1.

[[1]]
Der christliche Vater
wie er
sein und was er thun soll
nebst einem
Anhange von Gebeten für denselben
von
W. Cramer,
Domcapitular und Regens des Bischöflichen Priester-Seminars.
Mit Erlaubniß der Obern.
Zum Besten des Bonifacius-Vereins.
Zweite Auflage.
A. Laumann in Dülmen: Katholische Verlags-Buchhandlung.1874.
[[2]]

Vorrede zur zweiten Auflage.

[3]

So theuer uns auch die Hoffnung war, daß
unser ‘„Christl. Vater“’ in Betreff seiner Verbreitung
ähnliche Erfahrungen machen möge, wie ‘„die christ-
liche Mutter“’
*), so wagten wir dennoch kaum zu
erwarten, daß bei einer so starken ersten Auflage
(5000) schon nach einem halben Jahre eine neue
nothwendig sein würde. Um so erfreulicher die Auf-
gabe, der so bald nothwendig gewordenen zweiten
Auflage ein Wort zum Geleite mitzugeben. Was
könnte dasselbe besser zum Inhalte haben, als zuvor
den Ausdruck des freudigsten Dankes gegen den
Herrn, in dessen Obhut und Segen wir unser Büch-
lein von Anfang an so angelegentlich empfohlen
hatten und dem, als dem Geber alles Guten, wir
auch gern seine schnelle Verbreitung zuschreiben; -
dann die herzliche Erneuerung des am Schlusse der
Vorrede zur ersten Auflage ausgesprochenen Wun-
sches, auch für diese zweite Auflage, daß nämlich
auch sie recht bald ihre Leser, ihr Inhalt aber treue
Nachachtung und dem Gebetstheile nach eifrige Be-
nutzung finden möge. Und so Gott empfohlen!

Münster am Oktavtage des Festes
            der hh. drei Könige 1874.

Der Verfasser.

Aus der Vorrede zur ersten Auflage.

[4]

...Es giebt – dem Herrn sei's gedankt! – auch
heut noch so manche Väter, welche von einem leben-
digen Glauben und von den besten Gesinnungen beseelt,
die hohe Bedeutung ihres väterlichen Berufes erkennen
und des besten Willens und aufrichtigen Bestrebens
sind, allen Obliegenheiten eines wahrhaft ‘„christlichen
Vaters“’
zu genügen. An sie richten wir insbesondere
unser Wort; ihnen wird es willkommen sein; ist es
ja darauf berechnet, in einem der wichtigsten Punkte
ihrer Lebensaufgabe ihnen desto größere Klarheit
und Sicherheit zu vermitteln und die Erfüllung
ihrer heiligsten Pflichten ihnen näher zu legen und
zu erleichtern. – Gern geben wir uns dabei der
Hoffnung hin, daß unser Wort mit Gottes Gnade,
welche wir und mit uns Andere über dasselbe herab-
gerufen haben und herabrufen, auch Manche aus
der Zahl derjenigen Väter, welche ihren väterlichen
Beruf bisher nicht christlich auffaßten und daher bei
all ihrer Liebe zu ihren Kindern denselben dennoch
nicht zum wahren Wohle derselben handhabten, zur
Besinnung bringen werde und zur Einsicht, daß ihr
so herzliches Verlangen, ihre Kinder zu beglücken, nie
Erfüllung finden könne und werde, wenn sie dieselben
nicht zu einem echt christlichen Leben anzuleiten sich
angelegen sein lassen. Welch eine kostbare Frucht,
wenn unser Wort dazu beitrüge, sie zu ‘„christlichen
Vätern
“’
zu machen und so den Kindern derselben das
unschätzbare Gut einer christlichen Erziehung zu
vermitteln.

Jemehr – wie wir bereits in unserer ‘„Christ-
lichen Mutter“’
bemerkt haben – die glaubensfeind-
[5] lichen Bestrebungen unserer Zeit darauf gerichtet sind,
der Jugend den Einfluß der h. Kirche und damit
Glauben und christliche Gesittung vorzuenthalten, desto
dringender legt sich jedem gläubigen Herzen der Wunsch
nahe, daß in den Familien der christliche Geist hei-
misch bleibe und kraft seiner die Erziehung einen
wahrhaft christlichen Charakter habe und daher, wie
die Mütter, so auch die Väter wahrhaft christliche
seien; dann werden sie ihre Kinder in christliche Ge-
sinnung und in ein christliches Leben einführen und
ihnen, wenn sie in die böse Welt hinaus müssen, Glau-
ben und christliche Sitte als eine kostbare, schützende,
rettende und beglückende Mitgift zum Geleit geben.

Aber grad die Väter sind vermöge ihrer ganzen
Lebensstellung am Meisten den unseligen, Glauben
und christliche Sitte gefährdeten Einflüssen der Jetzt-
zeit ausgesetzt und daher in Gefahr, der Gesinnung
und dem Leben nach an ihrem christlichen Charakter
Schaden zu nehmen, um so nicht allein ihr eigenes
Heil in Gefahr zu bringen, sondern auch unfähig zu
werden, ihren Kindern eine christliche Erziehung, also
die wesentlichste Bedingung ihres wahren Wohles,
angedeihen zu lassen.

Daher gehörte es wesentlich zu unserer Aufgabe,
in diesem unserm Werkchen ganz insbesondere auch
Fingerzeige zu geben, wie der ‘„Vater“’ trotz der ge-
dachten bösen Einflüsse seinen christlichen Charakter
behaupten und in echt christlichem Geiste bestehen möge.

Auch diesmal machen wir eine kleine Zugabe
von Gebeten für den ‘„christlichen Vater“’. Ohne
Segen von oben kann das große Geschäft der Er-
ziehung ein rechtes Gedeihen nicht finden. Dieser
Segen muß aber durch Gebet errungen werden.

[6]

So möge denn auch der ‘„Christliche Vater“’ ähn-
lich wie die ‘„Christliche Mutter“’ sich die Wege bah-
nen in die Hände der Väter rings im deutschen Va-
terlande! Mögen seine Belehrungen, Winke und Rath-
schläge in deren Herzen eine gute Stätte finden, um
zu einem reichen Segen für die guten lieben Kinder
zu gedeihen. Der Herr gebe ihm das Geleite.

Münster in der Pfingstwoche 1873.

Der Verfasser.

Der Vatername.

[7]

‘„Vater“’ – eines der ersten Worte, welche vom
kindlichen Munde gelallt werden, gewissermaßen die
Erstlinge der kostbaren Gabe der Sprache zur Ehre
dessen, dem Dasein und die Sprache zu verdanken,
des Vaters im Himmel und auch des irdischen
Vaters.

Vater – welch ein ehrwürdiger Name! Von
Ewigkeit her wurde er genannt, zum Ausdruck des
geheimnisvollen Verhältnisses zwischen den beiden er-
sten Personen der Gottheit. Als aber Gott die
Menschen in's Dasein gerufen, da redeten sie Ihn
an mit dem Namen ‘„Vater!“’; Er war es, Er hatte
sie zu Seinen Kindern gemacht und als Seine Kin-
der mit den höchsten, mit wahrhaft göttlichen Gaben
sie ausgestattet.

Und als durch die Sünde dieser höchste Vorzug
der Kindschaft Gottes ihnen abhanden gekommen war
und nun Gott selbst in der zweiten Person der Gott-
heit auf die Erde herniederkam, um ihnen das ver-
lorene Heil wieder zu bringen, da war eben die
Wiederherstellung jenes gnadenvollen Verhältnisses der
Kindschaft Gottes die kostbare Frucht des Lebens
und Wirkens, Leidens und Sterbens des Erlösers:
‘„So Viele an ihn glaubten, denen gab Er Macht,
Kinder Gottes zu werden.“’
Gott war und ist
wieder im Vollsinne des Wortes ‘„Vater“’ aller der-
jenigen, welche in der h. Kirche wiedergeboren sind
zu Kindern Gottes.

[8]

Als Vater lehrte Ihn der göttliche Erlöser wie-
der kennen; so nannte Er Ihn: ‘„Euer himmlischer
Vater;“’
‘„euer Vater, der im Himmel ist;“’ so sollten
nach Seiner Anleitung die, welche sich gläubig Ihm
angeschlossen hatten, Ihn anreden, wenn sie sich be-
tend an Ihn wendeten: ‘„Vater unser, der Du bist
im Himmel.“’
Gott – der Vater der Menschen!
So Viele wiedergeboren sind aus dem Wasser und
dem h. Geiste, sie sind Seine Kinder, Er ihr Vater.

Mit welchem Rechte gebührt Ihm dieser Titel!
Ist Er es nicht, dem alle Menschen im tiefsten
Grunde Dasein und Wesen verdanken? Und wenn
sie in der Wiedergeburt die übernatürliche Kindschaft
Gottes erlangt haben, ist Er es nicht, der in der
Person des h. Geistes sie neugeschaffen hat? Er ist
es, der das von Ihm geschenkte natürliche und über-
natürliche Leben fristen und zu höherer Vollendung
führen muß, wenn es bestehen und zur Vollkommenheit
gedeihen soll. In Wahrheit – der Vater der Men-
schen, Seiner Kinder.

Aber Er hat die Vaterschaft und den erhabenen
Vaternamen nicht für sich allein behalten wollen.
Wie Er in allen Menschen das Bild seines gött-
lichen Wesens abgeprägt und sie zu Seinen Eben-
bildern überhaupt geschaffen und hergestellt hat, so
sollte nach den Nachschlüssen Seiner göttlichen Weis-
heit und Liebe auch Seine Vaterschaft ihr Bild
in der Menschheit haben; eine gewisse Anzahl unter
den Menschen sollte Antheil haben an den Vorzügen
und Vorrechten Seiner väterlichen Würde; auch sie
sollten Väter sein und Kinder haben. Wie Ihm,
so sollten die Kinder auch ihnen ihr Dasein zu ver-
danken haben; gleichwie Er den Kindern, da Er sie
[9] zu Seinen natürlichen und übernatürlichen Edenbil-
dern schuf, einen Antheil an Seiner göttlichen We-
senheit schenkte, so sollten auch die Väter ihren Kin-
dern einen gewissen Antheil, wie an ihrer leiblichen,
so auch an ihrer geistigen Beschaffenheit übermitteln;
wie Er durch fortwährende Gnadenwirksamkeit Seine
Kinder zu immer höhern Stufen der Vollkommenheit
und so zum ewigen Heile zu führen sucht, so sollten
auch die Väter durch heilsamen Einfluß an diesem
Werke der Heiligung und einstigen Beseligung Theil
haben; – wie Er in alle Ewigkeit das beseligende
Bewußtsein hat, daß alle die, welche bei Ihm und
mit Ihm ewig unendlich selig sind, ihr Glück und
ihr Heil Ihm zu verdanken haben, so sollten auch
einst im Himmel die menschlichen Väter das ähnlich
beseligende Bewußtsein haben, durch treue Erfüllung
der Vaterpflichten geholfen zu haben, ihren Kindern
das Glück des Himmels zu vermitteln.

Also ist jeder menschliche Vater das Bild des
großen Vaters im Himmel, Sein Stellvertreter auf
Erden, von Gott dazu gesetzt. ‘„Alle Vaterschaft,“’
sagt der Apostel, ‘„ist von Gott.“’ Was er von der
weltlichen Obrigkeit sagt, das ist in noch viel höherm
Grade wahr in Betreff eines Vaters und von der
Vaterwürde: ‘„Sie ist von Gott; Gott hat sie ange-
ordnet.“’
Ist aber der Vater ein Bild des großen
Vaters im Himmel und Sein Stellvertreter, so hat
er auch Theil an den Vorrechten der göttlichen Va-
terschaft: Er steht über seinen Kindern, er ist ihr
Herr und Gebieter; er hat Anspruch und Recht auf
Ehre, Gehorsam und Unterwürfigkeit von Seiten der
Kinder; ähnlich, wie Gott, ihrem himmlischen Vater,
schulden die Kinder auch ihm Ehrfurcht, Liebe und
[10] Gehorsam; sie sind im Gewissen verpflichtet, ihm
solche zu leisten. Auch für die Väter hat das Wort
des Herrn Geltung in Beziehung auf ihre Kinder:
‘„Wer euch hört, der hört Mich; wer euch verachtet,
der verachtet Mich.“’
Konnte der große himmlische
Vater die menschlichen Väter, Seine Stellvertreter
auf Erden, höher ehren, als daß Er in Seinen h. Ge-
boten dem Gebote, welches sich auf sie bezieht, den
nächsten Platz nach den Seine göttliche Person be-
treffenden Geboten eingeräumt hat? Und nicht allein,
– auch dadurch hat Gott die Väter (und Mütter)
geehrt, daß das sie betreffende Gebot das einzige ist,
welches Er mit einer ausdrücklichen Verheißung be-
gleitet hat: ‘„Du sollst den Vater“’ (und die Mutter)
‘„ehren, auf daß es dir wohl gehe.“’

Was ist erhebender, als die Aussprüche der heil.
Schrift, worin der Herr in der manchfachsten Weise
den Kindern, welche gegen ihren Vater (und Mutter)
sich nach Pflicht erweisen, Seine himmlischen Seg-
nungen verspricht? Aber auch, was ergreifender, er-
schütternder, als der Fluch, den Er ausspricht über
Kinder, welche die dem Vater (der Mutter) gebührende
Ehre verletzen und ihr zuwider handeln? Und haben
diese Aussprüche des Herrn nicht in der h. Geschichte
die vielfältigste Bestätigung gefunden? Die reichste
Beglückung für gute Kinder; dagegen die strengsten
Strafgerichte über ungerathene Söhne und Töchter.
Und was so die h. Geschichte darlegt, das findet der
aufmerksamere Beobachter unablässig, immer von
Neuem bestätigt durch die tägliche Erfahrung.

Was folgt daraus? Das folgt daraus: Wenn
Gott, wie Er es hier durch Wort und That beweiset,
ein solches Gewicht legt auf die treue Erfüllung der
[11] Pflichten der Kinder gegen ihre Eltern, gegen ihre
Väter, wie hoch muß dann in Seinen Augen die
väterliche Würde stehen, wie erhaben erscheint dann
der Vatername, von Gott selbst also mit Ehren
umgeben!

Und wie ehrwürdig erscheint endlich die Vater-
schaft und der Name ‘„Vater“’, wenn wir mit un-
serm Blick eindringen in das Herz des Vaters!
Wie hat der Herr es eingerichtet? Ganz nach Sei-
nem Vaterherzen. Sein Vaterherz trägt eine
unendliche Liebe gegen Seine Kinder, und in der
Liebe, ein unermeßliches Verlangen, sie zu beglücken,
und eine unbegrenzte Bereitwilligkeit, dafür Alles zu
thun, und ein unaufhörliches, unermüdliches Walten,
um die Kinder zum wahren Wohle zu führen. Siehe
da die Ausstattung, welche der Herr jedem Vater-
herzen
gegeben hat, die Mitgift. Aehnlich ist jedes
unverdorbene Vaterherz gegen die Kinder ganz von
selbst, unwillkührlich. Oder fände man wohl einen
Vater, dessen Herz, wenn Gott ihn nun in die Va-
terwürde einsetzt und ihm ein Kindlein schenkt, nicht
unwillkührlich den Drang der innigsten Liebe zu die-
sem seinem Kinde in sich verspürte und nicht Ver-
langen trüge, dies sein Kind zu beglücken und nicht
bereit wäre, dafür Alles zu thun?! Alle Welt würde
den einen unnatürlichen Vater nennen, dem es
an solcher Herzensverfassung gebräche. Nur bei einem
hohen Grade von Rohheit und Verkommenheit wäre
es möglich. Siehe da das Vaterherz.

Wer aber hat das menschliche Herz so eingerichtet
und geordnet, daß es, wenn der Mensch Vater wird
und ist, sich von solchen Gefühlen und Gesinnungen
alsbald beseelt findet? Es ist die Ausstattung des
[12] großen himmlischen Vaters an Seine Gleichbilder
und Stellvertreter auf Erden, die Mitgift aus Seinem
großen Vaterherzen an ihr Vaterherz.

Wie ehrwürdig lasset solche Verfassung des Vater-
herzens den Vaternamen erscheinen! Gott selbst, der
das Vaterherz gestaltet, hat ihn so ehrwürdig gemacht.

Will der Vatername nicht also ehrwürdig er-
scheinen, begegnet man vielmehr einer gewissen Miß-
achtung und Verachtung desselben, so hat das leider
seinen Grund in der Art, wie die hohe Würde bei
manchen Vätern der schmählichsten Entweihung und
Entehrung preisgegeben ist; ohne Gefühl und Sinn
für ihre väterliche Würde und für die hohe Aufgabe
ihres Berufes, unbekümmert um die Pflichten dessel-
ben, ja denselben auf die schnödeste Weise zuwider
handelnd lassen sie alle jene schönen Zuge, die das
Bild eines guten Vaters bietet, an sich vermissen
und bieten nur das häßliche Zerrbild eines entarteten
Vaters.

Aber lassen wir einen Vater der Idee seiner
väterlichen Würde entsprechen, führen wir uns einen
Vater vor, der in seinem Leben das Bild eines wahr-
haft guten Vaters zur Darstellung bringt, – wer
könnte ihm seine innigste Anerkennung, seine Hoch-
achtung vorenthalten? Wie ist bei Kindern eines
solchen Vaters der Vatername so hochgeachtet, so ehr-
würdig, so geschätzt, so geliebt! Ihr ganzes Herz
bewegt sich im Gedanken an den Vater; von ihm
getrennt, tragen sie heiße Sehnsucht nach ihm; seine
Gegenwart, sein Blick, sein Wort ist ihnen Beglückung.
Sein Andenken steht unverwüstlich in ihrem Herzen,
selbst dann noch, wenn er längst im Grabe ruhet.
[13] Giebt's denn wollthuendere, labendere Erinnerungen,
als die an einen wahrhaft guten Vater?

O ja, ehrwürdig ist der Vatername. Ihn braucht
man daher, um in allen Verhältnissen und Kreisen
des Lebens das Gute, das Vortreffliche, das Vor-
zügliche, das Beste zu bezeichnen. Welch ein ehrendes
Zeugniß für einen Hausherrn, wenn sein Gesinde
aus dem Zuge des Herzens ihn ‘„Vater“’ nennt!
Welch ein Lob, wenn's von dem Vorsteher einer An-
stalt, einer Gemeinde heißt: Er ist den Genossen der
Anstalt, der Gemeinde ein Vater. Und giebt's für
einen Fürsten, König und Kaiser einen schönern Ruhm,
als wenn ihm der Name ‘„Landesvater“’ mit Recht
gegeben werden mag?

Oder gehen wir in geistliche Kreise: Während
der Priester eines seiner wichtigsten Aemter verwaltet,
wo die ganze Liebe und Sorgfalt seines Herzens in
Anspruch genommen wird, und die Gläubigen den
höchsten Beweis ihres Vertrauens zu geben pflegen,
da nennt man ihn mit dem Vaternamen ‘„Beicht-
vater“’
. – Wenn ein Seelsorger sich einer Seele
mit besonderer Sorgfalt annimmt, um sie auf den
Wegen der Vollkommenheit weiter zu führen, da heißt
er ihr ‘„geistlicher Vater“’. – Pfarrer und Bischöfe,
welche ihres hohen und wichtigen Amtes mit beson-
derer Liebe und Sorgfalt walten, heißen Väter der
Gemeinden, der Diöcesen. – Ja selbst für den höchsten
Würdenträger in der h. Kirche, für ihr Oberhaupt,
für den eigentlichen Stellvertreter Jesu Christi hat
sich kein schönerer, treffenderer Name gefunden, als
der Name ‘„Vater“’; Papst heißt ‘„Vater“’; unser
ganzes Herz bewegt sich, wenn wir sagen: ‘„Unser
heiliger Vater.“’

[14]

So ehrwürdig ist der Vatername auf Erden.
Wird er's nicht auch im Himmel sein? Herrlich
werden einst an den Auserwählten ewiglich erglänzen
jene geheimnißvollen Ehrenzeichen, welche sie in der
h. Taufe, in der h. Firmung, und wenn sie Priester
waren, in der h. Priesterweihe empfingen, die Ehren-
zeichen der Kindschaft Gottes, der Ritterschaft Jesu
Christi, des Priesterthums. Wer möchte zweifeln,
daß in einer ähnlichen Art auch die Vaterwürde an
den Auserwählten, so Viele aus ihnen auf Erden
dieselbe bekleidet haben, zu ihrer ewigen Ehre und
Glorie hervorstrahlen werde?

Siehe, christlicher Vater, das bist du: Vater;
diesen ehrwürdigen Namen, von Gott und von Men-
schen mit Ehren umgeben, hochgeachtet auf Erden,
geehrt im Himmel, – ihn trägst du; er wird, wenn
du ihn würdig trägst, auch deine Ehre sein, deine
Beglückung, dein Heil für Zeit und Ewigkeit.

Auf denn, so erfülle sich dein Herz mit Erhebung
in dem Bewußtsein deiner väterlichen Würde; dein
Vatername – er sei dein Stolz; dich seiner zu aller
Zeit und in jeder Art würdig zu erweisen, das sei
dir h. Ehrensache!

Der Vaterberuf.

[15]

Seine Aufgabe.


Ehrwürdig ist der Vatername. Namen, die von
Gott stammen, sind der Ausdruck des Wesens ihrer
Träger. Das ist es, was wir hier in's Auge fassen,
das Wesen der Würde des Vaters, seinen Beruf,
seine Aufgabe.

Des Vaters Aufgabe ist wie seine Würde, von
Gottes Gnaden; Gott hat ihn, da Er ihm seine
Kinder gab, zum Vater gemacht. Die Kinder sind
Gottes Geschenk. ‘„Er hat uns gemacht,“’ sagt der
Psalmist, ‘„wir haben uns nicht selbst gemacht.“’ Sie
sind Gottes Eigenthum; ‘„Er ist unser Gott,“’ heißt
es ferner, ‘„wir aber sind Sein Volk, Schafe Sei-
ner
Weide.“’
Und: ‘„Dem Herrn gehört die Erde
und Alles, was auf ihr ist.“’
Deine Kinder, o
Vater, sind Gottes Kinder, viel mehr und in einem
viel höhern Sinne, als sie deine Kinder sind. Liebst
du sie, Er liebt sie noch viel mehr. Hast du Sorge
für sie, Er hat noch mehr Sorge für sie. Sie ge-
hören in aller Weise so viel mehr Ihm, als dir.
Er hat sie dir anvertrauet.

Wozu hat Er sie dir anvertrauet? – Frag,
wozu hat er sie geschaffen? Die Antwort ist be-
kannt, sie sollen heranwachsen und gedeihen zu wahr-
haft guten Menschen, auf daß sie zur Zeit zu eigenem
Wohle und zum Besten ihrer Mitmenschen treu und
gewissenhaft ihrem Berufe auf Erden entsprechen und
durch ihr Leben auf Erden sich den Eingang in das
Reich Gottes im Himmel, in die ewige Seligkeit
erringen. Welch eine Aufgabe! An ihrer Erfüllung
[16] hängt das Wohl des Menschen auf Erden, an ihrer
Erfüllung hängt sein Wohl für die ganze Ewigkeit.

Dazu hat dir nun der Herr deine Kinder gegeben
und anvertrauet, daß du ihnen behülflich sein sollest
zur Erfüllung dieser Aufgabe. Du sollst dazu bei-
tragen und ihnen behülflich sein, daß sie wahrhaft
gute Menschen werden, daß sie für den von Gott
gegebenen Beruf tüchtig werden und ihm in aller
Treue sich hingeben, auf daß ihr Leben auf Erden
nicht allein ihre zeitliche Wohlfahrt begründe, son-
dern ihnen auch den Himmel verschaffe.

Das alles hat der Herr in deine Hand gegeben
und zwar so sehr, daß deine Kinder, wenn du nicht
an ihnen und für sie bist und thust, was du nach
Gottes Absicht und Rathschluß sein und thun sollst,
so fast sicher ihre von Gott gegebene Bestimmung
gar nicht erreichen. Sie werden keine gute Men-
schen, wenn du nicht das Deinige dazu thust; sie
werden ihren Beruf auf Erden nicht erreichen und
seine Aufforderungen nicht entsprechen, wenn du sie
nicht dazu anleitest; sie werden nicht wahrhaft glück-
lich auf Erden, sie werden leicht nicht in den Him-
mel kommen, wenn du nicht Gottes Willen an ihnen
erfüllest. Man kann in Wahrheit sagen: Die Kin-
der sind in deine Hand gegeben
.

Es gibt Ausnahmen von der Regel: Kinder, an
welchen der Vater seine Pflicht nicht gethan hat, ja,
an denen er seiner Pflicht gradzu entgegen gehandelt
hat, werden dennoch gute Menschen und gelangen
zum Heile. Gott selbst tritt mit besondern Gnaden
und durch gnadenvolle Fügungen ein und ersetzt und
gleicht aus, was der Vater ihnen vorenthalten oder
an ihnen verdorben hat. Aber das sind Ausnah-
[17]men, sogar sehr seltene. Regel bleibt es, daß Kin-
der, an welchen der Vater (und mit ihm die Mutter)
die Pflicht nicht erfüllt hat, nicht wahrhaft gute Men-
schen werden, nicht oder nicht in gebührender Weise
zum Heile gelangen. Die Rathschlüsse des Herrn
sind für den schwachen menschlichen Verstand viel-
fach unerforschlich. Fragt man, warum der Herr,
was er doch an einzelnen verwahrlosten Kindern
thut, nicht an allen, ja in der Regel nicht thue,
so ist eine sichere Auskunft darüber oft genug nicht
vergönnt; aber Thatsache ist es, daß in der Regel
das, was die Eltern ihren Kindern vorenthalten, was
sie an ihnen verdorben haben, ihnen überhaupt vor-
enthalten und verdorben bleibt.

Tritt nicht beim einzelnen Menschen etwas
Aehnliches zu Tage? Handelt es sich darum, daß
er ein guter Mensch sei und werde, daß er seinen
Beruf erreiche und erfülle, daß er zeitliches und
ewiges Wohl erlange, so muß in allen diesen Be-
ziehungen ohne Zweifel Gott das Meiste thun -
durch Seine Gnade, durch gnadenvolle Fügungen und
Einwirkungen. Aber dennoch muß auch der Mensch
überhaupt und in jedem einzelnen Falle mit Hand
an's Werk legen; er muß, wenn es sich um die Voll-
führung eines guten Werkes, um Ueberwindung der
Versuchung, um Befreiung von Fehlern, um Er-
ringung von Tugenden handelt, überall die von Gott
ihm verliehenen Kräfte, Gaben und Fähigkeiten ein-
setzen und benutzen; erst dann, und nur so viel, als
er es thut, pflegt Gott das Seinige zu thun, mit
Seiner Gnadenhülfe ihm beizustehen und das Man-
gelnde zu ersetzen. Aber auch selbst das thut Er
meist nur dann und in so fern, wenn und in so
[18] fern der Mensch durch Gebet und sonstiges frommes
Thun Ihn dazu zu vermögen sucht. ‘„Hilf dir“’ sagt
das Sprichwort, ‘„so wird Gott dir helfen,“’ d. i.
setze das Deinige ein;*) dann darfst du hoffen, daß
Gott, wenn du Ihn bittest, auch das Seinige thun
werde. – Läßt es aber der Mensch daran fehlen,
benutzt er die von Gott ihm gegebenen Gaben und
Gnaden und Gelegenheiten nicht, um von seinen
Fehlern los zu kommen, um die Tugenden zu er-
ringen und das Heil zu erwerben, so tritt Gott
nicht ersetzend und gutmachend für ihn ein, ob Er's
auch könnte; der Mensch bleibt in seinen Fehlern
stecken, bleibt ohne Tugend, geht verloren.

So liegt es im geheimnißvollen Rathschlusse der
unendlichen Weisheit Gottes, Seiner Heiligkeit und
Liebe. Der Mensch soll – dahin geht dieser Rath-
schluß – er soll, so viel möglich, selbst der Urheber
seines Heiles sein, ähnlich, wie Gott, was er ist und
hat, aus sich hat und ist; sein Glück soll dadurch
desto größer werden. Aber ganz ähnlich liegt's im
Rathschlusse des Herrn, daß auch das Wohl des einen
Menschen durch die heilsame Einwirkung des Andern,
der Andern bedingt sei. Gott schuf die Menschen
so, daß sie nicht als vereinzelte Wesen neben ein-
ander stehen, sondern auf's Innigste, wie die Glieder
des Leibes, mit einander verbunden sein, ein großes
Ganze bilden sollten. Handelte es sich für den Ein-
zelnen darum, seine Bestimmung und sein zeitliches
und ewiges Wohl zu erreichen, so sollte es ihm nicht
allein anheimgegeben sein, sondern, damit es in desto
reicherem Maße geschehe, sollten auch die Andern,
also Viele dazu beitragen, dazu mitwirken; wie
[19] denn hinwiederum der Einzelne den Andern darin
behülflich sein sollte.

Wir errathen die gnädige Absicht Gottes leicht.
Sollte dadurch, daß Viele dafür thätig wären, das
Heil des Einzelnen voller werden, so bezweckte der
Herr ohne Zweifel dadurch zugleich, daß ein Band
heiliger Liebe mehr und mehr Alle innig umschlinge
und einst in Ewigkeit die Auserwählten das beseligende
Bewußtsein tragen möchten, zum Wohle und zur Be-
glückung so vieler Andern beigetragen zu haben.

Wie dem auch sei, die Wahrheit steht fest, das
Wohl des einen Menschen ist auf manchfache Weise
bedingt durch einen gewissen heilsamen Einfluß der
Andern, so sehr, daß derselbe ohne diesen das für
ihn Erwünschliche gar nicht oder nur in viel gerin-
gerem Maße erreiche. Unterlassen und versäumen
es die Betreffenden, diesem oder jenem in nothwen-
diger oder erwünschlicher Art Gabe, Hülfe, Erleich-
terung, Trost, Unterstützung, Belehrung, Anleitung,
heilsamen Einfluß u. s. w. zuzuwenden, so bleibt
demselben das alles vorenthalten; er bleibt in seiner
Noth, er erlangt nicht das erwünschte Heil. Der
Herr tritt nicht ersetzend ein.

Wohl nirgends ist das aber in so hohem Grade
der Fall, wie bei den Kindern. Sie sind in jeglicher
Weise angewiesen auf den heilsamen Einfluß des
Vaters, der Mutter. Sind diese nicht darauf bedacht,
das Ihrige zu thun, um sie zu guten Menschen zu
machen, sie zum Heile zu führen, so werden sie nur
zu leicht überhaupt keine gute Menschen, gelangen
nicht zum Heile. Fraget jene unglücklichen Menschen,
welche zu keinem rechten Lebensberufe gelangt sind,
oder den Anforderungen ihres Berufes nicht ent-
[20] sprechen, vielleicht in Sünde und Laster dahin leben,
welche daher ein wahres Lebensglück nicht gefunden
haben, vielmehr ein elendes Dasein führen, fraget
sie, woher dies alles? Fast immer wird die Antwort
auf einen Vater, auf eine Mutter zurückführen, welche
ihre Pflicht an ihnen nicht gethan haben. – Ja,
wäre es vergönnt, in der jenseitigen Welt dieselbe
Frage an jene Unseligen zu stellen, welche dem ewigen
Verderben anheimgefallen sind – ach, wie Viele
unter ihnen würden die Hauptschuld ihres Verderbens
auf den Vater, die Mutter wälzen!

Siehe also, o Vater, deine Aufgabe! Da es im
Plane der göttlichen Weisheit und Liebe lag, den
Menschen als unmündiges Kind in's Dasein zu
setzen, auf daß, wie das leibliche Leben, so auch das
geistige und höhere Leben sich aus kleinen und ge-
ringen Anfängen zu immer höhern Stufen der Voll-
endung entwickele, so bedurfte der junge Mensch für
die Zeit der Entwicklung seines leiblichen und geistigen
Lebens einer Stütze und Hülfe, eines Führers und
Erziehers, um in heilsamer Weise jene von Gott
ihm zugedachten Stufen der Vollendung zu erreichen,
ähnlich, wie das junge zarte Bäumchen der Stütze,
und Pflege bedarf.

Daher hat Er dem Menschen für die Zeit seiner
Kindheit und Jugend die Eltern, besonders den Vater,
zur Seite gegeben. Da der jugendliche Mensch selbst
noch nicht im Stande ist, das, was zur Erhaltung
und Fristung des Lebens Noth thut, sich zu verschaffen,
so soll es ihm vom Vater verschafft werden; da der
jugendliche Mensch, noch unwissend und unerfahren,
nicht weiß, was seines Berufs und Heiles ist, so
soll der Vater, reicher an Kenntniß und Erfahrung,
[21] ihm die rechten Wege zeigen und auf sie hinlenken; da
der jugendliche Mensch, gleichwie am Körper, so auch
am Geiste und Willen schwach und unselbstständig durch
eigene Wahl und Bestimmung schwerlich den rechten
Weg einhalten mag, so soll der Vater, gereift durch
Erfahrung, gefestigt in guten Grundsätzen und stark
im christlichen Geiste, ihm ein Führer sein auf dem
rechten Wege und ihm, daß er ihn einhalte, eine
h. Gewalt anthun.

So ist das Kind, der Jüngling, die Jungfrau
überall und in allen Beziehungen auf den Vater
(die Mutter) angewiesen; sie werden fast immer das,
was der Vater aus ihnen macht. Kann es daher eine
höhere, wichtigere und verantwortlichere Aufgabe geben,
als die, welche der Vater an seinen Kindern hat?

Die Ausstattung.


Darum hat denn auch der Herr, da er diese
Ordnung eingeführt und Seine Kinder für die erste
Zeit ihres Lebens in so hohem Grade den Eltern
anheimgegeben hat, auf die manchfachste Weise Sorge
getragen, den Eltern die Erfüllung ihrer wichtigen
Aufgabe auf jede Art möglich zu machen. Daher
hat Er im Herzen des Vaters und der Mutter jene
starken und mächtigen Regungen der Vater- und
Mutterliebe grundgelegt, auf daß sie durch dieselben,
wie unwillkürlich, erweckt würden, sich ihrer Kinder
mit aller Sorgfalt anzunehmen; was aber nun schon
das natürliche Gefühl der Liebe den Eltern nahe
legen mußte, das hat der Herr ihnen durch Wort
und That auf's Nachdrücklichste an's Herz gelegt und
zur heiligsten Pflicht gemacht. Wie ergreifend sind
Seine Drohungen wider pflichtvergessene Eltern! Wie
[22] groß die Belohnungen, welche Er guten Eltern in
Aussicht stellt! Drohungen wie Verheißungen sollten
zu desto treuerer Erfüllung der Elternpflichten anregen.

Dem entsprechend hat der Herr die Herzen der
Kinder so eingerichtet, daß schon ein gewisser natür-
licher Trieb
sie dahin vermöge, den Eltern in ihren
erziehenden Bestrebungen überall gewissermaßen auf
halbem Wege entgegenzukommen. Daher dieses Ge-
fühl der Liebe und Anhänglichkeit gegen Vater und
Mutter in jedem kindlichen Herzen, diese Empfäng-
lichkeit und dies gläubige, offene Herz für Alles, was
die Eltern sagen und thun, dieser Trieb, ihnen Alles
nachzumachen, diese Willigkeit, ihren Befehlen zu fol-
gen. Alles Fassungen, welche Gott dem Kindesherzen
eingepflanzt hat. Und auch hier ist Gott den natür-
lichen Trieben durch Vorschrift und Gebot zu Hülfe
gekommen. Wie nachdrücklich hat Er den Kindern
Ehrfurcht, Liebe und Gehorsam gegen die Eltern zur
Pflicht gemacht! Und wie hat Er zu aller Zeit durch
Lohn und Strafe, an guten oder schlechten Kindern
vollführt, auf die augenscheinlichste Weise, nicht selten
in erschütternder Art diesen Seinen Geboten Nach-
druck gegeben!

Hatte der Herr bei allen diesem auch zunächst
das Wohl der Kinder im Auge, welches in so hohem
Grade durch die treue Erfüllung ihrer Pflichten gegen
die Eltern bedingt ist, so wollte Er dadurch doch
auch zugleich den Eltern zu Hülfe kommen, auf daß
sie desto sicherer ihre Aufgabe an den Kindern voll-
führen könnten.

Siehe also, o Vater, wie viel Gott, deinem Herrn,
daran liegt, daß du deine Aufgabe an deinen Kin-
dern nach Seinem h. Willen vollführest! Muß die-
[23] selbe dir nicht um so wichtiger erscheinen, je mehr dein
Gott gethan hat, um die Erfüllung derselben zu sichern?

Erhabenheit des väterlichen Berufs.
Strafe und Lohn.


Bedarf es noch mehr, um den Vätern ihren
Beruf werth und heilig zu machen, so können wir
hinweisen auf die Erhabenheit dieses Berufes. Oder,
was könnte Gott einem armen Menschen Kostbareres
und Besseres anvertrauen, als einen Menschen.

Einen Menschen! Hast du es schon je in seiner
Tiefe erfaßt, was denn ein Mensch ist? Der Mensch
ist das herrlichste Werk der Hand des Herrn: Alles
hatte Gott durch einen einfachen Akt Seines h. Wil-
lens in's Dasein gerufen; Er sprach: ‘„Es werde!“’
und es war da. Als Er aber den Menschen in's
Dasein rufen wollte, da traten zuvor die anbetungs-
würdigen Personen der allerheiligsten Dreieinigkeit
gewissermaßen in einen h. Rath zusammen: ‘„Lasset
Uns den Menschen machen!“’
Und so ‘„schuf Gott
den Menschen nach Seinem Bilde, nach Seinem
Gleichnis; schuf Er ihn.“’
– Siehe, o Vater, dieses
herrlichste Werk Seiner Hände hat er dir anvertraut,
so vielfach, als Er dir Kinder geschenkt hat.

Und wie theuer sind Ihm deine Kinder! Sie
sind ja auch Seine Kinder, viel mehr und in viel
höherem Sinne, als sie deine Kinder sind. Er liebt
sie mehr, als du. ‘„Mit ewiger Liebe hat Er sie
geliebt.“’
Er hat Seinen Sohn für sie hingegeben.
Und wie sehr liebt sie der göttliche Sohn, der große
Kinderfreund. Er hat sein Leben für sie hingegeben.
Und der h. Geist! Er hat in der heiligen Taufe
Besitz von ihnen genommen, um in ihnen als in
[24] Seinen Tempeln zu wohnen und zu wirken. Siehe,
diese so hochgeliebten Kinder hat der dreieinige Gott
dir, o Vater, anvertraut, das Theuerste, was Er hat.
Du sollst Ihm helfen, diese deine und Seine Kinder
zum wahren Heil zu führen; Er hat dich in diesem
hochheiligen Werke zu Seinem Mitarbeiter erwählet.
O ehrwürdiges Amt, Gottes Mitarbeiter zu sein am
Heile Seiner Kinder!

Und um was handelt es sich? Es handelt sich
um das Wohl deiner Kinder. Handelte es sich blos
um das zeitliche Wohl der Kinder, wie wichtig er-
scheint schon das! Wie viel liegt daran, daß der
Mensch hier auf Erden ein wahres Lebensglück finde.
O gewiß, wenn es sich in der Erziehung bloß darum
handelte, so würde dieselbe jedem nur halbwegs guten
Vater schon höchst wichtig erscheinen müssen. Nun
aber handelt es sich um ein ewiges Wohl und
Wehe. Es ist in die Hand des Vaters gegeben,
durch eine gute Erziehung seine Kinder von dem
furchtbarsten, ewigen Verderben zu retten, ihnen das
Höchste, ein unendliches, ewiges Glück zu vermitteln.
Kann eine größere, höhere Aufgabe gedacht werden?
Darum hat auch der Herr Jesus nicht Anstand ge-
nommen, die größten Leiden und Qualen zu über-
nehmen, ja sich dem schmählichsten Tode hinzugeben,
da es sich darum handelte, die Menschen von jenem
Verderben zu retten und sie zu diesem Heile zu füh-
ren. Auch für die Seele eines jeden Kindes ist dieser
unendlich kostbare Preis, dieses Lösegeld von unend-
lichem Werthe entrichtet worden. O wahrhaft erha-
bene, unendlich wichtige Aufgabe des Vaters an sei-
nen Kindern!

[25]

Was daher auch ein Vater an sonstigen Geschäf-
ten hier auf Erden zu vollführen hat, keines kann
sich auch nur von fern messen mit seiner Aufgabe
an seinen Kindern. Es ist in der That das wich-
tigste Geschäft, die höchste Aufgabe seines Lebens.

Von ihrer treuen und gewissenhaften Erfüllung
hängt daher auch mehr als von allem Andern sein
eigenes Wohl für Zeit und Ewigkeit ab. Welch'
eine Fülle der schönsten Genugthuungen wird guten
Eltern fast immer schon auf Erden von ihren wohl-
erzogenen Söhnen und Töchtern bereitet! Sind nicht
gute Kinder die Freude, die Ehre, der Reichthum
derselben, ihr höchstes Glück! Aber im Gegentheil,
welches Wehe auf Erden kann sich messen mit dem
Wehe, dem Kummer, dem Grame, so leichtsinnige
Eltern fast immer von ihren durch ihre Schuld miß-
rathenen Kindern erfahren?

Das ist die von der göttlichen Gerechtigkeit her-
gestellte Ordnung, das Vorspiel dessen, was den
Eltern die Ewigkeit bringt. Wie schwer wird die
Verantwortung eines Vaters sein, der in der Stunde
seines Gerichtes bekennen muß, daß er die höchste
und wichtigste Aufgabe, so Gott ihm auf Erden ge-
stellt hatte, verkannt und vernachlässigt habe und
durch diese Säumniß, durch die Gewissenlosigkeit,
womit er der heiligsten Pflicht seines Lebens, seiner
Vaterpflicht zuwider gehandelt hat, durch Wort und
Beispiel Schuld gewesen, daß die, welche er zu guten
Menschen erziehen sollte, schlecht geworden, daß die,
welchen er ein Führer zum Heil hätte sein sollen,
verloren gegangen sind! Und, sofern er seine große
Sünde nicht durch wahre Buße getilgt hat, welch'
ein Gericht! Und welche Verdammniß! Ist das
[26] nicht allein schon eine Hölle, wenn ein solcher Va-
ter, was nur zu sehr zu fürchten steht, dort am
‘„Orte der Qualen“’ seine Kinder um sich hat, um
aus ihrem Munde jene schrecklichen Vorwürfe, Ver-
fluchungen und Verwünschungen zu vernehmen?!

O Vater, bedenke das und lasse es dein höchstes
Streben sein, ein guter Vater au deinen Kindern
zu sein. Wer fände Worte, den Lohn eines guten
Vaters in der Ewigkeit auch nur annähernd darzu-
stellen? Immer will es uns scheinen, daß der Herr
jenes Wort, womit Er Seine treuen Diener einst
auf Seinem Richterthrone empfangen wird: ‘„Wohl
dir, guter und getreuer Knecht“’
mit ganz besonderer
Liebe und Huld zu Vätern (und Müttern) sagen wird,
welche ihre Kinder gut erzogen, welche also denen,
die Er so sehr, die Er unendlich liebt, den Kindern,
so großes, das größte Heil vermittelt haben; welche
beitragen zur Erfüllung des höchsten Verlangens
Seines h. Herzens, daß doch die Seelen, wofür Er
Sein kostbares Blut vergossen und Sein Leben hin-
gegeben hat, zur ewigen Seligkeit gelangen möchten.

O ja! Und unaussprechlich groß wird der Lohn
sein, den Er ihnen zurichtet, Er, der nicht einen Trunk
Wassers unbelohnt lassen will. – Würde nicht das
allein schon ein Himmel für solche Väter sein, ihre
Kinder dort im Himmel um sich zu haben, sie unend-
lich glücklich zu sehen und dabei das Bewußtsein
haben zu dürfen, zu diesem ihrem Glücke so viel bei-
getragen, ja es mit Gottes Gnade recht eigentlich
begründet zu haben! Wahrhaftig, da ist das schöne
Wort im Vollsinne wahr, was der h. Augustinus
von allen Auserwählten sagt: ‘„Jeder freuet sich
über das Glück des Andern, wie über das eigene;
[27]so viel Genossen, so viel Himmel,“’
‘„der
Vater freuet sich über das Glück seiner Kinder, wie
über das eigene; so viel Kinder, so viel Him-
mel
.“’
Und wahrhaft glücklicher Vater, wenn dann
die Kinder vor dem ganzen Himmel Zeugniß geben,
daß sie ihr Himmelsglück nächst Gott dem Vater
(der Mutter) zu verdanken haben!

So vereinigt sich denn Alles, um den Vätern
ihre Pflichten gegen ihre Kinder heilig erscheinen zu
lassen und sie zur treuesten Erfüllung derselben auf's
Nachdrücklichste anzuregen.

Der christliche Vater.

[28]

Unser Büchlein trägt den Titel: Der christliche
Vater; auf dem ‘„christlich“’ liegt der Nachdruck.
Christlich, wahrhaft christlich, muß der Vater sein,
soll er seine Aufgabe lösen.

Wir haben uns die Aufgabe des väterlichen Be-
rufes vorgeführt. Der Vater soll mit der Mutter
das Kind heranbilden, daß es seine von Gott ihm
gegebene Bestimmung erreichen möge. Diese Bestim-
mung aber ist eben eine christliche. Kaum war
das Kind und zwar nach christlicher Anschauung in
einem äußerst bedauernswerthen Zustande geboren,
da hat der Herr, durch Seine h. Kirche jenen Akt
der höchsten göttlichen Huld und Gnade an ihm voll-
ziehend, es zu seinem Kinde angenommen und um-
gestaltet, und es demnächst, unendlich geadelt und mit
den höchsten Vorzügen ausgestattet, dem Vater und
der Mutter anheimgegeben, daß sie, auch Seine Stelle
an ihm vertretend, Sein und ihr Kind heranbildeten,
so wie es einem Kinde Gottes ziemet und daß es
zu einem würdigen Mitgliede der h. Kirche, zu einem
guten katholischen Christen heranwachse.

Also das Kind christlich zu erziehen, das ist
die dem Vater (nebst der Mutter) von Gott gestellte
Aufgabe. Sie kann nur ein wahrhaft christ-
licher Vater lösen. Geht einem Vater echt christ-
liche Gesinnung ab, hat sein Leben nicht einen wahr-
haft christlichen Charakter, ja, wäre er sogar im Glau-
ben wankend oder gar schiffbrüchig geworden, so mag
er im Uebrigen alles Mögliche an seinen Kindern
[29] und für sie thun, seine eigentliche, von Gott ihm
gestellte Aufgabe, seine eigentliche Lebensaufgabe, er-
füllt er nicht, kann er nicht erfüllen; das Beste
und Höchste, dasjenige, was den eigentlichen und
durch Nichts zu ersetzenden Grund ihres wahren
Heiles für Zeit und Ewigkeit enthält, bleibt seinen
Kindern vorenthalten oder wird ihnen nicht in er-
wünschlicher Weise zu Theile – der Geist wahrer
christlicher Gottesfurcht und Frömmigkeit.

Die christliche Mutter reicht allein nicht aus.


Man beruft sich vielleicht auf die Mutter. ‘„Ist
sie eine wahrhaft christliche Mutter, so wird's wohl
um das Kind stehen, selbst wenn dem Vater der echt
christliche Geist abgeht.“’
– Es ist wahr, die Mutter
hat namentlich in den früheren zarteren Jahren des
Kindes vorwiegend die Aufgabe, den christlichen
Sinn und Geist demselben einzuhauchen und es in
das christliche Leben einzuleiten. Und so wird für
ein Kind, das nicht das Glück hat, einen wahrhaft
christlichen Vater zu haben, ein großer Ersatz darin
liegen, eine gute Mutter zu haben. Aber dennoch
nie wird die Erziehung des Kindes in wahrhaft
gedeihlicher Weise und in dem vollen Maaße des
göttlichen Willens gelingen, wenn der christlichen
Mutter nicht ein wahrhaft christlicher Vater zur Seite
steht, um mit ihr Hand an's Werk zu legen. Nicht
der Mutter, wie auch nicht dem Vater hat der Herr
das Kind anvertrauet, sondern der Mutter und dem
Vater, Beiden vereint. Vater und Mutter, Mann
und Weib bilden ein geheimnisvolles Ganze – schon
von Natur aus. ‘„Darum,“’ sagt das Wort des
Herrn, ‘„wird der Mensch Vater und Mutter ver-
[30] lassen und seinem Weibe anhangen und sie werden
Zwei in Einem Fleische sein.“’
Noch inniger ge-
staltete der Herr diese Einigung dann im h. Sa-
kramente der Ehe; da wurde geheimnißvoll und in
Gnaden der Mann der Ehegattin und diese dem
Manne geeint in einer geheimnißvoll-innigen, un-
auflöslichen Verbindung. Beide sind fortan nicht
mehr Zwei, sondern Eines, – Ein Ganzes,
‘„Zwei in Einem Fleische.“’

So entsprach es dem Rathschlusse des Herrn.
Dieses durch die geheimnisvolle Wirkung des Sakra-
ments in so inniger Verbindung und Einigung be-
schlossene und zugleich übernatürlich geweihete und
begnadigte Verhältniß zwischen Mann und Frau sollte
nach dem Rathschlusse der göttlichen Weisheit der hei-
lige Boden sein, aus dem neue Menschen ersprießen,
aber auch, auf welchem dann auch diese neuen Men-
schen zu wahrhaft guten Menschen, zu Christen, zu
würdigen Gliedern des Reiches Gottes auf Erden
und so auch im Himmel heranwachsen sollten.

Nicht die Mutter allein, nicht der Vater allein,
sondern Beide zusammen, Beide in Vereinigung
sollten dem Kinde das Leben geben, aber dann auch
das Kind dem von Gott ihm gestellten Ziele entgegen
führen, Beide vereint sollten das Werk der christ-
lichen Erziehung vollführen. Mag daher eine christ-
liche Mutter sich die gute, christliche Erziehung der
Kinder noch so sehr angelegen sein lassen, steht der
Vater ihr darin nicht zur Seite, macht mit ihr nicht
auch er, von echt christlichem Geiste beseelt, einen ent-
sprechenden heilsamen Einfluß an den Kindern gel-
tend, so wird die Erziehung schwerlich und kaum je
in erwünschter Weise gelingen; so viel auch eine wahr-
[31] haft gute Mutter leisten, so sehr sie auch das, woran
es der Vater fehlen lässet, ersetzen mag, voll und
ganz wird – wenigstens ohne ganz besondere Gnade
von oben – dieser Ersatz doch schwerlich jemals sein.

Sehen wir uns in der ganzen Natur um; überall
hat der Schöpfer für die einzelnen Pflanzen oder
Thiere einen gewissen Kreis heilsamer Einflüsse ge-
schaffen, welche das volle Gedeihen und Wachsthum
derselben bedingen. Fehlt auch nur einer von diesen
Einflüssen, oder findet er nicht in entsprechender
Weise statt, so wird in der Entwickelung der Pflanze,
des Thieres ein gewisser Mangel, ein gewisses Stocken,
ein gewisses Zurückbleiben, etwas Unvollendetes, viel-
leicht selbst Verkrüppeltes zu Tage treten.

Eine ganz ähnliche Bewandtniß hat es in unserm
Falle. Wie für das Leben des Kindes, so hat der
Herr auch für dessen fernere Entwicklung ein Eltern-
Paar geordnet; nicht Vater oder Mutter allein, son-
dern Vater und Mutter. Die Einflüsse von Beiden
müssen vereint dem Kinde zukommen, an ihm geltend
werden, soll es anders das werden, was es nach
Gottes Idee und Willen zu werden bestimmt ist.
Hat der Schöpfer die weibliche Natur der Mutter
mehr und vorherrschend ausgestattet mit den für eine
gedeihliche Erziehung erforderlichen oder zuträglichen
Eigenschaften des Herzens, so sind in Kraft dessel-
ben göttlichen Schöpferwillens in der männlichen
Natur des Vaters jene Eigenschaften des Geistes
und Willens, welche einen guten Erfolg der Er-
ziehung bedingen, meist so viel reichlicher vertreten.
Indem also Beide, Mutter und Vater das vom
Herrn ihnen Gegebene im Werke der Erziehung gleich-
sam zusammentragen und vereint zur Geltung bringen,
[32] so werden eben in diesem Vereine alle Einflüsse
wirksam, welche der große, allweise Vater für eine
gedeihliche Erziehung grundgelegt hat.

Das ist überhaupt und in allen Beziehungen
wahr, es ist aber ganz insbesondere wahr in Betreff
der christlichen Heranbildung des Kindes. Auch die
christliche Frömmigkeit erhält von den Eigenthümlich-
keiten des männlichen oder weiblichen Geschlechts eine
gewisse Färbung und tritt daher auch meist anders
auf beim Vater, als bei der Mutter. Vielleicht tritt
in der Frömmigkeit der Mutter nach der Eigenthüm-
lichkeit der weiblichen Natur, Herz und Gemüth, und
daher eine gewisse Innigkeit und Herzlichkeit hervor,
während in der Frömmigkeit des Mannes das Ver-
ständige, Thatkräftige, vielleicht selbst ein wenig auf
Kosten der Herzlichkeit, vorherrscht. Je mehr nun
Beide, Vater und Mutter, in der rechten Weise das
Kind beeinflussen, die Mutter mit ihrer Herzlichkeit,
der Vater mit seiner Verständigkeit und Manneskraft,
desto mehr wird die christliche Frömmigkeit im Kinde
zu einer gewissen Allseitigkeit und Vollendung gedei-
hen. Steht aber die Mutter (oder auch der Vater)
allein, so wird nur zu leicht eine gewisse Einseitigkeit
in der nachteiligsten Weise statthaben und die Erzie-
hung nicht in erwünschter Weise gelingen.*)

Auch der Vater muß wahrhaft christlich sein.

[33]

Es leuchtet, so Gott will, aus dem Gesagten ein,
daß, wenn es sich um die rechte und volle christliche
Erziehung der Kinder handelt, der Vater mit der
Mutter vereint an dieser großen Aufgabe wirken
und sein Theil zu ihrer glücklichen Lösung beitragen
muß. Wir nennen sie eine große Aufgabe. Ist
sie es nicht? Handelt es sich dabei ja um das
Höchste und Wichtigste, was es für einen Menschen
giebt, um sein zeitliches und ewiges Wohl. Was man
auch sage, und wie man's auch versuchen und treiben
mag, immer kommt man schließlich auf den einen
Punkt zurück, daß der Mensch nur auf dem Wege
eines wahrhaft christlichen Lebens das wahre Glück
für Zeit und Ewigkeit finden möge. Ist es also
wahr, das der Mensch der Regel nach nur dann
zu einem rechten christlichen Leben komme, wenn er
schon als Kind, also, wie wir sahen, im Vereine mit
der Mutter vom Vater dazu angeleitet wird, wie
groß erscheint dann die Aufgabe des Vaters, seine
Kinder nach bestem Willen und Vermögen zur christ-
lichen Frömmigkeit anzuleiten! Heißt das ja nichts
anders, als den Grund legen zu ihrem wahren Glücke
für Zeit und Ewigkeit, ja die Bedingung desselben
erfüllen.

So groß und wichtig aber diese Aufgabe des
Vaters und so strenge und verantwortlich demgemäß
die Pflicht ist, ihre Erfüllung sich auf's Gewissen-
hafteste angelegen sein zu lassen, so groß und hei-
lig erscheint nun auch die Verpflichtung
des Vaters, selbst ein wahrer, guter Christ
zu sein
. Denn nie – wir sagten's schon oben
nie wird er jene große Aufgabe nach Pflicht und
[34] Gebühr lösen oder lösen können, wenn er nicht selbst
von christlicher Gesinnung beseelt ist, wenn er nicht
selbst ein wahrhaft christliches Leben führt.

Führen wir uns auf einen Augenblick einen Vater
vor, bei welchem das nicht der Fall ist; er ist gleich-
gültig gegen Gott, Religion und Tugend, lässig im
Gebete; man sieht ihn zu Hause kaum je beten. Er
ist kein Freund vom Kirchengehen; Sonntags eine
kleine Messe – das ist Alles; Predigten selten oder
nie gehört; Beichten und Communionen höchst spar-
sam, kaum einmal im Jahre; Gespräche über reli-
giöse Dinge nie, oder nur höchst selten in einer
Weise, welche anstatt zu erbauen, nachtheilig wirket.
– Dabei dann – was unter solchen Voraussetzungen
kaum anders sein kann, mancherlei Verkehrtheit im
Verhalten und Betragen: Ausbrüche von Ungeduld
und Zorn, Unfreundlichkeit und Härte, Lieblosigkeit
im Unheil über Andere, in Gesinnung und That;
Haß und Feindschaft gegen Andere; allerlei Unord-
nung im täglichen Leben, Unaufrichtigkeit, Lug und
Trug; Unordnung im Essen, Unmäßigkeit im Trinken.
Wie soll ein Kind, das unter solchen Umständen und
Einflüssen aufwächset, zu echt christlicher Gesinnung
und Aufführung gelangen, vollends, wenn die Mutter
nicht besser ist, wenn sie es ähnlich hält und treibt?
Muß unter solchen Eltern das Kind nicht so fast
nothwendig entarten und schlecht werden?

Wie traurige Belege liefert unsere Zeit dafür!
Welche Entartung vielfach bei Knaben und Mädchen,
bei Jünglingen und Jungfrauen! Keine Spur von
christlicher Frömmigkeit; die größte Gleichgültigkeit
und Kälte gegen religiöse und kirchliche Uebungen; ja
offen kundgegebene Verachtung der Religion, Zweifel
[35] und Unglauben. Und dabei welche sittliche Entartung!
Welches Aufgehen in Lebensgenuß und Vergnügen,
welche Hingegebenheit an Sünde und Ausschweifung!
Gewiß traurig und betrübend im höchsten Grade;
aber nicht verwunderlich, wenn man sieht, wie es
Vater und Mutter halten und treiben. – Unglück-
liche Kinder, welchen von denen, die Gott ihnen als
Führer zum Heile gegeben hat, die wesentlichste Be-
dingung desselben, christliche Gottesfurcht und Fröm-
migkeit, vorenthalten wird! Und entsetzliche Verant-
wortung solcher Eltern!

Aber setzen wir den Fall, daß die Kinder, wäh-
rend es um den Vater in der eben gedachten Weise
bestellt ist, doch eine gute Mutter haben und von ihr
eine christliche Erziehung erfahren. Der Umstand,
daß in diesem Falle der Wirksamkeit der Mutter die
vorher als so wesentlich erkannte Ergänzung der väter-
lichen Mitwirkung vorenthalten bleibt, wird allein
schon zur Folge haben, daß die christliche Erziehung
des Kindes nicht gedeihlich von statten gehe. Aber
dabei wird es keineswegs sein Bewenden haben. Ein
solcher Vater wird überdies, daß er der Mutter nicht
helfend und fördernd zur Seite steht, auch auf's
Manchfachste ihre Wirksamkeit behindern und stören
und hemmen, ja, er wird gradzu nachtheilig auf das
Kind einwirken und das, was die Mutter aufbauet,
wieder zerstören.

Liegt so viel, liegt Alles daran, daß das Kind
von früh an im elterlichen Hause heilsame religiöse
Eindrücke empfange, daß ihm Religion und Tugend
als das Wichtigste gelte und ehrwürdig erscheine, daß
es gewöhnt werde, Alles im Lichte des Glaubens zu
sehen und zu beurtheilen, daß es aus dem Glauben
[36] leben lerne, so wird das alles, so sehr auch eine gute
Mutter dahin wirkt, dennoch recht und vollaus nicht
zu Stande kommen, wenn das Kind wahrnimmt, daß
das, was die Mutter ihm als ehrwürdig und wichtig
darstellt und an's Herz zu legen sucht, dem Vater
gleichgültig ist, daß er sich daraus wenig oder gar
nichts macht, wenn es aus seinem Munde nie etwas
davon vernimmt. Und wie erst, wenn es sogar merken
müßte, daß der Vater dagegen nicht blos gleichgültig,
sondern gradzu eingenommen, abgeneigt wäre?
Vollends, wenn es aus seinem Munde dahin gehende
Worte und Redensarten zu hören bekäme?

Oder es handelt sich um Anleitung des Kindes
zum christlichen Leben. Die Mutter läßt sich dieselbe
angelegen sein. Belehrend, ermunternd, anleitend,
durch Wort und Beispiel sucht sie das Kind früh zu
gewöhnen an regelmäßiges Beten am Morgen und
Abende, an den Besuch der Kirche, an die Anhörung
des göttlichen Wortes, und zur Zeit an den Empfang
der hh. Sakramente; sie warnt vor Sünde und leitet
das Kind an zum Kampfe dagegen; sie sucht es ein-
zuführen in die Uebung der christlichen Tugenden.
Aber ach, wie sehr wird der Erfolg ihrer schönen
Bestrebungen durch den Vater beeinträchtigt! Oder
läßt sich erwarten, daß das Kind für alle jene so
wichtigen und wesentlichen christlichen Uebungen und
Bestrebungen recht vollherzig werde gewonnen werden
oder bleiben, wenn es am Vater wenig oder nichts
von ihnen wahrnimmt, ja wenn es sieht, daß diesel-
ben dem Vater gleichgültig sind? Der Eindruck dieser
Wahrnehmung wird desto verderblicher wirken wegen
jenes dem Kinde in Betreff seiner Eltern angebornen
Nachahmungstriebes, welcher in Beziehung auf den
[37] Vater wegen seines größern Ansehens namentlich
beim Heranwachsen des Kindes leicht eine noch größere
Macht übt. Nur zu leicht wird daher das Kind, un-
willkührlich nach und nach trotz aller Anleitung und
Aufmunterung der Mutter lässig werden im Gebete,
wenn es den Vater nie beten sieht oder merkt, daß der-
selbe sich aus dem Beten nicht viel mache; der Vater
ist so säumig im Kirchenbesuch und macht nicht viel
daraus; was Wunder, daß das Kind es nach und
nach eben so hält; der Vater verschmähet es, Pre-
digten zu hören, der Vater geht aus der Predigt;
allmählich tritt der Sohn in seine Fußstapfen. Warum
gehen die Kinder dieses Hauses so selten zu den hh. Sa-
kramenten, während doch andere so eifrig darin sind?
Nun, sie haben's vom Vater gesehen und gelernt.
Ein bekanntes Wort: Beispiele ziehen. Mögen die
Worte der Mutter noch so sehr anregen und be-
wegen
, das Beispiel des Vaters zieht.

So wird auch die Scheu vor gewissen Sünden
und Verkehrtheiten nach und nach beim Kinde ab-
sterben, wenn es dieselben am Vater bemerkt; bald
wird's auch selbst sie begehen. Und die christlichen
Tugenden; wird wohl ein Kind auf die Dauer sie
üben und anstreben, wenn es dieselben am Vater
vermisset?

So begreift es denn, ihr Väter, bedenket es, wie
groß und unersetzlich der Schaden ist, den ihr euren
Kindern bereitet, wenn ihr nicht nach Pflicht in christ-
licher Gesinnung bestehet, wenn ihr kein wahrhaft
christliches Leben führet. Dann bleibt das, was mehr
als alles Andere das Wohl eurer Kinder bedingt,
ohne welches sie gar nicht zum wahren Heile gelangen
können, durch eure Schuld ihnen vorenthalten. Ja
[38] durch euer schlechtes Beispiel gebt ihr gradzu ihnen
Anlaß zum Verderben! Wie werdet ihr's einst vor
dem verantworten, der euch in solcher Huld und zu
eurem eigenen Besten die Kinder, – Seine Kinder
anvertrauet hatte. Wie furchtbar wird einst euer
Gericht, wie schrecklich euere Strafe sein!

Ernst dieser Verpflichtung.


Dem Gesagten zufolge kommt zu den vielfachen
kräftigen Beweggründen zu einem christlichen Leben,
welche der h. Glaube einem Jeden bietet, bei einem
Vater als einer der kräftigsten noch hinzu die Rück-
sicht auf seine Kinder. Es ist eine seiner heiligsten
Verpflichtungen, die sein Heil so fast vor Allem be-
dingt, daß er seine Kinder zu wahrer Gottesfurcht
und Frömmigkeit erziehe, und er kann es nicht, ohne
selbst in wahrer Gottesfurcht und Frömmigkeit befestigt
zu sein. So viele Kinder ihm also der Herr
gegeben hat, so vielfach ist seine Verpflich-
tung zu einem wahrhaft christlichen Leben
erhöhet und verstärkt
.

Wohl dem Kinde, dessen Vater dieser Verpflich-
tung nachkommt! Dessen Vater im Vereine mit der
Mutter an dem großen, unendlich wichtigen und fol-
genreichen Werke seiner religiösen und sittlichen Heran-
bildung thätig ist. Der heilsame Einfluß, den die
fromme Mutter auf dasselbe übt, wird auf's Reich-
lichste erhöhet durch die Wahrnehmung, daß auch der
Vater auf Gottesfurcht und Frömmigkeit hält. Nun
ist alles, was es hört, was es sieht, was es erfährt,
christlich, es steht im Einklange mit den Lehren und
Vorschriften des h. Glaubens. Die h. Religion, die
h. Kirche, ihre Lehren, ihre Vorschriften, ihre Weisen,
[39] die Tugenden des christlichen Lebens sind ihm und
werden ihm mehr und mehr ehrwürdig und heilig;
sie sind's ja der Mutter, dem Vater. Was mit diesen
h. Lehren und Vorschriften und Weisen im Wider-
streit steht, das ist ihm und wird ihm mehr und mehr
verabscheuenswerth, das verabscheuet, das fliehet, das
meidet es; Vater und Mutter halten's ja eben so.
Von früh an wird's ihm so fast zur andern Natur,
christlich zu denken, zu sinnen, zu urtheilen, zu reden,
zu handeln, die Uebungen des christlichen Lebens treu
und eifrig zu machen, die christlichen Tugenden zu
üben; Vater und Mutter thun es ja, und ihr Leben
ist sein Spiegel, ihr Beispiel übt jene mächtige An-
ziehungskraft, die Gott ihm gegeben. O ja, es wäre
so fast ein Wunder, wenn ein Kind, das neben einer
wahrhaft christlichen Mutter auch einen wahrhaft
christlichen Vater hat, nicht brav und gut, nicht wohl-
erzogen und glücklich würde! Glückliches Kind daher,
das neben einer solchen Mutter einen solchen Vater hat!

Ist es also ‘„eine der höchsten Gnaden für ein
Kind, eine gute Mutter zu haben“’
, so findet dieselbe
ihre Vollendung, ihre Krönung darin, daß es neben
der guten Mutter einen guten Vater habe. Schon
durch eine wahrhaft gute Mutter ist die gute Heran-
bildung des Kindes in hohem Grade gesichert; aber
wie erst, wenn noch ein wahrhaft christlicher Vater
hinzukommt, die heilbringenden Bestrebungen der
Mutter zu unterstützen!

O christliche Väter, wer giebt uns, es euch mit
dem ganzen Nachdrucke an's Herz zu legen, wie viel
daran liege, daß ihr wahrhaft christliche Väter seid?

Das Bild des christlichen Vaters.

[40]

Obwohl im bisherigen verschiedene Züge dieses
Bildes bereits vorgeführt wurden, so entspricht es doch
in aller Art der hohen Bedeutung der Sache, dasselbe
in vollendeter Weise hier vorzuführen.

Die Skizze.


Wer ist ein christlicher Vater? Darauf zuvor
im Allgemeinen die ganz einfache Antwort: -
Ein christlicher Vater ist ein Vater dann, wenn er
ein rechter (katholischer) Christ ist. Wer ist also ein
rechter katholischer Christ? Die Antwort kennt Jeder:
Ein rechter katholischer Christ ist der, welcher in
treuer Mitwirkung mit der Glaubensgnade die Lehren
der h. Religion und zwar so wie unsere h. Kirche
sie lehrt und auslegt, nicht allein ohne Wanken
gläubig annimmt und freudig festhält, sondern auch
ernstlich darauf bedacht ist, seine Gesinnungen, sein
Reden und Thun, sein ganzes Leben nach den Lehren
und Vorschriften seines Glaubens zu regeln. Also
im Herzen Glaubenszuversicht und im ganzen äußern
Leben das christkatholische Gepräge. Nicht das macht
den rechten katholischen Christen, daß man die Lehren
der h. Religion im Wesentlichen kenne und eben
auch gelten lasse, im Uebrigen aber in Gesinnung
und Leben sich wenig oder gar nicht daran störe;
sondern, daß man diese Lehren im Leben wirksam
werden lasse, daß man sie nach außen hin in Wort
und That bekenne, daß das ganze äußere Verhalten
[41] dieselben kundgebe und als einen echten katholischen
Christen erkennen lasse.

So soll's Jeder halten, so muß es Jeder halten,
ob er Vater sei oder nicht; es ist die Bedingung,
um ein katholischer Christ nicht bloß zu heißen,
sondern zu sein, um also als katholischer Christ das
Heil zu finden. Aber ein Vater soll's und muß
es um so mehr so halten um seiner Kinder willen,
weil es eine Bedingung ist, damit auch die Kinder
wahre katholische Christen werden und zum Heile
gelangen. Thut er's, so ist er ein wahrhaft christ-
licher Vater. Freilich hat der christliche Vater nun
auch noch die Erfüllung der besondern Pflichten eines
Vaters gegen seine Kinder sich angelegen sein zu
lassen; aber als guter Christ wird er auch das von
selbst thun; gehören ja diese besondern Pflichten auch
zu den Pflichten des christlichen Glaubens und zwar
zu den heiligsten derselben.

Das wäre also im Entwurf (in einer Skizze) der
christliche Vater: Ein Vater, in welchem den Kin-
dern das Bild eines guten katholischen Christen lebendig
vor Augen steht, an dem sie es wahrnehmen, wie ein
katholischer Christ ist, wie er denkt, wie er urtheilt,
wie er sinnt, was er liebt, was er verabscheuet; was
er wünscht, was er fürchtet, was er hofft, was er
fliehet; wie er redet, wie er schweigt, was er meidet,
was er thut, wie er's thut.

Leuchtet nicht schon daraus auf's Klarste ein, welche
Bedeutung es hat, daß der Vater ein wahrhaft christ-
licher Vater sei. Ein doppelter Vortheil ist damit
verbunden; deuten wir ihn hier blos an. Zuvor
nämlich lernen nun die Kinder auf die einfachste
Weise die h. Religion, ihre Lehren und Vorschriften
[42] und die verschiedenen Beziehungen des rechten christ-
lichen Lebens kennen; dieselben werden ihnen ja täg-
lich vom Vater (und von der Mutter) in lebenden
Bildern anschaulich vorgeführt. Wie viel besser ver-
steht das Kind das, als den bloßen Unterricht, die
christliche Lehre. Eben daher braucht man ja auch
in Schulen gern Bilder, auf denen die Kinder das,
was man ihnen lehrend erklären will, mit ihren Au-
gen sehen; nun verstehen sie's viel leichter und besser.

Fernerhin aber werden die Kinder, da man ja
die christliche Religion nicht blos kennen und glauben,
sondern auch üben soll, durch jenes täglich sich vor
ihren Augen entfaltende christliche Thun und Leben
des Vaters (der Mutter) auf eine eben so einfache
Weise in das christliche Thun und Leben gleichfalls
eingeführt, wiederum viel besser, als durch bloße
belehrende Anweisung. Wie viel leichter und besser
bringt Jeder, vollends das Kind zu Stande, was
ihm tatsächlich gezeigt und vorgemacht wird, als
was blos eine mündliche Erklärung findet. Hier
aber kommt noch hinzu, daß die Kinder von Haus
aus (Gott selbst hat's ihnen so in's Herz gelegt) einen
großen Trieb haben, dem Vater (wie der Mutter)
das nachzumachen, was sie an und von ihnen wahr-
nehmen.

Daher – wir wiederholen es auch hier – wäre
es so fast verwunderlich, wenn ein Kind, das täglich
im Schalten und Walten seines Vaters das Bild
eines guten katholischen Christen vor Augen hat, nicht
auch ein guter katholischer Christ würde; wie es denn
von der andern Seite fast eben so sehr zu fürchten
steht, daß ein Kind, dem in seinen jugendlichen Jah-
ren dieses Bild eines guten katholischen Christen im
[43] Vater und der Mutter nicht vor Augen steht, kein
guter katholischer Christ werden möge.

Indem wir dies schreiben, erhebt sich in unserm
Herzen mit der ganzen Lebendigkeit und auf's Er-
greifendste das Bewußtsein, welche wahrhaft unermeß-
liche Bedeutung es habe, daß die Väter wahrhaft
christlich seien. Und jemehr demselben das traurige
Bewußtsein zur Seite steht, daß leider so manche
Väter es nicht sind, desto mehr drängt's, hier, ehe
wir das Bild des Vaters im Nähern zeichnen, ein
Wort der Mahnung vorauszuschicken.

Ein Zwischenakt.


Du liebst deine Kinder; mit deinem ganzen Her-
zen verwachsen ist der Wunsch, sie glücklich zu sehen.
Und dennoch, wir sagten's wiederholt, wird dir das
nie gelingen, wenn du sie nicht zu guten Christen
machst, – nie! Sei versichert, so viel du sie nicht
zu guten Christen machst, so viel legst du den Grund
zu Störungen ihres Glückes, ach, nur zu leicht zu
ihrem Unglücke, zu ihrem ewigen Unglücke. Also zu
guten Christen mußt du die Kinder machen, willst
du sie glücklich machen.

Aber auch das wird dir nie gelingen, wenn du
nicht selbst ein guter katholischer Christ bist; nie!
Kann denn ein Handwerker, der sein Handwerk nicht
übt und auch nichts Rechtes davon versteht, einen
Lehrling zu einem Meister in dem Handwerk heran-
bilden? Oder kann Jemand einen jungen Menschen
zum Meister in einer Kunst heranbilden, die ihm
selbst fremd ist? Noch viel, viel weniger kann ein
Vater sein Kind zu einem guten Christen heranbilden,
wenn er's selbst nicht ist.

[44]

So also, o Vater, steht deine Sache: Du sollst
dein Kind glücklich machen und – du willst es, es
ist dein tiefster Herzenswunsch; du kannst und wirst
es nicht glücklich machen, wenn du nicht machst, daß
es ein guter Christ werde; und das kannst du nicht
machen, wenn du nicht selbst ein guter Christ bist
oder ernst zu sein suchest. So steht deine Sache;
ob du's glaubst oder nicht, ob du's aus dem Sinne
schlägst, es ändert an der Sache nichts; so ist's -
so bleibt's: Das Glück deines Kindes, deiner Kin-
der, es hängt davon ab, ob du ein guter katholischer
Christ bist.

Bist du es? Ach nein! – Eine böse, unselige
Jugend liegt hinter dir – voll Leichtsinn und Sünde.
Sie hat Sturm gelaufen gegen dein christliches Herz,
gegen dein Gewissen, ach vielleicht selbst gegen deinen
Glauben. Du hast dich der Sünde in die Arme
geworfen, der Unlauterkeit, der Unmäßigkeit. Du
hast das Unglück gehabt, mit leichtsinnigen, losen
jungen Leuten in Verkehr zu treten. Du warst Sol-
dat, und hast vom Soldatenleben viele üble Einwir-
kung erfahren. Die Kriegsjahre, welche du mit durch-
gemacht, haben leicht auch Hand gelegt an die Reste
deiner Gewissenhaftigkeit und Gläubigkeit. Endlich
ist die Sündfluch schlechter Bücher und Blätter auch
an dich gedrungen; o wie haben diese Schriften, die
du gelesen, diese schlechten Blätter, welche du gehal-
ten, deine Seele und dein Leben mit ihrem Gifte
erfüllt!

So ist denn dein Leben – überdies durch ein
Uebermaß irdischer Bestrebungen Gott und dem Hö-
heren entfremdet – voll geworden von Sünden man-
cher, – selbst der traurigsten Art. Sie lasten noch
[45] allzumal auf deinem Gewissen; denn noch nie hast
du es dir ernstlich angelegen sein lassen, durch eine
Buße und Beichte, wie sie einem solchen Le-
ben entspricht
, dich mit Gott zu versöhnen. Du
stehst in der Ungnade deines Gottes.

