie nicht haben
kann. Wollte man aber nur 10 Jahre lang
die wuͤſten und ungebauten Oerter liegen laſſen,
die doch bey der Bienenzucht wirklich zu nutzen
ſtehen, wie groß muͤßte der Verluſt eines Gewinn-
ſtes nicht ſeyn, den man ſonſt mit ſo wenigen Anſtal-
ten haben koͤnnte. Zu einer ſolchen Einrichtung
verlanget man weder an der Zahl der wuͤſten Mor-
gen Landes, noch an Beguͤnſtigungen etwas aus-
ſchweifendes. Die Verwuͤſtung von Pohlen
durch die Moldau, Wallachey, Bulgarien, Ukrai-
ne, bis in Romanien, wird uns die folgende
Jahre von der Gewißheit uͤberzeugen, und noch
mehr, wenn wir fuͤr das Kuͤnftige weniger rohes
Wachs und Honig, (außer fuͤr hohe Preiſe) wer-
den erhalten koͤnnen, deren Durchgang und Abla-
gen uns ehedem lange Zeit einige Vortheile ver-
ſchaften, welche billig haͤtten groͤßer ſeyn ſollen.
Denn diejenigen Nachbaren, wo noch jetzt die
Ruhe herrſcht, haben bereits ſolche Masregeln
genommen, daß der Honig in mehr verarbeiteten
Waaren, und das Wachs nicht ferner unge-
bleicht ausgefuͤhrt werden darf, außer in ſolchen
hohen Preiſen, wofuͤr wir es in- und außerhalb
Landes nicht weiter werden nutzen koͤnnen. So
P 4wie
[232[230]] wie es ſcheint, muͤſſen wohl einige [auf] die Schif-
fahrt und Handlung ſehr aufmerkſame Nationen
in Europa, dieſe Umſtaͤnde bereits in der Ferne
erblicken, beſonders diejenigen, deren Einrich-
tungen erfordern, daß ſie jaͤhrlich etliche hundert
Centner an Wachs mehr verbrennen, als an-
dere, die deshalb, ohngeachtet ſie ſonſt durch
Handlung faſt alles haben koͤnnen, dennoch die
Bienenzucht mit Eifer zu betreiben anfangen.
Mit der Bienenzucht ſelbſt vertraͤgt ſich der Sei-
denbau uͤberaus wohl, zumahl, wenn nach der
neuern Art der Bearbeitung das uͤbertriebene
Kuͤnſtliche, das Weitlaͤuftige und allzu Muͤh-
ſame durch gute Anſtalten vermindert und gar
abgeſtellt wird.
Die Vortheile ſo aus einer ſolchen Einrich-
tung fuͤr die Koͤniglichen Lande fließen, ſind aus
den vorher angefuͤhrten Gruͤnden an und fuͤr ſich
außer allen Zweifel, indem die Hofnung eines Zu-
wachſes an brauchbaren Laͤndereyen und gangba-
ren Landesprodukten, welche bey unſern Nach-
baren noch nicht außer Preis gekommen, auch
kaum kommen werden, ſeine Richtigkeit hat.
Nicht einmahl, bey gut einſchlagender Witterung,
bey einem ſtarken Vorrath von Maulbeerblaͤttern,
vom Seidenbau zu gedenken, ſo muß der Honig,
den Meth-Brandweinbrennereyen und Eßigbraue-
reyen ſchlechterdings einen ſtaͤrkern Zuwachs ver-
ſchaf-
[233[231]] ſchaffen. Von rohen und gelaͤuterten Honig iſt ge-
genwaͤrtig, zur Conſumtion in der Wirthſchaft, der
Arzeney und der Pfefferkuchenfabriken, die ſo be-
traͤchtlich ſind, noch lange kein hinreichender
Vorrath im Lande, und wird ſich bey der jetzigen
hoͤchſt elenden Bienenwirthſchaft auch niemahls
finden. Da indeſſen die allermoͤglichſte Vermeh-
rung und Nutzung aller rohen Landesprodukte, mit
ihrer Verſilberung der verarbeiteten, zugleich in aus-
waͤrtigen Laͤndern, wegen des hohen Cameralintereſſe,
allemahl ein Augenmerk weit ſehender und wohlge-
ſinnter Finanzverſtaͤndigen ſeyn und bleiben wird,
ſo kann man auch hier eines fernern Erweiſes voͤl-
lig uͤberhoben ſeyn. Denn ſolchen braucht man
nicht zu ſagen, was fuͤr nuͤtzliche Landesprodukte
zu dem Intereſſe ihres Herrn und des Landes bey-
tragen, ſie haben ſelbſt Gruͤnde der Ueberzeugung,
noch mehrere Erfahrungen, und endlich viele Ge-
legenheit und Anſehen, gute Anſtalten zu unterſtuͤ-
tzen. Bey Vermehrung der Bienenzucht koͤnnen die
Gewaͤchſe auf den nahegelegenen Morgen Landes ſehr
ſchicklich abwechſeln, da nehmlich Maulbeerbaͤume
mit den Ruͤſtern, Ahorn, Linden und andern ſtark
und geſchwind wachſenden Baͤumen, dabey Hey-
dekorn, Suͤßholz nebſt andern nuͤtzlichen Futter,
Bienen-Farbe- und Fabrikengewaͤchſen in Menge
erzogen und manche brauchbare Dinge gezogen wer-
den koͤnnen. Und wie ſich aus der wahren Be-
ſchaffenheit der vorher angefuͤhrten Umſtaͤnde ein
P 5gro-
[234[232]] großer Vortheil ergeben wird, ſo ſind die vorgeſchlage-
nen Anſtalten, wegen der jetzigen Lage der Sachen,
bey unſern Nachbaren nicht lange aufzuſchieben,
wenn ſie durch die Bienenzucht und Anlage zum
Seidenbau dem Lande und dem damit auf das ge-
naueſte verbundenen Koͤniglichen Cameralintereſſe
die erwuͤnſchten Vortheile bringen ſollen.
[235[233]]
Von der
in einigen warmen Laͤndern noch gebraͤuchlichen
uralten Art,
die heißen trocknen Sandfelder
mit dem
Kraute der weißen Lupinen
zu duͤngen.
Die alten roͤmiſchen Ackerwirthe kannten ſchon
zu ihrer Zeit in einzelnen Gegenden dieſe Art von
Duͤngung, als eine der alleraͤlteſten, und wußten
ſelbige in hoch belegenen trocknen Sandlaͤndern
recht wohl zu benutzen. Alle uͤbrigen Arten von
Duͤngung, wie ſie ſich fuͤr Laͤndereyen von verſchiede-
ner Beſchaffenheit ſchickten, waren bey ihnen eben-
falls gebraͤuchlich. Dieſe wurden ſaͤmmtlich, laut
ihren kurzen aber deutlichen davon hinterlaſſenen
Nachrichten, mit Vorſicht und den gehoͤrigen Vor-
thei-
[236[234]] theilen ſchicklich angebracht. Im obern Theile von
Italien ſind von allen dieſen und aͤhnlichen Acker-
duͤngniß- und Beſtellungsarten noch heut zu Tage
Ueberbleibſel genug vorhanden. Man bedient ſich
deſſelben auch anderwaͤrts, wie bey uns, mit ganz
ungleichen Vortheilen, wenn man nehmlich frem-
de Wirthſchaftsarten ohne Einſichten blind nach-
ahmt. Seit einiger Zeit hat man die Abſicht,
allerhand landwirthſchaftliche Angaben in hieſigen
Laͤndern geltend zu machen, und unter andern auch
die Duͤngung der Sandlaͤnder durch die Lupinen zu
verſuchen vorgeſchlagen. Man ſpricht aber davon, als
von einer neuen ganz unbekannten Sache, wird aber
im Ausgange erfahren, daß man damit bey den
ſchlechten trocknen Sandfeldern, nicht mehr gethan
habe, oder haben thun koͤnnen, als mit andern
ſchicklich angewandten und, nach wohl gemachten
Ueberſchlaͤgen in der Mark Brandenburg ausge-
fuͤhrten, und von eben der Guͤte befundenen Duͤn-
gungsarten wirklich geſchehen.
Da man hier von der Duͤngung des ſchlechten
Sandackers mit Lupinen nur einige Umſtaͤnde in
Erinnerung zu bringen die Abſicht hat, ſo kann
hier die Wiederholung anderer weitlaͤuftig abgehan-
delten Duͤngungsarten des guten und ſchlechten
Bodens von keinen Nutzen ſeyn. Das aber kann
man bey jeder Art von Duͤngung und des Ackers
nicht unberuͤhrt laſſen, daß man nehmlich 1) unter
der Vorbereitung des Fruchtlandes zur Duͤngung,
und
[237[235]] und 2) unter der nachfolgenden Duͤngung ſelbſt
einen Unterſchied zu machen habe. Denn dieſe
Vorbereitung des Ackers beſteht nicht nur in einem
Auflockern, mehrern oder wenigern Durchpfluͤgen,
Eggen und Reinigen des Erdbodens allein, nach-
dem es nach der Art und Lage des Bodens zutraͤg-
lich ſeyn kann, ſondern auch in gewiſſen ſchicklichen
Zuſaͤtzen von andern Erdarten, welche bey der Vor-
bereitung ſelbſt nothwendig ſind, um denſelben in
den geringen Stand zu ſetzen, daß er die folgende
Duͤngung zu einem ſtaͤrkern Ertrag der Feldfruͤchte
wohl annehmen kann, und alſo darinnen wirkſam
genug wird. Da es aber bey der verlangten
Wirkſamkeit eines jeden Duͤngers vornehmlich dar-
auf mit ankoͤmmt, daß er ſich in der Ackererde bald
und hinreichend aufloͤſe, und ſeine Kraͤfte durch und
durch uͤberall hin verbreiten kann, auch uͤberdem
eine ſolche Dauer habe, die nicht ſogleich beym er-
ſten Ertrag ganz zu Ende gehe, und der Acker wie-
der eben ſo ſchlecht gelaſſen werde, wie vorher, ſo
verſtehet es ſich von ſelbſt, daß eine richtige Beur-
theilung und genaue Kenntniß eines rohen, ma-
gern, unfruchtbaren, kalten, hitzigen, zu lockern,
oder auch ſtrengen, ſchweren, fetten, naſſen, der-
ben, kleyigten und gruſigten, moorigen, ſcharfen,
ſchwammigen, ſalzigen, torfigen und dergleichen
Landes, ſchlechterdings dabey erfordert und vor-
ausgeſetzt werde. In allen ſolchen Arten von Bo-
den thun Witterung und Duͤngung ihre beſondere
Wir-
[238[236]] Wirkung, wie die Folgen des Wachsthums und
Ertrages es am richtigſten anzeigen.
Mancher Gattung des Ackers fehlet der bin-
dende Antheil, daß alſo davon ein verhaͤltnißmaͤßi-
ger Zuſatz erfordert wird, wenn ſich anders die zu
ſchnelle Ausduͤnſtung der Feuchtigkeiten maͤßigen
ſoll, um die Aufloͤſung, Wirkung und Dauer des
Duͤngers zu befoͤrdern, und zu erhalten. Einer
andern Art des Bodens mangelt diejenige Eigen-
ſchaft, welche deſſen Dichtigkeit und Zaͤhigkeit zu
maͤßigen im Stande iſt, um die Ausduͤnſtung und
Einwitterung zu beſtimmen und die Vertheilung
der naͤhrenden Saͤfte aus dem Duͤnger beſſer zu
verbreiten. Von der Nothwendigkeit dieſer Um-
ſtaͤnde erhaͤlt man eine deutlichere Vorſtellung, ſo-
bald man die Arten des rohen Grundes vor ihrer
voͤlligen Ein- und Zurichtung, und die Gattungen
von Materien, die ſich zum Duͤnger anwenden
laſſen, nach ihren baldigern oder langſamern Aufloͤ-
ſungskraͤften und verſchiedenen Wirkungsarten ge-
nauer betrachtet, und die mit allen ſolchen Mate-
rien ſeit etlichen hundert Jahren gemachten Verſu-
che vergleichet.
Alle drey Naturreiche liefern zwar Materien
zur Duͤngung, wenn ſie nach ihrer Aufloͤſung mit
andern in eine gewiſſe ſeifenartige Vermiſchung
oder Verbindung uͤbergehen, oder nach dem Ueber-
gange aus einer Klaſſe in die andere ſich veraͤndern,
den Boden duͤngen, und die Pflanzen zu naͤhren
im
[239[237]] im Stande ſind. Die aufgeloͤßten thieriſchen Koͤr-
per, mit ihren Saͤſten und Auswuͤrfen, ſind hier-
innen vor den Gewaͤchſen vorzuͤglicher, da die letz-
tern ſchwaͤcher gefunden werden, und als Duͤnger
im Acker nicht ſo kraͤftig bleiben und aushalten; ſie
muͤſſen alſo bey der Aufloͤſung zu dieſem Ende ver-
miſcht ſeyn, ſo wird man ſich von der Wirkung ei-
nes ſolchen Duͤngers, mit Beyhuͤlfe der Witte-
rung, einen guten Ertrag des Ackers verſprechen
koͤnnen. Ohne in dergleichen nuͤtzlichen Betrach-
tungen weiter zu gehen, wollen wir nur anfuͤhren,
daß ſich die Fruchtlaͤnder von aller Art oͤfters ohne
einen wirklich eingebrachten Duͤnger behelfen muͤſ-
ſen, und andere dergleichen ſeltener, aber doch nur
wenig, erhalten. Zum Beyſpiel dienen hier an
ſich natuͤrlich fruchtbare Felder, mit denen ganz
friſch und neu aufgeriſſenen und ſtark ausduͤnſten-
den Fruchtſtuͤcken, ſo wie auch ausgetrocknete zur
Saat beſtellte Teiche, und ſchlechte weit abgelegene
Hinterlaͤnder, die aus Mangel des Duͤngers nicht
beduͤnget werden. Unter dieſen muͤſſen ſich einige
mit einem ſechs- oder achtjaͤhrigen verſtockten Ra-
ſen, ſtatt des Duͤngers, allein behelfen, zu deſſen
Wiedererzeugung in folgenden Jahren viele Zeit
gehoͤret. Kann aber der Ackerwirth ſeine Felder
beſſer duͤngen, ſo wird er dieſes, nach der Nochdurft
zu thun, niemals verſaͤumen.
Man ſtelle ſich indeſſen die beſten, mittlern,
gemeinen, auch ſchlechtern und die allerſchlechteſten
Fel-
[240[238]] Felder, als zum Exempel einen außer Duͤngung
gekommenen, oder auch rohen niemahls geduͤng-
ten, magern, trocknen, hochgelegenen Sand-
boden vor; was fuͤr Duͤngung, und in welcher
Menge ſie dahin gehoͤret, wird man ſelbſt begrei-
fen, und doch damit weder allezeit alles ausrichten,
noch weniger aber Wunder thun koͤnnen, indem
beyde der Grund und die Art des Duͤngers, und
dabey die Beſtellungsart ſelbſt verſchiedene Fehler
zeiget, oft aber auch gewiſſe Vortheile enthaͤlt.
Nun moͤgen Duͤngerarten vorgeſchlagen werden,
welche es nur immer ſeyn wollen, und unter einen
großen Geſchrey zuweilen angeprieſen werden, ſo
laſſen ſie ſich dennoch unter eine der ſchon laͤngſt er-
probten ſehr leicht bringen. Der Gewohnheit
nach kann man den Unwiſſenden dabey immer ſo
lange nachgeben, bis ſie durch die Zeit und Erfah-
rungen endlich daruͤber belehrt werden, wenn ſie
die Einſichten von andern Landwirthen vorher nicht
beruhigen koͤnnen.
Von den zahmen, großen, weißen Lupiner-
Kraute iſt es unter andern bekannt und außer
Zweifel, daß es wie mehrere von unſern Huͤlſen-
fruͤchten die magern Sandlaͤnder duͤnge, und alles
Getreide darinnen vorzuͤglich beſſer wachſe, als in
einem beſſern Grunde. Aber wie viele andere Ar-
ten der Feldfruͤchte bey uns ſind nicht noch uͤbrig,
die eben dergleichen thun, aber deshalb weder be-
merkt, noch beſonders verſucht worden. Die Lu-
pinen
[241[239]]pinen, deren Geſchichte man kennen muß, wenn
man beurtheilen will, ob ſie auch bey uns zu die-
ſem Endzwecke in allen Faͤllen gebraucht werden
koͤnnen, oder noch gar beſondere Vorzuͤge haben,
gehoͤren zu den fremden Huͤlſenfruͤchten, die in
etlichen ſuͤdlichen Theilen von Frankreich, in Spa-
nien und dem Obertheile von Italien, theils von
ſelbſt unter dem Getreyde wachſen, oder auch zu
oͤkonomiſchen Abſichten, oder wegen Geruch und
Farbe der Blumen, in Gaͤrten erzogen werden.
Von dem ganzen bluͤhenden friſchen Kraute der wei-
ßen, großen zahmen Lupinen iſt nur hier die Rede.
Ihre Blumen ſind weiß, wie die runden platten
Koͤrner, welche bitter, mehlig, innerlich mehr gelb
ſind, und Wolfs- oder Feigbohnen genennet wer-
den. Ihr Gebrauch in der Speiſe und Arzeney
gehoͤret nicht hieher. Der Ritter von Linné
giebt ihrer Pflanze den Namen Lupinus albus,
Caſpar Bauhin aber Lupinus ſativus flore albo.
Im April wird dieſelbe geſaͤet, oder geſenket,
ſie bluͤhet in drey Zeitpunkten, in langen Blu-
menſpitzen zum Eingange des Heumonats, bringet
aber ihre Huͤlſenfruͤchte nur im Auguſt zur Voll-
kommenheit; die zweyten hingegen bey uns, die
aus langen, hohen und ſtarken Nebenzweigen kom-
men, werden ſelten reif, und die von der dritten
Blume und an den kleinen Aeſten toͤdten Reif und
Froſt. Die erſten geben den Saamen zur Saat,
und in dem andern, oder zwiſchen dieſem und dem
Botan. Abhdl.IIB. Qdrit-
[242[240]] dritten Zeitpunkte wird die Pflanze, wenn ſie in vol-
ler Bluͤthe ſtehet, und noch im beſten Saft und
Wachsthum iſt, auf den trocknen Sandfeldern
untergepfluͤget. Man darf nicht warten, bis ſie zu
holzig, oder gar faſt trocken wird, da ſie einen
ſchlechten oder gar keinen Duͤnger giebt.
Erbſen, Buchweitzen, Hafer, Wicken und
allerhand unreines Futtergemenge, Turneps,
Ruͤben, Beete und andere ſaftige Pflanzen thun
im Acker, wie laͤngſt bekannt, ein gleiches. Doch
muß man als Kenner dabey bedenken, was eine
bloße Pflanzenerde und ihre Saͤfte im Acker zu thun
im Stande ſind, und daß ſie nur eine leichte Duͤn-
gung von kurzer Dauer geben; denn daß Miſt von
Thieren und Thiererde den Acker fetter machen, iſt
laͤngſt außer Zweifel. Wenn aber der Duͤnger aus
beyden zuſammen genommen beſtehet, ſo hat man
den rechten davon verlangten Nutzen. Die uͤbri-
gen Umſtaͤnde von Seiten der Ackerverſchiedenheit,
die Aufloͤſung des Duͤngers zu Nahrungstheilchen
fuͤr die Feldfruͤchte, und die dazu erforderliche guͤn-
ſtige Witterung verſtehen ſich von ſelbſt.
Will man ſich aber zu oͤkonomiſchen Abſichten
der Lupinenſaat bedienen, ſo wird man aus eben den
Gruͤnden vorher wohl unterſuchen, woher der jaͤhrli-
che Vorrath derſelben zu nehmen ſey, auch, ob man
nicht dabey zugleich mit vorgedachten ſchon von Al-
ters
[243[241]] ters her gebraͤuchlichen Saamen, Verſuche anzuſtel-
len habe. Denn man hat den Gebrauch der Lu-
pinen zur Duͤngung laͤngſt gewußt, und außer Ita-
lien nachzuahmen verſucht, aber in Deutſchland
Urſachen gefunden, ihn nicht beyzubehalten, und
doch auf magern Feldern Fruͤchte zu ziehen. Dieſe
und dazu gehoͤrige Umſtaͤnde ſind als Urſachen zu
unterſuchen, und in Erwaͤgung zu ziehen.
[244[242]]
Kurze Geſchichte
des
Schwaden- oder Deutſchen
Mannagraſes.
Unter dem Namen des Schwadens verſtehen ſo-
wohl unſere Landleute als andere, welche in den
Staͤdten damit handeln, kleine, laͤngliche, weiß-
gelbliche zuweilen ſehr weiße oder gruͤngelbliche,
mehlig ſchleimige, ſuͤßliche Koͤrner, die von einer
beſondern Grasart geſammelt, ausgehuͤlſet und
getrocknet worden ſind. Sie ſind gewohnt, derglei-
chen nach dem Gewichte in leinenen Beuteln oder
ohne dieſelben zu verkaufen. Die nuͤtzliche Gras-
art, die der Schwaden traͤgt, iſt den Schriftſtel-
lern aͤlterer Zeiten, unter den uͤbrigen, bekannt ge-
weſen, den wenigſten aber, wegen ihres Saamens,
welcher der Schwaden iſt. Ein Theil der Land-
leute,
[245[243]] leute, welche die niedrigen und weitlaͤuftigen, mo-
raſtigen Gegenden bewohnen, und ſich mit der
Viehzucht und dem Heuſchlag beſchaͤftigen, haben
dieſes Gras ſtrichweiſe in den Bruͤchen um die
Vorwaſſer, Suͤmpfe, Feldgraben, und um die
naſſen Waͤlder und Huͤtungen wahrgenommen,
auch an ſolchen Orten, in welchen das Winterwaſſer
zuweilen lange geſtanden. Daſelbſt kommen die
langen ſtumpfſpitzigen Blaͤtter gleich im Fruͤhlinge
ziemlich tief aus dem Waſſer hervor, und legen ſich
ganz platt oben auf das Waſſer. Ohne vom Schwa-
dentragenden Graſe etwas zu wiſſen, hat man die-
ſen Blaͤttern den Namen Flott- oder Flutgras ge-
geben. Unter dem Flottgraſe machen eben dieſe
Leute wieder einen Unterſchied, und zeigen uns ein
weißes Flottgras, welches gramen fluviale album der
Alten, Alopecurus geniculatus oder infractusdes
Herrn von Linne, das kleine deutſche Waſſer-
Fuchsſchwanzgras iſt. Von einer andern Seite
wird das Schwadengras von denen um die großen
Stroͤme, Landſeen und Moraͤſte wohnenden Fi-
ſchern und Jaͤgern gekannt, welche es Entengras,
Gramen anatum, deshalb zu nennen gewohnt ſind,
weil ſie wiſſen, daß unter den wilden Waſſervoͤ-
geln beſonders die jungen Enten von dem im July
davon haͤufig (beſonders bey ſtarken Regen), abfal-
lenden Saamen ungemein zunehmen, auch deswe-
gen ſich ſehr gerne im Schwadengraſe aufhalten.
Q 3Allem
[246[244]]
Allem Vermuthen nach haben ſie Zufaͤlle oder
[fernere] Betrachtungen von einem beſſern Gebrau-
che des Saamens unterrichtet, da ſie gefunden,
daß ſich dieſer Saamen mit dem Anfange des Som-
mers faſt alle Jahre in großer Menge ſammeln laſ-
ſen, daß man denſelben mit wenigen Handgriffen,
nach Art des Foͤnnigs, Hirſen oder Reiſes zur
Speiſe, und zu einem tauglichen Kaufmannsgute
beym inlaͤndiſchen Handel, zubereiten koͤnnte: uͤber
alles aber zeigte die Erfahrung, daß der Schwaden
in der Speiſe eine weit feinere und leichtere Nah-
rung gaͤbe, als jene. Er wurde in der Folge den
Einwohnern in den Staͤdten bekannter und im
Handel gemeiner, indem er jaͤhrlich in einiger Men-
ge nach fremden Laͤndern verſchickt wurde, wie es
noch immer geſchiehet.
Das Gras, von welchem hier die Rede iſt,
hat in den neuern botaniſchen Lehrbuͤchern den Na-
men Feſtuca fluitans, und koͤnnte mit Recht Feſtuca
amphibia heißen, weil es in und außer dem Waſſer
ſeinen natuͤrlichen Stand hat. Caſpar Bauhin
nennet es Gramen aquaticum fluitans, ſpica multiplici,
außerdem findet man es hin und wieder unter dem
Namen Gramen mannae, Oryza ſileſiaca, der Man-
naſchwingel, Hatſchengras, Himmelsthau, Schle-
ſiſcher Reis, der graue Schwaden, Bruchſchwa-
den, milde Schwaden. Das Gras iſt ein ſehr
dauerhaftes und beſtaͤndiges Gewaͤchſe, welches
in
[247[245]] in allen guten, lockern, feuchten Wieſengrunde,
Moraſt und fetter Erde, ungemein wuchert. In
einem ſolchen Grunde ſtehet es einen ziemlichen
Theil des Jahres unter Waſſer, wie der Reiß,
kann aber auch außerdem ſelten dauern, wenn
nur der fette Moorgrund recht locker und feuchte
bleibet.