Und wie steht's nm dein Christentum? Ist nicht
über alle diese steten sündhaften Verirrungen und
Ausschweifungen deines Lebens, über all die losen
und leichtfertigen Reden und Beispiele, von welchen
du umgeben gewesen, über all die schlechten Bücher
und Schriften, welche du gelesen, dein Glaube wan-
kend geworden? Wehe, wenn du ihn sogar ganz
verloren und dem Unglauben dich in die Arme ge-
worfen hättest!

Oder bist du noch nicht in solche Tiefe versunken,
wie übel steht's dennoch mit deinem Christenthum!
Wie liegt dir Alles, was Gott, Religion und See-
lenheil betrifft, so fern, wie ist's dir so fremd, wie
bist du so gleichgültig dagegen! Du betest nicht, oder
dein Beten ist eitel Hersagen angelernter Formeln.
Du liebst nicht Kirche und Gottesdienst; wie ungern
gehst du hin, wie selten; und wie bist du, so du
einmal anwohnst, so ohne alle Theilnahme des Her-
zens. Beichten und Communiziren – du hast Scheu
davor, du umgehst es, wie immer möglich. Und
wenn du dennoch hinzutrittst, – ach, die Feder
sträubt sich, den Gedanken zum vollen Ausdruck zu
bringen. – Und dein tägliches Leben – wie voll
von Unordnung, Verkehrtheit und Sünden so mancher
Art – von Zorn und Ungeduld, von Härte und
Unfreundlichkeit gegen Weib und Kind und Gesinde!
Dazu die Unmäßigkeit im Essen und Trinken, die
Verletzung der h. Reinigkeit; und – nicht auch Un-
[46] redlichkeit, Lug und Trug im Handel und Wandel
und ungerechtes Gut?

Und du bist Vater! – Arme Kinder, die ihr einen
solchen Vater habet! Wer soll euch nun zu guten
katholischen Christen heranbilden? Und doch werdet
ihr ohne dies nie wahrhaft glücklich werden. Werdet
ihr anders werden, werdet ihr zur Zeit besser sein,
als euer Vater? O, wie sehr steht zu fürchten,
daß sein Beispiel mehr über euer jugendliches Herz
vermögen wird, als alle Lehre und Anleitung, die
ihr vielleicht anderswoher noch findet. Mit blutendem
Herzen sehen wir's kommen, auch ihr werdet mit der
Zeit in die traurigen Fußtapfen eurer Väter ein-
treten, auch ihr werdet in Leichtsinn und Sünde ab-
irren, auch ihr werdet ein unchristliches Leben führen;
auch ihr werdet euren Glauben verlieren. Ihr werdet
unglücklich sein! Arme Kinder!

O Vater, rührt dich denn nicht das Loos deiner
Kinder?

O so habe Erbarmen! Werde, was du sein mußt,
um sie glücklich zu machen, werde, was du bis dahin
nicht warst, von Stunde an kannst du es wer-
den – ein guter Vater
.

Wie auch das Leben, so hinter dir liegt, sei, wie
voll von Sünden, und wie du auch jetzt beschaffen
sein mögest, wie verkommen auch, – o wolle es
nur aufrichtig, wolle ein guter christlicher Vater
werden! Schaue hin auf deine Kinder, sag's dir:
‘„Sie können ewig nicht wahrhaftig glücklich werden,
wenn ich nicht zuvor ein guter christlicher Vater
werde!“’
Und dann möge deine Liebe zu den Kin-
dern, dein Verlangen nach ihrem Glücke die ganze
Macht an deinem Herzen entfalten, um den Entschluß
[47] in dir zur Reife zu bringen: ‘„Ja, ich will ein
guter Vater werden
.“’

Sei versichert, ein solcher Entschluß wird Freude
im Himmel hervorrufen, einem solchen Entschlusse
wird jener große Vater im Himmel mit Barmher-
zigkeit und Gnade entgegen kommen. Sei versichert,
so sehr Ihm das Heil deiner Kinder und
dein Heil am Herzen liegt
, so sehr er daher
Verlangen trägt, daß du ein guter Vater werden
mögest, so sehr ist er geneigt und bereit,
an dir Barmherzikeit zu üben und dir alle
deine Sünden zu vergeben, wenn du Ihn mit reu-
müthigem Herzen darum anflehest; so sehr ist er bereit,
mit jeglicher Gnade dir du Hülfe zu kommen, damit
du wieder ein guter Christ und ein wahrhaft christ-
licher Vater werden mögest. Wahrhaftig, wenn über
einen Sünder, der Buße thut, Freude ist im Himmel,
so wird über einen Vater, der Buße thut, um fortan
ein guter christlicher Vater zu sein, doppelte, ja so
vielfache Freude sein, als er Kinder hat; ja als er
Kindeskinder hat oder haben wird; ist ja seine Ret-
tung ihre Rettung, sein Heil ihr Heil! Also auf,
fortan sei ein guter christlicher Vater!

Darin ist ja auch dein eigenes Wohl und Heil
begriffen – für Zeit und Ewigkeit. Oder sage, hast
du es denn in deinem bisherigen Thun und Treiben
gefunden, wonach dein Herz verlangt? Gestehe es nur:
Nein! Willst du der Wahrheit Zeugniß geben und den
innersten Grund deiner Seele offen legen, so mußt du
bekennen, daß du den wahren Frieden der Seele durch
dein bisheriges unchristliches Leben nicht gefunden hast.

Christlicher Glaube und christliches Leben – das
ist der von Gott für uns geordnete Weg
[48] des Heiles für Zeit und Ewigkeit
; auf
ihm erwächset der Friede, nur auf ihm, – auf
ihm wahres Lebensglück, auf ihm das Heil. ‘„Ihr
werdet“’
auf ihm ‘„Ruhe finden für eure Seelen“’.
Außer ihm und in jeder Abirrung von ihm, in
Sünde und Verkehrtheit liegt Störung des Friedens
und wahren Lebensglückes, ja mehr und mehr Zer-
störung
desselben, Wehe, Bedrängniß, Leid, Verder-
ben. ‘„Trübsal und Bedrängniß über die Seele
eines Jeden, der Böses thut.“’

Also ein wahrer Christ mußt du sein, um selbst
wahrhaft glücklich zu sein, und, um deine Kinder
glücklich zu machen; denn wenn du ein guter Christ
bist, dann wirst du zugleich ein guter Vater sein,
und deine Kinder glücklich machen; denn du wirst
nicht nur überhaupt die Vaterpflichten an ihnen er-
füllen, sondern dann auch insbesondere das Bild
eines guten katholischen Christen in dei-
nem ganzen
Leben vor deinen Kindern entfalten
und dadurch mit Gottes Gnade sicher bewirken, daß
auch sie gute Christen und also glücklich werden;
denn jeder wahre, gute Christ ist glücklich.

Das volle Bild.


Führen wir denn das Bild eines solchen christ-
lichen Vaters in seinen einzelnen Zügen nun-
mehr uns vor, wie es sich den Blicken der Kinder
darstellt.

Vor Allem leuchtet es aus all seinem Reden und
Thun und an seinem ganzen Verhalten hervor, daß
er ein treuer Sohn der heil. katholischen Kirche ist,
daß all ihre Lehre und all ihre Vorschrift und all
ihre Weise ihm heilig ist; daß er fest stehe im ka-
[49] tholischen Glauben, wie er ihn auch, wo es Noth
thut, ohne Scheu bekennet.

Dann sehen die Kinder die Fast- und Abstinenz-
tage der h. Kirche vom Vater nach Pflicht beobachtet;
sie sehen ihn mit Ehrfurcht das heil. Kreuzzeichen
machen; sie sehen ihn das Weihwasser und von der
Kirche geweihete Dinge in Ehren halten; er ver-
schmähet es nicht, mit religiösen Bildern das Haus
und seine Räume auszustatten. Er ist – sie sehen's
tagtäglich – ein Freund des Gebetes. Gebetet wird
bei Tische vor und nach dem Essen; gebetet wird am
Morgen, am Abende; und leicht bei mancher andern
Gelegenheit. Die Sonn- und Festtage werden in
Ehren gehalten; da ruhet alle Arbeit, welche nicht
von der Noth geboten ist; da liebt man's, in der
Kirche zu weilen, nicht etwa blos bei einer kleinen
Messe, – nein recht viel, bei Hochamt und Predigt,
selbst an Nachmittagen. Gern ist, was an kirchlicher
Feier und Festlichkeit der Verlauf des Kirchenjahres
mit sich führet, gern ist das in Predigten zur Sprache
Gekommene, gern sind kirchliche Angelegenheiten Ge-
genstand der häuslichen Unterhaltung; wie denn über-
haupt der Vater ein Herz hat für die h. katholische
Kirche und ihre Geschicke und für ihr Oberhaupt,
den h. Vater, und für Alles, was die h. Kirche be-
trifft. Darüber wird gern gesprochen; die Kinder
hören darüber aus seinem Munde, was ihnen frommt;
er deutet ihnen die Dinge und die Vorfälle des Ta-
ges, er gibt ihnen heilsame Belehrung, Deutung
und Winke. – Mehr als einmal im Jahre sehen
die Kinder den Vater zur h. Beicht und Communion
gehen und mit welchem h. Ernste er diese h. Hand-
lungen hält und vollführet.

[50]

In seinem Hause wird den Pfarrgeistlichen die
gebührende Ehre gezollt; die Kinder sehen und mer-
ken es, daß der Vater sie ihrer Würde gemäß achtet
und ihre Stellung in Ehren hält. Aehnliches tritt
zu Tage in Betreff der Lehrer und Lehrerinnen;
Aehnliches in Betreff der weltlichen Obrigkeit, nach
dem Grundsatze: ‘„Ehre dem Ehre gebühret.“’

Die Familie hat ihre Geschichte; in ihr treten
Ereignisse – freudiger oder trauriger Art – zu
Tage. Sie empfangen die Weihe der h. Religion,
der h. Kirche. Gern wird Alles mit Gott begonnen
– nach Maaß der Wichtigkeit mit größerer oder
geringerer Angelegentlichkeit – mit Gebet, mit from-
mer Andacht, selbst mit kirchlicher Feier.

So empfängt im Bereiche und Verlaufe des Fa-
milienlebens Alles die Weihe des h. Glaubens, eine
religiöse Färbung, – nicht in gemachter, künstlicher
Art, nicht in widerwärtiger, pietistischer Weise, son-
dern ganz einfach und einfältig nach dem Zuge des
lebendig-gläubigen, katholischen Geistes.

Und mit dieser religiösen Richtung und katholi-
schen Färbung des Familienlebens geht ein entsprechen-
des sittliches Streben Hand in Hand. Das ganze
Leben ist katholisch in Gesinnung, in Wort und Werk.

Da ist vor Allem das Verhältniß des Vaters
zur Mutter, oder zu den Kindern, oder zu den Dienst-
boten ein wahrhaft christliches, ein Verhältniß der
Liebe, der Eintracht und des Friedens, getragen von
Sanftmuth und Ruhe und Gelassenheit, gewürzt
durch Entgegenkommen, durch Dienst und Gefällig-
keit. Oder wenn, wie es menschliche Schwachheit
und Uebereilung schon mit sich führen mag, nun
und dann etwas vorfällt, so ist es wie leichtes Ge-
[51] wölk, das rasch vorübereilend den hellen Schein der
Friedenssonne kaum trübt. Aehnliches wohl war's,
was dem h. Sänger jene schönen Worte in den Mund
legte: ‘„Siehe, wie ist es so gut und so wohlthuend,
brüderlich vereint zu wohnen; wie wohlriechende Salbe
auf dem Haupte des Hohenpriesters Aaron, welche
herabträufelt auf sein Barthaar, herab auf die Brä-
mung seines Gewandes, wie der Thau von Hermon,
der sich senkt auf den Berg Sinai.“’

Liebe – dies auszeichnende Merkmal eines wah-
ren Christen, – ist überhaupt hier heimisch; keiner
ist von ihr ausgenommen. Der Vater hat – die
Kinder sehen Proben davon immer von Neuem -
er hat ein Herz für Alle; daher keine lieblose Reden
über Andere, keine Tadelsucht, keine Anschwärzung,
keine Verkleinerung; fern ist Neid und Mißgunst,
Abneigung, Haß und Rachsucht; fern Kränkung und
Beleidigung des Nächsten. So viel an ihm, findet
das Wort des Apostels seine Erfüllung: ‘„Haltet, so
viel an euch, Frieden mit allen Menschen!“’

Und nicht allein. Es gehört zur Ordnung des
Hauses, daß man den Nachbarn und Nebenmenschen
gern zu Gefälligkeiten und Dienstleistungen bereit sei;
die Armen und Hilfsbedürftigen finden hier ein ge-
neigtes Ohr; ihrer wird gern gedacht; ihnen stießet
Hülfe und Gabe manchfach und nach Kräften zu.
– Muß noch hinzugefügt werden, daß in diesem
Hause Verstöße wider die christliche Zucht und Ehr-
barkeit, Unmäßigkeit und Völlerei ungekannt sind und
nicht geduldet werden?

Wir kommen zum Schlusse. Der Vater – so war
unsere Voraussetzung, – ist ein guter und wahrer
katholischer Christ und eben daher ein wahrhaft guter
[52] Vater; ähnlich die Mutter. Was ist die Folge?
Der Geist, welcher Vater und Mutter beseelt, durch-
dringt nach und nach das ganze Haus; und dieser
Geist fördert mehr und mehr wie beim Vater und bei
der Mutter, so auch bei den Kindern jene kostbaren
Früchte, welche der h. Apostel (Galater 5, 22-23)
als Früchte des h. Geistes zeichnet, ‘„sie sind,“’ sagt
er, ‘„Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte,
Langmuth, Sanftmuth, Treue, Mäßigkeit, Enthalt-
samkeit, Keuschheit.“’

Sie erfüllen mit ihrem süßem Duft das ganze
Haus; sie erfreuen durch ihren Wohlgeschmack das
Herz, sie fördern durch ihre süße Nahrung in dem
Herzen und Leben der Kinder das Wachsthum echt
christlichen Geistes und jeglicher christlichen Tugend;
sie sind ein süßer Wohlgeruch vor dem Herrn und
Seine Huld und Gnade waltet über solchem Hause
und über seinen Bewohnern.

Glückliche Kinder, die in solchem Hause aufwach-
sen! Glückliche Kinder, die einen solchen Vater haben!

Wie soll das geschehen?


Aber sinnen wir damit dem Vater, dem Manne
nicht zu viel an? Ist eine Frömmigkeit, wie sie im
vorstehenden Bilde entfaltet ist, nicht am Ende Sache
der Frauen, der Mütter, vom Manne nicht zu er-
warten?

Nichts liegt uns ferner, als dem Vater etwas
anzusinnen, was für ihn unmöglich oder nur mög-
lich wäre um den Preis einer gewissen Verläugnung
seines männlichen Charakters. Wir tragen vielmehr
in unsern Anforderungen an den christlichen Vater
seiner männlichen Eigenart alle schuldige Rechnung,
[53] und wünschen und erwarten von ihm nichts anders
und nichts mehr, als was sein christlicher Charakter
von ihm als Vater in Anspruch nimmt, nichts, wo-
durch er seinem männlichen Charakter etwas zu ver-
geben, dessen er sich als Mann gewissermaßen zu
schämen hätte; im Gegentheil, Alles, worum es sich
hier handelt, wird vielmehr sein männliches Wesen
adeln, erst den rechten Mann, wie er nach Gottes
Idee sein soll, herstellen.

Worum handelt es sich denn, wenn wir an einen
Vater die Anforderung stellen, daß er ein wahrhaft
christlicher Vater sei? Zuvor und zumeist darum,
daß er gläubig sei, daß er die Lehren unserer heil.
Religion, so wie die h. Kirche sie lehret, also die
von Gott geoffenbarten Wahrheiten gläubig annehme
und halte. Was könnte darin eines Mannes Un-
würdiges oder für einen Mann Unmögliches liegen?
Würde man wohl der Ansicht huldigen, daß Je-
mand, der die Religion mit kaltem Verstande be-
trachte und einsichtig genug sei, sich nicht mehr dazu
verstehen könne, sie für wahr zu halten? Wie ist
es denn geschehen, daß zu allen Zeiten Männer,
welche sich durch Talent und Wissenschaft auf's Höchste
auszeichneten, und auf's Vollkommenste im Stande
waren, die Gründe für und gegen zu prüfen und
zu würdigen, keinen Grund gefunden haben, die Leh-
ren unserer h. Kirche zu bezweifeln, sondern sie mit
freudiger, gläubiger Zuversicht angenommen haben?
– Es ist wahr, es giebt und gab zu aller Zeit
auch Viele durch hohen Verstand und Geistesgabe
Ausgezeichnete, welche sich für berechtigt hielten, den
Glauben von sich zu werfen; aber feien wir ver-
sichert, daß das nicht an ihrem hohen Verstande lag
[54] und weil sie etwa damit die Nichtigkeit des Glau-
bens eingesehen hätten; es lag vielmehr daran, daß
sie wegen des Mißbrauchs ihrer hohen Gaben, wegen
ihrer sündhaften Entartung den Sinn für die Lehren
des Glaubens und die Gnade des Glaubens ver-
loren haben.

Worum handelt es sich bei einem christlichen
Vater? Darum, daß er gewisse Uebungen des christ-
lichen Lebens mache, daß er nach Maaßgabe seiner
persönlichen und häuslichen und sonstigen Verhältnisse
zeitweilig dem Gebete, dem Besuche der Kirche, der
Beiwohnung der h. Messe, der Anhörung der Pre-
digt, dem Empfange der h. Sakramente sich widme,
und so seinen Kindern das Beispiel eines treuen ka-
tholischen Lebens vor Augen stelle.

Was könnte darin eines Mannes Unwürdiges,
einem Manne nicht Zustehendes gefunden werden?
Wir haben ja zugegeben, daß das alles nicht einmal
ganz so, wie die Mutter es übt, zu geschehen habe,
obwohl auch das nach Umständen ganz in dcr
Ordnung, ganz empfehlenswerth sein würde; aber
wir können immerhin in den gedachten Stücken
unsere Anforderungen etwas mildern, ohne fürchten
zu müssen, daß der Vater dadurch seinen wahrhaft
christlichen Charakter einbüße; mag immerhin der
Vater in den gedachten Stücken seine männliche Ei-
genart – nur in der rechten Weise – zur Geltung
bringen. Aber einzusehen, daß derartige, durch den
Geist unserer h. Religion oder durch ausdrückliche
Vorschrift der h. Kirche aufgelegte Uebungen für einen
Vater irgendwie ungeeignet, ja seiner männlichen Ehre
zu nahe tretend seien, – nein, es geht über unsere
Begriffe. Vielleicht ist leider die Zahl derer, welche
[55] wir zu den wahrhaft christlichen und in solchen Ue-
bungen gebührend eifrigen Vätern rechnen dürfen,
nicht grad so groß; aber das unterliegt keinem Zwei-
fel, daß grad unter denen, welche zu dieser Zahl ge-
hören, die echten, wahren Männer zu finden seien.
Wer würde wohl jenen Führern des Centrums im
Abgeordnetenhause zu Berlin die echte, volle Man-
neswürde streitig zu machen sich erkühnen; schauet
ja die ganze katholische Welt auf sie als auf eine
Zierde ihrer Männerwelt; selbst die Gegner können
ihnen die Anerkennung nicht versagen. Nun wohl,
von ihnen ist es bekannt, daß sie wie überhaupt treue
und eifrige Glieder der h. Kirche, insbesondere in
allen jenen hh. Uebungen eifrig sind.*) – Oder
wäre es für den Mann nach der Art seiner Lebens-
stellung nicht möglich, sich durch den gebührenden
Eifer in den religiösen Uebungen als einen wahrhaft
christlichen Vater zu erweisen? Wer das behaupten
wollte, würde ohne Weiteres widerlegt durch den Um-
stand, daß es ja in allen Klassen und Ständen
wirklich Väter gab und giebt, welche es also hal-
ten. Wodurch könnte es auch geschehen, daß das
einem Vater unmöglich wäre? Das hieße ja grad
so viel, als es sei ihm unmöglich, ein wahrhaft
christliches Leben zu führen. Beides ist ganz dasselbe.
Ein wenig beschwerlich – wir geben es zu – kann
das Eine oder Andere hier und dort dem Vater wer-
den, und eine gewisse Anstrengung, Mühewaltung
[56] und Aufopferung in Anspruch nehmen. Aber wer
sich dadurch berechtigt hält, davon abzustehen, der hat
überhaupt auf alles christliche Heil zu verzichten; es
ist nur zu erringen um den Preis von Mühe und
Anstrengung; ‘„das Himmelreich,“’ sagt der Herr,
‘„leidet Gewalt und nur die, welche Gewalt brauchen,
reißen es an sich.“’

Worum handelt es sich endlich bei einem christ-
lichen Vater? Darum, daß er das, was der heil.
Glaube mißbilligt und verbietet, gewissenhaft zu mei-
den suche; darum, daß er darauf bedacht sei, die
Pflichten des christlichen Lebens zu erfüllen, seine
Tugenden zu üben. Nun, das muß ja eben jeder
Christ thun, wenn er sein Heil wirken will. Thut
aber ein Vater das, so ist er eben dadurch ein guter
christlicher Vater; er thut also eben nur, was er als
Christ thun muß. Ist ihm das nicht möglich? Ist
es ihm denn nicht möglich, als Christ zu handeln?
Wer also kann sich davon entschuldigen? Wer Un-
möglichkeit vorschützen?

Doch seien wir gerecht!


Die Forderung also, daß jeglicher Vater ein
wahrhaft christlicher Vater sei, kann nicht bemängelt
werden; behaupten wollen, jene Frömmigkeit, wie wir
sie für einen Vater in Anspruch nehmen, lasse sich
nicht wohl zur Ausführung bringen oder sie stehe
dem Manne nicht wohl an, heißt wider Vernunft
und Glauben streiten.

Dennoch kann es nicht verkannt werden, daß die
Uebung einer solchen Frömmigkeit, wie sie für einen
Vater in Anspruch genommen werden muß, für den-
selben nach Umständen ihre besondern Schwierigkei-
[57] ten haben kann und in Wirklichkeit recht oft hat.
Wir haben hier nicht jene allgemeinen Schwierigkei-
ten im Auge, welche das wahrhaft christliche Leben
immer und für alle mit sich führt; vielmehr sprechen
wir hier von gewissen besondern Schwierigkeiten,
welche eben mehr oder weniger ausschließlich für den
Vater bestehen. Sie liegen theils in seiner männ-
lichen Eigenart, theils in der besondern Aufgabe und
in den Verhältnissen seines Lebens.

Wird die Muter schon durch ihr natürliches
Wesen zur Frömmigkeit hingezogen, so ist das beim
Vater oft weniger der Fall. Bei ihm herrscht durch-
weg mehr der kalte Verstand vor; er hat das, was
die Mutter auch nach dem Zuge ihres Gefühles thut,
mehr in Berechnung des Verstandes und im Pflicht-
gefühl zu thun. Es ist leicht so viel schwerer. -
Er findet im Allgemeinen in den Uebungen des
christlichen Lebens nicht so große Genüge, wie die
Mutter; wiederum etwas, was ihm dieselben er-
schwert. – Er ist fast immer in viel höherm Grade
von der Arbeit und den Geschäften des Lebens, von
ihren Sorgen und Zerstreuungen in Anspruch ge-
nommen; dadurch wird's oft schwer genug, die Rich-
tung auf Gott, den Sinn für's Höhere, den Eifer
des christlichen Lebens zu behaupten. – Dazu kommt,
daß das Leben des Mannes an Gefahren und Ver-
suchungen der manchfachsten Art so viel reicher zu
sein pflegt, als das doch vorwiegend in viel engerm
Kreise beschlossene Leben der Mutter! Wird's ihn
nicht hinreißen zu gar zu häufigem Lebensgenuß, zu
unzeitigem Wirthshausbesuch, zur Unmäßigkeit im
Trinken, zu Verstößen wider die christliche Gerech-
tigkeit, zu Verstößen gegen die Keuschheit? – Und
[58] dann die Gefahren für seinen Glauben! Liegen sie
schon in einem bei ihm zu fürchtenden unzeitigen
Vorherrschen des kalten Verstandes, dann noch mehr
in dem nachtheiligen Einflusse, welchen der noth-
wendige oder nahegelegte Verkehr mit glaubensgleich-
gültigen, glaubenslosen Menschen, oder die ihm so
viel näher liegende Lesung schlechter Zeitungen und
Schriften ausübt.

Lauter Umstände, welche es nur zu leicht mit
sich bringen, daß Männer nach und nach, mehr und
mehr gegen Gott und gegen das Höhere gleichgültig,
in religiösen Uebungen immer lässiger werden, sich
von ihnen mehr und mehr zurückziehen; daß sie in
eitel-irdischem Sinn, in weltlichen Bestrebungen ganz
aufgehen; daß sie sich an Verkehrtheiten und Sünden
mancher Art hingeben; daß sie an ihrer Gläubigkeit
Schaden nehmen, ja ihren Glauben verlieren. Was
also zu thun?

Ausführung des Bildes.

[59]

Sind die gedachten Schwierigkeiten und Gefah-
ren unüberwindlich? Wir erwiedern: Es gibt -
dem Herrn sei Dank – recht viele Väter, welche,
obwohl den gedachten Schwierigkeiten und Gefahren,
sogar in hohem Grade, ausgesetzt, dennoch wahrhaft
christliche Väter genannt werden dürfen. – Es kommt
hier, wie am Ende stets und überall, wenn man ein
wahrhaft christliches, zum Heile bringendes Leben
führen will, nur darauf an, daß man ernsten und
festen guten Willen habe; dann lassen sich mit Got-
tes Gnade Gefahr und Schwierigkeit überwinden.
Also, was zu thun?

Mehre nicht ohne Noth die Schwierigkeiten.


Vielleicht führen Noth und – unabweisbare Ver-
anlassungen für manchen Vater, ohne daß er's än-
dern kann, Arbeiten, Geschäfte, Sorgen und Zerstreu-
ungen so vielfältig herbei, daß ihm kaum Zeit und
Ruhe bleibt, sich den Kindern und ihrer Erziehung
in erwünschter Weise zu widmen. So sehr das zu
bedauern steht, so darf dennoch mit Grund gehofft
werden, daß für den Fall, wo die Noth Solches mit
sich bringt und es sich nicht wohl ändern läßt, der
Herr selbst durch die Wirkungen Seiner Gnade Er-
satz leisten und an den Kindern das, was ihnen von
den Vätern abgeht, ausgleichen werde.

Aber das läßt sich nicht mit Grund für den Fall
hoffen, wenn der Vater ohne Noth und ohne ent-
sprechend wichtige Ursachen gewissermaßen muthwilliger
[60] Weise, aus unordentlicher Hingebung an die Welt,
aus ungeregelter Habsucht, aus Ehrgeiz oder sonst
in unzeitiger Weise sich mit Arbeiten, Geschäften und
Zerstreuungen überhäuft. An ihm wird solche un-
zeitige Hingebung an die Welt und an das Irdische
die ganze nachtheilige und verderbliche Einwirkung
vollführen; es wird seine eigene Seele zu Grunde
richten und insbesondere der Anlaß werden, daß die
wichtigste Aufgabe seines Lebens, die gute Erziehung
der Kinder, vernachlässigt, oder nicht in gebührender
Weise vollführet werde.

Der gewissenhafte Vater ist darauf bedacht -
und er muß es – seine Arbeiten und Geschäfte,
so viel an ihm, auf ein bescheidenes Maaß, wie es
der Nothwendigkeit und dem Bedürfnisse und billigen
Wünschen entspricht, zu beschränken und beschränkt
zu halten.

Wird's nicht so mit jedem wichtigen Geschäfte
gehalten? Hat man ein wichtiges, folgenreiches Ge-
schäft, so sucht man Alles zu beseitigen oder fern zu
halten, was den glücklichen Fortgang des Geschäfts
und Unternehmens hindern oder gar fraglich machen
kann; hingegen sucht man Alles so zu ordnen, daß
es demselben zuträglich sei. Und eben, weil das recht
am Herzen liegt, so gelingt's auch bis zu einem ge-
wissen Grade. Giebt es nun aber ein Geschäft, ein
Unternehmen, welches sich an Wichtigkeit und Fol-
genreichthum mit der Aufgabe des väterlichen Berufs
auch nur von fern messen könnte? So darf also,
ja muß mit Recht erwartet werden, daß man auch
hier, ja hier noch viel mehr, es also halte.

Oder, worum handelt es sich denn zum großen,
ja zum größten Theile bei jenen überhäuften Arbeiten
[61] und Geschäften? Nicht wahr, um das Wohl der
Kinder; für sie erwirbt man, für sie arbeitet man
und führt sein Geschäft; ihre Unterhaltung, ihr stan-
desmäßiges Fortkommen, ihr zeitliches Wohlergehen
hat man im Auge. – Wohl; aber wenn ihr zeit-
liches
Wohlergehen so sehr am Herzen liegt, soll
das Heil ihrer Seele, ihr ewiges Wohlergehen nicht
so viel mehr am Herzen liegen! Wenn man also
an die Bestrebungen für ihr zeitliches Wohl sich also
hingiebt, daß man darüber mehr oder weniger un-
fähig wird, ihr ewiges Wohl zu begründen, kann das
denn recht sein! Heißt das nicht grausam sein gegen
die Kinder? Und so verhält es sich in der That.
Indem man so ganz aufgeht in zeitlicher Bestrebung,
behält man nicht mehr Zeit oder Fähigkeit, für das
Seelenheil der Kinder gebührend zu wirken, dafür
das Erwünschte und Nothwendige einzusetzen.

Christlicher Vater, halt Maaß in deinen äußern
Beschäftigungen! Wirf dich nicht so ganz in's Aeußere!
Verwickele dich nicht so unzeitig in jegliche Unterneh-
mung! Trag Sorge, deine Arbeiten und Beschäfti-
gungen, so viel an dir, dahin zu regeln, daß dir noch
Zeit bleibe, mit deinen Kindern dich abzugeben; daß
dir Zeit und Ruhe bleibe, das, was für dich selbst
zum Bestande und Fortgange des christlichen Lebens
erforderlich und heilsam ist, in gebührender Weise zu
thun, damit du ein christlicher Vater sein mögest.
Sei darauf bedacht, daß bei aller Arbeit und Be-
schäftigung das tägliche Gebet, der Besuch der Kirche,
der Empfung der hh. Sakramente und sonstige christ-
liche Uebung Platz und die rechte Berücksichtigung
finde!

Gehe den Gefahren aus dem Wege.

[62]
a.) Die Gefahren für den Glauben.

Zu den schlimmsten Gefahren für jeden Christen,
und also insbesondere für den christlichen Vater, rech-
nen wir die, welche den Glauben zu schädigen, oder
gar zu untergraben drohen. Ist er ja das Funda-
ment des christlichen Lebens und dadurch die Bedin-
gung alles wahren Heiles für den Menschen in Zeit
und Ewigkeit. Wie trostlos ist das Leben des Men-
schen auf Erden ohne Glauben! Wie schrecklich seine
Aussichten für die Ewigkeit! ‘„Wer nicht glaubt, der
wird verdammt werden,“’
spricht der Herr. Sein
Wort ist Wahrheit.

Daher das höchste Unglück für einen Menschen,
wenn er an seinem Glauben Schaden nimmt, wenn
er im Glauben schiffbrüchig wird; die größte Sünde,
wenn er die Treue bricht im Glauben und an der
h. Kirche. Und widerfährt ein solches Unglück einem
Vater, so ist ja der Erziehung der Kinder der Boden
genommen, so ist eine christliche Erziehung, die Be-
dingung des wahren Glückes der Kinder für Zeit
und Ewigkeit unmöglich geworden. O Familienun-
glück ohne Gleichen, wenn der Vater seinen Glauben
verliert, ja auch nur wankend und irre sich darin
machen läßt!

Und doch wie groß ist die Gefahr dazu in un-
sern Tagen für manchen Vater, wenn er immerfort
mit Menschen verkehrt, welche im Glauben wan-
kend geworden, welche ungläubig sind, welche über
Religion und Glauben spotten, die Lehren und Ge-
bräuche der h. Kirche lächerlich machen; wenn er
Bücher liefet, welche von Menschen ähnlicher Art,
von ungläubigen, sittlich verkommenen Subjekten ge-
[63] schrieben sind; wenn er Zeitungen und Blätter hält,
welche nicht müde werden, Tag um Tag wider die
h. Kirche, wider ihre Lehren und Weisen mit Lug
und Verläumdung, mit Hohn und Spott aufzutreten;
vollends wenn er dabei jenes lose Wirths- und
Gasthaus-Leben führt voll Sinnlichkeit und Ueber-
maaß und Völlerei. In der That, da bedürfte es
so fast eines Wunders, um den Glauben zu bewah-
ren, um nicht in demselben zu Schanden zu werden.
Sind das ja zugleich eben so viele schlüpfrige Pfade
zur Sünde und Ausschweifung, und eben dadurch um
so mehr Wege zum Verluste des Glaubens, zum
Irr- und Unglauben.

O christlicher Vater, sei eingedenk deiner Kinder
und im Hinblick auf sie werde immer von Neuem
inne, welch ein kostbares Gut für dich, ihren Vater,
der Glaube ist; ist er ja die nothwendigste Be-
dingung, damit durch dich ihnen werden könne, was
der Herr durch dich ihnen hat vermitteln wollen, das
hohe Gut eines echt christlichen Sinnes und Lebens,
die Bedingung ihres Glückes. O darum hüte doch
ein Gut, worin für deine Kinder, wie für dich, im
eigentlichsten Sinne alles Heil für Zeit und Ewig-
keit begriffen liegt. Gehe also, so viel immer mög-
lich, dem aus dem Wege, was den Glauben bedrohet.
Meide den vertrauten Verkehr mit solchen Menschen,
die keinen Glauben, die den rechten Glauben nicht
haben, so viel du kannst. Verschmähe jedes Buch,
jede Zeitung, jede Schrift, worin Ausfälle wider die
h. Kirche, wider Religion und gute Sitte enthalten
sind.

Wähne doch nicht, daß das alles dir nicht scha-
den könne und werde. Bist du schon nicht mehr fest
[64] in deinem Glauben, so wird's dir sicher schaden und
nur zu leicht dich um allen Glauben bringen. Aber
auch selbst da, wo du noch so fest in deinem Glau-
ben stehest, wird solcher Umgang und solche Lesung
dir schaden. Sie werden, wenn auch nach und nach,
aber sicher an deiner Seele und an ihrem Glaubens-
leben eine ähnliche Wirkung vollführen, wie der kalt-
wehende Nordwind im Frühjahre an der Natur: Ihr
Wachsthum wird gehemmt, die schon zu Tage tre-
tenden Keime und Sprößlinge kommen nicht weiter,
und an manchem Baum, der schon in Blüthe stand,
wird all die reiche Hoffnung des Blüthenschmucks
zerstört.

O wie Viele, die einst so gläubig und daher so
gut waren, haben auf diesem Wege ihren Glauben
verloren! Sollen wir zweifeln, daß Manche unter
denen, welche in neuerer Zeit in so unseliger Weise
von der Kirche sich losgerissen haben, nie dazu wür-
den gekommen sein, wenn sie die Lesung gewisser Ta-
gesblätter und Zeitschriften und Bücher nach Pflicht
vermieden hätten? Auch sie haben geglaubt, das
könne und werde ihnen nicht schaden; aber sie ha-
ben allmählich das Gift eingesogen, und schließlich
hats ihnen Tod und Verderben gebracht. Drum,
christlicher Vater, laß dich warnen!

b) Das Wirthshausleben.

Wenn hier unter den Stücken, die zu meiden,
auch das Wirths- und Gasthausleben eine Stelle
findet, so bedarf es kaum der Bemerkung, daß es
nicht von fern unsere Meinung sein könne, den Be-
such eines anständigen Wirths- oder Gasthauses über-
haupt zu mißbilligen. Oder was wäre an sich daran
[65] zu mißbilligen, wenn ein Vater die Ruhe und Er-
holung, deren er unter den Anstrengungen des täg-
lichen Lebens bedarf, in einem anständigen Wirths-
hause, im Kreise von Freunden und Bekannten auch
bei – freilich mäßigem – Genusse geistiger Ge-
tränke sucht? Es ist eben nur das Uebermaaß und
die Ausschreitung in diesem Punkte, so Tadel verdient,
und wovor gewarnt werden muß. Unter den ver-
schiedenen nachtheiligen Folgen, welche damit verbun-
den zu sein pflegen, ist nicht eine der geringsten die,
daß der Geist christlicher Gottesfurcht und Frömmig-
keit darunter so wesentlich leidet und demnach an
einem Vater für die Kinder das, was für sie das
Wichtigste und Nothwendigste ist, mehr oder weniger
abhanden kommt.

Ist es vielleicht insbesondere der Sonntag, welcher
solchem unzeitigen Wirthshausleben gewidmet wird,
wo bleibt da die Weihe und der Segen dieses Tages,
wodurch der Bestand und das Gedeihen des christ-
lichen Geistes und Lebens so wesentlich und in so
hohem Grade bedingt ist. Oder was könnte, wenn
von Erbauung und religiöser Erhebung durch gottes-
dienstliche Feier und durch Gottes Wort dann über-
haupt noch die Rede sein kann, von diesen Ergeb-
nissen des Sonntags noch übrig bleiben, wenn ein
so namhafter Theil des Morgens und ein noch nam-
hafterer Theil des Nachmittags, vielleicht bis tief in
die Nacht hinein auf solche Weise verbracht wird?
Auf diese Art geht das religiöse Leben auch am
Sonntage leer aus, ja es wird durch die nachtheili-
gen Einflüsse, welche sich im Wirthshause geltend zu
machen Pflegen, gradzu geschädigt. Was Wunder,
daß dasselbe, da es im Laufe der Woche auch so
[66] wenig oder gar keine Nahrung findet, mehr und mehr
verkümmert, um schließlich zu ersterben. Niemand,
der anders die Sache zu beurtheilen versteht, zweifelt
daran, daß in dem Mangel an rechter und würdiger
Sonntagsfeier bei einer namhaften Zahl von Men-
schen ein Hauptgrund ihrer religiösen und sittlichen
Verkommenheit liegt und daß die würdige Sonntags-
feier und ihr Segen durch nichts mehr zu Schanden
gemacht wird, als durch jenes unselige Wirthshaus-
leben.*)

[67]

Aber auch abgesehen vom Sonntage, – läßt
sich der Mann überhaupt zu oft und zu lange und
in unzeitiger Weise in den Wirthshäusern finden,
so kann der gute christliche Geist dabei unmöglich
Bestand haben. Das ist insbesondere ein sehr ge-
fährlicher und schlüpfriger Weg, um nach und nach
in das unselige Laster des Trunkes zu gerathen; durch
das so oft, ja regelmäßig wiederkehrende Wirthshaus-
sitzen und Trinken entsteht mehr und mehr ein Be-
dürfniß, die Neigung zum Trinken, die Trunksucht.
Und schon das Bedürfniß selbst, der Umstand, daß
Manche gradzu Sclaven des Wirthshauses sind und
zu den bestimmten Zeiten nicht daraus fortbleiben
können, ist etwas des Christen Unwürdiges, wobei
das rechte christliche Leben nicht gedeihet. Ueberdies
sind nur zu leicht alle Eindrücke, welche in solchen
Kreisen zu walten pflegen, wenig dazu angethan, dem
guten christlichen Sinne Vorschub zu leisten; im
Gegentheil, Alles, was da geschieht, Alles, was da
gehört, gesehen, vernommen wird, Gespräche, Lieder,
Zeitungen u. s. w., übt nur zu oft einen gradzu
lähmenden, nachtheiligen Einfluß und ist geeignet,
durch die oftmalige Wiederholung das Herz dem
Höhern immer mehr zu entfremden. – Und wenn
[68] dann gar, wie es an größern Orten leider nicht selten
ist, jeder Tag, den Gott kommen lässet, im Wirths-
haus seinen Abschluß findet, wenn dieser Abschluß
dann fast eben so oft in tiefer Nachtstunde seinen
Platz hat, wie sollte dabei das rechte christliche Wesen
und Leben auf die Dauer bestehen können?

Und nun, christlicher Vater, wie hast du es
bisher in diesem Punkte gehalten? Leicht hat sich
auch in deinem Leben Unordnung und Uebermaaß in
dieser Hinsicht eingeschlichen. Wir sind daher in der
Lage, dir ansinnen zu müssen, daß du entschieden
darauf bedacht seiest, in das Geleise der rechten, christ-
lichen Ordnung wieder einzulenken. Wo nicht, so
werden wir nur zu sehr zu fürchten haben, daß du
nach und nach mehr und mehr dich selbst untauglich
und unfähig machest, einer deiner heiligsten Verpflich-
tungen, der gegen deine Kinder, zu genügen.

Nichts liegt uns mehr fern, als das für dich
erforderliche oder erwünschliche Vergnügen, die nö-
thige Erholung dir irgendwie streitig zu machen, wir
würden vielmehr nach Umständen selbst dazu anregen
und aufmuntern. Aber geh' einmal recht ruhig und
vorurtheilsfrei über diesen Punkt mit dir zu Rathe!
Da wäre sogar die Frage zu empfehlen, ob du denn
nothwendig so ausschließlich das für dich erwünsch-
liche Vergnügen und deine Erholung im Wirthshause
suchen müssest? Es gibt so viele Männer in ähn-
licher Lage, wie du, welche man so viel seltener, wenn
überhaupt noch im Wirthshause trifft, ohne daß darin
eine Beeinträchtigung ihrer Zufriedenheit und wahren
Lebensfreude läge. Ja alle Einsichtigen und Lebens-
erfahrenen sind darüber einverstanden, eine wesentliche
Beeinträchtigung und Schmälerung des vollen Lebens-
[69] genusses und der wahren Lebensfreude eben darin
finden zu müssen, daß man es so sehr und so aus-
schließlich in Wirthshäusern und Gesellschaften sucht.
Gewöhnte man sich – meinen sie, lernte man's, die
Erholung und Erheiterung mehr im häuslichen Kreise,
im Verkehre mit den Kindern oder auch mit Freunden
und ausgewählten Bekannten zu suchen, man würde
sie mehr und mehr und desto erquicklicher daselbst
finden.

Aber wir wollen darüber hier nicht streiten;
wir wollen nicht widersprechen, wenn behauptet wird,
daß das doch am Ende nicht Jedermanns Sache sei,
daß für Manche der Besuch eines anständigen Wirths-
hauses, der Verkehr mit dort befindlichen Gesellschaf-
ten nicht wohl entbehrlich sei. Huldigest also auch
du dieser Ansicht, wohl! Nur beobachte dann Maaß
und Schranke. Das ist etwas, worin nicht mehr
Ansicht und Meinung Raum hat, das ist Pflicht
des christlichen Lebens. Pflicht ist es, dich zu hüten,
daß dir der Wirthshausbesuch nicht zum Bedürfnisse,
zur Leidenschaft werde, daß du nicht Sclave des
Wirthshauses werdest. Daher dürfen wir es dir mit
allem möglichen Nachdrucke an's Herz legen, daß du
den unbedingt regelmäßigen, täglichen Besuch
meidest und es über dich gewinnest, ein und anderes
Mal vielmehr daheim zu bleiben. Gewinnst du das
nicht mehr über dich? – Dann sollst du dich fragen,
ob das nicht ein Stück Schande sei? Jedenfalls ist dein
Wirthshausbesuch dann für dich um so bedenklicher.

Pflicht ist es, darauf bedacht zu sein, nicht gar
zu lange im Wirthshause zu verweilen, am Wenig-
sten im Laufe des Tages. Liegt nicht in der That
etwas Unwürdiges darin, vielleicht sogar regelmäßig
[70] ganze Stunden des eigentlichen Tages im Wirths-
hause zu versitzen? – Pflicht ist es, vollends für
einen Familienvater, daß er die Unsitte, bis in die
Nacht hinein im Wirthshaus zu sitzen, entschieden
von sich fern halte. Nichts frißt das wahre christliche
Leben mehr an, wie das.

Doch ziemlich unnütze Ermahnungen, wenn Je-
mand sich nicht entschließet, in diesem Punkte sich eine
feste Regel zu machen, um an ihr zu halten und
ohne die allerwichtigsten Gründe nicht davon abzuge-
hen; eine Regel in Betreff der Zeit: Nur so
und so lange
im Wirthshause, in der Gesellschaft
zu verweilen; nie über die Stunde hinaus, nie;
dann und dann sicher zu Hause zu gehen und sich
durch Nichts halten zu lassen; – eine Regel in Be-
treff des Maßes der zu genießenden geistigen Ge-
tränke: So und so viel nur! Unerbittlich nur
so viel! Nie
mehr! Unter keiner Bedingung,
auf keine Veranlassung, auf kein Zureden
mehr!
‘„Aber das geht ja nicht an! das ist
ja unmöglich!
“’
– erwiederst du vielleicht. – Sagst
du: ‘„Das ist doch recht schwer!“’ so geben wir es
dir nach Umständen zu. Insbesondere wird's schwer
für dich, es also zu halten, wenn dir die Unordnung,
das Uebermaß schon zur Gewohnheit geworden. Aber
unmöglich – nein! Denk einmal nach, werther
Freund, wie oft vielleicht schon in deinem Leben hast
du dich zu noch Schwererem verstanden und es zu
Stande gebracht, wenn du einsahest, es müsse eben
so, es handele sich um dein Wohl.

Nun, hier handelt es sich um dein Wohl in einem
sehr hohen Grade; hier handelt es sich zugleich um
das Wohl deiner Kinder. Wir haben's ja dargelegt,
[71] ein Wirthshausleben, wie das deinige bisher war,
führt gar sehr die Gefahr mit sich, dich um deinen
rechten christlichen Geist und deine Kinder um den
Segen einer christlichen Erziehung, dich und sie in's
Verderben zu bringen. Es ist deine Pflicht, dasselbe
in's rechte Geleise zurück zu führen, es handelt sich
um dein und deiner Kinder Heil. Das ‘„braucht
Gewalt; nur die Gewalt brauchen, gewinnen's“’
.

Also Folgendes stehe für dich fest: Nicht gar so
lange im Wirthshause zu verweilen, am Wenigsten
im Laufe des Tages. Halte es als des Christen
unwürdig, fast regelmäßig ganze Stunden des Tages
im Wirthshause zu versitzen. Und am Abende: Nie
in die Nacht hineinzusitzen! Nichts ist demoralisi-
render, als das. Lasse es dir angelegen sein, in
dieser Hinsicht eine gewisse Regel zu haben; eine
Regel in Betreff der Zeit: So und so lange nur
– im Wirthshause, in der Gesellschaft zu verwei-
len; nie über die Stunde hinaus! Dann und dann
sicher zu Hause zu gehen und dich durch Nichts
hallen zu lassen. – Eine Regel in Betreff des
Maßes der zu genießenden geistigen Getränke: So
und so viel! Unerbittlich nur so viel! Nie
mehr, unter keiner Bedingung, auf keine Veranlas-
sung, auf keine Zureden!

Halst du es nicht so, dann wird das Wirthshaus
und die Gesellschaft für dich nur zu leicht, ja so fast
mit Gewißheit zur Gefahr, zum Verderben – auf
die Dauer. Für dich und – du bist Vater – für
deine Kinder! Hab Erbarmen mit deinen Kindern!

c) Laß es nicht an der Uebung fehlen.

Es handelt sich um die wesentlichste Bedingung
einer rechten, den Absichten Gottes entsprechenden
[72] Kindererziehung, darum, daß der Vater ein wahr-
haft christlicher sei und im rechten christlichen Geiste
und Sinne bestehe. So viel daran liegt, so viel soll
der Vater es sich angelegen sein lassen, alles das fern
zu halten resp. zu meiden, was ihm die Behauptung
der Frömmigkeit schwieriger macht, was dieselbe in
Gefahr stellt.

Aber beim besten Willen wird das nicht immer
in solchem Grade geschehen können, daß nicht dennoch
in dieser Hinsicht manche Schwierigkeit und Gefahr
für den Vater bleibe; es thut Noth, mit verhältniß-
mäßigem Eifer die Mittel in Anwendung zu bringen,
welche geeignet sind, trotz solcher Gefahren und Schwie-
rigkeiten den Geist der christlichen Frömmigkeit im
Herzen und Leben des Vaters zu erhalten, zu festigen
und zu fördern, so daß er mehr und mehr den Ge-
fahren und Schwierigkeiten trotze. Bekannte Mittel,
die in jedem christlichen Leben, soll es anders Bestand
und Fortschritt finden, Platz haben müssen. Aber
es lohnt sich, ja es thut Noth, sie hier in Kürze
insbesondere den Vätern vorzuführen und es ihnen
zum Bewußtsein zu bringen, wie die treue und eifrige
Verwendung dieser Mittel, während sie zur Ver-
nachlässigung derselben vielleicht am Meisten geneigt
sind, grad für sie von ganz besonderer Wichtigkeit
und Bedeutung ist.

1. Um was handelt er sich?

Diese Frage oft an sich zu stellen, das ist das
erste Mittel. Wofür der Mensch etwas thun soll,
daran muß ihm etwas liegen. Wer wird Mittel
anwenden für eine Sache, woran ihm wenig oder
nichts liegt? Welcher Vater wird also treu und eifrig
[73] sein in der Anwendung der Mittel zur christlichen
Gottesfurcht und Frömmigkeit, wenn ihm an dieser
nicht viel, wenn ihm nichts daran liegt? Wie wenig
liegt Manchem daran!

In der That liegt Alles daran. Im Grunde
die einzige Aufgabe, welche Gott dem Menschen auf
Erden gegeben hat, daß er sich in Gottesfurcht und
Frömmigkeit übe und so sein zeitliches und ewiges
Heil gründe. Alles, was sonst auf Erden noch Be-
deutung und Wichtigkeit hat, sollte nach Gottes Ab-
sicht und Willen nur Mittel sein zu jenem großen
Zwecke. Wenn das kurze Menschenleben auf Erden
abgelaufen ist und der langen, endlosen Ewigkeit
Platz gemacht hat, da hat Jegliches, was auf Erden
dem Menschen immer am Herzen liegen mag, Be-
deutung und Werth für immer verloren; nur Eins
hat da Bedeutung und Werth behalten – Gottes-
furcht und Frömmigkeit; wer sie geübt hat, ist ewig
glücklich, wer sie nicht geübt hat, ewig unglücklich.

Und haben wir einen Vater im Auge, so kommen
noch die Kinder, ja leicht Kinder und Kindeskinder
hinzu; jenachdem er Gottesfurcht und Frömmigkeit
übt oder nicht übt, werden aller Voraussicht nach auch
sie selbe üben oder nicht üben, also wie er ewig
glücklich oder unglücklich sein.

Wie viel liegt also bei einem Vater daran, daß
er in wahrer Gottesfurcht und Frömmigkeit bestehe!
Alles liegt daran. Es handelt sich ja um sein
und seiner Kinder zeitliches und ewiges
Wohlergehen
.

Das, christlicher Vater, rufe dir also oft, immer
von Neuem in's Bewußtsein, damit du in deine zeit-
lichen Bestrebungen, in den Sorgen und Zerstreuun-
[74] gen des Lebens nicht gar zu sehr aufgehest. Frag
dich oft und sag dir: ‘„Worum handelt es sich denn
bei meinen zeitlichen Angelegenheiten, bei meinen Ge-
schäften, Arbeiten und Sorgen? Um was anders,
als um mein und meiner Kinder Wohl, darum,
dieses, jenes Gute zu erringen, dieses, jenes Uebele
abzuwenden. Nun aber giebt es nichts auf der Welt,
wodurch mein und meiner Kinder Wohl in solchem
Grade bedingt wäre, als die Uebung christlicher Gottes-
furcht und Frömmigkeit; nichts, wodurch so vieles
und großes Uebel über mich und meine Kinder ge-
bracht wird, als durch Vernachlässigung dieser Uebung,
durch Gleichgültigkeit und Sünde.“’

Und die Folgerung: ‘„So ist's billig, daß nichts
mir so sehr am Herzen liege, als treue und beharr-
liche Uebung der christlichen Gottesfurcht und Fröm-
migkeit.“’

Was thut dazu Noth? Die Antwort giebt uns
die fernern Mittel:

2. Bete!

Bete namentlich am Morgen und am Abende.
Das muß heilige Regel sein. Wer selbst am Morgen
und Abende nicht wenigstens ein kurzes Gebet ver-
richtet (zu andern Zeiten des Tages wird der's noch
viel weniger thun), der beweiset dadurch schon, daß
das religiöse Leben in ihm, wenn nicht schon erstor-
ben, doch am Ersterben ist; aber eben in Folge dieser
Versäumniß wird dasselbe nach und nach sicher mehr
und mehr ersterben und der Mensch ganz in irdi-
schen Bestrebungen und in Sünde aufgehen. Oder
muß er, wenn er nicht einmal am Beginn und Schluß
des Tages ein wenig zur Besinnung kommt, um sich
seiner höhern Bestimmung und der ewigen Wahr-
[75] heiten bewußt zu werden, und dann am Tage noch
weniger dessen eingedenk ist, nicht nach und nach allen
Sinn für's Höhere verlieren? Und dann seine Gna-
denarmuth! Unser h. Glaube lehrt uns, daß der
Mensch, während er, um sein Heil zu wirken, die
Sünde meiden und seine Pflichten erfüllen muß, weder
zu dem einen noch zum Andern im Stande ist ohne
die Hülfe der göttlichen Gnade. Im Allgemeinen
liegt's im göttlichen Rathschlusse, daß der Mensch
diese Gnadenhülfe nur empfangen soll, wenn er in
gebührender Weise Ihn darum bittet. Darum soll
der Christ insbesondere jeden Morgen den Herrn um
die Gnaden bitten, deren er bedarf, um heut in den
Versuchungen zu bestehen, um heut Alles gut und
gottgefällig zu vollführen. Thut er's nicht, so werden
ihm nur zu leicht diese Gnaden fehlen und die Folge?
Er wird in der Versuchung wanken und fallen; der
Tag wird leer bleiben von wahrhaft guten, vor Gott
und für die Ewigkeit gültigen Werken, es wird leicht
ein Tag werden, welcher, anstatt dem Himmel näher
zu führen, weiter von ihm zurückdrängt, der Hölle
näher führt. Und wie erst, wenn's also Regel ist?!
Wenn kaum je ein Morgen oder Abend durch Gebet
geweihet wird?!

Und ist, wie wir vernahmen, vielfach für die
Männer, für die Väter die Gefahr, vom Irdischen
verstrickt zu werden, größer, werden sie leicht mehr
und heftiger von Versuchung angefochten, thut ihnen
dann das Gebet am Morgen und Abende nicht doppelt
Noth? O es unterliegt keinem Zweifel, daß in der
Unterlassung und Versäumniß dieser doch so einfachen
und leichten Uebung ein Hauptgrund mitliegt, warum
so oft bei Männern, bei Vätern so wenig christlicher
[76] Sinn, so wenig christliche Frömmigkeit sich findet -
zum großen Schaden, zum Verderben für die Kinder.

Wir nannten die pünktliche Verrichtung des Mor-
gen- und Abendgebetes eine so einfache und leichte
Uebung. Ist sie es nicht? Am Morgen beim Auf-
stehen, beim Ankleiden, und indem man vielleicht auf
einige Augenblicke hinkniet oder wenn man will ste-
hend sich bewußt werden, was man denn heut soll,
sich dazu, zu christlichem Wandel von Neuem kurz
entschließen, und darauf den Herrn vielleicht durch
ein andächtiges h. Vater unser und unter Anrufung
der h. Jungfrau und der Heiligen um seinen Gna-
denbeistand bitten; eben so am Abende, ehe man sich
zur Ruhe begiebt, in Danksagung, Abbitte und Empfeh-
lung an Gottes Schutz eine entsprechende Gebetsübung
machen; könnte das schwer erscheinen? Oder dürfte
man Mangel an Zeit dazu vorschützen? Wo ist denn
Jemand, der nicht täglich die Zeit fände, die für ihn
erforderliche Nahrung zu sich zu nehmen? Nun hat
aber das tägliche Gebet für das höhere Leben so ziem-
lich dieselbe Bedeutung, wie die tägliche Nahrung für
das leibliche Leben; ohne dasselbe verkümmert es, um
allmählich zu ersterben.

O christlicher Vater, bei den um deinetwillen
und um deiner Kinder willen so viel, Alles daran
liegt, im rechten christlichen Geiste zu bestehen, laß
es dir eine heilige unverbrüchliche Regel sein, stets am
Morgen und Abende zu beten. Es ist das noth-
wendige Mittel dazu. Muß nicht schon der Hinblick
auf deine Kinder und wie sehr auch ihnen Gottes
Gnade Noth thut, an und für sich dich dazu vermögen?

Ja wir möchten noch weiter gehen. Vor etlichen
Jahren hielt ein namhafter Jesuitenpater in einer
[77] größern Stadt vor einer größern Zahl von Männern
aus den angesehenen Ständen eine Reihe sogenannter
Conferenz-Vorträge, die einen großen Eindruck mach-
en. Im Schlußvortrage, welcher zur Aufgabe hatte,
Mittel zur Hand zu geben, um das durch die Con-
ferenzen gewirkte Gute zu erhalten und fruchtbar zu
machen, erklärte er: Einen der ersten Plätze unter
diesen Mitteln nehme die tägliche Beiwohnung der
h. Messe ein. Wir haben nicht in Erfahrung ge-
bracht, wie viel Nachachtung des Paters Wink ge-
funden hat; aber gut, willkommen geheißen haben
wir ihn von ganzem Herzen.

Warum wohnen vielfach der täglichen heiligen
Messe so wenig Männer bei? Thut es ihnen weniger
Noth, als den Frauen? Wir haben gesehen, daß es
ihnen wegen der größern Schwierigkeiten und Gefahren
ihrer Heilswirkung noch viel mehr Noth thäte. Oder
sind sie nicht in der Lage? Haben sie nicht Zeit?
Manche freilich nicht. Aber wie Viele hätten gar
wohl die Zeit dazu, würden sie wenigstens sehr leicht
finden können, wenn sie vielleicht nur eine halbe
Stunde früher aufstehen wollten, ja nicht einmal das,
wenn sie es nur ein wenig darauf ablegten. Was
würde das für ein Segen sein für ihr Tagesleben!
Wie würde das an sich und in Kraft der Segnungen
des h. Opfers den christlichen Geist nähren und auf-
recht halten! Wie reich würde das die Gnade des
Himmels auf das tägliche Leben und Thun herab-
ziehen! Zu welchem Segen auch für die Kinder sich
gestalten, um so mehr, wenn dabei dem auf dem
Altare gegenwärtigen und sich zum Opfer weihenden
Kinderfreunde die Kinder empfohlen würden!

3. ‘„Gedenke, daß du den Sonntag heiligst.“’
[78]

Hier brauchen wir mit Fleiß Gottes eigenes
Wort. Dürfte nicht geglaubt werden, daß der Nach-
druck, mit welchem der Herr die Feier des h. Tages
eingeschärft hat, Sein ‘„Gedenke!“’ fast vor Allen an
die Männer, an die Väter gerichtet sei? Wem thut
eine rechte Sonntagsfeier mehr Noth? Wenn, wie
oben gesagt, die ganze Lebensverumständigung der
großen Mehrzahl von Männern darnach angethan ist,
das Herz unmäßig vom Höhern abzulenken und an's
Irdische zu fesseln, und in mancherlei Verirrung ab-
zulenken, welche Bedeutung hat dann grad für sie der
Sonntag und daß an ihm nach Gottes Willen nun
einmal alle irdische Arbeit und Beschäftigung ruhe
und das Bewußtsein der höhern Bestimmung und
seine Weihe am Herzen zur Geltung komme und
Herz und Willen wieder zu h. Regungen und Ent-
schließungen hinaufgetragen und das erforderliche
Maß der Gnade wieder ergänzt werde?

Wie aber, wenn nun der Mann, der Vater auch
diesen Tag nicht solcher Erneuerung weihet, auch an
diesem Tage nicht lässet von seinem irdischen Sinn
und Streben, auch am Sonntage seinen Geschäften
und Sorgen nachhängt und um Gebet, Gottesdienst,
um Gottes Wort und christliche Uebung sich wenig
oder gar nicht kümmert? Wird dann nicht, muß
nicht nothwendig der christliche Charakter mehr und
mehr zu Schanden werden und die Seele zu Grunde
gehen?

O christlicher Vater, halte den Sonntag nach
Gottes h. Willen und Absicht. Halte dich überzeugt,
daß es nothwendig ist, um dein eigenes Heil zu
wirken, nothwendig, um deinen Kindern ein christ-
[79] licher, d. i. ein guter Vater zu sein. Wer könnte
zweifeln, daß das schon um des Beispiels willen
h. Pflicht für dich sei. Auch für die Kinder liegt
eine Bedingung ihres Heiles darin, daß sie früh es
lernen und gewöhnt werden, den Sonntag nach Got-
tes h. Willen zu feiern. Werden sie es, wenn sie
sehen, wie leicht es der Vater mit dem Sonntage
nimmt? Doch das wollten wir nur nebenbei er-
wähnen. Hier handelt es sich um die würdige Sonn-
tagsfeier nur in so fern, als sie ein Mittel, eines
der wesentlichsten Mittel für den Vater ist, um im
rechten christlichen Geiste zu bestehen und zu gedeihen.
O, in der That, darin allein schon, daß ein Vater
den Sonntag nach Gottes Willen und Anordnung
hält, liegt eine in hohem Grade sichere Bürgschaft
dafür, daß er ein wahrhaft christlicher, d. i. guter
Vater an seinen Kindern sein und eine wahrhaft christ-
liche Erziehung ihnen angedeihen lassen werde.

Also wiederum heilige Regel sei's: Am Sonn-
tag ruhet jegliche Arbeit, jegliches Geschäft, so nicht
die Noth gebietet! ‘„Er ist der Ruhetag des Herrn,“’
spricht Gott, ‘„an ihm sollst du kein Geschäft thun.“’
– Heilige Erbauung zu finden und neue Anregung
und Erweckung und Gnade zum Guten und so wie-
der gerüstet zu werden und tüchtig für das große
Geschäft der Heilswirkung, das sei es, was am Sonn-
tage über Alles am Herzen liege. Daher treue an-
dächtige Anwohnung der h. Messe, Anhörung des
göttlichen Wortes, Betheiligung an den kirchlichen
Gottesdiensten, erbauliche Lesung und Uebung, so viel
es die Umstände immer gestatten. Und darf und soll
daneben auch die Erholung und das Vergnügen Platz
[80] finden, nie wird dabei das rechte Maß überschritten
oder die rechte christliche Weise verleugnet.

Wohl dem Hause, worin's der Vater und dann
auch das ganze Haus also mit dem Sonntage hält.
Der Geist echter christlicher Gottesfurcht und Fröm-
migkeit wird in ihm mehr und mehr festen Bestand
gewinnen und heimisch werden und die kostbarsten
Segnungen des Himmels werden sich über dasselbe
verbreiten!*)

Nunmehr bliebe uns, da es sich um die Haupt-
mittel zum Fortbestande und Gedeihen echt christlichen
Geistes handelt, nur noch eins übrig, welches im
gewissen Betrachte die Krone der übrigen ist:

4. ‘„Steh auf und iß!“’

So sprach der Engel zum Elias, als er auf der
Flucht vor der grausamen Königin Jezabel ermüdet
unter einem Wachholderstrauche eingeschlafen war.
Er brachte ein wunderbares Brod mit sich; dann
weckte er ihn und sprach: ‘„Steh auf und iß, denn
du hast noch einen weiten Weg zu machen.“’

Wie oft gehst du zur h. Communion? – Wenn
man an Sonn- und Festtagen diejenigen sieht, welche
[81] am h. Tische sich einfinden, so ist fast regelmäßig
die Zahl der weiblichen Personen ganz unverhält-
nißmäßig überwiegend. Männer finden sich unter
ihnen, – wenn überhaupt noch – doch in sehr ge-
ringer Zahl. Wir wollen das nicht zu strenge be-
urtheilen. Wir wollen zugeben, daß es der Frau
schon mehr, wie dem Manne, nahe liegen mag, zu
den hh. Sakramenten zu gehen; daß man dem Manne
ein oder anderes Mal weniger schon zu Gute zu hal-
ten sich geneigt finden mag. Aber dieses ‘„weniger“’
findet doch nur zu oft in einem Grade statt, und
das Erscheinen des Mannes am Communiontische
gehört mitunter so sehr zu den seltenen Dingen, daß
es recht sehr zu bedauern steht und geeignet ist, bange
Befürchtung zu wecken, zumal, wenn es Väter sind,
wobei man solche Bemerkung zu machen hat.

Woher denn diese Erscheinung? Findet sie in
der Art und Lage der Väter ihre Erklärung und
Entschuldigung? Darf man's von ihnen vielleicht
nicht erwarten, daß sie öfter zur h. Communion
kommen? Nenne man uns Gründe!

Haben sie es vielleicht nicht nothwendig, öfter die
h. Communion zu empfangen? Wir haben oben
vernommen, daß die Männer, wenn es sich um ein
wahrhaft christliches Leben handele, mit mehr Schwie-
rigkeiten zu kämpfen haben, größeren Gefahren aus-
gesetzt sind, und leicht härtere Kämpfe bestehen müssen,
als die Frauen. So haben sie denn auch Anregung,
Ermuthigung und Gnade dazu nöthig, mehr, als
Frauen. Wo könnten sie solche Anregung, Ermuthi-
gung und Gnade reichlicher finden, als eben in dem
würdigen Empfange der hh. Sakramente der Buße
und des Altars! Keiner, der anders in den Wegen
[82] des christlichen Lebens erleuchtet ist, verkennt es, daß
eine der wesentlichsten Ursachen, warum manche Män-
ner so wenig Herz und Sinn haben für Gott und
das Höhere, so sehr an die Welt und Sünde verkauft
sind, eben in der großen Seltenheit ihrer h. Beichten
und Communionen liege. Nun ermattet das höhere
Leben, weil ihm die h. Speise, die der göttliche Hei-
land eben für es hinterlassen hat, so lange vorent-
halten, weil sie so selten empfangen wird; nach und
nach erstirbt es ganz. ‘„Wenn ihr das Fleisch des
Menschensohnes nicht esset,“’
spricht der Herr, ‘„und
Sein Blut nicht trinket, so werdet ihr das Leben
nicht in euch haben.“’

Das leibliche Leben muß, soll's nicht ermatten
und erliegen, durch täglich neuen Genuß der Nah-
rung gefristet werden; auch das höhere Leben bedarf
der Stärkung durch die Nahrung der göttlichen Gnade;
diese Nahrung hat der Herr aber insbesondere im
h. Sakramente des Altars bereitet; da soll der Christ
sie suchen und empfangen. Versäumt er es, so wird
ihm die nothwendige Gnade zur Heilswirkung fehlen;
der Herr wird sie ihm vorenthalten, da er das von
ihm zu diesem Zwecke geordnete Mittel nicht anwendet.

O ihr Väter, möchtet ihr's doch erkennen, wie
sehr zur Erlangung und Behauptung einer wahren
christlichen Frömmigkeit die h. Communion Noth
thut, wie sehr es also grad für euch wünschenswerth
ist, daß ihr oft die h. Speise empfanget, weil sie das
Mittel zu jener christlichen Frömmigkeit ist, welche
für euch, für die gute Erziehung eurer Kinder eine
so große Bedeutung hat.*)

[83]

Und warum denn nicht? Warum denn nur so
selten zur h. Communion gehen? Ist es euch viel-
leicht nicht möglich, öfter hinzuzutreten? O, bekennt
es nur, es liegt fast immer einzig an euerm guten
Willen. Wer ernst will und es sich angelegen sein
lässet, der findet sicher nach Verlauf von etlichen
Wochen oder höchstens einigen Monaten die Zeit,
welche zur h. Beicht und Communion in Anspruch
genommen wird. Recht besehen und aufrichtig ge-
sprochen liegt der eigentliche Grund jener Seltenheit
stets in einem Mangel an Liebe zum Herrn, an Eifer
für das Seelenheil, welcher dann durch die Seltenheit
der Communionen noch ärger wird.

Also auch hier werde und sei es h. Regel, daß,
wie die Mutter, auch der Vater recht oft, immer von
Neuem die h. Speise empfange. Das wird den Geist
christlicher Frömmigkeit immer von Neuem wieder
in ihm nähren und kräftigen und denselben immer
höher fördern; das wird ihm Schutz und Kraft bieten
in den Gefahren und Schwierigkeiten, die seine Le-
bensverhältnisse für das christliche Leben mit sich füh-
ren; das wird vor Allem dazu beitragen, ihn zu einem
wahrhaft christlichen Vater zu machen.

Die Thätigkeit des christlichen Vaters.

[84]

Lange haben wir beim vorigen Theile verweilt,
aber nicht zu lange. Arbeiteten wir ja am Funda-
ment; das mußte, wo es sich um einen Bau handelt,
der in die Ewigkeit hineinragt, sicher und fest sein.
‘„Christlich“’ muß der Vater sein, darauf kommt
Alles an. Auf den Familien – darüber sind alle
Einsichtigen einverstanden – ruhet – zumal in un-
sern Tagen – nächst Gott das Heil der Welt, auf
der Mutter, auf dem Vater. Wird aber gefragt,
welche Eigenschaften den Vätern, wie den Müttern
vor allem Noth thun, damit sie das Heil anbahnen,
so werden alle Erleuchteten sagen: So wichtig auch
für den guten und rechten Fortgang der Erziehung
manche andere Eigenschaften sind, die erste, höchste,
wichtigste und nothwendigste ist, daß wie die Mutter,
so auch der Vater wahrhaft christlich sei.

Und ist es uns gelungen, es in etwa gebührend
zum Bewußtsein zu bringen, welche Bedeutung für
den rechten Fortgang der Erziehung insbesondere die
echt ‘„christliche“’ Gesinnung des Vaters habe, so wird
man es der Sache durchaus entsprechend finden, daß
wir so eingehend darauf hingearbeitet haben, die Väter
dahin zu vermögen, daß sie wahrhaft christliche Väter
seien. Es reichte nicht hin, ihnen blos zu sagen, wie
wichtig das sei und sie dazu zu ermuntern; es mußte
bestimmt und im Einzelnen dargelegt werden, was
zu meiden, was zu thun sei, um im rechten christlichen
Geiste zu bestehen und fortzuschreiten.

[85]

Nunmehr kommen wir an die Handhabung des
väterlichen Berufes, an die Frage, was der christliche
Vater denn zu thun habe, um das Werk der Erzie-
hung heilsam zu vollführen? Wir haben es uns
nicht zur Aufgabe stellen können, eine vollständige
Lehre von der christlichen Erziehung zu geben; dann
würde ja unsere Arbeit zu einem umfangreichen Buche
anwachsen, welches anzuschaffen und zu lesen am Ende
nur Wenige im Stande sein würden. Nur einige
Punkte, die im Werke der Erziehung – leicht vor-
wiegend für den Vater – als besonders wichtig er-
scheinen, möchten wir hervorheben. Das reicht bei
unserer Voraussetzung auch hin; ist nämlich nach un-
serer Voraussetzung die Hauptsache, ein echt christlicher
Geist, beim Vater da, so wird derselbe kraft eigener
Ueberlegung und im Lichte der ihm zur Seite stehen-
den göttlichen Gnade im Wesentlichen den rechten
Weg in der Erziehung ohne Zweifel schon von selbst
finden.*)

1. ‘„Sammelt euch Schätze.“’

[86]

Das lautet ja fast, als wollten wir, indem wir
das christliche Erziehungsgeschäft besprechen, einen
Punkt oben an stellen, welchem nach christlichen Grund-
sätzen nicht die erste Stelle gebührt, nämlich die Sorge
des Vaters für das zeitliche Fortkommen der Kinder,
die Ansammlung einer reichen Mitgift an die Kinder.

Doch nein! – Erklären wir uns! – Allerdings
betrifft das was wir sagen zunächst die Thätigkeit
und die Bemühungen des Vaters für das zeitliche
Fortkommen seiner Kinder. Sie bildet ja unzweifel-
haft (auch nach christlichen Grundsätzen) einen Theil
seiner väterlichen Aufgabe. Ihm hat es der Herr
aufgegeben, das zu erwerben, was nothwendig oder
wünschenswerth ist, um den Kindern in entsprechender
Weise Nahrung und Kleidung zu verschaffen, um sie
Nützliches und Nothwendiges lernen zu lassen, um sie
in den Stand zu setzen, zur Zeit selbst ein standes-
mäßiges Auskommen zu finden. Doch dazu bedarf
es für einen christlichen Vater wohl kaum der Er-
munterung und Ermahnung; er findet sich dazu von
selbst angeregt. Wir haben auch nichts dawider zu
[87] erinnern, wenn ein Vater es sich angelegen sein läs-
set, dahin zu kommen, daß er zur Zeit seine Kinder
mit einer reichen Mitgift ausstatten könne, wenn er
darüber nur das Wichtigste, die Sorge für sein und
der Kinder Seelenheil nicht unzeitig aus dem Auge
lässet. Das ist ohne Zweifel die kostbarste und die
das Glück der Kinder am Meisten bedingende und
sichernde Mitgift, wenn Vater und Mutter Sorge ge-
tragen haben, den Kindern von früh an einen reichen
Schatz von christlicher Gottesfurcht und Frömmigkeit
zu vermitteln. Wie im Gegentheil jede auch noch so
reiche Mitgift und Ausstattung, welche Kinder von
ihren Eltern empfangen, zu theuer erkauft ist, wenn
über deren Erwerb der echt christliche Geist bei Eltern
und Kindern Schaden genommen hat. Es wäre nicht
schwer, aus dem Leben die zahlreichsten Belege für
die Wahrheit herbeizuführen, daß nicht diejenigen die
Glücklichsten sind, welche die reichste Mitgift, sondern
vielmehr die, welche die beste, eine wahrhaft christliche
Erziehung von ihren Eltern empfangen haben.

Also nicht von Schätzen für die Kinder ist hier
Rede, sondern von Schätzen, welche die Väter eben
durch ihre Bestrebungen für das zeitliche Fortkommen
ihrer Kinder für sich selbst sammeln sollen und zwar
durch die Art, wie sie dieselben vollführen.

Beginnen wir mit einer Erzählung: Wir kannten
einen Mann, der selbst keine Kinder hatte. In einer
Predigt ergriff ihn in ganz eigenthümlicher Weise das
vom Prediger verwendete Wort des Herrn: ‘„Wer ein
solches Kind aufnimmt in Meinem Namen, der nimmt
Mich auf;“’
es ließ ihm keine Ruhe und es verfolgte
ihn der Gedanke, vielleicht habe Gott eben darum ihm
leibliche Kinder vorenthalten, auf daß er sich armer,
[88] verlassener Kinder annehme. Bald reifte der Ent-
schluß, dem Winke zu folgen. Die Frau war von
ganzem Herzen einverstanden. Nicht lange, da zog
das erste Kind, ein Waisenkind, ein; ihm folgte bald
ein zweites, und schließlich hatte er sechs verwahrlo-
sete oder verwaisete Kinder. Niemand, der's nicht
gewußt oder an der zu großen Verschiedenheit der
Gesichtsbildung es gemerkt hätte, würde auf den Ge-
danken gekommen sein, daß das lauter fremde Kin-
der seien; so sehr hielt der Pflegvater sie als seine
eigenen Kinder: Mit solchem Eifer ging er, um für
die zahlreiche Familie zu erwerben, seinen Arbeiten
und Geschäften nach; und es wurde für die Kinder
angeschafft, ausgegeben, Sorge getragen – ganz und
gar so, wie es von einem Vater nur immer für
eigene Kinder geschehen mag.

Welchen Eindruck, christlicher Vater, macht diese
Erzählung auf dich, der du aus Erfahrung weißt,
was ein Kind, was zwei, drei, was gar sechs kleine
Kinder an Arbeit, Mühe, Sorge, Aufopferung von
Tag zu Tag in Anspruch nehmen – Jahre lang?
Wir irren schwerlich, wenn wir in diesem Eindrucke
insbesondere einen Gedanken voraussetzen, den Ge-
danken: ‘„Welchen Schatz von Verdiensten sammelte
sich dieser Vater, wie groß wird sein Lohn sein!“’

Freilich, der Gedanke drängt sich im Anhören
unserer Erzählung vor; auch wir hatten ihn mehr
als einmal. Denn rechnet man zusammen, was so
viele Kinder dem Pflegevater täglich kosteten, welche
Mühewaltungen und Anstrengungen sie ihm täglich
verursachen, und wie hoch sich das alles im Laufe
des Jahres belief; und bedenkt man dann, daß der
Herr nicht einen Trunk Wassers, in Liebe gereicht,
[89] unbelohnt lassen will, wie hoch war dann das Verdienst
jenes Vaters, wie groß sein Lohn, da er also in Liebe
zum Herrn und zu den Kindern jahrelang täglich so
Vieles that und gab!

Nun wohl! Machen wir einmal die Anwendung:
Thust du, o Vater, weniger für deine leiblichen Kin-
der, als jener Edle für seine Pflegekinder? O nein,
du thust ganz dasselbe, leicht noch mehr. Welche Aus-
gaben heut, morgen, übermorgen! Und gar im Laufe
eines Jahres, im Laufe mehrerer Jahre! Und wie viel
Arbeit, Mühewaltung, Anstrengung, Entbehrung, Op-
fer – ebenso von Tag zu Tag, im Jahre, in Jahren!

Kann man also nicht, wie von jenem Pflegevater,
auch von dir sagen: ‘„Welch ein Schatz von Verdien-
sten und welcher Lohn!?“’
Oder macht es vielleicht
einen Unterschied, daß es bei dir die eigenen, leib-
lichen Kinder sind, für welche du das alles thust und
dir gefallen lässest? Sind sie dem Herrn weniger
werth, als jene angenommenen Kinder? Oder wiegt
das, was du an ihnen und für sie thust, weniger
schwer vor ihm? O nein!

Alles das ist ganz dasselbe bei dir, wie bei jenem
Vater. Aber nun weiter! Was ist es denn eigentlich,
was jenem Pflegevater das hohe Verdienst bereitet?
Das was er an den Kindern thut? Freilich, aber
im tiefsten Grunde doch nur darum, weil er es
thut aus Liebe zum göttlichen Heilande
,
aus christlicher Liebe zu den Kindern. Da
sind wir also an dem Punkte, zu dem wir steuerten:
Thust auch du, christlicher Vater, das, was du an
deinen Kindern und für sie thust, in gleicher Weise
aus Liebe zum göttlichen Herrn, aus christlicher
Liebe zu deinen Kindern? Dann stehst du jenem edlen
[90] Pflegevater völlig gleich, und wir dürfen auch bei dir
sagen: Welch ein Schatz von Verdiensten!
Welcher Lohn!

In der That, auf solche Weise wird so fast das
ganze Thun und Lassen, das ganze tägliche Leben
eines Vaters zu einem ununterbrochenen Werke der
Barmherzigkeit. Was ist denn ein Werk der Barm-
herzigkeit? Was anders, als etwas, wodurch man
dem Nächsten, besonders in der Noth, zu Hülfe kommt,
und zwar aus christlicher Liebe? – Nun geht aber
so fast das ganze tägliche Leben eines Vaters auf in
Arbeiten, Sorgen, Bemühungen für seine Kinder, um
sie zu ‘„speisen“’ und zu ‘„tränken“’, um sie, wenn
sie ‘„krank“’ sind, wieder herzustellen, um sie zu ‘„be-
kleiden
“’
, um sie zu ‘„beherbergen“’, um sie zu
‘„belehren“’, zu ‘„berathen“’, zu ‘„trösten“’, zu
‘„dulden“’, um ihnen so oft zu ‘„verzeihen“’.
Thut also ein Vater das alles im Geiste der über-
natürlichen Liebe zu Gott und zu seinen Kindern,
so reihet sich in seinem Leben ein Werk der Barm-
herzigkeit an das andere.

Wie hoch hält der Herr die Werke der Barm-
herzigkeit! Wie reichen Lohn für Leib und Seele, für
Zeit und Ewigkeit hat Er ihnen zugesagt!

Siehe also, christlicher Vater, so bist du in der
kostbaren Lage, dein Leben, deine Zeit und deine
Ewigkeit mit diesem Segen der christlichen Barmher-
zigkeit zu erfüllen. Es thut nur Noth, daß du das
alles, was du ohnehin täglich für deine Kinder und
an ihnen thuest, nun thuest nicht blos nach und aus
dem Zuge deiner natürlichen Liebe zu den Kindern,
nicht bloß aus Noth, sondern in den Gesinnungen
[91] der Liebe zu Gott, in christlicher Liebe zu deinen
Kindern.

Du sollst deine Kinder als von Gott, deinem
Herrn, gegeben und anvertrauet erachten, und was
du an Arbeit, Sorge und Entbehrung durch sie hast,
das sollst du als von Gott dir auferlegt betrachten,
als den von Gott dir gegebenen Beruf und so nun
Alles thun und übernehmen und tragen, mit bereit-
willigem Herzen aus Liebe zu Gott und zu deinen
Kindern. In der That, dann ist all dein täglich Thun
ein Gotteswerk und ein Werk der Barmherzigkeit an
deinen Kindern. Und jegliches Werk der Barmher-
zigkeit, welches in das Leben eines Menschen einge-
fügt wird, ist ein ständiger Ruf zum Herrn um
Gnade und Barmherzigkeit für den, der es vollbracht
hat. Siehe da, wie reich dein Leben werden kann
durch deine Kinder! Desto reicher, je größer ihre
Zahl, je größer die Mühe und Sorge und Last, so
sie dir bereiten.

Ist das nicht auch ganz und gar dazu angethan,
dich mit so viel Mühe und Anstrengung, welche dir
deine Kinder bereiten, zu versöhnen und vor Unmuth
und Ungeduld zu bewahren? Nirgends findet mensch-
liche Mühe reichern Lohn, als wenn sie im Dienste
dessen, der ein so ‘„reicher Vergelter“’ ist, verwendet
wird, verwendet wird zum Besten derer, welche Ihm
so theuer, welche auch Seine Kinder sind. In der
That, die einträglichste Arbeit auf Erden das ist die
– christlich vollführte – Arbeit des Vaters, der
Eltern für die Kinder.

Wie sehr steht es also zu bedauern, wenn Eltern,
wenn Väter bei ihren Arbeiten, welche ihnen wegen
ihrer Kinder obliegen, immer nur die Last und das
[92] Unangenehme im Auge haben und sie somit nur aus
Noth und daher mit Verdruß und Widerwillen voll-
führen! Während sie sich dieselben so zu einem schwe-
ren Kreuze machen, lassen sie sich den herrlichen Lohn,
den sie damit erringen könnten, entgehen, ja versün-
digen sich obendrein. Wie bedauernswerh, wenn von
der andern Seite Eltern, Väter bei diesen Arbeiten
blos durch natürliche Rücksichten bestimmt werden,
durch ihre natürliche Liebe zu den Kindern, durch zeit-
liche Zwecke; nun haben sie dafür vor Gott und für
die Ewigkeit keinen Lohn.

So hab denn Sorge, christlicher Vater, deine Ar-
beiten und Bestrebungen zum Besten deiner Kinder
von Tag zu Tag im christlichen Geiste zu vollführen.
Freilich wird das im Grunde nur dann geschehen
können, wenn du von christlichen Gesinnungen wahr-
haft durchdrungen, wenn du eben ein wahrhaft christ-
licher Vater bist. So legt sich das also auch von
dieser Seite nahe.

2. Das Regiment.


Es fällt in die Augen, daß wir damit, nunmehr
die Erziehung selbst in's Auge fassend, einen Punkt
an die Spitze stellen, der im Werke der Erziehung
eine hervorragende Bedeutung hat und ohne Zweifel
ganz vorwiegend Sache des Vaters ist. Ist ja nach
der Erklärung des göttlichen Vaters der ‘„Mann das
Haupt des Weibes“’
(1. Cor. 11, 3) und somit das
Haupt der ganzen Familie, der Herr des Hauses;
er soll also das Regiment führen, – freilich ein
christliches Regiment, wie er ja ein christlicher
Vater ist, und als solcher denen, welche ihm unter-
than sind und sein sollen, Liebe, herzliche, aufrichtige
[93] Liebe schuldig ist. ‘„Ihr Männer“’, ermahnt der Herr,
‘„liebet euere Frauen, wie Christus Seine Kirche
liebet!“’
Und welcher christliche Vater liebte nicht
seine Kinder? Also ein durch Liebe gemildertes und
geleitetes Regiment; aber immer ein Regiment.
Der Vater soll es handhaben; er muß es handhaben,
soll anders das Werk der Erziehung wohl von stat-
ten gehen.

Wo ist ein Staat auf Erden, der nicht seine
Obrigkeit hätte? Jedermann sieht, daß es ohne dies
nicht geht. Es muß, soll Ordnung und Ruhe be-
stehen und das Wohl des Landes gedeihen, ein Kai-
ser oder König oder eine oberste Behörde mit ihrem
Präsidenten an der Spitze stehen; also eine Obrigkeit.
Ihr Wille, in der Anerkennung der bestehenden oder
in Erlassung neuer Gesetze ist maßgebend für Alle;
sie wacht über die Beobachtung derselben und be-
steht darauf; sie übt über die Widerstrebenden Straf-
gewalt
. So die weltliche Obrigkeit in den Staaten
und in den irdischen Angelegenheiten. Aehnlich ist
in der Kirche ein Oberhaupt über Alle, und Ober-
hirten in den einzelnen Bezirken und gleichfalls Ge-
setz und Vorschrift, Überwachung und Strafe. Es
kann nicht anders, es muß so sein, soll ein staat-
licher oder kirchlicher Verein bestehen und seinem
Zwecke entsprechend die Wohlfahrt der Mitglieder, der
Untergebenen begründen und fördern.

Ganz dieselbe Bewandtniß hat es mit der Fa-
milie. Soll ihre Wohlfahrt gedeihen, soll also, was
ja den Haupttheil der Wohlfahrt einer Familie aus-
macht, die Erziehung der Kinder wohl von statten
gehen, so muß es in ihr ähnlich sein, es muß ein
Regiment in ihr bestehen, sie muß ein Oberhaupt
[94] haben. Und in der That hat der Herr ein solches
für sie eingesetzt; es ist der Vater. Er ist das Ober-
haupt der Familie; von ihm also (sei es auch im
Verein mit der Mutter) geht Gesetz, Regel und
Ordnung aus; er wacht über die treue Ein-
haltung derselben; er übt das Strafrecht
.
Eben so viele Punkte für unsere nächsten Erörterungen.

a) Gesetz, Regel und Ordnung.

Das Haus ist nach Gottes weisem Rathschlusse
die Pflanzstätte für Kirche und Staat. Hier sollen
die Kinder herangebildet werden und heranwachsen zu
guten Menschen und zu guten Christen, um dann
zur Zeit, das elterliche Haus verlassend, im Staate
und in der Kirche dazustehen und zu wirken als
würdige und nützliche Mitglieder.

So giebt es auch Pflanzstätten für den geistlichen
Stand, die Seminarien*), von geistlichen Oberhirten
gegründete Häuser, in welchen junge Leute, die den
Beruf zum geistlichen Stande in sich finden, zu wür-
digen und nützlichen Mitgliedern des geistlichen Stan-
des herangebildet werden sollen. Das ist also der
Zweck, die Aufgabe dieser Priesterhäuser, ihre Zög-
linge zu guten Priestern heranzubilden und daher
den Geist des Priesterlichen Berufs in ihnen zu hegen
und zu pflegen und sie für die Aufgaben des priester-
lichen und seelsorglichen Berufes geschickt und tüchtig
zu machen, sie in ihren Beruf einzuführen.

Für diesen Zweck ist dann Alles in einem solchen
Priesterhause eingerichtet: Vor Allem besteht für das-
selbe eine bestimmte Regel für das tägliche Leben und
[95] Verhalten der Zöglinge, das Statut. Dasselbe ist,
zur Zeit von den geistlichen Obern nach reiflichster
Ueberlegung verfaßt, nach und nach an der Hand der
Erfahrung zum Abschlusse gekommen; seine einzelnen
Bestimmungen und Vorschriften zielen sämmtlich
dahin, das tägliche Leben und die Beschäftigungen
der Zöglinge so zu regeln, daß der Zweck des Se-
minars möglichst vollkommen erreicht werde. In die-
sem Statut ist daher Zeit und Stunde festgesetzt, wo
die Zöglinge am Morgen aufzustehen, am Abende
sich zur Ruhe zu begeben haben; fest steht die Zeit
für Frühstück, Mittags- und Abendessen, für die täg-
lichen Erholungen; es sind die täglich oder zeitweilig
zu machenden religiösen Uebungen (Morgen- und
Abendgebet, Betrachtung, h. Messe, Beicht und Com-
munion u. s. w.) angegeben und für jede wie auch
für Studium und seelsorgliche Anleitungen die be-
stimmte Zeit festgesetzt; dazu kommen dann Regeln
und Vorschriften in Betreff mancher anderer, das
zusammenleben und den gegenseitigen Verkehr u. s.
w. betreffenden Punkte. – Das ist die Regel, das
Statut; und der Vorstand des Seminars leitet das-
selbe ganz nach den Bestimmungen dieses Statuts;
er überwachet die Beobachtung dieses Statuts, er hat
auf dieselbe durch Aufsicht, Ermahnung und nach
Umständen durch ernstere Mittel hinzuwirken. So
viel und so vollkommen das geschieht, so viel er es
versteht, die Zöglinge dahin zu vermögen, daß sie
treu und gewissenhaft nach dem Statut ihr ganzes
Thun und Lassen regeln, so viel (es darf gehofft wer-
den) wird der Zweck des Seminars an ihnen erreicht,
so viel werden sie also zur Zeit als gute Priester
und Seelsorger das Seminar verlassen. Ohne Statut,
[96] ohne Regel und Ordnung und ohne treues Halten
daran würde das nimmer der Fall sein.

Wir nannten oben die Familien die Pflanzstätten
für Kirche und Staat. Also Pflanzstätten, Semi-
narien. Sollen auch sie ihren Zweck, würdige und
nützliche Glieder für Staat und Kirche heranzubilden,
erreichen, so müssen sie in ähnlicher Weise, wie die
Priesterseminarien, ihr Statut, ihre Regel und Ord-
nung haben und der Vater, der Vorstand der Fa-
milie muß für treues Halten daran Sorge tragen.

Es bedarf kaum der Erwähnung, daß es unmög-
lich unsere Meinung sein kann, für das Familien-
leben eine Regel (ein Statut) in Anspruch zu neh-
men, welche ähnlich, wie das Statut eines Seminars,
bis in's Kleinste hin die Weise des täglichen Lebens
für die Kinder bestimmte; würde ja, da das Familien-
leben sich auch nicht von ferne so regelmäßig, wie
das Leben in einem Seminar, verläuft, die Beobach-
tung einer solchen Regel unmöglich sein. – Aber
dennoch eine gewisse Regel und Ordnung muß
auch für das Leben in der Familie bestehen, soll an-
ders eine gute Erziehung gelingen. Ohne sie wird
nichts Rechtes gedeihen, ohne sie werden die Kinder
weder gute Menschen (Glieder des Staates), noch
gute Christen.

Eine gewisse Regel und Ordnung ist nun für
die christliche Familie von selbst schon gegeben; das
ist die Regel des göttlichen Willens. Sie steht für
die christliche Familie unumstößlich fest, und der Vater
hat vor Allem über ihre Einhaltung zu wachen.
Was gegen den h. Willen Gottes, was Sünde ist,
das wird nicht geduldet; was von Gott geboten, was
Pflicht ist, auf dessen Uebung wird gehalten.

[97]

Demgemäß ist von der Ordnung eines guten
christlichen Hauses ausgeschlossen jegliche unchristliche
Weise und Gewohnheit, – die Gewohnheit zornmü-
thiger Ereiferung, des Schimpfens und Fluchens;
die häßliche Gewohnheit des Lügens; die Gewohnheit
des bösen Tadels und der übeln Nachrede über An-
dere; vollends jegliche lockere, leichtfertige, unzüch-
tige Rede oder frivole Aeußerung über die Lehren
und Gebräuche der h. Kirche.

Hingegen, was wahrhaft christlich, was Gottes
h. Wille ist, das hat in der Ordnung eines christ-
lichen Hauses Platz: Es wird vor und nach Tisch
gebetet, desgleichen am Morgen und Abende; – an
Sonn- und Festtagen ruhet jegliche Arbeit*), welche
nicht durch die Noth geboten ist; da wird zur Bei-
wohnung der h. Messe, der Predigt, der Andachten
die Kirche besucht; – zur Zeit gehen die Glieder
des Hauses zur h. Beicht und Communion; – an
den Freitagen, am Aschermittwoch, am Grünendon-
nerstag und Charsamstag, oder wo es sonst von der
betreffenden kirchlichen Behörde verboten ist, wird hier
nimmer Fleisch gegessen**), eben so an den Fasttagen
von den Fastenpflichtigen gefastet; – und was sonst
unter den Mitgliedern unserer h. Kirche in einer
gewissen Allgemeinheit an Sitten, Gewohnheiten und
Weisen besteht, das findet hier seine gebührende Be-
rücksichtigung; – fernerhin finden in der Ordnung
[98] eines christlichen Hauses auch die Werke der christ-
lichen Liebe und Barmherzigkeit ihren Platz, wie denn
aufrichtige Liebe und Theilnahme für die Mitmen-
schen seine Glieder beseelet; – wollen wir endlich
die Reihe vollständig machen, so dürfen wir auch die
Mäßigkeit und Nüchternheit, die Liebe zur h. Reinig-
keit, die Sanftmuth, die Geduld, die Arbeitsamkeit,
den Fleiß, die Reinlichkeit u. s. w. als Bestandtheile
der christlichen Hausordnung bezeichnen.

Brauchen wir hinzuzusetzen, daß es lauter Segen
und Heil für die Kinder ist, wenn diese christliche
Ordnung und Regel im Hause herrscht, wenn sie
mitten darin aufwachsen, wenn sie unwillkührlich sich
in dieselbe hineingewöhnen und hineinleben? Werden
sie nicht fast unwillkührlich und ohne es zu wissen,
von selbst zu guten Menschen und Christen heran-
wachsen? – Aber arme Kinder, wenn solche Ord-
nung nicht Platz hat, wenn sie sich unaufhörlich von
Verletzungen des göttlichen Willens, von Verstößen
wider christkatholische Vorschrift und Sitte und Ge-
wohnheit umgeben finden! Bedarf's nicht so fast
eines Wunders, wenn sie noch gut werden sollen?

Es ist nun freilich wahr, daß wir damit die
Hauptsache schon berührt haben; denn daß in einem
Hause eine solche christliche Ordnung und Regel
herrsche und daß der Vater (mit der Mutter) ihre
treue Einhaltung sich angelegen sein lasse, davon hängt
vor Allem das glückliche Gelingen der Erziehung ab.
Dennoch möchten wir unsere Regel für die christliche
Familie noch weiter ausgedehnt haben.

Ist der Vater von Gott, dem höchsten Herrn,
zum Haupte der Familie eingesetzt, so hat er auch
die Vollmacht, bindende Vorschriften für die Glieder
[99] derselben, insbesondere für die Kinder zu machen,
und dieselben haben, so viel sie nicht wider den Willen
Gottes verstoßen, bindende Kraft für die Familien-
glieder, ähnlich, wie Gottes Gebote. Vermöge dieser
seiner von Gott ihm verliehenen Vollmacht soll dann
der Vater für das tägliche Leben der Kinder, wie der
Hausbewohner überhaupt, Alles das ordnen und fest-
setzen, was dazu nothwendig oder nützlich ist, damit
die Kinder zu guten Menschen und Christen gedeihen.

Da dürften wir nun manche Bestimmungen aus
dem Statute der Priesterseminare herausheben und
dringend für das Hausstatut empfehlen. Dahin ge-
hört, daß die Stunde zum Aufstehen und zum Schla-
fengehen, die Zeit zum Frühstück, zum Mittag- und
Abendessen, die Zeit zum Arbeiten und die Zeit zur
Erholung feststehe und möglichst treu*) eingehalten
werde. Hat das alles schon an sich Vieles für
sich, so kann insbesondere der Nutzen und Segen
eines so viel möglich geordneten und geregelten Le-
bens und der frühen Gewöhnung der Kinder daran
nicht hoch genug angeschlagen werden; das bringt
namentlich eine Frische, eine gewisse Freudigkeit in's
tägliche Leben, wodurch den sonstigen Bestrebungen
desselben auf's Wesentlichste Vorschub geleistet wird.
‘„Gott,“’ sagt der h. Augustinus, ‘„ist ein Gott der
Ordnung; Alles, was von ihm ist, ist Ordnung;
wer daher der Ordnung lebt, der lebt Gott.“’
‘„Meine
Brüder,“’
so ermahnt der h. Bernhard seine Ordens-
[100] genossen, ‘„ich ermahne euch im Herrn, seid eifrig
darauf bedacht, die (vorgeschriebene) ‘„Ordnung zu
hüten; und die Ordnung wird euch behüten.“’

Es ist nicht dem Belieben der Kinder (wie auch
den übrigen Hausgenossen) überlassen, ob und wann
sie etwa zum Vergnügen oder sonst aus dem Hause
gehen oder wann sie dahin zurückkehren; der Vater
(oder von ihm bevollmächtigt die Mutter) hat dazu
Erlaubniß zu geben und die Zeit der Wiederkehr fest-
zusetzen, wie denn insbesondere für die Abende der
Zeitpunkt feststeht, wo unerbittlich Jeder im Hause
sein muß und die Thüre geschlossen wird.

Ist es Sache des Vaters (mit der Mutter), den
einzelnen Gliedern des Hauses ihre Arbeiten und
Beschäftigungen anzuweisen, so ist er gern darauf
bedacht, so viel es geschehen kann, jedem einzelnen,
mit möglichster Berücksichtigung von Geschick und
Neigung, irgend etwas Bestimmtes überhaupt ein für
allemal oder zeitweilig zu übergeben, daß er sich
dessen gänzlich anzunehmen habe; so wird's leicht desto
besser gemacht, es wird sich in heilsamer Art eine
gewisse Selbständigkeit entwickeln und am Ende auch
für jedes Einzelne entsprechend gesorgt werden.

Nehmen wir noch hinzu, daß auch in Betreff der
Art, wie und wie oft man am kirchlichen Gottesdienst
teilnehmen, wie oft man zu den hh. Sakramenten
gehen soll, vom Vater (mit der Mutter) Bestimmun-
gen getroffen werden; desgleichen, daß auch in Rück-
sicht auf Vergnügungen, Ausgänge u. dgl. im All-
gemeinen eine gewisse Regel festgesetzt werde; daß es
endlich feststehe, daß Söhne und Töchter überhaupt
ohne Wissen und Willen des Vaters nichts von irgend
welchem Belange thun, anfangen, unternehmen dürfen;
[101] so hätten wir damit in allgemeinen Zügen einen Ent-
wurf für die Regel und Ordnung, für das Statut
eines christlichen Hauses gegeben. Es wäre das
Gesetz des Hauses, der Familie und die Aufgabe
des Vaters, als ihres Hauptes,

b) über die treue Einhaltung desselben zu wachen.

Kehren wir noch einmal zu dem Vorstande eines
Priesterseminars zurück, so wird derselbe ganz nach
dem Maße, als ihm die Heranbildung guter Geist-
lichen am Herzen liegt und als er in den einzelnen
Bestimmungen des Statuts nothwendige und nützliche
Mittel dazu anerkennt, es sich auch angelegen sein lassen,
nach Kräften dahin zu wirken, daß dieselben von den
Zöglingen treu und gewissenhaft beobachtet werden.
In dem eben Gesagten haben wir nun das, was von
Bedeutung ist, damit die Kinder zu guten Menschen
und Christen heranwachsen, in einer Regel zusammen-
gestellt; jeder gute und einsichtige Vater, dem die gute
Erziehung der Kinder am Herzen liegt, wird daher
auch auf's Angelegentlichste darauf bedacht sein, die
Kinder zur treuesten Beobachtung alles dessen, was
er ihnen als Gesetz und Ordnung vorgeschrieben hat,
anzuhalten.

Das ist des Vaters Wille – das Kind weiß
es – und eben daher, wie Jedes, was der Vater
ohne Widerstreit gegen Gottes Willen will und ge-
bietet, seine Pflicht. Es muß gehorsam sein; im
Gehorsam des Vaters Willen erfüllen.

Gehorsam; in der treuen Uebung desselben
liegt schon an sich der höchste Segen für das Kind.
Wird ja dadurch im Menschen das, was ein so großes
Hinderniß an der treuen Erfüllung des göttlichen
[102] Willens, an einem wahrhaft christlichen Leben ist, der
Eigenwille gebrochen. Ist der Mensch schon früh,
schon als Kind gewöhnt, seinen Willen im Gehorsam
dem Willen des Vaters zu unterwerfen, so wird es
ihm zur Zeit so viel leichter, sich dem Willen An-
derer überhaupt, dem Willen seiner Vorgesetzten und
dem Willen Gottes zu fügen. Macht also Gehorsam
gegen die Gesetze des Staates den guten Bürger,
macht Gehorsam gegen die Vorschriften der h. Kirche
und Gottes den guten Christen, so erfüllt der Vater
ganz insbesondere dadurch, daß er treue Einhaltung
seines Willens, vollen Gehorsam vom Kinde fordert,
es streng an Gehorsam gewöhnt, die Aufgabe seines
väterlichen Berufes, die Kinder zu guten Menschen
und Christen heranzubilden.

Das soll ihm also zu jeder Zeit am Herzen liegen.
Sein Wille muß für das Kind maßgebend sein;
es muß demselben unumstößlich feststehen, daß das,
was der Vater einmal – wir setzen voraus, wohl-
überlegt – festgesetzt, vorgeschrieben, befohlen hat,
unbedingt und ohne Nachsicht geschehen muß. Nichts
bewegt den rechten, einsichtigen Vater, dem Kinde
gegenüber von seiner Willensmeinung, wenn dieselbe
anders an sich nicht unstatthaft ist, abzustehen; am
Allerwenigsten unzeitige Nachsicht gegen das Kind;
unerschütterlich hält er daran fest, was er auch thun,
und wie strenge Maßregeln er auch ergreifen müßte,
das Kind zur Erfüllung desselben zu vermögen. Ohne
Zweifel hat der Herr auch darum dem Willen des
Mannes im Allgemeinen eine größere Entschiedenheit,
Festigkeit und Kraft verliehen, als dem weiblichen
Willen, damit kraft dessen die Väter ihren Kindern
gegenüber in ihren Willensäußerungen fest ständen
[103] und denselben der für ihre gute Heranbildung so
wichtige unbedingte Gehorsam gesicherter sein möchte,
und damit, wenn vielleicht die Mutter vermöge der
größern Weichheit ihres Herzens von den Bitten und
sonstigen Versuchen und Kundgebungen des kindlichen
Eigensinns sich verleiten ließe, dem Eigenwillen des
Kindes nachzugeben, der Vater es verhüte und das
Kind vor dem Schaden und Verderben solcher un-
zeitigen Nachgiebigkeit schütze.

Es wird nicht selten die Klage laut, daß insbe-
sondere von den mehr heranwachsenden Kindern der
Gehorsam geweigert wird. So sehr in dieser Hin-
sicht auch zugegeben werden mag, daß vielfach eine
gewisse Entartung erwachsener Söhne und Töchter an
dieser beklagenswerthen Erscheinung Schuld ist, so
kann doch nicht geleugnet werden, daß die Eltern,
insbesondere die Väter, denen die Handhabung des
Gehorsams vorwiegend obliegt, nur zu oft Solches
selbst angebahnt haben. Oder wie soll man sich wun-
dern, wenn Söhne und Töchter, welche der Vater in
der Zeit ihrer Kindheit mit ihrem Eigensinn und
Eigenwillen durchzulassen pflegte, späterhin, wo mit
der übeln Gewohnheit und dem darin großgezogenen
Eigensinn zugleich ein desto größerer Trieb zur Selb-
ständigkeit vom Gehorsam abhält, sich des Ungehor-
sams, ja der Verachtung des väterlichen Willens
schuldig machen? Das ist dann meist für die Väter
und Mütter die Ursache einer sich immer von Neuem
wiederholenden Kränkung, die Quelle der ärgsten Un-
annehmlichkeiten, so sehr, daß das allein schon auf's
Nachdrücklichste dahin vermögen sollte, die Kinder von
früh an mit unerbittlicher Entschiedenheit zum Gehor-
sam anzuhalten. In der That, Väter, welche es sich
[104] ernst angelegen sein lassen, von früh an ihre Kinder
an Gehorsam und Unterwürfigkeit zu gewöhnen, ar-
beiten dadurch, während sie ihren Kindern die größte
Wohlthat bereiten, zugleich an ihrem eigenen Wohle:
Ihre Kinder werden ihnen zur Zeit durch ihre Folg-
samkeit reichen Trost und Freude bereiten.

So führt der Gehorsam schon an sich reichen
Segen mit sich; dazu aber kommt noch, daß nach un-
serer Voraussetzung auch in dem, was der Gehorsam
den Kindern auflegt, in den Willensbestimmungen
des Vaters das Beste der Kinder, der Weg ihres
wahren Heiles begriffen liegt. Genug, nach dem Ur-
theile aller Einsichtigen giebt es für das Kind keine
größere Wohlthat, als wenn es von früh an gewöhnt
wird an Gehorsam. Grund genug für den Vater,
darauf bedacht zu sein, dem Kinde diese Wohlthat
in möglichst reichem Maße zuzuwenden, sei es, daß
er durch Festsetzung einer guten christlichen Hausord-
nung und durch die Bestimmungen, welche er über-
haupt dem Kinde in seinen einzelnen Beziehungen
giebt, so viel möglich, das ganze Thun und Lassen
desselben unter den Gehorsam zu stellen sucht, oder
daß er mit Sorgfalt und Entschiedenheit über die
treue Einhaltung dessen, was der Gehorsam auflegt,
hält. Eben daher nimmt er nicht Anstand und hält
er's für seine Pflicht, da, wo Lehre, Ermahnung und
Warnung allein das Kind zum Gehorsam nicht ver-
mögen, durch

c) Uebung des Strafrechts

seinem Willen Geltung zu verschaffen. ‘„Wo ist ein
Sohn,“’
spricht der heil. Paulus (Hebr. 12. 7),
‘„den sein Vater nicht züchtigte?“’‘„Wenn also,“’
[105] setzt er hinzu, ‘„wenn Gott euch züchtigt, so behandelt
Er euch als Seine Söhne,“’
so erweist Er, will er
sagen, sich gegen euch als Vater; ‘„die Er liebt,
die züchtigt Er; Er schlägt“’
(sucht mit Leiden heim)
‘„jeglichen Sohn, dessen Er sich annimmt,“’ d. i. den
Er gnädig im Guten voran und zum Heile zu führen
sucht. Das könnte freilich, wie Widerspruch zu lauten
scheinen: ‘„Die Gott liebt, die züchtigt Er.“’ Und
dennoch ist es volle Wahrheit. Der Apostel erklärt's
im 11. Verse: ‘„Jegliche Züchtigung scheint zwar
für den Augenblick vielmehr Anlaß zur Betrüb-
niß, als zur Freude zu sein; nachher aber wird sie
denen, welche durch sie“’
(die Züchtigung) ‘„geübt“’,
d. i. zur christlichen Vollkommenheit gefördert ‘„sind,
die friedenvolle Frucht der Gerechtigkeit bringen“’
.
Das Wehe und das Leid, womit Gott Seine Kinder
heimsucht, um sie vor der Sünde zu bewahren, um
sie von ihren bösen Neigungen los zu machen, um
sie zur christlichen Vollkommenheit oder in derselben
weiter zu bringen, kommt gar nicht in Vergleich mit
dem Leid und Wehe, was ohne dies die Sünde über
sie bringen würde, nicht in Vergleich mit dem großen
Heile, was Er ihnen dadurch bereitet. Ist also die
Züchtigung das Mittel zu einem solchen Heile, so ist
es Erweis der göttlichen Liebe, sie anzuwenden.

Darin ist also der große Himmelsvater das er-
habene Vorbild für menschliche Väter. Die von Gott,
durch Gottes Gebot, durch Vorschrift und Anordnung
der h. Kirche oder vom Vater selbst nach reiflicher
christlicher Ueberlegung festgesetzte Regel und Ordnung
des Hauses, wie auch alles das, was der Vater ver-
möge seiner so viel größern, durch Erfahrung gereiften
Einsicht in den einzelnen Beziehungen für das Kind
[106] angeordnet und befohlen hat, – das ist für das Kind
der Weg, das Geleise, auf dem allein es zu einem
guten Menschen und Christen, d. i. zum wahren zeit-
lichen und ewigen Heile heranwächst und gedeihet.
Was also in der Hand des Vaters dazu beiträgt,
das Kind in diesem Geleise zu halten oder in das-
selbe wieder zurückzuführen, das ist Wohlthat für das
Kind, ist Förderung seines wahren Glückes, dessen
Anwendung ist Bethätigung der Liebe.

Wenn also der böse, von den Eingebungen der
verkehrten Natur, vielleicht auch von den schädlichen
Einflüssen einer bösen Welt und selbst des bösen
Feindes bestimmte und geleitete Wille des Kindes
dasselbe aus diesem Geleise herauslenkt und sich durch
die mildern Mittel der Belehrung und Ermahnung
allein nicht wieder zurückbringen lassen will, so soll
der Vater strengere, ja, wenn's Noth thut, selbst die
strengsten Mittel, Züchtigung und Strafe, nicht scheuen,
um den bösen Willen des Kindes zu zügeln, um seine
Störrigkeit zu überwinden, um es wie gegen seinen
Willen in das rechte Geleise zurück zu bringen.

Das ist dann freilich ‘„für den Augenblick Anlaß
zur Betrübniß“’
für Kind und Vater; das Kind
seufzt, weint, schreiet, klagt, bittet, flehet; das natür-
liche Gefühl der väterlichen Liebe sträubt sich, fühlt
sich verletzt, das Vaterherz wird weich, gerührt durch
das Klagen und Flehen des Kindes. Und dennoch
muß das alles überwunden und die Zuchtruthe ge-
schwungen werden. Wo nicht, so wird die augen-
blickliche Schonung nebst dem Uebel des Ungehorsams
auch jene Auswüchse der verkehrten Natur, ja diese
selbst und ihre bösen Neigungen nähren und groß
ziehen und so mit der Zeit Uebel und Wehe über
[107] die Kinder bringen, wogegen alles Leid der Züchti-
gung und Strafe gering, ja wie nichts erscheint;
wohingegen die zur rechten Zeit und in der rechten
Weise ausgeführte Strafe den bösen Willen des Kin-
des, seinen Eigensinn, seinen Trotz bricht und seiner
Verkehrtheit Einhalt thut, und es in's Geleise des
guten göttlichen und väterlichen Willens, d. i. auf
die Bahn des Heiles zurück oder auf derselben weiter
bringt, und so ihm ‘„die friedenvolle Frucht der Ge-
rechtigkeit bereitet“’
.

Demgemäß erscheint es als eine heilige Pflicht
der Väter, zur Zeit und so viel es Noth thut
und heilsam ist, die Kinder zu strafen. Mit Recht
wird zum Nachweise dieser Pflicht hingewiesen auf
die furchtbaren Strafen, welche der Herr über den
Hohenpriester Heli verhängte, weil er seine beiden
gleichfalls priesterlichen Söhne, welche durch die Art,
wie sie die Tempelandacht versahen, dem ganzen Volke
zum Aergernisse waren, nicht nach Gebühr bestrafte:
‘„Ich werde,“’ so sprach der Herr in der nächtlichen
Erscheinung zum jungen Samuel, auf daß er es an
Heli berichte, ‘„ich werde gegen den Heli Alles in's
Werk setzen, was ich über sein Haus geredet habe“’

(schon vorher hatte der Herr durch einen Propheten
(‘„Mann Gottes“’), den er zu ihm sandte, den Heli
gewarnt und ihm die strengsten Strafen angedrohet);
‘„denn ich habe ihm vorausgesagt, daß ich an seinem
Hause ein Strafgericht vollziehen werde um der Sünde
willen, daß er um das unwürdige Vorgehen
seiner Söhne wußte und sie dennoch nicht
bestrafte
; nun werde ich beginnen und es voll-
ziehen.“’
Und bald darauf erfüllte sich das Wort
des Herrn; Er ließ es zu, daß in einer Schlacht
[108] gegen die Philistäer ‘„Israel geschlagen wurde und
eine überaus große Niederlage erlitt, und es fielen
von Israel 30,000 Mann und die Arche Gottes
gerieth in feindliche Gewalt und die beiden Söhne
Heli's wurden getödtet“’
. Als aber ein Bote dem
98jährigen Heli Solches berichtete, ‘„fiel er rücklings
vom Stuhle, brach das Genick und starb.“’
Kann es
da noch zweifelhaft bleiben, wie strenge Pflicht es für
die Väter sei, die Kinder zur Zeit und wo es Noth
thut, zu strafen?

Wir sagen: ‘„Zur Zeit;“’ Zweck der Strafe
und Züchtigung ist eben, durch sie die Kinder im
Geleise des Gehorsams zu halten oder darein zurück
zu bringen. Kann dieser Zweck durch die milderen
Mittel der Belehrung und Ermahnung erreicht wer-
den, so hieße es, das Strafrecht mißbrauchen, wenn
der Vater zur Züchtigung schritte. Wie oft fehlen
die Kinder aus Unwissenheit, aus Unvorsichtigkeit und
ohne allen bösen Willen; fast immer wird's da
zum Ziele führen, wenn man die Kinder gehörig
belehrt, sie zur Vorsicht und Bedachtsamkeit ermahnt;
sie auch dann ohne Weiteres züchtigen und strafen,
ist nicht blos unberechtigt, sondern wirkt auch meist
schädlich auf das Gemüthsleben und auf die Ent-
wickelung des Kindes ein, vollends, wenn das Kind
von Natur scheu und wenig befähigt ist. In allen
Fällen und wo immer das Kind durch liebevolle Be-
lehrung und wenn auch nachdrückliche, doch väterliche
Ermahnung, vielleicht unter dem Beistande einer
Warnung zum rechten Handeln und Verhalten ge-
führt werden kann, verdient das in jeglicher Weise
den Vorzug vor dem strafenden Vorgehen.

[109]

Wir sagten: ‘„So viel es Noth thut und
heilsam ist
.“’
Es ist die Rücksicht auf das Kind,
welche die Hand des Vaters zur Züchtigung in
Bewegung setzt, das Verlangen, das Kind durch die
Züchtigung und Strafe von seinen Fehlern los und
zu einem guten Sinn und Wandel hinzuführen; das
allein hatte auch der große Vater und Herr im Auge,
als Er den menschlichen Vätern das Strafrecht ein-
räumte. Sich also zum Strafen verleiten oder viel-
mehr hinreißen lassen von der durch die Unarten
und Fehler der Kinder hervorgerufenen Ungeduld
und zornmüthige Aufregung, durch eine augenblick-
liche oder überhaupt genährte Widerwilligkeit und
Abgeneigtheit gegen dieselben, also im Grunde durch
die Rücksicht auf sich selbst, das heißt gleichfalls und
in recht schlimmer Weise und zum großen Schaden
der Kinder das Strafrecht mißbrauchen, das heißt,
im Zuge und Dienste seiner eigenen verkehrten Natur
gegen die verkehrte Natur des Kindes auftreten, das
heißt, während man gegen einen Fehler des Kindes
auftritt, selbst einen leicht viel größern begehen. Daß
das nicht Segen schaffen kann, sieht Jeder leicht ein.
Wie könnte das Segen schaffen, was aus so bösem
Grunde stammt und in so übler Weise voll-
führt wird
.

Das pflegt nämlich der Fluch aller jener Züch-
tigungen und Strafen zu sein, welche Väter solcher
Art aus dem Zuge ihrer eigenen verkehrten Natur
vollführen; sie werden nicht in der rechten, nicht in
heilsamer Weise vollführt.

Gesetzt auch, die Art der Strafe wäre an sich
nicht ungeeignet, entspräche vielmehr der Beschaffen-
heit des Kindes und seines Fehlers, so wird der Va-
[110] ter unter der gemachten Voraussetzung sie schwerlich
mit der nöthigen oder wünschenswerthen Ruhe voll-
führen; sie wird vielmehr vollzogen in der Aufwal-
lung des Zornes, leicht unter einem zahlreichen
Geleite von bittern Vorwürfen, Schmähungen und
Schimpfreden, mit unbesonnener, übermäßiger Härte,
ja Grausamkeit, so daß das Maß des Verdienten
weit überschritten wird und das eigene Kind vom
Vater arg mißhandelt und unbilliger Weise aufs
Empfindlichste gekränkt wird. Das Kind fühlt die Un-
gerechtigkeit einer also ausgeführten Strafe, es wird
in seinem Innersten verletzt, da es den eigenen Va-
ter wie einen Feind also hart und grausam wider
sich auftreten sieht, und die Wahrnehmung eines
solchen unwürdigen leidenschaftlichen Auftretens des-
selben versetzt der angestammten Hochachtung seines
kindlichen Herzens gegen den Vater eine tödtliche
Wunde, ja erfüllt es mit Verachtung und Wider-
willen.

Das ist dann also eine Züchtigung, welche das
Kind von seinen Fehlern nicht heilt, sondern es noch
mehr, noch viel ärger verwundet; eine Züchtigung,
welche nicht ‘„die friedenvolle Frucht der Gerechtigkeit“’,
sondern arger sittlicher Verderbniß zur Folge hat.

Und doch, wie oft und vielfach hat man eine
solche Weise der Bestrafung der Kinder grad von
Seiten der Väter zu beklagen! Welche Verantwor-
tung! Die von Gott gestellt sind zu Freunden und
Vätern der Kinder, die werden zu ihren ärgsten Fein-
den; denn wie sie in der Ausführung ihrer Strafen
äußerlich als solche auftreten, so sind sie es in der
That durch den unsäglichen Schaden und Nachtheil,
den sie dadurch ihren Kindern zufügen. Ohne Zweifel
[111] hatte der h. Apostel das im Auge, als er (Phil. 6, 4)
schreibt: ‘„Und ihr, Väter, hütet euch, eure Söhne
zum Zorne zu reizen, sondern erziehet sie in der
Zucht und Züchtigung des Herrn,“’
also, will der
Apostel sagen, haltet eure Söhne allerdings in Zucht,
strafet sie auch, wenn's Noth thut, aber so wie ‘„der
Herr
,“’
der auch im Strafen die Gerechtigkeit und
die Barmherzigkeit und Schonung nicht verleugnet.
Aehnlich im Briefe an die Colosser (3, 21): ‘„Ihr
Väter, wollet doch nicht“’
(nämlich durch unzeitiges
Strafen) ‘„eure Söhne zum Unwillen und Verdruß
wider euch aufreizen, damit sie nicht in Verzagtheit
gerathen.“’

Wir machten oben die Voraussetzung, daß im
gedachten Falle nur die Art der Ausführung, als
voll Zorn und Aufregung, unzeitig und verderblich
sei; aber wie leicht verpaart sich damit ein anderes
Uebel, daß man nämlich auch nicht die rechten und an-
gemessenen Strafen wählt und in Anwendung bringt.
Wie vielfach wird auch hier gefehlt!

Das Kind muß gestraft werden. Aber nun giebt
es eine gewisse Auswahl von Strafen. Freilich, hätte
man nach der Verfahrungsweise mancher Eltern zu
urtheilen, da müßte man des Meinens werden, es
gebe nur eine Art von Strafen, die körperliche Züch-
tigung: da werden die Kinder mit Ruthen, mit Peit-
schen, selbst mit Stöcken geschlagen; da regnet es
Faustschläge, Ohrfeigen, Rücken- und Rippenstöße,
da werden die Ohren gezupft, die Haare gerupft, da
wirft man nach Umständen den ersten besten Gegen-
stand den fliehenden Kindern nach u. s. w. u. s. w.

Was nun die letztern Arten körperlicher Züchti-
gung angeht, so sind wir der wohlbegründeten Ansicht
[112] und des wohlberechtigten Gefühles, daß dieselben des
christlichen Vaters (der christlichen Mutter) durchaus
unwürdig sind und auch wohl kaum anders, als
während zorniger Aufregung sich bieten werden. So
straft die christliche Ruhe und Besonnenheit nicht, zu-
mal nicht das eigene Kind.

Die übrigen körperlichen Züchtigungen haben
auch in christlichen Familien, also auch in der
Hand des christlichen Vaters ihre Berechtigung;
so die Strafen mit der Ruthe, mit einer Peitsche;
wir würden nach Umständen selbst eine nur nicht
allzu derb ausgeführte Ohrfeige, einen Faustschlag
in den Rücken gutheißen dürfen. Leicht werden die
Kinder oder eines und anders unter ihnen der Art
sein, daß es ohne körperliche Züchtigung, wie man
sagt, ohne Ruthe nicht wohl abgehen kann. Es giebt
auch Fälle, wo es sich empfiehlt, daß eine Strafe
auf der Stelle und kurz und gut abgemacht werde,
wo sich also die genannten körperlichen Züchtigungen
empfehlen.

Aber nun die Sache auf sie beschränken, sie
eben für alle Fälle, an allen Kindern ohne Un-
terschied anwenden, das heißt doch gradzu einseitig
und unzeitig handeln, das heißt, den Kindern den
Segen der Züchtigung nur zu sehr schmälern. Es
giebt, wie wir schon erwähnten, eine gewisse Auswahl
von Strafen. Es ist Strafe für ein Kind, wenn
ihm gewisse Annehmlichkeiten, Dinge, die es liebt,
woran es sich erfreuet, vorenthalten werden: Es darf
zur Zeit nicht spielen; es darf nicht mit ausgehen;
es wird ihm bis zu einem gewissen Maße das
Mittags- und Abendessen vorenthalten; etwas Liebes,
was es hat, oder was ihm in Aussicht stand, wird
[113] ihm entzogen; der Besuch an diesem Hause, der Ver-
kehr mit diesen Kindern oder jungen Leuten, so an-
genehm und ersehnt, wird zeitweilig untersagt u. s. w.
– Es ist Strafe, wenn ihm Unangenehmes aufge-
legt wird: Es wird zeitweilig eingeschlossen oder doch
allein gelassen; es muß eine ihm unangenehme und
widerwärtige Arbeit thun; es muß ein schlechteres Klei-
dungsstück tragen oder sonst eine Zurücksetzung und
Demüthigung erfahren u. s. w.

Genug, fast immer stehen den Eltern verschiedene
Strafen zur Auswahl, von denen einige viel mehr
dem Zwecke der Strafe, der Besserung des Kindes
entsprechen, sei es daß sie der Art des vorliegenden Feh-
lers oder der Natur und Beschaffenheit des Kindes oder
den Verhältnissen mehr angemessen sind. Oder wer
könnte verkennen, daß für ein Kind, welches von Natur
zart oder scheu und furchtsam ist, sich die hier zuletzt ge-
nannten, überhaupt mildere Strafen mehr empfehlen,
als körperliche Züchtigung; daß für Kinder, welche
im Alter schon mehr vorgeschritten sind, die für kleinere
Kinder vielleicht zu empfehlenden Strafen weniger
passend und geeignet sind; daß für Fehler, die ihren
Grund in ungeordneter Sinnlichkeit haben, Strafen,
wodurch etwas Sinnlich-Angenehmes vorenthalten
oder etwas Sinnlich-Unangenehmes zugewendet wird,
hingegen für Fehler, welche in Stolz und Hochmuth
wurzeln, Demüthigungen den Vorzug verdienen?

Wo ist denn ein Handwerksmann, der wenn er
eine Arbeit unter Händen und eine Auswahl ent-
sprechender Instrumente vor sich hat, jedesmal nach
dem ersten besten griffe und nicht vielmehr jedesmal
das auswählte, welches am geeignetsten ist, die Arbeit
gut herzustellen. Und Eltern, Väter sollten, wenn
[114] es sich darum handelt, das wichtigste, kostbarste Werk,
die gute Erziehung ihrer Kinder zu vollführen, da,
wo sie als nothwendiges Mittel dazu Züchtigung und
Strafe in Anwendung bringen müssen, zu den ersten
besten Strafen greifen, und nicht vielmehr eine ver-
nünftige und wohl überlegte Auswahl machen?

Freilich ist das alles, was wir hierdurch den Vä-
tern ansinnen müssen, in der beharrlichen und con-
sequenten Durchführung nicht eben eine leichte Sache;
es ist viel leichter und bequemer, die Kinder unge-
straft zu lassen oder sie in den angedeuteten unzei-
tigen Weisen zu bestrafen. Die rechte Ausführung
des Strafamts nimmt meist eine große Hingebung
an die Sache der guten Erziehung der Kinder,
große Mühe, viel Nachdenken und Ueberlegung, eine
nicht geringe Opferwilligkeit in Anspruch. Aber sie
ist Pflicht, heilige Pflicht, und selbst Mitbedingung
der ewigen Seligkeit für jeden christlichen Vater und
auch hier gilt das Wort des Herrn: ‘„Nur die Ge-
walt brauchen, reißen das Himmelreich an sich.“’

Ueberdies ist die kostbare Frucht, welche die väter-
liche Strafgewalt, wenn sie nach den gegebenen Win-
ken gehandhabt wird, an den Kindern trägt, die ‘„frie-
denvolle Frucht der Gerechtigkeit“’
aller damit verbun-
denen Mühen und Opfer werth; fast immer wird
dem Vater schon hier auf Erden in seinen eigenen
Kindern durch die Vortrefflichkeit derselben für jene
Mühen und Opfer reicher Lohn bereitet, vollends in
der Ewigkeit, während Väter, welche an ihren Kin-
dern die pflichtmäßige Zucht überhaupt nicht oder nicht
in gebührender Weise üben, sich in ihren entartenden
Kindern selbst eine Zuchtruthe und Kummer und
Gram in einem Maße bereiten, wogegen alle Mühe
[115] und Aufopferung der rechten christlichen Zucht gering
erscheint. Und was wird ihr Loos sein in der
Ewigkeit?

3. Die väterliche Fürsorge.


Denken wir uns eine Familie, in welcher der
Vater den bis hierher gemachten Andeutungen und
Winken zu entsprechen sich bemühet, so sind die Kin-
der, so viel sie unter solcher Huth und unter solchem
Einflusse stehen, in hohem Grade gesichert und wohl-
geborgen. Aber doch nicht immer weilen und ver-
harren die Kinder in dem also gesicherten Gehege
des Familienlebens. Vielfach weilen und verkehren
sie außer dem Hause; ja es kommt die Zeit, wo der
Sohn, die Tochter aus dem häuslichen Kreise über-
haupt oder für kürzere oder längere Zeit entlassen
werden müssen. Da ergeben sich dann neue Obliegen-
heiten des Vaters. Erörtern wir sie.

a) Die Aufsicht über die Kinder.

Es ist nicht wohl möglich, daß der Vater (die
Mutter), die kleineren oder die heranwachsenden Kin-
der stets unter unmittelbarer Aufsicht halte. Vielleicht
führt Arbeit und Geschäft ihn von denselben hinweg
und lässet ihn kürzere oder längere Zeit von ihnen
ferne bleiben; oder die Kinder selbst befinden sich
außerhalb des Hauses, sei es, um dies oder jenes
zu besorgen, oder, um ihrem Vergnügen, der Erho-
lung nachzugehen, Besuche zu machen u. s. w.

Auf solche Art erwachsen dann für die Kinder
mancherlei Gefahren, leicht selbst recht schlimmer Art.
Sie treffen mit Kindern oder gar erwachsenen Per-
sonen zusammen, welche durch ihre Reden und durch
[116] ihr Verhalten ihnen Aergerniß bereiten, ja gradezu
sie zum Bösen zu verleiten suchen; welche Gefahr
für die Kinder, namentlich, wenn sie mit solchen in
Verkehr treten; sie kommen an Orte, wo ihrer Un-
schuld und ihrer Gläubigkeit Gefahr drohet; sie woh-
nen bedenklichen Lustbarkeiten bei; sie unterhalten eine
Freundschaft, einen Umgang, eine Bekanntschaft,
welche bedenklicher Art ist.

Kinder sind unerfahren; wie leicht rennen sie,
wenn nicht gewarnt, in die Gefahr mitten hinein;
wie leicht gehen sie in ihr zu Grunde! – Kinder
sind leichtsinnig; ohne Bedacht und Sorge geben sie
sich dem hin, was ihnen Verderben bringt. Kinder
sind unselbständig, um so leichter werden sie hinge-
nommen, verlockt und verführt.

Wird also ein Vater, der das alles, was er ja
weiß, beherzigt, nicht auch in diesen Beziehungen
Sorge haben für sein Kind, um es vor den drohen-
den Gefahren, so viel an ihm ist, zu schützen und
sicher zu stellen? Muß er's nicht? Erscheint es
nicht als seine heilige Pflicht?

Es ist freilich nicht zu verkennen, daß in dieser
Hinsicht auch beim besten Willen eine völlige Sicher-
stellung des Kindes nicht erzielt werden kann; aber
nur um so dringender erscheint die Pflicht, das Er-
reichbare zu thun. Und bei aufrichtig-gutem Willen
und wenn Mühe und Opfer für eine so wichtige
Sache nicht gescheuet wird, kann fast immer recht
viel erreicht werden, wie das Beispiel wahrhaft ge-
wissenhafter Eltern beweiset. Freilich ist das in nicht
wenigen Fällen nur möglich um den Preis ernstlicher,
opfervoller und andauernder Mühewaltung; und da
sich dazu manche Väter nicht verstehen, so lassen sie
[117] ihre Kinder ohne Aufsicht und so fast gänzlich nach
eigenem Belieben gehen und thun, wie sie eben wollen.
Wie manches Kind geht über dem Mangel an dieser
pflichtmäßigen Wachsamkeit und Aufsicht des Vaters
(der Mutter) zu Grunde!

Man pflegt in Betreff dieses Punktes darauf
hinzuweisen, wie manche Väter mehr Sorge haben für
ihr Vieh, als für ihre Kinder, für deren Seelenheil,
indem sie wohl und zwar recht angelegentlich darauf
bedacht seien, von jenem Gefahr, Schaden und Nach-
theil abzuhalten, während sie ihre Kinder den größten
Gefahren für ihr Seelenheil in unbegreiflicher Sorg-
losigkeit hingeben. Wie berechtigt ist vielfach dieser
Vergleich! Aber er wird auch zur Zeit zum Zeug-
nisse wider sie auftreten, um das Urtheil der Ver-
dammniß über solche Gewissenlosigkeit zu begründen.

Also das Erreichbare in dieser Hinsicht anzu-
streben, das erscheint als h. Pflicht des christlichen
Vaters. – Und was dürfen wir zu dem Erreich-
baren rechnen? Zunächst doch, daß der Vater (die
Mutter), so viel an ihm, Kenntniß zu haben suche,
wo das Kind, der Sohn, die Tochter sich befinden,
wenn sie, vollends auf längere Zeit, außer dem Hause
sich befinden, mit welchen Menschen sie verkehren.

Fernerhin soll er sich Kunde zu verschaffen suchen,
was für Orte das sind, wo seine Kinder sich auf-
halten, was für Menschen, womit sie verkehren, was
für Unterhaltungen und Vergnügungen, denen sie
nachhängen, was an diesen Orten, mit diesen Men-
schen, mit diesen Vergnügungen getrieben wird. Läßt
der Vater sich dieses, wie er's soll, am Herzen liegen,
so wird es ihm an Mitteln und Wegen dazu nicht
fehlen. Er wird nach Umständen den Sohn, die
Tochter auffordern, Rechenschaft über das Betreffende
[118] zu geben; er wird selbst ihre Spur verfolgen können,
um den Sachverhalt zu erfahren; er wird, wenn er
mit der gebührenden Klugheit und Vorsicht vorgeht,
Manches durch Andere erfahren können; vielleicht
kommen ihm seine eigenen, früher gemachten Erfah-
rungen zu Statten, um z. B. in Betreff der erwach-
senen Kinder das Bedenkliche und Gefährliche gewisser
Lustbarkeiten oder gar zu großer Freiheit oder des
vertrauten Umgangs mit Personen des andern Ge-
schlechts zu ermessen.

Demgemäß regelt sich dann endlich die Art und
Weise, wie der Vater es in den vorliegenden Bezie-
hungen mit den Kindern hält. Vor Allem kann es
nicht dringend genug betont werden, daß die Kinder
von frühester Jugend streng gehalten werden, Rechen-
schaft darüber zu geben, wohin sie, wenn sie das Haus
verlassen, gehen wollen, und daß sie nicht ohne Er-
laubniß gehen. Sind sie von früh an daran gewöhnt,
so darf auch in spätern Jahren die Einhaltung dieser
Gewohnheit desto eher erwartet werden.

Was als für die Kinder in Rücksicht auf ihr
Alter, auf ihre persönliche Beschaffenheit oder über-
haupt gefährlich erkannt wird, das wird ihnen mit
der entsprechenden Strenge untersagt – der Verkehr
mit diesen Kindern, der Besuch jenes Hauses, oder,
wenn es sich um erwachsene Kinder handelt, der Um-
gang mit dieser Person, die Betheiligung an dem
und dem Vergnügen u. s. w. Und an diesem Ver-
bote wird streng gehalten; es findet die entsprechende
Ueberwachung statt, nach Umständen Nachfrage, Nach-
forschung und Untersuchung.

Stellt sich heraus, daß der Sohn, die Tochter
in diesem Punkte etwas verbrochen hat, so wird nach
[119] Maßgabe des Falles gegen dieselben vorgegangen -
mit mehr oder weniger nachdrücklicher Warnung und
Rüge, wofern nicht so sehr böser Wille, als Un-
wissenheit, Mangel an Erfahrung und ein gewisser
Leichtsinn vorliegt; mit Züchtigung und Strafe, selbst
der strengsten Art, wofern mit bösem Willen, trotz
vorheriger Warnung und Untersagung, in bewußtem
Ungehorsam gehandelt worden ist. Wenn je, so thut
hier Ernst, Festigkeit und Entschiedenheit und nach
Umständen die äußerste Strenge Noth, besonders wo
es sich um einen offenbar gefährlichen und verderb-
lichen Umgang oder um die Betheiligung an sünd-
haften Vergnügungen handelt.

Gar sehr kommt es dem Vater in dieser Hin-
sicht zu statten, wenn überhaupt im Hause Regel und
Ordnung herrscht und man ihr gemäß namentlich
daran gewöhnt ist, zur bestimmten Zeit sicher zu
Hause sein zu müssen. Jedenfalls wird, wofern gewisse
Ausgänge zum Zwecke der Theilnahme an diesem
oder jenem Vergnügen gestattet werden, genau die
Stunde festgesetzt, wo man wieder zu Hause sein muß;
und es wird mit unerbittlicher Strenge darauf gehalten.

Denken wir uns Fälle, wo der Vater dem Sohne
oder insbesondere der Tochter etwas, das doch nicht
ohne Gefahr ist, nicht wohl versagen kann, so wird
er der Pflicht entsprechender Beaufsichtigung nie un-
eingedenk sein, mag er solcher nun in eigener Person
oder auf irgend einem andern sichernden Wege ge-
recht werden.

Das sind einige Andeutungen in einer Sache,
worin sich die einzelnen Fälle zu verschiedentlich ent-
wickeln können, als daß man sie erschöpfend behandeln
könnte. Dennoch reicht das Gesagte hin, um als
[120] Fingerzeig überhaupt und auch für Fälle, die hier
nicht in Rede kommen, zu dienen.

Und möchten doch alle Väter und Mütter hier
ihrer Pflicht genügen! Wie viel Sünden und Ver-
irrungen der Kinder würden verhütet, wie manches
Kind von dem Verderben, dem es nun anheimfällt,
gerettet! Wie Viele sind eben dadurch, daß es die
Eltern in ihrer Jugend an der pflichtmäßigen Wach-
samkeit und Aufsicht und Strenge haben fehlen lassen,
in die unseligsten Verirrungen gerathen, in Folge
derer das Glück ihres ganzen Lebens zerknickt, über
sie und Viele Unheil und Verderben gekommen und
ihre Seele zu Grunde gegangen ist. Wehe den El-
tern solcher Unglücklichen! ‘„Wahrlich,“’ wird zu
ihnen dereinst der Herr sagen mit den Worten des
h. Johannes an jenen Bischof, dem er den ihm so
werthen Jüngling anvertrauet hatte, ‘„daß er für ihn
Sorge trage,“’
und der diesen so unselig verwahrloset
hatte, ‘„wahrlich, einem schönen Wächter habe ich
meinen Sohn anvertrauet.“’
Schreckliche Verantwor-
tung und Strafe!

Darum auf, christliche Väter, seid eures Berufes
eingedenk! Wachet und führet Aufsicht über die Kin-
der, ‘„welche der Herr euch anvertrauet hat.“’*)

b) Der Sohn, die Tochter außer dem Hause.
[121]

Der Sohn, die Tochter verlassen das väterliche
Haus und werden zeitweilig Genossen einer andern
Familie in der Nähe oder vielleicht in weit gelegener
Ferne; es handelt sich darum, das für den künftigen
Beruf Erforderliche zu lernen und sich anzueignen,
oder sich schon jetzt ihr Fortkommen selbst zu
schaffen. Der Sohn tritt als Zögling an einer An-
stalt ein, oder er findet als Lehrling in einem Han-
delshause, in einer Werkstatt, als Dienstbote bei einer
Herrschaft seine Stelle. Die Tochter verläßt das
Haus, um in einer fremden Familie die erwünschte
Weiterbildung zu erlangen, oder um als Dienst-
mädchen bei andern zu dienen.

Einen Vater, wie wir ihn uns vorstellen, dem,
wie es sein soll, vor Allem das Seelenheil seiner
Kinder am Herzen liegt und der bis dahin Alles
[122] aufgeboten hat, um dasselbe zu sichern und zu för-
dern, kann es unmöglich gleichgültig und unbesorgt
lassen, wenn er sein geliebtes Kind, den Sohn, die
Tochter aus seiner Nähe, aus seiner Aufsicht und
aus seinem unmittelbaren Einflusse entlassen und in
eine fremde Familie, vielleicht in eine fremde Stadt
entsenden muß. Wie, wenn der Sohn, die Tochter
dort nachtheiligen, verderblichen Einwirkungen preis-
gegeben sein würde, dem Einflusse eines bösen Bei-
spiels, eines unchristlichen, leichsinnigen, sündhaften
Lebens, dem Einflusse leichtfertiger, unlauterer, fri-
voler, Glauben und christliche Sitte verletzender und
untergrabender Reden, ja sogar der Verleitung, Ver-
lockung, Anreizung und Verführung zum Bösen?!

Und wie sehr steht das vielleicht zu fürchten, zu-
mal in unsern Tagen! Ach, wie mancher Jüngling,
wie manche Jungfrau, die bis dahin unter dem Ein-
flusse eines wahrhaft christlichen Familienlebens so
wohl gediehen waren und so gut und wohlgeartet
das elterliche Haus verließen, haben unter den nach-
theiligen und verderblichen Wirkungen der Verhält-
nisse des Hauses, der Umgebung, denen sie außer-
halb des elterlichen Hauses anheimgegeben waren,
mehr und mehr ihren religiösen, frommen Sinn ein-
gebüßt, sich dem Leichtsinne, der Sünde, der Aus-
schweifung in die Arme geworfen, ihre Unschuld, ja
ihren Glauben verloren und sind zur Zeit als ganz
Andere in's elterliche Haus zurückgekehrt – des
höchsten Schatzes und Glückes ihres Lebens beraubt!

Kann also ein rechter, ein christlicher Vater (und
mit ihm die Mutter) gleichgültig dabei bleiben, wenn
er in der Lage ist, also sein Kind entlassen zu müssen?
Kann er unbesorgt es seinem Geschicke überlassen?
[123] Unmöglich! Er wird vielmehr, wie es auch heilige
Pflicht ist, darauf bedacht sein, sein Kind, wenn er
nicht umhin kann, es aus seiner Nähe und Huth zu
entlassen, so viel an ihm ist, vor drohenden Gefahren
sicher zu stellen und alle mögliche Sorgfalt darauf ver-
wenden, daß das Gute, was zu Hause in ihm grund-
gelegt ist, bleibe und seine fernere Entwicklung finde.

Eigenthümlich! Wenn man sonst etwas Werthes
und Theures einem Andern anheim giebt, da hat man
alle Sorge, daß man es zur Zeit unverletzt und wohl-
behalten wieder erlange, sucht sich z. B., wenn man
ein Kapital bei einem Andern verzinslich anlegen
will, auf jede Art zu überzeugen, ob derselbe hinläng-
lich Sicherheit bieten könne; man entschließt sich nicht,
ihm sein Geld zu leihen, wenn Gefahr da ist, daß
es verloren gehe. Und das Kostbarste von Allem, die
Kinder, giebt man dahin, ohne sich zu überzeugen,
ob ihr Seelenheil nicht Gefahr dabei laufe, ja man
giebt sie hin, während das offen zu Tage liegt.
Welcher Leichtsinn! Welche Verantwortung!

Es ist wahr, oft genug ist es gar nicht leicht,
ja, nur zu oft ist es den Eltern in solchen Verhält-
nissen gradzu unmöglich, etwas Wesentliches für die
Sicherstellung und zum Schutze der Kinder zu thun.
Ein Haus, eine Condition, ein Dienstverhältniß, wo
in Beziehung auf gute christliche Gesinnung und Sitte
Alles wohl bestellt wäre oder auch nur billigem Wun-
sche entspreche, läßt sich beim besten Willen kaum
ausfindig machen; und doch muß der Sohn, die
Tochter hinaus; es läßt sich nichts daran ändern.

Aber es kann leider nicht verkannt werden, daß
nur zu oft, ja so fast muß man sagen, in den meisten
Fällen in dieser Hinsicht eine unbegreifliche Gleich-
[124] gültigkeit und ein Leichtsinn sich geltend macht, der
mit echter, christlicher Gesinnung durchaus unverein-
bar, ja, gradzu gewissenlos ist. Fast immer sind nur
die zeitlichen Rücksichten maßgebend; der Sohn, die
Tochter können da und da viel für die Welt und in
zeitlicher Hinsicht Nützliches, Vortheilhaftes lernen
und sich aneignen, oder sie können daselbst viel ver-
dienen; da und da, so und so öffnen sich günstige
Aussichten für die Zukunft u. s. w.; – genug, um
seinen Entschluß zu fassen; man fragt nicht, ob Sohn
und Tochter da und da nicht großen Gefahren für's
Seelenheil ausgesetzt sein werden, der Gefahr, Un-
schuld, gute christliche Sitte, ja den Glauben zu ver-
lieren; man hat kein Auge dafür, man verschließt es
gradzu dagegen.

Und die Folge? Freilich, der Sohn, die Tochter
– werden nun in diesen Verhältnissen, denen sie also
rücksichtslos anheimgegeben worden, vielleicht recht sehr
gelehrt, geschickt, gewandt für den Verkehr in der
Welt; sie verdienen einen reichen Lohn; es eröffnen
sich ihnen glänzende Aussichten für die Zukunft.
Aber, zur Zeit findet es sich, daß über alles dieses
der gute christliche Sinn ihnen abhanden gekommen,
christliche Uebung und Tugendsamkeit ihnen fremd
geworden ist; sie stehen im Dienste ihrer bösen Nei-
gungen und Leidenschaften, sie haben ihre Unschuld
verloren, sie haben am Kostbarsten, an ihrem Glau-
ben Schiffbruch gelitten. Werden sie bei all ihren
sonstigen Errungenschaften glücklich sein? Ach, sie
werden nicht einmal auf Erden glücklich sein. Wie
oft und wie sehr man's auch verkennt, so bleibt's
doch ewig wahr, ohne das Fundament wahrhaft christ-
licher Gesinnung und Gesittung wird jeglicher Aufbau
[125] irdischen Glückes, und würde er auch mit dem höchsten
Aufwande irdischer Güter und Spenden aufgeführt,
nur zu bald in sich selbst zerfallen und Leere und
Jammer in den Herzen zurücklassen. – Und dann
die Ewigkeit! Ob wohl unter den Unglücklichen der
Ewigkeit die Zahl derer gering ist, welche den Grund
ihres ewigen Verderbens grad in jenen Jahren finden,
wo ihre Eltern, gewissenlos und grausam, sie Ver-
hältnissen und Lagen der oben geschilderten Art
preisgaben?

Genug, das kann nicht dem geringsten Zweifel
unterliegen, daß die Pflicht des Vaters (und mit ihm
der Mutter), für das Seelenheil der Kinder, so lange
ihnen noch sichernde Selbstständigkeit abgeht, Sorge
zu haben und dasselbe nach bestem Wissen zu schützen
und zu sichern, auch dann nicht aufhört, wenn er
dieselben aus seiner unmittelbaren Aufsicht entlassen
muß. Kann er zur Sicherstellung nicht das Wün-
schenswerthe erreichen, so hat er doch darauf bedacht
zu sein, das Mögliche zu thun. So große Schwie-
rigkeiten sich auch für eine gute Unterbringung der
Kinder bieten, so zeigt doch die Erfahrung, daß ge-
wissenhafte Eltern in dieser Hinsicht meist recht Vie-
les erreichen. Aber sie lassen sich das auch angelegen
sein; sie geben sich Mühe, sie ziehen Erkundigungen
ein, sie forschen nach, sie scheuen keine Opfer. Eben,
weil sie ihre Kinder wahrhaft lieben, weil ihnen das
wahre Wohl derselben aufrichtig am Herzen liegt,
weil ihnen das Seelenheil derselben über Alles hoch
gilt, – so scheint ihnen, wo es sich darum, um das
Seelenheil der Kinder handelt, nicht leicht etwas zu
schwer und zu viel; dabei macht die Liebe zu den
Kindern sie erfinderisch. Und da sie in solchen, ihnen
[126] so wichtigen Angelegenheiten, auch zu Gott ihre Zuflucht
nehmen, so ist auch der Herr mit ihnen, sei es, daß
Er sie in Seinem Lichte das Rechte erkennen lasse
oder daß Er die Umstände zu ihrem Gunsten füge.

So gewissenhafte Eltern, christliche Väter und
Mütter. Und ob sie auch, da das Wünschenswerthe
beim besten Willen nicht immer erreichbar ist, mit-
unter in der Lage sind, mit dem billigen Wünschen
wenigstens in etwa Entsprechenden vorlieb zu nehmen;
dennoch nie werden sie (wie sie es auch nicht dürfen)
durch die Rücksicht auf zeitliche Vortheile und Aus-
sichten, und wären es auch die größten und glänzend-
sten, sich bestimmen lassen, ihre Kinder in Häuser,
in Verhältnisse u. s. w. hinzugeben, wo ihre Tu-
gend, ihre Unschuld, ihr Glaube augenscheinlicher und
offener Gefahr preisgegeben sein würde.

Und ist ein Sohn, eine Tochter aus dem väter-
lichen Hause entlassen, so wird der wahre christliche
Vater (mit der Mutter) stets, wie es wiederum Pflicht
ist, ein Auge auf dieselben haben und, so viel es
möglich, sich Kenntniß darüber zu verschaffen suchen,
wie es um dasselbe, um seine Lage, um sein Ver-
halten stehe. Stellt sich heraus, daß seine ur-
sprünglichen Voraussetzungen sich nicht erfüllten, daß
der Sohn, die Tochter dort übel berathen seien, daß
ihrer christlichen Gesinnung und Sitte arge Gefahr
drohe, da wird er nicht gleichgültig zusehen, da wird
er, wenn er die Sache an sich nicht ändern kann,
Alles aufbieten und selbst die größten Unannehm-
lichkeiten und Opfer nicht scheuen, um, wo immer
möglich und so bald möglich, sein Kind, damit er es
aus der Gefahr rette, aus jenem Hause, aus diesen
Verhältnissen fortzuschaffen.

[127]

Auch hier ist zuweilen das Erwünschte nicht, oder
nicht sofort möglich; aber das Mögliche thut der
Vater; und er muß es thun, es ist eben Pflicht,
heilige Pflicht des väterlichen Berufes. Was thut
Jedermann, der eine Summe Geldes bei einem An-
dern stehen hat, wenn dasselbe in Gefahr ist, verloren
zu gehen? Er ist darauf bedacht, er giebt sich alle
mögliche Mühe, um sein Geld in Sicherheit zu brin-
gen. Und wo es sich um so viel Kostbareres, um
Kinder, um ihr zeitliches und ewiges Wohl handelt,
sollte man es nicht so halten?

Leider wird's nur zu oft nicht also gehalten; Eltern
lassen sich in dieser Hinsicht eine ganz unbegreifliche
Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit zu Schulden kom-
men; hintennach, wenn's zu spät ist, haben sie dann
freilich unter den üblen Folgen zu leiden; ihre eigenen
Söhne und Töchter sind ihre Buße; welches Herzen-
leid, welche Erfahrnisse, welche Vorwürfe! Also
‘„habet Acht auf die, über welche ihr gesetzt seid“’!

c) Der Sohn (die Tochter) in der Wahl
des Berufes.

Wir haben hier insbesondere den Sohn im Auge.
Die seltenen Fälle, wo eine Tochter Beruf zum Or-
densleben in sich findet, ausgenommen, werden den
Töchtern für die Wahl ihres Berufes, ihrer schließ-
lichen Lebensverhältnisse meistentheils die entsprechen-
den Fingerzeige durch äußere Umstände nahegelegt;
wir kommen darauf zurück. Zunächst denken wir
also an die Söhne.

Also, was soll aus dem Kinde werden? – Soll er
studiren? – Soll er ein Geschäft, irgend eine Kunst,
ein Handwerk lernen? Welches? – Soll er Soldat
[128] werden? – Oder soll er einfach der Vollführung
der gewöhnlichen häuslichen Arbeiten zu Hause oder
in einem Dienstverhältnisse sein Leben widmen? -
Fragen, welche sich dem rechten, um das Wohl sei-
ner Kinder aufrichtig besorgten Vater so ganz von
selbst bieten.

Es ist nicht zweifelhaft, daß es für jedes Kind,
wir sagen hier, für jeden Sohn, eine Lebensweise
(einen Stand, ein Geschäft, oder wie man's nennen
mag) giebt, welche nach Maßgabe seiner körperlichen
und geistigen Ausstattung, nach Maßgabe der ihm
zu Gebote stehenden Mittel, nach Maßgabe der Um-
stände und Verhältnisse, worin er steht, für ihn, die
am meisten zu empfehlende, für ihn die beste und
daher auch am Sichersten und Meisten zum wahren
Wohle führende und somit die dem h. Willen Gottes
am meisten, im Grunde einzig entsprechende ist.
Das wäre der Beruf des Sohnes.

In dem Gesagten liegt bereits ausgesprochen,
wie wichtig und bedeutungsvoll es sei, daß der Sohn
seinen Beruf erkenne und demnächst ihn wähle, sich
für ihn vorbereite, zur Zeit in ihn eintrete. Es ist
der Stand, welcher dem göttlichen Willen und Rath-
schlusse entspricht; für diesen Stand und Beruf hat
Gott, der ‘„von einem Ende der Erde bis zum an-
dern waltet und Alles auf's Vortrefflichste ordnet“’
,
ihn bestimmt, für ihn hat Er ihm die entsprechenden
Gaben und Fähigkeiten, für ihn meist eine gewisse
Neigung zukommen lassen und ihn dadurch und durch
die sonstigen Verhältnisse in die Lage gesetzt, daß er
das, was er für seinen Stand lernen, sich aneignen,
zu eigen haben muß, die Kenntnisse und Fertigkeiten,
die Ausbildung, die Mittel u. s. w., wirklich lernen,
[129] haben und sich aneignen könne. Läßt das schon
mit Grund hoffen, daß er zur Zeit die Obliegen-
heiten des betreffenden Standes in entsprechender
Weise vollführen und in demselben die wünschens-
werthe Zufriedenheit finden werde, so wird diese Hoff-
nung noch mehr befestigt durch die wohlbegründete
Erwartung, daß der Herr ihm in diesem von Ihm
selbst gegebenen Berufe mit besondern Gnaden bei-
stehen und insbesondere die äußern Umstände desselben
in einer Weise ordnen und leiten werde, welche so-
wohl für die gute Vollführung der Obliegenheiten dessel-
ben, als auch für die wahre Zufriedenheit zuträglich ist.

Ist das alles geeignet, die hohe Bedeutung des
Berufs darzulegen, so tritt dieselbe in das volle Licht
durch den Umstand, daß der Beruf eines Menschen
zugleich der sicherste, im Grunde der einzige Weg
ist, um schon hier auf Erden zu einer wahren Zu-
friedenheit zu kommen, um, so viel es hier möglich
ist, wahrhaft glücklich zu sein; und der sicherste und
beste Weg zur ewigen Seligkeit. Menschen, welche
ihren Beruf verfehlt haben, pflegen sich in ihrem
Stande unglücklich zu fühlen, und, da ihnen Lust
und Liebe zu demselben und dessen Obliegenheiten
abgeht, so macht sich in Betreff der Erfüllung dieser
Obliegenheiten nur zu leicht eine Lässigkeit und Säum-
niß geltend, welche ihr Gewissen auf's Bedenklichste
beschwert und oft in der traurigsten Weise das Wohl
Anderer behelligt; und so führet Verfehlung des Be-
rufes in hohem Grade die Gefahr mit sich, schließlich
zu Grunde zu gehen.