Die Wurzel iſt eine weißliche, kriechende,
gegliederte, braune oder weiße, welche uͤberall an
ihren Gelenken ganze Buͤſchel von weißen, brau-
nen oder ſchwaͤrzlichen, faͤßrigen Haarwurzeln her-
vorbringet. Sie treibet im Fruͤhlinge, nehmlich
im April auch wohl erſt im May, da ſie noch tief
unter Waſſer ſtehet, ganze Buͤſchel mit ſehr lan-
gen dunkelgruͤnen glatten Blaͤttern, die ſich in ei-
ne ſtumpfrunde Spitze endigen, und die bey ihrer
Laͤnge uͤber dem Waſſer ſo ſchwach ſind, daß ſie
ſich auf daſſelbe platt hinlegen. Wenn bey zuneh-
mender Sonnenwaͤrme die Waſſer nach und nach
verduͤnſten, ſo kommen die 1½fuͤßigen auch zwey-
fuͤßigen, mit zwey, drey oder vier Knoten verſe-
hene Halme zum Vorſchein, welche mit vier oder
fuͤnf aͤhnlichen, aber weit kuͤrzern, etwa vier oder
ſechszoͤlligen, Blaͤttern beſetzt ſind. Die Blaͤtter-
ſcheiden, die den Helm von einem Knoten bis zu
dem andern umfaſſen, ſind nicht voͤllig glatt, ſon-
dern etwas geſtrichelt. Nachdem auch das Schwa-
dengras im Waſſer, Sumpferde, oder in etwas an-
Q 4dern
[248[246]] dern Boden außer dem Waſſer ſtehet, ſind ge-
dachte Blaͤtter bald laͤnger, ſchmaͤler, oder ſteifer
und kuͤrzer, bald glatter, glaͤnzender und feiner ge-
ſtreift; wie ſich denn ferner der Halm des
Bruchſchwadens auf den Wieſen, von dem, wel-
cher im Waſſer ſtehet, durch ſein Anſehen etwas
unterſcheidet, ſehr grade aufſchießet, und nicht ſo
kurze oder ſo einzelne Zweige hat. So unbeſtaͤn-
dig dergleichen Abaͤnderungen ſind, ſo betraͤchtlich
werden ſie doch wegen der groͤßern oder geringern
Menge des Saamens. Dieſer Halm bringet im
May bis zur erſten Haͤlfte des Juny, mit der Bluͤ-
the, eine von vier Zoll, bis einen halben auch gan-
zen Fuß lange Riſpe oder Raſpe, die bald viele,
duͤnne, ungleiche und weitlaͤuftig geſetzte, bald
mehr geſchloſſene Zweige hat. Bluͤthe und Saa-
men bilden lange, duͤnne und runde, ſpitzige Aeh-
ren, die, wenn ſie eintrocknen, und gegen die oder
nach Reife des letztern, etwas von ihrer Spreu ab-
fliegen laſſen, eine von der erſten ganz verſchiedene
Geſtalt annehmen.
Die Bluͤthe iſt, wie bey andern Grasarten,
weißlich oder roͤthlich, der Saamen aber, welcher
laͤnglich, duͤnne, und an beyden Seiten etwas zu-
geſpitzt iſt, zeiget nach der Laͤnge, eine zarte Furche,
und wird in ſeiner Huͤlſe anfaͤnglich braun. Die
Reife des Saamens iſt im July, da er bey trocknen
warmen Wetter ſtark ausfaͤllt.
Das
[249[247]]
Das Schwadengras findet man zwar in vie-
len Laͤndern von Deutſchland, Boͤhmen, Pohlen,
Ungarn, Preußen, Liefland, Curland, Schle-
ſien, der Niederlauſitz und der Churmark Bran-
denburg, um die Warte, Oder, Spree und Havel,
auch um die Vorwaſſer, Landſeen, großen Stroͤ-
me, Teiche und Daͤmme, in und an den Graben,
auf ſumpfigen und fetten Wieſen, und wo auf ei-
nem lockern, gutem Grunde die Waſſer lange ſte-
hen, daß man es unter die gemeinen Graͤſer rech-
nen kann; allein es waͤchſet demohngeachtet nicht
uͤberall in einer ſo großen Menge daß es ſich auf
Schwaden ordentlich nutzen ließe. Wo es aber
beſſer gekannt und wirklich genutzet wird, geſchie-
het das Einſammeln des Schwadens im July,
vor der Heuerndte, durch das Geſinde, des Mor-
gens ſehr fruͤh, bey einem ſtarken Thau, nach den
Abfuttern und Melken des Viehes, da der Schwa-
den noch naß in die Siebe geſchlagen wird, wel-
che lange Stiele haben. Man nennet dergleichen
Sammlung das Schwadenſchlagen und nimmt ſie
deswegen ſo fruͤh vor, weil dieſer Saame hernach
beym Anruͤhren der Halme in den heißern Stunden
allzuhaͤufig ausfaͤllt, daß davon wenig gewonnen
werden kann.
Der auf erwaͤhnte Art geſchlagene und zwi-
ſchen Leinentuͤchern etwas abgetrocknete Schwa-
den wird hierauf weiter verluftet, getrocknet,
Q 5nach
[250[248]] nach Art des Hirſens von ſeiner Spreu gereiniget
und geſtampfet. Die Zubereitung und Reinigung
des Schwadens geſchiehet, wegen des darauf ſte-
henden Schlammes, mit heißen Waſſer, ohne der-
gleichen Reinigung bleibet ſowohl der Geruch als
Geſchmack des Schwadens eckel, man mag ihn
hernach mit Waſſer, Milch oder Fleiſchbruͤhe ko-
chen, oder ſonſt zubereiten. Man verwahret den
wohlgereinigten Schwaden, und wendet ihn theils
in der Hauswirthſchaft an, theils wird er nach den
Maͤrkten zum Verkauf gebracht, wo man ihn aus
der erſten Hand Metzenweiſe, hernach aber in der
Handlung nach dem Gewichte haben kann.
Der Schwaden iſt einer der geſundeſten
Saamen, der ein feines, leicht zu verdauendes,
nahrhaftes, ſuͤßlich ſchleimiges Weſen hat, mit ei-
ner ſehr wenigen, mehligen Erde, welche bey wei-
tem ſo grob, bluͤhend oder auch zuſammenziehend
und ſtopfend nicht gefunden wird, als im Hirſen,
Foͤnnich und den meiſten Huͤlſenfruͤchten. Der
Reiß folget ihm in der Guͤte, iſt aber nicht feiner
in der Nahrung. Es duͤrfte demnach wohl gethan
ſeyn, den Schwaden, als ein herrliches Landpro-
dukt durch die Saat an ſchicklichen Orten, in gu-
tem Moorlande haͤufiger anzubauen. Vielleicht
haͤtte bey ihm die Art des Anbaues ſtatt, die die
Chineſer bey ihrem Reiß, und die Erfurter bey ih-
rer vortreflichen Brunnenkreſſe in denen ſogenan-
ten
[251[249]] ten Klingen, mit ſo vielem Vortheil anwenden.
Die Koͤrner wuͤrden groͤßer und weißer, und das
Stroh laͤnger werden.
Zuweilen findet ſich ein Baͤrtiger oder Bart-
ſchwaden wie bey dem Weizen, auch wohl ein
fehlerhafter mit ſchwarzen, langen, ſehr aufge-
triebenen, gekruͤmmten Koͤrnern, wie das ſogenann-
te Mutterkorn.
[252[250]]
Von den
Schaaflecken.
Unter den Schaaflecken wird ein Gemiſche von
Salz mit verſchiedenen Kraͤuterpulvern, oder auch
zuweilen kleingeſcharbten, friſchen oder gruͤnen
Kraͤutern verſtanden, welches den Schaafen in hoͤl-
zernen Rinnen zu gewiſſer Jahres- und Tagezeit zu
lecken vorgelegt wird. Das Verhaͤltniß der Kraͤu-
ter gegen das Salz iſt ſehr verſchieden, wie auch
die Abwechſelung der erſtern in verſchiedenen Ge-
genden, ſo wie auch Weide und Abſichten zur Vor-
bauung gegen gewiſſe Krankheiten, oder auch wenn
die Schaͤfereyen dergleichen in manchen Jahren
uͤberſtanden haben, verſchieden iſt.
Was das Salz betrift, ſo ſind viele Arten des
wilden und des zahmen Viehes, ungemein begierig
darnach, es mag nun ein gemeines, reines Kuͤchen-
ſalz, oder auch ein etwas alkaliſches, urinoͤſes und
ſogar mehr bitteres, vermiſchtes Salz ſeyn, und
ſich
[253[251]] ſich im Leime, Aſchen, Sand oder andern Erdar-
ten finden, wenn nur deſſen Menge dem Geſchma-
cke reizend genug iſt. Daher ſich denn die Schaͤfer
und andere bey der Viehwirthſchaft ſehr gut damit
zu helfen wiſſen, ſonſt aber bald Stemſalz, bald
ein reines, graues oder groͤberes, ſchwarzes Kuͤ-
chenſalz, und wie ſie dergleichen in der erforderli-
chen Menge und um gute Preiſe ihres Orts haben
koͤnnen, anzuwenden gewohnt ſind. Es wird auch
Boy- oder Meerſalz dazu genommen, und die He-
ringslacke mit verbraucht. Je ſchaͤrfer aber eine
Salzart befunden wird, je weniger wird in der Lecke
den Schaafen davon gegeben, welches auch mit der
Salzlecke uͤberhaupt, ſowohl im Winter, als auf
einer ſehr ſalzigen Weide ſelbſt eben ſo gehalten
wird. Wie denn auch den S[ch]afen zur Sommers-
zeit etwa alle vierzehn Tage, und zur Winterszeit
hingegen nur ſelten, oder alle vier Wochen derglei-
chen zurechte gemacht wird.
Es verſteht ſich von ſelbſt, daß das Salz mit
allerhand bittern, ſeifenartigen, gewuͤrz- und cam-
phorhaften und gemaͤßigt herben, zuſammenziehen-
den oder trocknenden Kraͤutern, bey den Schaafen
eine ganz vortrefliche und wirkſame Arzeney ſeyn
muͤſſe. Denn es wird dadurch das auf der Weide
und mit andern Futter eingeſchluckte kleine Ungezie-
fer getoͤdtet, der Magen nebſt den Gedaͤrmen zur
Verdauung geſtaͤrket und von dem ſchleimigen Un-
rathe
[254[252]] rathe gereinigt, deſſen ſtaͤrkern Abgang nebſt dem
Harne das Salz beſonders befoͤrdert, den Schleim
beſtaͤndig verduͤnnet, und in Vermiſchung mit vor-
gedachten balſamiſchen und bittern Kraͤutern das
Vieh geſund erhaͤlt. Zur Vermehrung der
Wolle, und Menge einer reinen Milch dienet
das Salz mit dergleichen Kraͤutern noch außer-
dem ganz ungemein.
Die Gewaͤchſe muͤſſen dazu zu rechter Jah-
reszeit eingeſammelt ſeyn, wenn ſie die meiſten
Kraͤfte haben, im Schatten wohl getrocknet, nicht
aber, wie manche vorgeben, im Backofen ausge-
dorrt werden, wie es wohl mit etlichen Beerarten
geſchiehet, weil ſich ſonſt mit dem Verluſte der
fluͤchtigen Arzeneytheile auch zugleich ihre Kraͤfte
zu ſtark vermindern. Bey ſolchen wohl eingeſam-
melten, zubereiteten und verwahrten Kraͤutern oder
Wurzeln, Beeren, Saamen und Schaalen findet
man beym Gebrauche, in Abſicht auf die Wirkung
in die Koͤrper des Schaafviehes folgende Haupt-
unterſchiede. Die bekannteſten und gebraͤuchlich-
ſten ſind unter andern nachfolgende:
Gewuͤrzhafte Schaafkraͤuter zur
Schaaflecke.
Liebſtoͤckelkraut. Braune Doſte. Krauſemuͤnze.
Lavendel. Wacholderbeeren, nebſt andern.
Sie
[255[253]]
Sie ſtaͤrken den Magen und Appetit zum
Freſſen befoͤrdern die Verdauung und den Harn,
und verduͤnnen den Schleim. Raute und Knob-
lauch ſind gewuͤrzhaft und ſcharf, reizen alſo etwas
ſchaͤrfer wie die erſten. Alandwurzel, Roßmarin,
Thymian, Lorbeerbeeren, Qvendel, Iſopp, Sal-
bey und Oſterlucey, ſind noch ſtaͤrker, fluͤchtiger
und hitziger, weil ſie einige dem Campfer aͤhnliche
hoͤchſt feine Theilchen bey ſich haben. Dieſe trock-
nen ſtaͤrker aus, und widerſtehen der Faͤulniß und
dem Gewuͤrme deshalb weit mehr. Rein Farn-
Wermuth- und Scordienkraut ſind außer dem ge-
wuͤrzhaften, fluͤchtigen Weſen ſehr bitter und ma-
chen deshalb die Thiere munter, ſie ſtaͤrken den Ap-
petit, und fuͤhren den ſchleimigen Unrath aus den
Daͤrmen und alle uͤberfluͤßige Feuchtigkeit ſehr
ſtark aus, machen aber mager, wenn ſie zu haͤu-
fig gegeben werden, wie man bey Pferden auf
einer Weide gewahr wird, welche viele bittere
Kraͤuter hat.
Bittere Kraͤuter zur Schaaflecke.
Der rothe Entian, Cichorienkraut und Wur-
zel, nebſt der Klappe oder Waſſerdreyblatte, und
dem Tauſendguͤldenkraute, ſind ſehr bitter, aber
ohne alles gewuͤrzhafte und fluͤchtige Weſen. Sie
vertreiben die waͤßrige Geſchwulſt bey den klunker-
baͤuchigen Schaafen, befoͤrdern den Harn, toͤdten
die
[256[254]] die Wuͤrmer, oͤfnen die verſtopfte Leber, ma-
chen ſtarken Appetit, purgieren, und reinigen
das Blut.
Gelinde ſtopfende und anziehende bitterlich-
herbe und etwas balſamiſche Kraͤuter
ſind Lungenkraut, Meerhierſe, Beyfuß, Ehren-
preiß und das Leberkraut, die gelinde getrockne-
ten Fliederbeeren halten den Leib offen, daͤmpfen
die Schaͤrfe des Blutes und befoͤrdern Ausduͤn-
ſtung und Harn. Die beruͤhmte Maywurzel,
ein Geheimniß unſerer Schaͤfer, gehoͤret auch
unter die letztern Arten, und thut den Schaafen
beſonders gut auf etwas naſſer und niedriger Wei-
de, und bey einer dergleichen Witterung, wie auch
nach dem Bocken, aber weder vorher, noch waͤh-
rend demſelben.
Die Kreide maͤßig gebraucht, ſchlaͤgt die
Saͤure nieder, wie man auch vom grauen Schwe-
fel glaubt und von Schwefelblumen, wie ſie im
Gegentheile den Appetit zum Freſſen mindert und
den Leib ſehr ſtark verſtopft.
Sonſt hat man ſich vor der Menge ſolcher
Mittel zu huͤten, die ohne genauere Kenntniß der
Weide und der verſchiedenen Urſachen von Schaaf-
krankheiten ſonſt ſo zuverſichtlich angeprieſen wer-
den,
[257[255]] den, wenn man ſeinen guten Stand nicht allzu
geſchwind zu Grunde richten will. Eiſenvitriol
und Alaune ſind ſehr zuſammenziehend, und erfor-
dern beym Gebrauche eine reife Ueberlegung; Ku-
pfervitriol ſollte gar nicht gebraucht werden, wegen
der hoͤchſt beizenden Schaͤrfe; heftige Entzuͤndung
der Eingeweide, Brand und Sterben ſind davon
die gemeinſten Folgen.
Botan. Abhdl.II.B.
[258[256]]
Von Anwendung
der
Witterungs-Beobachtungen
bey der
Ackerwirthſchaft.
Der groͤßte Haufe der gemeinen Ackerleute han-
delt aus einer alten und blinden Gewohnheit, die
ſich auf Unwiſſenheit, Vorurtheile und Eigenſinn
gruͤndet; nach ſolchen glaubt er, das Pfluͤgen und
Saͤen muͤſſe allezeit, ohne Ausnahme in einerley
Ordnung betrieben werden. Um die Witterung
ſelbſt, deren jaͤhrliche Veraͤnderungen und Einfluß
auf den Ackerbau und den verſchiedenen Saamen,
iſt er, wegen Nutzens oder Schadens, weit weniger
bekuͤmmert, als um ſeine Gewohnheit, nach den
laͤngſt eingewurzelten Kalenderglauben, auf Zeiten,
Tagen,
[259[257]] Tagen, Stunden, Zeichen und die Zu- und Abnahme
des Mondes genau Acht zu geben. So lange der-
gleichen Meynungen und Gewohnheiten unter ſol-
chen Landleuten herrſchen, hat man zu einer gruͤnd-
lichen Verbeſſerung des Ackerbaues wenig [Hofnung],
und eben ſo wenig zu ſolchen Einſichten, nach wel-
chen man in Stand geſetzet wird, den Witterungs-
zufaͤllen gewiſſermaßen vorzubeugen, oder ihre Fol-
gen zu mildern. Man weiß zwar wohl, daß der
Ackersmann die ausſchweifenden Witterungen nicht
hindern, nicht aͤndern, und die Zufaͤlle von ſtarken
Nachtfroͤſten, von uͤbermaͤßiger Naͤſſe, und einer
anhaltenden Duͤrre nicht gaͤnzlich abhalten kann;
doch aber laſſen ſich dieſe in vielen Stuͤcken, durch
einige wohl angebrachte Anſtalten, oͤfters maͤßigen,
und ſehr verbeſſern, daß man alſo aus den erſten
Anſehen gar nicht ſchließen kann, der Ackersmann
habe ſich weniger um die Witterung, als um ſeine
Arbeiten zu bekuͤmmern, und ihre Urſachen ſo ge-
nau kennen zu lernen.
Es kann alſo keine Frage mehr ſeyn, ob ſich
der Ackersmann blos bey ſeinen Arbeiten und da-
von zu erwartenden Vortheilen einem blinden
Schickſal uͤberlaſſen, oder nicht vielmehr nach ſol-
chen Gruͤnden handeln muß, aus denen er wiſſen
kann, was er in dieſen oder jenen Umſtaͤnden thun,
auch warum er es eigentlich nur ſo, und nicht an-
ders machen duͤrfe, oder koͤnne. Den Einfluß der
Witterung in die Beſchaffenheit der verſchiedenen
R 2Erd-
[260[258]] Erdarten des Ackers, mit denen daher entſtehenden
guten oder ſchlimmen Veraͤnderungen, will nie-
mand in Zweifel ziehen, weil hierin die Erfahrun-
gen allzu einleuchtend gefunden werden: warum
ſollte man den Anſtand nehmen, die gute oder
ſchlechte Beſchaffenheit einer ſolchen Erde vorher
allemahl wohl zu wiſſen, ehe man ihr einen guten
Saamen anvertrauet. Es erfordert ja nur ein ge-
ringes Nachdenken, ohne Koſten und andere Be-
ſchwerden. Man kann mit der Betrachtung der
feuchten oder trockenen Witterung im Herbſte und
Winter, bis zur Haͤlfte des Fruͤhlings, anfangen:
dieſes ſind die erſten betraͤchtlichen Perioden, wel-
che in Abſicht auf die Folgen, vor die Feldfruͤchte,
und wegen der Maßregeln zu Bearbeitung und Be-
ſtellung der Laͤndereyen, in einzelnen Jahren unge-
mein entſcheidend ſind. Denn wenn man den in-
nern und aͤußern Zuſtand der tragbaren bearbeiteten
oder noch zu bearbeitenden Ackererde wohl kennet,
welchen eine vorhergehende Witterung darin bewir-
ket hat, ſo wird man nach vernuͤnftigen Erfahrungs-
gruͤnden gewiß vorausſehen, was fuͤr Wirkungen
dieſes in Abſicht auf den zarten auskeimenden Saa-
men nach ſich ziehen koͤnne, und ſich alsdann von
ſelbſt um die nachfolgende Witterung der uͤbrigen
Jahreszeiten etwas genauer bekuͤmmern, in welchen
die Felder mit denen verſchiedenen Fruchtarten nach
einander beſtellet werden muͤſſen. Nun aber iſt die
Frage, woher man ſicher vermuthen kann, ob die
fol-
[261[259]] folgende Witterung trocken, feuchte, vermiſcht,
oder gemaͤßigt ſeyn werde? wie man ferner, nach
der Beſchaffenheit und Folge einer jeden insbeſon-
ders, ſeine Ordnung im Pfluͤgen und Beſtellung zur
Saat mit Nutzen darnach einrichten ſolle? Dieſe
Umſtaͤnde haͤngen unter einander vollkommen und
dermaßen zuſammen, daß man in deren Verbin-
dung die Aufloͤſung der Frage leicht finden kann.
Wenn man alſo ſeine tragbare Ackererde beur-
theilt, deren fette und ſchwere, zaͤhe magere oder
leichte Beſchaffenheit, mit der natuͤrlichen, hohen,
platten, tiefen, abhaͤngigen oder wechſelnden Lage
des Feldes wohl zu unterſcheiden und zu vergleichen
iſt, wo man die Wirkung einer trocknen oder feuch-
ten Witterung nach den verſchiedenen Graden des
Eindringens der Naͤſſe wahrnimmt; ſo wird man
um deſto leichter begreifen, ob dieſelbe von einiger
Dauer, und wie lange ſie es ſeyn werde: ob alſo
dieſe Erde ihre erhaltene Eigenſchaft und Kraft aus
dem Herbſte mit in den folgenden Winter bringen,
und durch dieſen weiter bis in die Mitte des Fruͤh-
lings behalten werde, oder nicht; denn was ein ge-
linder, trockner oder naſſer, ein harter und mit vielen
Schnee anhaltender Winter in die verſchiedenen und
ganz verſchieden zubereiteten Arten des Ackers vor
Wirkungen gethan, was ſich ferner beym Ausgange
des erſten und Eintritte des letzten zugetragen, laͤßt ſich
aus dem, was man aus eigner Erfahrung vor ſich
hat, ohne viele Schwierigkeiten ſchon ausfinden,
R 3ehe
[262[260]] ehe man noch den Ueberſchlag und den Anfang zur
Bearbeitung der Felder macht. Demnach kann
man wiſſen, daß ein feuchter, gemaͤßigter Herbſt
der innern Erde fuͤr die Wurzeln aller Gewaͤchſe den
noͤthigen Vorrath von Feuchtigkeit fruͤhzeitig genug
verſchaffe, und alſo dasjenige zu rechter Zeit erſetze,
was durch den vorhergegangenen Sommer erſchoͤpft
worden iſt, falls etwa der darauf folgende Winter
trocken und ohne ſonderlichen Schnee ſeyn ſollte.
Von einem trocknen Herbſte iſt gerade das Gegen-
theil wahr, und wenn darauf ein trockner Winter
einfaͤllt, wird die Erde ihre noͤthige Feuchtigkeit
mit deſſen Endigung und im Anfange, oder zuweilen
erſt gegen die Mitte des Fruͤhlings, erhalten: folg-
lich kann alsdenn der Trieb aller Gewaͤchſe aus der
obern Erde niemahls ſo friſch und ſtark ſeyn, als
außerdem, ſondern nur maͤßig. Sollte der Aus-
gang des Winters ohne ſtarken Schnee, und der
Fruͤhling ſelbſt meiſt trocken ſeyn, ſo kann das
Wachsthum der Feldfruͤchte bey zunehmender Hitze
niemahls anders als ſchlecht und unvollkommen ſeyn.
Aus der wahren Erkenntniß der eigentlichen
Ackerwirthſchaft wird ſich ergeben, daß eine aufmerk-
ſame Witterungsbeobachtung zum Ausgang des
Winters und Eingange des Fruͤhlings hoͤchſt wich-
tig ſey, weil ſie die rechte Zeit, mit der Ordnung der
Bearbeitung des Feldes und Beſtellung einer jeden
Art des Ackers zur Saat, mit Gewißheit entſcheidet
und feſte ſetzet. Sie erwaͤget die Veraͤnderungen
und
[263[261]] und Zufaͤlle einer nachfolgenden Witterung, nach
welcher man ſich, als nach gewiſſen Bedingungen,
durchaus zu richten hat. Denn man kann alsdenn
wiſſen, in welcher Zeit die obere und tragbare Acker-
erde den Pflug mit Vortheil erfordern und zulaſſen
werde, und wie ſie wirklich beſchaffen ſeyn muͤſſe,
wenn die Bearbeitung ihren Anfang nehmen ſoll,
damit ſie auch dadurch gebuͤhrend zertheilet und
durch die nachfolgende Egge recht voͤllig muͤrbe ge-
macht werden koͤnne, um in der Folge dem Saa-
men darinnen eine ſichere Bedeckung, Lage, Nah-
rung, und den jungen Pflanzen das Wachsthum zu
verſchaffen.
Aus allen zuſammen genommen folget ganz
richtig, daß die vernuͤnftige Erkenntniß und behutſa-
me Anwendung der Witterungsbeobachtungen einem
Ackersmann, wegen ſeiner zu machenden Anſtalten,
ſehr noͤthig und nuͤtzlich, und gewiſſer, als Kalender:
zeichen, und Sorge uͤber den Mondwechſel ſey.
[264[262]]
Beſchreibung
der
Stammraupe.
Die Raupe, welche im Jahr 1769 die Obſtbaͤu-
me hieſiger Gegend verheeret, und die ganze Hof-
nung unſrer Obſterndte vereitelt hat, iſt eben kein
neues Ungeheuer in der Natur. Die Gaͤrtner ken-
nen ſie unter dem Namen der Stammraupe, wel-
cher ſich darauf beziehet, daß der Schmetterling,
der ſie erzeuget, ſeine Eyer nicht etwa, wie andere
Schmetterlinge, deren Raupen noch in demſelbigen
Sommer auskommen, und hernach in der Puppe
uͤberwintern auf gruͤne Blaͤtter; noch wie die Rin-
gelraupe (phalaena Neuſtria Linn.) in einem Ringe
um die duͤnnen Zweige herum, ſondern vielmehr
in großer Menge, auf einem Haufen, ſelbſt an den
Stamm und an die ſtarken Aeſte des Baumes an-
legt. Ein einziges ſolches Angeſchmeiche von
Eyern enthaͤlt deren oft weit uͤber hundert, welche
ſaͤmmt-
[265[263]] ſaͤmmtlich in ein graues aus lauter kurzen Haaren
beſtehendes wollichtes Gewebe eingefuͤttert ſind, ſo
ihnen vermuthlich ſowohl zur Winterdecke, als um
ſie bey einander zu halten, dienet, und weil der
ganze Haufe damit uͤberkleidet iſt, demſelben das
Anſehn eines ſchwammigten Auswuchſes an einem
Baume giebt; dahero auch einige Gaͤrtner dieſe
Stammraupe lieber die Schwammraupe nennen.
Die Eyer ſelbſt ſind in der Groͤße und Geſtalt ganz
kleiner Hirſenkoͤrner, fleiſchfarbig ins gelbliche fallend,
glatt und glaͤnzend auf der Oberflaͤche; beſtehen aus ei-
ner harten Schaale, welche inwendig mit einer Feuch-
tigkeit angefuͤllt iſt, und knacken, wenn man ſie zer-
druͤcket.
Den Winter durch liegt das Ey in der Ruhe,
und man nimmt aͤußerlich keine weitere Veraͤnde-
rung daran wahr, außer daß die Eyer gegen das
Fruͤhjahr groͤßer zu werden ſcheinen, und das Ge-
ſpinnſt, mit welchem ſie uͤberzogen ſind, eine weiß-
lichte Farbe gewinnet, ſo daß man es von der Rinde
der Baͤume beſſer unterſcheiden kann.