Unaussprechlich wichtig ist es daher, daß der
Mensch seinen Beruf erkenne und wähle. Und wenn
die betreffende Wahl und Entscheidung vielfach, ja
[130] in den meisten Fällen schon in jene Zeit des Lebens
fällt, wo der Mensch weder die gehörige Reife des
Verstandes, noch die hinlängliche Lebenskenntniß und
Erfahrung hat, um richtig zu urtheilen und zu ent-
scheiden, so soll, wie die Mutter, so insbesondere der
Vater mit seinem reifern Verstande, mit seiner Le-
benskenntniß und Erfahrung dem Sohne unterweisend
und rathend zur Seite stehen. Liegt ja darin der
Grund jenes weisen Rathschlusses Gottes, wonach
Er das kindliche und jugendliche Alter unter die Ob-
hut und Leitung der Eltern gestellt hat, auf daß
diese ersetzen sollten, was dem Kinde noch abgeht.

Wird es daher den Kindern als h. Pflicht an's
Herz gelegt, ihren Beruf und einen neuen Stand
nicht zu wählen, ohne die Meinung der Eltern er-
fahren und ihren Rath eingeholt zu haben, so sollen
die Eltern, die Väter es sich am Herzen liegen lassen,
über den Beruf ihrer Kinder klar zu werden, um
guten Rath ertheilen zu können.

Mitunter ist das nicht schwer; der Beruf des
Sohnes stellt sich gewissermaßen von selbst heraus.
Es tritt von früh an eine entschiedene Neigung zu
einem bestimmten Stande, Geschäfte, Handwerke u.
s. w. im Sohne auf; ein gutes Zeichen für den Beruf
dazu, vollends, wenn auch die entsprechenden Gaben,
ein gewisses angebornes Geschick dafür, vielleicht sogar
in ausnehmender Art sich zeigen, und in den sonstigen
Verhältnissen kein Hinderniß liegt. – Oder, Um-
stände und Verhältnisse sind der Art oder gestalten
sich so, daß es sich gewissermaßen von selbst versteht,
daß z. B. der Sohn zur Zeit das Geschäft, das
Handwerk, das Anwesen des Vaters fortsetze; wie-
derum ein gutes Zeichen dafür, daß dies der Beruf
[131] des Sohnes sei, vorausgesetzt, daß derselbe nicht gradzu
sich abgeneigt fühle und einen Widerwillen gegen
diesen Stand in sich finde, oder daß ihm die erfor-
derlichen Gaben und Fähigkeiten dazu nicht in auf-
fälliger Weise abgehen.

Doch nicht immer liegt des Sohnes Beruf in
solcher Bestimmtheit da; jene ausgeprägte Neigung
tritt nicht zu Tage; oder, wenn auch vielleicht, so
stehen unübersteigliche Hindernisse dem der Neigung
Entsprechenden im Wege; auch Umstände und Verhält-
nisse geben keine Entscheidung. Es muß überlegt,
es muß Rath gepflogen werden, um den rechten Beruf
des Sohnes zu finden.

Da wird nun viel gefehlt; daher so vielfach ver-
fehlter Beruf mit all den unheilvollen Folgen für
die Betreffenden und meist für Viele Andere.

Ein Fehler bei der in Rede stehenden Lei-
tung der Standeswahl der Söhne seitens der Väter
(Eltern) ist, daß sie sich dabei leiten lassen durch
unzeitige, selbstsüchtige Rücksichten, durch mißverstan-
dene Ehre, durch ungeordnete Gier nach zeitlichem
Gewinn u. s. w. Dieser Vater wählt diesen
Stand für seinen Sohn und lenkt seinen Lebensweg
dahin ein, weil er ihm ehrenvoller scheint.*) Ein
[132] anderer, weil ihm durch denselben vom Sohne am
ersten und meisten Vortheil und Gewinn erwächset;
so muß mancher Sohn fort und fort zu Hause oder
in einer Fabrik, oder im Tagelohn arbeiten, und
kommt nicht dazu, das für ihn erwünschte Geschäft
oder Handwerk zu erlernen. Darüber also vergißt
oder verschmähet man es, auf die Neigungen und
Fähigkeiten des Sohnes, oder gar auf sein Seelenheil
Rücksicht zu nehmen.

Das letztere führt uns auf einen anderen, gleich-
falls verderbenbringenden Fehler bei der Leitung der
Standeswahl, daß man nämlich dabei sich so fast
ganz allein leiten lässet durch zeitliche Rücksichten,
ohne das Seelenheil des Sohnes dabei im Auge zu
haben. Man sucht sich einen Stand für den Sohn
aus, man bestimmt diesen – vielleicht mit einer
gewissen Nöthigung – für denselben, während sowohl
die Vorbereitung zu demselben, als zur Zeit der
Stand selbst nach aller Erfahrung überhaupt oder
wegen der persönlichen Eigenthümlichkeiten des Soh-
nes die offenbarsten und größten Hindernisse und
Gefahren für das Seelenheil desselben in sich begreift.
Höchstens könnte das (vorausgesetzt, daß nicht wegen
gewisser Umstände, der Antritt eines Standes von
vornherein unstatthaft und sündhaft ist) darin ent-
schuldigt erscheinen, wenn eine gewisse Nothwendigkeit
[133] vorläge, diesen Stand zu wählen; nie da, wo
noch Auswahl da ist.

Muß nicht im Grunde die Rücksicht auf das
Seelenheil die Hauptrücksicht bei der in Rede stehen-
den Wahl sein, wenigstens dahin, daß so viel möglich
kein Stand gewählt werde, welcher dem Seelenheile
gradzu Hinderniß und Gefahr drohet; daß bei der
Wahl gern, so viel möglich, dem Stande der Vorzug
gegeben werde, welcher am Meisten Schutz und För-
derung des Seelenheiles bietet! Oder ist nicht, im
Lichte des Glaubens betrachtet, das Leben des Men-
schen auf Erden eine Vorbereitungsfrist für die Ewig-
keit, mit Allem, was der Mensch ist und hat und
um sich findet, dazu von Gott gegeben, daß er sich
entwickele und ausbilde zur Würdigkeit für eine selige
Ewigkeit? Wie das also die Hauptaufgabe des Le-
bens überhaupt, so ist es auch die Hauptaufgabe der
verschiedenen Lebensstände, und daher die Hauptrück-
sicht bei der Wahl derselben, daß man prüfe und
sehe, ob der betreffende Stand für die Erreichung
jener Hauptaufgabe zuträglich oder hinderlich sei.
Läßt also ein Vater das aus dem Auge, hat er bei
der Standeswahl für den Sohn nur das Leben auf
Erden und irdische Rücksichten im Auge, so wird der
Sohn durch den also einseitig gewählten Stand nur
zu leicht dem ewigen Verderben entgegengeführt. Was
wird es ihm dann nutzen, ob er für die paar Jahre
seines Lebens auch noch so viel Erdenglück genossen
hätte? Aber derselbe wird auf die Dauer nicht ein-
mal ein wahres Glück auf Erden finden; denn wah-
res Glück blühet auch auf Erden nur dem, der seiner
Bestimmung gemäß ein gottgefälliges Leben führt.

[134]

Man fehlt bei der Wahl des Standes für den
Sohn, indem man zu wenig oder gar nicht Rücksicht
nimmt auf die Neigung desselben. Hält man mit
Recht eine gewisse Hinneigung zu diesem oder jenem
Stande für ein Zeichen des Berufes zu demselben,
so liegt darin zugleich eine gewisse Bürgschaft dafür,
daß der Mensch in diesem Stande sich am leichtesten
und meisten zufrieden finden und die Pflichten dessel-
ben am besten erfüllen werde. Höchst bedenklich ist
es in allen Fällen, den Sohn zu einem Stande zu
drängen, dem er gradzu abhold ist.

Man fehlt bei der Wahl des Standes, indem
man nicht gebührend die Gaben und Fähigkeiten des
Sohnes, seine körperliche und geistige Beschaffenheit
beachtet. Dadurch wird dann derselbe in einen Stand
gebracht, für welchen ihm die entsprechende Begabung
abgeht, für den er die nöthigen Kenntnisse und Fer-
tigkeiten sich nicht erworben hat und nicht hat erwer-
ben können, dessen Anforderungen er also nicht ge-
wachsen ist. Wie übel für ihn und für Andere!

Es wird bei der Standeswahl dadurch gefehlt,
daß man sich die Frage nicht in erwünschter Art
beantwortet, ob der gewählte Stand auch hinlängliche
Aussichten und Bürgschaften für das zeitliche Fort-
kommen und für eine entsprechende Lebensstellung biete.

Je mehr es sich also bei der Wahl des künftigen
Lebensstandes recht eigentlich um das Wohl des Soh-
nes für Zeit und Ewigkeit handelt, je Mehreres
dabei zu berücksichtigen steht und je schwieriger leicht
ein gesichertes und richtiges Urtheil ist, desto ernster
und verantwortlicher erscheint die Aufgabe des Va-
ters, der eine solche Wahl leiten und vollführen soll,
wichtig genug, um sie bei sich selbst in die ernsteste
[135] Erwägung zu ziehen, wichtig genug, um nach Umständen
mit andern einsichtigen und theilnehmenden Personen
die Sache zu überlegen, wichtig genug, um insbesondere
dieselbe dem Herrn in vielem Gebete zu empfehlen,
und Ihn zu bitten, daß Er Licht und Gnade gebe,
den Stand zu erkennen, zu welchem Er den Sohn
berufen hat, daß Er vor aller unzeitigen Rücksicht
behüte und Gnade verleihe, um das als gottgefällig
und gut Erkannte auch zu wählen und daran fest-
zuhalten. ‘„Zeige, o Herr, was Du erwählet hast!“’

O würde diese Aufgabe christlicher Väter in
ihrer Wichtigkeit und hohen Bedeutung recht begriffen
und mit dem gebührenden Ernste und nach christ-
lichen Grundsätzen vollführet, wie viel Leid und Un-
heil würde dann manchem Sohne und Vielen erspart
sein, wie viel mehr würden dann Alle den rechten,
von Gott gegebenen Beruf finden und antreten, um
den Segen davon an sich zu erfahren und über An-
dere zu verbreiten!

Wir haben noch ein Wort hinzuzufügen in Be-
treff eines besondern Falles der Standeswahl, wo es
sich nämlich um den ehelichen Stand, also um die
Unterbringung der Kinder durch Heirath handelt.
Wir haben hier, obwohl das zu Sagende nach Um-
ständen auch auf die Söhne Anwendung finden muß,
doch vorwiegend die Töchter im Auge.

Auch hier hat man leider nur zu oft so sehr
nur oder doch ganz vorherrschend die zeitlichen und
irdischen Verhältnisse im Auge, daß man, vollends,
wenn auf der andern Seite ein guter oder gar vor-
züglicher Besitzstand, ein reiches Einkommen, ein
namhaftes Vermögen vorliegt, oder wenn daselbst
ein gewisses Ansehen, Ehre, Amt und Würde besteht,
[136] kaum mehr nach den religiösen und sittlichen Verhält-
nissen der betreffenden Person fragt, ja in die Hei-
rath einwilligt, sie sogar auf alle Weise in's Werk
zu setzen sucht, selbst dann, wenn es feststeht, daß
z. B. der betreffende junge Mann sittlich ausschwei-
fend und übel berüchtigt ist, daß er sich aus Religion
und Kirche nicht viel, gar nichts mache, seine reli-
giösen Pflichten versäume, ja gradzu mit dem Glau-
ben und der h. Kirche gebrochen habe. Daher dann
auch nachher diese unglücklichen Ehen! Die Tochter
ist freilich in einen guten Besitz gekommen, sie ist
Frau in einem angesehenen Hause, die Gattin eines
wohlhabenden, vielleicht hochgestellten Mannes, sie
wohnt schön und vornehm, sie stellt in der mensch-
lichen Gesellschaft etwas vor; aber ihr Mann ist
leichtsinnig, ist ohne Religion und Tugend, giebt sich
seinen bösen Neigungen hin, hat auf die Dauer für
die Frau kein Herz, bereitet ihr Kummer und Gram;
die Frau schleppt in ihrem schönen Hause unter ihren
kostbaren Kleidern, in den Gesellschaften und Cirkeln
ein unbefriedigtes, leeres, vielleicht selbst gramerfülltes,
unglückliches Herz herum. Und wird sie unter solchen
Verhältnissen nicht auch selbst Gott und dem Höhern
entfremdet werden, ein Raub des Leichtsinns und der
Sünde? Und mit ihr dann auch die Kinder! Welche
Aussichten dann für die Ewigkeit?! Belege für das
Gesagte bietet die Gegenwart in reicher Zahl. Ja,
man hat es zu beklagen, daß selbst Eltern, denen
man sonst eine gute und gläubige Gesinnung nicht
absprechen kann, in diesem Punkte ganz ähnlich han-
deln; sie geben z. B. ihre gleichfalls braven Töchter
an junge Männer der oben geschilderten Art zur
Ehe hin. Freilich schmeicheln sie sich dabei vielleicht
[137] mit der Hoffnung, der gedachte Mann werde durch
den Einfluß ihrer braven Tochter zu bessern Gesin-
nungen und auf geordnetere Wege zurückgeführt wer-
den. Aber ach, wie leicht wird die Hoffnung zu
Schanden! Wie leicht wird die Tochter, anstatt den
Mann zu sich herüberzuziehen, vielmehr durch ihn
und durch die Einwirkungen, welche sie von dem
täglichen vertrauten Verkehre mit ihm erfährt, nach
und nach zu ihm hinübergezogen, um schließlich
sammt den Kindern mit ihm zu Grunde zu gehen.
Es ist unmöglich, daß ein einsichtiger und wahr-
haft christlicher
Vater seine Einwilligung zu
solcher Heirath gebe; und lägen auch im Uebrigen
die glänzendsten Bedingungen vor; er wird die Seele
und das wahre Glück seines Kindes nicht an solche
zeitliche Vortheile verschachern.

Zwei vortreffliche Väter.

[138]

a. Abraham.


Insbesondere die zuletzt verhandelten Punkte legen
es nahe, zweier vortrefflichen Väter Erwähnung zu
thun, welche die h. Geschichte uns vorführt. Zu-
nächst begegnet uns Abraham. Da er mitten unter
einem abgöttischen, sittenverderbten Volke wohnte, so
war es seine angelegentlichste Sorge, daß sein Sohn
Isaac nicht aus dessen Töchtern eine Frau erhalte,
damit er nicht selbst verdorben würde. Daher sendete
er (1. B. Mos. 24) den obersten seiner zahlreichen
Untergebenen, den treuen Elieser, daß er hinziehe in
sein Geburtsland und aus der Zahl der Töchter
seiner Verwandten, welche gläubig und wohlgesittet
waren, eine Frau für seinen Sohn herbeiführe. Und
wie ernst nahm er diese Sache! Mit einem Eide
mußte Elieser ihm versichern, daß er den Auftrag
im Sinne seines Herrn ausführen wolle: ‘„Leg deine
Hand auf's Herz,“’
sprach er zu ihm, ‘„auf daß ich
dich beschwöre durch den Herrn, den Gott Himmels
und der Erde, daß du eine Gattin für meinen Sohn
holest nicht von den Töchtern der Chananäer, unter
denen ich wohne, sondern in mein Vaterland und zu
meiner Verwandtschaft dich begebest und dorther eine
Gattin nehmest für meinen Sohn Isaac.“’
Und
Elieser führte den Auftrag seines Herrn in aller
Treue aus und führte Bathuels Tochter, die edle
Rebekka herbei. Gottes Segen ruhete auf dieser Ehe.

Ohne Zweifel gab es unter den ‘„Töchtern der
Chanaaniter“’
auch solche, welche sich durch Reichthum
[139] und Wohlhabenheit, durch Schönheit und andere Vor-
züge auszeichneten; leicht würde es dem Abraham
manche Vortheile und Annehmlichkeiten verschafft ha-
ben, wenn er durch eine eheliche Verbindung seines
Sohnes zu den Familien des Landes in näheres
Verhältniß getreten wäre; aber über Reichthum und
Ehre und sonstige Genüge galt ihm die Ehre seines
Herrn und das Seelenheil seines Sohnes; es
lag ihm über Alles daran, daß sein Sohn eine gottes-
fürchtige und sittenreine Gattin erhalte.

Wollte Gott, daß alle Väter in diesem Punkte
es also hielten! Wie viel glücklicher – für Zeit
und Ewigkeit – würden dann oft die Ehen ihrer
Kinder sein!

‘„Daß du eine Gattin für meinen Sohn holest
nicht von den Töchtern der Chanaanäer“’
– dieses
Wort Abrahams führt uns insbesondere auf einen
Punkt, welcher von der größten Bedeutung ist und
nicht schweigend übergangen werden darf; es betrifft
die sogenannten ‘„gemischten Ehen“’. Wir dür-
fen mit Zuversicht es aussprechen, daß in diesem
Punkte jeder wahrhaft christliche Vater es ganz
so halten und machen wird wie Abraham
:
Es wird sein fester, unerschütterlicher Grundsatz sein,
daß der Sohn eine katholische Gattin, die Tochter
einen katholischen Gatten erhalte und nimmer-
mehr sich vereheliche mit einer Person, welche sich zu
einem andern Glauben bekennt. Ja, es ist, sofern
anders der Vater ein wahrhaft christkatholischer Vater,
ist und sich mit Herz und Leben zu seinem h. Glau-
ben und zur h. Kirche bekennt, gradzu unmöglich,
gleichgültig dagegen zu sein, welchem Glaubensbe-
kenntnisse die angehören, mit welchen seine Kinder in
[140] das eheliche Verhältniß eintreten. Leider gestattet es
uns der Raum nicht, hier diesen wichtigen Gegen-
stand ausführlich zu behandeln; wir müssen uns auf
einige Andeutungen darüber beschränken.

Gewiß giebt es kein innigeres Verhältniß auf
Erden, als das Verhältniß zwischen Mann und Frau.
‘„Sie werden Zwei in Einem Fleische sein.“’ Wie
innig sollen demgemäß auch die Herzen der Eheleute
vereinigt sein! Wird das möglich sein, wenn in dem
Höchsten und Innersten des menschlichen Herzens, in
der religiösen Ueberzeugung und Gesinnung keine
Einheit, sondern Zwiespältigkeit besteht? Nie wird
daher auch in einer gemischten Ehe das volle ehe-
liche Glück
zu Stande kommen. Sind die beiden
Ehetheile gleichgültig gegen Religion und Glauben,
so wird freilich die Verschiedenheit der Confession an
sich nicht störend eingreifen; aber dann kann über-
haupt
von einem wahren ehelichen Glücke nicht Rede
sein; solches kann und wird auf die Dauer immer
nur da stattfinden, wo Religion und Glauben besteht.
Ist das aber der Fall, so wird die Verschiedenheit
der Confession bei Eheleuten stets mehr oder weniger
störend in das eheliche Glück eingreifen. So sehr
daher auch ein Vater, der sein Kind in eine gemischte
Ehe eintreten lasset, wegen der etwa dabei vorfind-
lichen günstigen Umstände das Wohl seines Kindes
zu fördern scheint, immer ist es – vollends auf die
Dauer – nur Schein. Man macht mit Recht
aufmerksam auf den Umstand, daß der akatholische
Ehetheil möglicher Weise früher oder später von
dem angeblichen Rechte der Ehescheidung Gebrauch
machend zu einer andern Ehe schreitet, was dem
[141] katholischen Theile nicht gestattet ist. Muß nicht durch
einen solchen Schritt der Letztere unglücklich werden?

Doch das ist nicht das größte Uebel bei gemisch-
ten Ehen. Bei denselben steht das Seelenheil des
katholischen Theiles, wie auch der Kinder in der be-
denklichsten Weise auf dem Spiele. Wie leicht mag
es geschehen, daß der katholische Theil in diesem fort-
gesetzten, täglichen und dabei so engen Verkehre mit
dem akatholischen Ehetheile an seiner vollen Gläu-
bigkeit, an dem ausgeprägt katholischen Geiste nach
und nach Schaden nehme, sich nach und nach an
Gleichgültigkeit und Lässigkeit in den Uebungen des
katholischen Lebens hingebe, zumal, wenn diese von
der andern Seite ungern gesehen, unzeitig oder gar
lächerlich gefunden werden! Wer die Armseligkeit
des menschlichen Herzens und die Schwäche des
Willens kennt, der kann unmöglich die Gefahr ver-
kennen, unter solchen Umständen selbst gegen Religion
und Glauben überhaupt gleichgültig zu werden, ja
davon abzufallen.

Und gehen selbst im günstigsten Falle bei solcher
Ehe dem katholischen Theile nicht alle jene Anregun-
gen und Förderungen des echt christlichen Lebens ab,
welche Eheleute, die beide treuen katholischen Sinn
tragen, in der Gemeinsamkeit ihres religiösen
Lebens so reichlich finden!

Aber wie bedenklich gestaltet sich erst die Sache,
wenn man bei solchen gemischten Ehen die Kinder
in's Auge faßt! Wir machen die Voraussetzung,
daß beim Antritte einer solchen Ehe die Vereinbarung
getroffen worden, daß die Kinder sämmtlich katholisch
werden sollen; – ohne eine solche Vereinbarung ist
dieselbe von vornherein unbedingt unzulässig und einer
[142] Verläugnung des Glaubens gleich, weshalb auch die
h. Kirche solche Ehen von vornherein verboten hat
und jede Betheiligung an ihrer Schließung entschieden
ablehnt. Aber bietet jene Vereinbarung, so feierlich
sie auch geschlossen und so aufrichtig auch die ent-
sprechende Zusage gewesen sein mag, nun auch wirk-
lich die Bürgschaft dafür, daß die Kinder zur Zeit
katholisch erzogen werden? Wie, wenn der protestan-
tische Theil, vielleicht von Verwandten, von Vorge-
setzten, oder auf eine sonstige Art beeinflußt, oder
von selbst seinem Versprechen untreu wird? Solche
Fälle sind gar nicht so selten. – Oder wenn Ver-
setzungen in rein protestantische Gegenden führen, wo
der katholische Theil für sich und Kinder weder einen
katholischen Geistlichen, noch Kirche, noch Schule fin-
det? – Oder, es stirbt der katholische Theil vor der
Zeit; nun sind die armen Kinder dem protestantischen
Theile gänzlich anheimgegeben; vielleicht schreitet dieser
noch überdies zu einer zweiten Ehe mit einer pro-
testantischen Person. Woher sollen nun die Kinder
– wenn man sie nicht gar nöthigt, protestantisch zu
werden – eine katholische Erziehung bekommen?

O wie traurig gestaltet sich meist das Loos der
Kinder in religiöser Beziehung in solchen gemischten
Ehen! Was für Kinder oft, welche aus ihnen her-
vorgehen! Und welche Wucht von Verantwortung
wälzt sich dadurch auf das Gewissen der Person,
welche durch ihren Leichtsinn die oft so traurigen
Folgen solcher Ehen herbeigeführt hat, – und vielleicht
noch mehr auf das Gewissen der Eltern, welche sol-
chem Leichtsinn nicht nach Pflicht entgegengetreten sind!

Aber auch selbst im günstigsten Falle, daß näm-
lich die katholische Erziehung der Kinder nicht auf
[143] Hindernisse stößt, wird dennoch dieselbe kaum je wahr-
haft und vollkommen gedeihlich von statten gehen.
Mehr als einmal haben wir es im Vorhergehendem
betont, daß, sofern die Erziehung in einer dem gött-
lichen Willen entsprechenden, wahrhaft gedeihlichen
Weise von statten gehen solle, Vater und Mutter
vereint
Hand an's Werk legen und in solcher
Bereinigung
ihre Kinder von früh an durch Wort
uns Beispiel in das wahre katholische Leben einführen
müssen. Selbst also unter der Voraussetzung, (welche
in solchen Ehen leider gar zu oft nicht stattfindet)
daß der katholische Ehetheil von einer entschiedenen
katholischen Gesinnung beseelt sei, wird von einer
solchen vollkommen gedeihlichen katholischen Erziehung
nicht Rede sein können. Das erziehende Element ist
ja nur zum Theil da; der eine, protestantische Ehe-
theil setzt seinen Theil in die katholische Erziehung
nicht ein; es bleibt also etwas fehlen.

Wie viel bleibt insbesondere fehlen, wenn das
katholisch zu erziehende Kind eine nichtkatholische
Mutter hat, und also in den Jahren, wo sein ganzes
Wesen Richtung nimmt, auf deren Einfluß fast allein
angewiesen ist. Wird sie, die Protestantin, ihm jenen
katholischen Geist und Sinn einhauchen, es in das
rechte katholische Leben einführen können? Und wenn
in der Erziehung der Kinder das Beispiel der Eltern
so fast das Meiste thun muß, welch ein Schaden für
das Kind, wenn ihm grad in dem wichtigsten Punkte,
im Glauben und religiösen Leben, das Beispiel we-
nigstens von der einen Seite fehlt! Welche bedenk-
liche Eingriffe in die Zuversicht des Glaubens und
in die religiöse Ueberzeugung des Kindes macht leicht
fortwährend der Gedanke, daß der Vater oder die
[144] Mutter diese Ueberzeugung nicht theilt, und das,
was dem katholischen Herzen ehrwürdig und theuer
ist, vielleicht für Wahn und Aberglauben hält.

O nein, eine entschiedene, allseitige und vollends
innige katholische Heranbildung des Kindes gehört in
gemischten Ehen so fast zu den unmöglichen Dingen.
Und so bleibt dem Kinde vorenthalten, was für das
Heil seiner Seele von der allergrößten Bedeutung ist.

Von welcher Seite man daher auch gemischte
Ehen betrachten möge, so erscheinen sie fast immer
als ein Uebel; Fälle, wo sie nicht als solche erschei-
nen, gehören, wenn sie überhaupt denkbar sind, sicher
zu den allerseltensten.

Man berufe sich nicht darauf, daß doch die Kirche
in gewissen Fällen und unter gewissen Bedingungen
solche Ehen gestatte. Sie mißbilligt dieselben
grundsätzlich überhaupt; und wenn sie in einzelnen
Fällen sie nicht gradzu verhindert und in gewisser
Hinsicht gestattet, so thut sie es gewissermaßen mit
schwerem Herzen, nur um größere Uebel zu ver-
hüten; für ein Uebel hält sie aber solche Ehen.

Es liegt ja auch in der Natur der Sache. Oder
sollte sich wohl eine Person, welche von echt katho-
lischem Geiste beseelt ist und gute katholische Gesin-
nung trägt, dazu verstehen, in das eheliche Verhältniß
einzutreten mit einer Person, welche in dem, was
ihr als das Höchste gilt, nicht übereinstimmt? O
nein, das rechte katholische Herz sträubt sich
dagegen. Findet aber eine Person einen solchen An-
stand dagegen nicht in sich, so ist das leider ein
Zeichen, daß sie in Betreff ihrer religiösen Gesinnung
bereits entartet ist. In der gemischten Ehe aber wird
solche Entartung dann nur noch weiter um sich greifen.

[145]

Eben daher wird dann auch ein wahrhaft christ-
licher Vater solche Ehen mißbilligen und nie die
Hand dazu leihen, daß seine Kinder in dieselben ein-
gehen, vielmehr es für h. Pflicht halten, um jeden
Preis dieselben zu verhindern.

b. Tobias.


Dem großen Patriarchen Abraham steht schön
zur Seite der hochehrwürdige Tobias. Als er in
der assyrischen Gefangenschaft in die Nothwendigkeit
versetzt war, seinen Sohn, den jüngeren Tobias, aus
der Obhut des väterlichen Hauses zu entlassen und
gen Rages im fernen Mederlande zum Gabelus zu
senden, wie groß war da seine Sorgfalt, für den-
selben einen zuverlässigen Führer zu schaffen, dem
er ihn anvertrauen könnte und der ihm rathend und
schützend zur Seite ginge! ‘„Gehe hin,“’ sprach er
zum Sohne, (Buch Tobias 5. Cap.) ‘„suche einen
zuverlässigen Mann, daß er mit dir gehe.“’

Tobias war ein Mann des Gebetes; so betete er
ohne Zweifel, während der Sohn ging, daß der Herr
einen guten Führer vermitteln möge. Wir wissen,
wie der Herr den Engel Raphael entsendete, auf daß
er dem Sohne seines treuen Dieners ein Führer sei.
Als derselbe in der Gestalt eines vortrefflichen Jüng-
lings zu ihm trat, sprach Tobias: ‘„Wirst du mei-
nen Sohn zu Gabelus in Rages führen können?
Nach der Rückkehr werde ich deinen Lohn dir geben.“’

Dann entließ er die Abreisenden und sprach: ‘„So
wandelt nun wohl; und Gott sei auf eurer Reise
mit euch und sein Engel begleite euch!“’
Und als
nach der Abreise die Mutter weinte und klagte, trö-
stete er sie mit den weissagenden Worten: ‘„Weine
[146] nicht; wohlbehalten wird unser Sohn anlangen und
wohlbehalten zu uns heimkehren und unsere Augen
werden ihn sehen; denn ich glaube, daß ein Engel
Gottes ihm das Geleite giebt und Alles wohl ordnen
werde, was ihn betrifft, so daß er mit Freude zu
uns zurückkehren wird.“’
Wir wissen, wie überreich
diese Hoffnung erfüllt wurde.

Diese schöne Geschichte zeigt zugleich, wie Gott
selbst sich der Kinder wahrhaft gottesfürchtiger Eltern,
denen das Heil ihrer Kinder aufrichtig am Herzen
liegt und die Ihm dieselben daher in vielem Gebete
empfehlen, in Gnaden annimmt, besonders, wenn sie
dieselben von sich entlassen müssen. Der Herr ist
heut, wie damals, ewig derselbe. Wenn daher ein
Vater (eine Mutter) da, wo das Kind aus dem
Hause entlassen werden muß, selbst sorgfältig be-
mühet ist, für die Sicherstellung desselben nach Kräf-
ten zu wirken und fernerhin nicht abläßt, dem Herrn
sein Kind im Gebete zu empfehlen, so wird der Herr
sich eines solchen Kindes wenn auch nicht so wun-
derbar, doch nicht weniger gnädig annehmen, wie des
Tobias. ‘„Er hat Seinen Engeln deinetwegen be-
fohlen, daß sie auf allen deinen Wegen dich beschützen,
daß sie auf Händen dich tragen, damit du nicht etwa
an einem Steine dich verletzest.“’

Indem wir diesen vortrefflichen Vater erwähnen,
der in allen Beziehungen als das schönste Muster
eines Mannes und Familienvaters erscheint, (wes-
halb wir die unter den Büchern der h. Schrift be-
findliche unaussprechlich anziehende Darstellung seines
Lebens besonders den Vätern auf's Angelegentlichste
zur Lesung empfehlen) so können wir es uns nicht
versagen, das 4. Kapitel dieser seiner Geschichte her-
[147] zusetzen. Es enthält jene schönen Ermahnungen,
welche Tobias seinem Sohne gab, als er glaubte,
das Ende seines Lebens sei herangekommen: ‘„Höre,
mein Sohn, die Worte meines Mundes, und lege
sie wie eine Grundfeste in dein Herz. Wenn Gott
meine Seele aufgenommen hat, so begrabe meinen
Leib: und halte deine Mutter in Ehren alle Tage
deines Lebens: denn du sollst gedenken, was und wie
große Gefahren sie ausgestanden um deinetwillen in
ihrem Leibe. Wenn aber auch sie die Zeit ihres
Lebens vollendet hat, so begrabe sie neben mir. Und
alle Tage deines Lebens habe Gott in deinem Herzen,
und hüte dich, je in eine Sünde zu willigen, und
die Gebote des Herrn unseres Gottes außer Acht zu
lassen. Gib Almosen von deinem Vermögen, und
wende von keinem Armen dein Angesicht ab: denn
also wird geschehen, daß des Herrn Angesicht auch
von dir nicht abgewandt werde. Wie du es kannst,
also sei barmherzig. Wenn du viel hast, gib reichlich:
wenn du wenig hast, suche auch das Wenige gern
zu geben. Denn einen guten Lohn sammelst du dir
auf den Tag der Noth; weil das Almosen von jeg-
licher Sünde und vom Tode erlös't, und die Seele
in die Finsterniß nicht kommen läßt. Almosen gibt
großes Vertrauen vor dem höchsten Gott Allen, die
es geben. Hüte dich, mein Sohn, vor aller Unkeusch-
heit, begnüge dich mit deinem Weibe, und laß übri-
gens nie etwas Lasterhaftes von dir hören. Laß die
Hoffart niemals in deinem Sinne oder in deinen
Worten herrschen, denn alles Verderben hat in der-
selben seinen Anfang genommen. Wer dir etwas
arbeitet, dem gib alsbald seinen Lohn, und laß ja
deines Taglöhners Lohn nicht bei dir bleiben. Sieh,
[148] daß du niemals einem Andern thust, was du nicht
willst, daß dir von einem Andern widerfahre. Iß
dein Brod mit den Hungrigen und Dürstigen, und be-
decke mit deinen Kleidern die Nackenden. Setze dein
Brod und deinen Wein auf das Begräbniß des Ge-
rechten, aber iß und trink nicht davon mit den Sün-
dern. Suche allzeit Rath bei einem Weisen. Lobe
Gott zu aller Zeit, und bitte ihn, daß er deine Wege
leite, und daß alle deine Anschläge in ihm verbleiben.’

Fürchte dich nicht, mein Sohn, wir führen zwar
ein armes Leben, aber wir werden viel Gutes erhalten,
wenn wir Gott fürchten, und alle Sünden meiden,
und Gutes thun.“

Ein Vater aus dem Münsterlande.

[149]

Im ersten Jahrgange des Missionsblattes (1852)
wurde eine Reihe interessanter Mittheilungen gebracht
unter dem Titel: ‘„Der rothe Bauer.“’ Gegenstand
derselben war ein durch und durch vortrefflicher
Bauersmann im Münsterlande, dem der rothe Rock,
womit er an den hohen Festen des Jahres nach alter
Landessitte in der Stadt und in der Kirche erschien,
bei der jüngeren Generation den Titel ‘„der rothe
Bauer“’
eingebracht hatte. Hören wir von dem vielen
Schönen und Guten, was in den oben genannten
Mittheilungen der Sohn desselben, ein Geistlicher,
von seinem vortrefflichen Vater erzählt, hier das, was
über ihn als Vater gesagt wurde.

‘„Er war ein guter Pädagog (Erzieher), obschon
er nur seinem gesunden Menschenverstande folgte und
niemals in seinem Leben pädagogische Schriften ge-
lesen hatte.’
Ich besaß ein sehr aufgeregtes Tempera-
ment, ließ mich von jeder Gemüthsaffektion leiten und
hinreißen. Mein Vater aber verstand es, meiner
Lebhaftigkeit einen Zaum anzulegen und mich durch
verschiedene Verdemüthigungen zu besänftigen. Wenn
ich mit einem Knechte oder einem von meinen drei
Brüdern im Streite lag, so mußte ich zuerst die Hand
der Versöhnung anbieten, wenn ich mich nicht seinem
Unwillen, den ich über Alles fürchtete, aussetzen wollte.
War ich unwillig über irgend etwas und wollte ich
dann weder essen noch reden, so hatten alle Unsrigen
den strengen Befehl, sich darum nichts zu kümmern.
Keiner durfte fragen, was mir fehle; keiner durfte mich
[150] zum Essen anhalten, sondern man mußte mich ganz
ruhig gewähren lassen und sich durchaus nicht um mich
kümmern. Gerade dies aber war für mich eine uner-
trägliche Strafe und gar bald fing ich es dann zu be-
reuen an, mich böse und unzufrieden gezeigt zu haben.

Körperliche Züchtigung brachte er fast nie zur
Anwendung; er strafte mich so viel möglich, durch
mich selbst, indem er z. B. denselben Fehler mir ge-
genüber äußerte, wodurch ich ihn beleidiget hatte. Einst
saß ich, am Feuer, als er vom Felde heimkam; man
hatte grad zum ersten Male ein Fohlen vorgespannt,
um es zu gewöhnen. Mein Vater meinte, ich würde
große Lust haben, die Bezähmung des muthigen Thie-
res anzusehen, und daher lud er mich ein, mit ihm
hinzugehen. Ich aber war übler Laune, weil unsere
Mutter mir nur ein sehr kleines Stück Weißbrod
zum Butterbrod gegeben hatte. Ich antwortete also,
ich hätte sehr wenig Lust zum Ausgehen und zöge
vor, am Heerde sitzen zu bleiben. Der Vater merkte
meinen Eigensinn und erwiederte: ‘„Wenn du keine
Lust hast, mich zu begleiten, so bleibe ja daheim!“’

Nachdem ich am Morgen, bald nachdem der Vater wie-
der zum Acker gegangen war, für mein Zurückbleiben
beim Feuer dadurch bestraft war, daß mir aus dem
am Feuer stehenden Kessel heißes Wasser auf die Füße
gerieth, wollte ich am Nachmittage gerne hinaus, und
ich bat den Vater, der in der Küche mit dem Rei-
nigen des Saatkorns beschäftigt war, er möchte mit
mir zum Garten gehen, um von dem hohen Birn-
baume einige Birnen herunter zu werfen. Er aber
sprach: ‘„Ich könnte freilich noch wohl so viel Zeit
erübrigen. Indeß habe ich gerade gar keine Lust, hin-
auszugehen, wie du diesen Morgen auch mich nicht
[151] begleiten wolltest.“’
So machte er mir den Eigen-
sinn recht verächtlich.

Ein anderes Mal war ich auf der Diele in un-
serer Kornscheuer recht lustig am Spielen. Da kam
der Vater mit den Schlüsseln, um die großen Flügel-
thüren wieder zu verschließen. Ich aber wollte noch
nicht hinaus und bat mit Thränen, er möge wieder
zurückgehen und mich noch nicht in meinem Spiele
stören. Er aber legte mir die Gründe vor, warum
er gerade jetzt die Thüren verschließen wolle, und lud
mich nochmals ein, herauszukommen. Die Gründe
wollte ich jedoch nicht respektiren und wiederholte mein
Geschrei. Was that er? Er machte die Thüren wacker
zu und ließ mich bis Abend ohne Speise und Trank
sitzen. Das war mir anfangs nicht unangenehm und ich
setzte mein Spiel fort. Aber nach einer Stunde, als
man die kleine Glocke auf dem Dache des Wohnhauses
zum Vesperbrode zog und mich auch das Brausen
des Windes schreckte, wurde ich sehr unruhig und ver-
suchte, hinauszukommen. Aber trotz aller Kraft-An-
strengung konnte ich die schweren Thüren kaum in
Bewegung setzen, geschweige öffnen; mein Weinen
verscheuchte blos eine große Eule, die mit lautem
Geschrei unter den Dachziegeln davon flog; kein
Mensch kümmerte sich um den kleinen Gefangenen.
Schon neigte sich der Tag und noch kein Retter er-
schien. Meine Reue aus Angst und Schrecken erreichte
den höchsten Grad. Da lernte ich das erste Mal in
meinem Leben recht herzlich zu beten. Ich legte
mich auf meine Knie und rezitirte alle Gebete, die
ich konnte. Endlich erschien der Vater und öffnete
die Thüre. Er schwieg, während ich ihm versprach,
nie wieder seinem Willen entgegen sein zu wollen.

[152]

Es war überhaupt seine Weise, selten zu tadeln und
selten positive Strafen und Züchtigungen anzuwen-
den; er strafte mich durch mich selbst. In den langen
Winterabenden hielt er mit uns eine Art Abendschule,
welche auch die jüngern Dienstboten besuchten. Ein-
mal zeigte ich keine Lust, auf die Stube zu gehen,
um da zu lernen, und erklärte offen, ich zöge vor,
bei den Knechten auf der Diele zu bleiben, wo ich
Rüben für das Vieh zerschneiden half. Meine beiden
Schwestern aber folgten mit großem Vergnügen dem
Vater. Nach einer Weile hörte ich auf der Stube
singen. Der Vater lehrte das Lied: ‘„Prinz Euge-
nius, der edle Ritter ꝛc.“’
Nun warf ich mein Messer
bei Seite, griff zu meinem Schreibzeuge und wollte
hinauf. Aber ich fand die Thüre verschlossen und
konnte an der lauten Freude der Uebrigen nicht Theil
nehmen. Traurig nahm ich Platz auf der Stuben-
treppe und bereuete meinen Fehler. Als aber endlich
die Andern herunterkamen und mir ihr schönes Bil-
derbuch zeigten, welches der Vater am Nachmittage
aus der Stadt mitgebracht und ihnen für ihre Lust
am Lernen geschenkt hatte, da hätte ich vor Reue ver-
gehen mögen. So war mein Eigenwille ohne Stock
und Ruthe abermals hart bestraft.

Wie er meine Fehler nicht ungeahndet ließ, so
verstand er es auch, mich angemessen zu belohnen,
wenn ich es verdient hatte. Hatte ich mich mehrere
Tage hindurch durch Folgsamkeit und Fleiß ausge-
zeichnet, so wurde ich, und zwar ohne daß er es mir
sagte, wofür ich den Lohn empfing, von ihm beson-
ders mit Aufmerksamkeit und Freundlichkeit behandelt.
Das war uns überhaupt die süßeste Belohnung, zu
wissen, daß der Vater mit uns zufrieden sei und an
[153] uns Freude habe. In den Mittagsstunden oder am
Abende machte er uns mit großer Geschicklichkeit
allerlei Spielsachen. Bald verfertigte er uns einen
kleinen Karren oder Wagen und Geschirr, um den
kräftigen Hund davor spannen zu können; bald zog
er uns Saiten über einen Holzschuh, um darauf
Violine spielen zu können. Meinen Schwestern machte
er Nähkistchen, Nadelköcher und Wiegen für ihre
Puppen. Während der Arbeit hielten wir uns dann
zu ihm und hielten die Bretter zum Sägen oder
Bohren fest, oder wir gaben auch unser Votum (Gut-
achten) über die zweckmäßige Einrichtung der Spiel-
sachen ab. Dabei gab er uns mit der größten Freund-
lichkeit und Bereitwilligkeit auf unsere unzähligen
Fragen Antwort.

Hatten wir alle drei seine Aufmerksamkeit verdient,
so durften wir auch alle drei bei der Anfertigung
der Spielsachen und Geräthschaften zugegen sein.
Wer aber seine Unzufriedenheit sich zugezogen hatte,
der erhielt den Befehl, zurück zu bleiben und anderswo
eine Arbeit zu verrichten. Wenn wir uns aber alle
drei irgendwie verfehlt hatten, so ruhete gleich die zu
unserm Vergnügen angefangene Arbeit; er that dann
sehr kalt gegen uns, würdigte uns kaum eines Blickes
und er schien dann sich um uns gar nicht zu be-
kümmern. Es schwebt mir jetzt nach dreißig Jahren
noch sehr lebhaft vor der Seele, wie glücklich wir
uns fühlten, wenn wir seiner Zufriedenheit uns er-
freueten, wie wehe es uns aber that, wenn er uns
wegen eines Fehlers aus dem Herzen gestoßen zu
haben schien.

Von unsern Leistungen in der Schule mußten wir
jeden Sonntag Nachmittag durch Vorzeigen unserer
[154] Hefte Rechnung ablegen. Erschienen Lehrer und
Lehrerinnen zum Besuche auf unserm Hofe, so muß-
ten wir ihnen mit großer Freundlichkeit entgegen
gehen und sie ehrerbietig einholen und gleich mit auf
die Stube gehen, wo ein recht strenges Examen über
Sitten und Leistungen abgehalten wurde. Erst dar-
nach durften wir uns entfernen. Eben weil unsere
Eltern eine große Liebe und Achtung gegen Lehrer
und Lehrerinnen bewiesen, erschienen diese uns doppelt
ehrwürdig.

Als ich später auf dem Gymnasium studirte, setzte
der Vater dieselbe strenge Controle fort. Wenn ich
in den Ferien zu Hause kam, wurde mir, ehe mir
ein Stuhl angeboten und mein Gepäck abgenommen
wurde, die Frage gestellt: Nun, wo ist dein Paß?
Laß sehen, wie es auf demselben aussieht? Ich zog
dann die Censur (d. i. Zeugniß) hervor, die er mit
großem Ernste musterte und mit der vorhergehenden,
von der er sich die Abschrift aufbewahrt hatte, ver-
glich. Waren die Prädikate zu seiner Zufriedenheit,
so war er ungemein froh und aufgeräumt. Einmal
kam ich mit schwerem Herzen heim, weil die Censur
also anfing: ‘„Betragen: gut; der Schüler ist aber
einmal wegen eines Vergehens bestraft.“’
Mit zit-
ternder Hand reichte ich sie meinem strengen Richter
dar; denn ich fürchtete, wieder zurückgewiesen zu wer-
den. Glücklicher Weise aber verlas er sich; er las
statt ‘„Vergehens“’ Versehens, in welchem Worte er
eine Entschuldigung für den begangenen Fehler zu
finden glaubte, und daher kam ich noch ziemlich glück-
lich davon. – Meine Lehrer hatten mir längst meine
Ehrfurcht vor meinem Vater abgemerkt, und wußten
dieselbe sehr gut zu meinem Wohle dadurch zu be-
[155] nutzen, daß sie mir mit Anzeigen droheten, wenn ich
im Fleiß nachließe oder sonst einen Fehler beging.
Alle andern Strafen waren mir in Vergleich mit
dieser Drohung gar nicht empfindlich. Auch nach
dem Tode meines Vaters hielt mich diese Ehrfurcht
oft aufrecht in Gefahren zur Sünde, indem ich be-
dachte, daß mein Vater im Himmel um mein Be-
tragen wisse.

Des Vaters liebste Erholung war das Spiel mit
uns Kindern in den Mittags- und Abendstunden.
Nürnberger Spielsachen waren uns unbekannt, aber
wir hatten so gut unser hölzernes Pferd, unsern
Wagen, unser Schaukelkissen, unsern Bogen, unsern
Schmetterlingsfänger, als die Stadtkinder. In der
Anfertigung und Gebrauchs-Anweisung dieser Dinge
bestand für ihn eine süße Erholung. An allen Sonn-
tag-Nachmittagen, wenn das Wetter günstig war,
gingen wir mit ihm und der Mutter spazieren durch
den Busch und die Kornfelder. Das nannten wir
Rundgehen. Wie unser mit rothem Halsband ge-
ziertes Küchenhündchen schwebten wir leichten Schrit-
tes hin und wieder, während unsere Eltern bedacht-
sam uns folgten und ihre Freude daran hatten,
unsere tausend Fragen zu beantworten. Dann wur-
den wir aufmerksam gemacht, nicht bloß auf Blumen
und Vögel zu achten, sondern auch Gottes Güte und
Liebe in den wogenden Saaten zu betrachten. Vater,
fragte ich einst beim Spaziergange, warum läßt der
liebe Gott doch den Halm so dünn, daß er kaum die
schwere Aehre tragen kann? Er antwortete: Siehst
du da nicht das Vögelchen? Siehe nur, es will
aus der Aehre Körner picken, aber wenn es sich an
dem Halme halten will, geht dieser nach unten und
[156] seine Schadlust wird vereitelt. Ja, ja, nun sehe ich
es, daß Gott es weise eingerichtet hat. Der Boh-
nenstrauch aber darf dicker sein, weil die Vögel diese
Frucht nicht verschlucken können, erwiederte ich.

In ähnlicher Weise lernte ich von ihm, Gottes
Weisheit an den Knoten des Halmes, an der Be-
deckung der Körner in den Aehren und an tausend
andern Beispielen der Natur bewundern. Das machte
mir sichtbare Freude, die er mir durch folgendes Ge-
spräch recht zum Bewußtsein brachte. Sag mir, mein
Kind, sprach er, warum bist du so froh? Ich ant-
wortete: ‘„Es ist ja so schönes Wetter, deß freuen sich
die Vögelein, und ich sollte nicht froh sein? Wir
werden eine gute Ernte und zu essen haben und auch
den Armen mittheilen können. Darauf freue ich mich
schon jetzt. An jeder Blume, an jedem Halme, an
jeder Aehre glänzet die Güte und Weisheit Gottes,
wie du mich lehrtest. Das zu wissen, macht mir
Freude. – Vater, wenn's hier schon so schön ist,
wie viel schöner muß es im Himmel sein!“’

Als wir unter solchen Gesprächen an das Ende
des Kampes (eingehägtes Ackerstück) gekommen waren,
wo ein dicker Baumstamm lag, setzten wir uns da-
rauf und Vater lehrte mich das Gebet: ‘„Dir dienen,
Gott, ist Seligkeit. – So leben, wie es dir gefällt,
– Bringt größere Zufriedenheit, – Als alles Geld
und Gut der Welt!“’

War nachher, nachdem die übliche Hausandacht
vollendet war, noch Zeit und Muße übrig, so wurde
auf dem Hofe ein allgemeines Spiel, woran Groß
und Klein Theil nahm, gewöhnlich Ballspiel, ange-
ordnet. Auf des Vaters Commando: ‘„Genug für
heute!“’
hatte Alles ein Ende.

[157]

Den vergnügtesten Abend brachte uns der Oster-
tag mit seinem Osterfeuer. Das Holz, Dornen und
Stroh wurde in den Zwischenstunden der letzten vier-
zehn Tage mit großem Fleiß und Eifer zusammen-
getragen und hoch aufgethürmt, damit man nach des
Vaters willen am Ostersonntage keine Arbeit mehr
damit habe. Sobald dann am Festtage die Oster-
eier verzehrt waren, brachen wir auf. Der Vater
nahm Gebet- und Gesangbuch, ich gewöhnlich den
Holzschuh mit Feuer, der Baumeister die Forke, der
Dieljunge kam gewöhnlich schwitzend mit einer aus-
gerissenen Bohnenstange nachgetrabt. Der wollte
auch das Seinige beitragen, daß unser Feuer recht
hoch brenne und seine Genossen an den nachfolgen-
den Tagen auf dem Schulwege darüber nicht spotten
könnten. Sobald die knisternde Flamme aufloderte,
ordnete der Vater die Kreisprozession an; er selbst
ging vorauf und stimmte das Lied: ‘„Christus ist auf-
erstanden“’
an und sonstige allgemein bekannte Oster-
lieder. Du hättest diese Feier mitmachen müssen,
lieber Leser! um dir eine Vorstellung von unserer
Freude und Erbauung machen zu können. Ich darf
versichern, daß ich später noch nie Ostern erlebt habe,
ohne recht lebhaft an diese Osterfreuden meiner Ju-
gend zurückzudenken und zu wünschen, noch einmal
wieder daran Theil nehmen zu können.

So sehr übrigens der Vater für angemessene Er-
holungen und Vergnügungen war, da er wohl wußte,
daß der Mensch ihrer bedürfte, und so sehr er daher
auch darauf bedacht war und es verstand, den Sei-
nigen auf die schönste Weise Erholungen und Er-
heiterungen zu bereiten, so war er doch nie ein Freund
von gewissen Lustbarkeiten, wie sie zur Zeit auf
[158] Tanzböden, bei Hochzeiten oder in den Fastnachts-
tagen im Schwunge waren. Dennoch, obwohl er
der Ansicht war, daß auch die besten Tanzlustbarkei-
ten nicht viel taugen, trat er nicht unbesonnen und
heftig dagegen auf; vielmehr suchte er zuvor, so viel
an ihm war, die größte Gefahr derselben zu heben,
um nach und nach ganz abzubrechen.“

Hören wir schließlich, wie es mit dem religiösen
Leben des vortrefflichen Vaters stand. Also berichtet
der priesterliche Sohn:

„In seiner Schlafstube stand ein weiß gescheuerter
Tisch mit einem großen Crucifixe, das er selbst aus
Kevelaer mitgebracht hatte. Ein Kniebänkchen oder Bet-
schemel stand nicht vor dem Tische, sondern er warf
sich mit den Knieen auf den steinernen Fußboden. Hier
betete er jeden Abend mit müden Gliedern, nachdem
er schon zuvor mit der ganzen Haushaltung das all-
gemeine Abendgebet in der Küche verrichtet hatte,
wenigstens eine starke Viertelstunde. Was seine Für-
bitte für Andere betrifft, so verdient bemerkt zu wer-
den, daß er immer ein besonderes Gebet für unsere
Gemeinde sprach, die ihm so sehr am Herzen lag.
Im Uebrigen war seine Betweise, wie er selbst, ganz
natürlich und ungekünstelt, und er war dabei so in
Andacht versunken, daß ihn dabei nichts stören konnte.
Seine Schlafstube hatte er mit den Bildern geziert,
die er zum Andenken von frühern Pfarrgeistlichen
erhalten hatte; jeder der fünf Pfarrer, welche er über-
lebte, hatte ihm einen werthvollen Kupferstich zum
Andenken gegeben. Auch daneben ein Weihwasser-
beckchen fehlte nicht; zwei sehr alte, vielgebrauchte,
aber gut erhaltene Rosenkränze, von denen er be-
hauptete, sie seien gegen hundert Jahre alt.
[159]

An allen Vier-Hochzeiten wie auch an den da-
zwischen fallenden Muttergottesfesten ging er zu den
h. Sakramenten, so daß er es nie über sechs Wochen
kommen ließ. Dazu bereitete er sich nicht allein durch
Gebet recht ernstlich vor, sondern er hatte die Ge-
wohnheit, dann jedesmal ein besonderes, recht reich-
liches Almosen an eine dürftige Familie auszutheilen
oder auch dem Pfarrer zur Austheilung einzuhän-
digen. Wallfahrten machte er jährlich zwei, die eine
nach dem h. Kreuze in Coesfeld, die andere nach Keve-
laer. Leuten, die auf Wallfahrten nicht halten, pflegte
er zu sagen: ‘„Ich bin ganz deiner Meinung, daß
man sich auch hier sehr wohl beten könnte, aber,
wenn man hier bleibt, geschieht es nicht! In mei-
ner Jugend habe ich Andern auch wohl das dumme
Sprichwort nachgesprochen: Menschen, die hier nicht
arbeiten wollen, gehen nach Holland zur Arbeit, und
Leute, die hier nicht beten wollen, gehen nach Keve-
laer zum Gebete. Als ich aber nur einmal an die-
sem Gnadenorte gewesen war, schämte ich mich, so
beschränkt gewesen zu sein, gegen eine so h. Uebung
je ein Wort gesprochen zu haben.“’
– Daß in neuerer
Zeit die Gläubigen wieder Geschmack und Lust an
dieser Religionsübung zeigten, war ihm eine ganz
besondere Freude, und er wußte sehr wohl die Quelle
dieser erfreulichen Erscheinung aufzufinden, da er, so
oft darauf die Rede kam, sagte: ‘„Clemens August
hat uns wieder wach gemacht!“’
*)

[160]

Der Vater in seinem Gebete.

[161]

Unmöglich können wir unsere Erörterungen für
den ‘„christlichen Vater“’ schließen, ohne der Gebets-
thätigkeit, welche der Vaterberuf mit sich führt, Er-
wähnung zu thun; sie darf, ja sie kann in der Reihe
der Bestrebungen, welche dem Vaterberufe entsprechen,
nicht fehlen; der Vater darf eben nur ein wahrhaft
christlicher Vater sein, um durch seinen väterlichen
Beruf zum Gebete angeregt zu werden.*)

[162]

Dürfen wir nun die Voraussetzung machen, daß
unserm oben ausgesprochenen Wunsche gemäß unser
Büchlein ‘„die christliche Mutter“’ auch von den Vä-
tern werde gelesen werde, so könnten wir hier einfach
darauf verweisen, was dort über diesen Punkt gesagt
ist (die christliche Mutter im Gebete S. 116); denn
ganz dasselbe gilt im Wesentlichen auch für den Vater.
Aber da diese Voraussetzung leicht nicht allgemeine
Erfüllung findet und es doch so wichtig ist, daß auch
die Väter diesen Punkt beherzigen, so glaubten wir
es nicht unterlassen zu dürfen, auch hier, wenn auch
nur in aller Kürze, ein Wort darüber zu sagen.

Wer die Aufgabe des väterlichen Berufes nur
halbwegs zu würdigen versteht, der wird gestehen, daß
sie eine schwere sei und ohne einen besondern Bei-
stand von oben nicht zu lösen sei. Dieses Beistandes
bedarf's für den Vater, damit er es verstehe, seine
Kinder gut zu erziehen, für die Kinder aber, damit
das, was er an ihnen thut, Erfolg habe und fruchte.
[163] Solcher Beistand aber von oben muß erflehet werden;
der Vater muß beten.

Er muß beten für sich, daß der Herr ihm
beistehe, um seinen Kindern ein guter Vater zu sein.
Wie nachdrücklich legt's dem Vater sein Vaterberuf
an's Herz, zum Herrn zu flehen um die Gnade
eines wahrhaft christlichen Lebens, um die Gnade,
diese oder jene Sünde zu meiden, um die Gnade, seine
christlichen Pflichten zu erfüllen, da ja das alles eine
nothwendige Vorbedingung für das Gelingen der Er-
ziehung ist! Dann hat auch er, wie die Mutter,
Gott zu bitten um die rechte Einsicht, um die Gabe
des Rathes, damit er in den oft schwierigen Fällen,
welche im Werke der Erziehung begegnen, das Rechte
treffe und insbesondere erkenne, wie er jedes seiner
Kinder nach der besondern Beschaffenheit, nach seinen
Fähigkeiten, nach seinen guten oder bösen Eigenschaften
behandeln müsse; er hat zu flehen um die Gnade der
rechten, übernatürlichen, erleuchteten Liebe zu seinen Kin-
dern und der Ausdauer in den Opfern und Beschwer-
den der Erziehung. Und wo wäre ein Vater, welcher
die hohe Bedeutung und die Schwierigkeiten der guten
Erziehung zu würdigen versteht, und sich nicht angeregt
fände, um Hülfe und Beistand zu Gott zu flehen?

Er muß beten für seine Kinder. Je auf-
richtiger er sie liebt, je mehr er wünscht, sie zum
wahren Heile und daher zu einem echt christlichen
Leben zu führen, desto mehr und inständiger wird er
für sie beten. Denn was immer und so viel er auch
an seinen Kindern und für sie thun mag, nie ver-
gisset er, daß es dennoch nur dann recht fruchten und
gedeihen werde, wenn der Herr in Seiner Gnade mit
Hand an's Werk legt. Darum flehet er also zu Ihm,
[164] immer von Neuem. Ja, wäre es wohl möglich, daß
ein rechter Vater überhaupt – sei es am Morgen,
am Abende, bei der h. Communion oder wo immer
– betete, ohne seiner Kinder zu gedenken?

Was er an seinen Kindern und für sie thut, das
empfiehlt er im Gebete der Hülfe der göttlichen Gnade.
Er betet, daß der Herr sie in der Gnade bewahre, daß
Er sie vor schwerer Sünde behüte, daß Er sie von
ihren Fehlern befreie; daß Er die christlichen Tugenden
in ihnen gedeihen lasse, daß Er sie zum Heile führe.

Auch der christliche Vater begleitet gern, gleichwie
die Mutter, mit seinem Gebete das Kind, wenn es
zur h. Beicht, zur h. Communion geht; vollends,
wenn es das elterliche Haus verlässet und in die
Fremde zieht. Wie groß sind leicht die Gefahren,
denen der Sohn, die Tochter da draußen ausgesetzt
sind; um so inständiger steigt täglich das Gebet des
Vaters um Schutz und Gnade für sie zum Himmel.
– Oder es handelt sich um die Standeswahl; welch
ein dringender Anlaß, oft für den Sohn, die Tochter
zu beten, daß eine gute Wahl getroffen werde! Oder
es treten gewisse Unarten und Fehler an den Kindern
hervor; der Sohn, die Tochter ist entartet, auf Irr-
wege gerathen; des Vaters Einwirkung, seine Ermah-
nungen, seine Warnungen, seine Strafen – Alles
vergebens. Das Vaterherz blutet, ohne helfen zu
können. Aber es bleibt die Zuflucht zum Herrn,
zum Gebete. Der Vater betet, flehet für sein unglück-
liches Kind, er ringt mit dem Herrn im Gebete, und
lässet nicht von Ihm, daß Er ihn erhöre.

So giebt's der Anlässe fast unzählbare, welche
einen christlich gesinnten Vater zum Gebete rufen. Und
er folgt dem Rufe. In allen seinen Gebeten findet
[165] das Flehen für seine Kinder Platz, um so mehr, je
dringlicher und wichtiger der Anlaß. Wie die Mutter,
so wendet auch der Vater sich in diesem Gebete gern
an Jesus, den großen Kinderfreund. – Er wendet
sich an die Himmelsbewohner, damit sie sein Gebet
unterstützen, an Maria, die Hülfe der Christen, an
die Engel und Namenspatrone seiner Kinder, an
die auserwählten Väter und Mütter.

Gewiß, auch aus diesem Grunde dürfen wir ein
Kind glücklich preisen, das einen wahrhaft christlichen
Vater hat; derselbe zieht durch sein Gebet und Fle-
hen die reichste Fülle himmlischer Gaben und Gnaden
auf dasselbe herab. Und so groß auch der Segen ist,
den ein solcher Vater durch seine erziehenden Bestrebungen
dem Kinde vermittelt, so ist dennoch leicht der Segen
seiner Gebete für dasselbe noch größer; ja im Grunde
erhalten alle seine sonstigen Bestrebungen für sein Kind
durch das Gebet und vermöge der dadurch errungenen
Gnaden erst ihre rechte Kraft und Wirksamkeit.

Durften wir daher in unserer ‘„christlichen Mut-
ter“’
sagen: ‘„Selig das Kind, welches eine solche
Mutter hat“’
(die eifrig für es betet); wie viel mehr
dürfen wir dann ein Kind selig preisen, welches neben
einer solchen Mutter auch einen Vater hat, wie wir
ihn schilderten, einen Vater, der mit der Mutter
für dasselbe betet! O in der That, ein Elternpaar,
Vater und Mutter, vereint im Gebete für ihre Kinder
– das ist ein Schauspiel, auf dem das Auge des
Herrn mit Wohlgefallen ruhet, ihr Gebet ein Ruf,
dem Er nicht widersteht. Deshalb sagen wir's auch
hier: ‘„O Väter, betet doch, betet ohne Unterlaß,
betet mit allem Eifer für euere Kinder!“’

Gebete

[166]

Gebet um die Gnade christlicher Gottes-
furcht und Frömmigkeit.


O Gott, Du hast auch mich in's Dasein gerufen
nur zu dem Zwecke, daß ich während meiner kurzen
Lebensfrist auf Erden durch treue Erfüllung Deines
h. Willens meine Seele heiligen und so Deinen
h. Namen verherrlichen und ewig selig werden möchte.
Schon hier auf Erden kann ich nur dann wahrhaft
glücklich sein, wenn ich dieser meiner Bestimmung
gemäß ein Leben nach Deinem h. Wohlgefallen führe.
Und ich bin Vater. Du hast mir Kinder anvertrauet;
sie sind Dein und Du hast sie mir anvertrauet, auf
daß ich sie für Dich und in Deiner h. Furcht und
zu christlichem Wandel erziehe. Wehe mir, wenn ich
dieser Deiner gnadenvollen Absicht nicht entspräche und
die Kinder durch meine Schuld entarteten! Wie groß
würde meine Verantwortung, wie schrecklich die Strafe
sein! Und dennoch kann ich meine Kinder nicht in
Deiner h. Furcht und zu einem frommen Leben er-
ziehen, wenn ich nicht selbst vom Geiste wahrer Got-
tesfurcht und Frömmigkeit beseelt bin. O Gott, so
verleihe mir denn die Gnade, daß ich diese ernsten
Wahrheiten stets vor Augen halte; erwecke mich durch
dieselben und hilf mir, daß ich es mir mehr, als
Alles, am Herzen liegen lasse, ein wahrhaft Dir
wohlgefälliges Leben zu führen, auf daß ich meine
[167] Seele rette und meinen Kindern ein wahrhaft guter
Vater sei. Gieb mir die Gnade, daß ich gewissen-
haft Alles meide und fliehe, was den rechten christ-
lichen Sinn und Wandel behindert oder gefährdet;
lehre mich treu und beharrlich thun und üben, was
nothwendig oder nützlich ist, um im Guten zu beste-
hen und fortzuschreiten.

O ihr Auserwählten und ihr heiligen Väter, bittet
für mich. Amen.

Gebet um die Gnade des Glaubens.


O Gott, der Du alle jene Wahrheiten und Leh-
ren, die zu unserm Heile nothwendig oder zuträglich
sind, durch Deine Gesandten und durch Deinen ein-
gebornen Sohn, unsern Herrn, geoffenbaret hast und
durch die h. unfehlbare Kirche uns verkündest ver-
mehre in mir die Gnade des Glaubens, auf daß ich
alle diese Heileslehren mit zweifelloser Zuversicht
gläubig aufnehme. Wenn ich in Gefahr bin, durch
die Zuflüsterungen meiner stolzen Natur und durch
das Reden und Beispiel einer glaubenslosen Welt
im Glauben wankend zu werden, so richte Du mich
auf und halte mich; lehre mich es erkennen, daß
unser h. Glaube auf festen Gründen ruhet, und daß
nur ein verkehrtes Herz noch zweifeln kann. Erwecke
mich, daß ich das kostbare Gut des Glaubens mit
schuldiger Sorgfalt behüte und es nach Pflicht ver-
meide, glaubensfeindliche Schriften zu lesen, oder
unzeitig mit Menschen, die an ihrem Glauben Scha-
den genommen haben, zu verkehren, auf daß ich nicht
angesteckt und nach und nach im Glauben schiffbrüchig
werde. Vor Allem aber, o Herr, stehe mir bei, daß
ich nach meinem h. Glauben lebe und mein ganzes
[168] Leben nach seinen Lehren ordne; dann wird durch
Deine Gnade heller und heller das Licht des Glau-
bens in mir leuchten und mein Herz mit Glaubens-
zuversicht erfüllen.

Auch meine Kinder empfehle ich Dir; beschütze
sie in den Gefahren des h. Glaubens; laß sie durch
deine Gnade als treue Kinder unserer h. Kirche all-
immerdar an allen ihren Lehren fest und unerschütter-
lich halten. Amen.

Gebet um die Gnade der Mäßigkeit.


O Gott, der Du uns durch Deinen göttlichen
Sohn und durch Deine Diener so nachdrücklich vor
Unmäßigkeit und Trunkenheit warnest, und willst,
daß wir als Christen ‘„wandeln, nicht in Völlerei“’,
sondern als Nachahmer Jesu und Seines abgetödteten
Lebens; verleihe mir die Gnade einer wahren christ-
lichen Mäßigkeit. Halte mich, auf daß ich dem un-
seligen Laster der Trunkenheit nicht verfalle. Wehe,
wenn meine Kinder die Schmach dieser Verkehrtheit
an ihrem Vater wahrnehmen müßten! O Gott, er-
fülle mich mit Abscheu vor derselben und mit Furcht,
damit ich mich nicht der Gefahr aussetze, nach und
nach ein Trinker zu werden. Flöße mir einen h. Ernst
ein, auf daß ich nie, dem Leichtsinn mich ergebend,
die Schranken der christlichen Mäßigkeit überschreite,
sondern bei jeglicher Gelegenheit ihren Anforderungen
getreu verbleibe. Lehre mich jeglichen unzeitigen Be-
such des Wirthshauses meiden, lehre mich den Verkehr
mit leichtsinnigen Menschen fliehen. Beschirme mich,
o Herr, in so vielen Gefahren, welche unsere genuß-
süchtige Zeit und ihr unchristlicher Geist der Mäßig-
keit bereitet, mit mächtigem Arm und erfülle mich
[169] mit dem Geiste der Mäßigkeit und Nüchternheit.
Amen.

Gebet um Gnade wider unordentliche
Hingebung an die Welt.


Göttlicher Heiland, der Du uns ermahnest, daß
wir ‘„zuerst das Reich Gottes und die Gerechtigkeit
desselben suchen sollen“’
; möchte ich dieser Deiner
Mahnung doch stets nachkommen! Ach, ich gebe mich
an meine Geschäfte und irdischen Angelegenheiten so
leicht ganz und gar hin, so daß ich über dieselben
Deiner vergesse, Gebet und christliche Uebung unter-
lasse und immer mehr, Dir und dem Höhern ent-
fremdet, ganz im irdischen Sinn verstrickt werde.
Darf ich dabei noch hoffen, einst Antheil zu erlangen
an den himmlischen Gütern, gegen welche ich gleich-
gültig bin und nichts Rechtes thue? Habe ich nicht
zu fürchten, durch dieses stete und übermäßige irdische
Treiben meine Seele zu Grunde zu richten? Dann
wehe mir, wenn ich – zu spät – es erkenne, wie
thöricht ich war, mein Leben und die ganze Zeit und
Kraft meines Lebens Dingen zu weihen, welche, durch
den Tod so bald schon geraubet, in der Ewigkeit kei-
nerlei Werth haben, und mich um das, was ewig
mich beglücken sollte, nicht zu kümmern! – O Herr,
so reiße durch deine mächtige Gnade mein Herz von
dieser unzeitigen Hingegebenheit an's Irdische los!
Lehre mich es erkennen, daß alle irdischen Geschäfte
und Bestrebungen nur Mittel sind, um Dir dadurch
zu dienen und für die Ewigkeit dadurch Verdienste
zu sammeln. Verleihe mir die Gnade, all mein
tägliches Thun mit guter Meinung zu vollführen.
Befestige mich in dem Eifer zum Gebete und zu christ-
[170] licher Uebung, auf daß ich nie um meiner irdischen
Geschäfte willen das Gebet am Morgen und am
Abende und bei Tische versäume; die Sonn- und
Festtage sollen mir heilig sein; an ihnen soll alle
Arbeit und jegliches Geschäft ruhen, damit ich mich
ganz dem Gebete und der Theilnahme an der kirch-
lichen Feier widmen könne. Bewahre mich, o Herr,
vor Nachlässigkeit im Empfange der h. Sakramente,
welcher für mich so nothwendig ist, um neue Auf-
munterung und Gnade zu erlangen; erwecke mich
zur Zeit durch Deine Gnade und führe mich zum
Mahle des Heiles. – So stehe mir bei, o Gott,
damit ich ‘„so durch die irdischen Güter hindurch gehe,
daß ich die ewigen nicht verliere“’
. Amen.

Gebet*) am Jahrestage der Verehelichung.**)


O mein Gott und Herr, an diesem Tage war
es, wo ich in Deinem h. Hause am Traualtare hin-
geknieet das heil. Sakrament der Ehe empfing und
unter dem Segen desselben in meinen ehelichen Stand
[171] eintrat. Dürfte ich ihn ohne Dank und heilsame
Uebung vorübergehen lassen? Nein, o Herr, von
ganzem Herzen danke ich Dir, daß du mich durch
ein heil. Sakrament in den Ehestand eingeführt und
meine eheliche Verbindung geheiliget und mir den
Schatz Deiner Gnade eröffnet hast, damit ich im
Stande wäre, den Anforderungen des christlichen
Ehestandes zu entsprechen und in unverbrüchlicher
Treue und Liebe gegen meine Frau und in standes-
mäßiger Keuschheit allimmerdar zu verharren, die von
Dir geschenkten Kinder in Deiner Furcht und Zucht
zu erziehen und so mein Heil zu wirken. Ich danke
Dir für alle Gnaden, welche ich seitdem in Kraft
dieses h. Sakramentes empfangen habe; ich danke Dir
für den Schutz und für die Hülfe und für alles
Gute, so Du mir und den Meinigen gespendet hast.
Sei ewiglich gelobet und gepriesen!

Habe ich denn in freier Mitwirkung mit Deiner
Gnade die Obliegenheiten meines Standes treu er-
füllt? Habe ich als ein wahrhaft christlicher Ehe-
mann und Vater gelebt? Ach, nur zu Vieles habe
ich mir vorzuwerfen! (Denke ein wenig nach.) O
mein Gott, von ganzem Herzen bereue ich es. Sei
mir gnädig! Verzeihe mir in deiner unendlichen
Barmherzigkeit und um Jesu, Deines Sohnes willen!
– Fest steht mein Vorsatz: Mit erneuertem Eifer
will ich mich fortan bestreben, alle Pflichten, welche
ich als christlicher Ehemann und Vater habe, treu
und gewissenhaft zu erfüllen. Wie darf ich sonst hoffen,
[172] bei Dir in Gnade zu sein und mein Heil zu wirken?
Aber, o Herr, was nützen mir alle Vorsätze, wenn
Du nicht Gnade giebst, sie auszuführen? So er-
neuere denn, o Herr, am heutigen Tage den Segen
des h. Sakramentes; lasse die Gnaden desselben mir
von Tag zu Tag reichlich zufließen[?]; durch sie angeregt
und gekräftigt, werde ich darauf[?] bedacht und im
Stande sein, meines Berufes würdig[?] zu wandeln.

Auch meine Frau empfehle ich Deiner Huld und
Gnade. Verleihe uns, daß wir, durch das h. Sa-
krament so innig vereint, auch in herzlicher Liebe und
in treuer Gottesfurcht allimmerdar befunden werden,
damit unser ehelicher Stand, wie er es soll, ein Bild
sei von der innigen Vereinigung Christi mit Seiner
heil. Kirche und uns führen zum[?] ewigen Leben.

Lasse Dir auch, o [...][?] Kinder, die Du uns
gegeben, empfohlen sein [...][?] sie, behüte sie, be-
gnadige sie, damit sie zu Deinem[?] h. Wohlgefallen
gedeihen. Stehe mir bei, daß[?] ich sie ganz für Dich
erziehen möge.

Heilige Jungfrau und Mutter Maria, h. Joseph
und alle heiligen Eheleute und Eltern, bittet für
mich! Amen.

Gebet am Morgen.


Gütigster Gott, Du hast diesen Tag mir geschenkt,
daß ich in treuer Erfüllung meiner Pflichten Dir
dienen und mein Heil wirken soll. So stehe mir
denn dazu bei mit Deiner Gnade! Vor Allem hilf
mir, daß ich meine wichtigsten und heiligsten Pflichten,
welche ich gegen meine Kinder habe, heut mit Sorg-
falt und Treue erfülle und insbesondere ihnen in
meinem ganzen Thun und Lassen mit einem guten
[173] Beispiele vorgehe. Segne Alles, was ich heut zu
ihrer Heranbildung sagen oder thun werde.

Meine Kinder aber, o Gott, nimm in die Obhut
Deiner Liebe und Gnade. Beschütze sie in Gefahren
und behüte sie vor allem Uebel! Bewahre sie vor
Sünde! Erfülle [...][?] kindliches Herz mit Deiner heil.
Liebe und erwecke [...][?] stärke sie mit Deiner Gnade,
auf daß sie Dir [...][?] dienen und wie an Alter, so
an Tugend und Gnade[?] bei Dir zunehmen mögen.

Ihr h. Schutzengel und Namenspatronen meiner
Kinder, euch empfehle ich sie; nehmet euch ihrer an,
bittet für sie. Amen.

Gebet am Abend.*)


Dank sei Dir, o [...][?] und Vater, für alle Gnade
und Wohlthat, welch [...][?] heut mir und mei-
nen Kindern huldreich [...][?] hast. Alle gute Gabe
[174] kommt ja von Dir; Du waltest über uns voll Er-
barmung. Wehe mir, daß ich so undankbar bin und
Dich, den besten Vater, so oft beleidige! Verzeihe
gnädig! Insbesondere vergieb mir, was ich heut in
meinem väterlichen Berufe verbrochen habe!....
Was bleibt mir, als um Gnade zu flehen? Sei mir
gnädig! Möchte ich doch mehr und mehr die Hei-
ligkeit meiner Vaterpflichten erkennen und sie mit
Gewissenhaftigkeit erfüllen! Ja, Herr, ich will's.
Von Neuem verspreche ich es Dir. Komm mit Dei-
ner reichen Gnade mir zu Hülfe. Entzünde mein Herz
immermehr mit Deiner h. Liebe und mit wahrer Liebe
zu meinen Kindern, auf daß ich stets voll h. Ernstes
sei, sie für Dich und zu ihrem Heile zu erziehen.