Etwa in der letzten Haͤlfte des Aprils kommen
die jungen Raupen heraus. Es war dieſes Jahr
der 23ſte, als ich ſie ſchon ungemein haͤufig an den
Weiden bemerkte; und ſie waren damahls ohnſtrei-
tig ſchon etliche Tage alt. Den 1ſten May d. J.
thaten ſie ſchon ihre erſte Reiſe, und kamen von
den Weiden uͤber einen Gottesacker her, durch eine
Diſtanz von mehr als 100 Schritten, in meinen
R 5mit
[266[264]] mit vieler Muͤhe und Sorgfalt ausgeraupten Gar-
ten, wo ſie in kurzer Zeit alle Baͤume uͤberzogen.
Die meiſten waren damals in der Laͤnge eines Na-
gels am kleinen Finger. Ich erinnere mich noch
wie die weiße Waͤſche, die ſelbigen Tages auf dem
Kirchhofe aufgehangen war, von dieſen Raupen
ganz ſchwarz bedeckt wurde.
Wenn man einem unerfahrnen ſagte, daß ein
ſolch kriechendes Gewuͤrme, wie dieſe Raupen wa-
ren, in ſeinem dermahligen Zuſtande vermoͤgend
ſey, ſich ohne Fluͤgel durch die Luft von einem Orte
zum andern, und durch eine ſolche Entfernung, zu
begeben, ſo wuͤrde er nicht wiſſen, wie dieſes moͤg-
lich ſeyn koͤnne. Es hat indeſſen mit dieſer Sache
ſeine Richtigkeit. Die jungen Raupen haben die
Art an ſich, daß wenn man den Zweig, an welchem ſie
ſitzen, durch ein gelindes Klopfen ein wenig er-
ſchuͤttert, ſie ſich mit einem langen Faden herunter-
terſpinnen. Da nun ein jeder Wind dieſe Erſchuͤt-
terung verrichtet, und ihr Koͤrper uͤbrigens von ſo
geringem Gewicht iſt, daß er, beſonders wenn ſie
noch den Faden aus ſich heraus geſponnen haben,
gar leicht von der Luft getragen werden kann, ſo be-
dienen ſie ſich dieſes Mittels, um von einem Zweige
und von einem Baume auf den andern zu kommen.
Auf ſolche Weiſe gieng damahls ein ganz unzaͤhlba-
res Raupenheer, mit einem guͤnſtigen Nordwinde,
von den Weiden ab, wo niemand daran gedacht
hatte, ihre Neſter zu zerſtoͤhren, nach den Gaͤrten
zu
[267[265]] zu unter Segel. Waͤre der Wind anders gekom-
men, ſo wuͤrden wir ſo viele Raupen nicht gehabt
haben. Zum Beweiſe deſſen dienet ein Garten,
welcher gleich neben den Weiden abendwaͤrts lieget,
und in welchem auch nicht ein Baum beſchaͤdigt iſt,
desgleichen auch ein anderer mitten im Orte, wel-
cher durch Gebaͤude vor dem Winde gedeckt war.
Beyder Gaͤrten Eigenthuͤmer hatten auch Raupen-
neſter genug gehabt, allein ſie hatten ſie zerſtoͤret,
wie wir andern alle gethan haben, nur blos weil ihnen
der Wind keine neue Colonie zufuͤhrte, ſo ſind ſie gluͤck-
licher, als andere davon gekommen.
Ich habe geſagt, daß die Raupe anfaͤnglich
ſchwarz iſt. Aber nach ihren uͤberſtandenen Haͤu-
tungen, wenn ſie ganz ausgewachſen iſt, und ſich
in ihrem Luſtre zeiget, iſt ſie bunt. Sie iſt alsdenn
etwa 2 Zoll lang, mit langen Haaren beſetzt, deren
mehrere aus einem Punkte kommen. Der Laͤnge
nach iſt ſie auf dem Leibe herunter mit feinen weißen
Linien gezeichnet. Neben dieſen nehmen ſich 2
Reihen Punkte aus, welche vom Kopfe bis zum
Hintertheile auf dem Ruͤcken herunter gehen; die
vorderſten von dieſen Punkten ſind blau, die hin-
terſten dunkelroth; der Kopf iſt gelb mit ſchwarzen
Punkten, als mit Schoͤnpflaͤſterchen beſaͤer, und
vorne am Kopfe hat ſie eine ſtarke, ſchwarze
Zeichnung, faſt in Form eines Hufeiſens, welches
ihr ein ziemlich ſchnurbaͤrtiges Anſehen giebt. In-
nerhalb des Maules iſt ein gelber Triangel, welcher
ſich
[268[266]] ſich ſehr merklich ausnimmt. Was ihre Fuͤße be-
trift, ſo hat ſie deren am Mitteltheile des Leibes
(pedes abdominales) 8; am Vordertheile (pecto-
rales) 6, und hinten (caudales) 2. Mit dieſen
16 Fuͤßen kann ſie ſich feſthalten, und zugleich nach
Gelegenheit kehren und wenden, wie ſie will.
So unmaͤßig ſie auch frißt, ſo machet ſie doch
einen Unterſchied unter ihren Speiſen. Ihr vor-
nehmſtes Geſetz ſcheinet zu ſeyn, keine Jahrge-
waͤchſe zu beruͤhren, ſondern nur ſolche die perenni-
rende Wurzeln haben. Alle Arten von Kohl, alle
Erbſengewaͤchſe, Salat, Gurken, Getreideſorten
ꝛc. ſind von ihnen ganz unbeſchaͤdigt gelaſſen. Sie
freſſen aber auch nicht einmahl alle Sorten von
Baumblaͤttern. Der Herr von Linne ſagt, daß
der Eichbaum dem Fraß dieſer Raupe unterworfen
ſey. Vermuthlich fuͤhrt ſie deswegen den Namen
der buntkoͤpfigen Waldraupe. Meine Erfahrun-
gen aber beziehen ſich nur auf das, was ich dieſes
Jahr in dem Bezirk meines Ortes wahrgenommen.
Hier ſind keine Eichbaͤume vorhanden, und in die
Forſten ſind dieſe Raupen in dieſem Jahre nicht
gekommen. Dagegen haben ſie gefreſſen 1) die
Linde, doch ſo, daß eine, welche an der Suͤdſeite
ſtehet, und einen ſehr friſchen Wuchs hat, ver-
ſchont geblieben. 2) Die Weiden (ſalix alba fra-
gilis, und viminalis), doch ſind die Pappelweiden
(populus nigra), an welcher ich dagegen dieſes
Jahr deſto mehrere Schmetterlinge von der pha-
laena
[269[267]]laena ſalicis herumfliegend, wahrgenommen, frey
ausgegangen. 3) Die Ruͤſtern (ulmus) ſind eben,
wie die Weiden, ganz kahl gefreſſen. 4) Die
Pflaumenbaͤume aller Orten haben aufs aͤußerſte
gelitten, namentlich Kreken, Kurzlinge, Weinpflau-
men, und was den groͤßten Verluſt in der Haus-
haltung macht, die Herbſtpflaumen oder Schwetſch-
ken. 5) Kirſchbaͤume und Aprikoſen, doch ha-
ben die Kirſchbaͤume noch ihre mehreſten Blaͤtter
behalten, vielleicht weil ihr Laub zu glatt und hart
iſt. 6) Die Birn- und Aepfelbaͤume; letztere
ſind ebenfalls ganz ganz kahl gefreſſen, wie auch
die mehreſten der erſtern. Doch fand ich, da ich
im Anfang des July, nach einer Abweſenheit von
einigen Wochen, nach Hauſe kam, und mein gan-
zer Obſtgarten mir einen Winteranblick mitten im
Sommer darſtellte, daß unter allen doch ein einzi-
ziger Sommerbirnbaum ſein Laub in gutem Wohl-
ſtande erhalten, und der gefraͤßigen Wuth dieſer
raͤuberiſchen Inſekten Trotz geboten hatte. Von
Heckengewaͤchſen ſind gefreſſen, 1) die Haſelſtau-
de, 2) die Johannisbeere, 3) die Stachelbeere,
welche drey doch nur aus Hunger, nachdem die an-
dern Baͤume gaͤnzlich entbloͤßt waren, angegriffen
zu ſeyn ſchienen. Dagegen war ihnen 4) die
Maulbeere (Ribes alpinum), und 5) die Roſe,
(ſowohl Roſa canina als centifolia) viel angeneh-
mer geweſen. Unter den Kraͤutern hatten ſie ſich
1) an die Erdbeere, 2) eine Sorte von Rhabar-
ber
[270[268]] ber, (Rheum raponticum), 3) an die zum Saa-
men ſtehende Pinpernelle und Eſparcette ge-
macht, von deren Stengeln ſie die Blaͤtter abfreſ-
ſen. Zu den Baͤumen iſt noch der Lerchenbaum
und die Quitſchbeere zu rechnen.
Die Welſche Nuß (juglans regia und nigra)
der Holunder (ſambucus, der Weinſtock, und von
Heckengewaͤchſen, das Caprifolium, das Nimmer-
gras (Lonicera Xyloſteum), der Spindelbaum
(Euonymus), die Spießbeere (Liguſtrum), der
Spaniſche Holunder (Syringa), der Suͤmach, der
Bieſambaum, (coluthia), das Laburnum, die
dornichte Acacia (gledithſia trianacthos); das Meni-
ſpermum canadenſe nebſt einigen andern, waren
eben ſo unverſehrt geblieben, wie die Jahr- und
Kuͤchengewaͤchſe, wenn gleich um ſie her alles ab-
gefreſſen war, und waren zu der Zeit, da alle Baͤu-
me als verdorret ſtanden, die einzige Zierde meines
Gartens.
Gegen das Ende des Juny und Anfangs
July hat die Raupe ihre Nahrungsmittel verzehret.
Sie wird alsdenn matt, und naͤhert ſich ihrer Ver-
wandlung. Den 8ten July d. J. hatten ſich die
mehreſten ſchon eingeſponnen, bis auf einige we-
nige, die noch auf acht Tage hinter dem Heere her
marodirten.
Sie uͤberſteht ihre Verwandlung in einer dun-
kelbraunen Puppe, welche mit einem geringen Ge-
ſpinnſte an den Zweigen der Baͤume befeſtigt iſt.
Am
[271[269]] Am haͤufigſten findet man dieſe Puppen in Hoͤlun-
gen der Baͤume, oder zwiſchen zwey Aeſten, wo
ſie Schutz haben. Etliche Puppen ſind kleiner,
etliche groͤßer und dicker; aus erſtern erhaͤlt man
die maͤnnlichen, aus den letztern aber die weiblichen
Schmetterlinge.
Nach 14 Tagen kommen die Schmetterlinge
aus. Es war dieſes Jahr den 18ten July, als
ſich ſchon die Vortruppen ſehen ließen, die ein weit
fuͤrchterliches Corps ankuͤndigten, als das vorigjaͤh-
rige geweſen ſeyn konnte. Den 22ſten July und
die folgenden Tage, lebte und regte ſich alles von
Schmetterlingen. Der Herr von Linne hat dieſem
Ungeziefer den Namen Phalaena Diſpar gegeben,
(Syſt. Nat. p. 821.) vermuthlich weil das Maͤnn-
chen, dem erſten Anſehen nach, zu dem Weibchen
gar nicht zugehoͤret. Sie ſind aber nicht nur von
einerley Raupe, ſondern man trifft ſie auch allent-
halben ſich paarend an; und bey genauerer Betrach-
tung iſt ihre Aehnlichkeit offenbar genug. Sie ha-
ben beyde nicht allein die allgemeinen Kennzeichen
der Phalaͤnen, was die Fuͤhlhoͤrner und die Stel-
lung der Fluͤgel betrift, ſondern ſie kommen auch
darin uͤberein, daß ſie beyde auf ihren obern Fluͤgeln
mit 5 Querlinien, die wellenfoͤrmig gezogen ſind, ſo,
daß jedes Theil derſelben, von einer Fluͤgelnerve zu
der andern, einen andern vorſtellet, und uͤberdem
mit dem ſyriſchen Buchſtaben (R.) ܪ, oder einem
halben Circumflex mit einem Punkte daruͤber, end-
lich
[272[270]] lich auch am untern Fluͤgelrande mit einer Reihe
ſchwarzer Punkte, deren jeder auf der Flaͤche zwi-
ſchen zwey Fluͤgelnerven befindlich iſt, eins wie das
andere, gezeichnet ſind. Der Unterſchied aber iſt
dieſer, daß das Maͤnnchen große gefiederte Fuͤhl-
hoͤrner hat, an ſich ſelbſt kleiner, und die Grundfar-
be ſeiner Fluͤgel braun und grau gewoͤlket, ſo wie
auch auf dem Ruͤcken und am Leibe dunkler iſt. Das
Weibchen dagegen iſt noch einmal ſo groß, als das
Maͤnnchen, und man kann ſich vorſtellen, daß ihr
Leib, als ein Magazin von ſo vielen Eyern und
milchigter Feuchtigkeit, aus welcher ſie die Beklei-
dung derſelben zu verfertigen ſcheinen, ungemein
ſtark und dick ſeyn muͤſſe. Seine Fuͤhlhoͤrner ſind
ſchlicht und ſchwarz. Die Grundfarbe aber auf
den Fluͤgeln und auf dem Ruͤcken, wie auch an
Bruſt und Leibe iſt weiß.
Ihren Flug muͤſſen ſie als Phalaͤnen eigent-
lich zur Nachtzeit halten. Ich habe auch geſehen,
daß, als ich einmahl des Abends, nachdem es
dunkel geworden, ein Feuer anlegte, es in allen
Baͤumen flatterte und rege war. Sie fliegen aber
auch bey Tage, und bey heitern Wetter und hellen
Sonnenſchein nur deſto haͤufiger. Inzwiſchen ſind
es hauptſaͤchlich nur die Maͤnnchen, die man flie-
gen ſiehet. Selten daß ſich ein Weibchen durch
die Luft bewegt, es muͤßte denn ſeyn, daß dieſe be-
ſonders die Nachtzeit zu ihren Wanderungen er-
waͤhlen.
Doch
[273[271]]
Doch glaube ich, daß ſie wegen ihres ſchwe-
ren Koͤrpers nie, oder ſehr ſelten, ohne gewaltſame
Urſache reiſen. Es iſt auch zu ihrer Begattung
nicht noͤthig, da die Maͤnnchen mit einem ſehr mun-
tern Fluge allenthalben umherſtreichen, und die
Weibchen aufſuchen. Von den mehreſten weibli-
chen Raupen iſt es gewiß, daß ſie nahe an der
Stelle, wo ſie ausgekommen ſind, ſitzen bleiben,
gleich an dem Tage, da ſie das Licht erblicket ha-
ben, ganz der Vergaͤnglichkeit ihres Lebens ange-
meſſen, ſchon wieder Hochzeit halten, und ihre
Brut demſelben Orte anvertrauen, den ſie vorher
als Raupen zu ihrer Schlafſtaͤtte erwaͤhlt hatten.
Das ganze Leben des Schmetterlings wird
wiederum einen Zeitraum von etwa 14 Tagen ausma-
chen. Den 18ten July ſahe ich die erſten; vom
22ten bis 28ten hielten ſie ihren ſtaͤrkſten Flug, am
6ten Auguſt flog kein einziger mehr, nur noch einige
Weibchen ſaßen ſterbend auf ihren Brutſtellen,
und hatten nur noch ein Paar Faden uͤber ihre letz-
tern zwey Eyer zu wuͤrken, mit welchen ſie ihr Le-
ben ausſpannen.
Da in der Natur alles ſeine Abſichten hat,
und dieſe Abſicht im Ganzen allezeit wohlthaͤtig iſt,
ſo muß auch dieſes ſo ſchaͤdlich erſcheinende Inſekt
dennoch in der großen Oekonomie der Natur ſeinen
Nutzen zu ſtiften beſtimmt ſeyn, und ſo kann man
auch an dem verachteſten Inſekt die Wunder der
Allmacht erkennen. Denn bey aufmerkſamer
Botan. Abhdl.IIB. SBeob-
[274[272]] Beobachtung zeigt ſich, daß dieſe Thiere wieder an-
dern, die entweder mittel- oder unmittelbar nuͤtzli-
cher ſind, zur Speiſe dienen, und daß in der Na-
tur alles leben muß, wenn nicht alles zu Grunde
gehen ſoll, ſo wenig auch dieſer Troſt dem Gaͤrtner
und dem Oekonomen hinreichend ſeyn mag, ihn mit
dieſem gehaͤßigen Inſekt auszuſoͤhnen. Es iſt die-
ſes aber auch nicht noͤthig, denn es gehoͤrt mit zu
dem Nutzen der Inſekten, daß ſie die Wachſamkeit
der Menſchen ermuntern, und ihnen ein Sporn zu
Beſchaͤftigungen ſind, die ſie zu ihrer Vertilgung
anwenden muͤſſen. So viel wenigſtens iſt wahr-
ſcheinlich, daß wenn keine Raupen waͤren, welche
zuweilen ein Paar Jahre hinter einander die Obſt-
erndte verduͤrben, die mehreſten Gaͤrten, wenigſtens
auf dem Lande, lauter Obſtgaͤrten ſeyn wuͤrden,
und der Anbau der zur menſchlichen Geſundheit
in den Sommertagen ſehr noͤthigen Kuͤchengewaͤchſe
wuͤrde, weil er allezeit mehr Muͤhe und Koſten er-
fordert, zu ſehr verſaͤumet werden. Von dieſer
Seite muß man die Sache angreifen, wenn man
den Raupen eine Lobrede halten will. Ja ein kuͤh-
ner Lobredner koͤnnte auch noch hinzu ſetzen, daß
ſie eigentlich nur ſolche Baͤume zu Grunde richten,
die an ſich ſelbſt ſchon fehlerhaft und meiſtens abge-
ſtorben ſind, dagegen aber denen, die ein friſches
Wachsthum haben, nicht nur nicht ſo leicht ſcha-
den, ſondern ihnen vielmehr zur Erreichung eines
deſto hoͤhern Alters befoͤrderlich ſind, und ich
wuͤrde
[275[273]] wuͤrde wenigſtens aufmerkſam ſeyn, ſeine Gruͤnde,
die er hierzu anfuͤhrte, zu hoͤren. Ich bin indeſ-
ſen auch verſichert, daß die ganze Raupenrepublik
ſowohl dem Menſchen, als allen uͤbrigen Mitteln
in der Natur, die zu ihrem Verderben geruͤſtet
ſind, ſehr viele Verbindlichkeit ſchuldig ſey, da
alles, was zu ihrer Vertilgung geſchieht, eigentlich
ihre Erhaltung befoͤrdert. Denn ich will den Fall
ſetzen, daß dieſes Ungeziefer, da es unſere Baͤume
nicht blos der Blaͤtter und Bluͤthen auf ein Jahr
beraubet, ſondern auch ſehr viele Augen mit aus-
frißt, andere dagegen zum Treiben bringt, die ge-
ruhet haben wuͤrden, und viel unreifes Holz in
den Baͤumen verurſachet, welches von dem Froſte
des kommenden Winters gar leichtlich Schaden
nimmt, ſich, ohne daß ſeiner uͤberhand nehmenden
Menge Einhalt geſchaͤhe, beſtaͤndig vermehrte, ſo
wuͤrden ſie ſich nicht allein gleich im 2ten Jahre
einander ihre Nahrung gar ſehr verringern, ſon-
dern es wuͤrde auch aufs aͤußerſte im 4ten oder 5ten
Jahre dahin kommen, daß alle Baͤume, von wel-
cher dieſe Raupen leben, verdorreten, und da wuͤrde
denn die ganze Geſellſchaft, trotz aller ihrer Freß-
begierde auf einmahl verſchmachten muͤſſen, und
eine fuͤrchterlichere Niederlage derſelben entſtehen,
als man ihnen durch alles, was man ſonſt zur
Vertheidigung ſeiner Baͤume gegen ſie verſucht,
beybringen kann.
S 2Im-
[276[274]]
Immerhin alſo, daß dieſe Inſekten in der
Natur ihren Nutzen haben; immerhin, daß der
Schaden, den ſie durch ihr allmaͤhliges und fortge-
ſetztes Freſſen, in einem Jahre anrichten koͤnnen,
bey weitem nicht ſo groß ſey, als wenn man den
Baͤumen, wenn ſie in vollen gruͤnen ſind, alle
Blaͤtter auf einmahl abpfluͤcken wollte, als wodurch
man ihre Wurzeln ohnfehlbar zum Faulen bringen
wuͤrde; immerhin endlich, daß ſie ſelbſt der Baum-
zucht und den Waldungen einen wirklichen Nutzen
ſchaffen; ſo wuͤrde ich doch immer alles moͤgliche
thun, um, wo ſie mir in den Weg kommen, an
ihrer Vertilgung zu arbeiten, und bin dabey verſi-
chert, daß ich nichts weiter ausrichten werde, als
daß ich ihren Ueberfluß einigermaßen einſchraͤnken
[helfe], als wohin die Natur, auch ohne menſchliches
Zuthun, beſtaͤndig arbeitet.
Und das iſt eben das beſte daß die wirkſam-
ſten Mittel gegen dieſes Inſekt in der Natur ſel-
ber ſind. Dieſe, einzeln betrachtet, ſo ohnmaͤchtig
ſcheinende Kreaturen ſind Heere Gottes, die den
Menſchen, der, wenn ſich Laͤnder bevoͤlkern, eher
den Wolf im Gebirge und den Tiger in der Wuͤ-
ſten, als dieſes Inſekt aus den Gaͤrten gaͤnzlich
ausrottet, bey ſeiner Herrſchaft uͤber die Kreatur,
von ſeiner Ohnmacht uͤberzeugen, und etwas hoͤher
zu denken erwecken, als er ſonſt thun wuͤrde; wenn
aber der Schoͤpfer ſie vertilgen will, ſo ſind auch
Mit-
[277[275]] Mittel von allen Seiten zur Zerſtoͤrung bey der
Hand. Daher ſiehet man insgemein, wenn unſre
Raupen ſich ein Paar Jahr recht gluͤcklich gehal-
ten, und nun dergeſtalt vermehrt haben, daß man
auf das folgende mit dem fuͤrchterlichſten Anſcheine
bedrohet wird, wie alsdenn alles auf einmahl weg
iſt, und meiſtens ſieben Jahre zu vergehen pflegen,
ehe man dergleichen wieder zu ſehen bekoͤmmt. Eine
Beobachtung, die ich ſchon anderswo geleſen, und
die ſich durch die Erfahrung an meinem Orte, ſeit
den letztern Raupenjahren 1760 und 1761, da wir
eben mit dieſer phalaena diſpar geplagt waren, ge-
nau beſtaͤtiget hat.
Ein kalter harter Winter iſt wahrſcheinlicher
Weiſe im Stande, alle vorhandene Eyer dieſer
Raupe in ganzen Gegenden zu zerſtoͤren. Denn
daß dieſe Eyer an ſich ſelbſt durch einen ſtarken
Grad der Kaͤlte zerſtoͤrbar ſeyn muͤſſen, ſchließe ich
eben daraus, weil ſie zum Schutz wider die Kaͤlte
mit einer wollichten Bedeckung beſponnen werden.
Wahrſcheinlich iſt dieſes auch die Urſach, weswe-
gen unſre Raupe ſich in den noͤrdlichen Laͤndern von
Europa, als Schweden ꝛc. nicht aufhalten kann;
wo ſie auch um ſo viel weniger etwas nuͤtze ſeyn
wuͤrde, weil das junge Holz, welches nach ihrem
Abfraße, in der Mitte des Sommers waͤchſet, da-
ſelbſt gaͤnzlich erfrieren wuͤrde.
S 3Fuͤrs
[278[276]]
Fuͤrs zweyte ſcheint es mir auch ſehr natuͤr-
lich, wenn in der Mitte des Aprils oder nachher,
wenn die jungen Raupen eben ausgekommen ſind,
recht viele Naͤſſe und kalte Witterung, Schnee
und Froſt einfaͤllt, daß alsdenn die ganze junge
Raupenbrut zerſtoͤrt werden kann. Wenn ſie aͤlter
geworden ſind, ſchadet ihnen der Froſt nicht, wie
dieſes Jahr, da es Nachts vom 8ten bis zum 9ten
May noch Eis fror, ohne daß ſie dadurch umge-
kommen waͤren.
Drittens glaube ich, daß ein anhaltender Re-
[gen] zu der Zeit, wenn die Schmetterlinge fliegen,
das iſt in der letztern Haͤlfte des Julius, uns auf
einmahl auf etliche Jahre von der Raupenlaſt be-
freyen koͤnne. Der Regen ſchlaͤgt die Schmetter-
linge ins Gras, an die Erde nieder, waͤſcht ihnen
den Staub von den Fluͤgeln, macht ſie matt zum
Fluge, und hindert ſie an ihrer Begattung. Ich
habe eben dieſes Jahr, da wir in der Flugzeit die-
ſer Phalaͤne, in der Nacht vom 20ten bis 21ten,
vom 21ſten bis 22ſten, vom 25ſten bis 26ſten, vom
27ſten bis 28ſten, und vom 28ſten bis 29ſten July
Gewitter und Regen hatten, bemerket, daß ſie, ohn-
geachtet der ſtarken Hitze zwiſchen dem Gewitter,
doch immer etliche Stunden Zeit gebrauchten, ehe
ſie ſich nach dem Regen erholten, und wieder zum
Fluge kommen konnten. Ich habe es auch ſonſt
an einer kleinen graulichten Phalaͤne, deren Raupe
die
[279[277]] die Eichbaͤume in Niederſachſen oͤfters abfraß, be-
merket, daß wenn in ihrer Flugzeit, welche immer
noch vor Johannis war, anhaltende Regen einfie-
len, alsdenn das darauf folgende Jahr keine Rau-
pen zu beſorgen waren.
Zu dieſen drey Hauptfeinden, die wider das
Raupenheer, daß ich mich ſo ausdruͤcke, aufmar-
ſchiren, und den ganzen Schwarm zu Grunde rich-
ten, laſſen ſich unzaͤhliche andere hinzu ſetzen, die
gewiſſermaßen den kleinen Krieg wider ſie ausfuͤh-
ren, und die, zuſammen genommen; doch etwas
Großes ausmachen; dahin rechne ich ſowohl die
Niederlagen ganzer Partheyen, als die Aufreibung
einzelner Stuͤcke durch beſondere Vorfaͤlle der Wit-
terung, durch andere Thiere, und durch allerley
kleine Ungluͤcksfaͤlle.
Eine anhaltend ſtille Luft, zu der Zeit wenn
die Raupen wandern wollen, verurſachet, daß ih-
rer viele, die auf einem abgeſonderten Baume ſitzen,
nachdem ſie ihren Vorrath verzehret, nicht weiter
kommen. Sie laſſen ſich alsdenn mit ihren Faden
auf die Erde herab, und kommen auf der Erde um.