Für diese Nacht aber, o Vater, laß Dir meine
Kinder empfohlen sein. Deine Hand beschirme sie
in ihrer nächtlichen Ruhe; verscheuch den Feind von
ihrer Lagerstätte, lasse Deine h. Engel bei ihnen sein.
O gieb nicht zu, daß die Nacht ihnen Anlaß werde zur
Sünde; erhalte sie in Unschuld und unbefleckter Reinig-
keit! H. Jungfrau, h. Joseph, ihr hh. Engel und Aus-
erwählten, lasset meine Kinder euch befohlen sein! Amen.

Gebet eines christlichen Vaters bei der
heil. Messe.*)


I. Für sich selbst, um die für den Vaterberuf
erforderlichen Gnaden zu erflehen.

Zum Eingange der h. Messe.

O Gott, ich erscheine hier in Deinem h. Hause,
um Gnade zu erflehen für meinen väterlichen Beruf.

[175]

Ich bin nicht im Stande, die Pflichten desselben
zu Deinem Wohlgefallen und zum Heile meiner Kin-
der zu erfüllen, wenn Du mir nicht hilfst. Du hast
mir Deinen Gnadenbeistand zugesichert im h. Sakra-
mente der Ehe. Wäre ich nur desselben würdiger!
Ach, Herr, ich erkenne meine Unwürdigkeit und daß
ich Deiner Gnaden nicht werth bin. Darum komme
ich zum Altare Deines göttlichen Sohnes, um im
[176] Vereine mit dem h. Opfer, welches Er auf demselben
auch für mich vollbringt, nicht ganz unwürdig zu er-
scheinen und Erhörung zu finden, wenn ich um Dei-
nen göttlichen Beistand in meinem Berufe und um
Gnade für meine Kinder flehe. So verleihe mir
denn, daß ich diesem h. Opfer mit wahrer Andacht
und mit Segen beiwohne. Amen.

Zum Offertorium.*)

Allmächtiger, ewiger Gott, in Vereinigung mit
dem Priester weihe auch ich Dir diese Gabe von Brod
und Wein und lege mit ihr zugleich das Anliegen
meines Herzens, mein Verlangen und mein Flehen
nach Gnade zur heilsamen Erfüllung meiner Vater-
pflichten im Geiste auf den Altar. O Gott, ich er-
kenne es, daß, gleichwie die Gabe des Brodes und
des Weines so auch meine Gebete vor Dir gering
und ohne Werth sind; aber da es durch Deine Huld
und Macht geschieht, daß Brod und Wein in das
[177] Dir unendlich wohlgefällige Opfer des Fleisches und
Blutes Deines göttlichen Sohnes umgewandelt wird,
so lasse im Vereine mit diesem h. Opfer auch mein
Anliegen vor Dir Gnade und Erhörung finden. Darum
flehe ich zu Dir im Geiste der Demuth und mit zer-
knirschtem Herzen und unter Anrufung der allerseligsten
Jungfrau Maria und des h. Joseph, wie auch sämmt-
licher auserwählten Väter und aller Heiligen. Amen.

Zur Consekration.

O Jesu, Du würdigest Dich mit unendlicher Liebe
auf das Wort Deines Dieners auf den Altar her-
niederzukommen, um in Brodes- und Weinesgestalt
das erbarmungs- und gnadenreiche Opfer, welches
Du auf Golgatha vollzogen, zu unserm Heile erneuert
vor uns darzustellen, damit wir seiner Segnungen
und Gnaden theilhaftig würden.

In tiefster Demuth bete ich Dich an, gnadenvoll
gegenwärtiger Herr und Heiland; Lob und Preis Dir
und Danksagung aus dem wärmsten Grunde meines
Herzens für so viel Huld und Gnade! – So nimm
mich denn, o Jesus, mit meinen Anliegen und mit
meinen Bitten auf in Dein h. Opfer und lasse sie
durch Deine Verdienste Gnade und Erhörung finden,
auf daß ich an meinen Kindern, Deinen Lieblingen,
ein wahrhaft guter Vater sein möge. Amen.

Nach der Consekration.

O Gott, nun erhebt sich mein Herz mit Ver-
trauen und Zuversicht zu Dir; denn es ist Dein
göttlicher Sohn, welcher mich vor Dir vertritt und
mein Flehen im Vereine mit dem Opfer Seines
h. Fleisches und Blutes Dir darbringt. Es ist kein
anderes Opfer, als jenes, welches Er einst am Kreuze,
[178] in Gehorsam gegen Dich bis zum Tode vollbrachte,
vor Dir unendlich wohlgefällig. So möge denn mein
Anliegen in Vereinigung mit diesem h. Opfer und
um Seinetwegen Gnade, bei Dir finden! Verzeihe
mir gnädig, was ich bisher durch Untreue in den
Verpflichtungen meines Standes verbrochen habe; er-
wecke mich, daß ich fortan mit erneuetem Eifer sie
erfülle. Gieb mir alle jene Gnaden, welche ich zur
guten Erziehung meiner Kinder bedarf, ein muster-
haftes Leben, Liebe, Weisheit, Geduld, Sanftmuth,
Ausdauer, Eifer im Gebete für meine Kinder. Ver-
leihe, o Herr, die Gnade, meine Kinder so zu erzie-
hen, daß es Dir zur Ehre, ihnen zum Heile, mir
zum ewigen Leben gereichen möge. Amen.

Vater unser.

Vor und bei der Communion.

Das Gebet zu Jesus dem Kinderfreunde, S. 184.

Zum Schlusse.

Die Gebete S. 166 bis 170; S. 182 bis 188
und S. 197 bis 206.

II. Gebete bei der h. Messe, wenn der Vater
sie für seine Kinder hört.

Zum Eingange der h. Messe.

O Gott, die Liebe zu meinen Kindern und das
Verlangen nach ihrem Heile führt mich heut zum
Altare und zum Opfer Deines göttlichen Sohnes.
So sehr mir auch das Wohl meiner Kinder am
Herzen liegt und so sehr ich mich auch bemühen mag,
sie gut zu erziehen, so werden dennoch alle meine
Bemühungen ohne Frucht und rechten Segen bleiben,
[179] wenn Du nicht hilfst und mit Deiner Gnade meine
Kinder heimsuchst. Darum flehe ich zu Dir. Und
da mein Gebet und Flehen armselig und unwürdig
vor Dir ist, so vereinige ich es in dieser h. Messe
mit dem Opfer Deines göttlichen Sohnes, meines
Herrn, und bringe selbst dieses h. Opfer Dir für
meine Kinder dar. Gib mir Gnade, daß ich es mit
wahrer Andacht thue und für meine lieben Kinder
reichen Gnadensegen erwirken möge. Amen.*)

Zum Offertorium.

Gott, himmlischer Vater, die geringen Gaben von
Brod und Wein werden Dir vom Priester darge-
bracht, damit Du selbst aus ihnen ein vor Dir wohl-
gefälliges Opfer bereiten mögest. Es nahet der heil.
Augenblick, wo in der Kraft des heil. Geistes am
Worte Deines Priesters die wunderbare Wandlung
geschehen und dann Dein göttlicher Sohn unser
Opferpriester und unser Opfer sein wird. So führe
ich denn im Geiste meine Kinder zu dieser geheiligten
Stätte, damit der Segen dieses gnadenvollen Opfers
über sie kommen möge. Lasse sie durch die Verdienste
dieses heiligen Opfers Vergebung ihrer Sünden und
Gnade finden, vor Sünde bewahrt zu bleiben. Gleich-
wie durch Deine göttliche Macht hier Brod und Wein
in das h. Fleisch und Blut Jesu Christi verwandelt
wird, so erweise in Kraft dieses h. Opfers die Macht
Deiner Gnade auch an meinen Kindern, auf daß
ihr Herz mehr und mehr umgestaltet werde zur Voll-
kommenheit christlicher Gesinnung und Tugend, und
[180] zu einem wohlgefälligen Opfer vor Dir. Sie sind
ja auch Deine Kinder; so segne sie denn und erfülle
sie mit Deiner Gnade, damit sie Deiner würdig seien.
Verleihe, daß sie Dir mit lebendigem Glauben und
mit kindlicher Liebe anhangen und Deinen heiligen
Willen zur Richtschnur ihres Lebens haben und von
ihm nicht abweichen, sondern auf Deinen Wegen
wandelnd für Zeit und Ewigkeit wahrhaft glücklich
seien. Amen.

Ihr Heiligen Gottes, h. Jungfrau Maria, h. Jo-
seph, ihr h. Schutzengel meiner Kinder und ihr heil.
Namenspatrone derselben, alle hh. Väter und Mütter
und alle hh. Kinder unterstützet mein Gebet, und
stehet, daß die Früchte dieses h. Opfers sich reichlich
über meine Kinder ergießen. Amen.

Zur Consekration.

Göttlicher Heiland, der Du einst segnend und
gnadenspendend im heil. Lande unter den Menschen
wandeltest, wiederum bist Du, vom Himmel herab-
gekommen, mir nahe in der geheimnißvollen Gegen-
wart unter der Brodes- und Weinesgestalt und in
der gnadenvollen Erneuerung Deines h. Opfers. So
benutze ich diese gnadenvollen Augenblicke, um Dir,
göttlicher Freund der Kinder, im Geiste alle meine
Kinder zuzuführen. O Herr Jesu, was Du einst
an den Kindern, welche Dir zugeführt wurden, thatest,
indem Du sie in Deine Arme schlossest, ihnen Deine
Hände auflegtest, das wollest Du durch die Gnaden
und Segnungen dieses h. Opfers auch an meinen
Kindern huldreich vollführen. Amen.

[181]

Nach der Consekration.

Gott, himmlischer Vater, wie Du einst, als Dein
göttlicher Sohn, mein Heiland, auf Erden wandelte
und wirkte, vom Himmel her gesprochen hast: ‘„Die-
ser ist Mein geliebter Sohn, an dem Ich Mein
Wohlgefallen habe“’
, so schauest Du auch jetzt mit
Wohlgefallen auf Ihn herab, da Er zur Ehre Dei-
nes h. Namens und zum Wohle Deiner Kinder Sein
h. Opfer geheimnißvoll erneuert. Indem ich mich
daher Seinem h. Opfer anschließe, so erscheine ich
mit Zuversicht vor dem Throne Deiner Barmherzig-
keit, um Dir meine Kinder zu empfehlen. Lasse sie
Deinen mächtigen Schutz erfahren in allen Gefahren
Leibes und der Seele. Bewahre sie vor Sünde und
vor Allem, was ihrer Seele Schaden bringen mag.
Ordne gnädig alle zeitlichen Verhältnisse zu ihrem
Besten. Erhalte sie in unverletzter Unschuld, erhalte
sie in Deiner Gnade! Verleihe, daß sie nach dem
Vorbilde des göttlichen Heilandes zunehmen, wie an
Alter, so an wahrer Weisheit und an Tugend und
Gnade bei Dir und bei den Menschen. O Gott,
mächtig in Deiner Gnade, sei in Kraft dieses heil.
Opfers Deines Sohnes also mit meinen Kindern,
daß sie stets mein Trost und meine Freude seien
hier auf Erden, meine Krone in der Ewigkeit und
daß Du, großer Vater, an ihnen Wohlgefallen habest
als an Deinen geliebten Kindern. Amen.

Vater unser. (Für die Kinder.)

Zur h. Communion.

O Herr, Jesu Christi, Du Sohn des lebendigen
Gottes, noch einmal wende ich mich an Dich; Du
hast nach dem Willen des Vaters und in Mitwirkung
[182] des heil. Geistes durch Deinen Tod der Welt das
Leben gerettet; so bitte ich Dich denn durch dies Dein
hochheiliges Fleisch und Blut, daß Du meine Kinder
von allen ihren Vergehungen und von allem Uebel
befreien und verleihen wollest, daß sie stets treu an
Deinen Vorschriften halten und von Dir niemals
getrennt werden mögen. Amen.

Zum Schlusse.

Gebet... Seite 188 u. s. w.

Gebet um Weisheit.*)


Wie groß, o Gott, und wie wichtig ist der Be-
ruf, den Du mir gegeben hast, und wie schwer seine
Aufgabe: Ich soll die Kinder, welche Du mir an-
vertrauet hast, ein jedes nach seiner Art erziehen
und sie zur Ablegung ihrer Fehler und zur Uebung
der christlichen Tugenden anleiten. O mein Gott,
ich bin unwissend und unvermögend. Wie soll ich
[183] zu jeder Zeit den rechten Weg erkennen, der zum
Ziele führt, wenn Du nicht hilfst? So sende denn,
Du Gott des Lichtes und der Erkenntniß, von Dei-
nem himmlischen Throne einen Strahl Deiner gött-
lichen Weisheit in mein Herz, gleich wie Du einst
dem Salomon auf sein Flehen ein weises und ein-
sichtsvolles Herz gegeben hast, auf daß er sein Volk
heilsam regieren könne. Erleuchte mich, auf daß ich
erkenne, wie ich meine Kinder, ein jedes nach seiner
Art, behandeln muß, damit sie von ihren Fehlern
befreiet und vor dem, was ihnen nachtheilig und
gefährlich ist, bewahrt werden; zeige mir die Mittel
und Wege, sie wahrhaft gut zu erziehen; führe mich,
daß ich gleich fern bleibe von schädlicher Nachsicht
und unzeitiger Strenge; gib mir das rechte Wort,
wenn ich sie belehre, rüge und ermahne; zeige mir
Deinen h. Willen, wenn ich ihnen zu rathen habe.
So laß mich das Werk der Erziehung vollführen
wie an Deiner Hand, der Du Deine Kinder mit
unendlicher Weisheit auf den besten Wegen ihrem
Heile entgegenzuführen weißt.

O heiliger Geist, Du Spender der Gnaden und
Gaben, verleihe mir die Gabe der Weisheit und des
Rathes zum Besten meiner Kinder. Amen.

Vater unser und Ave.

Gebet um Sanftmuth.


Göttlicher Heiland, der Du drei Jahre lang mit
Deinen Jüngern, wie ein Vater mit seinen Kindern
verkehrt hast, wie viel hattest Du durch ihre Arm-
seligkeit, durch ihre Unvollkommenheiten und Fehler
zu leiden, wie geeignet war nicht selten ihr Verhal-
ten, Dich zu Ungeduld und Zorn zu reizen! Und
[184] dennoch, wie warst Du gegen sie stets so nachsichtig,
so duldsam, so sanftmüthig und milde! Nie kam ein
unfreundliches, hartes, kränkendes Wort über Deine
Lippen. – O möchte ich Dir ähnlich sein im Ver-
halten gegen meine Kinder! Ich muß es, wenn ich
Dein Jünger sein und mein Heil wirken will. So
laß mich ‘„von Dir lernen, sanftmüthig zu sein“’.
Wenn sich bei den Unarten und Verkehrtheiten der
Kinder Unwillen, Zorn und Ungeduld in mir reget,
so hilf mir, diese Regungen zu beherrschen, auf daß
ich sie nicht in Wort und That an den Tag lege.
Halte mich aufrecht, daß ich ruhig und besonnen
bleibe, so oft ich meine Kinder rügen oder bestrafen
muß. Denn ‘„der Zorn wirkt nicht, was vor Dir
gerecht ist“’
. Du sanftmüthigster Jesus, erbarme Dich
meiner! Amen.*) – Vater unser und Ave.

Gebet zu Jesus dem Kinderfreund.**)


(Besonders bei der h. Messe, bei der h. Communion oder
sonst vor dem h. Sakramente.)

O Jesus, wie groß war einst Deine Liebe zu
den Kindern! Sie ist es noch heut. Ja, Deine
[185] Liebe zu den christlichen Kindern ist noch so viel
größer. So liebst Du, göttlicher Herr, auch meine
Kinder mehr als ich, und bist ihr göttlicher Freund.
O wie trostreich und erhebend für mich! Sei gelobet
und gepriesen! – So verleihe mir denn, göttlicher
Heiland, die Gnade, daß ich in Allem mich so gegen
meine Kinder verhalte und Alles so an ihnen thue,
wie es dem Verlangen Deines h. Herzens und Dei-
nem Wohlgefallen entspricht. Gib mir, daß ich sie
ganz für Dich erziehe und sie aus allen Kräften an-
leite, Dich mehr und mehr zu erkennen, Dich zu
lieben und nach Deiner Lehre und nach Deinem
h. Beispiele ihr ganzes Leben einzurichten, auf daß
sie Deine wahren Jünger und Jüngerinnen seien
und durch Dich das Heil erlangen. O Jesu, in
Kraft des h. Sakramentes, durch welches Du mich
in den ehelichen Stand und in den väterlichen Be-
ruf eingeführt hast und durch die Gnaden Deines
h. Opfers verleihe mir, daß ich alle Obliegenheiten
eines christlichen Vaters auf's Treueste und Eifrigste
erfülle. Laß mein Leben ein Muster werden für
meine Kinder; durchdringe mein Herz mit jener
[186] Liebe, welche Dein göttliches Herz gegen meine Kin-
der trägt; gieb mir Weisheit, gieb mir Starkmuth,
gieb mir Geduld und Sanftmuth, gieb mir Eifer
zum Gebete für meine Kinder. Dein göttlicher Se-
gen komme über Alles, was ich an meinen Kindern
thue. Amen.

Gebet zur h. Jungfrau Maria.


O allerseligste Jungfrau Maria, Du ‘„wunder-
bare Mutter“’
, zu Dir nehme ich meine Zuflucht,
da ich vom Herrn des väterlichen Berufes gewürdigt
bin. Erflehe mir, Du heilige und mächtige Mutter,
die Gnade, mich meines Berufes würdig zu erweisen.
Durch Deine mächtige Fürbitte möge es mir ver-
gönnt sein, daß ich mit Gewissenhaftigkeit, mit Treue
und Ausdauer alle Pflichten, welche ich als christlicher
Vater habe, allimmerdar erfülle. – Welch ein gott-
gefälliges, heiliges Leben war es, das Du, h. Mutter,
an der Seite Deines h. Bräutigams mit Jesu, Dei-
nem göttlichen Sohne, in Gebet und gottgeweihter
Arbeit und in guten Werken in der Hütte zu Na-
zareth führtest! O lasse es das Vorbild für mein
Familienleben sein! Flehe den Geist der Gottes-
furcht und Frömmigkeit über unser Haus herab, damit
in ihm meine Kinder zu allem Guten gedeihen. Amen.

Gebet zum h. Joseph.*)


H. Joseph, Du treuer Gefährte der h. Mutter,
Deiner jungfräulichen Braut, der Du sie und ihr
[187] göttliches Kind mit solcher Hingebung und Sorgfalt
beschützet und Dein ganzes Leben ihnen geweihet hast,
ich bitte Dich, sei auch mein und meiner Kinder Be-
schützer und Fürsprecher bei Jesu. Deinem erhabenen
Pflegesohne. Erflehe mir die Gnade, daß ich die
Pflichten gegen meine Kinder, ähnlich, wie Maria
und Du gegen Jesus, erfüllen möge. Heil. Joseph,
bitte für mich! Amen.

Gebet zu den h. Schutzengel.*)


O hh. Schutzengel, ihr himmlischen Freunde mei-
ner Kinder, vertrauensvoll wende ich mich an euch.
Die der Herr meiner Sorgfalt anvertrauet hat, die
sind ja auch der Gegenstand eurer Liebe und Sorge.
So erflehet mir denn die Gnade, daß ich gleiche
Gesinnungen, wie ihr, gegen meine Kinder trage und
es mir vor Allem, wie euch, am Herzen liege, sie für
Gott und den Himmel zu erziehen. O möchte ich ein
solcher Vater an meinen Kindern sein, daß ich eurer
Liebe und Freundschaft nie unwürdig erscheine! Das
erflehet mir! Amen.

Gebet zu den h. Namenspatronen der
Kinder.**)


Heilige Namenspatrone meiner Kinder, h....,
nehmet euch auch meiner, ihres Vaters, an; bittet
[188] für mich, damit ich durch euere Fürbitte die Gnade
erlange, durch Wort und That einen heilsamen Ein-
fluß auf meine Kinder zu üben, auf daß sie in treuer
Nachahmung eurer Tugenden zu wahrhaft guten Mit-
gliedern der h. Kirche heranwachsen und einst in eure
glückselige Gesellschaft aufgenommen werden mögen.
Amen.

Gebet des Vaters um Segen und Gedeihen
für seine Bemühungen an den Kindern.


O Gott, ohne den Segen Deiner Gnade wird
Alles, was ich zur guten Erziehung meiner Kinder
thue, dennoch keine rechte Frucht bringen. Ob ich
auch ‘„pflanze und begieße“’, so wird ‘„das Gedeihen“’
fehlen, wenn Du es nicht ‘„giebst“’. ‘„Vergebens bauen
die Bauleute,“’
sagt Dein Prophet, ‘„wenn der Herr
nicht bauen hilft; und wenn der Herr das Haus
nicht bewacht, so wacht der Wächter umsonst.“’
Darum
flehe ich zu Dir, o Herr, gieb dem, was ich durch
Lehre und Ermahnung, durch Warnung und Strafe,
durch Wachsamkeit und Anleitung an meinen Kin-
dern thue, das ‘„Gedeihen“’; hilf mir über dieselben
‘„wachen“’, daß sie von allem Uebel an Leib und
Seele bewahrt bleiben; hilf mir ‘„bauen“’, daß das
Gebäude der Tugend und Vollkommenheit in ihnen
eine feste Grundlage habe und sich mehr und mehr
erhebe. Begleite huldreich all mein Wort und Werk
mit Deiner Gnade, auf daß es zum wahren Wohle
meiner Kinder gereiche. Durch Jesum Christum. Amen.

Gebet um Schutz für die Kinder in ihren
Gefahren.

[189]

O Gott, wie vielen und großen Gefahren sind
meine Kinder ausgesetzt, an Leib und Seele Schaden
zu nehmen, ja zu Grunde zu gehen! Und wie un-
zureichend ist der Schutz, den ich ihnen angedeihen
lassen kann. Ja, Herr, ‘„vergeblich wache ich über
sie, wenn Du nicht wachen hilfst.“’
Wenn sie aber
‘„unter Deinem hülfreichen Schutze wohnen, o Aller-
höchster, und weilen unter Deiner Obhut, Du Gott
des Himmels“’
, wie ruhig darf ich dann sein. So
empfehle ich denn, o Herr, meine Kinder in Deinem
mächtigen Schutz und Schirm. Halte gnädig von
ihnen fern, was für ihre Gesundheit und Unversehrt-
heit, oder für ihr Leben gefährlich oder schädlich ist;
lasse sie ihrem Leibe nach wohl gedeihen. Vor Allem
aber schütze sie in den Gefahren ihrer Seele. Wehre
mit mächtiger Hand von ihnen ab, was einen nach-
theiligen Einfluß auf ihr jugendliches Herz üben
und zu Verkehrtheit und Sünde Anlaß werden mag.
Bewahre sie vor der Sünde! Sende ‘„Deine h. En-
gel, daß sie meine Kinder behüten auf allen ihren
Wegen, daß sie dieselben auf ihren Händen tragen,
um nicht anzustoßen“’
. O allmächtiger Gott und
Vater, führe meine Kinder durch die Gefahren und
Stürme dieses Lebens also hindurch, daß sie sicher
einst anlangen im Hafen des Heiles. Amen.

Gebet, daß der Herr die Kinder vor der
Todsünde bewahre.


O Gott, wie zahlreich und wie groß sind in der
jetzigen Welt für meine Kinder die Gefahren der
Sünde und des Verderbens! Und nimmer liegt es
[190] in meiner Macht, sie davor sicher zu stellen. Du
mußt helfen, Du mußt schützen, Du mußt retten
und zum Siege führen. So rüste Dich denn, o Herr,
mit der Kraft Deiner Gnaden und eile mit großer
Macht zu Hülfe, damit das Ungeheuer der Todsünde
sich keinem meiner Kinder nahe. Du weißt es, o
Herr, wie sehr ich meine Kinder liebe; aber lieber
will ich, daß Du sie durch den Tod mir nehmest,
als daß sie durch schwere Sünde in den Tod der
Seele verfallen und für Dich ein Gegenstand des
Abscheu's und des Hasses werden. Darum bitte ich
Dich. Du Vater meiner Kinder, eile, wenn längeres
Leben sie in dieses Unglück stürzen würde, mit ihnen
hinweg aus diesem Leben, auf daß ich, für dies
kurze Erdenleben sie missend, in Deinem Hause sie
wiederfinden möge, um ewig sie mit Dir und in Dir
zu besitzen. Erhöre mich, o Herr, erhöre mich. Durch
Jesum Christum unsern Herrn. Amen.

Ave Maria.

Gebet für die Kinder um die Gnade der
Keuschheit.


O allerheiligster Gott, der Du die Reinigkeit
und Unschuld liebest, verleihe meinen Kindern die
kostbare Gnade der h. Reinigkeit. Wehe, wenn das
Laster der Unkeuschheit über sie hereinbräche! Wie
unglücklich würden sie sein – leicht für Zeit und
Ewigkeit. Herr behüte sie; halt mit mächtigem Arm
dies Ungethüm von ihnen fern! Ohne Deine beson-
dere Gnade können sie die Keuschheit nicht bewahren.
O Gott, schenke ihnen diese Gnade! Durch sie sei
ihr Herz wie ein Heiligthum, unentweihet von jeg-
lichem unreinen Gedanken und Sinne; durch sie sei ihr
[191] Auge züchtig, Ohr und Mund jeglicher Ungebühr
in Wort und Rede unzugänglich und verschlossen.
Durch sie erfülle sie mit Abscheu gegen Jegliches,
was der h. Ehrbarkeit zuwider ist und lasse sie nach
Leib und Seele in unverletzter Lauterkeit bestehen,
auf daß sie allimmerdar reine Hände zu Dir erheben
und ihr Leib ein unentweihter Tempel des h. Geistes
verbleibe. O Gott, Du Liebhaber reiner Seelen, laß
meine Kinder zu Deinen Lieblingen gehören; lasse
den Segen und das Heil, so nach Deiner gnädigen
Anordnung in Zeit und Ewigkeit die h. Reinigkeit
begleitet, auch über meine Kinder kommen. Amen.

H. Jungfrau Maria, Du keuscheste Mutter, Du
Vorbild und Fürsprecherin reiner Seelen, h. Joseph,
Du keuschester Bräutigam der h. Jungfrau, h. Aloy-
sius, Du Engel im Fleische, und alle ihr h. Jünglinge
und Jungfrauen und Kinder und alle Heiligen, helfet
mir mit eurer kräftigen Fürbitte, auf daß der Herr
wie einst euch, so auch meinen Kindern die Gnade
unverletzter Unschuld und Keuschheit gebe. Amen.

Gebet, daß Gott die Lebensverhältnisse der
Kinder zu ihrem Besten lenken möge.


Alles, o Gott, ruhet in Deiner Hand; ‘„Deine
Macht waltet von einem Ende der Erde bis zum
andern und ordnet alles gar wohl.“’
Du ordnest
Alles so, daß es, so viel an Dir, dazu diene, die
Menschen zu dem Ziele wahrer Lebensheiligkeit, wo-
zu Du sie geschaffen hast, zu führen, damit sie Dei-
nen h. Namen verherrlichen und zeitlich und ewig
wahrhaft glücklich seien. Und Du kennest, allwissen-
der Gott, die Wege, auf welchen meine Kinder am
Sichersten und am Besten zu diesem ihrem wahren
[192] Heile gelangen mögen. Darum stehe ich zu Dir,
führe sie gnädig auf diese Wege. Möge in Allem
nur Dein heil. Wille an ihnen geschehen! Dein
heil. Wille allein ist ihr Heil. Lasse nicht zu, daß
ich selbst durch unzeitige irdische Rücksichten verleitet
und verblendet sie auf Wege leite, die trotz allem
Scheine schließlich zu ihrem verderben führen. Halte
sie, daß sie nicht selbst durch jugendlichen Leichtsinn
verlockt auf solche Wege sich verirren! Du, o gro-
ßer, unendlich weiser, unendlich liebevoller, unend-
lich mächtiger Vater meiner Kinder, Du wollest sie
führen; Du führst stets zum Heile.

Insbesondere flehe ich zu Dir, Du wollest es
nach der Weisheit und Macht Deiner Wege ordnen,
daß ein jedes meiner Kinder zu dem Lebensstande
gelange, wozu Du sie berufen hast. In diesem von
Dir bestimmten Berufe allein liegt ihr volles Heil.
O darum lasse es nicht zu, daß meine Kinder von
Sünde und verkehrter Neigung hingenommen den-
selben verfehlen. Gib und erhalte ihnen einen le-
bendigen Glauben, befestige sie in Deiner h. Furcht
und in wahrer Frömmigkeit; dann werden sie durch
Deine Gnade zur Zeit ihren Beruf erkennen; dann
werden sie unbeirrt sich demselben hingeben und Du
wirst mit ihnen sein. Erhöre mich, o Herr, erhöre
mich. Durch Jesum Christum. Amen.

Gebet für Kinder, die an hartnäckigen
Fehlern leiden.*)


Allmächtiger Gott, reich an Gnade, der Du
‘„die Herzen der Menschen lenkest, wie Wasserbäche“’,
[193] höre gnädig mein Flehen für meinen Sohn (meine
Tochter). Du weißt es, wie sehr der Zustand seiner
(ihrer) Seele mein Herz mit Kummer und Sorge
erfüllt. Ach, meine Bestrebungen bleiben an ihm
(ihr) ohne Erfolg. Was bleibt mir also, als zu
Dir meine Zuflucht zu nehmen? Du bist ein starker
Gott, ‘„mächtig, jegliche Gnade in überfließendem
Maße zu geben,“’
und durch Deine Gnade auch die
härtesten Herzen zu rühren. Wie oft hast Du durch
die Wirkungen Deiner Gnade auch die verkommensten
Sünder zur Umkehr vermocht; wie oft hast Du ins-
besondere die Bitten frommer Eltern erhört und um
ihretwillen den Kindern die Gnade wahrer Besserung
verliehen. So verschmähe denn auch mein Flehen
nicht. Es ist unwürdig, ich bekenne es, ich habe vor
Dir gesündigt und trage vielleicht selbst einen Theil
[194] der Schuld an den Fehlern und Verirrungen meines
Sohnes (meiner Tochter). Aber, o barmherziger
Gott, verzeihe mir, da ich nun meine Sünde herz-
lich bereue; laß Gnade für Recht ergehen. Durch
Deine unermeßliche Barmherzigkeit, durch die Ver-
dienste Deines göttlichen Sohnes, meines Heilandes,
durch die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau Maria,
der h. Monika und aller Heiligen bitte ich Dich,
suche meinen Sohn (meine Tochter) heim mit Deiner
Gnade, damit er seinen (sie ihren) Fehler erkenne,
ihn herzlich bereue und fortan in Allem nach Deinem
h. Willen und Wohlgefallen wandelnd das Heil erlange.

O Maria, Du Mutter der Barmherzigkeit, Du
Zuflucht der Sünder, h. Monika, du siegreiche Be-
terin für deinen Sohn und alle Heiligen unterstützet
durch eure mächtige Fürbitte mein Gebet, auf daß
es Erhörung finden möge. Amen.

Der Rosenkranz des christlichen Vaters.


I. Für sich selbst.

1. Der mir die Gnade eines guten Beispiels für
meine Kinder geben wolle.

2. Der mir Weisheit zu einer heilsamen Er-
ziehung schenken wolle.

3. Der mich vor unzeitiger Nachsicht und vor
allem aufgebrachten Wesen bewahren wolle.

4. Der mir Eifer und Ausdauer für die gute
Erziehung meiner Kinder schenken wolle.

5. Der meine Bemühungen für meine Kinder
segnen wolle.

II. Für die Kinder.

1. Der meine Kinder in allen Gefahren Leibes
und der Seele beschützen wolle.

[195]

2. Der meine Kinder von ihren bösen Neigungen*)
befreien wolle.

3. Der meinen Kindern den Geist der Gottesfurcht
und Frömmigkeit**) geben und vermehren wolle.

4. Der meinen Kindern den Segen des vierten
Gebotes vermitteln wolle.***)

[196]

5. Der meine Kinder vor dem Unglücke der Tod-
sünde bewahren wollet*)

Gebet des christlichen Vaters für seine Frau.


O Gott, der Du nebst mir auch meiner Ehe-
gattin die Kinder anvertrauet hast, höre an mein
Flehen für sie. Wie groß ist der Einfluß, den sie
als Mutter auf die Kinder üben mag; sei also mit
ihr, auf daß sie unsern Kindern eine treue, wahrhaft
christliche Mutter sei. Durchdringe sie ganz mit dem
Geiste wahrer Gottesfurcht und Frömmigkeit, erfülle
ihr Herz mehr und mehr mit Liebe zu Dir und zu
den Kindern, auf daß sie dieselben für Dich erziehe
und durch Wort und Beispiel zu einem wahrhaft
christlichen Leben anleite und zum Heile führe. Stehe
ihr bei, auf daß sie unter den Opfern und Beschwer-
den ihres mütterlichen Berufes nicht erliege; suche sie
heim mit dem Troste Deiner Gnade. Segne ihre
[197] Bemühungen an den Kindern, auf daß sie zu Dei-
nem Wohlgefallen und zu ihrer und meiner Freude
heranwachsen. Du bist ein reicher Vergelter; so lohne
denn meiner Gattin Alles, was sie für die Kinder,
welche ja auch Dein sind, unablässig thut, mit Gnade
und ewigem Heile. Amen.

Gebet um die Gnade der standesmäßigen
Keuschheit.*)


O Gott, Du Liebhaber reiner Seelen, ‘„von dem
jegliches vollkommene Geschenk kommt,“’
auch ich
[198]‘„trete zu Dir hin und flehe mit ganzer Inbrunst
meines Herzens“’
um die Gabe und Gnade der stan-
desmäßigen Keuschheit, denn ‘„ich weiß, daß ich nicht
keusch zu leben vermag, wenn Du es nicht verleihest“’
.
Schenke mir diese Gnade! Wie kostbar ist vor Dir
das züchtige und ehrbare Zusammenleben der Ehe-
leute, welche ein reines Herz haben! Auf ihnen ruhet
Dein Wohlgefallen; sie erfahren den Segen Deiner
besten Gaben und Gnaden; von ihnen gehet Heil und
Segen aus über die Kinder. ‘„O wie schön ist ein
keusches Geschlecht!“’
– So lasse denn nicht zu, daß
ich im ehelichen Zusammleben mich zügellos den
sinnlichen Gelüsten in die Arme werfe, ‘„wie Roß
und Maulesel, die keinen Verstand haben,“’
laß nicht
zu, daß ich die h. Scham mit Füßen trete, ‘„wie die
Heiden“’
und so ‘„Dich von mir und meinem Herzen
ausschließend dem Teufel über mich Gewalt einräume“’
.
Nein, o Herr, o nein! ‘„Lasse uns zusammenkommen
so, wie es Kindern der Heiligen geziemt,“’
‘in der
Furcht des Herrn, mehr aus Liebe zu den Kindern,
als aus Lust.“’
– Du hast nur huldreich Anspruch
auf solche Gnade gegeben im h. Sakrament der Ehe,
Du bist bereit, sie mir zu schenken, wenn ich nach
Gebühr bei Dir flehend darum anhalte. Sieh, Herr,
ich flehe darum; so gieb sie mir! Durch diese Gnade
hast Du zu aller Zeit in Deiner h. Kirche jene hei-
ligen Eheleute gebildet, die selbst im Ehestande ein
[199] enthaltsames Leben führten. Durch sie werde auch ich
stark sein, die unordentliche Sinnlichkeit zu zügeln;
durch sie gekräftigt werde ich treu verharren in den
Schranken, die Du gesetzt hast; von ihr erleuchtet
und geweihet werde ich den Zweck des ehelichen Stan-
des stets im Auge haltend mir nie erlauben, was
ihm nicht entspricht; von ihr gestärkt werde ich ent-
haltsam sein, so viel es Dein h. Wille ist Du star-
ker Gott, ‘„bei dem Alles möglich ist,“’ erhöre mich!

O h. Jungfrau Maria und Du jungfräulicher
Bräutigam derselben, h. Joseph, und ihr h. Eheleute
allzumal, bittet für mich. Amen.

Litanei des christlichen Vaters.


Herr, erbarme Dich meiner! – Christe, erbarme
Dich meiner!

Herr, erbarme Dich meiner! – Christe, höre mich!

Erbarme Dich meiner!

Gott Vater vom Himmel,

Du großer Vater, von dem alle Vaterschaft ausgeht,

Gott, Du himmlischer Vater meiner Kinder,

Der Du meine Kinder mehr liebst, als ich sie
lieben kann,

Der Du willst, daß sie bei Dir ewig selig werden,

Der Du auch für sie Deinen eingebornen Sohn
dahingegeben hast,

Der Du Deine Engel zu ihrem Schutze sendest,

Der Du sie meiner Liebe und Sorge anvertrauet hast,

Der Du willst, daß ich sie Dir erhalte und für
Dich erziehe,

Der Du mich darüber einst zur strengen Rechen-
schaft ziehen wirst,

Der Du die treue Erfüllung der Vaterpflichten
unaussprechlich belohnen willst,

[200]

Gott Sohn, Erlöser der Welt,

Der Du für uns Mensch geworden bist,

O Jesu, der Du selbst zum Kinde geworden das
zarte Alter der Kinder geheiligt hast,

O Jesu, Du liebevollstes Kind,

O Jesu, Du dankbarster und gehorsamster Sohn
Deiner h. Eltern,
O Jesu, Du Freund der Kinder,

Der Du die Kleinen zu Dir kommen hießest, um
sie zu herzen und zu segnen,

Der Du über Alle, welche den Kindern Anlaß
zum Bösen sein würden, Wehe gesprochen hast,

Der Du Alles, was um Deinetwillen an den
Kindern geschieht, als Dir geschehen erachtest,

Der Du meine Kinder geliebet und Dich selbst
für sie dahingegeben hast,

Der Du auch für sie Deine h. Kirche mit allen
Gnadengütern ausgestattet hast,

Der Du mich durch das h. Sakrament der Ehe für
meinen Vaterberuf geweihet und begnadiget hast,

Der Du mir in Deiner h. Kirche für diesen Be-
ruf reichliche Gnade bereitet hast,

Gott h. Geist,

Der Du durch Deine Gnadenwirksamkeit in der
heil. Taufe meine Kinder zu Kindern Gottes
umgeschaffen hast,

Ohne dessen Gnade ich meine Pflichten an den
Kindern nicht heilsam erfüllen kann,

Ohne dessen Gnade meine Kinder nicht gut wer-
den und sein können,

Du Geist der Weisheit und des Verstandes,

Du Geist des Rathes und der Stärke,

Du Geist der Gottseligkeit und der Furcht des Herrn,

[201]

Du Geist der Wissenschaft und aller Gnaden, er-
barme Dich meiner!

Der Du oft schon in Kindern wunderbare Gnaden
wirksam gemacht hast, erbarme ꝛc.

H. Dreifaltigkeit, ein einiger Gott, erbarme ꝛc.

Bitte (bittet) für mich!

H. Maria,

Du Gottesgebärerin,

Mutter Christi,

Die Du Deinen göttlichen Sohn im Tempel ge-
opfert hast,

Die Du mit Ihm nach Aegypten geflüchtet bist,

Die Du Ihn drei Tage mit Schmerzen gesucht hast,

Die Du Ihn am Kreuze hast leiden und sterben
gesehen,

Die Du Ihn willig dem Vater zum Opfer ge-
bracht hast,

Die Du durch Seine Auferstehung und Himmel-
fahrt hoch erfreut worden,

Die Du nun mit Ihm im Himmel verherrlicht
bist,

H. Joseph,

Du Patron der christlichen Familien,

Der Du Deinen göttlichen Pflegesohn auf's Sorg-
fältigste beschützet und gepflegt hast,

Der Du das Glück hattest, mit Ihm so viele
Jahre zu leben und zu arbeiten,

Der Du in Seinen Armen Deinen Geist aus-
gehaucht hast,

Ihr hh. Schutzengel und Freunde meiner Kinder,
die ihr stets das Angesicht des himmlischen Va-
ters schauet,

Die ihr von Gott gesendet seid zum Schutze mei-
ner Kinder,

[202]

Die ihr voll Liebe zu meinen Kindern stets darauf
bedacht seid, sie zu schützen und zu führen,

H. Joachim, du frommer Gemahl der h. Anna,
du Vater der h. Jungfrau Maria,

Alle hh. Väter des alten Bundes,

Alle ihr hh. Väter, welche ihr eure Kinder lieber
in Martern sterben als ihren Glauben ver-
leugnen sehen wolltet,

Alle hh. Väter!

Die ihr mit der vollkommensten Sorgfalt die vom
Herrn euch geschenkten Kinder durch Wort und
Beispiel zur wahren Lebensheiligkeit erzogen habet,

Die ihr durch die treue Erfüllung eurer Vater-
pflichten auch selbst zur Heiligkeit und zur
höchsten Herrlichkeit im Himmel gelangt seid,

Alle h. Engel,

Alle h. Patriarchen und Propheten,

Alle h. Apostel und Märtyrer,

Alle h. Bischöfe, Priester und Bekenner,

Alle h. Jungfrauen und Wittwen,

Alle heiligen und unschuldigen Kinder,

Sei mir gnädig, verschone mich, o Herr!

Sei mir gnädig, erhöre mich, o Herr!

Erlöse mich, o Herr!

Von allem Uebel,

Von Gleichgültigkeit gegen meinen väterlichen Beruf,

Von Vernachlässigung meiner Vaterpflichten,

Von Geringschätzung des Seelenheiles meiner Kinder,

Von unzeitiger Liebe und Nachsicht,

Von Zorn und auffahrendem Wesen,

Von jeglichem bösen Beispiele,

Vom Geiste der Unkeuschheit,

Durch die Verdienste Deines Lebens, Leidens und
Sterbens,

[203]

Durch Deine Liebe zu den Kindern, erlöse mich, o Herr!

Durch den reichen Lohn, den Du denen verheißen
hast, welche sich um Deinetwillen der Kinder an-
nehmen, erlöse ꝛc.

Durch die Erbarmungen Deines göttlichen Herzens,
erlöse ꝛc.

Ich Sünder! Ich bitte Dich, erhöre mich!

Ich bitte Dich, erhöhe mich!

Daß Du mir die Gnade verleihen wollest, die
Hoheit meines väterlichen Berufes gebührend
zu erkennen!

Daß Du mir zur rechten Erkenntniß der Heilig-
keit und Wichtigkeit der Pflichten gegen meine
Kinder verhelfen wollest!

Daß Du mir im schweren Werke der Erziehung
Einsicht und Weisheit schenken wollest,

Daß Du mein Herz zur rechten Liebe gegen meine
Kinder lenken wollest,

Daß Du mich zum Eifer im Gebete für meine
Kinder erwecken wollest,

Daß Du meine Lehren und Ermahnungen segnen
wollest,

Daß Du mir die Gnade geben wollest, meinen Kindern
in Allem mit einem guten Beispiele vorzugehen,

Daß Du meine Kinder vor allem Leichtsinn und
vor jeglicher Todsünde bewahren wollest,

Daß Du den Geist wahrer Gottesfurcht und Fröm-
migkeit in ihnen begründen und erhalten wollest,

Daß Du ihnen den Schatz unverletzter Unschuld
erhalten wollest,

Daß Du die Nachstellungen des bösen Feindes
an ihnen zu Schanden machen wollest,

Daß Du sie vor den bösen Einflüssen der Welt
bewahren wollest,

[204]

Daß Du die Bemühungen der Geistlichen und Lehrer
an ihnen segnen wollest, ich bitte Dich, erhöre mich!

Daß Du sie in Deiner Gnade erhalten wollest, ich
bitte ꝛc.

Daß Du sie zum ewigen Leben führen wollest, ich
bitte ꝛc.

O Du Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst die
Sünden der Welt, verschone mich, o Herr!

O Du Lamm Gottes..., erhöre mich, o Herr!

O Du Lamm Gottes..., erbarme Dich meiner!

Christe, höre mich u. s. w.

Vater unser. – Ave.

Gebet.

O Gott, dessen Barmherzigkeit unermeßlich und
dessen Güte unendlich ist, ich danke Deiner mildesten
Majestät für alle Gaben und Gnaden, welche Du
meinen Kindern und mir in ihnen bisher verliehen
hast, und da Du den Flehenden ihre Bitte gewäh-
rest, so flehe ich unablässig zu Deiner Vaterhuld,
daß Du mich und meine Kinder nimmer verlassen
und uns zu den ewigen Belohnungen verhelfen wollest.
Durch Jesum Christum. Amen.

Gebet zum h. Herzen Jesu.


O heiligstes Herz Jesu, Du Sitz der vollkommensten
Liebe, Du Inbegriff aller Vollkommenheiten, würdig,
daß alle Herzen Dich aufs Höchste verehren, Dich lie-
ben, Dir anhangen; auch ich bringe Dir meine innigste
Verehrung dar; ich liebe Dich von ganzem Herzen und
wünsche nichts mehr, als daß ich Dich immer mehr lieben,
möge, um Dir mein ganzes Herz und Leben zu weihen.

O göttliches Herz, das Du Dich mit solcher Liebe
und Sorgfalt der Menschen angenommen und Alles,
[205] was zu ihrem Heile dienlich war, für sie gethan und
geordnet und Dich für sie in Schmach und Qual
und in den Tod hingegeben hast, erwecke auch in
meinem Herzen diese Gesinnungen der Liebe gegen
meine Kinder, auf daß ich ganz für sie lebe und,
wie Du, Alles aufbiete, sie zum Heile zu führen.

In Dein liebevolles Herz, o Jesu, empfehle und
beschließe ich meine Kinder. Du kennest die Gefahren,
denen sie ausgesetzt sind, die Feinde, die ihnen Ver-
derben drohen. Habe Mitleid mit ihnen! Nach der
Menge Deiner Erbarmungen eile ihnen zu Hülfe.

O heiligstes Herz meines Herrn, Du Inbegriff
aller Tugenden und Vollkommenheiten, tilge an mei-
nen Kindern Alles, was Dir an ihnen mißfällt; zer-
störe in ihnen die Sünde und vergieb ihnen alles Böse,
was sie wider Dich gethan haben. Was immer Dir
gefällt, das flöße ihnen aus Deinem allerheiligsten
Herzen ein. Wenn sie nur in deiner Liebe verbleiben,
so schalte im Uebrigen mit ihnen nach Deinem Wohl-
gefallen; nur verwirf sie nicht von Dir. Lasse sie auf
ewig mit Dir in Liebe und Seligkeit vereint sein. Amen.

Gebet zum h. Herzen Maria.


O h. Herz Mariä, der Mutter Gottes und unserer
Mutter, der Gegenstand des höchsten Wohlgefallens
der anbetungswürdigsten Dreieinigkeit und würdig, von
Engeln und Menschen verehrt und geliebt zu werden;
o Herz, das Du am meisten dem h. Herzen Jesu
gleichest, dessen vollkommenstes Ebenbild Du bist; Herz
voll Güte und des innigsten Mitleids gegen unser
Elend; Dir empfehle ich mich in der heiligsten An-
gelegenheit meines Lebens, in der Erziehung meiner
Kinder.

[206]

Dir, o liebevolles Herz Mariä, empfehle ich meine
Kinder; durch Deine Fürbitte vermagst Du Alles. So
flöße ihnen denn Liebe zu Deinen Tugenden ein und
entzünde in ihnen jenes h. Feuer, von welchem Du
allezeit entflammt warest. Wache über sie beschütze sie
und sei ihnen stets eine milde Zuflucht und eine un-
überwindliche Beste gegen die Anfälle des bösen Fein-
des. Sei ihre Hülfe in der Noth, ihre Kraft in Be-
drängniß, ihre Zuflucht in Versuchungen, ihr Beistand
in Gefahren; sei ihnen eine Mutter: Versöhne sie mit
Deinem Sohne, empfiehl sie Deinem Sohne, stelle sie
Deinem Sohne vor! Stehe ihnen bei jetzt und zu al-
ler Zeit, am meisten in der Stunde ihres Todes, o
gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria. Amen.

Gebet zum h. Aloysius.


O h. Aloysius, der du in neuester Mitwirkung
mit der Gnade ein wahrhaft engelgleiches Leben ge-
führt hast und von unserer Kirche als Vorbild und
Schutzpatron der Jugend verehrt wirst, ich empfehle
dir auch meine Kinder; nimm dich ihrer am Throne
Gottes an. Bitte für sie, damit auch sie in allen Ge-
boten des Herrn wandeln und wie du, die Sünde has-
sen und meiden. Erflehe ihnen die Gnade der Un-
schuld und Herzensreinigkeit, die dein Leben zieret; be-
wirke, daß sie so innig, wie du, den Herrn und Seine
h. Mutter verehren und lieben mögen. O h. Aloysius,
bitte für sie. Amen.

Appendix A Inhalts-Verzeichniß.

[207]
  • Vorrede 2
  • Der Vatername 7
  • Der Vaterberuf 15
  • Die Ausstattung 21
  • Erhabenheit. Strafe und Lohn 23
  • Der christliche Vater 28
  • Auch der Vater muß wahrhaft christlich sein 33
  • Ernst dieser Verpflichtung 38
  • Das Bild des christlichen Vaters. Skizze 40
  • Ein Zwischenakt 43
  • Das volle Bild 48
  • Wie soll das geschehen 52
  • Doch seien wir gerecht 56
  • Ausführung des Bildes 59
  • Mehre nicht ohne Noth die Schwierigkeiten 59
  • Gehe den Gefahren aus dem Wege 62
      • a) Gefahren für den Glauben 62
      • b) Das Wirthshausleben 64
      • c) Laß es nicht an Uebung fehlen 71
    • 1. Um was handelt es sich 72
    • 2. Bete 74
    • 3. Gedenke, daß du den Sonntag heiligst 78
    • 4. Steh auf und iß 80
  • Die Thätigkeit des christlichen Vaters 84
    • 1. Sammelt euch Schätze 86
    • 2. Das Regiment 92
      • a) Gesetz, Regel und Ordnung 94
      • b) Wachsamkeit 101
      • c) Strafe 104
    • 3. Die väterliche Fürsorge 115
      • a) Aufsicht 115
      • b) Der Sohn, die Tochter außer dem Hause 121
      • c) Der Sohn (die Tochter) in der Wahl des
        Berufes 127
  • Zwei vortreffliche Väter 138
  • [208] Ein Vater aus dem Münsterlande 149
  • Der Vater im Gebete 161

Gebete.

  • Um die Gnade christlicher Gottesfurcht und Fröm-
    migkeit 166
  • Um die Gnade des Glaubens 167
  • Um die Gnade der Mäßigkeit 168
  • Um Gnade wider unordentliche Hingebung an die Welt 169
  • Am Jahrestage der Verehelichung 170
  • Am Morgen 172
  • Am Abend 173
  • Bei der h. Messe für sich selbst 174
  • Bei der h. Messe für die Kinder 178
  • Um Weisheit 182
  • Um Sanftmuth 183
  • Zu Jesus dem Kinderfreunde 184
  • Zur h. Jungfrau 186
  • Zum h. Joseph 186
  • Zu den h. Schutzengeln 187
  • Zu den Namenspatronen 187
  • Um Segen für die Erziehung 188
  • Um Schutz für die Kinder 189
  • Um Bewahrung vor Todsünden 189
  • Um die Gnade der Keuschheit für die Kinder 190
  • Um Lenkung der Kinder 191
  • Um Gnade gegen hartnäckige Fehler der Kinder 192
  • Der Rosenkranz (für sich; für die Kinder) 194
  • Für die Ehefrau 196
  • Um standesmäßige Keuschheit 197
  • Litanei 199
  • Zum h. Herzen Jesu 204
  • Zum h. Herzen Mariä 205
  • Zum h. Aloysius 206

2.

1.

[[1]]
Die
christliche Mutter
in der
Erziehung und in ihrem Gebete
von
W. Cramer,
Domkapitular und Regens des bischöflichen Priester-Seminars.
‘„Eine der höchsten Gnaden ist für
den Menschen eine gute Mutter.“’
(Ein Kirchenfürst.)
Mit Erlaubniß der Obern.
Nein-Ertrag für den Bonifacius-Verein.
Vierzehnte Auflage.
A. Laumann in Dülmen: Katholische Verlags-Buchhandlung.
[[2]]

Einleitung.

[3]

Von achtbarer Seite ersucht, in dem ‘„Katholischen Mis-
sionsblatte“’
ein Wort zu bringen über jene, in neuerer
Zeit leider mehrfach abhanden gekommene ehrwürdige und
schöne Sitte, wonach katholische Mütter nach der Geburt
eines Kindleins ihren ersten Kirchengang in einer gewissen,
von der Kirche geregelten feierlichen Weise anstellen, gaben
wir diesem Ansinnen um so lieber Raum, als wir schon
seit Langem uns sehr nachdrücklich angeregt fanden, ein
Wort an die christlichen Mütter überhaupt zu richten. Der
‘„erste Kirchengang“’ aber schien zu diesem Gegenstande einen
vortrefflichen Eingang zu bilden.

So begaben wir uns denn mit wahrer Herzensfreude
an die Arbeit. Je weiter wir aber darin fortschritten,
desto mehr gewann die Ueberzeugung von der großen Be-
deutung dieses Gegenstandes Boden und Frische und es
trat immer bestimmter die Anregung auf, das zunächst
für's Missionsblatt Ausgearbeitete in einem besondern
Schriftchen herauszugeben, um es einem weitern Leserkreise
zugänglich zu machen. Als daher von verschiedenen Seiten
um eine solche Separat-Ausgabe des in einer Reihe von
Nummern des Missionsblattes Gebrachten angelegentlich
ersucht wurde, so entschlossen wir uns dazu um so leichter.

Es wird daher im Allgemeinen das im Missionsblatt
Gebrachte hier wiedergegeben. Da aber der enge Raum
des gedachten Blattes nicht überall die erwünschliche Aus-
führlichkeit gestattete. Etliches hierher Gehörige auch schon
in frühern Jahrgängen von uns besprochen war, so ist hier
manches etwas weiter ausgeführt, Anderes neu hinzugefügt.

Zur richtigen Würdigung des Werkchens sei noch bemerkt,
[4] daß der Abfassung desselben nicht so sehr der Zweck zu
Grunde lag, die Ausgabe der Mütter überhaupt und all-
seitig darzustellen, als vielmehr hauptsächlich nur die
Seite ihrer Aufgabe hervorzuheben, welche sie als christ-
liche
Mütter betrifft, also die religiöse Heranbildung
des Kindes und auch diese zumeist nur für die Jahre der
zartesten Kindheit. Eine solche Einschränkung nämlich war durch
den Wunsch, dem Werkchen eine möglichst große Verbrei-
tung anzubahnen, nahe gelegt. Manche Mütter sind nicht
in der Lage, umfangreichere Bücher zu lesen; selbst der
Kostenpunkt kommt bei einigen in Betracht. Bei kürzerer
Fassung also durfte auf einen desto größeren Leserkreis ge-
rechnet werden, was in diesem Falle um so schwerer in
die Wagschaale fällt, als es sich um einen Punkt handelt,
der überhaupt und besonders in unsern Tagen so tief
in's Leben einschneidet.

Will es ja doch in unsern Tagen so fast scheinen, als
habe Alles sich verbündet, den Menschen Religion und
Glauben zu rauben. Während von der einen Seite die
ganze Art, wie sich mehr und mehr die äußern Lebensver-
hältnisse gestalten, darnach angethan ist, den Menschen
gegen Gott und das Höhere gleichgültig und davon ab-
wendig zu machen, so gewinnt leider von der andern Seite
der höllische Plan, jede Einwirkung der Kirche und der
Geistlichkeit aus der Schule zu verbannen und so der Ju-
gend den Einfluß einer religiösen Anleitung vorzuenthalten,
immer mehr an Ausdehnung und an Aussicht auf Ver-
wirklichung. Was bleibt da, wenn es sich um die erste
christliche Heranbildung der Jugend handelt, noch übrig,
als das Haus und das christliche Walten der Familie und
in ihr besonders der Mutter, welcher in den meisten Fällen
insbesondere die zarte Jugend des Kindes fast ausschließ-
lich anheimgegeben ist? Wie viel liegt daher grad in
unsern Tagen daran, daß sie eine wahrhaft christliche
Mutter
sei und ihre Kinder grade in den Jahren, wo
einerseits die gottentfremdete Welt ihren verpesteten Einfluß
an ihnen noch nicht geltend machen kann, und andererseits
das so empfängliche und bildsame kindliche Herz dem er-
ziehenden Einflusse so reichliche Empfänglichkeit bietet, in
den Geist wahrer christlicher Gottesfurcht und Frömmigkeit
[5] tief einführe! Dadurch werden die Herzen der Kinder in
jenen ersten Jahren ihres Lebens, wo sich das ganze Men-
schenwesen so recht eigentlich setzt, eine gewisse christliche
Durchwürzung und Durchfärbung erfahren, welche leicht
für's ganze Leben, auch unter den spätern verderblichen
Einflüssen einer bösen Welt vorhält; und es hat daher
das Wort eines noch lebenden Kirchenfürsten, welches wir
zu unserm Motto gewählt haben, grad in unsern Tagen
die vollste Wahrheit: ‘„Eine der höchsten Gnaden für den
Menschen ist eine gute Mutter.“’

Dazu kommt, daß der Geist unserer Zeit in so hohem
Grade darnach angethan ist, Jünglinge, welche von Gott
den Beruf zum geistlichen Stande erhalten haben, ihrem
Berufe untreu und abwendig zu machen und so jenen
Mangel an Priestern – ein Uebel, unter dessen traurigen
Folgen schon so manche Theile der katholischen Welt seufzen
– immer mehr herbeizuführen. Darf aber von einem
Knaben oder Jünglinge, der von Gott mit dem erhabenen
Priesterberufe begnadigt ist, nicht mit Grund gehofft wer-
den, daß er demselben treu bleiben und zur Zeit ein guter
Priester sein werde, wenn er das Glück hat, daß durch eine
wahrhaft christliche Mutter in seiner zarten Jugend mit
dem Geiste wahrer Gottesfurcht und Frömmigkeit zugleich
auch der Priesterberuf gewahrt und genährt wird? So
ruhet denn auch von dieser Seite die Hoffnung der heil.
Kirche und der christlichen Welt vielfach auf den christlichen
Müttern; und da wir vom Herrn den Beruf erhalten
haben, angehenden Priestern in ihrer letzten Vorbereitung
zu ihrem h. Stande zur Hand zu gehen, so war es ganz
insbesondere dieser letztgedachte Umstand, welcher an der
obengedachten Anregung, das vorliegende Werkchen heraus-
zugeben, wesentlich Theil hatte.

Die lebendige Ueberzeugung aber, daß die der christlichen
Mutter vom Herrn anvertraute Aufgabe ihre erwünschte
Lösung nur finden könne, wenn der Segen der göttlichen
Gnade sie und ihr Wirken begleitet und sie es also ver-
steht, diese Gnade sich in entsprechender Art durch Gebet und
fromme Uebung zu vermitteln, vermochte uns, für die
wichtigsten Anliegen einer christlichen Mutter besondere
Gebete zu verfassen und sie zum Schlusse anzufügen.

[6]

Wie glücklich würden wir uns schätzen, wenn diese unsere
Arbeit ihr Scherflein dazu beitrüge, solche kostbaren Zwecke
zu fördern! – So wolle denn der Herr dem Büchlein
rings in die christlichen Familien hinein gnädig den Weg
bahnen und seine Lehre im Herzen und Leben der Mütter
wirksam machen.

Münster, am Octavtage der ‘„Unschuldigen Kinder“’ 1872.

Der Verfasser.

Vorwort zur elften Auflage.

[7]

Seit wir in den ersten Tagen des Juni d. J. die
achte Auflage mit etlichen Worten begleiteten, ist eine
neunte und zehnte Auflage derselben in kurzen Zwischen-
räumen gefolgt und schon wieder vergriffen. Also in sieben
Monaten zehn Auflagen! Sollten wir's verhehlen, daß uns
das um der guten Sache willen zu einer überaus
großen Freude gereicht? ‘„Werden ja nun,“’ so sagen wir
in Wiederholung der Worte der achten Auflage ‘„viel tausend
Mütter, indem sie unser Werkchen lesen, vertraut mit einem
Gegenstande, welcher über die allerwichtigste und heiligste
Angelegenheit ihres Lebens handelt; gern und freudig geben
wir uns der Hoffnung hin und flehen ohne Unterlaß darum
zum Herrn, daß die Lesung nicht ohne Frucht bleiben und
durch treue Beobachtung der im Büchlein gegebenen Winke
und Ermahnungen der Segen einer wahrhaft christlichen
Erziehung in desto vollerem Maße sich über die lieben Kin-
der verbreiten möge, um so mehr, wenn die guten Mütter,
was wir zuversichtlich hoffen, auch fleißig den zweiten Theil
des Büchleins brauchen und in ihren Berufsangelegenheiten
sich oft betend vor dem Herrn finden lassen,“’
und, setzen
wir hinzu, dadurch über ihre mütterlichen Bestrebungen
eine desto reichere Fülle der göttlichen Gnade herabziehen.
Dazu kommt, daß die anerkennenden Stimmen über unser
Werkchen sich gemehrt haben, wie denn viele hochachtbare
Mütter uns ihre dankbare Anerkennung persönlich kund
gegeben haben, zu desto freudigerer Zuversicht, daß der
Zweck, den wir durch Abfassung unseres Werkchens ver-
folgten, in reichem Maße Erfüllung finde. Dem Herrn,
von dem alle gute Gabe kommt, sei Preis und Dank!

Münster, am Rosenkranzfeste 1872.

Der Verfasser.

Vorwort zur dreizehnten Auflage.

[8]

‘„Wir bitten den Herrn, daß Er auch diese elfte Auf-
lage in die Hände der christlichen Mütter einführen wolle
u. s. w.“’
– so schlossen wir unser Vorwort zur elften
Auflage Anfangs Oktober v. J. Auch diesmal sind unsere
Wünsche über alles Verhoffen hinaus erfüllt worden: Auf
die elfte Auflage ist bald eine zwölfte gefolgt und auch sie
ist schon wieder vergriffen, so daß unser Büchlein in nahezu
30,000 Exemplaren in allen Theilen Deutschlands verbreitet
ist. Ein unaussprechlicher Trost für uns! Dürfen wir
uns ja nunmehr der Hoffnung hingeben, daß, wenn eben
so viel tausend Mütter unser Büchlein benutzen, seine
Lehren beherzigen und befolgen, seine Gebete verrichten,
daraus Heil und Segen sich ergießen werde über noch
viel mehr tausend Kinder. So möge denn nun diese drei-
zehnte Auflage den Kreis seiner Leserinnen noch weiter
ausdehnen und jenen Segen und Trost mehren!

Unterdeß haben wir – mehrseitig uns ausgesprochenen
Wünschen folgend – ein ähnliches Werkchen für Väter
verfasset und wird dasselbe in der allernächsten Zeit unter
dem Titel: ‘„Der christliche Vater“’ erscheinen. (5 Sgr.)
Da es auf manche Punkte in Betreff der Erziehung der
Kinder eingeht, welche in der ‘„christlichen Mutter“’ nicht,
oder nicht so eingehend behandelt sind, so glauben wir es
auch den Müttern empfehlen zu dürfen, um so mehr, da
seine Anschaffung leicht zugleich für die Väter Anlaß sein
würde, es zu benutzen. Muß Eltern nicht Jedes willkom-
men sein, was dazu beitragen kann, das, was ihnen das
Theuerste ist, das Wohl ihrer Kinder zu fördern?

Münster, am Feste der h. Monika,

4. Mai 1873.

Der Verfasser.

Der erste Kirchengang.

[9]

Die neuere Zeit, welche sich von Gott und Re-
ligion, d. i. von der Wahrheit, vielfach losgesagt hat,
weiß nicht mehr von der wahren Bestimmung des
Menschen und läßt den Wahn herrschen, als ob
Alles nur dahin zu zielen habe, daß das ganze
Leben hier auf Erden möglichst ausgestattet sei mit
Lust und Ehre und daher auch mit irdischen Gütern.
Die heil. Kirche dagegen und die ihr von Gott
anheim gegebene Wahrheit lehrt, daß das Leben des
Menschen und Alles in der Welt nur dahin zu
zielen habe, daß der Mensch nach seiner wahren
Bestimmung als Kind Gottes Ihm diene und so
Ihn verherrliche und selig werde. Auch vom ehe-
lichen
Verhältnisse gilt das. Die höchste Aufgabe
der Eheleute ist, daß sie in ihrem Ehestande und
durch ihn Gott dienen und ihr Heil wirken, und
insbesondere, daß sie die Kinder, womit der Herr
ihre Ehe segnet, vor Allem dazu anleiten, daß auch
sie Gott dienen und ihr Heil wirken.

Darum lässet die h. Kirche nach der Anordnung
ihres Herrn ihre Kinder in das eheliche Verhältniß
nicht so ohne Weiteres eintreten, sondern sie heiligt
und weihet zuvor dieses Verhältniß durch das vom
Herrn in ihr geordnete Sakrament der Ehe. Durch
dasselbe werden nach dem erhabenen Vorbilde der
Einigung Christi mit Seiner h. Kirche Mann und
Frau geheimnißvoll auf's Engste mit einander ver-
[10] knüpft, so daß sie gewissermaßen aufhören, zwei zu
sein; ‘„sie werden Zwei in Einem Fleische sein“’;
und in Kraft desselben h. Sakramentes senket sich
sofort und fortan über die also geeinten Eheleute,
so viel sie sich empfänglich erweisen, jegliche Gnade
des Herrn, welche Noth thut, auf daß das eheliche
Verhältniß ein wahrhaft christliches sei, und sie,
‘„zusammenkommen, nicht wie die Heiden, welche
Gott nicht kennen, sondern, wie es Kindern der
Heiligen zusteht.“’

Nun hat das also geweihete und geheiligte ehe-
liche Verhältniß den Segen des Herrn empfangen;
die Gattin ist Mutter geworden. In Mutter-
freuden hält sie das Söhnchen, das Töchterlein in
ihren Armen. Das Wort des Herrn ist an ihr
wahr geworden: ‘„Ein Weib, so es gebieret, hat
Traurigkeit, weil ihre Stunde gekommen ist; hat
sie aber das Knäblein geboren, so gedenkt sie
nimmer ihrer Nöthen ob der Freude, daß ein
Mensch geboren ist.“’
Aber ihre Freude soll noch
voller werden.

Die Kirche eilt zur Mutter, nimmt das Knäb-
lein aus ihren Armen, auf daß es an ihrer Hand
im Bade der Wiedergeburt von dem unseligen Erbe
der Stammeltern befreiet wiedergeboren werde zum
Kinde Gottes. Und so empfängt es dann die be-
glückte Mutter von der h. Kirche, und indem sie
ihren Glaubensblick auf dem Lieblinge ruhen lässet,
schauet sie, wie ihr Kind nun auch ein Kind Gottes
ist, angethan mit all' der Herrlichkeit, welche sich
ziemet für das Kind eines so großen Vaters, von
Ihm, wie von ihr, ja mehr noch geliebt, ausge-
[11] stattet mit dem ehren- und gnadenvollen Anrechte,
zur Zeit Erbe zu werden all' Seiner himmlischen
Herrlichkeit und Freude.

Ist das nicht dazu angethan, das Herz einer
Mutter, so es anders vom Glauben erleuchtet ist,
zur höchsten Freude zu erheben?

Und welch' ein Beruf, der ihr nun geworden!
Das Kostbarste, was es für Gott selbst außer Ihm
gibt, Sein Kind, in welchem das Bild Seiner gött-
lichen Majestät sich spiegelt, gibt Er (freilich auch
dem Vater, aber so fast mehr noch) der Mutter
anheim, daß sie fortan Seine Gehülfin sei in
dem großen Werke der Heranbildung dieses Seines
Kindes zu jener Herrlichkeit und Seligkeit, welche
Er ihm für alle Ewigkeit zugedacht hat, und auf
daß sie theilhaft werde der Freude, welche da liegt
in dem Bewußtsein, einen Menschen also beglückt
zu haben ewiglich. Welch' ein Beruf! Und daher
welche Würde, die ihr dadurch übertragen worden,
die Mutterwürde!

Siehe da die Lage einer christlichen Ehefrau,
nachdem sie Mutter geworden! Wird – ja muß
ihre Seele nicht voll dankbarer Freude sein? Wird
das Bewußtsein ihrer Mutterwürde und der hohen
Aufgabe, welche ihr dadurch aufgelegt ist, ihr Herz
nicht zugleich heben und zu heiligem Ernste
stimmen?

Und wenn nun, nachdem auch die Wehen im
Geleite des Neugeborenen glücklich überstanden und
die Herstellung erreicht worden, der Gang zum
Gotteshause wieder gestattet ist, was liegt näher,
als daß dieser erste Kirchengang nicht in der
[12] gewöhnlichen Art, sondern in gewisser feierlicher
Weise geschehe? Wird nicht, wenn sie das Haus
dessen, der sie mit Wohlthaten und Gnaden über-
häuft hat, nun wieder betritt, der Dank gegen Ihn
mit erneuerter vermehrter Innigkeit in ihrem Herzen
sich regen? Wird sie diesen Dank im Hause des
Herrn nicht aus der ganzen Innigkeit ihrer Seele
aussprechen? Wird nicht das Bewußtsein ihrer
Mutterwürde und Mutterpflicht lebendiger sich er-
heben und auffordern, hier, an den Stufen des
Altares, vor dem Angesichte des Herrn das heilige
Gelöbniß niederzulegen, alle Obliegenheiten ihres
Mutterberufs fortan gewissenhaft und treu erfüllen
zu wollen? Und wie nahe liegt's, daß sie hier an
heiliger Stätte mit erneuerter und vermehrter
Innigkeit und Zuversicht den Liebling ihres Herzens
dem Herrn und Seiner heiligen Mutter empfehle
und den Segen der göttlichen Gnade herabflehe
über sich und über ihren Mutterberuf und über
Alles, was sie fortan im schwierigen Werke der
Erziehung zu thun habe.

Lauter Fassungen und Uebungen, welche sich bei
einer wahrhaft christlichen Mutter, wenn sie nun
ihren ersten Kirchengang macht, so fast ganz
von selbst
ergeben. Aber unsere h. Kirche, die
so gern in allen Angelegenheiten des höhern Lebens
ihren Kindern beispringt, um als die erleuchtete
und vom Herrn hochbegnadigte Mutter ihre
frommen Uebungen zu unterstützen und zu fördern,
sie hat auch die christliche Mutter in der gedachten
geweiheten Stunde ihres Lebens nicht allein lassen
wollen; sie gesellet sich in der Person ihres Dieners
[13] ihr zu, damit sie gleichsam an ihrer Hand den
ersten Kirchengang machend die heiligen Uebungen
desselben desto gottgefälliger und ersprießlicher vollführe.

An der Thüre der Kirche wird die Mutter, die
ihren ersten Kirchengang macht, vom Diener der
Kirche in Rochet mit Stola empfangen. Die hei-
liche Kirche hat bei ihr das Auge so fast nur ge-
richtet auf die Würde und Aufgabe, welche sie
durch die Geburt des Kindleins als dessen Mutter
hat; daher gleich beim ersten Begegnen der Wunsch,
daß Gottes Gnade über sie komme, um fortan
ihres Berufes würdig zu wandeln. Indem nämlich
die Kirche durch den Priester die Mutter mit Weih-
wasser besprengt, spricht sie: ‘„Es besprenge dich
der Herr mit dem Thaue der himmlischen Gnade.
Amen.“’
Als wolle sie sagen: Wie die Tropfen
des von mir geweihten Wassers, den Thautropfen
ähnlich, über dich kommen, so möge auch die gött-
liche Gnade wie linder Thau für deinen Mutter-
beruf über dich kommen. – Dann wird der Mutter
– und auch dabei hat die h. Kirche die Mutter-
würde im Auge – ein brennendes Licht in die
Hand gegeben, gleichsam als Mahnung: ‘„Lasse
fortan das Licht“’
des christlichen Glaubens und
eines echt christlichen Wandels ‘„leuchten“’ vor deinem
Kinde, ‘„auf daß es deine guten Werke sehe“’ und
sie nachahmend ‘„den Vater im Himmel preise“’;
in die andere Hand wird das Ende der Stola ihr
dargereicht, zum Zeichen, daß sie sich fortan in der
Erziehung ihres Kindes und auch jetzt auf's innigste
der heiligen Kirche anschließen wolle. ‘„Auch jetzt“’:
Im innigsten Anschlusse an die h. Kirche macht sie
[14] ihren ersten Kirchengang und dessen Uebungen. Daher
die Worte bei Ueberreichung der Stola: ‘„Trete
hinein in den Tempel Gottes, bete“’
– dankbar
‘„an den Sohn der seligen Jungfrau Maria,
welcher dir die Fruchtbarkeit der Nachkommenschaft
verliehen hat.“’

Und in den Lesungen und Gebeten, welche die
heilige Kirche nunmehr beim Hingange zum Altare
durch ihren Priester im Namen der Mutter aus-
spricht, kommt verschiedentlich und immer von Neuem
das Dreifache zum Ausdruck, was in solchem Falle
im Herzen der Mutter mit Recht vorausgesetzt
wird: Der Dank für die erfahrene göttliche Huld,
der Entschluß, das Kind christlich zu erziehen und
das Flehen um den dazu erforderlichen göttlichen
Beistand.

Auf dem Wege zum Altare wird der 120. Psalm
gesprochen: ‘„Ich habe meine Augen erhoben zu den
Höhen“’
(des Himmels, zum Herrn), ‘von woher
mir Hülfe kommt; meine Hülfe kommt vom Herrn,
der Himmel und Erde gemacht hat,“’
der also
mächtig ist zu jeglicher Hülfe. Diese Worte legt
die h. Kirche gewissermaßen der Mutter in den
Mund, theils in dankbarer Erinnerung an die
nunmehr in ihrem Kinde erfahrene ‘„Hülfe“’ des
Herrn, theils in der zuversichtlichen Hoffnung, sie
fernerhin für sich und für ihr Kind zu erfahren.
Dann flehet im folgenden Verse die Kirche selbst
für die Mutter: ‘„Nicht wolle der Herr wanken
lassen deinen Fuß, nicht möge Er schlummern in
deiner Hut! Nein,“’
so wendet sie sich dann an
die Mutter, ‘„nein, Er schlummert nimmer, Er
[15] schläft nicht, der Sein Volk beschützt. Der Herr
behütet dich, der Herr ist dein Schirm zu deiner
Rechten. Tags wird dir die Sonne nicht lästig
fallen, noch zur Nachtzeit der Mond. Vor jeglichem
Uebel wird dich der Herr behüten, behüten wird
der Herr deine Seele, behüten wird er deinen
Eingang und deinen Ausgang von nun an immer-
dar. Ehre sei dem Vater...“’

Nunmehr findet das Anliegen der Mutter Aus-
druck im h. Vater unser, welches ihr die Kirche
für ihre Person und in Betreff ihres Kindes in
den Mund legt. ‘„Herr, erbarme dich unser,
Christe, erbarme dich unser, Herr erbarme dich
unser! Vater unser u. s. w.“’
Die Mutter betet
es in ihrem und des Kindes Namen in Andacht
mit! ‘„Vater unser“’, mein und meines Kindes
Vater; ‘„geheiligt werde dein Name“’; sei gepriesen
für alle Huld und Gnade, welche du, da du mich
hast Mutter werden lassen, mir, – und in der
Geburt und Wiedergeburt meinem Kinde erwiesen
hast. O möchte doch durch mich und mein Kind
fortan allimmerdar dein heiliger Name verherrlicht
werden! Verleihe es durch deine Gnade! ‘„Zu-
komme dein Reich!“’
Verleihe, o Vater, mir und
meinem Kinde, daß wir stets vollen Antheil an den
Segnungen deiner heiligen Kirche erlangen und so
zu immer würdigern Mitgliedern derselben gedeihen;
‘„dein Wille geschehe“’ allimmerdar an mir und
meinem Kinde und auch von mir und durch mich
von meinem Kinde! ‘„Unser tägliches Brod gib
uns heut!“’
Im Zeitlichen gib und ordne Alles
zu meines Kindes und meinem Heile. ‘„Ver-
[16] gib....“’
, was ich bisher verbrochen habe. ‘„Führe
uns“’
– mich und mein Kind – ‘„nicht in Ver-
suchung, sondern erlöse uns vom Uebel. Amen.“’

An das h. Vater unser schließen sich folgende
Wechselgebete, wodurch die h. Kirche die Gnaden-
hülfe und den Schutz des Herrn auf die Mutter
für ihren Mutterberuf herabfleht:

P. ‘„Mache selig deine Dienerin,’

D. ‘Die auf dich, o Gott, hoffet!’

P. ‘Sende ihr Hülfe von deinem Heiligthume,’

D. ‘Und von Sion aus beschütze sie.’

P. ‘„Nichts vermöge der“’ (böse) ‘„Feind wi-
der sie,’

D. ‘Und der Sohn der Bosheit“’ (der Teufel)
‘„lege es nicht darauf an, ihr zu schaden.“’

P. ‘Herr, erhöre mein Gebet,’

D. ‘Und mein Rufen komme zu dir!’

P. ‘Der Herr sei mit euch!’

D. ‘Und mit deinem Geiste!“’

Lasset uns beten!