Ein Wind zu der Zeit, wenn die Schmetterlinge
fliegen, zerſtreuet ganze Schaaren von ihnen, wirft
die ſchwer beleibten Weibchen an die Erde nieder,
und reißt die leichtern, oft kaum ausgekrochenen,
Maͤnnchen mit Gewalt in die Felder und auf halbe
S 4Mei-
[280[278]] Meilen lang auf andere Doͤrfer hin, wo ſie ohne
ihr Geſchlecht fortpflanzen zu koͤnnen, in trauriger
Einſamkeit ihre Tage beſchließen.
Ob Spechte und Meiſen den Eyern und der
Raupe nachgehen, habe ich nicht beobachtet. Allein
die Sperlinge ſind ein beſtaͤndiger Feind dieſes In-
ſekts. Sie freſſen die Raupen, holen die Puppen
von den Baͤumen, und ſind endlich auch geſchickt
genug, den fliegenden Schmetterling zu fangen.
Doch werden ſie in dieſer Geſchicklichkeit von den
Schwalben noch uͤbertroffen. Die Nachtſchwalbe
oder der Caprimulgus wuͤrde ihrer noch mehrere
auftreiben, denn er hat einen Rachen, in welchem
ein ſolcher Schmetterling, faſt ohne anzuſtoßen,
hineinfahren kann. Nur Schade, daß dieſer Vo-
gel nicht haͤufiger iſt.
Es iſt aber das Schickſal der Raupen, daß ſie
oft noch viel ſchmaͤhlichere Todesarten erfahren
muͤſſen, als dieſe iſt, daß ſie von andern gefreſſen
werden. Ich habe mehrmahlen Raupen einge-
ſperrt gehabt, die ſich verwandeln ſollten, allein
ehe ihre Verwandelungszeit kam, ſtarb die Raupe,
und Wuͤrmer krochen ihr aus allen Theilen des
Leibes. Dieſe waren die Jungen von einer
Ichnevmons-Fliege, welche ſich die Freyheit ge-
nommen hatte, ihre Eyer mit ihren Legeſtachel in
die lebendige Raupe hineinzulegen, daß ſie an dieſer
wider-
[281[279]] widernatuͤrlichen Geburt ſterben mußte. Auf ſolche
Art werden vermuthlich auch manche von dieſer
Stammraupe umkommen muͤſſen. Ein andermahl
habe ich Pnppen gehabt, und wenn ich den Schmet-
terling erwartete, ſo kam ſtatt deſſen ein anderer
Ichnevmon heraus, von der Art die der Herr von
Linné den Ichnevmon compunctor nennet. Wer
weiß, wie viele Schmetterlinge von unſerer Pha-
laͤne auch auf dieſe Art zuruͤckbleiben. Und was
koͤnnen nicht ſonſt fuͤr ſichtbare und unſichtbare In-
ſekten ſeyn, die ihrer taͤglich eine Menge auf-
reiben.
Wie viele werden endlich nicht als Raupen
von Vieh und Menſchen zufaͤlliger Weiſe zertreten,
oder verfliegen ſich als Schmetterlinge durch die
Fenſter, kommen in Gebaͤuden um, oder werden
von Kindern auf der Straße gefangen. Ich habe
ſelbſt in meinem Garten viele geſehen, die ſich in
einer Engliſchen Diſtel (pieris echioides) gefangen
hatten, und dergeſtalt feſt darin klebten, daß ſie
nimmer wieder los konnten. Manche ſterben, in-
dem ſie aus der Puppe kriechen. Und warum
ſollte dieſes Ungeziefer, mehr als andere Kreaturen
von Ungluͤcksfaͤllen, Krankheiten ꝛc. frey ſeyn? Ich
habe alſo zum Beſchluß die Maßregeln und Huͤlfs-
mittel anzufuͤhren, deren ſich der Gaͤrtner und
Hauswirth gegen die vorgedachten Raupen bedie-
S 5nen
[282[280]] nen kann, damit er auch ſeines Theils bey einer
ſo wichtigen Sache, nicht muͤßig gefunden werde;
vornehmlich, ſofern dieſelben in den vorhergehen-
den Beobachtungen gegruͤndet ſind. Es ſind
folgende:
1) Man ſey nicht ſicher, wenn man in etli-
chen Jahren keinen Schaden von dieſer Raupe ge-
habt hat. Es iſt deſto gewiſſer, daß ſie bald wie-
der kommen.
Vielleicht beſtaͤtigt ſich die Anmerkung noch
weiter, daß ſie ihre Periode von 7 Jahren halten.
Auf ſolche Weiſe wird man dem Anfang des Uebels
deſto beſſer widerſtehen koͤnnen, und auch in den
Zwiſchenjahren, wenn ſich dieſe Raupe in geringe-
rer Menge finden ſollte, wenn man ſie erſt recht
kennet, ſie nicht aus der Acht laſſen.
2) Man halte ſeine Baͤume in gutem Stan-
de. Werden auch alle friſch wachſende Baͤume
nicht immer verſchonet, ſo iſt es doch gewiß, daß
ſie durch den Raupenfraß nicht ſo ſehr zuruͤck ge-
bracht werden, als alte, abgeſtorbene, kuͤmmer-
liche, und vernachlaͤßigte Baͤume. Mein ange-
fuͤhrter Birnbaum, der mitten in dem kahl abge-
freſſenen Garten, ſein gruͤnes Laub erhalten hatte;
die junge und noch friſch wachſende Linde, in Ver-
gleich
[283[281]] gleich mit einer alten abgelebten, und ein wilder
Birnbaum, den ich immer wie eine Weide abkoͤ-
pfen laſſe, und der jezt 3jaͤhriges Holz hatte, koͤn-
nen als ein Beweisexempel zu der an ſich ſchon
klaren Wahrheit angeſehen werden. Man um-
grabe und duͤnge alſo ſeine Baͤume, haue ſie aus,
und reinige ſie ſorgfaͤltig von uͤberfluͤßigem Holze.
Vielleicht laſſen ſich auch einige Sorten von Birn-
baͤumen ausfindig machen, welche etwa haͤrteres
Laub haben, und dadurch einen beſondern Werth
erhalten, daß ſie von dieſen Raupen nicht leicht an-
gefreſſen werden.
3) Wenn man ſeinen Baͤumen die rauhe
Rinde benimmt, und das unordentliche Gewirre
von Zweigen heraus hauet, um ihnen noͤthige Luft
zu machen, ſo hat man davon mehr als einen Vor-
theil wider die Raupen zu gewarten. Fuͤrs erſte
habe ich geſehen, da die Raupen wie Zugvoͤgel, mit
dem Winde auf meinen Garten angeflogen kamen,
daß ſie ſich hauptſaͤchlich nur auf die alten Birn-
baͤume niederließen, und ſich hernachmals erſt von
ſolchen auf die Pflaumen- und Aepfelbaͤume, deren
Laub ihnen noch lieber zu ſeyn ſcheinet, verbreite-
ten. Davon war aber die Urſach, daß die Birn-
baͤume eine rauhere Borke haben, und ſie mit ih-
ren Faden deſto leichter daran kleben konnten.
Fuͤrs zweyte habe ich bemerket, daß die meiſten
Pup-
[284[282]] Puppen ſich an ſolchen Orten zuſammen befinden,
wo der Baum Loͤcher und Hoͤlungen hat, wo die
Rinde am rauheſten iſt, wo die Aeſte eine enge
Zwille machen, und wo die Zweige am krauſeſten
in einander gewachſen ſind. Kurz das Ungeziefer
ſucht Schutz wider die Witterung, Sperlinge
u. d. gl. und eben an ſolchen ſichern Orten ſetzen ſie
auch am haͤufigſten ihre Eyer, wenigſtens werden
ſie ſich daſelbſt allezeit am beſten halten. Was iſt
alſo vernuͤnftiger, als daß man ihnen ihre Sicher-
heitsoͤrter zerſtoͤre.
Hat man an den Baͤumen das Seinige ge-
than, ſo muß mans bey eintretenden Raupenjahren
an den Raupen auch thun. Wenn denn,
4) ſich auf einmahl viele Schmetterlinge die-
ſer Art zeigen, ſo iſt am beſten daß man ſich um die
Maͤnnchen, deren man ſonſt, wenn man eine Jagd
zum Vergnuͤgen anſtellen wollte, unzaͤhliche auf
vielerley Weiſe wegfangen und toͤdten koͤnnte, gar
nicht bekuͤmmere. Denn es kann nichts nuͤtzen,
da ſie ohnedem bald ſterben, und ihre Nachkom-
menſchaft zugleich vertilget wird, wenn man die
Weibchen mit ihrer Brut zerſtoͤret. Die Natur
hat zum großen Vortheil fuͤr uns, beyde Geſchlech-
ter dieſes Schmetterlings ſo ſehr verſchieden ge-
zeichnet. Will man ſich dieſes Vortheils bedienen,
ſo kann man mehr als die Haͤlfte der Arbeit ſchon
als
[285[283]] als gethan anſehen. Ja ich glaube faſt, daß zehn
mahl mehr maͤnnliche Schmetterlinge im Garten
umherfliegen, als weibliche darin vorhanden ſind.
Die Weibchen aber kann man wegen ihrer Groͤße
ſowohl, als wegen der weißen Farbe auf ihren
Fluͤgeln, nicht nur leicht entdecken, ſondern man
hat auch wenig Muͤhe ſie zu erhaſchen, da ſie be-
ſtaͤndig auf einer Stelle, am Stamm, und an den
dicken Aeſten der Baͤume ſitzen, und gar nicht da-
von fliegen, wenn man ihnen nahe koͤmmt. Man
kann mit einem Holze, oder mit einer Fliegenklappe
von einer Schuhſohle, ihrer taͤglich ſehr viele toͤd-
ten, ehe ſie ihre Eyer ſaͤmmtlich ausgelegt, oder
ſolche mit der noͤthigen Winterdecke verſehen haben.
Man kann mit einem beliebigen Inſtrument auf
der Rinde des Baumes, an den Orten, wo ſie
ſitzen, herumfahren, und ſie zu ſammt ihrer Brut
herunter ſcharren. Sie werden ſich nicht leicht
wieder erheben, wenn ſie an die Erde gefallen ſind,
und die Eyer muͤſſen doch gewiß umkommen. Die
Natur thut dieſem Geſchmeiß durch den Regen in
ihrer Brutzeit vielen Schaden. Wollte man alſo
zum oͤftern Waſſer auf die Baͤume ſpruͤtzen, ſo
wuͤrde man dadurch ebenfalls etwas ausrichten.
Ob Kalkwaſſer, mit welchem man die Baͤume von
Mooſe zu reinigen pfleget, die Raupeneyer am
Auskommen hindere, habe ich noch nicht unterſu-
chen koͤnnen.
Ohn-
[286[284]]
Ohnſtreitig iſt indeſſen die Zeit, da der Schmet-
terling auf den Eyern ſitzet, die beſte zur Vertil-
gung des Inſekts. So ſorgfaͤltig er ſeine Brut
bedecket, ſo iſt er doch ihr Verraͤther. Wenn der
Schmetterling erſt weg iſt, ſo hat man unſaͤgliche
Muͤhe anzuwenden, und wird doch nicht leicht
alle Stellen, wo alle Eyer angeleget ſind, entde-
cken. Hat man aber die beſte Zeit verſaͤumet, wie
manches Ortes, wegen der eintretenden Erndtearbeit,
leicht geſchehen kann, ſo muß man
5) den Winter uͤber ſeine Baͤume fleißig
durchgehen, und wo man die Eyer entdecket, ſolche
herunter ſcharren, oder ſie zerdruͤcken. Es muß
ein großer Garten ſeyn, den man in 6 Monaten
nicht reinigen koͤnnte. Wie aber, wenn
6) die Raupen in der Nachbarſchaft ausge-
kommen ſind, und durch den Wind herbey gefuͤhret
werden? Hier moͤchte eine in den Sammlungen
des Herrn D. Schrebers vorgeſchlagene Dampfku-
gel Dienſte thun. Hilft dieſe nicht, ſo wird man,
mit den uͤbrigen bekannten Mitteln wider die Rau-
pen, gegen ein ſo unzaͤhlbares Heer noch weniger
ausrichten koͤnnen. Man wird ſie alſo freſſen
laſſen und warten muͤſſen, bis ſie ſich einſpinnen,
da man denn
7) Ent-
[287[285]]
7) Entweder die Baͤume ſchuͤttelt, daß die
vor ihrer Verwandlung kranken und ohnmaͤchtigen
Raupen herabfallen, oder die Puppen abſuchen
laͤßt. Vielleicht ſind die haͤufigen Regen Urſache,
daß, wie ich heute noch im Garten bemerket habe,
eine Menge Puppen, auf deren Entwickelung ich
bisher vergeblich gewartet habe, ſaͤmmtlich verdor-
ben, und inwendig mit nichts, als mit einer braunen
faulenden Feuchtigkeit, angefuͤllet ſind. Wo man
Waſſer genug im Garten hat, koͤnnte man alſo auch
beſonders die auswaͤrts an Baͤumen haͤngende und
am ſchwerſten zu erlangende Puppen, in erman-
gelnden Regen, durch Huͤlfe einer Handſpruͤtze be-
feuchten, um zu ſehen, ob dieſer Verſuch ſich vor-
theilhaft zeigen wuͤrde.