‘„Allmächtiger ewiger Gott, der du durch die
Geburt der seligsten Jungfrau Maria die Schmer-
zen der Gebärenden, welche gläubig sind, in Freude
verwandelt hast, siehe gnädig herab auf diese deine
Dienerin, welche, um dir Dank zu bringen, freudig
zu deinem Tempel, eilt und verleihe, daß sie durch
die Fürbitte der h. Jungfrau Maria nach diesem
Leben mit ihrem Kinde eben so“’
(freudig, wie jetzt
zum Tempel) ‘„zu den Freuden der ewigen Selig-
keit gelangen möge. Durch Christum unsern Herrn.
Amen.“’

[17]

Welch' ein treffliches Gebet! ‘„Durch die Geburt“’
Jesu sind ‘„die Schmerzen der Gebärenden, welche
glauben, in Freude verwandelt“’
: denn die gebo-
ren
werden, die werden nun auch wiederge-
boren
zu Kindern Gottes und zur reichsten Erb-
schaft des göttlichen Vaters. Ohne diese Wieder-
geburt
wäre eines Kindes Geburt nur Grund zu
Leid und Trauer. – ‘„Die, um dir Dank zu
bringen, froh zum Tempel eilt“’
: ‘„Froh“’; wir
vernahmen die vielfachen Ursachen ihrer Freude;
‘„Dank zu bringen“’ dafür, ist auch Zweck
ihres heutigen Ganges. ‘„Verleihe, daß sie ebenso
mit ihrem Kinde zu den Freuden der ewigen Se-
ligkeit gelange“’
, d. h. verleihe, daß sie ihre Mutter-
pflichten treu erfülle und ihr Kind also in christ-
licher Gottesfurcht und Frömmigkeit erziehe, daß
sie zur Zeit sammt ihrem Kinde in den Tempel
deiner himmlischen Herrlichkeit eingehen möge,
‘„ebenso“’ wie heut, voll Freude, daß, wie sie, auch
ihr Kind, und zwar auch durch ihre Vermittlung
ewig also glücklich sein soll.

Die Verlesung des Anfanges des Evangeliums
vom h. Johannes: ‘„Im Anfange war das Wort
...“’
bildet den Schluß der Einführung, zur Mah-
nung für die Mutter, daß die durch das Evange-
lium mitgetheilten Lehren des menschgewordenen
Sohnes Gottes fortan Grundlage und Regel bilden
sollen, gleichwie für den eigenen Wandel, so auch
für das große Werk der Erziehung des Kindes.
Und zum Zeichen ihrer Bereitwilligkeit dazu und
ihrer Verehrung gegen die Lehre des Herrn küsset
die Mutter das vom Priester ihr dargereichte Buch
[18] bei den Anfangsworten des Evangeliums und em-
pfängt darauf den Segen der h. Kirche: ‘„Der
Segen Gottes des Vaters, des Sohnes und des
h. Geistes komme über dich herab und bleibe immer-
dar! Amen!“’

Ein ernstwichtiger Segen! Durch ihn erflehet
und spendet die h. Kirche der Mutter die Gnaden-
hülfe des Herrn für ihren Mutterberuf, auf daß
sie denselben in Kraft der himmlischen Hülfe nach
Gottes h. Willen, zur Ehre des Herrn und zum
Heil ihres Kindes vollführen möge.

Und so entlässet nun die h. Kirche die Mutter,
gleichsam eingeweihet, gesegnet und begnadigt für
ihre hohe Aufgabe, die sie an ihrem Kinde zu voll-
ziehen hat. In der That, so stellt sich dieser ganze
Akt der kirchlichen Einführung beim ‘„ersten Kirchen-
gange“’
dar als eine feierliche, von der Kirche voll-
zogene Einführung der Mutter in ihren mütter-
lichen Beruf. Freilich wird diese Gelegenheit auch
benutzt, um Gott, wie wir hörten, in feierlicher
Art den gebührenden Dank zu bringen. Als vor-
herrschend
ist doch der Zweck gerichtet auf den
mütterlichen Beruf; die Mutter soll – so will es
die Kirche – bei dieser Gelegenheit sich ihrer hoch-
wichtigen Aufgabe als Mutter bewußt werden; sie
soll sich und ihr Kind und Alles, was sie an ihm
thun wird, dem Herrn empfehlen; sie soll in das
wichtige Wert von der h. Kirche eingeführt und
eingesegnet werden; sie soll es fortan an der Hand
der Kirche vollführen.

Wie sehr steht es also zu bedauern, wenn dieser
schöne Akt von christlichen Müttern versäumt wird!
[19] Heißt das nicht, sich und dem Kinde die Segnungen
der h. Kirche vorenthalten, und sich des heilsamen
Einflusses dieser erbaulichen Handlung berauben?
Möchte daher der schöne Brauch wieder recht all-
gemein werden! Mögen alle Mütter, welche ihn
ausführen, es mit solchen Gesinnungen und in
solcher Weise thun, wie wir es angedeutet haben.
Gewiß es wird ein Segen sein für Mütter und
Kinder.

Beruf und Heranbildung der Mutter.


Ernst fasset unsere h. Kirche – wir vernahmen
es – den Beruf der christlichen Mutter auf; da-
her führet sie unter Gebet und Segnungen bei
ihrem ersten Kirchengange dieselbe feierlich in den-
selben ein. Sie soll fortan zunächst den jungen
Menschen, ihr Söhnchen oder Töchterlein in das
von Christo dem Herrn bereitete Heil, und daher
in den Geist wahrer Gottesfurcht und Frömmig-
keit einführen an ihrer (der Kirche) Statt und in
ihrem Namem. Was die Diener der h. Kirche
bei den Erwachsenen, das soll in gewissem Be-
trachte die Mutter in den ersten jugendlichen Jahren
an dem Kinde thun und also recht eigentlich eine
Dienerin der h. Kirche sein. Erhabener Beruf!
Fassen wir ihn ein wenig näher in's Auge.

Dem leiblichen Leben nach ist das Kind in seinen
ersten Jahren fast ausschließlich auf die Mutter
angewiesen. Seine körperlichen Organe sind noch
zu zart, als daß es seine leibliche Nahrung, wie
[20] die Erwachsenen, unmittelbar aus der Hand der
Natur empfangen könnte. Die Mutter em-
pfängt zuvor von der Natur die Nahrung für ihr
Kindlein und vermöge der weisen Einrichtung des
Schöpfers wird die also genommene Nahrung zum
Theil durch die besondern Organe ihres Körpers
zu einer für das zarte Kind geeigneten Nahrung
zugerichtet und dann dem Kindlein gespendet; es
ist die Muttermilch. Das Kind liegt an der
Mutterbrust und saugt begierig die Spende der-
selben, seine Nahrung, in sich auf. Und so ge-
deihet es seinem leiblichen Leben nach und wächset
heran gewissermaßen in den Armen seiner Mutter,
an der Mutterbrust.

Aber das Kindlein hat ein anderes Leben em-
pfangen – in der h. Taufe; es ist das übernatür-
liche Leben der heiligmachenden Gnade, wodurch es
ein Kind Gottes ist. Wie nun der Herr die
Nahrung für das natürliche (leibliche) Leben in der
äußern Natur niedergelegt hat, so hat er die Nah-
rung für das übernatürliche Leben hauptsächlich
der Kirche anheimgegeben. Sie nährt und fördert
dasselbe durch ihre Lehre, durch ihre Gnadenmittel,
durch ihre Leitung. Aber sie thut es, so lange
dieses höhere Leben im Kinde noch zart und un-
entwickelt ist, nicht unmittelbar, sondern vorwiegend
durch die Mutter. Auch hier ist das Kind nicht
fähig, das was zum Gedeihen und Wachsthum
seines übernatürlichen Lebens, oder was dasselbe
sagt, was für seine Heranbildung zu Gottesfurcht
und Frömmigkeit der h. Kirche anheimgegeben ist,
unmittelbar zu empfangen; es muß ihm von der
[21] Mutter so zubereitet, wie es für sein zartes Alter
passet, geboten werden; die Mutter muß die hei-
ligen Lehren und Weisen und Tugenden des christ-
lichen Lebens in kindlich-herablassender Weise, ge-
wissermaßen als nährende Milch dem Kinde bie-
ten, auch in diesem Sinne soll das Kind in
seinen jugendlichen Jahren gewissermaßen an der
geistigen Mutterbrust ruhen, und es soll seinem
übernatürlichen Leben nach gedeihen und heran-
wachsen in den Armen seiner Mutter – an der
Mutterbrust.

In der That, die Mutter vertritt an ihrem
Kinde in den ersten Jahren recht eigentlich die
Stelle der h. Kirche. Die Aufgabe, welche die
Kirche vom Herrn empfangen hat, den Menschen
das christliche Heil zu vermitteln und sie daher
zur christlichen Gottesfurcht und Frömmigkeit an-
zuleiten, soll in den ersten, zartesten Jahren des
Menschen insbesondere, ja fast ausschließlich durch
die christliche Mutter gehandhabt werden. Die christ-
liche Mutter ist die Dienerin der Kirche an ihrem Kinde.
Wehe, wenn sie ihre Aufgabe nicht erkennt und erfüllt!

Kaum darf man hoffen, daß ein Mensch, welcher
nicht früh durch seine Mutter zu echt christlichem
Geiste herangebildet wurde, je ein wahrhaft guter
Christ werden möge. Wie der Mensch überhaupt
das von Christo bereitete Heil nicht erlangt, wenn
es ihm nicht von der Kirche gespendet wird, so
bleibt er fast immer mehr oder weniger dessen be-
raubt, wenn die Mutter es versäumt, ihn schon
als Kind in dasselbe einzuführen.

Aber wohl dem Kinde, welches eine wahrhaft
[22] christlich-fromme Mutter hat, die es versteht und
sich angelegen sein lässet, ihm von zartester Kind-
heit an den christlichen Geist einzuhauchen und zur
Uebung aller christlichen Tugenden es anzuleiten.
Fast mit Sicherheit läßt sich voraussehen, daß auf
diesem von einer solchen Mutter gelegten Funda-
mente sich später das Gebäude der christlichen Fröm-
migkeit hoch ausbauen, daß das Kind ein wahrhaft
guter Christ sein und zum ewigen Heile gelangen
werde. Wie groß ist die Zahl der Heiligen, welche
ihre wunderbare Heiligkeit und die hohe Stufe
ihrer himmlischen Herrlichkeit nächst Gott eben dem
heilsamen Einflusse zu verdanken haben, den eine
fromme Mutter in ihrer zarten Jugend auf sie
geübt hat. Ja wie viele unter den Heiligen hatten
eben Heilige zu Müttern, – der Hauptgrund ihrer
eigenen Heiligkeit. – Welch ein Segen daher für
das Kind, eine echt christliche, wahrhaft fromme
Mutter zu haben!

Die christliche Mutter ist die Dienerin der
Kirche; waltet sie ihres Amtes würdig, so geht
Segen von ihr aus auf das Kind und auf die
menschliche Gesellschaft. Darum läßt die h. Kirche
es sich auch in jeder Art angelegen sein, daß, so
viel an ihr, wahrhaft christliche Mütter herange-
bildet werden, welche würdig ihre Stelle an den
Kindern vertreten möchten. Ja Gott selbst wollte,
da Er der Mutter einen so hohen und wichtigen
Beruf an ihren Kindern gegeben hat, sie auch, so
viel an Ihm, dafür tauglich machen. Wer kann
es verkennen, daß die Personen des weiblichen Ge-
schlechtes eine gewisse natürliche Anlage zur Gottes-
[23] furcht und Frömmigkeit und insbesondere zu den-
jenigen Tugenden, welche für die rechte Behandlung
und Erziehung zarter Kinder von Bedeutung sind,
im Allgemeinen in viel reicherem Maaße, als
männliche Personen, vom Herrn empfangen haben,
so daß es ihnen in mancher Hinsicht leichter wird,
die christliche Frömmigkeit und jene Tugenden zu
üben, und darin Fortschritte zu machen. Ohne
Zweifel hat der Schöpfer der weiblichen Natur
diese Einrichtung gegeben ganz insbesondere mit
Rücksicht auf den mütterlichen Beruf. Da der
jugendliche Mensch in den ersten Jahren seines
Lebens, in den Jahren, wo sein Herz für den Ein-
fluß der Erwachsenen am empfänglichsten sich er-
weiset, ganz vorzüglich, ja fast ausschließlich auf
die Mutter angewiesen ist, welche, während der
Vater seinen Geschäften nachzugehen hat, so fast
den ganzen Tag das Kind um sich hat; da eben
deßhalb so viel daran liegt, daß der Einfluß der
Mutter ein guter und sie daher vom Geiste echter
Gottesfurcht und Frömmigkeit beseelt sei, so hat
der Herr auch selbst durch die natürliche Ein-
richtung des weiblichen Wesens der Mutter die
Uebung der Frömmigkeit und der für eine Mutter
nöthigen Tugenden desto leichter machen, desto näher
legen wollen. Um so mehr wehe der Mutter, wenn
es ihr daran fehlt!

Aber auch die h. Kirche läßt es sich, wie schon
angedeutet, auf's Angelegentlichste am Herzen liegen,
wahrhaft christlich-fromme Mütter heranzubilden.
Wer kennte nicht die mannichfaltigen Bestrebungen,
Einrichtungen, Vereine und Genossenschaften in
[24] unserer h. Kirche zum Besten der Jugend, um sie
überhaupt in echt christlicher Gesinnung und be-
sonders in unverletzter Unschuld zu erhalten? So
fern sich diese auf christliche Jungfrauen beziehen,
hat die Kirche dabei ganz insbesondere die Heran-
bildung derselben für jenen Beruf im Auge, wel-
cher der großen Mehrzahl der Jungfrauen zur
Zeit zufallen wird, den mütterlichen Beruf. Sie
möchte echt christliche Mütter heranbilden.

Daher insbesondere ihre Wachsamkeit und Sorge,
wenn nun der erste Schritt zu dem ernstwichtigen
Berufe geschehen, wenn die Jungfrau Braut ge-
worden ist. Ach vielleicht ist die Gefahr, nunmehr
an dem kostbarsten Gute und Schmucke ihrer Seele,
an der Unschuld Schaden zu nehmen, desto größer
geworden. Die Kirche erkennt in der ganzen
Größe das Unglück, welches darin liegt, wenn eine
Jungfrau ihren Brautstand mißbraucht zu Leicht-
sinn und Ausschweifung und an ihrer Unschuld
schiffbrüchig wird. Wie könnte sie in einer solchen
Unglücklichen, bei welcher mit der Lauterkeit des
Herzens und Lebens nur zu bald die gesammte
christliche Tugendhaftigkeit wankend und zu Schan-
den wird, noch eine wahrhaft gute Mutter erhoffen?
Daher der hohe Ernst ihrer Mahnungen, ihrer
Warnungen, ihrer Rügen auf der Kanzel, im
Beichtstuhle und wo immer sich Gelegenheit bietet;
daher der Aufwand aller möglichen Mittel, um es
zu erwirken, daß ihre Bräute in unverletzter Un-
schuld und mit reinem Herzen am Traualtare er-
scheinen. Ist das der Fall, so werden sie – die
Kirche hofft es zuversichtlich und freudig – zur
[25] Zeit gute Mütter sein. Haben wir nicht eben in
dem Leichtsinn des verlobten Standes die Ursache
zu beklagen, warum zuweilen die Ehen so unglück-
lich, so gottentfremdet sind und daß darin die
Elternpflichten so arg vernachlässigt werden?

Der ernste Zeitpunkt, wo die Jungfrau Ehe-
gattin werden soll, rückt heran. Mit mütterlicher
Angelegentlichkeit tritt daher die Kirche an sie heran,
Alles aufbietend, daß der ernste Schritt nicht ohne
die gewissenhafteste Vorbereitung geschehe. Sie
hat es ihren Dienern zur Pflicht gemacht, die christ-
lichen Bräute vor dem Antritte des ehelichen Standes
zu sich zu bescheiden, um sie zu solcher Vorberei-
tung anzuregen und ihnen zugleich eine eingehende
Unterweisung über die Pflichten und Obliegenheiten
des ehelichen Standes zu geben. Und da sind es
ganz insbesondere die Elternpflichten, welche der
Pfarrer ihnen darlegt, und deren treue Erfüllung
er mit allem Nachdruck ihnen einschärft.

Nun ist der Augenblick da: Die Braut soll an
den Traualtar hintreten, um zu ewigem Bunde
dem Bräutigam die Hand zu reichen. Aber nicht
so ohne Weiteres lässet die h. Kirche dieselbe zur
h. Stätte hintreten. Hat sie schon im Braut-
examen zu gewissenhafter Vorbereitung auf die
ernste Handlung und daher zu frommen Uebungen
angeregt, so soll nun am Vorabende des Ver-
mählungstages, am Morgen desselben die Braut
mit ihrem Bräutigam zum Richterstuhle der Buße
und demnächst zur h. Communion gehen, um
dann rein von jeglicher Sünde und in Vereinigung
mit dem göttlichen Erlöser am Traualtare zu erscheinen.

[26]

Und während sie den ernsten Schritt thut, steht
die h. Kirche ihr zur Seite. In ihrer Gegenwart
soll das h. Bündniß geschlossen werden, auf daß
es zu einem h. Sakramente werde
und ihren
Segen empfange. Also durch ein h. Sakrament
lässet die h. Kirche im Auftrage des Herrn die
Braut in den Ehestand treten, auf daß durch die
geheimnißvolle Wirkung desselben die Ehe geheiligt
und gleichsam der geheiligte Boden sei, aus dem
die Kinder in heiliger Weise entsprießen möchten;
und daß durch die gnadenvollen Wirkungen dieses
h. Sakramentes die Eltern und vorab die Mütter
in den Stand gesetzt würden, die von Gott ge-
schenkten Kinder in wahrhaft christlicher Weise zu
erziehen.

So hält es die h. Kirche mit dem ehelichen
Stande, und mit dem darin begriffenen mütter-
lichen Berufe. Er ist ihr heilig. Daher ihre
Sorge und ihr Bestreben, dahin zu wirken, daß er
von den Eheleuten, insbesondere von der Ehefrau
heilig gehalten, heilig angetreten und heilig geführt
werde.

Wohl der Jungfrau und der Gattin, welche
diese Vorbereitung an der Hand der Kirche treu
und nach ihrem Willen vollführt! Kommt die
Zeit, wo die h. Pflichten des Mutterberufs zu er-
füllen sind, so wird sie als eine wahrhaft christ-
liche
Mutter sich erweisen, und groß wird der
Segen sein, der von ihr ausgeht. Das war die
Schule, in welcher jene Mütter herangebildet sind,
welche unsere h. Kirche als Heilige verehrt, eine
[27] h. Elisabeth, eine h. Hedwig, eine h. Monika, eine
h. Paula und so viele Andere.

Aber wird es nicht – besonders in unsern Ta-
gen, von Vielen verschmähet, also in der Schule
der h. Kirche und an ihrer Hand zu einem so
wichtigen und folgenschweren Stande und Berufe
sich vorzubereiten? Wo ist der Geist der Gottes-
furcht und Frömmigkeit bei so manchen Jung-
frauen? Ach all ihr Sinnen und Trachten ist in
Putzsucht, eiteln Tand und Vergnügen aufgegangen.
Kein Eifer im Gebet, im Besuch der Kirche, im
Empfange der hh. Sakramente; Verletzung der
heiligsten Pflichten gegen die Eltern; eitele, nichtige
Vergeudung der Zeit. Und wie steht's um die
Unschuld des Herzens? Ach, an ihr hat man längst
Schiffbruch gelitten.

Und dann die Zeit des verlobten Standes:
Wird sie nicht mißbraucht zu den abscheulichsten
Sünden?! Während man Alles aufbieten sollte,
um durch desto größern Eifer in allem Guten sich
zu einem so wichtigen Stande vorzubereiten, häuft
man Sünde auf Sünde.

Und wie erscheint man dann endlich am Trau-
altare? Ach, der Leichtsinn des Brautstandes reicht
auch in den Vermählungstag hinein; keine Spur
von jenem h. Ernste, der hier ziemte. Ja em-
pfängt man nicht gar in Folge der vorangegangenen
ungültigen Beicht und unwürdigen Communion das
h. Sakrament der Ehe unwürdig? Entsetzlich! Mit
einem dreifachen Gottesraube, mit dreifacher Tod-
sünde in den Ehestand treten!

Wie kann da Gottes Segen im Ehestande wal-
[28] ten?! Wie soll man da insbesondere erwarten,
daß eine solche Person eine gute Mutter sein werde?
Ach, die Erfahrung bestätigt es, nach solchen Vor-
gängen haben die unglücklichen Kinder einer solchen
Ehe Mütter, welche, anstatt ihnen den Geist der
Gottesfurcht und Frömmigkeit einzuflößen, vielmehr
durch Wort und Beispiel Schuld werden an ihrem
Verderben.

Nothwendige Vorbedingungen.


Die christliche Mutter ist an ihren kleinen Kin-
dern die Dienerin der Kirche. Wie diese die Auf-
gabe hat, ihre Genossen ihrer von Gott ihnen gege-
benen Bestimmung entgegenzuführen, so die Mut-
ter in Betreff ihrer Kinder: Sie soll (mit dem Va-
ter) also auf dieselben einzuwirken suchen, daß sie,
so viel an ihr ist, ihre Bestimmung erreichen. Der
Mensch hat – wenn wir wollen, – eine doppelte
Bestimmung, eine Bestimmung für dies irdische
Leben und eine Bestimmung für die Ewigkeit, eine
irdische und eine überirdische, höhere. Im Grunde
gibt es freilich nur eine Bestimmung, die über-
irdische; sie zu erreichen, dazu soll auch die irdische
dienen. Die Aufgabe der Eltern, und zunächst der
Mutter ist es demnach, das Kind von früh an für
diese doppelte Bestimmung heranzubilden. Gewiß
soll sie daher dem Kinde von früh an, so viel an
ihr ist, die entsprechende Anleitung geben in Allem,
was für seine irdische Bestimmung, für sein zeit-
liches Fortkommen und für seine Zukunft in der
menschlichen Gesellschaft nothwendig oder nützlich
[29] ist. Aber noch viel mehr soll sie ihr Kind dazu
anleiten, daß es seine ewige Bestimmung erreiche,
daß es also zu einem würdigen Mitgliede der
h. Kirche heranwachse und so einst würdig er-
scheine, ein Mitglied des Reiches Gottes im Him-
mel zu sein.

Das ist also recht eigentlich die Aufgabe, die
höchste Aufgabe der Mutter, daß sie (freilich im
Verein mit dem Vater) ihre Kinder zu wahrer
Gottesfurcht und Frömmigkeit führe. Alles, was
sonst noch einer guten Mutter für ihre Kinder
am Herzen liegen kann und soll, ist im Vergleich
hierzu nur höchst untergeordneter Art; so viel das
Leben in der Ewigkeit länger und daher wichtiger
ist, als das kurze Leben hier auf Erden, so viel
steht die Heranbildung ihrer Kinder für die Ewig-
keit, also zur Gottesfurcht und Frömmigkeit, höher,
als ihre Heranbildung für die Zwecke dieses
Lebens.

Also, ihre Kinder von frühester Jugend an zu
einer wahren Gottesfurcht und Frömmigkeit anzu-
leiten und zu erziehen, das ist in der That die
höchste Aufgabe, der eigentliche Beruf einer christ-
lichen Mutter, der wichtigste Punkt in der christ-
lichen Erziehung. Hat eine Mutter sich auch alle
erdenkliche Mühe gegeben und es verstanden, ihre
Kinder für das Leben in der Welt auf's Beste zu
erziehen, hat sie ihnen alle möglichen Kenntnisse
und Fertigkeiten und Geschicklichkeiten vermittelt, so
daß sie in der Welt wohl aufzutreten wissen, daß
sie das, was dem Stande und den Verhältnissen
derselben entspricht, auf's Beste verstehen; hat sie
[30] es aber versäumt oder es nicht verstanden, dem
Herzen ihrer Kinder zugleich den Geist echter
Gottesfurcht und Frömmigkeit einzupflanzen, so
müssen wir sagen, sie hat ihre Aufgabe nicht ge-
löset, sie hat ihrem Berufe nicht entsprochen, sie ist
keine gute Mutter an ihren Kindern gewesen; wie
schwer wird ihre Verantwortung vor dem Richter
sein! Und ihre Kinder, mögen sie auch für die
Welt noch so geschickt und tüchtig sein, und in der
Welt noch so hoch gehalten werden, sind dennoch
unaussprechlich zu bedauern; was sie auch durch
ihre Mutter erlangt haben, das Beste, das We-
sentlichste, das Rechte ist ihnen vorenthalten worden.

Gottesfurcht und Frömmigkeit, das ist das Erste
und Höchste, was die Mutter ihren Kindern von
frühester Jugend an vermitteln soll; Gottesfurcht
und Frömmigkeit, das soll die kostbare Mitgift der
christlichen Mutter für ihre Kinder sein. Darin
liegt das Höchste, das Wesentlichste der Berufs-
aufgabe der Mutter ausgesprochen. Soll sie die-
selbe aber in erwünschter Weise lösen, so thuen vor
Allem zwei Stücke Noth, die wir daher zunächst
in's Auge fassen müssen. Das erste ist, daß die
Mutter vom Geiste wahrer Gottesfurcht und Fröm-
migkeit beseelt sei; und das zweite, daß sie eine
wahre Liebe zu ihren Kindern trage. Also zu-
nächst:

Die Gottesfurcht und Frömmigkeit


der Mutter. – Die Mutter muß, um ihre Kinder
recht und gut erziehen zu können, selbst wahrhaft
gottesfürchtig und fromm sein.

[31]

Kann ich denn einem Andern geben, was ich
selbst nicht habe? Wie soll denn eine Mutter ihren
Kindern den Geist der christlichen Frömmigkeit ein-
hauchen, wenn sie ihn selbst nicht hat? Oder, wer
kann einem Andern Anweisung oder Anleitung ge-
ben in einer Sache, welche er selbst nicht versteht?
Nehmen wir die geringfügigsten Dinge, oder ein
Handwerk, ein Kunst, eine Wissenschaft, – um
Andere darin anzuleiten, muß man – Jeder
weiß es – sie erst selbst gelernt haben. Sollte
es mit der Gottesfurcht und Frömmigkeit anders
sein? O nein, da ist es nur noch viel mehr der
Fall, wie in allen übrigen Dingen: Man muß
sie, um Andere zu ihr anzuleiten, zuvor selbst sich
angeeignet haben. Doch die Sache ist so wichtig,
wir müssen nothwendig ein wenig näher in sie ein-
gehen.

Zuvor wird es wohl einer Mutter, welcher der
Geist christlicher Frömmigkeit abgeht, überhaupt am
Herzen liegen, ihre Kinder dazu anzuleiten? Nie-
mand thut etwas Rechtes für eine Sache, welche
ihm gleichgültig ist. Siehe da den Grund, warum
manche Eltern, oder bleiben wir bei den Müttern,
warum manche Mutter sich so wenig oder gar
nicht darum kümmern, daß ihre Kinder gottes-
fürchtig und fromm werden. Alles lernen in man-
chem Hause die Kinder von der Mutter, häusliche
Beschäftigungen, Geschicklichkeiten, Artigkeiten; nur,
was zu einem echt christlichen, gottgefälligen Leben
gehört, Religion und christliche Tugend, Eifer zum
Gebete am Morgen, am Abende, bei Tische; Liebe
und Eifer für Kirche und Gottesdienst, die Uebungen
[32] des katholischen Lebens – das lernen sie nicht,
davon hören oder sehen sie zu Hause von der
Mutter wenig oder gar nichts. Warum? Es liegt
der Mutter selbst nichts daran.*)

Also, soll man von der Mutter erwarten, daß
sie ihren Kindern eine religiöse Anleitung gebe, so
muß sie selbst von lebendiger Gottesfurcht beseelt
sein. Nur dann wird sie sich fernerhin dazu ver-
stehen, die Mühe und Anstrengung, welche damit
verbunden ist, zu übernehmen. Immer nämlich
ist, besonders auf die Dauer, die gute Erziehung
der Kinder mit manchen Beschwerden und Opfern
verbunden; es kostet leicht von Tag zu Tag viel-
fache Selbstverläugnung, wenn eine Mutter es sich
nach Gebühr will angelegen sein lassen, ihre Kin-
der in der rechten Weise zu entsprechender Be-
[33] schäftigung, zum Besuche der Schule und der Kirche
zum Gebete anzuleiten, oder über ihr Thun und
Lassen gebührend zu wachen, in Betreff ihres Um-
ganges ein wachsames Auge zu haben, sie in der
rechten Weise zu belehren, zu ermahnen, zu rügen,
zu bestrafen. Und doch ist das alles und so man-
ches Andere erforderlich, wenn das Kind gut wer-
den soll. Dazu versteht sich aber auf die Dauer
nur eine echt christliche Mutter. Der Mutter,
welche nicht in wahrer Frömmigkeit befestigt ist,
wird leicht Alles zu viel; sie liebt das bequeme,
behagliche, angenehme Leben; das will sie sich auch
durch ihre Kinder nicht stören lassen; daher kümmert
sie sich um dieselbe nicht mehr, als Noth thut.

Kann man aber nur von einer wahrhaft christ-
lich-frommen Mutter erwarten, daß sie sich mit der
religiösen Heranbildung ihrer Kinder befasse, so
kann auch nur ihre Wirksamkeit Erfolg haben.
Nur eine wahrhaft und herzlich fromme Mutter
vermag es, eine Sprache zu reden, welche das
kindliche Herz versteht und welche in dasselbe ein-
dringt. Je mehr ihr Herz von Liebe zu Gott be-
seelt ist und von dem Wunsche, daß auch ihr theures
Kind den Herrn lieben und Ihm dienen möge,
desto leichter lasset sie sich zu ihrem Kinde herab,
desto mehr findet sie Ausdruck und Weise, um in
kindlichem Tone verständlich zum Kinde zu sprechen,
und desto mehr dringt ihr Wort in das Herz des
Kindes ein. Was zu Herzen gehen soll, das muß
vom Herzen kommen. Wie tief senken sich daher
die Belehrungen und Ermahnungen einer wahr-
haft frommen Mutter in das zarte Kinderherz,
[34] um für das ganze Leben als ein Segen vorzu-
halten!

Aber ach, wie kalt und eindruckslos sind die
Worte einer Mutter, deren Herz Gott entfremdet
ist, wenn sie anders noch über Gott und Religion
zum Kinde spricht! Und sie lassen das Herz des
Kindes kalt.

Ferner ist die rechte und gute Erziehung eine
schwere Aufgabe. Wie soll man erwarten, daß alle
Eltern, hier, daß alle Mütter die Regeln und
Grundsätze der richtigen Erziehung kennen und ver-
stehen? Aber ist die Mutter vom Geiste echter
Gottesfurcht beseelt, so wird das vom Glauben
und durch die Gnade erleuchtete Herz ihr durchweg
für die Erziehung den rechten Weg zeigen, und ihr
frommes Leben wird für das Kind eine Schule
sein, in welcher es am Ende richtiger, als durch
alle Regeln und Grundsätze angeleitet wird. Daher
dann auch die Erfahrung, daß ein Kind, welches
wahrhaft fromme Eltern hat, auf die Dauer nicht
so leicht entartet; während nicht selten andere Kin-
der, die vielleicht ganz nach der Regel erzogen
werden, aber das gute Beispiel entbehren, in hohem
Grade mißrathen. Dazu kommt, daß das Kind,
namentlich in den früheren, zarteren Jahren, viel
weniger, am Ende noch gar nicht empfänglich ist
für religiöse Belehrung und Ermahnung in Wor-
ten
; aber desto besser versteht es die Sprache des
Beispiels der Mutter. Und es macht leicht und
so gern Alles nach, was es an und von der Mut-
ter sieht. Gott selbst hat diesen Nachahmungstrieb
und zwar in so hohem Grade im Kindesherzen
[35] hergestellt, damit das Kind desto mehr von der
Mutter lerne, was es lernen und verstehen muß,
indem Er voraussetzte, daß die Mutter nur Gutes
vor ihren Kindern zu Tage legen würde. So
wird denn, wenn die Mutter in wahrer Frömmig-
keit besteht, ihr tägliches gottgeweihtes Walten und
Thun für das zarte Kind eine Schule sein, worin
es die Weisen und Uebungen des christlichen Lebens
gewissermaßen schon eher lernt, als es sie verstehen
kann, um dann, wenn es sie versteht, desto sicherer
sie zu vollführen, und dem heilsamen Beispiele der
Mutter zu folgen.

So lernt das Kind von zartester Jugend an
von der Mutter und an ihrem frommen Beispiele
Gott und den Heiland lieben, es lernt voll Ehr-
furcht und Vertrauen zum Herrn seine Hände fal-
ten, es lernt Kirche und Gottesdienst schätzen und
gern besuchen; es lernt Barmherzigkeit gegen die
Armen; es lernt Arbeitsamkeit, Ordnung, Rein-
lichkeit, diese kräftigen Stützen christlicher Gottes-
furcht; es lernt Milde, Sanftmuth, Freundlichkeit;
es lernt Wahrhaftigkeit im Reden und welche Tu-
genden immer sonst noch im Leben der Mutter
hervortreten.

Glückliches Kind daher, welches eine wahrhaft
fromme Mutter hat! Ihr Leben und ihr Bei-
spiel ist seine Schule, worin es so fast, ohne es
zu wissen und ohne Mühe in alle Weisen des
christlichen Lebens eingeweihet und eingeführt wird.
Und was in dieser Schule des Beispiels gelernt
wird, wie senkt sich das so tief in das ganze Men-
schenwesen, um zu einem unverwüstlichen Funda-
[36] mente zu werden, auf dem christlicher Geist und
christliches Leben sich sicher und hoch aufbauet.

Schwerlich wird dagegen ein Kind wohl gedeihen,
welches in seiner zarten Jugend den Einfluß einer
guten Mutter und den Segen ihres gottgefälligen
Lebens nicht erfahren hat. Vielmehr wird sich,
wenn die Mutter gegen Gott und Tugend gleich-
gültig ist und ein kaltes Herz hat, diese Kälte und
Gleichgültigkeit auch dem Kinde mittheilen, und
was wird vermögend sein, die Eisrinde, welche sich
um sein zartes Herz bildet, wieder aufzulösen?
Wie wird es zur Zeit gelingen, dem Kinde ein
Interesse zu vermitteln für Gott und Religion und
Tugend, für etwas, wovon es zu Hause wenig
oder nichts gehört und gesehen hat, was ihm
in den Jahren, wo das Herz seine Färbung er
hält und der Wille Richtung nimmt, fremd ge-
blieben ist? Namenloses Unglück für ein Kind,
eine Mutter zu haben, welche sich aus Gott und
Religion und aus einem christlichen Leben nichts macht!

O, wenn alle christlichen Mütter das begriffen,
wie unendlich viel daran liegt, daß sie aufrichtig
gottesfürchtig und wahrhaft fromm sind, welch ein
Antrieb müßte es für sie sein, aus allen Kräften
dahin zu streben! So viele Kinder der Herr ihnen
gegeben hat, so vielfach dringt der Aufruf dazu an
ihr Herz. Denn alle diese Kinder werden nur dann
wahrhaft gut, wenn die Mutter es ist; sie werden
nur insofern gut, als die Mutter es ist. Je mehr
die Mutter in echter, gediegener Frömmigkeit fort-
geschritten ist, desto mehr ist sie befähigt, ihre Kin-
der gut zu erziehen, zu desto höheren Stufen kann
[37] sie dieselben heranführen. Sind nicht so manche
Heilige, wovon wir schon Erwähnung thaten, Be-
leg dafür? Sie hatten heilige Mütter; und
diesen hatten sie es nächst Gott zu danken, daß
sie Heilige wurden.

Auf denn, christliche Mütter, werdet euch bewußt
der Erhabenheit eures mütterlichen Berufes, der
nichts Geringeres zur Aufgabe hat, als die von
Gott anvertrauten Kinder zu Gott zu führen; und
eingedenk, daß es unmöglich ist, diese Aufgabe zu
erfüllen, ohne daß ihr selbst Gott euerm Herrn
von ganzem Herzen anhanget und dienet, bietet
Alles auf, um immer mehr fortzuschreiten in der
wahren Liebe zu Gott, in der treuen Erfüllung
Seines h. Willens, in allen christlichen Tugenden.
Das sei der Gegenstand euerer eifrigsten Gebete,
daß der Herr euch mehr und mehr Gnade dazu
gebe.

Die Liebe.


Aber wozu denn hierüber viele Worte? Wo
wäre denn eine Mutter, die ihre Kinder nicht
liebte? Liebe, – die innigste, zärtlichste Liebe
der Mutter zum Kinde ist ja die natürliche Mit-
gift ihrer Mutterschaft. Nur bei der äußersten
Entartung eines Mutterherzens würden wir sie
vermissen; es wäre geradezu Unnatur. Von
dieser – natürlichen – Mutterliebe ist hier
nicht die Rede. Wir sprechen von der Liebe der
christlichen Mutter zu ihrem Kinde, in sofern
sie eine Vorbedingung ist für die Erfüllung ihres
Mutterberufes an ihren Kindern. Dazu reicht
[38] diese blos natürliche Liebe nicht aus; dazu bedarfs
einer höhern, der christlichen, der übernatür-
lichen
Mutterliebe. Von ihr sprechen wir.

Die blos natürliche Mutterliebe reicht, wenn es
sich um die Erfüllung der Pflichten handelt, welche
die christliche Mutter in Betreff ihrer Kinder hat,
nicht aus. Ja sie ist, sofern sie für sich allein
und nicht zur höhern christlichen Liebe veredelt ist,
nur zu leicht ein Hinderniß an der Erfüllung der
Mutterpflichten, die Ursache, daß dieselben gar nicht,
oder nicht gebührend erfüllt werden. Oder würde
es schwer sein, Beispiele zu finden, daß Mütter
sich durch ihre blos natürliche Liebe zu ihren Kin-
dern abhalten lassen, das an ihren Kindern oder
für dieselben zu thun, was doch für ihr wahres
Wohl nothwendig ist? Wie oft geschieht es, daß
Mütter, obwohl sie in jener natürlichen Weise ihre
Kinder fast unmäßig lieben, dennoch gerade das
an ihnen versäumen, was sie allein wahrhaft glück-
lich machen kann und sie in einer Weise groß
ziehen, welche zu ihrem Verderben führt. Muß
das nicht von allen Müttern gesagt werden, welche
nur das zeitliche Wohlergehen derselben im
Auge haben und nur dafür sich bemühen? Welche,
um ihren Kindern zeitlichen Gewinn, ein Unter-
kommen u. s. w. zu verschaffen, dieselben der augen-
scheinlichsten Gefahr aussetzen, in schwere Sünde
zu fallen, ihre Unschuld, ihren Glauben zu ver-
lieren?

Ihrer unzeitigen Liebe wegen verstehen sich auch
manche Mütter nicht dazu, ihre Kinder überhaupt
in der rechten Art zu strafen, in Zaum und
[39] Schranken zu halten, ihnen etwas zu versagen, so
sehr es auch Vernunft und Klugheit gebietet; sie
lassen ihnen in Allem ihren Willen, sie gestatten
ihnen, was zu ihrem Verderben dient, sie nähren
durch ihre unzeitige Willfährigkeit in ihnen allerlei
Unarten und Fehler. Könnten wir da, wo wir in
Leichtsinn und Sünde verkommene und unglücklich
gewordene Menschen kennen oder finden, überall
ihre Entartung bis auf die letzte Ursache verfolgen,
wie oft würden wir diese Ursache in den Müttern
derselben finden, eben gerade in ihrer unzeitigen
Liebe zu ihnen.

O ja, jene natürliche, durch den h. Glauben
und durch die Gnade nicht geregelte und geheiligte
und daher unzeitige Liebe der Mütter ist bei un-
zähligen Menschen der Grund zu ihrem zeitlichen
und ewigen Unglücke.

So wahr es daher ist, daß eine innige Liebe zu
den Kindern als ein nothwendiges Erforderniß für
die Erfüllung des Mutterberufs hingestellt werden
muß (sie muß ja der Mutter den Muth, die Ge-
duld, die Ausdauer, den Eifer zur Uebernahme all
der Beschwerden, Opfer und Mühen, welche damit
verbunden sind, geben), so sehr thut es auch Noth,
daß diese Liebe, damit sie diese Zwecke erfülle, den
übernatürlichen Charakter habe, eine christliche, über-
natürliche sei. Sie kommt aus der Gnade und
aus dem Glauben. Alle jene Eigenschaften, welche
wir an der natürlichen Mutterliebe finden, diese
Innigkeit, diese Hingebung, diese Opferwilligkeit,
hat auch die übernatürliche Mutterliebe zu eigen,
nur veredelt, gewissermaßen verklärt, nur in noch
[40] höherem Grade. Nimm einen Obstbaumstamm
und pflanze ihm ein edles Propfreis ein; je fri-
scher und kräftiger der wilde Stamm war, desto
fröhlicher und kräftiger wird das edle Pfropfreis
sich auf ihm entwickeln, desto herrlicher der edle
Obstbaum sich entfalten und Frucht tragen. Ein
solcher kräftiger Stamm ist die natürliche Mutter-
liebe; durch die Gnade und durch den Glauben
zur übernatürlichen Liebe veredelt, wird sie die Vor-
züge der natürlichen Liebe, nur auch veredelt und
erhöhet, erweisen.

Die wahrhaft christliche Mutter nämlich erkennet
in ihrem Kinde, da sie es mit dem Auge des Glau-
bens betrachtet, auch das Kind Gottes. Wie es
in der natürlichen Geburt aus ihr geboren und
dadurch ihr Kind ist, so ist es in der h. Taufe
aus Gott wiedergeboren und dadurch Gottes
Kind. Es ist nicht weniger, ja noch viel mehr
Gottes Kind, als ihr Kind. Alle Liebe daher,
welche die christliche Mutter zu Gott ihrem Herrn
trägt, die wendet sich kraft Seiner Gnade auch
auf Sein Kind, und da sie dasselbe auch als ihr
Kind liebt, so vereinigt sich nun mit dieser ihrer
natürlichen Liebe jene höhere übernatürliche, sie er-
höhend, sie verklärend.

Nicht allein; die christliche Mutter erschauet in
ihrem Kinde ein Brüderchen, ein Schwesterchen
Jesu Christi, des Gottmenschen, ja den Liebling
Seines heiligen Herzens. Sie weiß, wie sehr Je-
sus, der große Kinderfreund, die Kinder, auch ihr
Kind, liebe, wie theuer es Ihm ist. So sehr sie
daher ihren Heiland liebt, so sehr, um so viel
[41] mehr liebt sie um Seinetwillen und in Ihm ihr
Kind mit erhöhter und veredelter Mutterliebe.

Ihr Glaube sagt es ihr, daß ihr Kind ein Glied
ist in jener großen Gemeinschaft der Heiligen;
daß daher der ganze Himmel, Maria, die Himmels-
königin an der Spitze und mit ihr die Auser-
wählten allesammt sich für ihr Kind interessiren,
es als ihr Brüderchen und Schwesterchen lieben,
voll Theilnahme für dasselbe, voll Verlangen nach
seinem Heile. Sie weiß, daß auch jene erhabenen
himmlischen Geister, die h. Engel sich dieser Liebe
der Auserwählten zu ihrem Kinde anschließen, ja!
daß Einer aus ihrer Zahl der ganz besondere
Freund und Beschützer ihres Kindes ist. Wird es
nicht, muß es nicht den Liebling ihres Herzens
ihr unaussprechlich viel theurer machen?

Ihr Glaube lässet sie in ihrem Kinde das
Ebenbild Gottes schauen, welches, in der h. Taufe
mit der heiligmachenden Gnade ausgestattet, das
Bild des höchsten Gottes in sich trägt und daher
in den Augen Gottes unaussprechlich schön und
herrlich ist; er lässet sie in ihm einen Erlöseten
Jesu Christi, des Sohnes Gottes finden, für wel-
chen der Gottmensch auch Sein kostbares Blut
vergossen und welchen Er um diesen theuren Preis
erlauft hat; – er lässet in ihm einen Tempel des
h. Geistes erkennen, der vermöge der heiligmachen-
den Gnade geheimnißvoll in dem Kinde wohnt und
waltet; – er lässet in ihrem Kinde einen Erben
des Himmels sehen, bestimmt, einst ewig an den
Freuden und Wonnen des großen Vaterhauses
Theil zu haben. Muß das alles ihr das Kind
[42] ihres Herzens nicht unaussprechlich kostbar, ja hoch
und hehr erscheinen lassen? O ja! Und ihr Auge
wird fortan mit einer gewissen Ehrfurcht auf dem
Lieblinge ihres Herzens ruhen und das wird ihr
Mutterherz mit h. Freude erfüllen und mit Hülfe
der Gnade die Liebe desselben wundersam erhöhen
und zugleich verklären, und mit der tiefsten Inn-
brunst dieser geheiligten, übernatürlich erhöhten
Liebe wird sie ihr Kind in ihre Arme schließen,
an ihr Herz drücken.

Das ist die Liebe, welche nach Gottes h. Willen
die christliche Mutter zu ihrem Kinde haben soll,
welche ihrem Berufe entspricht. Darum ist Er auch
selbst bereit und darauf bedacht, durch besondere
Gnadenspendung diese übernatürliche Liebe ihr zu
vermitteln und immer höher zu fördern. Das ist
eine von den Gnadenwirkungen des h. Ehesakra-
mentes; und wenn die christliche Mutter fortan
durch Gebet, durch Beiwohnung der h. Messe
durch Beicht und Communion oder durch sonstige
Uebung eine Erneuerung und Mehrung der gött-
lichen Gnade erwirket, da ist es eben auch und
ganz besonders die Mutterliebe, welche durch die
Wirkungen dieser Gnade erneuert und gemehrt
wird. Die Liebe einer christlichen Mutter wurzelt
im tiefsten Grunde in der Gnade und gewinnt aus
ihr Bestand und Wachsthum und wird ganz ins-
besondere durch sie zu einer übernatürlichen. Ja
und eben jene Gesichtspunkte, welche, wie wir sahen,
zur Nährung und Mehrung der Mutterliebe der
Glaube bietet, erhalten schließlich durch diese
[43] Gnade ihr rechtes Licht, ihre volle Wirksamkeit
und Frucht.

Siehe da die Mutterliebe, von welcher wir hier
reden, die Liebe einer christlichen Mutter. Sie ist
das Werk, die Schöpfung Gottes im Mutterherzen.
Er, welcher diesem Herzen jene Macht der natür-
lichen Mutterliebe eingepflanzt hat, ist es auch,
welcher durch Seine Gnade und Wahrheit sie
übernatürlich verklärt, erhöhet und mehrt. Und
erregt das Werk der Natur, die natürliche Mutter-
liebe, mit ihren großen Wirkungen unsere Be-
wunderung und Verehrung, wie viel herrlicher,
schöner und größer ist das himmelentstammende
Werk der Uebernatur, die übernatürliche Mutter-
liebe! Und wie so viel mächtiger und herrlicher
sind ihre Wirkungen und Früchte!

‘„Stark, wie der Tod, ist die Liebe“’ – dieser
Ausspruch des h. Geistes findet seine Bewährung
schon bei der natürlichen Mutterliebe, aber wie erst
bei der übernatürlichen! Ja, jemehr eine Mutter
von echt christlichem Geiste beseelt ist, jemehr daher
die Liebe zu ihrem Kinde den übernatürlichen Cha-
rakter trägt, desto mehr ist es wahr: Keine Mühe
und Arbeit, keine Beschwerde und Unannehmlichkeit,
kein Opfer ist ihr zu groß, zu schwer für ihr
Kind. Welche Last ihr dasselbe bereite, welche
Entbehrungen es ihr auflege, und ob sie um seinet-
wegen nicht Ruhe habe bei Tag und bei Nacht,
sie verliert nicht den frohen Muth, sie harret un-
verdrossen aus; nimmer erliegt sie in Ungeduld
und Verdruß. Für ihr Kind lässet sie sich Alles
gefallen, für ihr Kind thut sie Alles, leidet sie Alles,
[44] opfert sie Alles; selbst das Leben würde sie für
dasselbe einsetzen. Was der h. Apostel von der
christlichen Nächstenliebe überhaupt sagt, wie ist es
voll und ganz erst wahr von der christlichen Mut-
terliebe: ‘„Sie läßt sich nicht erbittern, sie ist ge-
duldig, sie trägt Alles, sie übersteht Alles, sie ist
gütig, sie sucht nimmer das Ihrige.“’

Des Kindes Leid ist ihr Leid, sie nicht ruhen
lassend, bis sie es erleichtert, bis sie es abgewendet
habe; des Kindes Freude und Beglückung ist das
stete Ziel ihrer Wünsche und Bestrebungen, ist
ihre Freude und Beglückung. Das ist überhaupt
wahr, aber es ist ganz insbesondere und hauptsäch-
lich wahr von dem höhern Wohl und Wehe des
Kindes.

Die wahrhaft christliche Mutter erkennet und
schauet in ihrem Kinde – wir sagten es schon -
das Kind Gottes, ihr vom großen Vater anver-
trauet; sie soll es Ihm zuführen, sie soll, so viel
an ihr, bewirken, daß es einst zu Ihm in's Himm-
lische Vaterhaus gelange. Grad die übernatürliche
Liebe zum Kinde bewirkt, daß sie das wirklich thue.
Vermöge ihrer ist es der höchste Gegenstand ihrer
Sorge und Bemühung, ihr Kind zu einem voll-
endeten Kinde Gottes heranzubilden, es vor dem
größten Uebel, der Sünde und dem ewigen Ver-
derben zu bewahren, es zu dem höchsten Glücke,
zur Herrlichkeit und Seligkeit des Himmels zu
führen.

Nichts liegt der christlichen Mutter mehr am
Herzen, als daß das Kind vor der Sünde bewahrt
bleibe, daß es, wenn es gesündigt, wenn es Fehler
[45] an sich hätte, davon befreiet werde. So Blanka,
die gottselige Mutter des heiligen Königs Ludwig:
Als derselbe nach seiner Taufe ihr wieder zuge-
tragen wurde, nahm sie ihn in ihre Arme, drückte
einen Kuß auf seine Brust und sprach: ‘„Kind,
du bist jetzt eine Wohnung des h. Geistes; o möge
diese Wohnung nie durch eine Sünde entweihet
werden!“’
Als er heranwuchs, suchte sie ihm einen
großen Haß gegen die Sünde einzuprägen und
sprach gar oft wiederholentlich zu ihm: ‘„Mein
Sohn, lieber wollte ich dich des Thrones, ja des
Lebens beraubt, als mit einer Todsünde befleckt
sehen.“’
Wir kennen die Frucht dieser heiligen
Mutterliebe: Der Sohn wurde ein Heiliger.

Kein Leid, kein Schmerz, kein Uebel, – das
ist die Ueberzeugung der christlichen Mutterliebe -
kann auch nur von fern sich messen mit dem Leid,
dem Schmerze, dem Uebel, welche Sünde und
Verkehrtheit über das Kind bringen würde. Daher
liegt dieser wahren Mutterliebe nichts so fern, als
unzeitige Zärtlichkeit und Schonung, da, wo es sich
um die Verhütung oder Forträumung der Sünde
handelt. Daher nimmt die christliche Mutter nicht
Anstand, an ihrem Kinde eine strenge Zucht zu
üben, ihm Manches vorzuenthalten, es zu strafen,
ja selbst körperliche Züchtigung an ihm zu voll-
führen, so oft sie darin das einzige Mittel erkennt,
das Kind vor Sünde zu bewahren oder es zu
bessern. Ist ja ihre Liebe zum Kinde ein Aus-
fluß jener Liebe, die im Herzen Gottes gegen die
Menschen waltet. Hält dieselbe den Herrn ab,
uns, wo es Noth thut, zu züchtigen und zu stra-
[46] fen? Im Gegentheil: ‘„Die Gott lieb hat,“’ sagt
der Apostel, ‘„die züchtigt Er und hält streng jeg-
lichen Sohn, dessen Er sich annimmt.“’

Es ist dieselbe erleuchtete Liebe, welche die christ-
liche Mutter vermag, über ihr Kind zu wachen,
um, so viel an ihr, Alles von ihm fern zu halten,
was es in Gefahr bringen würde, an seiner Seele
Schaden zu nehmen, sei es im Hause oder außer
demselben, seien es leichtfertige Reden, böse Bei-
spiele, gefährlicher Umgang, bedenkliche Belusti-
gungen oder was immer. Je vollkommner die
Liebe, desto sorgsamer, desto eifriger diese Wach-
samkeit.

Daß das Kind in wahrer Gottesfurcht und
Frömmigkeit heranwachse, das ist der höchste Wunsch
eines jeden von der übernatürlichen Liebe beseelten
Mutterherzens. Je größer und inniger daher diese
Liebe, desto eifriger auch ihre Bestrebungen, das
Kind von frühester Jugend an durch Wort und
Beispiel zu allem Guten, zu immer vollkommnerer
Erkenntniß der religiösen Wahrheiten, zum Gebete,
zur Liebe gegen Gott, zu wahrer Nächstenliebe
und zu jeglicher Tugend anzuleiten. Wie nämlich
der Mutter eben wegen ihrer Liebe das zeitliche
Wohl ihres Kindes am Herzen liegt, so auch und
noch viel mehr, unendlich mehr, das Heil seiner
Seele, und daher, daß es in einem gottgefälligen
Leben bestehe und gedeihe. Weiß sie ja auch, daß
ohne Gottesfurcht und Frömmigkeit nicht einmal
hier auf Erden wahres Wohlsein zu Stande kommen
könne.

Ruft so die Liebe die eifrigsten und angelegent-
[47] lichsten Bemühungen der Mutter für das Wohl
des Kindes wach, so ist sie es auch, die den Eifer
des Gebetes für das Kind rege hält und mehrt.
Was nämlich die Mutter für ihr Kind auch thue,
es genügt ihr dennoch nimmer; ein viel reicheres
und höheres Glück, als sie ihm vermitteln kann,
wünscht sie ihrem Kinde. Darum führet die wahre
Liebe die Mutter immer von Neuem zum Throne
Gottes, um für ihr und Sein Kind alles das zu
erflehen, was ihrer Liebe für dasselbe erwünscht
erscheint.

Genug! Das Gesagte reicht hin, um zu zeigen,
welche hohe Bedeutung im Berufe der Mutter die
wahre, erleuchtete, christliche Liebe habe. Sie ist
die Bedingung, daß die Pflichten dieses Berufes
überhaupt, daß sie in rechter Weise, daß sie desto
vollkommener und erfolgreicher erfüllt werden. Auch
von ihr kann man sagen, was der h. Geist von
der ‘„Weisheit“’ sagt: ‘„Mit ihr ist mir Alles
Gute zugleich gekommen.“’
Und jemehr die Mutter-
liebe jenen wahrhaft höhern, christlichen, über-
natürlichen Charakter hat, desto reichlicher wird sie
die angedeuteten heilsamen Wirkungen erweisen.

Liegt darin nicht eine kräftige Aufforderung für
jede Mutter, diese übernatürliche Liebe zu ihren
Kindern in sich zu üben, zu nähren, zu vervoll-
kommnen? Sie thut es schon durch jede Uebung
des christlichen Lebens. Kann die Mutterliebe,
wovon hier Rede war, überhaupt nur bei einer
wahrhaft christlichen Mutter zu Stande kommen,
so wird durch jeden Fortschritt in der christlichen
Frömmigkeit auch sie Zuwachs und höhere Voll-
[48] kommenheit gewinnen. Aber auch unmittelbar wird
sie genährt und gefördert durch die Beherzigung
der Glaubenswahrheiten, welche wir oben in Er-
wähnung gebracht haben. Sie sollten also der
oftmalige Gegenstand des Andenkens, des Nach-
denkens, der Beherzigung der christlichen Mutter
sein. Dieselbe sollte sich gewöhnen, ihr Kind recht
oft mit dem Blicke des Glaubens zu betrachten.
Alles was dieser Glaubensblick an ihrem Kinde
oder in Betreff desselben erschauen läßt, ist in so
hohem Grade geeignet, das Kind ihrem Herzen so
viel theuerer zu machen.

Insbesondere aber sollte die Mutter zum Herrn
stehen, daß Er ihr solche Liebe verleihe; daß Er
durch Seine Gnade ihre natürliche Liebe überna-
türlich verklären und dieselbe in ihr zu immer
höherer Vollkommenheit führen möge. Doch wir
kommen noch darauf zurück.

Die Mitgift.


Wenn der Sohn, die Tochter, zu reiferen Jah-
ren herangewachsen, das elterliche Haus verlassen,
um ein eigenes Familienwesen anzutreten, da wer-
den sie von der sorgsamen Liebe der Eltern mit
dem, was zum Beginne eines eigenen Hauswesens
Noth thut, nach Kräften ausgestattet; das ist eine
Mitgift. Von dieser Mitgift ist hier nicht die
Rede. Wir haben ja das zarte, junge Kind im
Auge und den Einfluß der Mutter auf dasselbe.
Aber es gibt noch eine andere Mitgift welche von
[49] den Eltern, insbesondere von der Mutter auch schon
dem zarten Kinde vermittelt wird.

Wenn am Taufmorgen das Kindlein heimge-
tragen wird, da empfängt es die gläubige Mutter
mit dankgerührtem Herzen. Sie schauet in ihrem
Kinde nun auch das Kind Gottes; als solches ist
es hervorgegangen aus seiner Wiedergeburt in der
heiligen Taufe. Und vermöge dieser Wiedergeburt
ist es ausgestattet mit den kostbarsten Gütern des
Himmels, mit der heiligmachenden Gnade und mit
allen Vorzügen und Anrechten derselben. Das ist
die Mitgift des himmlischen Vaters, das ist die
Mitgift der geistigen Mutter des Kindes, der heil.
Kirche, für das Leben in der heiligen Kirche,
für das Leben in der Ewigkeit, für das ewige
Leben.

Aber auch von der leiblichen Mutter (wie vom
leiblichen Vater) hat das Kind eine Mitgift er-
halten und bringt sie mit auf die Welt. Das
sind die Eigenschaften der Mütter, ja vielleicht
ihre Eigenthümlichkeiten. Sie gehen in geheimniß-
voller Weise von der Mutter auf das Kind über.

Betrachte dieses Kind! Ist es nicht das Eben-
bild seiner Mutter? Dieselbe Gesichtsbildung,
dieselben Augen, dieselbe Stirn, dieselben Züge;
und wenn es heranwächset, welche Aehnlichkeit in
Größe und Körperbildung, im Gange und Be-
nehmen! Es ist als ob sich die Mutter ihrem
Körper nach im Kinde verjüngt habe. Aehnlich,
nur meist noch weit mehr, gehen auch die geisti-
gen
Eigenschaften der Mutter auf das Kind über,
besonders die Eigenschaften ihres Herzens. Lasset
[50] die Mutter recht sanft und milde und freundlich,
gütig und barmherzig sein, lasset sie auf Ordnung
und Reinlichkeit halten, lasset sie gewissenhaft,
wahrheitsliebend, redlich sein, und ihr werdet leicht
in ihren Kindern, wenn ihr sie näher beobachtet,
von frühester Jugend an einen natürlichen Zug zu
all diesen schönen Eigenschaften hin wahrnehmen.
Ja, ist die Mutter von den Gesinnungen aufrich-
tiger Gottesfurcht und Frömmigkeit durchdrungen,
so wird das Kind leicht eine gewisse natürliche An-
lage zur Frömmigkeit mit auf die Welt bringen.
Siehe da die Mitgift der Mutter an ihr Kind;
eine kostbare Mitgift.

Aber auch im Gegentheil: Auch die Verkehrt-
heiten
der Mutter vererben sich auf die Kinder.
Verfolgt man, wo man an Kindern mit wehem
Herzen oft schon so früh so vielerlei Unarten und
eine Neigung zu den manchfachsten Verkehrtheiten
erfährt, die Spur, so wird man nur zu oft die
traurige Entdeckung machen, daß der tiefste Grund
und die eigentliche Quelle dieser Fehler und Un-
arten in der Mutter (vielleicht auch mit ihr im
Vater) sich finden. Die Mutter ist eigensinnig,
reizbar, zornmüthig; das Kind auch. Sie ist eitel
und putzsüchtig; das Kind auch. Sie ist lügenhaft,
sie ist genußsüchtig; so auch ihr Kind. Die Mutter
hat die Makel der Unlauterkeit an ihrer Seele;
und ach, das Kind neigt gleichfalls schon früh dahin.
Die Mutter ist unredlich, unehrlich, sie streckt ihre
Hand nach fremdem Gut aus, und das Kind ver-
fällt in denselben Fehler. So ist es. Als ob die
Mutter den Samen, die Keime ihrer Fehler in
[51] das zarte Herz ihres Kindes hinübergepflanzt habe,
so sehr treten dieselben Fehler im zarten Herzen
und Leben des Kindes zu Tage; ein Hang zu
denselben, eine Neigung dazu
ist ihm ange-
boren. Auch eine Mitgift der Mutter an ihr
Kind; eine unselige Mitgift.

Die Thatsache ist unbestreitbar. Belege für sie
lassen sich in jedem Hause finden. Freilich diese
angebornen Fehler oder Tugenden sind noch keine
wahren Tugenden oder Fehler; das Kind ist durch
die ersten an sich noch nicht wohlgefällig vor dem
Herrn und wegen der letztern an sich nicht miß-
fällig vor Ihm. Aber wie sehr tragen diese natür-
lichen angeerbten Tugenden und Fehler dazu bei,
daß der Mensch zur Zeit zur wahren christlichen
Tugend komme und daß er es recht weit darin
bringe, oder, daß er um so leichter jenen Fehlern
anheimfalle und tiefer in dieselben versinke.

Es ist wahr, es wird schließlich Niemand, wel-
cher der Sünde und dem Laster anheimfällt, sich
vor Gott mit der Heftigkeit seiner natürlichen,
vielleicht von den Eltern ererbten, Neigungen ent-
schuldigen können; war doch der Herr bereit, ihm,
sofern seine angebornen Neigungen ihm die Mei-
dung der Sünde schwerer machten, auch größere
Gnade zur Ueberwindung derselben zu geben, wenn
er sich nur in gebührender Weise darum bewarb.
Jeder kann mit der Gnade Gottes sein Heil
wirken. Aber zeigt nicht die traurige Erfahrung,
daß Menschen, welche angeborene böse Neigungen
haben, sich von denselben nur zu leicht hinreißen
und überwinden lassen? Und so ist es gleichfalls
[52] ein Erfahrungssatz, daß angeborene Anlagen zur
Tugend so viel sicherer die Uebung der Tugend
zur Zeit erwarten lassen, wie sie denn auch wesent-
lich dazu beitragen mögen, daß man einen höheren
Grad darin erreiche.

Welch ein Vorwurf daher für eine Mutter, wenn
sie ihre Verkehrtheiten, Fehler und Sünden in
ihren Kindern gewissermaßen abgeprägt findet!
Welch' eine Bitterkeit, wenn sie, wie es nur zu
leicht der Fall ist, mit der Zeit von den Unarten
und Fehlern ihrer Kinder selbst so viel Hartes und
Unangenehmes zu erfahren hat und sich sagen muß:
Du selbst bist Schuld daran! Du hast selbst diese
Zuchtruthe für dich gewunden. Und welcher Gram,
wenn dann die von ihr ererbten Fehler in den
Kindern zur Leidenschaft heranwachsen und dieselben
wie in zeitliches, so in das ewige Verderben zu
stürzen drohen!

Auch hierin liegt eine ernste Mahnung und
Verpflichtung für die christliche Mutter (auch für
den Vater), daß sie es sich angelegen sein lasse, sich
alles dessen, was tadelhaft, verkehrt und böse ist,
zu enthalten, daß sie sich ihrer Fehler mehr und
mehr entledige, damit sie nicht ihren Kindern eine
so traurige Mitgift in's Leben bereite; – es liegt
der kräftigste Antrieb darin, sich jeglicher Tugend
und alles wahrhaft Guten zu befleißigen, damit die
Anlage zu demselben Guten, zu denselben
Tugenden das Erbtheil der Kinder von ihrer Mut-
ter sei.

In der That ist diese Uebertragung der Fehler
und Tugenden der Mutter auf das Kind nicht
[53] allein und nicht zunächst dem Einflusse, welchen die
Mutter durch ihr Wort und Beispiel auf das Kind
ausübt, zuzuschreiben, sondern auch jener geheimniß-
vollen Einrichtung des Schöpfers, vermöge deren
die Mutter ihrem Kinde von ihrem innersten We-
sen mittheilt, gleichwie sie ihm durch die Mitthei-
lung des Blutes, so in ihren Adern rinnt, und
durch die Spende ihrer Mutterbrust das leibliche
Leben vermittelt. Ja, und mit jener Mittheilung
ihrer körperlichen Bestandtheile vollzieht sich auch
geheimnißvoll die Mittheilung der Verfassung ihres
Herzens, der Beschaffenheit ihrer Seele überhaupt
und insbesondere derjenigen Beschaffenheit, welche
während der Zeit, wo jene körperliche Mittheilung
sich vollzieht, stattfindet. Und so geschieht es denn,
daß die Mutter selbst schon vor der Geburt ihres
Kindes jenen merkwürdigen Einfluß auf die Her-
zensverfassung und Gemüthsbeschaffenheit desselben
ausübet, den die Erfahrung so oft bestätigt. Die
Gesinnung, die Herzensverfassung, welche die Mut-
ter in der Zeit, welche der Geburt des Kindes
vorhergeht, in sich nährt, geht nicht selten in der
auffälligsten Art auf das Kind über.*)

[54]

Welch eine ernste Verpflichtung also für christ-
liche Mütter, diese Zeit, die Wochen und Monate
vor des Kindes Geburt heilig zu halten. Wie sehr
sollen sie vor jeder unordentlichen Gemüthsbewe-
gung, vor jeglicher Verkehrtheit sich hüten! Wie
soll es ihnen am Herzen liegen, sich in wahrer
christlicher Frömmigkeit zu üben, eifrig zu sein im
Gebete, in Beiwohnung der h. Messe und des
Gottesdienstes, im Empfang der h. Sakramente, in
jeglichen guten Werken, insbesondere in Werken der
Barmherzigkeit!

So wird es in den Legenden von den Müttern
mancher Heiligen erzählt. Schon vor der Geburt
weiheten sie diese ihre Kinder nach dem Zuge ihres
frommen Herzens dem Herrn und begleiteten
diese Widmung mit den mannichfaltigsten guten
Werken und mit vielem Gebet und Flehen für
ihre Kinder. Und so geschah es, daß sie denselben
eine gewisse Anlage zur Heiligkeit und einen Reich-
thum der kostbarsten für sie vermittelten Gnaden
gewissermaßen mit auf die Welt gaben. Und es
wird einst offenbar werden, wie sehr diese kostbare
Mitgift, der vortrefflichen Mütter dazu beigetragen
habe, daß ihre Kinder zu so hohen Stufen der
Heiligkeit gelangten und welchen reichen Antheil
an den Tugenden und Vollkommenheiten und den
[55] großen Werken dieser Heiligen ihre heiligen Mütter
haben. Es wird ewig ihr Ruhm und ihre Selig-
keit sein.

Wer sieht nicht ein, welch große und heilige
Verpflichtungen in dem Gesagten für die christliche
Mutter begriffen liegen, Verpflichtungen, deren
treue und gewissenhafte Erfüllung so wesentlich für
das Wohl und Wehe der Kinder für Zeit und
Ewigkeit entscheiden hilft. Das ist es auch, was
uns vermocht hat, diesen Punkt, der sonst so zarter
Natur ist, trotz einer gewissen Scheu, hier zur
Sprache zu bringen; er greift so wesentlich in das
Wohl und Wehe der Kinder ein. Wolle Gott, daß
wir es nicht vergeblich gethan haben! Möge es
dazu beitragen, daß die christlichen Mütter um so
eifriger es sich angelegen sein lassen, ein wahrhaft
christliches Leben zu führen, jegliche Sünde und
sündhafte Neigung aus ihrem Herzen und Leben
fortzuräumen, in jeglicher Tugend sich zu üben,
auf daß sie allesammt ihren Kindern die kostbare
Mitgift der Anlage zu allem Guten vermitteln
mögen.*)

Die Weihe.


Nimm diese Pflanze, diese Blume; soll sie wach-
sen und gedeihen, so kommt's ganz wesentlich darauf
an, daß die Atmosphäre (der Dunstkreis, die Luft)
[56] die entsprechende Beschaffenheit habe. So gedeihen
gewisse Blumen, vielfach die schönsten, nur unter
[57] dem milden, sonnenwarmen südlichen Himmel. Und
wird nicht im Frühjahre Alles verkümmern und
krüppelhaft bleiben und vergehen, wenn unablässig
der kalte Nordwind wehet und Nässe und Kälte
waltet, und der Sonne milder Strahl sich nicht
geltend machen kann und heilsame Bestandtheile
für die Luft sich nicht lösen? So muß auch im
Hause eine entsprechende Atmosphäre herrschen, soll
anders das Gute im Kinde gedeihen. Der Herr
hat in der h. Taufe mit dem übernatürlichen Le-
ben die Keime der herrlichen Himmelspflanzen, des
Glaubens, der Hoffnung und der Liebe und aller
darin begriffenen Tugenden in das zarte Kindes-
herz gleichsam eingepflanzt; dort sollen sie wachsen
mehr und mehr und sollen sich zur Blüthe ent-
falten und Früchte zur Reife bringen für's ewige
Leben. Das elterliche Haus ist das Gehege, dem
diese Himmelspflanzung des Kindesherzens in den
ersten Jahren fast ausschließlich anheimgegeben,
worin sie geborgen ist, und so kommt denn Alles
darauf an, daß hier im elterlichen Hause die rechte
Atmosphäre sei, mit andern Worten, daß im elter-
lichen Hause ein echt christlicher Geist herrsche, daß
in allen Beziehungen und Verhältnissen des Fa-
[58] milienlebens das Walten und die Herrschaft eines
wahrhaft katholischen Lebens zu Tage trete. Und
daß Solches der Fall wirklich sei, ist namentlich
für die erste Jugend des Kindes, für die Jahre
der eigentlichen Kindheit – so fast vor Allem
Sache der Mutter.

Das ist Gottes gnädiger Wille, eine solche, ich
möchte sagen echt christliche Atmosphäre sollte in
jeglichem Hause herrschen, auf daß darin jene kost-
baren Keime der Tugenden des christlichen Lebens
sich entfalten, wachsen und erblühen und zur reich-
sten Frucht sich entwickeln möchten und das kind-
liche Herz eine wahrhaft christliche Weihe em-
pfange.

Denken wir uns ein Kind, welches von seiner
zartesten Jugend an in einer solchen echt katho-
lischen Familie stände, in einem Hause lebte, wo
Alles vom Geiste katholischer Gottesfurcht und
Frömmigkeit beseelt wäre, welches nie irgend etwas
zu sehen und zu vernehmen hätte, was diesem
Geiste widerspricht, dem vielmehr in dem Betragen,
im Reden, im Thun und Lassen der Angehörigen,
selbst in der Ausstattung des Hauses der Ausdruck
echt katholischen Sinnes und wahrer Frömmigkeit
entgegenträte; würden wir es nicht so fast für un-
möglich halten müssen, daß ein solches Kind nicht
zu gleichem Sinn und Leben heranwüchse? Das
ist die Atmosphäre eines echt christlichen Hauses;
sie trägt unendlich viel bei zur glücklichen, wahrhaft
christlichen Entwickelung des Kindes, sie ist es,
welche dem zarten Herzen des Kindes in Wahrheit
[59] eine gewisse Weihe, die Weihe des christlichen
Lebens verleihet.

Also auf, christliche Mutter, schaffe, so viel an
dir ist, eine solche Atmosphäre um deine Kinder.
Es ist vor allem deine Sache. Ist ja das Kind
– wir wiesen schon früher darauf hin – in
seinen ersten, entscheidungsvollsten Jahren haupt-
sächlich, ja vielfach so fast ausschließlich auf die
Mutter angewiesen. Ihr Verhalten, ihr Reden
und Thun, ihre Art und Weise, ihr Beispiel, ihr
sämmtliches Walten im Hause, das schaffet für
ihre Kleinen die Atmosphäre. Wohl ihr und dem
Kinde, wenn sie es versteht, dieselbe wahrhaft
christkatholisch, d. i. wahrhaft heilsam für ihre
Kinder zu gestalten. Eine jede wahrhaft christliche
Mutter thut's.

Schon das Haus selbst hat durch ihre Vermit-
tlung eine christliche Ausstattung. Da findet man
in den verschiedenen, wenigstens in den Haupt-
räumlichkeiten des Hauses religiöse Bilder, ein
Crucifix, vielleicht eine Statue der Mutter Gottes
und anderer Heiligen; da findet man Weihwasser-
brünnchen, vielleicht auch geweihete Kerzen u. s. w.
Das Kind sieht, wird aufmerksam, fragt, hört von
der Mutter die Bedeutung, lernt, und nimmt
durch Sehen und Hören heilsamen religiösen
Eindruck in sich auf und wird früh an katho-
lisches Leben gewöhnt; eine Weihe seines kindlichen
Herzens.

Mehr aber noch ist es das christliche Leben der
Mutter selbst, was jene heilsame Atmosphäre schafft.
Das Kind merkt, daß die Mutter betet, zur Kirche,
[60] zur Predigt, zur h. Beicht, zur h. Communion.
geht; es sieht die Mutter vor und nach dem Essen
andächtig ihre Hände falten und beten; und das
alles wird ihm, eben weil's die Mutter thut, von
früh an ehrwürdig, und es fühlt sich zu allem
diesem gleichfalls angetrieben, und thut und macht
es nach, so viel es kann.

Oder, das Kind sieht, wie die Mutter so arbeit-
sam ist, wie sie auf Reinlichkeit und Ordnung hält,
wie sie bei Beschwerden, Unannehmlichkeiten und
Leiden so ruhig ist, so geduldig, nie hört es aus
ihrem Munde ein verdrießliches Wort, noch weni-
ger Zorn und Flüche. Es sieht, wie die Mutter
so theilnehmend, so milde und freundlich ist gegen
Alle im Hause; wie sie auch gegen andere Leute
so gut ist, ihnen gern Gefallen thut und hilft, wie.
sie die Armen unterstützt; und siehe, lauter stumme
Predigten für das Kind, es macht gern der Mut-
ter das alles nach, es wird, ohne daß die Mutter
vielleicht nur ein Wort darüber sagt, zu allen diesen
Tugenden angeregt; die Keime dieser Tugenden,
welche Gott ihm in's Herz gelegt hat, fangen an
zu wachsen und gedeihen.

Und so in Allem. Das ganze Schalten und
Walten einer wahrhaft christlichen Mutter ist in
der That für das Kind wie eine günstige, gesegnete
Atmosphäre, worin die von Gott in seinem Herzen
grundgelegten Keime fröhlich aufsprießen und reiches
Wachsthum gewinnen und ihm von früh an Hoch-
schätzung und Liebe zur Religion und Tugend ein-
geflößt wird. Es ist die christliche Weihe
des Kindesherzens
. Ja, der Einfluß, den das
[61] allseitig christliche Verhalten einer Mutter auf ihr
Kind ausübt, senkt sich tief in das ganze Wesen
desselben ein, um so fast unverwüstlich darin zu
wirken, und ist in mancher Hinsicht so viel höher
anzuschlagen, als Ermahnungen und sonstige Ein-
wirkungen auf das Kind. Glückliches Kind, das
ihn an sich erfahren hat! Ein Glück, eine Gnade,
womit nichts auf Erden sich messen darf.