Uebrigens habe ich gegen die Schmetterlinge
einen Rauch gemacht, und mehrerley Verſuche an-
geſtellet, aber ſo wenig etwas ausfindig machen
koͤnnen, was ihren Sinnen unangenehm waͤre, um
ſie zu vertreiben, als auch irgend eine Witterung,
wodurch man ſie haͤufig an einen Ort, als zur
Schlachtbank, zuſammen locken koͤnnte.
Da mehrere Schmetterlinge von der Phalaͤ-
nenart des Nachts ins Feuer fliegen, ſo habe ich
auch dieſes probiret. Aber dieſe fliegen nicht ins
Feuer, und wenn ſie auch einmahl hineinfloͤgen,
wuͤr-
[288[286]] wuͤrden ſie keinen Schaden nehmen. Ich habe ei-
nigen, die an einem Baume ſaßen, die brennende
Lampe untergehalten, aber ſie waren ſo hartnaͤckig,
daß ſie ſitzen blieben.
Da jeder nicht nur um ſein ſelbſt, ſondern auch
um ſeiner Nachbaren willen, ſeinen Garten auszu-
raupen verbunden iſt, ſo waͤre es gut, wenn dies-
falls Befehle aus den Aemtern ergehen, auch zu-
gleich mit einſchaͤrfen zu laſſen, daß die um das
Dorf ſtehenden Baͤume nicht vergeſſen werden
muͤſſen.
Schließlich gehoͤret noch zur Naturgeſchichte,
daß die Phalaena diſpar ſchon in der Gegend von
Hannover, wo man 52 Grade 20 Minuten Nor-
derbreite hat, ganz unbekannt iſt; dergleichen ſich
in Abſicht mehrerer Inſekten z. E. der Spaniſchen
Fliege Meloe veſicatorius), die gleichfalls hier zu
Lande in manchen Jahren einige Baͤume und Ge-
ſtraͤuche kahl frißt, bemerken laͤßt. Dagegen wird
dieſe Phalaͤne weiter in Oberſachſen eben ſo be-
kannt ſeyn, wie hier. Wie denn die Raupe, wel-
che dieſes Jahr in Thuͤringen und in der Gegend
von Jena vieler Orten die Obſterndte vernichtet
hat, vermuthlich eben dieſelbe ſeyn wird. Hier
iſt es in einem Diſtrikt von wenigſtens ein Paar
Meilen, nur dieſer einzige Ort, welcher mit dieſer
Plage
[289[287]] Plage heimgeſuchet worden, und ob der Schaden
gleich hoch berechnet werden kann, ſo wird er ſich
doch aus der Nachbarſchaft einigermaßen erſetzen
laſſen. Ich wuͤnſchte nur daß die Raupen durch
verurſachten Mangel des friſchen Obſtes uns keine
allzu gefaͤhrliche Ruhrkrankheit mitgebracht haben
moͤgen.
Botan. Abhdl.II.B.
[290[288]]
Kurze Anweiſung
zu den geſchwindeſten
Rettungsmitteln,
durch welche man
den aus dem Waſſer gezogenen Verungluͤckten
am ſicherſten zu Huͤlfe kommen kann.
Obſchon bey den verſchiedenen Handthierungs-
arten, Gewerbe und Umſtaͤnden, die oͤftern Un-
gluͤcksfaͤlle den Staat eines gewiſſen Antheils von
Menſchen zwar ploͤtzlich, aber doch ſchleichend, be-
rauben, die demſelben noch immer nothwendig,
und nuͤtzlich ſeyn, oder zu kuͤnftigen Dienſten Hof-
nung geben koͤnnen; ſo wird doch die Wichtigkeit
dieſes heimlichen Abganges nicht uͤberall beherzigt,
wie
[291[289]] wie es ſeyn ſollte, und zuweilen werden die Pflich-
ten der Menſchheit ſelbſt ſo gar aus den Augen
geſetzet. Man vergißt nehmlich entweder den ins
Waſſer gefallenen elenden Perſonen die ſchleunig
noͤthige Huͤlfe zu leiſten, oder gehet doch dabey
nur allzu ſaumſelig und unwiſſend zu Werke.
Wie denn manche Laͤnder, anſehnliche Gegenden
und Staͤdte, die eine ſo gluͤckliche Lage haben, daß
ſie an den Seekuͤſten, großen Stroͤmen, Landſeen,
und durch bequeme Kanaͤle einen betraͤchtlichen
Handel treiben koͤnnen, oder andere die ſich haupt-
ſaͤchlich, von den Fiſchereyen ernaͤhren muͤſſen,
dennoch an ſolchen guten und wirkſamen Anſtalten
zur Rettung der Ertrunkenen den groͤßten Mangel
leiden. Zwar kann man, ſowohl von den Obrig-
keiten, als dem uͤbrigen gruͤndlich und billig denken-
den Theile der daſigen Einwohner nicht ſagen, daß
ſie dabey ganz gleichguͤltig, oder gar unbillig waͤ-
ren; doch gehet bey dergleichen ungluͤcklichen Um-
ſtaͤnden, bey welchen zur Rettung des menſchlichen
Lebens eben ſo eilige Huͤlfe und Anſtalten erfor-
dert werden, alles, ohngeachtet des hohen Werthes
deſſelben, noch viel zu langſam zu, da doch dieſer
Werth, alle Sorg- und Liebloſigkeit ſchlechterdings
verbannen ſollte.
Die Menſchenfreunde machen es ſich dahero
zur beſondern Pflicht, nach ihren Kraͤften und Ge-
legenheit, die große Unwiſſenheit, Nachlaͤßig-
T 2keit,
[292[290]] keit, Fuͤhlloſigkeit, Eigenſinn und andere Nieder-
traͤchtigkeiten des Poͤbels und anderer, die ihnen
an Denkungsart und uͤbrigen Unarten gleich ſind,
gleichſam zu uͤbertragen, zu lenken, und auch dar-
aus zur Erfuͤllung eines guten gemeinſchaftlichen
Entzweckes, die beſten Vortheile zu ziehen; da man,
ſtatt nach bloßen Einfaͤllen zu handeln, auch ſogar
die ungluͤcklichſten Umſtaͤnde eines Elenden noch im-
mer zu nutzen ſuchen muß; ohne Nutzen aber der ge-
meine Mann in keine Bewegung zu ſetzen iſt. Ein wuͤr-
diges Beyſpiel dieſer Art hat die 1767 zu Amſterdam
errichtete vortrefliche Geſellſchaft zur Rettung der
Ertrunkenen gegeben, die auch bereits das Gluͤck
gehabt, an etlichen andern Orten ihre eifrige Nach-
folger zu finden.
Dieſe Geſellſchaft hat ſeit der Zeit nehmlich
Praͤmien an diejenigen gegeben, die von etlichen
ehrlichen Leuten ſichere Zeugniſſe beybringen koͤn-
nen, daß ſie Ertrunkene wieder aufgelebet haben.
Zur Hebung anderer Schwierigkeiten aber, die ein
ſo gemeinnuͤtziges Stuͤck von Seiten einer poͤbel-
maͤßigen Eigennuͤtzigkeit oͤfters vereiteln, hat ſie
außerdem alle Koſten bezahlen laſſen, die bey der
Pflege und Rettung ſelbſt angewendet werden muͤſ-
ſen, der Ertrunkene hat moͤgen zum Leben wieder
gebracht worden ſeyn, oder nicht. Wie denn die
Austheilung der Praͤmien und Bezahlung der Ko-
ſten
[293[291]] ſten an gewiſſen dazu beſtimmten Orten, ohne alle
Weitlaͤuftigkeit ausgezahlt worden iſt.
Die zuverlaͤßigſten und vorzuͤglichſten Ret-
tungsmittel zur Wiederherſtellung eines Ertrunkenen,
welche zum Theil zur Erhaltung der Praͤmie als Bedin-
gungen vorausgeſetzt worden, ſind wenige einfache,
dem gemeinen Mann wohl begreifliche, und in der
Noth aller Orten bey jeden anzubringende Huͤlfsmit-
tel; ſie finden alsdenn zuverlaͤßig ſtatt, wenn man weiß,
daß ein verungluͤckter Menſch etwa nur eine Vier-
telſtunde oder eine ganze Stunde unter Waſſer ge-
weſen. Damit aber nichts unterlaſſen werde, oder
unverſucht bleiben moͤge, muͤſſen ſie auch an ſolchen,
die laͤnger im Waſſer gelegen haben, verſucht werden;
außer an ſolchen, an denen ſich ſichere Zeichen einer
Verweſung aͤußern.
Das erſte Rettungsmittel wird ohne Zeitver-
luſt, ſo bald eine verungluͤckte Perſon jedes Orts,
in Staͤdten, Doͤrfern, auf Feldern, Wieſen oder
Landſtraßen an das Ufer gebracht, oder auch in ein
Fahrzeug geleget, gleich angewendet. Es beſtehet
nehmlich darinnen, daß man eine duͤnne, un-
ſchaͤdliche, ſtumpfe Roͤhre, Tabackspfeife, oder
auch was man von dergleichen etwa aͤhnliches zuerſt
bey der Hand hat, gelinde in den Maſtdarm anzu-
bringen ſuchet, wozu auch ſonſt ein Blaſebalg, mit
einer duͤnnen Roͤhre ſehr geſchickt iſt. Durch alle
T 3der-
[294[292]] dergleichen Inſtrumente muß nun die Luft ſo ſtark, ſo
geſchwind und ſo anhaltend, als moͤglich, eingebla-
ſen werden, um die Gedaͤrme zu reizen.
Ein noch ſtaͤrkerer Reiz entſtehet durch das
Einbringen einer angezuͤndeten Tobackspfeife oder
Tobacks-Clyſtierpfeife, weil, der Erfahrung zu-
folge, der warme, fluͤchtige, ſcharfe und oͤhlige
Tabacksrauch viel heftiger und wirkſamer iſt, und
in den Gedaͤrmen zugleich eine ſtaͤrkere Abfuͤhrung des
eingeſchluckten Unraths erreget, als eine bloße Luft.
Mit dieſem reizenden Mittel wird zugleich,
und ohne Anſtand, ein anderes verbunden, welches
ſehr gute Wirkung thut, da nehmlich dem Ertrun-
kenen von jemand die Naſe zugehalten wird, und
deſſen Lungen durch den Mund eines andern un-
mittelbar ſtark aufgeblaſen werden. Das Aderlaßen
iſt gleich zum Anfang aus der großen Droßelader
oder am Arme ſo noͤthig, daß es nicht vernachlaͤßigt
werden darf. Man hat gewoͤhnlich Gelegenheit, dieſe
Mittel als die erſten und wichtigſten an ſehr vielen Or-
ten mit einander zu verbinden, ſie auch leichter, als
manche andere, zu verſchaffen.
Das zweyte Hauptmittel iſt, den aus dem
Waſſer gebrachten Koͤrper, welcher naß, kalt und
erſtarrt iſt, von ſeinen Kleidern zu befreyen, und
ihm eine warme, trockene Kleidung von den Umſte-
hen-
[295[293]] henden anzulegen, oder ihn in eine wollene, wohl
durchwaͤrmte Decke, Schaafsfelle oder in Betten
einzuwickeln; dabey aber muß der Koͤrper nicht auf ein-
mahl zu ſtark erwaͤrmet werden, ſondern nach und nach
mit einiger Vorſicht, warmer Aſche, Kleye auch Sand
bedeckt werden, und thut auch ſonſt die Waͤrme eines
gemaͤßigten Feuers hierbey die beſten Dienſte. Au-
ßerdem hat ſich gefunden, daß die natuͤrliche Waͤrme
einer oder zweyer geſunder Perſonen, die den Ver-
ungluͤckten zwiſchen ſich in ein warmes Bette ge-
nommen, gleichfalls hinreichend geweſen ſey.
Unter waͤhrenden Einblaſen des Tobacks-
rauchs und Waͤrmen, oder auch abwechſelnd mit
jenen, iſt das Reiben des Ruͤckgrads, der Bruſt,
des Unterleibes, der Arme und Fuͤße, mit warmen
trocknen Lappen, die mit Salz beſtreuet, oder in
Brandwein getaucht werden, vom groͤßten Nutzen.
Das ſcharfe Buͤrſten, ferner Brandwein, ſtarker
Schnupftoback, oder Salmiakgeiſt in die Naſe ge-
bracht, ſo wie auch das Kitzeln mit einer Feder unter der
Naſe thun gute Wirkungen. Sobald nun der Verun-
gluͤckte einige Lebenszeichen von ſich zu geben ange-
fangen, iſt es Zeit, ihn mit Wein oder Brandwein
zu erquicken, auch mit dieſen etwas ſalzige und reizende
Sachen einzugießen, aber nicht vorher.
Bey guter Anwendung beſagter durch die Er-
fahrung zur Genuͤge beſtaͤtigter Rettungsmittel,
kann
[296[294]] kann man aller ſonſt gewoͤhnlich geweſenen, wider-
ſinniger, und zum Theil ſchaͤdlicher Mittel uͤberho-
ben ſeyn, worunter das Stuͤrzen auf den Kopf,
das Hin- und Herrollen uͤber eine Tonne, und das
Aufhenken an Armen oder Beinen die bekannte-
ſten ſind.
Ueberhaupt hat man bey allen dergleichen betruͤb-
ten Zufaͤllen zu wuͤnſchen Urſache, daß vorerwaͤhnte
Verſuche, und alle zur Rettung der Ertrunkenen abzie-
lende Anſtalten, uͤberall mit mehreren Ernſt zur
Ausuͤbung gebracht werden moͤgen.
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 1. Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bhsk.0