Die Einführung in die christliche
Wahrheit.


Wenn das Kind auf die so eben erwähnte Art
im elterlichen Hause vom christlichen Geiste allseitig
gleichsam angewehet wird, so lebt es sich unwill-
kürlich in denselben hinein; sein Herz empfängt,
so fast ohne es zu wissen, eine christliche Ver-
fassung.

Aber auch unmittelbar sucht die Mutter dahin
thätig zu sein, das Kind in das christliche Leben
einzuführen. Sie thut es vor Allem durch Ein-
führung des Kindes in die christliche
Wahrheit
.

Eingedenk, daß Gott dem Herrn der erste und
höchste Antheil an ihrem Kinde gebühre und daß
Er es ihr anvertrauet habe, um es für Ihn zu
erziehen, ist die Mutter schon früh darauf bedacht,
sein Herz und seinen Sinn auch durch Lehre und
Anleitung auf Gott und das Höhere hinzulenken.*)

[62]

Es ist in der That etwas Wundersames um die
Empfänglichkeit der Kinder für Gott und das Höhere.
[63] Selbst wenn sie noch nicht das rechte oder volle
Verständniß für die Lehren der h. Religion haben,
ist es, als ob in dem Innersten ihres Wesens
eine Saite anklinge, wenn man ihnen von Gott,
vom lieben Heilande, vom Himmel und himmli-
schen Dingen erzählt; so hingebend und so fromm
nehmen sie es auf und auf ihrem kindlichen Ge-
sichtchen malt es sich, welchen Eindruck es auf ihr
Herz gemacht hat. Es sind gewissermaßen die
von Gott selbst im Kinde gespannten Saiten, welche
bei solchen Gelegenheiten anklingen.

Darum ist auch der Grundsatz so verwerflich,
man müsse die Kinder in den Jahren ihrer zarten
Jugend nicht mit solchen Dingen behelligen, weil
sie dieselben ja doch noch nicht verstehen könnten.
Sie verstehen dieselben freilich nicht so, wie die
Erwachsenen; aber sie verstehen viel mehr davon,
als man gewöhnlich annimmt; sie verstehen genug
davon, um es mit Nutzen zu hören und zu lernen.
Und der größte Vortheil ist, daß auf solche Art
[64] schon früh, daß in den Jahren, wo die Richtung
des menschlichen Herzen stets für's ganze Leben so
wesentlich bestimmt wird, die kindlichen Herzen für
Gott und das Höhere gewonnen werden. Das
volle Verständniß werden sie dann auch schon ge-
winnen. Dagegen wie schwer ist es, Kinder, welche
schon zu reiferen Jahren herangewachsen sind, ohne
von Gott und göttlichen Dingen zu hören, zu
sehen, oder zu ihnen angeleitet zu werden, noch
dahin zu bringen, daß sie für Gott und das
Höhere wahrhaft ein Herz haben. Sie lernen und
verstehen vielleicht, aber das Herz bleibt kalt dabei.

Das Kleine wächset nun heran; es entwickelt
sich zu einer gewissen Selbstständigkeit; es lernt
sprechen, – es kann allein gehen. Gern verfolgt
die Mutter diese ansteigenden Stufen der Ent-
wickelung des natürlichen Lebens ihres Kindes mit
entsprechenden Belehrungen und Anleitungen für
das höhere Leben. Sie sagt dem Kinde manches
vom lieben Gott, sie erzählt ihm vom lieben Hei-
lande.*)

[65]

So, wenn die Mutter etwa in der Stube, oder
am Feuer, oder im Sommer vor der Thür bei
ihrer Arbeit dasitzt und das kleine Kind ist um
sie, mit seinem Spiel oder auch mit seiner Arbeit
beschäftigt; oder es steht vor ihr, die Händchen in
ihren Schooß gelehnt, oder an ihrem Kleid oder
an ihrer Arbeit spielend. Siehe, wie hängt das
Kleine mit Aug und Mund an der Mutter, wenn
sie dabei von jenen lieben Sachen ihm erzählt! -
Oder es ist Sonntag, da setzt sich am Nachmittage
oder Abende oder am Morgen, wenn die Andern
zur Kirche sind, die Mutter mit ihrem Kleinen zu
solcher Unterhaltung hin; oder sie nimmt in freier
Stunde dasselbe an die Hand, geht mit ihm in
den Garten oder hinaus in die freie Natur; da
wird das Kind aufmerksam gemacht auf all das
Schöne, was dem Aug' begegnet, und wie es der
liebe Gott und Vater sei, der das alles, – und
Alles so schön – gemacht habe, diese Pflanzen
und Blumen und Früchte, diese Vöglein und Thiere,
diese ganze Welt.

Kann es schwer sein, davon und Solches zum
Kinde zu reden? Sicher nicht, wenn die Mutter
selbst für alles dies ein Herz hat. Und dann
redet sie eine Sprache, welche das Kind gar wohl
versteht und welche das Gesagte tief in's kindliche
Herz senkt, viel tiefer meist, als der förmliche
Unterricht in der Schule, besonders, wenn die
Mutter es versteht, sich der Art des kindlichen
Geistes anzuschließen.

Das Kind, noch wenig gewöhnt an eigentliches
Denken und wenig geübt darin, nimmt am Leich-
[66] testen und Besten das, was es erfassen soll, durch
Sinneneindrücke auf. Daher benutzt die einsichtige
Mutter auch gern solche äußere Eindrücke, um ihr
Kind zur Erkenntniß der höhern Wahrheiten, der
christlichen Lehren, zu führen. Sie zeigt ihm Bil-
der, auf welchen oder durch welche das, was sie
ihm sagen will, dargestellt ist; sie erklärt ihm die
Bilder und was sich auf und an denselben findet
und das Kind erfaßt es leicht und schnell. Daher
nimmt sie es, auch wo es noch jung und zart ist,
zuweilen mit in die Kirche, besonders vor oder
nach festlichen Veranlassungen. Versteht das Kind
auch nicht viel von dem was es thut, sieht oder
hört, so empfängt es doch vom Ganzen einen für
das kindliche Gemüth heilsamen Eindruck. Be-
sonders, wenn die Mutter ihm sagt, das sei ein
heiliger Ort, da wohne der liebe Heiland, da
müsse man sich recht fromm verhalten, und wenn
sie darauf hält, daß es in der Kirche recht fromm
kniee oder stehe und seine Händchen falte. Da
wird sie dann vor der Rückkehr dem Kinde so
Manches in der Kirche zeigen, Bilder und Sta-
tuen und Altäre und Kanzel und Beichtstühle,
oder zu Weihnachten das Krippchen, zu Ostern
das Grab u. s. w., bald das Eine, bald das
Andere.

Und was dann in der Kirche gesehen worden,
das wird zu Hause erklärt, und das bietet Gele-
genheit und Stoff zu den heilsamsten Mittheilungen
der Mutter an das Kind, und zu den nützlichsten
Aufklärungen auf die Fragen, welche das Letztere
aus der Kirche mit nach Hause bringt.

[67]

Welch einen schönen Anlaß und welches Hülfs-
mittel zugleich zu solchen religiösen Mittheilungen
der Mutter an ihr Kind bieten da insbesondere
die Feste und Festzeiten des Kirchenjahres. Kann
es denn für eine Mutter schwer sein, in den Ta-
gen vor dem Feste oder am Festtage selbst, we-
nigstens im Allgemeinen, zu sagen und zu erklären,
was dieses Fest zu bedeuten habe? Und thut sie
es, so wird das Kind nach und nach, Weihnachten,
in der Charwoche, Ostern, Christi Himmelfahrt,
Pfingsten u. s. w., in lebendiger, frischer Weise
in die Geschichte des Herrn und in die Geheim-
nisse Seines Lebens eingeweihet; es wird an den
Festen der h. Jungfrau mehr und mehr vertraut
mit der Mutter des Herrn und in ihre Verehrung
eingeführt. Und wie viel Stoff zu den nützlichsten
Erzählungen würden der Mutter die täglich im
Kalender verzeichneten Heiligen bieten, wenn sie es
sich angelegen sein ließe, selbst recht fleißig die Le-
ben dieser Heiligen zu lesen!

Außerdem wird es an Anknüpfungspunkten
mancher Art nicht fehlen und eine Mutter, welche
selbst ein Herz hat für Gott und Religion und
ihre Pflicht, das Kind früh zu Gott hinzuleiten,
zu würdigen versteht, wird solche leicht finden und
sie benutzen.

Oder wird sie sich damit entschuldigen können,
daß sie nicht Zeit dazu habe, sich also mit ihren
Kleinen zu beschäftigen, oder daß sie das nicht ver-
stehe? Bedarfs denn dazu so viele Zeit, wenn
die Mutter so, wie wir es hier angedeutet haben,
sich mit ihrem Kinde abgibt? Der große Vortheil,
[68] welchen solche religiöse Mittheilungen der Mutter
an das Kind mit sich führen, ist nicht dadurch be-
dingt, daß dieselben gar so oft stattfinden oder gar
so viel Zeit darauf verwendet wird; ja das ‘„zu
oft oder zu lange“’
könnte sogar schädlich sein;
sondern es liegt darin, daß das Kind eben aus
dem Munde der Mutter diese für dasselbe so
wichtigen Dinge – schon früh – vernehme und
kennen und darauf halten lerne, und also die
Mutter bei ähnlichen Gelegenheiten, wie wir sie
eben nannten, darüber spreche. Und dazu hat jede
Mutter Zeit; es kommt ganz allein auf den guten
Willen an.

Aber sie versteht es nicht?! – Was wäre da
denn zu verstehen? Wenigstens das, was sie
weiß, kann die Mutter ihrem Kinde doch sagen.
Und wäre das auch noch so wenig, es schafft un-
berechenbaren Segen. Und könnte die Mutter,
wenn sie wenig versteht, sich nicht bemühen, um
ihrer Kinder willen durch Lesen oder Anhören von
Predigten und christlichen Lehren mehr zu lernen?
Ist das nicht am Ende ihre Pflicht?

Der Kern der Sache und der eigentliche Vor-
theil liegt nicht zunächst und am meisten in dem
Mehr oder Weniger religiöser Kenntnisse, welche das
Kind so von der Mutter erlangt, als vielmehr
darin, daß das Kind eben recht früh, schon sofort
beim Erwachen seines Bewußtseins und dann mehr
und mehr, also schon längst vor der Zeit, wo es
in die Schule kommt, von Gott und dem Höheren
erfahre, auf daß sich sein zartes Herzchen in seinen
ersten Regungen dafür erschließe; daß es eben aus
[69] dem Munde der Mutter (oder des Vaters) davon
vernehme, auf daß die angeborene Ehrfurcht und
Liebe gegen die Mutter sich auch auf das, was es
aus ihrem Munde höre, übertrage. Beides etwas,
so nicht hoch genug zu schätzen ist.

Armes Kind, das in diesen zarten, entscheidungs-
vollen Jahren zu Hause und bis es in die Schule
kommt, von Gott und göttlichen Dingen so zu sagen
nichts erfährt, nichts sieht, nichts hört. Da sein
kindliches Herz für Gott und das Höhere ver-
schlossen und kalt geblieben ist, wird es nun später
sich noch wahrhaft und nach Gebühr dafür erschlie-
ßen? Da es von Vater und Mutter, deren Ver-
halten in jenen zarten Jahren die einzige Norm
und Maßgabe ist, nie etwas von Gott, vom gött-
lichen Heilande, von Maria, von Kirche und Got-
tesdienst u. s. w. vernimmt, sieht oder hört, wird
ihm da dies Alles nicht völlig gleichgültig bleiben,
weil es ja dem Vater, der Mutter auch gleichgül-
tig ist?

Unersetzlicher Ausfall! Unersetzlicher Schaden!

Freilich soll das, was wir hier angedeutet ha-
ben, im Allgemeinen zum Vollzug kommen, -
und es ist eine ganz wesentliche Bedingung der
rechten, echt christlichen Entwicklung des Kindes,
– so muß (wir wiederholen es) die Mutter selbst
vom Geiste echter Gottesfurcht und Frömmigkeit
beseelt sein. Ohne dies ist es eben gar nicht
möglich. Eine wahrhaft christliche Mutter aber
wird das alles so fast von selbst thun; sie wird
es um so mehr, um so besser und daher mit desto
[70] reicherem Erfolge thun, je mehr sie eben eine wahr-
haft christliche Mutter ist.

Wie viel – wir müssen es immer wiederholen
– wie viel liegt also daran, daß unsere Mütter
wahre, echte, christliche Gottesfurcht und Frömmig-
keit zu eigen haben! Möchten das alle Mütter
erkennen, und daher aus allen Kräften das er-
streben, ohne welches sie zu ihrem eigenen und
ihrer Kinder Verderben ihrer heiligsten Verpflich-
tung untreu werden müssen!

Das Vorgehen gegen die Fehler der
Kinder.


Mehr als einmal wiesen wir darauf hin, wie
durch die Huld des Herrn und in Kraft des Heils-
werkes Jesu Christi bei der in der h. Taufe sich
vollziehenden Wiedergeburt die Seele des Kindes,
sein Herz gleichsam umgeschaffen worden in einen
herrlichen Himmelsgarten, in welchem die freigebige
Hand des Herrn die gewissermaßen dem Urgrunde
Seines eigenen Wesens entnommenen kostbaren
Keime aller jener großen Grundtugenden des christ-
lichen Lebens und die Samenkörner jeglicher Tu-
gend und alles dessen, woraus eine immer höhere
Aehnlichkeit des göttlichen Wesens ersprießen mag,
tief eingesenkt hat. Den Eltern und in den ersten
Jahren ganz vorwiegend der Mutter hat dann der
Herr diese wahrhaft göttliche Schöpfung, diesen
Gottesgarten anheimgegeben, daß sie ihn hege und
pflege.

[71]

Aber ach, neben und zwischen diesen himmlischen
Keimen und Samenkörnern finden sich auch die
Keime und der Samen des Unkrauts, das traurige
Erbe der Stammeltern, ach, vielleicht auch der
eigenen Eltern des Kindes. ‘„Und als die“’ (Gottes-)
‘„Saat wuchs, da ließ sich auch das Unkraut sehen.“’
Es sind die bösen Neigungen der erbsündig ver-
derbten menschlichen Natur, welche nach dem an-
betungswürdigen Rathschlusse Gottes durch die
Taufe nicht beseitigt, sondern unter dem in der
Taufe verbürgten Beistande der Gnade vom Men-
schen selbst – zu seinem desto größern Heile -
durch Kampf und Streben überwunden werden
sollten. Und leicht ist die Macht dieser bösen Nei-
gungen, insofern sie ihren Grund in der Erbsünde
haben, noch gemehrt und erhöhet durch den hohen
Grad der Entwickelung, welche dieselben in dem
Herzen der Eltern in Folge ihrer Sünden und
Verkehrtheiten zur Zeit, als das Kind von ihnen
geboren ward, zu eigen hatten.

So treten denn die Auswüchse dieses im Kin-
desherzen begriffenen Unkrauts schon früh, schon im
zarten Kinde in allerlei Unarten und Verkehrt-
heiten und Fehlern zu Tage. Wer wüßte es
nicht? Kann es insbesondere der Mutter, wo
anders sie nicht von jener verkehrten Liebe zu ihrem
Kinde verblendet ist, entgehen? Und daher ist es ihre
Pflicht, und ein ganz wesentlicher Theil der Auf-
gabe ihres Mutterberufes, daß sie – und zwar
von der frühesten Jugend ihres Kindes
an darauf bedacht sei und es sich angelegen sein
lasse, gegen diese Fehler desselben mit entschiedenem
[72] Ernste und mit weiser Vorsicht und mit unermüd-
licher Liebe vorzugehen. Wo nicht, so werden diese
Fehler mit dem Kinde heranwachsen, um
zum Verderben des Kindes nicht allein der üppige
Grund von Sünden aller Art zu werden, sondern
auch das Wachsthum und Gedeihen jener göttlichen
Keime und Samenkörner auf's Wesentlichste zu be-
hindern, ja ganz und gar zu Schanden zu machen.

Möchten doch alle Mütter es einsehen und ge-
bührend würdigen, wie wichtig, ja wie nothwendig
es ist, daß sie dieses Vorgehen gegen die Fehler
ihrer Kinder schon in der frühesten, zartesten Ju-
gend derselben beginnen und schon die ersten Jahre
der Kindheit dazu benutzen, um das Kind in rechter
Weise zur Ablegung seiner Fehler zu vermögen!
Handelte es sich, wenn das Kind fehlt, eben nur
um vereinzelte, gewissermaßen zufällige Fehltritte,
so würde die Sache vielleicht weniger Bedenken
haben. Aber es handelt sich um Fehler, welche
tief im Herzen des Kindes ihre Wurzel haben, um
Fehler, denen böse Neigungen zu Grunde liegen,
welche, wenn man ihre Auswüchse gewähren lässet,
nur zu sehr an Wachsthum und Kraft gewinnen
und mehr und mehr jenen unseligen Hang zu den
entsprechenden Fehlern, sündhafte Gewohnheiten,
Leidenschaften erzeugen.

Nie setzt sich ein Fehler im Menschenwesen so
leicht und in so hohem Grade fest, als eben in
der frühesten Kindheit; kein Fehler wird schwerer
überwunden und ist schwieriger auszurotten, als
der, welchen man sich als Kind angewöhnt hat.
Wer kennt nicht das Sprichwort: ‘„Jung gewohnt,
[73] Alt gethan?“’
Lasset ein Kind in seinen ersten
Jahren hin mit seinem Eigensinn, mit seiner
Starrköpfigkeit, mit seinem Ungehorsam, mit seiner
Mißgunst und Eigennützigkeit, mit seinem tückischen
und boshaften Wesen, mit seiner Grausamkeit ge-
gen Thiere, mit seiner Naschhaftigkeit und Ge-
fräßigkeit, mit seiner Eitelkeit und Putzsucht, mit
seiner Lügenhaftigkeit u. s. w.; und alle diese Feh-
ler werden in ihm heranwachsen und gewissermaßen
mit ihm verwachsen, und zur andern Natur werden
und im Knaben und Mädchen schwer mehr zu
überwinden sein und sich leicht in's ganze spätere
Leben hineinziehen, als giftige Wurzeln, welche das
Unkraut der Sünde immer von Neuem ersprießen
lassen und das Wachsthum echt christlichen Wesens
auf's Wesentlichste behindern – nur zu leicht zum
zeitlichen und ewigen Verderben.

Und doch hätte dieses Unkraut in den Jahren
der Kindheit so leicht ausgerottet werden können!
Also ernstwichtige Pflicht und Aufgabe ganz ins-
besondere der Mutter, weil sie mehr Gelegenheit
hat, am Ende es auch besser versteht, in den zarten
Jahren den entsprechenden Einfluß auf ihr Kind
auszuüben.

Daher soll sie Acht haben auf die Fehler ihrer
Kleinen. Vielleicht tritt der eine oder andere Feh-
ler besonders an ihnen hervor. Und dann nicht
lange zugesehen und gewartet! Nicht denken, das
Kind ist noch so jung, es versteht nichts davon;
später werde ich schon Sorge haben. O nein! je
früher, desto besser; nur früh
gelingts. Es
thut nicht Noth, daß das Kind die Häßlichkeit des
[74] Fehlers schon einsehen könne; genug, wenn es weiß,
es darf das nicht thun, die Mutter, (der Vater)
will's nicht haben, und dann sich desselben entwöhnt
und von ihm loskommt, vor ihm bewahrt bleibt.
Also die Mutter lasse die Kinder – vielfach selbst
dann schon, wenn sie noch kein Selbstbewußtsein
(Verstand) haben – mit keinem Fehler hin! Sie
sage es dem Kleinen mit aller Liebe und Mütter-
lichkeit, etwa: Das darfst du nicht; das mußt du
nicht; das ist nicht recht; oder: Das ist dem lieben
Gott mißfällig; dann bist und wirst du kein gutes
Kind; oder: Dann geht's dir nicht gut; dann
kommst du nicht in den Himmel u. s. w. Hilft
das nicht, so wird die Sprache ernster; es tritt
nach und nach die Drohung einer Strafe hinzu;
hilft auch dies nicht, so erfolgt die Strafe, gelin-
der oder strenger, für einmal oder wiederholt und
anhaltend, wie es der Erfolg erheischt.

Eine wahrhaft christliche Mutter erkennt es als
h. Pflicht, ihre Kinder früh ihrer Fehler zu ent-
wöhnen und scheuet daher, wenn es zu diesem Zwecke
nothwendig ist, auch die Strafe, ja selbst harte
Strafe und körperliche Züchtigung nicht. Wenn
sich ihr natürliches Gefühl, das Gefühl der Mut-
terliebe dagegen sträubt, so weiß sie, daß sie sich
dadurch nicht leiten lassen darf, daß es Gottes
Wille, und also Pflicht ist, dasselbe zu überwinden,
wo immer das wahre Wohl des Kindes es erheischt.
Das ist echte, erleuchtete, christliche Liebe, wenn
eine Mutter ihr Kind straft, um es von seinen
Fehlern zu befreien.

Freilich wird die wahre Mutterliebe die Mut-
[75] ter dahin vermögen, daß sie ihr Kind so viel als
möglich durch mildere Mittel zur Besserung zu
bringen suche; aber führen diese nicht zum Ziele,
so scheuet sie auch die strengern Mittel, die Strafe,
nicht. Ist das nicht in Wahrheit Grausamkeit
gegen das Kind, wenn eine Mutter aus weichlicher
Scheu, dem Kinde vorübergebend wehe zu thun,
dasselbe mit seinen Fehlern hinläßt und auf solche
Art Schuld wird, daß es mit seinen Fehlern heran-
wachse und dadurch sein wahres Glück behindert
und ihm viel Uebels bereitet wird. Wer hat
größere Liebe zu den Menschen, als Gott selbst?
Und dennoch, wie scharf züchtigt Er sie nicht selten!
‘„Die ich liebe“’, sagt Er selbst, ‘„die züchtige ich
scharf.“’

Je hartnäckiger ein Fehler am Kinde hervortritt,
desto nachdrücklichere Mittel sind oft anzuwenden,
desto beharrlicher müssen diese Mittel verwandt
werden. Was will es sagen, wenn die Mutter
hier und dort das Kind auf seine Fehler aufmerk-
sam macht, oder es dafür bestraft, dann aber die
Sache wieder gehen lässet; oder wenn sie diesmal
und ein anderes Mal straft, dagegen wieder andere
Male, vielleicht viel öfter den Fehler ungerügt und un-
gestraft hinlässet. Freilich ist das folgerichtige und
beharrliche Vorgehen gegen die Fehler der Kinder
nicht selten eine Aufgabe, welche große Selbstver-
läugnung und schwere Opfer in Anspruch nimmt.
Es ist meist viel bequemer, die Kinder mit ihren
Fehlern gehen zu lassen. Aber die Mutter bedenke,
daß ohne Mühe und Opfer ein christliches Leben
überhaupt nicht möglich ist, und daß es hier, wo
[76] es sich in solchem Grade um das Wohl des Kindes
handelt, doppelt heilige Pflicht ist, sie zu über-
nehmen und unter ihnen zu beharren.

Manche Mütter sind nun zwar gegen die Fehler
ihrer Kinder nicht gleichgültig, sie gehen gegen die-
selben vor; aber in welcher Art? Fast immer
lassen sie – besonders bei größern Unarten und
Fehlern der Kinder zu Verdruß, zu Zorn und auf-
gebrachtem Wesen sich hinreißen. Und nun ist es
ein Strom zornmüthiger Worte und Ausdrücke,
den sie über die Kinder ergießen, ohne daß eine
angemessene Strafe erfolgte; oder es erfolgt freilich
eine Strafe, aber wie aus Zorn, so auch voll von
Zorn, und daher nur zu leicht im Uebermaße, selbst
bis zur Grausamkeit.

Wie traurig! Nützen kann solches Vorgehen
selbstredend dem Kinde nicht im Mindesten, nimmer-
mehr es zu gründlicher Ablegung seiner Fehler
vermögen. Aber wie sehr schadet es ihm! Denn
wo bleibt die Achtung vor der Mutter, wenn das
Kind sie also in Zorn und Wuthausbrüchen sehen
muß? Wo die zarte Liebe des Kindes, wenn die
Mutter so grausam über dasselbe losfährt? Und
doch sind Achtung und Liebe so nothwendige Be-
dingungen einer gedeihlichen Erziehung! Dazu
kommt noch das böse Beispiel – von einer Seite,
wo ein durchaus gutes Beispiel heilige Pflicht ist!

O möchten doch alle Mütter bedenken, wie streng
gerade sie verpflichtet sind, ihren Kindern gegen-
über den Zorn beherrschen zu lernen! Mag das
nach Umständen recht schwer sein, besonders, wenn
die Mutter von Natur zum Zorn geneigt ist, so
[77] ist ja der Herr auch bereit, größere Gnade zu ge-
ben, um siegreich in Sanftmuth und Geduld zu
bestehen. Also nur oft, immer von Neuem den
Vorsatz erneuert! Immer von Neuem um die Hülfe
der göttlichen Gnade geflehet!

Eine gute Mutter ist bei den Fehlern der Kin-
der, so sehr sie auch dieselben fortzuschaffen sucht,
doch auch duldsam und vorsichtig; sie vergißt nie,
daß es eben Kinder sind, die fehlen, und daß daher
ihre Schuld nicht so groß ist. Aber durch solche
Nachsicht läßt sie sich keineswegs bestimmen, von
einem ernsten Vorgehen gegen ihre Fehler abzu-
stehen. Nur geht sie wider dieselben mit Ruhe,
Besonnenheit und Ueberlegung vor, bald belehrend,
bald warnend, bald strafend, aber nie im Zorn.
Und je mehr sie ihre Kinder bei ihren Fehlern
mit solcher Ruhe zurechtweist oder züchtigt, desto
sicherer kommt sie zum Ziele. Die Kinder begrei-
fen es mehr und mehr, daß nur Abscheu gegen
ihre Fehler die Mutter leite; sie lernen selbst ihre
Fehler verabscheuen, so daß nicht allein die Furcht
vor Strafe, sondern auch dieser Abscheu sie vom
Bösen abhält und ihre Besserung dadurch desto ge-
sicherter ist, wie denn auf solche Art auch ihre Liebe
zur Mutter unverletzt bleibt*)

[78]

Gewisse Fehler walten im Kinde mit einer Hart-
näckigkeit, welche alle Bemühungen der Mutter zu
[79] Schanden zu machen scheint. Soll sie da den
Muth aufgeben und die Sache gehen lassen, wie
[80] sie eben geht? Das sei fern! Was thut nicht
eine Mutter, wenn ihr Kind an einem körperlichen
[81] Fehler leidet? Alles bietet sie auf, um es davon
zu befreien; alle Mittel wendet sie, so viel an ihr
[82] ist, an, alle Aerzte nimmt sie in Anspruch. Und
die so viel schlimmern Fehler an der Seele sollte
[83] sie gewähren lassen? O nein! Sie kann von dem
Verlangen, von der Hoffnung, ihr Kind davon
befreit zu sehen, nicht lassen. Hilft ihr Bemühen
allein nicht, so nimmt sie den Vater zu Hülfe; sie
beräth sich mit einsichtigen Freunden, mit den
Geistlichen; sie sucht deren Beistand. Und führt
Alles nicht zum Ziele, so ist ja der Herr ein mäch-
tiger Helfer. Zu Ihm nimmt sie, wie zu jeder
Zeit, so nun um so angelegentlicher ihre Zuflucht,
zu Ihm stehet sie in unablässigem Gebete, daß
Er mit mächtiger Gnade zu Hülfe eile und den
bösen Sinn des Kindes breche und es von seinen
Fehlern befreie. ‘„Was bei den Menschen un-
möglich ist“’
, spricht der Herr, ‘„das ist bei Gott
möglich.“’

Die Huth der h. Scham und Unschuld.


Freunde auserlesener Blumen, welche in der
Lage sind, solche in größerer Zahl zu halten, ha-
ben wo möglich ein Treibhaus. In demselben
werden insbesondere fremde Blumen und Pflanzen,
[84] welche an ein wärmeres Klima gewohnt sind, in
den kälteren Jahreszeiten aufbewahrt, um sie vor
den schädlichen Einflüssen des Wetters und über-
haupt zu schützen, um sie in der Obhut des Treib-
hauses und durch die dort herrschende Wärme zu
hegen und ihr Wachsthum zu fördern.

So eine Art Treibhaus sollte nun insbesondere
durch die Vermittlung der Mutter jedes christliche
Haus sein – zum Schutze, zur Obhut, zur För-
derung des Wachsthums – für eine der kostbarsten,
schönsten, duftreichsten Blumen. Sie stammt aus
fernem Himmelsland; Jesus unser Herr hat sie
vom Himmel her auf die Erde gebracht und sie
gepflanzt in den blumenreichen Garten seiner heil.
Kirche. Da hat sie nun geblüht von Anbeginn,
um durch ihre Schönheit und mit ihrem reichen
Dufte wie das Herz Gottes, so tausend und tau-
send Menschenherzen zu erfreuen. Sie ist von
zarter Natur; nur zu leicht wird sie verletzet vom
kalten Hauche der Welt und von ihren argen Ein-
flüssen, daß ihre Schönheit welke und ihr Duft
schwinde und sie elendiglich vergehe. Darum be-
darfs auch für sie gleichsam eines Treibhauses,
einer schützenden Obhut; das christliche Haus soll
dieses Treibhaus sein, die christliche Mutter ihre
Obhut.

Welche ist diese kostbare Himmelsblume? Es ist
die h. Reinigkeit, die Tugend der Keuschheit. Wer
kännte und schätzte nicht ihren Werth, wer fühlte
sich nicht angezogen durch ihre Schönheit, wer nicht
erfreuet durch den Duft, den sie um sich verbreitet.
Ist sie es ja, welche in dem Herzen, das von ihr
[85] geheiliget ist, den höchsten Frieden schaffet; sie ist
das feste, sichere Fundament des wahren Lebens-
glückes, sie die Bürgschaft für Gottes Liebe und
Gnade, sie die sicherste Gewährschaft des ewigen
Himmelsglückes. Und wo ist eine Tugend, die so
reiche Segnungen nach allen Seiten um sich ver-
breitete, als die Tugend der Keuschheit? Aber sie
ist eine gar zarte Tugend, ganz einer zarten Blume
ähnlich, welche durch jede unzarte Berührung, durch
jeden kalten Hauch des Wetters verletzt wird.
Darum soll nach Gottes h. Willen auch das christ-
liche Haus ihr zur Obhut und zum Schutze dienen;
da soll sie sicher geborgen sein; da soll vor Allem
durch die Sorgfalt der christlichen Mutter Alles
fern gehalten werden, was ihr schaden, was sie
verletzen mag; da soll sie gehegt und gepflegt wer-
den. Daher unsere Ueberschrift: Die Huth der
h. Scham und Unschuld
.

Ach, draußen in der Welt ist's für unsere zarte
Himmelsblume vollends in unsern Tagen gar schlecht
bestellt, da drohen ihr tausend Gefahren, da werden
ihr tausend Nachstellungen bereitet, da wehen Stürme,
da herrschet Kälte, da schleichet das Gezücht von
allerlei Ungeziefer, da geht die h. Unschuld, die
Keuschheit nur zu leicht zu Grunde. Wehe, wenn
auch im Schooße der Familie für sie nicht Schutz
und Obhut mehr wäre, wenn auch im Heiligthume
des christlichen Hauses ihr Gefahren bereitet wür-
den! Nein, der christliche Vater und fast noch
mehr die Mutter hat Sorge und ist darauf be-
dacht, daß hier im Hause eine h. Zucht walte –
[86] stets und überall, im Reden, im Verhalten, in den
Verhältnissen.

Eine h. Zucht herrscht in Beziehung auf die
Gespräche. Kein zweideutiges, unanständiges
Wort darf hier laut werden; unpassende Scherze
und Lieder kennt man nicht; nie bilden unan-
ständige Dinge und Vorfälle den Gegenstand der
Gespräche.

Unanständige Reden, Scherze, Lieder sind schon
an sich verwerflich und sündhaft; unanständige
Dinge sollen, nach der Ermahnung des h. Apostels,
von Christen nicht einmal genannt, viel weniger
soll darüber gesprochen werden. Aber wie groß ist
ferner der Schaden, das Verderben, welches solche
Reden und Scherze in den Redenden und Hören-
den zu Wege bringen! Sie sind eine wahre Pest,
sie sind Samenkörner der Unzucht, durch leicht-
sinnigen Menschenmund ausgestreuet in die Her-
zen, um in unreinen Gedanken, Gelüsten, Werken
aufzusprießen. Es unterliegt gar keinem Zweifel,
daß in tausend und tausend Seelen, welche nun im
Laster der Unkeuschheit zu Grunde gehen, der Grund
dieses Verderbens durch unanständige Reden gelegt
worden ist. Schaffe die unkeuschen Reden und
Scherze von der Erde fort, und Tausende, die im
Dienste der Unzucht so unglücklich sind und werden,
werden das hohe Gut der Keuschheit nie verlieren,
werden unter ihrem Segen zeitlich und ewig glück-
lich sein. ‘„Böse Reden“’, spricht der h. Geist,
‘„verderben gute Sitten.“’ Welch ein unbarmherzi-
ges Gericht wird daher über die ergehen, welche
sich solcher Reden unmittelbar oder mittelbar (da-
[87] durch, daß sie dieselben nicht verhinderten, wo sie
konnten und sollten) schuldig machen!

Solche unanständige Reden, Scherze, Unterhal-
tungen, Lieder werden in einem christlichen Hause
nicht geduldet, sondern auf's Sorgfältigste vermie-
den und verhütet. Die Mutter hält es für hei-
lige Pflicht, in diesem Punkte eine sorgfältige Wach-
samkeit im Hause zu üben und mit Ernst und
Strenge darauf zu halten, daß kein unanständiges
Wort gehört werde. Sie hat auf die Dienstboten
und Tagelöhner ein wachsames Auge, daß sie nicht,
wie es leider nur zu oft der Fall ist, in Gegen-
wart der Kinder unvorsichtige oder unehrbare Re-
den führen. Geschieht das, so wird es mit Ernst
und Nachdruck gerügt, und solche Dienstboten oder
Tagelöhner, welche auf Ermahnungen nicht achten,
werden so bald wie möglich aus dem Dienste, aus
der Arbeit entlassen. Wie manches Kind (wie
mancher jüngere Dienstbote) verliert durch den
Leichtsinn und durch die Schlechtigkeit solcher Men-
schen seine Unschuld, sein kostbarstes Gut!*)

Wehe dem Hause, in welchem derartige Reden
sogar in Gegenwart der Hausfrau ungestört ge-
führt werden dürfen, ja wo der Hausherr, die
Hausfrau selbst leichtsinnig oder schlecht genug
wären, um einzustimmen.

Es ist ferner in einem christlichen Hause Regel,
daß über gewisse unzüchtige Vorfälle in der Ge-
meinde überhaupt, und zumal in Gegenwart der
[88] Kinder oder jüngeren Hausgenossen, nicht gesprochen
werde. O, warum wird doch im Sprechen keine
größere Vorsicht gebraucht?! Die Kinder sind lei-
der oft in diesem Punkte so vorwitzig; sie horchen
so aufmerksam auf, wo über schlüpfrige Gegen-
stände Rede ist, sie haschen jedes Wort auf, sie
denken darüber nach, sie fragen und sprechen weiter
darüber bei ihres Gleichen, und so wird eine zu
Hause gehörte unvorsichtige Aeußerung bei ihnen
nur zu leicht die Quelle eines großen Verderbens.
‘„Ein kleiner Funke“’, sagt der Apostel, ‘„welch einen
großen Brand entzündet er oft!“’
*)

[89]

Die christliche Mutter hält ferner auf Züchtigkeit
und Ehrbarkeit in der Kleidung. Es ist hier nicht
Rede von Kleidern, welche an sich unanständig
sind. Solche Kleider, die in ihrem Schnitte, in
ihrer ganzen Art unanständig sind, unanständige
Moden wird eine gewissenhafte Mutter im Hause
nicht dulden. Hier ist Rede von jener Unsitte,
wonach in manchem Hause zu gewissen Zeiten,
z. B. am Morgen oder im Sommer, wenn es
heiß ist, oder bei gewissen Arbeilen, die Unvoll-
[90] ständigkeit der Kleider die gute Sitte und den An-
stand verletzt. Mit Strenge soll daher die Mutter
darauf halten, daß die Kinder nie ihr Schlafgemach
verlassen, ohne wenigstens in sofern angekleidet zu
sein, daß Anstand und Schamhaftigkeit nicht ver-
letzt werden, daß sie sich vernünftiger Weise nicht
zu schämen haben, auch von Fremden gesehen zu
werden. Wie sehr steht's zu bedauern, wenn die
kleinen Kinder Morgens, man möchte sagen halb-
nackt, mit unbedeckten Füßen, im bloßen Hemde
u. s. w. im Hause herumlaufen oder außerhalb des
Hauses gesehen werden. Ist das geeignet, ihrer
Gesundheit zu schaden, so ist es noch viel schlimmer,
daß auf solche Art alle Zartheit des Schamgefühls,
die so wichtig ist, nach und nach abgestreift wird.
– So auch im Sommer; nie kann größere Be-
quemlichkeit oder Annehmlichkeit, oder sonst etwas
berechtigen, den Kindern die Ablegung ihrer Kleider
in einer Art, welche den Anstand verletzt, zu ge-
statten.*)

So wichtig es ist, daß die h. Reinigkeit, die
Tugend der Keuschheit, die Unschuld unverletzt er-
[91] halten werde, so strenge soll die h. Zucht nach allen
Seiten hin gehandhabt werden; daher kommen wir
zu der Forderung, daß alle zu enge gefährliche Ge-
meinschaft der verschiedenen Geschlechter im Hause
auf alle Weise verhütet werde. Die christliche
Mutter wird um jeden Preis dafür sorgen, daß
ihre Kinder verschiedenen Geschlechtes, d. i. Mäd-
chen und Knaben, nicht in der nämlichen Stube,
oder gar im selben Bette zusammen schlafen, eben
so nicht die Kinder mit den Dienstboten des an-
dern Geschlechtes. Ist solches Zusammenschlafen
immer, auch schon bei ganz kleinen Kindern be-
denklich, so ist es vollends unverantwortlich, dasselbe
noch zu gestatten, wenn die Kinder schon zu den
Jahren des Verstandes gekommen sind. Gott
weiß es, wie viel Unheil hiervon seinen Ausgang
nimmt. Wie ist es doch möglich, daß manche El-
tern in diesem Punkte so rücksichtslos, so schrecklich
leichtsinnig zu Werke gehen, als hätten sie keinen
Verstand oder kein Gewissen! – Ebenso gewissen-
los und leichtsinnig ist es, wenn Eltern ihre schon
heranwachsenden Kinder noch immer bei sich oder
auch nur in der nämlichen Stube mit sich schlafen
lassen. – Jeder, welcher nur in etwa ernst und
[92] gewissenhaft diesen Punkt betrachtet und bedenkt,
in welche Gefahren die Unschuld der Kinder in
dieser Hinsicht gerathen, wie leicht sie für immer
Schiffbruch leiden könne, wie sehr jedenfalls das
Schamgefühl verletzt werde, der muß anerkennen,
daß es eine heilige und strenge Pflicht für Eltern
sei, alles Mögliche zu thun, es in jeder möglichen
Art zu überlegen und keine Mühe und kein Opfer
dafür zu scheuen, daß die Kinder nach ihrem Ge-
schlechte getrennt in verschiedenen Betten und an
verschiedenen Stellen schlafen; und sollte man dürf-
tigkeitshalber selbst genöthigt sein, Andere zu sol-
chem Zwecke um Beisteuer angehen zu müssen. -
Wahrlich eine Sache, die man, ihrer Wichtigkeit
wegen, rings von den Dächern predigen möchte.*)
Derjenige, welcher das über diesen Punkt Gesagte
übertrieben und unzeitig nennen möchte, kennt nicht
die Verheerungen, welche die Vernachlässigung dieser
Rücksichten in jungen Seelen zu Wege bringen
mag. Es ist im günstigsten Falle eine, dennoch
bedenkliche Gedankenlosigkeit, aber nur zu oft
schnöder Leichtsinn und frevelhafte Rücksichtslosig-
keit und Gewissenlosigkeit, wenn man das Ge-
sagte nicht einsehen will und sich nicht darum
kümmert.

[93]

Wie wenig wird ferner in manchen Häusern
das Schamgefühl respektirt und gehegt; wie manches
geschieht und wird zugelassen, wodurch dasselbe mehr
und mehr abgestumpft wird. Wir würden An-
stand nehmen, darüber hier zu sprechen, wenn wir
nicht das Bewußtsein hätten, daß die Wichtigkeit
der Sache uns dazu ein Recht gebe. So ist es
übel, wenn die Mutter es nicht verhindert, daß
die kleinen Kinder beim Sitzen, Liegen, Spielen
allerlei unanständige Entblößungen sich erlauben;
denken sie auch nichts dabei, das Schamgefühl wird
von früh an dadurch abgestumpft. Auch in der
Art, die kleinen Kinder zu stillen (ihnen die Mut-
terbrust zu bieten), sollte vielfach von den Müttern
der h. Scham mehr Rechnung getragen werden.
Hierher gehört auch, wenn die Mütter ihre Kinder
nicht anleiten und anhalten, daß sie beim Verrichten
ihrer Nothdurft sich zurückziehen, wo sie nicht ge-
sehen werden, daß sie es nicht so offen und vor
den Augen der Menschen thun. Wie viel Scham-
losigkeit und Rücksichtslosigkeit herrscht in dieser
Hinsicht nicht selten bei Erwachsenen; es ist ganz
unbegreiflich, es ist ein trauriges Zeichen, wie sehr
in Vielen jenes h. Schamgefühl erstorben ist. Und
doch ist gerade diese h. Scham, dieses Schamgefühl
von Gott in die Menschennatur hineingelegt, daß
es gehegt und zu lebendiger Aeußerung gefördert,
wie ein Damm sei, wider das Andringen der Un-
lauterkeit, eine Umzäunung der h. Unschuld, eine
Abwehr alles dessen, was der Reinheit der Seele
gefährlich oder nachtheilig ist. Ist die Umzäunung
hinweggerissen, dieser Damm fortgeschwemmt, ist
[94] die Scham aus dem Menschen verschwunden, so
steht er aller Schande der Unlauterkeit offen, so
ist er zu Allem fähig und kommt, wo die Gelegen-
heit es bringt, leicht zu Allem. Eben darum ist
es von unendlicher Nichtigkeit, daß dieses heilige
Schamgefühl bei den Kindern nicht verletzt werde;
daß es geschont, gehegt, gefördert, daß es recht
zart erhalten werde und daß man daher im Hause
Alles in Wort und That vermeide, was ihm ge-
fährlich oder nachtheilig sein könnte.

Möchte doch das hier Gesagte überall die ge-
bührende Berücksichtigung finden; auf daß die heil.
Unschuld, die Keuschheit in den christlichen Familien
eine Zufluchtsstätte, in der Fürsorge der Mutter
eine schützende Obhut finde! Jemehr in der Welt
in unsern Tagen die Unzucht herrscht und alles
höhere Leben zu vernichten und alles wahre Le-
bensglück zu stören drohet, – desto mehr herrsche
in unsern Häusern die heilige Zucht! Dann
wird es, so Gott will, wahr werden, daß mehr
und mehr in einem solchen Hause ein keusches
Geschlecht wohne, keusche, ehrbare Eltern, un-
schuldige Kinder und sittsame Dienstboten, und es
wird auf ein solches Haus Anwendung finden,
was der h. Geist spricht: ‘„O wie schön ist ein
keusches Geschlecht im Tugendglanze! denn un-
sterblich ist sein Andenken, und bei Gott und Men-
schen ist es anerkannt; ist es gegenwärtig, so ahmt
man ihm nach, entzieht es sich den Augen, so sehnt
man sich darnach und ewig triumphirt es mit
der Siegeskrone und trägt den Preis für
[95] die Kämpfe unbefleckter Reinigkeit
.“’
(Buch
der Weish. 4, 1-2.)

Die Anleitung.


Ein Gärtner hat durch eine besondere Gunst der
Umstände überaus kostbaren Samen zu den selten-
sten, herrlichsten Blumen erhalten. Nun hat er
denselben dem Boden seines Gartens anvertraut;
schon keimt er; schon sprießen die zarten Pflänzchen
aus der Erde hervor. Wird er fernerhin unbe-
kümmert um dieselben sein? O nein! Er hat
große Sorge um sie; er sieht nach ihnen täglich
von Neuem, leicht wiederholt am Tage. Nicht ge-
nug, daß er mit großer Sorgfalt Alles von ihnen
fern zu halten sucht, was ihnen schädlich und ge-
fährlich sein würde, so hegt und pflegt er dieselben,
wie und so viel er kann, damit sie wohl gedeihen
und sich ganz nach ihrer Art zu voller Schönheit
und Herrlichkeit entwickeln.

Ein treffender Fingerzeig für christliche Mütter!
Was sind die seltensten und schönsten Blumen ge-
gen jene Pflänzlinge, welche Gott selbst in des
Kindes Herz eingefügt hat?! Samenkörner gleich-
sam von Himmelsauen her; – Keime, durch die
unendliche Huld des Herrn aus Seinem hochherr-
lichen, anbetungswürdigen Wesen selbst in's Men-
schenwesen gelegt, auf daß sie da mehr und mehr
zur Herrlichkeit der christlichen Tugenden sich ent-
faltend den armen Menschen einführen in immer
größere Aehnlichkeit mit Gott. An ihnen soll die
Mutter eine Gärtnerin sein.

[96]

Mit aller Sorgfalt daher, wir hörten es bereits,
mit aller Umsicht sucht die Mutter das Herz des
Kindes von dem Unkraut zu entledigen, welches
den Bestand und das Wachsthum dieser göttlichen
Tugendkeime zu gefährden oder zu behindern drohet;
mit zarter Vorsicht sucht sie dieselben vor Allem,
was ihnen nachtheilig sein möchte, zu schützen und
zu hüten.

Aber sie thut noch mehr. Läßt ja der Gärtner
es nicht damit sein Bewenden haben, daß er das
Beet, auf dem seine kostbaren Blumen stehen, von
allem Unkraut reinigt und sie vor üblen Einflüssen
schützt; nein, er hegt und pflegt seine Lieblinge, so
viel er kann; er versäumt nichts, was dazu bei-
tragen mag, daß dieselben desto schöner heranwachsen
und sich entfalten. So also auch die christliche
Mutter. Sie lässet es sich, – wie es auch ihre
heilige Pflicht ist, – mit aller Sorgfalt angelegen
sein, die christlichen Tugenden im Herzen und Le-
ben ihrer Kinder zu nähren und groß zu ziehen.
Hat der Herr auch die Keime dieser Tugenden in's
Kindesherz gesenkt, so thut es ja doch, sollen sie
zu der entsprechenden Entfaltung kommen, Noth,
daß das Kind, sobald es zu den Jahren der Ver-
nunft kommt, in die Gnade Gottes eingehe und
zur Entwickelung und Vollendung jener Tugenden
mitwirke. Und das ist es, wozu die Mutter das
Kind zur Zeit anregen, wozu sie ihm Anleitung
geben soll. Ohne diese Anregung und Anleitung
wird das von Gott im Kinde grundgelegte Gute
schwerlich zur Entwickelung, sicher nicht zur vollen
Entfaltung kommen. Es wird sein, wie ein kost-
[97] bares Samenkorn, was nicht aufgeht, wie eine
Pflanze, die nicht Leben hat.

Feinde des Glaubens haben aus dem Umstande,
daß ohne Anregung und Anleitung von Außen der
Glaube, die Religiösität, die Liebe zu Gott, die
Gewissenhaftigkeit, die Keuschheit und die sonstigen
christlichen Tugenden nicht zu Stande kommen, den
Schluß ziehen zu dürfen geglaubt, daß alle diese
Tugenden nichts, als eitel Angewöhnung von den
Eltern oder Andern seien. Die Thoren! Wenn
denn die Sorgfalt und Mühe des Gärtners, wenn
die heilsamen Einflüsse des Bodens und der Luft,
Regen und Sonnenschein bewirken, daß der Keim
sich entfaltet und zu einer herrlichen Blume heran-
wachset, ist es da der Gärtner, ist es Boden und
Luft, Regen und Sonnenschein, wodurch dieselbe
hergestellt ist? Würde alles das die Blume her-
vorgerufen haben, wenn der Keim nicht schon im
Boden gelegen hätte? Aehnlich liegen auch Keime
der christlichen Tugenden schon im zarten Kindes-
herzen, von Gottes Gnaden; aber mancherlei heil-
samer Einfluß von Außen, insbesondere von Seite
der Eltern, der Mutter, ist nothwendig, damit sie
nach Gebühr wachsen und gedeihen.

Also wieder eine hohe und schöne Aufgabe für
die Mutter! Sie soll ihrem Kinde zur Hand
gehen, daß so viel an ihr, die Tugenden, welche
der Herr in ihm grundgelegt hat, vom ersten An-
fang seines Bewußtseins in ihm zur Uebung kom-
men, oder was dasselbe ist, sie soll ihrem Kinde
Anleitung geben, daß es, sobald es zum Bewußt-
sein kommt und also anfängt, als Mensch, in freier
[98] Selbstbestimmung zu handeln, in seinem Handeln
und Leben sich sofort und fortan als Christ, als
Kind Gottes erweise, daß es also christlich, d. i. so
wie es den Lehren unserer h. Religion entspricht,
denken und urtheilen und sinnen, wünschen und
fürchten, reden und handeln lerne, daß es vom
ersten Beginne an sofort an Gott glaube, auf Ihn
hoffe. Ihn liebe; daß es von Anfang an seine
Mitmenschen liebe und Güte und Sanftmuth und
Mitleid und Erbarmen gegen sie erweise; daß es
von Anfang an bescheiden und demüthig sei und
die christliche Geduld übe, und sich beherrschen und
überwinden lerne, und sich an Arbeit und Fleiß
gewöhne; daß es vom ersten Beginn wahrhaft
sei und treu und aufrichtig, daß es das Eigen-
thum Anderer achte und redlich und ehrlich sei,
und was sonst noch zum christlichen Leben gehört.

Oder soll die Mutter, so lange das Kind noch
klein ist, um alles dieses sich nicht kümmern? Soll
sie ihre Kinder zunächst eine Zeit lang, vielleicht bis
in recht hohe Jahre hinein so hinleben lassen, wie
sie eben leben wollen, ohne es sich am Herzen lie-
gen zu lassen, daß sie sofort und immerdar als
Christen leben? Etwas Ungereimteres und zu-
gleich Verkehrteres als das, kann es nicht geben.
Also man wollte zunächst eine Zeit lang das Nie-
dere im Kinde, seine Natur, welche verkehrt und
voll böser Neigungen ist, heranwachsen und groß
werden und das Höhere in ihm, die Kindschaft
Gottes, die christlichen Tugendkeime ohne Pflege
liegen lassen? Der natürliche, vielfach böse Mensch
der Heide, sollte heranwachsen und der übernatür-
[99] liche Mensch, das Kind Gottes, der Christ sollte
unentwickelt und klein und winzig bleiben! Wird
dann, wenn endlich später auch dieser, der Christ,
gepflegt und zu einem christlichen Leben angeleitet
werden soll, derselbe nicht gegen den unterdeß groß
und stark gewordenen natürlichen, verkehrten Men-
schen in der traurigsten Weise im Nachtheile sein
und leicht immer im Nachtheile bleiben? So der
Ismael, der Sohn der Magd im Hause Abrahams;
als Isaac, der Sohn der Verheißung, geboren
wurde, war jener schon herangewachsen; und was
geschah? ‘„Und Ismael verfolgte den Isaac.“’
(Gal. 4, 29.) – Und ist es nicht Gottes Wille,
daß der Mensch sein ganzes Leben Ihm und
seinem Dienste weihe? Daß Sein Kind, wozu Er
den Menschen in der Taufe hat wiedergeboren
werden lassen, von frühester, zartester Jugend an,
sobald sein Bewußtsein erwacht, als solches, als
Christ sich erweise und lebe, christlich denke und
sinne und rede und handele? Der Herr liebt die
Erstlinge; grad diese zarten Erweisungen christ-
licher Frömmigkeit im Kinde, wie sind sie so kost-
bar vor Ihm! O, welch eine Verkennung der
Sache und der Wahrheit, keine Sorge zu haben,
daß das Kind vom ersten Beginne an seines höch-
sten Vorzuges, ein Kind Gottes, ein Christ zu sein,
sich würdig erweise! Sehen wir auf die Kinder
der Hohen und Großen dieser Welt: Welche
Sorge, welches Bemühen, daß die Kinder, sobald
sie nur Vorstand haben, sich in Allem so benehmen,
wie es der Weise, welche in diesen Kreisen herrscht,
den Regeln des Anstandes, der guten Sitte ent-
[100] spreche. Und christliche Mütter sollten nicht Sorge
haben, daß ihre Kinder, die zugleich Kinder des
höchsten Fürsten im Himmel sind, von Anfang an
und schon als kleine Kinder sich so benehmen, wie
es der Weise, die im Reiche Gottes herrscht, wie
es den Regeln des christlichen Glaubens ent-
spricht?!

Grad die ersten Jahre der Kindheit, die ersten
Jahre nach der Zeit, wo im Kinde das Selbstbe-
wußtsein erwacht ist, sind so wichtig und entschei-
dungsvoll für's ganze Leben. Und sie sollte man
hingehen lassen, ohne das Kind anzuleiten, daß es
schon in ihnen sich als Christ verhalte? Wie sehr
steht zu fürchten, wie oft ist es der Fall, daß eben,
weil man nicht schon als Kind auch als Christ
lebte, ein frisches, das ganze Menschenwesen durch-
dringendes und beherrschendes christliches Leben nie
zu Stande kommt.

Es bedarf wohl kaum der Erinnerung, daß wir,
während wir der Anregung des christlichen Lebens
schon im zartesten Kindesalter das Wort reden,
unmöglich im Sinne haben können, daß dieses
christliche Leben beim Kinde schon ähnlich auftrete,
wie bei den Erwachsenen. Das hieße ja, Unmög-
liches fordern. Aber eben darum, weil Kinder
noch nicht nach Art der Größeren Gott dienen und
ein christliches Leben führen können, soll beson-
ders die Mutter die Vermittlerin für das Kind
sein und ihm den Weg zeigen, wie es schon als
Kind Christ sein und die Tugenden des christlichen
Lebens üben möge. Es hat das oben erwähnte
Beispiel von der Muttermilch Platz. Wie der
[101] Herr Sorge getragen hat, daß die von der Natur
gebotenen und ohne Weiteres für das Kind noch
nicht genießbaren Speisen zuvor bei der Mutter
sich zur Milch, d. i. zu einer dem kindlichen Körper
entsprechenden Nahrung, gestalten; so soll die Mut-
ter auch die Obliegenheiten und Weisen des christ-
lichen Lebens in einer für das zarte Alter des Kin-
des angemessenen Art dem Herzen des Kindes nahe
legen und es dazu anleiten.

Eine Aufgabe für die Mutter, welche freilich
Aufmerksamkeit und aufrichtiges Bemühen in An-
spruch nimmt, aber keineswegs irgendwie zu schwer
erscheinen kann. Freilich eine Mutter, welche selbst
noch nicht einmal ernstlich angefangen hat, ein
christliches Leben zu führen, wird diese Aufgabe
nie zu lösen im Stande sein. Darum haben wir
ja auch wahre christliche Frömmigkeit als eine der
nothwendigsten Erfordernisse zu einer guten Er-
ziehung aufgestellt. Aber für eine wahrhaft christ-
liche Mutter ist diese Aufgabe nicht zu schwer.
Führen wir, um das einzusehen, nur einige Weisen
ihrer Lösung uns vor:

Der Glaube. – Die Mutter unterweiset ihr
Kind, wie wir schon dargelegt haben, schon früh
in kindlicher Weise in den Lehren der h. Religion.
Schon das wecket und fördert die Entwickelung
des Glaubens. Aber nun gewöhnt sie das Kind,
daß es nach dem, was es auf solche Art von Gott
und Religion weiß, in seinem Urtheile über den
Werth und Unwerth der Dinge, in seinem Reden
und Thun sich richte. Das Kind erfährt zeitliche
Leiden und Uebel; die Mutter: ‘„Noch schlimmer
[102] ist die Sünde. Das Kind erfährt irdische An-
nehmlichkeiten und Freuden; die Mutter: ‘„Die
Freude eines guten Gewissens, die Freude des Be-
wußtseins, Gutes gethan zu haben, ist noch größer.“’

Oder, sie erinnert zur Zeit das Kind, daß Gott
bei ihm ist, es sieht, daß Gott gütig, daß Er hei-
lig, gerecht u. s. w. ist; sie erinnert an die großen
Werke der göttlichen Liebe u. s. w. Lauter Uebungen
des Glaubens. – Sie leitet das Kind an zum
Bitten um Glauben.’

Die Hoffnung. – Die Mutter erzählt dem
Kinde gern, wie viel Gutes, Großes und Schönes
der Herr Jesus den Seinen bereitet und in der
Kirche zurückgelassen habe; wenn es größer wird,
dann wird es an all demselben Theil haben und
dadurch immer besser, frömmer, schöner an seiner
Seele werden; dann wird die Mutter es mitnehmen
in die h. Messe, wo es so viel Gutes erlangen
kann; zur Zeit wird es in der Schule so viel
Schönes vom Heilande und Seiner Kirche lernen;
es wird einmal selbst den lieben Heiland empfangen
dürfen. – Wenn es recht fromm ist, dann wird
der liebe Gott und der göttliche Heiland es gar
sehr lieben; welch ein Glück! – und sie werden
ihm Gutes thun. Dann wird die liebe Mutter
des Herrn, die Himmelskönigin, es lieb haben, und
alle lieben Engel und Heiligen mit ihr, und sie
werden ihm, wenn es sie anruft, alles Gute und
Schöne erflehen; und welch ein Heil, endlich, wenn
es stirbt! Dann wird der liebe Heiland seine
Seele abholen, daß sie bei Ihm im Himmel ewig
alle erdenkliche Freude und Seligkeit genieße. –
[103] Dann: Wenn du nun recht fromm betest, recht ge-
horsam bist u. s. w., so hat der liebe Gott dich
lieb, dann dürfen wir hoffen, daß du einst in den
Himmel kommst. – Oder, wenn das Kind fehlt
(lügt, nascht, ungehorsam ist u. s. w.): ‘„O, Kind,
thu das doch nicht! Was muß der liebe Gott,
der liebe Heiland sonst von dir denken. Wirst
du dann in den Himmel kommen können? Kin-
der, die lügen, die ungehorsam sind... – wo-
hin werden die einst kommen? in den Himmel
nicht!“’

Die Liebe. – Wie manches ist im täglichen
Leben, was dem Kinde Freude und Lust macht;
gern weiset die Mutter immer von Neuem darauf
hin, daß alles Gute von Gott kommt, daß das
Kind Ihm danken müsse. – Die und die haben
Andern Gutes gethan; die Mutter: ‘„O Kind,
wie viel mehr Gutes thut uns und auch dir der
liebe Gott!“’
– Dann spricht sie zum Kinde von
der Güte Gottes, von seiner Barmherzigkeit, daß
Er unser Vater ist; und von Jesus, wie Er
auch aus Liebe zu ihm (dem Kinde), Mensch ge-
worden und so viel gelitten und Sein Leben hin-
gegeben habe, und nun noch immer aus Liebe im
h. Sakramente wohnt und wirkt. ‘„O, nie kannst
du Ihn genug wiederlieben!“’
– Dies und jenes
macht dem Kinde Freude, es hält dasselbe so hoch,
es wünscht es so sehr, weil es so schön ist; die
Mutter: ‘„O, Kind, wie viel schöner ist der liebe
Gott und der göttliche Heiland! Er verdient mehr
als Alle und Alles geliebt zu werden, welche
Freude, welch Glück für dich, Ihn einst zu sehen,
[104] Ihn zu besitzen!“’
– Erzählungen von Heiligen,
besonders von jugendlichen Heiligen, welche Gott
sehr geliebt haben. – Das Kind muß oft Gott bitten,
daß Er ihm Gnade gebe, Ihn immer mehr zu lieben.

Die Nächstenliebe. – Die ist es ganz be-
sonders, wozu die Mutter ihr Kindlein anleitet.
Vor Allem muß es – das verlangt die Mutter
– gegen Alle im Hause eine solche Liebe haben;
es wird ernstlich und beharrlich angehalten in Be-
ziehung auf die Geschwister, Dienstboten und son-
stige Hausgenossen Alles zu meiden, was die Liebe
verletzt; Unfreundlichkeit, Zorn, Zank, Streit,
Kränkungen, Eigensinn u. s. w.; es muß Allen
mit Liebe begegnen, mit Freundlichkeit, Zuvor-
kommenheit, Gefälligkeit, es muß gegen alle herz-
liche Theilnahme beweisen, Mitleid, gern helfen
und von dem, was es hat und bekommt, gern
mittheilen. Aber ähnlich auch außer dem Hause;
die Mutter erinnert immer wieder daran, hält
streng darauf. Unzeitige Tadelreden über Andere
werden, wie das Kind sie im Hause nicht hört,
auch bei ihm nicht geduldet. Es darf sich nicht
mit andern zanken und streiten; es muß vertrag-
sam sein; es wird gewöhnt zu Mitleid und Er-
barmen über Nothleidende und Arme; die Mutter
gibt ihm Gelegenheit, ihnen zu helfen und zu ge-
ben; sie leitet es an, selbst durch Ersparniß und
sonst darauf bedacht zu sein, daß es in den Stand
gesetzt werde, zu helfen und zu geben. Das Bei-
spiel der Mutter selbst verleihet allem Diesem Le-
ben und Wirksamkeit.

Welch ein Segen für das Kind, wenn also die
[105] christliche Nächstenliebe mit ihm großwächset; wenn
Selbstsucht und Eigennutz schon früh in ihm ge-
brochen wird! Warum ist in der Welt vielfach
Alles in Egoismus aufgegangen, ohne Liebe und
herzliche Theilnahme? Man hat die Liebe nicht
als Kind kennen und üben gelernt.

Das wären etliche Proben der Anleitung, wie
man sie von einer christlichen Mutter erwarten
muß. Und ähnlich in den andern Punkten. Es
wird streng darauf gehalten, daß das Kind stets
pünktlich gehorsam sei; daß es in Allem die Wahr-
heit sage; daß es sein Wort halte; daß es recht
bescheiden, zurückhaltend sich erweise; – es wird
angeleitet, seine kleinen Unannehmlichkeiten und
Leiden geduldig zu tragen; es wird an Reinlich-
keit, Ordnung, Arbeit gewöhnt: ‘„Der liebe Gott,“’
sagt die Mutter, ‘„will zwar, daß die Kinder auch
spielen, aber doch nicht, daß sie immer spielen, sie
sollen auch arbeiten, fleißig sein, und sich an Ar-
beit gewöhnen*); also nun hübsch rüstig an's
Werk!“’

[106]

Zur Zeit treten Lehrer und Lehrerin der Mut-
ter in der Erziehung ihres Kindes helfend zur
Seite. Was ist natürlicher und billiger, als daß
die Mutter sie als wie Hausfreunde halte und
ihrem Kinde Hochachtung gegen sie einflöße, ohne
welche sie ja keinen heilsamen Einfluß ausüben
können; daß sie zu ihren Kindern nie mit Gering-
achtung von ihnen spreche; daß sie dem Kinde ein
Interesse für das, was es in der Schule thut
und lernt, beweise, es darüber befrage, darüber
spreche.

Die christliche Mutter leitet ihr Kindlein an
zum Gebete, sobald und so viel es dessen fähig ist.
Aehnlich, wie die oben erwähnte Jungfrau lehret
sie ihr Kindchen seine Händchen falten und spricht
ihm kindliche Gebetsworte, vor. Wie schön, wenn
mit dem Mutter- und Vaternamen die Namen
Gottes, Jesu, Mariä die ersten wären, welche der
kindliche Mund lallen lernte! Jedenfalls lernen
die Kinder, so bald es möglich ist, von der Mutter
das heilige Kreuzzeichen machen, das h. Vater unser
und Ave und andere kindliche Gebetchen beten und,
wo möglich, ein kurzes kindliches Morgen- und
[107] Abendgebet. Und das müssen sie dann jeden Mor-
gen und Abend beten.*)

Die Mutter nimmt ihr Kleines gerne zuweilen
mit zur Kirche, damit es Kirche und Gottesdienst
kennen und lieben lerne und damit es Sinn für
Kirche und Gottesdienst daraus schöpfe. – Das
Kleine lernt, so viel möglich, die Feste und ihre
Bedeutung kennen und wird angeregt und ange-
leitet, sie, so gut es kann, zu feiern. – Es kommt
die Zeit, wo das Kleine die Kirche besuchen muß.
Die Mutter hält es dazu an, daß es recht regel-
mäßig hingehe, früh genug komme; sie erinnert und
ermahnt es recht oft, hübsch artig zu sein in der
Kirche und recht fromm und andächtig zu beten.
– Es ist zur h. Beicht angenommen; es bereitet
sich vor. Die Mutter nimmt den regsten Antheil;
sie unterrichtet das Kind, wie es seine Beichte recht
mache, sie ermahnt es, sie hilft ihm. – Und wo
sonst wichtigere Vorfälle im religiösen Leben des
Kindes vorkommen, welche sein Herz in höherem
Grade in Anspruch nehmen, da geht die Mutter
gern mit ähnlichem Interesse in diese Gelegenheit
desselben ein und knüpft nützliche Anleitung und
Unterweisung an.

So und ähnlich hält es die christliche Mutter
[108] in Betreff der Anleitung ihrer Kinder zu einem
christlichen Leben, auf daß dieselben schon früh als
Christen leben, und nach allen Seiten sich als
Christen erweisen. Und nicht hoch genug kann die
heilsame Wirkung davon angeschlagen werden.
Kaum etwas gibt eine solche Bürgschaft, daß das
Kind auch in seinem spätern Leben ein echt christ-
liches Leben führen, daß es zum Heile gelangen
werde, als, wenn es also von einer frommen
Mutter schon gleich vom ersten Beginne an dahin
angeregt und angeleitet wird, als Christ zu leben
und in Glaube, Hoffnung, Liebe und in allen
christlichen Tugenden zu bestehen.

Wohlan denn, christliche Mutter, vermittle deinen
Kindern diese unschätzbare Wohlthat! Es wird
deine eigene Freude und dein Trost sein.

Gottes Wort an die christliche Mutter.


Gewiß ist es geeignet, den Nachdruck unserer
Mahnungen zu erhöhen, wenn wir in Folgendem
eine Sammlung der Hauptstellen der h. Schrift,
worin der h. Geist sich an die Eltern*) ausspricht,
folgen lassen.

[109]

1) Beginnen wir mit den Worten des Herrn,
welche Er an Heli richtete, weil er – nicht die
gute Erziehung überhaupt vernachlässigt, – sondern
von unzeitiger Liebe abgehalten, seine Söhne nicht
nach Pflicht bestraft hatte; tritt ja hierin der ganze
Ernst und die strenge Verantwortlichkeit der Eltern-
pflichten zu Tage. So heiße es 1. Kön. 3, 11:
Und der Herr sprach zum Samuel: ‘„Ich werde!
Alles an dem Heli erfüllen, was ich ihm und seinem
Hause gedrohet habe – wegen der Vergehungen
seiner Söhne; denn, obwohl er wußte, daß seine
Söhne sich unwürdig betrugen, so hat er sie den-
noch nicht bestraft.“’
Wie furchtbar ging die
Drohung in Erfüllung! Die beiden Söhne kamen
im Kriege um, die Arche kam in Feindeshand,
Heli fiel im Schrecken dieser Nachricht rücklings
vom Stuhle und starb.

2) Daran schließe sich das schöne Wort des
ehrwürdigen alten Tobias, dieses hochvortrefflichen
Vaters, das er auf seinem Sterbebette zu seinem
so vortrefflich erzogenen Sohne gleichen Namens
und zu seinen Enkeln sprach: ‘„Dienet dem Herrn
mit aufrichtigem Herzen und bemühet euch, zu thun,
was Ihm wohlgefällig ist. Weiset euere Kinder
an, daß sie stets thun, was recht ist, daß sie Al-
mosen geben, Gott vor Augen halten und Ihn
preisen zu aller Zeit.“’
Tob. 14, 11.

3) Einen außerordentlich rührenden Zug aus
dem Familienleben des treuen Dieners Gottes Job
theilt uns das erste Kapitel des h. Buches gleichen
Namens mit, welches uns einen Blick eröffnet in
die wahrhaft väterliche Sorgfalt, womit dieser
[110] fromme Vater sich das Seelenheil seiner Kinder
angelegen sein ließ. ‘„Wenn,“’ heißt es (Job 1,5),
‘„die Tage des Gastmahls“’ (welches seine sieben
Söhne und drei Töchter der Reihe nach sich gegen-
seitig bereiteten) ‘„um waren, so sandte Job zu
ihnen“’
(beschied sie zu sich) ‘„und heiligte sie’ (suchte
sie durch Ermahnung und religiöse Ceremonien zur
Reue und Buße wegen ihrer Sünden und zu er-
neuetem Eifer im Dienste des Herrn zu vermögen)
‘„und machte sich des Morgens früh auf und brachte
Brandopfer“’
(Sühnopfer) ‘„für einen Jeden; denn,
sprach er, es möchten meine Söhne gesündigt und
in ihrem Herzen Gott gesegnet“’
(d. h. durch Ver-
sündigung in ihrem Herzen Gott entsagt. Gott ge-
wissermaßen den Abschied gegeben) ‘„haben.“’ Welch
ein schöner Wink für die christliche Mutter, daß
auch sie für die Sünden ihrer Kinder Gebet und
Opfer vor Gott bringe!

4) Auch die h. Schrift ist überzeugt, daß ein
Haupterforderniß zu einer guten Erziehung darin
besteht, daß die Eltern (die Mutter) selbst wahr-
haft gut, ‘„gerecht“’ seien. ‘„Der Gerechte, welcher
in heiliger Einfalt wandelt, wird glückliche Kinder
hinterlassen.“’
Sprichwörter 20, 7. – ‘„Der
Mann“’
(der Vater, wie die Mutter) ‘„wird aus
seinen Kindern erkannt.“’
Jesu Sirach 11, 30.

5) Wiederholt ermahnt die h. Schrift auf's
Angelegentlichste die Eltern, sich der guten Erziehung
ihrer Kinder mit Sorgfalt anzunehmen. ‘„Unter-
weise deinen Sohn,“’
heißt es Sprichwörter 29, 17,
‘„so wird er dir Freude bereiten und deiner Seele
Wonne gewähren.“’
‘„Unterrichte deinen Sohn,“’
[111] heißt es eben daselbst 30, 13, nämlich in allem
Guten, ‘„und gib dir Mühe mit ihm, auf daß du
nicht den Kummer habest, seine Schande zu sehen“’

(d. i. sonst wird er entarten zu deinem Kummer).
Und 41, 8-9: ‘„Die Kinder der Sünder werden
Kinder des Gräuels und ihre Erbschaft vergeht.“’

‘„Freue dich nicht über gottlose Kinder“’ (so
viele Vorzüge sie auch sonst haben) ‘„habe deine
Lust nicht an ihnen, wenn keine Gottesfurcht in
ihnen ist: ein Kind der Gottesfurcht ist besser, als
tausend andere. Besser ist kinderlos sterben, als
gottlose Kinder hinterlassen.“’
Jesu Sirach 16,
1, 3, 4. – Und 22, 3: ‘„Ein ungezogener Sohn
gereicht dem Vater“’
(und der Mutter) ‘„zur
Schande; eine verständige Tochter ist ein Erbtheil
für ihren Mann.“’

6) Mit großem Nachdrucke warnt die h. Schrift
vor jener aus unzeitiger Liebe oder Gleichgültigkeit
erwachsenden schädlichen Nachgiebigkeit, welche den
Kindern in Allem ihren Willen lässet: ‘„Verzär-
tele deinen Sohn, so wirst du dich vor ihm zu
fürchten haben; spiele mit ihm“’
(d. h. lasse es an
dem rechten Ernste der Erziehung fehlen) ‘„so wird
er dich betrüben.“’
Jesu Sirach 30, 9.

7) Früh soll man damit beginnen, die Fehler
und Unebenheiten der Kinder zu zügeln und zu
beseitigen; so Jesu Sirach 30, 8, 11, 12: ‘„Ein
nicht gezähmtes Pferd wird unlenksam; so wird
auch ein Sohn, dem man seinen Willen lässet,
widerspänstig.“’
‘„Lasse ihm nicht seinen Willen
in seiner Jugend und sei nicht gleichgültig ge-
gen seine“’
(verkehrten) ‘„Gesinnungen.“’‘„In
[112] der Jugend
beuge seinen Nacken und schmeidige
seine Lenden, so lang er ein Kind ist; wo nicht,
so wird er hartnäckig und nicht auf dich achten;
und du wirst Seelenkummer von ihm haben.“’
-
Und 7, 25: ‘„Hast du Söhne, so unterweise und
beuge sie von Jugend an; hast du Töchter,
so hab' Sorge, daß sie ihren Leib rein bewahren
und zeige kein“’
(ausgelassen) ‘„lachendes Gesicht
vor ihnen.“’

8) Auch der wohlgeordneten strengen Zucht
redet die h. Schrift das Wort: So Jesu Sirach
39, 1: ‘„Wer seinen Sohn liebt, hält ihn be-
ständig in Zucht (unter der Ruthe), daß er schließ-
lich Freude an ihm erlebe.“’
Und Sprichwörter
13, 24: ‘„Wer die Ruthe spart, hasset seinen
Sohn; wer ihn aber lieb hat, hält ihn beständig
in Zucht;“’
– 19, 18: ‘„Züchtige deinen Sohn,
damit du nicht die Hoffnung“’
(auf ihn) ‘„ver-
lierest;“’
– 29, 15: ‘„Ruthe und Strafe machen
weise; der Knabe aber, dem sein Wille gelassen
wird, macht seiner Mutter Schande.“’

9) Daran schließt sich dann die Ermahnung,
nicht in Zorn und Aufgeregtheit zu strafen: ‘„Und
ihr Väter, reizet euere Kinder nicht zu Zorn“’

(durch Zorn und Aufregung), ‘„erziehet sie in der
Lehre und Zucht des Herrn.“’
Eph. 6, 4. – ‘„Ihr
Väter reizet euere Kinder nicht“’
(ohne Noth)
‘„zu Unwillen, daß sie nicht kleinmüthig werden.“’
Colos. 3, 21.

Die Mutter eines Priesters.

[113]

Wie hoch pflegt eine Mutter beglückt zu sein
in der Erhebung und in dem Glücke ihres Sohnes!
Der Sohn hat ein Amt bekommen, oder er ist
durch eine Heirath in eine wohlhabende, angesehene
Familie eingetreten, oder es ist ihm sonst eine
Auszeichnung zu Theile geworden: Welche Freude
für die Mutter, wie beglückend! Vollends, wenn
sie das Bewußtsein hegen darf, daß ihr Sohn sein
Glück auch ihr zu verdanken habe, daß die Art,
wie sie ihn erzogen hat, der Weg gewesen zu seiner
jetzigen Erhebung.

Wie hoch daher die Beglückung einer christlichen
Mutter, welche einen Sohn hat. der Priester ge-
worden ist! Denn betrachten wir die priesterliche
Würde mit dem Auge des Glaubens, so gibt es
eine höhere Würde auf Erden nicht. Leider ur-
theilen wir meist nur zu sehr blos nach dem
Scheine; vielleicht tritt uns in manchen Priestern,
welche wir kennen, das Bewußtsein und die Ab-
prägung der priesterlichen Würde wenig in's Auge,
sie wollen uns als ganz gewöhnliche Menschen er-
scheinen, sind's auch vielleicht, weil sie, von der
Hoheit ihres Berufes nicht durchdrungen, kein wahr-
haft priesterliches Leben führen. So geschieht's
denn, daß man von der priesterlichen Würde, die
doch hoch ist, wie der Himmel, nur eine geringe
Vorstellung hat, ja sie geringschätzt.

Und dennoch – sie ist hoch wie der Himmel.
Ist ein kostbarer Edelstein darum weniger kostbar,
weil der, welcher ihn besitzt, ihn nicht zu schätzen
[114] weiß und ihn mind hält? Betrachten wir die
priesterliche Würde im Lichte des Glaubens, wie
erhaben erscheint sie dann. Ist denn nicht der
Priester der ganz besonders vertraute Diener Jesu
Christi, des höchsten Herrn und Königs, vor dem
sich alle Kniee beugen, betrauet mit dem erhabenen
Auftrage, das von Ihm auf Erden begründete und
der h. Kirche anheimgegebene Heil an die Menschen
zu bringen, und daher ausgestattet mit wahrhaft
göttlichen Vollmachten, also daß sein Wort Macht
hat, Brod und Wein in Christi Fleisch und Blut
zu wandeln, Macht den Fluch der Sünde zu lösen
und arme Sünder in Kinder Gottes umzugestalten?
‘„O große Würde,“’ ruft ein Heiliger aus, ‘„o wun-
derbare Vollmacht, o erhabenes, bange Ehrfurcht
einflößendes Amt!“’
‘„Der Herr“’, ruft der heil.
Bernhard den Priestern zu, ‘„der Herr hat euch
höher gestellt, als Könige und Kaiser, höher, als
Engel und Erzengel, höher, als die himmlischen
Herrschaften.“’
Einst im Himmel, wo man den
Herrn Jesum Christum in Seiner ganzen Herr-
lichkeit schauet, da wird man es erst voll zu
schätzen wissen, was es heißt, Priester zu sein,
d. i. Diener und Stellvertreter dieses erhabenen
Herrn.

Wie hoch wird daher dort die Ehre und Herr-
lichkeit auserwählter Priester sein, wenn dann zu-
gleich das Ehrenzeichen des Priesterthums, das
unauslöschliche Zeichen, im Vollglanze an ihnen
erstrahlet!

Dazu kommt der große Segen, welcher von
einem wahrhaft guten Priester ausgeht. Lasset
[115] einen solchen Priester eine Reihe von Jahren als
Seelsorger in einer Gemeinde wirken, und das
Gute, was er auf der Kanzel, im Beichtstuhle, am
Krankenbette, in den Schulen, in den Familien,
durch Wort und That, durch sein Beispiel, durch,
sein Gebet, durch all sein seelsorgerliches Thun -
vielfach ungesehen – wirkt, läßt sich gar nicht be-
schreiben, es entzieht sich jeglicher Berechnung. Ein
wahrhaft würdiger Priester und Seelsorger ist -
im schönsten Sinne des Wortes – ein Wohlthäter
der Menschheit. Wie groß wird also einst sein
Lohn sein! ‘„Sie werden glänzen“’, sagt die heil.
Schrift, ‘„wie die Sterne am Firmament in alle
Ewigkeit.“’

Kann es also für eine Mutter, wenn sie anders
die Dinge im Lichte des Glaubens betrachtet, ein
größeres Glück geben, als einen Sohn zu haben,
dem diese hohe und segensreiche priesterliche Würde
übertragen ist, als die Mutter eines Prie-
sters zu sein
? Wir nehmen nicht Anstand, die
Worte, welche einst das Weib von Maria zum
Herrn sprach: ‘„Selig der Leib, der dich ge-
tragen hat, selig die Brust, so du gesogen!“’

auch auf sie zu wenden: Selig die Mutter eines
Priesters!

Und wenn der Segen, welcher von einem guten
Priester ausgeht, so groß ist, wird dann nicht
auch die Mutter, welche der Kirche diesen frommen
Priester herangebildet und gegeben hat, an dem-
selben und also auch an dem Lohne desselben Theil
haben?

Wie beglückend wird es einst in der Ewigkeit
[116] schon für eine Mutter sein, wenn sie ihren Sohn
in dem Glanze seiner priesterlichen Würde, ange-
than mit dem Ehrenzeichen des Priesterthums, in
seiner wunderbaren Erhebung erblickt! Aber sie
wird auch Theil haben an dem Lohne für all das
Gute, was ihr priesterlicher Sohn in den Tagen
seiner irdischen Wirksamkeit vollbracht hat, da
auch sie dazu beigetragen hat, indem sie durch
ihre fromme Erziehung den ersten Grund
zu seiner priesterlichen Frömmigkeit und so zu
seiner gesegneten Wirksamkeit gelegt hat. ‘„Wer
einen Propheten aufnimmt im Namen des Pro-
pheten“’
, sagt der Heiland, d. h. wer sich seiner
annimmt eben darum, weil er ein Prophet ist, wer
ihm also behülflich ist, daß er sein Amt verwalten,
also die Menschen ermahnen und belehren und zum
Heile führen könne, ‘„der wird den Lohn eines
Propheten empfangen“’
, d. i. er wird einen ähn-
lichen Lohn empfangen, als der Prophet selbst für
seine Bemühungen zum Heile der Menschen
empfängt, weil er dem Propheten dazu behülflich
gewesen, dazu beigetragen hat.

Wird sich daher im Herzen einer wahrhaft christ-
lichen Mutter nicht der Wunsch regen, einen solchen
geistlichen Sohn zu haben, eines Priesters Mutter
zu sein! Je mehr Jemand in der wahrhaft christ-
lichen Frömmigkeit fortgeschritten und von ihrem
Geiste beseelt ist, in desto helleres Licht tritt ihm
das über die Hoheit der priesterlichen Würde Ge-
sagte, desto größere Hochschätzung derselben, desto
mehr Ehrfurcht gegen sie. So auch bei einer recht
christlichen Mutter je gediegener daher, je größer
[117] ihre Frömmigkeit, desto näher liegt ihr der gedachte
Wunsch, desto inniger wird er sich in ihrem Her-
zen regen. Ja es könnte nach Umständen als ein
bedenkliches Zeichen für die christliche Verfassung
eines Mutterherzens gelten, wenn dasselbe die Re-
gungen eines solchen Wunsches nie in sich ver-
spürte, wenn derselbe ihr fremd wäre, ja, wenn
sogar eine Mutter den Gedanken, daß einer ihrer
Söhne in den geistlichen Stand treten sollte, als
an sich!*) unliebsam abwiese; wir würden uns
nie dazu verstehen, sie für eine echt christliche Mut-
ter zu halten; so sehr sie auch vielleicht sich selbst
dafür erachten und den Schein der Frömmigkeit
um sich verbreiten möchte.

Auch noch aus einem andern Gesichtspunkte
müssen wir das behaupten. Ein ganz wesentlicher
Bestandtheil einer echten katholischen Frömmigkeit
ist die Liebe zur h. Kirche. Der echte, treue Katholik
hat ein Herz für seine h. Kirche, ihr Wohl liegt
ihm am Herzen; voll Hochschätzung gegen sie und
voll Verlangen, daß das ihr vom Herrn anver-
traute Heil mehr und mehr verbreitet und an die
Menschen gebracht werde, betet er unablässig für
sie, daß der Herr ihr darin zur Seite stehe; gern
bringt er auch selbst Opfer, um dazu beizutragen.
Was aber ist für die h. Kirche, wenn es sich darum
handelt, daß ihr Heil eine möglichst große Ver-
breitung finde, von größerer Bedeutung, als wahr-
haft gute, fromme und tüchtige Priester. Darum
[118] flehet sie ja selbst unablässig zum Herrn nach dem
Worte Jesu: ‘„Bittet den Herrn der Ernte, daß
Er Arbeiter in Seinen Weinberg sende;“’
denn,
‘„das Volk ist“’ (vielfach auch heut) ‘„wie eine
Heerde ohne Hirten,“’
in Gefahr zu Grunde zu
gehen. Und das ist einer der angelegentlichsten
Gegenstände des ständigen Gebetes für jeden guten,
erleuchteten Katholiken.

Muß dieser Punkt denn nicht auch einer katho-
lischen Mutter, wenn sie anders ein rechtes, leben-
diges Glied der h. Kirche ist, am Herzen liegen?
Und wie nahe liegt dann wieder der Gedanke an
ihre eigenen Söhne, der Wunsch, daß es doch ge-
schehen möchte, den einen oder andern von densel-
ben der h. Kirche schenken zu können, ihn als
Priester zu sehen, damit er als Diener der heil.
Kirche an ihrer großen Aufgabe mitwirke. Auch
hier müssen wir hinzusetzen, daß mit Recht an der
Echtheit oder doch an der rechten Durchbildung
eines echt katholischen Geistes bei einer Mutter
gezweifelt wird, wenn solche Gedanken und Wünsche
ihr fremd sind.

Wie trifft das besonders in unserer Zeit zu!
Wie sehr ist die ganze Art und die Richtung
unserer Zeit darnach angethan, die Herzen Gott
und dem Höhern zu entfremden und die Menschen
immer mehr in lauter irdischen Bestrebungen auf-
gehen zu machen! Wie könnten aber aus Kreisen,
wo diese Richtung sich geltend gemacht hat, noch
jugendliche Herzen mit Priesterberuf hervorgehen,
mit Sinn und Neigung für einen Stand, dessen
Interessen der heutigen Welt so fremd, ja nur zu
[119] oft gradezu unliebsam und verhaßt sind? Daher
denn schon vielfach die Klage über Priestermangel.
Mehr als eine Diöcese findet nicht mehr den
jährlichen Zuwachs an Priestern, den sie sehen
muß, wenn den Bedürfnissen der Gemeinden ent-
sprochen werden soll. Und es läßt sich mit Grund
fürchten, daß die gegenwärtig noch besser gestellten
Diöcesen nur zu bald ihnen in diesem Priester-
mangel zur Seite treten werden. Und die Folgen?
Wer ermisset sie? Welch ein Unglück für die
Gemeinde, vollends zu unserer Zeit, wenn sie der
geistlichen Hülfe überhaupt entbehren muß oder
auch nur ihrer nicht völlig sich erfreuet!

Ist das nicht geeignet, die christliche Mutter auf
ihre Söhne hinzuweisen? Ist es nicht wie ein
lauter Flehruf, den die heutige, guter Priester so
sehr bedürftige und doch an ihnen mehr und mehr
arme Zeit an jedes echt katholische Mutterherz
richtet, daß sie ihre Söhne, daß sie diesen oder
jenen aus ihren Söhnen ihr als Priester geben
möge?

Aber – und diese Frage hat sich leicht schon
längst aufgedrängt, – sei es, daß man bei einer
guten, katholischen Mutter den Gedanken und
Wunsch, einen Sohn als Priester zu sehen, billig
voraussetzen darf, was thut es zur Sache? Steht
es denn in ihrer Macht, die Erfüllung dieses
Wunsches zu bewirken?

Wir beantworten diese Frage und kommen da-
durch dem eigentlichen Zwecke dieser Zeilen näher.
Wir sagen: Ja! Eine Mutter kann gar viel zur
Erfüllung jenes Wunsches beitragen.

[120]

Zuvor haben wir nicht Anstand zu nehmen, fol-
genden Satz auszusprechen: Schon, daß eine
Mutter, durchdrungen von dem Bewußtsein des
großen Glückes, einen geistlichen Sohn zu haben,
eines Priesters Mutter zu sein, den Wunsch dar-
nach lebendig in sich trägt und nährt, schon das
gibt in etwa Grund zu hoffen. Wird sie nun
nicht insbesondere in ihren Gebeten das Verlangen
ihres Herzens dem Herrn vortragen?

Mehr als einmal hat eine fromme Mutter zum
Herrn geflehet, daß Er ihre Ehe mit einem mit
Priesterberuf ausgestatteten Sohne segnen möge;
und ihr Gebet ist erhört; – oder die fromme
Mutter hat, in der Hoffnung, daß das Kindlein,
so Gott ihr geschenkt, ein Söhnchen sei, schon im
Voraus es dem Herrn zum Opfer gebracht, daß
es zur Zeit Priester werden möge und hat dann
nicht aufgehört, für diesen hohen Zweck recht viel
zu beten und viel gute Werke zu üben; und siehe,
zur Zeit trat der priesterliche Beruf im Knaben
oder Jünglinge zu Tage.

Gehen wir weiter. Das Kind, der Knabe
wächset hoffnungsreich heran; schöne Geistesgaben
sind bei ihm mit vortrefflichen Eigenschaften des
Herzens verpaart: dabei ein frommer, eingezogener
Sinn. Die Mutter sieht's mit Freuden; still regt
sich in ihrem Herzen der Gedanke: ‘„Sollte er
nicht zum geistlichen Stande berufen sein? O,
wenn er doch Priester werden wollte!“’
– Genug
für sie; sie empfiehlt diesen ihren Herzenswunsch
dem Herrn immer von Neuem. Aber nicht allein.
Sie benutzt gewisse Gelegenheiten, um in leichter
[121] Weise, vielleicht selbst scherzend, ihrem Lieblinge
den Gedanken an das Geistlichwerden näher zu
legen.*)

Es versteht sich von selbst, daß das alles in
keiner Weise gesucht oder gemacht sein muß, es
muß sich so fast von selbst machen. – Es geschieht
auch nicht zu oft, es geschieht mehr nur bei Ge-
legenheiten und in einer so leichten Art, daß jeder
[122] Schein von andringlichem Zureden oder Ueberreden
fern liege. Könnte es ja nur eben so bedenklich, als
unstatthaft erscheinen, wenn eine Mutter von dem
unzeitigen Wunsche, ihren Sohn im geistlichen
Stande zu sehen, sich verleiten ließe, in zudring-
licher Art ihn dahin zu vermögen.*) Ist Beruf
zum geistlichen Stande wirklich vorhanden, so ge-
nügen bei einem Sohne, der überhaupt im rechten
Geiste erzogen ist, gelegentliche, leichte, mehr hin-
geworfene Aeußerungen, um ihn zu wecken.

Wir sagten, bei einem Sohne, der überhaupt im
rechten Geiste erzogen ist, und damit ständen wir
beim Allerwesentlichsten, was die christliche Mutter
zu thun hat, daß ihr Sohn, wenn er priesterlichen
Beruf hat, demselben folge und Priester werde; sie
soll von früh an ihn zu wahrer Gottesfurcht und
Frömmigkeit anleiten. Der Knabe, der Jüngling
muß von aufrichtiger Gottesfurcht beseelt sein und
ein echt frommes Herz haben, das ist eine noth-
wendige Bedingung, damit der Beruf zum geist-
[123] lichen Stande, wenn er wirklich da ist, in's Be-
wußtsein trete und zum Durchbruch komme; eine
nothwendige Bedingung, damit dieser Beruf
treu gehütet und zur Ausführung gebracht werde.
Wer kann zweifeln, daß mancher Knabe und Jüng-
ling von Gott dem Herrn, der für Seine heilige
Kirche Sorge trägt, den Beruf zum geistlichen
Stande erhalten habe. Aber es fehlt die Mutter,
welche die zarten Keime der Gottesfurcht von früh
an in ihm nährte; Sie kommen nicht zur Ent-
wickelung; daher bleibt auch der edle Keim des
Priesterberufs unentwickelt; er kommt nicht, oder
nicht gebührend zum Bewußtsein. – Oder dieser
Beruf war schon hervorgetreten, der Knabe hatte
sich entschlossen, geistlich zu werden. Aber da die
Mutter es nicht verstanden hat oder es sich nicht
hat angelegen sein lassen, einen recht christlichen
Sinn und Wandel in ihm grundzulegen und zu
entwickeln, so geräth er an den höhern Schulen,
im Verkehr mit leichtsinnigen jungen Leuten auf
die Abwege des Leichtsinns und der Sünde, und
der Beruf zum geistlichen Stande wird wankend
und zu Schanden. Wie oft ist das leider der
Fall! Und wie sind es zuweilen grad die hoff-
nungsreichsten Jünglinge, welche auf diese unselige
Art der h. Kirche verloren gehen!

Also ein neuer Grund für die christliche Mut-
ter, daß sie das, was sie schon an sich zu thun
heilig verpflichtet ist, nun um so angelegentlicher
thue, daß sie nämlich Alles aufbiete, um den Geist
wahrer Frömmigkeit in ihren Kindern zu nähren,
damit, wenn ein Sohn Beruf zum geistlichen
[124] Stande hat, derselbe zur Entfaltung gedeihe, bestehe
und zum Ziele komme.

Und ist es das nicht auch, worauf es im geist-
lichen Stande vor Allem ankommt, daß die, so
Priester werden, wahrhaft gute und fromme Prie-
ster seien? O, Priester, welche ein wahrhaft
priesterliches Herz haben, welche in echter, probe-
haltiger Frömmigkeit bestehen und, so Gott will,
von Jugend auf bestanden haben, ja, sagen wir's
nur, Priester, denen eine innig-fromme Mutter
den Geist der Frömmigkeit von früh an eingehaucht
hat, – sie thun unserer Zeit Noth, sie sind es,
durch welche der Herr auch unserer Zeit, so sehr
sie auch dem christlichen Heile sich verschlossen zu
haben scheint, noch das Heil, das volle christliche
Heil bringen mag. O, der Abgang wahrer, voller
priesterlicher Frömmigkeit – er ist es, der das
Wirken der Geistlichen unfruchtbar bleiben lässet;
leichtfertige, schlechte Geistliche sie sind das Verderben
der Welt.

O darum, christliche Mütter, mit welchem Nach-
drucke richtet unsere Zeit und richtet unsere heilige
Kirche, voll Erbarmens über unsere Zeit, den Auf-
ruf an euch: Auf, auf, christliche Mütter, werdet
eingedenk eures hohen Berufes; erziehet wahrhaft
christliche, in echter, christlicher Frömmigkeit fest
begründete Söhne, auf daß aus ihnen die Reihen
würdiger Priester ihre Ergänzung finden! Priester
thuen Noth, der Zahl nach, mehrere, immer
mehrere Priester; aber mehr noch thuen wahrhaft
gute
Priester Noth! Sie allein bringen der Welt
das Heil. O Mütter, erkennet euren Beruf!
[125] Bildet sie heran, solche gute, würdige Priester und
schenket sie der Kirche, schenket sie der hülfsbedürf-
tigen Welt!

Der Ruf ist auch an dich gerichtet, christliche
Mutter, die du dieses liesest. Ueberhöre ihn nicht.
Hege und pflege in deinem Söhnchen von frühester
Jugend an die zarten Keime der Gottesfurcht und
Frömmigkeit; vollends, wenn die Aussicht, daß es
zur Zeit Priester sein werde, sich dir schon eröffnet
hat. Da soll sich deine Brust heben in dem Ge-
danken: Der Herr hat mir die Aufgabe gestellt,
einen Priester zu erziehen! Und ihr sollst du nun
all deine Kraft weihen nach den Andeutungen, welche
wir gegeben haben.

Höre nicht auf, in deinen Gebeten diesen Sohn
dem Herrn unablässig mit allem Nachdruck zu em-
pfehlen, besonders in der h. Messe, bei deinen
h. Communionen. Empfiehl ihn der h. Jungfrau,
dem h. Engel, dem Namenspatron und allen heil.
Priestern. Insbesondere, wenn er nun hinaus
muß, um an den höhern Lehranstalten seine Vor-
bereitungen zu machen. Ach, von wie großen Ge-
fahren ist er da leicht umrungen, von Gefahr, dem
Leichtsinne, der Sünde, der Ausschweifung in die
Arme zu fallen, von Gefahr, seinem priesterlichen
Berufe untreu zu werden. Habe daher mit dem
Vater Sorge, so viel du kannst, ihn in dieser Zeit
sicher zu stellen; vertraue ihn, wo möglich, einer
guten Knabenerziehungsanstalt oder einer zuverläs-
sigen Familie an! Bei all dem aber bete und
flehe unablässig desto inbrünstiger für ihn.

Die Mutter in ihrem Gebete.

[126]

Eine Mutter, welche von echt christlicher Ge-
sinnung beseelt ist und daher ihren Mutterberuf
gebührend zu würdigen versteht, wird stets eifrig
im Gebete sein. Eben ihr mütterlicher Beruf bietet
ihr die manchfachste und nachdrücklichste Veranlas-
sung zu solchem Gebetseifer, die reichste Nahrung für
ihr Gebet. Die wahrhaft christliche Mutter ist
eifrig im Gebete. Kann sie anders? Das Be-
wußtsein von der Wichtigkeit und Verantwortlichkeit
ihrer Mutterpflichten, wie auch die Liebe zu ihren
Kindern und das Verlangen, sie zu beglücken, und
dabei die Ueberzeugung, wie sehr in beiden Rück-
sichten der Beistand Gottes Noth thue, das alles
führt die christliche Mutter immer von Neuem zum
Gebete.

Wie erhaben ist der Beruf einer Mutter! Wie
Vieles gehört dazu, damit sie allen Anforderungen
desselben entspreche! Und wie groß meist die
Schwierigkeit ihrer treuen und heilsamen Er-
füllung! Welche Menge von Opfern und Be-
schwerden, leicht von Tag zu Tag, und, wenn der
Kinder viele sind, durch eine lange Reihe von
Jahren! In der That, eine solche Aufgabe über-
steigt menschliche Kräfte weit. ‘„Bei den Menschen
ist das unmöglich.“’
Also Gott muß helfen. Zu
Ihm nimmt daher die rechte Mutter ihre Zuflucht
in all den verschiedenen Beziehungen ihres Berufs.
Sie flehet zu Gott um Gnade für sich; sie flehet
zu Ihm um Gnade für ihre Kinder.

[127]

Sie flehet um Gnade für sich, daß der Herr
ihr helfe, den verschiedenen Anforderungen ihres
Berufes zu entsprechen. Sie flehet um die Gnade
eines wahrhaft christlich frommen Lebens, dieser
nothwendigsten Vorbedingung einer guten Erziehung.
Sie flehet um Weisheit, um die rechten, Gott wohl-
gefälligen und für die Kinder zum Heil führenden
Wege in der Erziehung stets klar zu erkennen, um
insbesondere einzusehen, wie sie jedes ihrer Kinder
nach seiner besondern Beschaffenheit, nach seinen
besonderen Fähigkeiten, nach seinen besonderen guten
oder bösen Eigenschaften nun auch besonders be-
handeln müsse. Sie flehet um die Gnade einer
wahren, übernatürlichen, erleuchteten Liebe zu ihren
Kindern, ähnlich der der gottsel. Blanka, und um
Mehrung dieser Liebe. – Sie flehet, um Muth
und Kraft und Opferwilligkeit und Ausdauer, um
in den oft, so großen Beschwerden mit den Kin-
dern rückt zu erliegen, um in Allem, was zur
guten Erziehung Noth thut, bis zum Ende zu ver-
harren.

So betet die Mutter für sich; bald mehr um
dieses, bald mehr um das Andere, bald um alles
dieses zumal, bei ihrem Morgen- und Abendgebete,
bei ihren h. Kommunionen, bei ihren sonstigen
Andachten. Vielleicht stellt sie in dieser wichtigen
Angelegenheit zu Zeiten fromme Uebungen an, sie
verrichtet besondere gute Werke, namentlich Werke
der christlichen Barmherzigkeit u. s. w.

Sie betet mit großem Vertrauen; denn sie weiß,
daß der Herr durch das h. Sakrament der Ehe
[128] und indem Er durch den Segen der Mutterschaft
sie in den mütterlichen Beruf einsetzte, ihr ein ge-
wisses Anrecht gegeben hat auf alle Gnaden, welche
sie für diesen Beruf bedarf, bereit, sie ihr zu ge-
ben, so viel sie dieselben würdig betend begehre.

Und was ist die Frucht solchen Betens? Immer
reicher ergießet sich der Strom der göttlichen Gnade
über eine solche Mutter; sie wird tüchtig für ihren
Beruf und erfüllet seine Obliegenheiten in einer
Weise, welche für ihre Kinder ein Segen, für sie
aber eine Quelle immer neuer Verdienste ist. O,
warum wird die Bedeutung des Gebetes von so
manchen Müttern so wenig erkannt? Man betet
nicht, darum ist man – durch seine Schuld -
nicht im Stande, die Mutterpflichten zu erfüllen,
daher so viele Versäumnisse, so viele Mißgriffe
und Fehler in der Erziehung, in Folge deren man
mit den Kindern zu Grunde geht.

Die Mutter fleht zu Gott um Gnade für ihre
Kinder
. – Sie bittet zunächst den Herrn, daß
Er das, was sie an ihren Kindern thut, durch
Seine Gnade segnen wolle. Was sie auch an den
Kindern thue, sie ist überzeugt, daß es dennoch
seinen Zweck nicht voll erreiche, wenn nicht der
Segen der göttlichen Gnade hinzukomme. Darum
liegt es ihrem Herzen nahe, Alles, was sie in der
Erziehung ihrer Kinder thut, mit einem flehenden
Aufblicke zu Gott zu begleiten. Mit Gott fängt
sie all ihr Werk an den Kindern an; Ihm em-
pfiehlt sie es, wenn sie es vollbracht hat, auf daß
Er es erhalte, daß Er es segne und an den Kin-
dern wirksam mache.

[129]

Die Mutter betet für ihre Kinder. Gott ist
reich an jeglicher guten Gabe und erhört die, welche
zu Ihm flehen, so gerne. Die h. Geschichte bietet
die Belege dafür, daß Mütter durch beharrliches
Flehen die kostbarsten Gaben und Gnaden für ihre
Kinder errungen haben. Haben wir nicht auch
darin den Grund zu suchen, warum so manchen
Eltern der Trost, ihre Kinder wahrhaft gut und
glücklich zu sehen, vorenthalten bleibt, warum so
manche Kinder in allerlei Uebeln an Leib und
Seele sich finden und ach, elendig zu Grunde
gehen? Die Eltern, die Mütter beten nicht oder
nicht in gebührender Weise für ihre Kinder; daher
bleiben diesen all jene Gaben und Gnaden, welche
ihnen nach dem Rathschlusse Gottes eben durch
das Gebet der Eltern vermittelt werden sollten,
vorenthalten.

Die christliche Mutter betet für ihre Kinder.
Das Geber für ihre Kinder nimmt in ihrem Ge-
betsleben leicht die erste Stelle ein. Sie betet, daß
der Herr sie vor der Sünde, vollends vor der
schweren Sünde behüte; daß Er sie von ihren Feh-
lern befreie; daß er jenen kostbaren Keimen des
Glaubens, der Hoffnung und der Liebe und allen in
ihnen begriffenen Tugenden Wachsthum und Ge-
deihen bereue; daß Er sie zum Heile führe. Die
rechte Mutter begleitet mit ihren Gebeten ihr Kind
zur Schule, in den christlichen Unterricht, zur heil.
Beicht und zur Zeit zur h. Communion, auf daß
überall die an sich noch so unzulänglichen Bestre-
bungen desselben durch den Segen der göttlichen
Gnade ihm zum Heile gereichen.

[130]

Gehen wir hier ein wenig über die Jahre der
Kindheit hinaus. Wenn das Kind von körperlichen
Leiden und Krankheiten heimgesucht ist, oder sogar
Todesgefahr drohet, da pflegen leicht selbst weniger
fromme Mütter zum Gebete ihre Zuflucht zu
nehmen; wie viel mehr also die wahrhaft christliche
Mutter. Aber viel mehr noch flehet sie zum
Herrn, wenn die Seele ihrer Kinder in Gefahr
ist, in Gefahr, in schwere Sünde zu fallen, in Ge-
fahr, ewig verloren zu gehen. Vollends, wenn sie
durch ihren Einfluß nichts mehr über das Kind
vermag. Wie flehet da, wie schreiet ihr beklemmtes
Herz angstvoll zum Herrn! So betete und flehete
die h. Monika für ihren verirrten Augustinus -
unter vielen Thränen Jahre lang; und wie glor-
reich war der Erfolg!

Die heutige Welt ist leider nur zu sehr darnach
angethan, christliche Mütter in eine ähnliche Lage
zu versetzen; wie viele gibt's der Söhne, wie manche
Töchter, welche sich, vom Einflusse der Welt ver-
locket, dem Leichtsinne und der Sünde in die Arme
geworfen haben. Ach, hätten sie Mütter, ähnlich
einer Monika, wir dürften noch hoffen. Doch
nun? – Sie gehen elend zu Grunde. Ihre
Mütter verstehen nicht zu beten. Welchen Ge-
fahren sind die Kinder – fast immer mit zu-
nehmenden Jahren in steigendem Verhältnisse -
ausgesetzt, vollends, wenn die Umstände es mit sich
bringen, daß der Sohn, die Tochter der Huth des
Hauses entlassen und in die Fremde geschickt wer-
den muß! Für die christliche Mutter ein Grund,
ihr Gebet zu verdoppeln; nun hört sie nicht auf,
[131] den Herrn zu bitten, daß Er den Sohn, die Tochter
mit Seinem mächtigen Schutze umgeben, daß Er
sie unversehrt in Glaube und Unschuld wieder
heimführen möge.

Und je wichtiger und entscheidungsvoller die
Umstände sind, worin die Kinder geführt werden,
je mehr daher der Schutz und der Beistand des
Himmels für sie Noth thut, desto größer ist der Eifer
und die Inbrunst der mütterlichen Gebete.

So geschieht's denn, daß die Mutter aus den
Gebetsübungen gar nicht herauskommt. Wo sie
immer im Gebete vor Gott sich findet, am Mor-
gen oder am Abende, in der Kirche oder daheim,
bei der h. Messe, bei der h. Communion, an den
Sonn- und Festtagen, auf dem Kreuzwege, bei
Wallfahrten – überall treten ihre Kinder im
Geiste an sie heran, überall sind sie ein Haupt-
gegenstand ihrer Bitten und Anliegen. – Und
ihre guten Werke, ihre Beschwerden, ihre Leiden
– sie opfert dieselben dem Herrn auf für ihre
Kinder. Ihr Mutterherz läßt Ihr nicht Ruhe,
bis sie, besonders zu Zeiten, besondere gute
Werke für ihre Kinder unternommen hat.

Vor Allem ist es Jesus der Herr, an den sich
die Andacht der christlichen Mutter für ihre Kin-
der wendet. Er ist ja der Freund der Kinder.
In Sein liebevolles Herz schließet sie dieselben ein.

Und, wo sie Gott geweihete Seelen kennt, auf
deren Gebete sie besonders Vertrauen setzen zu
dürfen glaubt, die sucht sie zum Gebete für ihre
Kinder zu vermögen; vor Allem die Heiligen des
Himmels, die h. Jungfrau oben an, und die Schutz-
[132] engel der Kinder, und deren Namenspatrone, und
alle heiligen und unschuldigen Kinder.

Siehe da die christliche Mutter in ihrem Ge-
bete! Und wer berechnet den Segen, den solches
Beten und Flehen der Mutter über das Kind
bringt? Gewiß, man kann den heilsamen Einfluß
der erziehenden Thätigkeit einer guten Mutter auf
ihr Kind kaum zu hoch anschlagen. Dennoch wird
die Mutter durch eifriges Gebet leicht noch mehr
zum Seelenheile des Kindes beitragen. Das
kann unbedingt keinem Zweifel unterliegen, daß
ohne Gebet alle Bemühungen der Mutter für ihr
Kind auf die Dauer nur zu leicht völlig leer aus-
gehen werden.

Welch ein Antrieb zum Gebete und zu einem
desto größern Eifer im christlichen Leben. Je besser
die Mutter ist, desto mehr gilt ihr Gebet vor Gott,
desto reicher zieht es die Segnungen der göttlichen
Gnade auf die Kinder herab. Auch in dieser Hin-
sicht ist das Wort wahr: ‘„Eine der größten
Gnaden für den Menschen ist eine wahrhaft gute
Mutter.“’

Selig daher das Kind, welches eine solche Mut-
ter hat! Und wir möchten's durch die ganze Welt
dahin rufen und es allen Müttern mit allem Nach-
drucke, dessen wir fähig sind, an's Herz legen:
Betet doch, betet ohne Unterlaß, betet mit allem
Eifer für euere Kinder!

Die Erzbruderschaft der christlichen
Mütter.

[133]

Nachdem wir nun im Vorhergehenden die Hauptpunkte,
welche für eine wahrhaft religiöse und gute Erziehung der
Kinder Beherzigung verdienen, erörtert haben, dürfen wir
das ganze nicht beschließen, ohne auf einen Verein auf-
merksam gemacht zu haben, welcher den nämlichen Zweck
verfolgt, wie unser Büchlein; es ist die ‘„Erzbruderschaft
der christlichen Mütter.“’
Ein wahrhaft zeitgemäßer, ein
herrlicher Verein! Es ist wahr, es gibt der Vereine heut
so viele, daß man in wohlbegründeter Furcht vor dem
Uebermaß so fast unwillkürlich eine gewisse Scheu fühlen
mag, wenn dann noch wieder von einem neuen Verein
die Rede ist. Und dennoch können wir dem in Rede
stehenden nicht warm genug das Wort reden, und wir
möchten an alle Mütter die Aufmunterung richten, doch
einem Verein, welcher der Art und den Bedürfnissen un-
serer Zeit in so hohem Grade entspricht, wo möglich bei-
zutreten.

Lassen wir zunächst eine beredte Anwaltin des schönen
Vereins, die vor einigen Jahren zu unserer h. Kirche zu-
rückgekehrte, jetzt in Mainz lebende Gräfin Hahn-Hahn über
denselben reden:*)

„Es war im Mai des Jahres 1850 als in der Stadt
Lille in Frankreich einige fromme Mütter voll Sorgen um
ihre Kinder sich besprachen, um gemeinsam für ihre ver-
schiedenen Anliegen zu beten, sie dem Schutze der h. Got-
tesmutter zu empfehlen und in dieser Intention das Opfer
der h. Messe darbringen zu lassen. Aus diesem so ganz
einfachen und schlichten Vorgang, in einem Winkel von
Frankreich, ist der Gebetsverein der ‘„Christlichen Mütter“’
hervorgegangen, der jetzt, nach zwanzig Jahren, wie mit
zärtlichen Mutterarmen den Erdball umspannt, denn in
[134] Nordamerika, in Brasilien, in Ostindien, in der Türkei,
nicht blos in Europa, bestehen canonisch eingeführte
Filialen.
Zuerst kam die Kunde der gemeinsam betenden Mütter
von Lille nach Paris. Was daher einige Frauen in Lille
gethan und so viel Trost und Kraft daraus geschöpft hat-
ten, daß sie ihre andächtige Vereinigung fortsetzten: das
geschah jetzt im größeren Maßstab, unter zahlreicher Be-
theiligung in Paris. Da sich nun mehr und mehr Mütter
dem ersten Kern anschlossen: so gab sich bald das Bedürf-
niß kund, einerseits die Vereinigung dauernd zusammen-
zuhalten – durch gewisse Statuten; und andrerseits sie
so fruchtbringend und anregend wie möglich zu machen
– durch Vorträge über die Pflichten, die Würde, die
Stellung, die Lebensaufgabe der Mutter.
Nach und nach meldeten sich noch viele auswärtige Mit-
glieder zum Anschluß, daß man sehr bald in anderen
Städten Filialen gründete und so lebhaft war die Bethei-
ligung, daß schon im Jahr 1856 der Verein in Paris zur
Erzbruderschaft erhoben und mit zwölf vollkommenen Ab-
lässen im Jahr durch päpstliches Breve begnadigt wurde.
Von der Erzbruderschaft gingen nun nach und nach in
alle Weltgegenden die Affiliationsurkunden aus, welche die
canonische Einführung eines Zweigvereins begründen und
bezeugen.
Zehn Jahre später wurde der erste Verein in Deutsch-
land zu Mainz gegründet. Seitdem hat nun der Verein
einen recht erfreulichen und trostreichen Fortschritt ge-
wonnen, denn es beginnt die Theilnahme für die Christ-
lichen Mütter, die Frage nach ihnen, an verschiedenen Orten
zu erwachen und die Gründungen mehren sich.
Nun ja! es ist ein Verein mehr zwischen zahllosen
Vereinen! – dies erwidert man vielleicht. Freilich wäre
er der Zahl nach zu entbehren, das räume ich gern ein;
aber nicht dem Wesen, nicht dem Ziel nach. Denn wir
dürfen uns nicht darüber täuschen: die Familie ist mit
Zerfall bedroht. Glaubensfeindschaft herrscht bereits -
oder soll in nächster Zukunft herrschen – in der Volks-
schule, in den Werkstätten, in den höheren Bildungsanstalten,
in der Tagespresse u. s. w. Ist der Glaube aus den
[135] Herzen gerissen, so fallen die Grundsätze, die in ihm wur-
zeln, so verschwinden die Tugenden, welche die Früchte der
guten Grundsätze sind, so wird die Gesinnung erniedrigt
und jeder Sünde Thür und Thor geöffnet.
In dieser Richtung bewegt sich heutzutage die Welt. Sie
hat einen unseligen Einfluß auf die Familie. Männer,
die durch Beruf oder Amt oder Stellung oder Geschäft
in steter Berührung mit dieser Richtung sind, verlieren
durch die Gewohnheit den klaren Blick und das freie Ur-
theil und lassen sich in dem Maße von ihr einnehmen und
umgarnen, als ihnen mehr oder minder die Selbstständig-
keit fehlt, die auf den Grundsätzen des katholischen Glau-
bens beruht. Diese Männer sind Ehegatten und Väter.
Werden sie ihre Kinder wahrhaft christlich erziehen?
Die Mutter ist durch Stellung und Pflichten dem Welt-
verkehr ferner gerückt, als der Vater; sie wahrt daher
leichter, sicherer Glauben und christliche Sitten. Und so
hat sie es auch mit ihren Kindern gehalten, hat sie beten
gelehrt, hat ihnen von Gott und vom gekreuzigten Heiland
erzählt, hat sie unterrichtet oder ihren Katechismus über-
hört. Aber nun werden sie älter, nun besuchen sie die
Schulen, in denen der mütterliche Geist nicht weht; nun
treten sie in Berührung mit jugendlichen Genossen, nun
hören und sehen sie ja Vieles, was ihre Eitelkeit, Selbst-
gefälligkeit und Genußsucht anreizt. Die Mutter sieht es.
Mit einem Löwen würde sie kämpfen; aber mit der
Welt?! Vorstellungen, Bitten haben Zeit und Stunde;
das Kind ist leicht nicht geneigt, sie anzuhören, sie zu wür-
digen; auch schwächt die Wiederholung den Eindruck ab,
langweilt sogar. Arme Mutter! sie kann unmöglich ihr
liebes Kind der Welt und deren Gefahren überlassen, die
des Lebens Glück und Würde in der Zeit und das Heil
der Seele für die Ewigkeit bedrohen! Was kann sie thun?
– Sie kann beten. Aber ach! wie sinkt ihr das Herz,
wenn sie an die Sündfluth von Gefahren denkt, und an
ihr armes schwaches Gebet. Sei getrost, du arme Mutter
und tritt ein in die Bruderschaft der ‘„Christlichen Mütter“’.
Da findest du Hülfe und Unterstützung, da hast du Ge-
nossinnen deiner Sorgen, da beten mit dir und für deine
Kinder 120,000 Mütter täglich das kleine Gebet, das du
[136] als Mitglied dann auch für sie und ihre Kinder beten
wirst, da wird einmal im Monate das hochheilige Opfer
für dich und deine Anliegen dargebracht, in der h. Com-
munion vereinigt sich das göttliche Herz Jesu mit deinem
kummervollen Herzen, und ein frommer Priester gibt die
Belehrung über deine oft so verwickelten Pflichten, Ermah-
nungen, die deinen Muth heben und dir wieder und immer
wieder vorstellen, daß du eine ganz himmlische Aufgabe
hast, eine Aufgabe, welche dein Heiland mit dir theilt:
das Reich Gottes auf Erden auszubreiten und Seelen zu
retten für's ewige Leben.“

So weit die edle Gräfin. So wollen denn unsere
Leserinnen es vor Gott überlegen, ob sie dem vortrefflichen
Vereine beizutreten sich nicht entschließen. Die Bedingungen,
welche wir hier unten folgen lassen, sind nicht schwer und
verpflichten ja auch nicht unter Sünde. Auch Mütter,
welche an Orten leben, wo die Bruderschaft nicht errichtet
ist, können Mitglieder sein; sie brauchen auch zur Gewin-
nung der Ablässe selbstrebend an den üblichen Versamm-
lungen nicht teilzunehmen; auch die monatliche Com-
munion wird nicht streng gefordert, wie auch die Leistung
eines Geldbeitrages dem Vermögen anheimgegeben ist. Man
hat sich also einfach in einem Briefe an einen Direktor*)
irgend eines Zweigvereins zu wenden; derselbe schreibt
dann als Mitglied ein und schickt die Statuten.

Die Statuten geben wir in Folgendem ihrem Haupt-
inhalte nach:

„Eine der heiligsten Pflichten christlicher Mütter – sagt
§ 1 der Satzungen – ist die Erziehung ihrer Kinder
nach dem Willen Gottes und im Geiste seiner h. Kirche,
durch welche sie für das Reich Gottes wiedergeboren sind.
Zu dieser Erziehung empfangen die Eltern besondere Gna-
den durch das h. Sakrament der Ehe. Diese Gnaden
zu bewahren
, durch Mitwirkung im Gebet, durch Wort
[137] und Beispiel, durch gemeinsame Erbauung und Fürbitte
zu mehren, ist der Zweck des kirchlichen Vereines christ-
licher Mütter.

Durch denselben schließen sie sich innig an das unbe-
fleckte Herz der Gottesmutter, der reinsten und höch-
sten aller Mütter und treten zugleich unter sich in eine
Gemeinschaft ihrer Anliegen, Sorgen und
Gebete
, um so die Fülle des göttlichen Segens für ihre
Kinder und ihre Familien desto sicherer zu erlangen.

Zur Aufnahme in den Verein oder die Bruderschaft -
sagt §. 2 – eignen sich katholische Mütter, seien es Ehe-
frauen oder Wittwen, jeden Standes, welche einen christ-
lichen Lebenswandel führen und den Vereinszweck er-
füllen wollen.

§. 3, 4, 5 und 6 handeln von der Vorstandschaft und
Verwaltung des Vereins. Es steht an der Spitze eines
jeden förmlichen Zweigvereins ein geistlicher Direktor.
Ferner wird eine Präsidentin, eine Vicepräsidentin und
Secretärin und 12 andere Mitglieder des Bruderschafts-
rathes gewählt. – Die Präsidentin hat den Vereinsrath
zusammenzuberufen und die Versammlungen anzuzeigen.
Sie hat die Gnadenerweisungen aufzuzeichnen, welche die
göttliche Barmherzigkeit den Gebeten der Bruderschaft er-
theilen dürfte. Sie nimmt alle erbaulichen Mittheilungen
an, welche ihr in dieser Beziehung die christlichen Mütter
machen werden, um daraus ihren Jahresbericht anzu-
fertigen.

§. 6 sagt: Familienmütter, die an Orten leben, in
welchen die Bruderschaft nicht kirchlich eingeführt ist,
können sich auch an einem anderen Orte, wo die Bruder-
schaft besteht, einschreiben lassen, um an den Gebeten
und guten Werken der christlichen Mütter Antheil zu
nehmen.

§. 7 bestimmt die Kirche für die Bruderschaft.

§. 8. Die kirchlichen Versammlungen finden einmal
im Monate statt, wenn thunlich an einem Tage, an wel-
chem den Mitgliedern ein vollkommener Ablaß gewährt ist.

Es wird eine h. Messe nach der Meinung der Mitglie-
der gelesen und eine Betrachtung oder Erbauungsrede ge-
halten. Schließlich finden gemeinsame Gebete statt, um
[138] die allgemeinen Anliegen des Vereins, sowie beson-
dere
der einzelnen Mitglieder dem göttlichen Herzen Jesu
und dem Herzen der hochgebenedeiten Mutter zu em-
pfehlen.

§. 9 bezeichnet die Obliegenheiten der Mit-
glieder
:

  • a) Gewissenhafte Erziehung der eigenen Kinder im Geiste
    Jesu Christi und seiner h. Kirche;
  • b) Verrichtung des täglichen Vereinsgebetes;
  • c) Theilnahme an den Vereins-Versammlungen, so oft es
    geschehen kann;
  • d) Empfang der h. Communion, wo möglich einmal im
    Monat, nach der Meinung des Vereines; oder falls
    die Communion nicht möglich, andächtiges Anhören
    der h. Messe mit der geistigen Communion in der
    gleichen Meinung. Wünschenswerth ist es, daß die
    h. Communion bei der Messe am Versammlungs-
    tage in der Vereins-Kirche gemeinschaftlich empfangen
    werde.

Nach §. 10 zahlt jedes wohlhabende Mitglied bei der
Aufnahme einen größeren freiwilligen Beitrag und fortan
ein jährliches Opfer.

So viel aus den Satzungen.

Der auf diesen Satzungen errichteten Bruderschaft hat
der h. Vater unterm 18. September 1858 an zwölf be-
stimmten Tagen oder in deren Octave einen vollkommenen
Ablaß verliehen, welcher nach dem Breve vom 22. Juni
1869 auch von auswärtigen Mitgliedern gewonnen werden
kann. Außerdem ist den Mitgliedern auch für die Todes-
stunde ein vollkommener Ablaß gewährt.

Das kurze tägliche Gebet lautet:

O Maria, unbefleckte Jungfrau und schmerzhafte Mutter,
sprich von unsern lieben Kindern zum anbetungswürdigen
Herzen Jesu, der seiner Mutter nichts abschlägt. Bitte
für sie;

Heilige Schutzengel, bittet für sie!

Heiliger Joseph, du mächtiger Beschützer, bitte für sie!

Heiliger Johannes, du vielgeliebter Jünger des Herzens
Jesu, bitte für sie!

[139]

Heilige Anna, du Mutter Maria, bitte für sie!

Heiliger Aloysius, bitte für sie!

Heilige Monika, bitte für sie!

Vollkommene Ablässe.

6. Januar: Heil. Dreikönigstag. 2. Februar: Maria
Lichtmeß. 19. März: h. Joseph. April: Freitag der sieben
Schmerzen. 4. Mai: h. Monika. 21. Juni: h. Aloysius.
26 Juli: h. Anna. 28. August: h. Augustinus. Septem-
ber: Sonntag Unserer lieben Frau der 7 Schmerzen.
Oktober: Schutzengelfest. November: Octav von Allerseelen.
December: Unbefleckte Empfängniß.

Die Ablässe werden gewonnen, wenn die Mitglieder
nach reumüthiger Beicht und Communion in der Kapelle
der Bruderschaft oder an Orten, wo eine solche nicht vor-
handen ist, in jeder andern Kirche oder Kapelle ein andäch-
tiges Gebet in der Meinung des heil. Vaters verrichten.
Diese Ablässe können auch an einem beliebigen Tage in
der Octav jener Feste und ferner an jedem von dem Direk-
tor der Bruderschaft für die monatliche Versammlung be-
stimmten Tage, auch wenn er außer der Octav fällt, ge-
wonnen – und alle ohne Ausnahme den Abgestorbenen
zugewendet werden. – (Breve vom 22. Juni 1869.)

Endlich verleiht der h. Vater einen vollkommenen Ablaß
in der Todesstunde allen Mitgliedern, welche reumüthig die
h. Sakramente der Buße und des Altars empfangen oder,
sofern sie dies nicht mehr können, mit reumüthigem Herzen
andächtig den Namen Jesu mit dem Munde oder auch nur
im Herzen anrufen. (Breve vom 7. Mai 1862.)*)

[140]

2.

[141]
Die
christliche Mutter
in der
Erziehung und in ihrem Gebete
von
W. Cramer,
Domkapitular und Regens des bischöflichen Priester-Seminars.
‘„Eine der höchsten Gnaden ist für
den Menschen eine gute Mutter.“’
(Ein Kirchenfürst.)
Mit Erlaubniß der Obern.
Nein-Ertrag für den Bonifacius-Verein.
Vierzehnte Auflage.
A. Laumann in Dülmen: Katholische Verlags-Buchhandlung.

Zur sonntäglichen Nachmittags-Andacht

[142]

eignen sich sehr wohl die Gebete Seite 154–167; ferner
S. 171–172; – 179–180; – 185–186; dann 190
bis 200; nach den Umständen auch S. 167–170; – 188
bis 190.

Schön und empfehlenswerth wäre es dann auch, jedes-
mal am Sonntag-Nachmittage, auch nur während der
Andacht – freilich nicht während der etwaigen gemein-
schaftlichen Gebete – einen von den Abschnitten S. 3 bis
132 ganz oder zum Theile zu lesen. Dadurch würde das
dort Gesagte immer wieder aufgefrischt.

Gebete
für die wesentlichen Verhältnisse und Anliegen des
mütterlichen Berufes.*)

[143]

Gebet am Jahrestage der Verehelichung.**)


O mein Gott und Herr, an diesem Tage war es, wo ich
in Deinem h. Hause am Traualtare hingeknieet das heil.
Sakrament der Ehe empfing und unter dem Segen dessel-
ben in meinen ehelichen Stand eintrat. Dürfte ich ihn
ohne Dank und heilsame Uebung vorübergehen lassen?
Nein, o Herr, von ganzem Herzen danke ich Dir, daß Du
mich durch ein h. Sakrament in den Ehestand eingeführt
und meine eheliche Verbindung geheiliget und mir den
Schatz Deiner Gnade eröffnet hast, damit ich im Stande
wäre, den Anforderungen des christlichen Ehestandes
zu entsprechen und in unverbrüchlicher Treue, in Liebe,
in pflichtmäßiger Untergebenheit gegen meinen Mann und
in standesmäßiger Keuschheit allimmerdar zu verharren,
[144] die von Dir geschenkten Kinder in Deiner Furcht und Zucht
zu erziehen, und so mein Heil zu wirken. Ich danke Dir
für alle Gnaden, welche ich seitdem in Kraft dieses h. Sa-
kramentes empfangen habe; ich danke Dir für den Schutz
und für die Hülfe und für alles Gute, so Du mir und
den Meinigen gespendet hast. Sei ewiglich gelobt und ge-
priesen!

Habe ich denn in freier Mitwirkung mit Deiner Gnade
die Obliegenheiten meines Standes treu erfüllt? Habe ich
als eine wahrhaft christliche Ehefrau gelebt? Ach, nur
zu Vieles habe ich mir vorzuwerfen! (Denke ein wenig
nach.) O mein Gott, von ganzem Herzen bereue ich es.
Sei mir gnädig! Verzeihe mir in Deiner unendlichen
Barmherzigkeit und um Jesu, Deines Sohnes willen! -
Fest steht mein Vorsatz: Mit erneuertem Eifer will ich
mich fortan bestreben, alle Pflichten, welche ich als christ-
liche Ehefrau und Mutter habe, treu und gewissenhaft zu
erfüllen. Wie darf ich sonst hoffen, bei Dir in Gnade zu
sein und mein Heil zu wirken? Aber, o Herr, was nützen
mir alle Vorsätze, wenn Du nicht Gnade gibst, sie aus-
zuführen? So erneuere denn, o Herr, am heutigen Tage
den Segen des h. Sakraments; lasse die Gnaden desselben
mir von Tag zu Tag reichlich zufließen; durch sie angeregt
und gekräftigt, werde ich darauf bedacht und im Stande
sein, meines Berufes würdig zu wandeln.

Auch meinen Mann empfehle ich Deiner Huld und
Gnade. Verleihe uns, daß wir, durch das h. Sakrament
so innig vereint, auch in herzlicher Liebe und in treuer
Gottesfurcht allimmerdar befunden werden, damit unser
ehelicher Stand, wie er es soll, ein Bild sei von der
innigen Vereinigung Christi mit Seiner h. Kirche und uns
führe zum ewigen Leben.

Lasse Dir auch, o Herr, die Kinder, die Du uns gegeben,
empfohlen sein! Segne sie, behüte sie, begnadige sie, da-
mit sie zu Deinem h. Wohlgefallen gedeihen. Stehe mir
bei, daß ich sie ganz für Dich erziehen möge.

Heilige Jungfrau und Mutter Maria, h. Joseph und
alle heiligen Eheleute und Eltern, bittet für mich! Amen.

Gebet beim ersten Kirchengange.

[145]

Ich danke Dir, o Gott, daß es mir durch Deine Gnade
wieder vergönnt ist, in Deinem h. Hause zu erscheinen;
ich danke Dir für den Schutz und für die Hülfe, so Du
mir hast angedeihen lassen. Insbesondere bringe ich Dir
den innigsten Dank dar für alle Huld und Gnade, welche
ich in meinem Kindlein von Dir erfahren habe. Dein
Geschenk ist es; Du hast es im h. Sakrament der Wieder-
geburt zu Deinem Kinde hergestellt und es mit allen Aus-
zeichnungen Deiner Kinder ausgestattet und ihm die Schätze
der h. Kirche, ja den ganzen Reichthum der himmlischen
Herrlichkeit, und die Aussicht aus das höchste, auf ein
ewiges Glück eröffnet.

O Du unendlich freigebiger Gott, Du Gott der Liebe
und der Erbarmung, sei gelobt und gepriesen für Alles,
was Du an meinem Kinde gethan hast. – Du hast es
mir anheimgegeben, daß ich fortan alle Pflichten einer
christlichen Mutter an ihm vollführe und es dadurch für
Dich und den Himmel erziehe. Mein Herz ist bereit,
o Herr, mein Herz ist bereit. Ader wie werde ich diese
vielfach so schweren Mutterpflichten erfüllen können, wenn
Du mir nicht beistehst mit Deiner Gnade? So stehe mir
denn bei. Erfülle mein Herz mit Deinem h. Geiste und
gib mir Eifer, Weisheit und Kraft, auf daß ich das große
Werk der Erziehung zu Deinem heiligen Wohlgefallen und
zum Heile meines Kindes und zu meinem eigenen Heile
vollführe.

In Vereinigung mit der heiligen Mutter meines Herrn
und mit der Gesinnung womit sie sich und ihr göttliches
Kind im Tempel Dir, o Gott, opferte, bringe auch ich heut
mich und mein Kind Dir zum Opfer dar. Verleihe gnä-
dig, daß mein Kind, wie es jetzt Dein ist, ewig Dein ver-
bleibe; verleibe, daß ich fortan ganz dafür lebe, mein Kind
Dir zu erhalten und es zu Dir zu führen! – Heilige
Jungfrau Maria, hehre Gottesmutter, mit welchem Danke
und mit welchen gottgeweiheten Gesinnungen hast Du Dein
göttliches Kind im Tempel geopfert! Ich vereinige mich
mit Dir, und empfehle mein Kind und Alles, was ich
[146] fortan für dasselbe thun werde, Deiner mächtigen Fürbitte.
Amen.*)

Gebet am Morgen.


Gütigster Gott, Du hast diesen Tag mir geschenkt, daß
ich in treuer Erfüllung meiner Pflichten Dir dienen und
mein Heil wirken soll. So stehe mir denn dazu bei mit
Deiner Gnade! Vor Allem hilf mir, daß ich meine wich-
tigsten und heiligsten Pflichten, welche ich gegen meine
Kinder habe, dem mit Sorgfalt und Treue erfülle und
insbesondere ihnen in meinem ganzen Thun und Lassen
mit einem guten Beispiel vorgehe. Segne Alles, was ich
heut zu ihrer Heranbildung sagen oder thun werde.

Meine Kinder aber, o Gott, nimm in die Obhut Deiner
Liebe und Gnade. Beschütze sie in Gefahren und behüte
sie vor allem Uebel! Bewahre sie vor Sünde! Erfülle
ihr kindliches Herz mit Deiner h. Liebe und erwecke und
stärke sie mit Deiner Gnade, auf daß sie Dir treu dienen
und wie an Alter, so an Tugend und Gnade bei Dir zu-
nehmen mögen.

Ihr h. Schutzengel und Namenspatrone meiner Kin-
der, euch empfehle ich sie; nehmet euch ihrer an, bittet für
sie. Amen.

Gebet am Abend.**)


Dank sei Dir, o Gott und Vater, für alle Gnade und
Wohlthat, welche Du auch heut mir und meinen Kindern
[147] huldreich gespendet hast. Alle gute Gabe kommt ja von
Dir; Du waltest über uns voll Erbarmung. Wehe mir,
daß ich so undankbar bin und Dich, den besten Vater, so
oft beleidige! Verzeihe gnädig! Insbesondere vergib mir,
was ich heut in meinem mütterlichen Berufe verbrochen
habe!.... Was bleibt mir, als um Gnade zu flehen?
Sei mir gnädig! Möchte ich doch mehr und mehr die
Heiligkeit meiner Mutterpflichten erkennen und sie mit Ge-
wissenhaftigkeit erfüllen! Ja, Herr, ich will's. Von
Neuem verspreche ich es Dir. Komm mit Deiner reichen
Gnade mir zu Hülfe. Entzünde mein Herz immermehr
mit Deiner h. Liebe und mit wahrer Liebe zu meinen
Kindern, auf daß ich stets voll h. Ernstes sei, sie für Dich
und zu ihrem Heile zu erziehen.

Für diese Nacht aber, o Vater, laß Dir meine Kinder
empfohlen sein. Deine Hand beschirme sie in ihrer nächt-
lichen Ruhe; verscheuche den Feind von ihrer Lagerstätte,
lasse Deine h. Engel bei ihnen sein. O gib nicht zu, daß
die Nacht ihnen Anlaß werde zur Sünde; erhalte sie in
Unschuld und unbefleckter Reinigkeit! Heilige Jungfrau,
heiliger Joseph, ihr hh. Engel und Auserwählten, lasset
meine Kinder euch befohlen sein! Amen.

Gebete einer christlichen Mutter bei der
heil. Messe.*)


I. Für sich selbst, um die für den Mutterberuf
erforderlichen Gnaden zu erflehen.

Zum Eingange der h. Messe.

O Gott, ich erscheine hier in Deinem h. Hause, um
Gnade zu erstehen für meinen mütterlichen Beruf. Ich
[148] bin nicht im Stande, die Pflichten desselben zu Deinem
Wohlgefallen und zum Heile meiner Kinder zu erfüllen,
wenn Du mir nicht hilfst. Du hast mir Deinen Gnaden-
beistand zugesichert im heil. Sakramente der Ehe. Wäre
ich nur desselben würdiger! Ach Herr, ich erkenne meine
Unwürdigkeit und daß ich Deiner Gnaden nicht werth bin.
Darum komme ich zum Altare Deines göttlichen Lohnes,
um im Vereine mit dem h. Opfer, welches Er auf dem-
selben auch für mich vollbringt, nicht ganz unwürdig zu
erscheinen und Erhörung zu finden, wenn ich um Deinen
[149] göttlichen Beistand in meinem Berufe und um Gnade für
meine Kinder flehe. So verleihe mir denn, daß ich diesem
h. Opfer mit wahrer Andacht und mit Segen beiwohne.
Amen.

Zum Offertorium.*)

Allmächtiger ewiger Gott, in Vereinigung mit dem Prie-
ster weihe auch ich Dir diese Gabe von Brod und Wein-
und lege mit ihnen zugleich das Anliegen meines Herzens,
mein Verlangen und mein Flehen nach Gnade zur heil-
samen Erfüllung meiner Mutterpflichten im Geiste auf den
Altar. O Gott, ich erkenne es, daß, gleichwie die Gabe
des Brodes und des Weines so auch meine Gebete vor
Dir gering und ohne Werth sind; aber da es durch Deine
Huld und Macht geschieht, daß Brod und Wein in das
Dir unendlich wohlgefällige Opfer des Fleisches und Blu-
tes Deines göttlichen Sohnes umgewandelt wird, so lasse
im Vereine mit diesem h. Opfer auch mein Anliegen vor
Dir Gnade und Erhörung finden. Darum flehe ich zu
Dir im Geiste der Demuth und mit zerknirschtem Herzen
und unter Anrufung der allerseligsten Jungfrau Maria
und des h. Joseph, wie auch sämmtlicher auserwählten
Mütter und aller Heiligen. Amen.

Zur Consekration.

O Jesu, Du würdigest Dich mit unendlicher Liebe aus
das Wort Deines Dieners auf den Altar herniederzukommen,
um in Brodes- und Weinsgestalt das erbarmungs- und
gnadenreiche Opfer, welches Du auf Golgatha vollzogen,
zu unserm Heile erneuert vor uns darzustellen, damit wir
seiner Segnungen und Gnaden theilhaftig würden.

In tiefster Demuth bete ich Dich an, gnadenvoll gegen-
wärtiger Herr und Heiland; Lob und Preis Dir und
Danksagung aus dem wärmsten Grunde meines Herzens
für so viel Huld und Gnade! – So nimm mich denn,
o Jesus, mit meinem Anliegen und mit meinen Bitten
[150] auf in Dein b. Opfer, und lasse sie durch Deine Verdienste
Gnade und Erhörung finden, auf daß ich an meinen Kin-
dern, Deinen Lieblingen, eine wahrhaft gute Mutter sein
möge. Amen.

Nach der Consekration.

O Gott, nun erhebt sich mein Herz mit Vertrauen und
Zuversicht zu Dir; denn es ist Dein göttlicher Sohn,
welcher mich vor Dir vertritt und mein Flehen im Ver-
eine mit dem Opfer Seines h. Fleisches und Blutes Dir
darbringt. Es ist kein anderes Opfer, als jenes, welches
er einst am Kreuze, in Gehorsam gegen Dich bis zum
Tode vollbrachte, vor Dir unendlich wohlgefällig. So
möge denn mein Anliegen in Vereinigung mit diesem
h. Opfer und um Seinetwillen Gnade bei Dir finden!
Verzeihe mir gnädig, was ich bisher durch Untreue in
den Verpflichtungen meines Standes verbrochen habe;
erwecke mich, daß ich fortan mit erneuetem Eifer sie er-
fülle. Gib mir alle jene Gnaden, welche ich zur guten
Erziehung meiner Kinder bedarf, ein musterhaftes Leben,
Liebe, Weisheit, Geduld, Sanftmuth, Ausdauer, Eifer im
Gebete für meine Kinder. Verleibe, o Herr, die Gnade,
meine Kinder so zu erziehen, daß es Dir zur Ehre, ihnen
zum Heile, mir zum ewigen Leben gereichen möge. Amen.

Vater unser.

Vor und bei der Communion.

Das Gebet zu Jesus dem Kinderfreunde, S. 158.

Zum Schlusse.

Gebet zum h. Geiste um Seine 7 Gaben. S. 180;
und die Gebete S. 160 bis 162.

II. Gebete bei der h. Messe, wenn die Mutter sie
für ihre Kinder hört.
[151]

Zum Eingange der h. Messe.

O Gott, die Liebe zu meinen Kindern und das Ver-
langen nach ihrem Heile führt mich heut zum Altare und
zum Opfer Deines göttlichen Sohnes. So sehr mir auch
das Wohl meiner Kinder am Herzen liegt und so sehr ich
mich auch bemühen mag, sie gut zu erziehen, so werden
dennoch alle meine Bemühungen ohne Frucht und rechten
Segen bleiben, wenn Du nicht hilfst und mit Deiner
Gnade meine Kinder heimsuchst. Darum flehe ich zu Dir.
Und da mein Gebet und Flehen armselig und unwürdig
vor Dir ist, so vereinige ich es in dieser h. Messe mit
dem Opfer Deines göttlichen Sohnes, meines Herrn, und
dringe selbst dieses h. Opfer Dir für meine Kinder dar.
Gib mir Gnade, das ich es mit wahrer Andacht thue und
für meine lieben Kinder reichen Gnadensegen erwirken
möge. Amen.*)

Zum Offertorium.

Gott, himmlischer Vater, die geringen Gaben von Brod
und Wein werden Dir vom Priester dargebracht, damit
Du selbst aus ihnen ein vor Dir wohlgefälliges Opfer be-
reiten mögest. Es nahet der h. Augenblick, wo in der
Kraft des h. Geistes am Worte Deines Priesters die wun-
derbare Wandlung geschehen und dann Dein göttlicher
Sohn unser Opferpriester und unser Opfer sein wird.
So führe ich denn im Geiste meine Kinder zu dieser ge-
heiligten Stätte, damit der Segen dieses gnadenvollen
Opfers über sie kommen möge. Lasse sie durch die Ver-
dienste dieses heiligen Opfern Vergebung ihrer Sünden
und Gnade finden, vor Sünde bewahrt zu bleiben. Gleich-
wie durch Deine göttliche Macht hier Brod und Wein in
das h. Fleisch und Blut Jesu Christi verwandelt wird, so
[152] erweise in Kraft dieses h. Opfers die Macht Deiner Gnade
auch an meinen Kindern, auf daß ihr Herz mehr und mehr
umgestaltet werde zur Vollkommenheit christlicher Gesinnung
und Tugend, und zu einem wohlgefälligen Opfer vor Dir.
Sie sind ja auch Deine Kinder; so segne sie denn und
erfülle sie mit Deiner Gnade, damit sie Deiner würdig
seien. Verleihe, daß sie Dir mit lebendigem Glauben und
mit kindlicher Liebe anhangen und Deinen heiligen Willen
zur Richtschnur ihres Lebens haben und von ihm nicht
abweichen, sondern auf Deinen Wegen wandelnd für Zeit
und Ewigkeit wahrhaft glücklich seien. Amen.

Ihr Heiligen Gottes, h. Jungfrau Maria, h. Joseph,
ihr h. Schutzengel meiner Kinder und ihr h. Namens-
patrone derselben und alle h. Kinder unterstützet mein
Gebet, und flehet, daß die Früchte dieses h. Opfers sich
reichlich über meine Kinder ergießen. Amen.

Zur Consekration.

Göttlicher Heiland, der Du einst segnend und gnaden-
spendend im h. Lande unter den Menschen wandeltest,
wiederum bist Du, vom Himmel herabgekommen, mir nahe
in der geheimnißvollen Gegenwart unter der Brodes- und
Weinesgestalt und in der gnadenvollen Erneuerung Deines
h. Opfers. So benutze denn auch ich, wie einst jene Müt-
ter im h. Lande, diese gnadenvollen Augenblicke, um Dir,
göttlicher Freund der Kinder, im Geiste alle meine Kin-
der zuzuführen. O Herr Jesu, was Du einst an den
Kindern jener Mütter thatest, indem Du sie in Deine Arme
schlossest und ihnen Deine Hände auflegtest, das wollest
Du durch die Gnaden und Segnungen dieses h. Opfers
auch an meinen Kindern huldreich vollführen. Amen.

Nach der Consekration.

Gott, himmlischer Vater, wie Du einst, als Dein gött-
licher Sohn, mein Heiland auf Erden wandelte und wirkte,
vom Himmel her gesprochen hast: ‘„Dieser ist Mein ge-
liebter Sohn, an dem Ich Mein Wohlgefallen habe“’
, so
schauest Du auch jetzt mit Wohlgefallen auf Ihn herab, da
[153] Er zur Ehre Deines h. Namens und zum Wohle Deiner
Kinder Sein h. Opfer geheimnißvoll erneuert. Indem ich
mich daher Seinem h. Opfer anschließe, so erscheine ich
mit Zuversicht vor dem Throne Deiner Barmherzigkeit, um
Dir meine Kinder zu empfehlen. Lasse sie Deinen mäch-
tigen Schutz erfahren in allen Gefahren des Leibes und
der Seele. Bewahre sie vor Sünde und vor Allem, was
ihrer Seele Schaden bringen mag. Ordne gnädig alle
zeitlichen Verhältnisse zu ihrem Besten. Erhalte sie in
unverletzter Unschuld, erhalte sie in Deiner Gnade! Ver-
leibe, daß sie nach dem Vorbilde des göttlichen Heilandes
zunehmen, wie an Alter, so an wahrer Weisheit und an
Tugend und Gnade bei Dir und bei den Menschen. O
Gott, mächtig in Deiner Gnade, sei in Kraft dieses heil.
Opfers Deines Sohnes also mit meinen Kindern, daß sie
stets mein Trost und meine Freude seien hier auf Erden,
meine Krone in der Ewigkeit und daß Du, großer Vater,
an ihnen Wohlgefallen habest als an Deinen geliebten
Kindern. Amen.

Vater unser. (Für die Kinder.)

Zur h. Communion.

O Herr, Jesu Christe, Du Sohn des lebendigen Gottes,
noch einmal wende ich mich an Dich; Du hast nach dem
Willen des Vaters und in Mitwirkung des heil. Geistes
durch Deinen Tod der Welt das Leben bereitet: so bitte
ich Dich denn durch dies Dein hochheiliges Fleisch und
Blut, daß Du meine Kinder von allen ihren Vergebungen
und von allem Uebel befreien und verleihen wollest, daß
sie stets treu an Deinen Vorschriften halten und von Dir
niemals getrennt werden mögen. Amen.

Zum Schlusse.

Gebet... Seite 162 u. s. w.

Verschiedene Gebete der christlichen
Mutter.

[154]
A. Für sich selbst.

Gebet um die Gnade eines guten Beispiels.

O Gott, wie sehr hat das Wort Deines göttlichen
Sohnes: ‘„Lasset euer Licht leuchten!“’ auch für mich Gel-
tung! Es ist dein h. Wille, daß ich meinen Kindern in
Allem mit dem Beispiele eines Dir wohlgefälligen Lebens
vorgeben soll. Wie könnten sie sonst selbst gut werden.
Darum flehe ich (durch die Verdienste Deines h. Opfers)
zu Dir um Beistand zu einem wahrhaft christlichen Leben.
Spende mir reichlich Deine Gnade, damit ich im Stande
sei, in all meinem Reden, Thun und Lassen Alles zu ver-
meiden, was des christlichen Namens unwürdig ist. Hilf
mir, daß ich alle Tugenden des christlichen Lebens üben
und zu immer größerer Vollkommenheit gelangen möge, da-
mit mein Leben ein Vorbild und Muster für meine Kinder
sein möge. – Wie wunderbar hast Du, o Herr, in Deinen
Heiligen gewirkt! So nimm Dich auch meiner in Gnaden
an! Zwar bin ich so großer Gnaden nicht werth; aber
Du bist ein gnädiger Gott; Du liebest meine Kinder; sie
sind ja auch Deine Kinder. Um ihretwillen und um Jesu,
Deines Sohnes willen, erhöre mein Gebet. Amen.

Gebet um die wahre übernatürliche Liebe.

O Gott, Du Vater meiner Kinder, da Du mir dieselben
hast anvertrauen wollen, so hast Du meinem Herzen einen
Antheil an jener Liebe eingepflanzt, welche Dein göttliches
Herz zu meinen Kindern trägt; und Du bist bereit, in
Kraft des h. Ehesakramentes durch Deine Gnade diese
natürliche Mutterliebe zu verklären und zu erhöhen, auf
daß sie zum Heile meiner Kinder Deiner heiligen Liebe
[155] gleiche. So flehe ich denn im Vertrauen auf die Wir-
kungen dieses h. Sakramentes, durch die Verdienste Deines
göttlichen Sohnes, durch Seine Liebe zu den Kindern und
durch die Fürbitte aller auserwählten Mütter um diese
Gnade. Lasse nicht zu, daß ich, von jener natürlichen Liebe
verblendet, das versäume, was zur guten, christlichen Er-
ziehung meiner Kinder erforderlich ist. Bewahre mich vor
unzeitiger Nachsicht und Schonung! Gib mir Muth und
Kraft, daß ich die Züchtigung, wo sie Noth thut, nicht
scheue, sondern sie nach Pflicht und in der rechten Art
vollführe.

Erleuchte mich, o Gott, daß ich mit gläubigem Blicke
allimmerdar meine Kinder betrachtend es lerne, mehr und
mehr mit jener Liebe sie zu lieben, welche Du, großer heil.
Vater, gegen sie trägst; daß ich sie liebe als Deine Kinder,
ausgestattet mit der Schönheit und Vortrefflichkeit der heilig-
machenden Gnade, als Brüder und Schwestern Jesu Christi,
erkauft durch Sein h. Blut; als Tempel des h. Geistes;
als Genossen jener erhabenen Gemeinschaft der heiligen,
berufen, einst in Deinem h. Hause ewig Theil zu haben an
Deiner Herrlichkeit und Seligkeit.

So verleibe denn, o Gott, daß durch diese Wahrheiten
und durch Deine Gnade die h. Liebe zu meinen Kindern
in mir zur Vollkommenheit gedeihe, damit es mir zu jeder
Zeit über Alles am Herzen liege, sie immer mehr zu Deinen
würdigen Kindern heranzubilden, und sie zu wahrer Gottes-
furcht und Frömmigkeit zu erziehen, auf daß sie Deinen
h. Namen verherrlichen und selig werden. Erfülle mich
mit Eifer für das Heil ihrer Seelen! Erwecke und stärke
mich, daß mir keine Mühe zu schwer, kein Opfer zu groß
sei und daß ich in Wirken und Leiden und Beten uner-
müdlich ausharre, wo immer es sich handelt um das Seelen-
heil meiner Kinder. Herr, gib mir jene h. Liebe, womit
Du die Herzen so vieler heiligen Mütter erfüllt hast; durch
Jesus Christus. Amen.

Gebet um Weisheit.*)
[156]

Wie groß, o Gott, und wie wichtig ist der Beruf, den
Du mir gegeben hast, und wie schwer seine Aufgabe: Ich
soll die Kinder, welche Du mir anvertrauet hast, ein jedes
nach seiner Art erziehen und sie zur Ablegung ihrer Fehler
und zur Uebung der christlichen Tugenden anleiten. O mein
Gott, ich bin unwissend und unvermögend. Wie soll ich
zu jeder Zeit den rechten Weg erkennen, der zum Ziele
führt, wenn Du nicht hilfst? So sende denn, o Gott des
Lichtes und der Erkenntniß, von Deinem himmlischen
Throne einen Strahl Deiner göttlichen Weisheit in mein
Herz, gleich wie Du einst dem Salomon auf sein Flehen
ein weises und einsichtsvolles Herz gegeben hast, auf daß
er sein Volk heilsam regieren könne. Erleuchte mich, auf
daß ich erkenne, wie ich meine Kinder, ein jedes nach seiner
Art, behandeln muß, damit sie von ihren Fehlern befreiet
und vor dem, was ihnen nachtheilig und gefährlich ist,
bewahrt werden; zeige mir die Mittel und Wege, sie wahr-
haft gut zu erziehen; führe mich, daß ich gleich fern bleibe
von schädlicher Nachsicht und unzeitiger Strenge; gib mir
das rechte Wort, wenn ich sie belehre, rüge und ermahne;
zeige mir Deinen h. Willen, wenn ich ihnen zu rathen
habe. So laß mich das Werk der Erziehung vollführen,
wie an Deiner Hand, der Du Deine Kinder mit unend-
licher Weisheit auf den besten Wegen ihrem Heile entgegen-
zuführen weißt.

O heiliger Geist, Du Spender der Gnaden und Gaben
[157] verleihe mir die Gabe der Weisheit und des Rathes zum
Besten meiner Kinder. Amen.

Vater unser und Ave.

Gebet um Starkmuth.

O Gott, Du weißt es, wie leicht ich unter den Beschwer-
den, Entbehrungen und Anstrengungen, welche die Erzieh-
ung der Kinder mit sich führt, zaghaft und ungeduldig
werden möge. Und wehe mir, wenn ich dadurch mich ver-
leiten ließe, das, was ich doch für das Wohl meiner Kin-
der thun muß, zu versäumen oder nur nachlässig zu thun!
So erfülle mich denn mit Muth und Kraft, daß ich die
Beschwerden meines Berufes willig übernehme und mit
Geduld ertrage. Lehre mich, in ihnen das Kreuz zu ver-
ehren, welches Dein h. Wille mir zu meinem Heile aufge-
legt hat, auf daß ich es täglich aufnehme und es meinem
Heilande, der so viel mehr für das Heil der Seelen litt,
gern nachtrage. Richte meinen Blick auf die kostbare
Frucht so vieler Mühen, welche ist das Wohl meiner Kin-
der für Zeit und Ewigkeit und für mich ein unaussprech-
lich großer ewiger Lohn – So verleihe denn, daß ich ohne
Scheu vor Mühe und Entbehrung an meinen Kindern und
für sie stets Alles thun möge, was zu ihrer guten Er-
ziehung nothwendig oder nützlich ist. – O h. Geist, Du
Geist der Stärke, verleihe mir die Gabe der Stärke. Amen.

Vater unser und Ave.

Gebet um Sanftmuth.

Göttlicher Heiland, der Du drei Jahre lang mit
Deinen Jüngern, wie ein Vater mit seinen Kindern ver-
kehrt hast, wie viel hattest Du durch ihre Armseligkeit,
durch ihre Unvollkommenheiten und Fehler zu leiden,
wie geeignet war nicht selten ihr Verhalten, Dich zu
Ungeduld und Zorn zu reizen! Und dennoch, wie warst
Du gegen sie stets so nachsichtig, so duldsam, so sanftmü-
thig und milde! Nie kam ein unfreundliches, hartes,
kränkendes Wort über Deine Lippen. – O möchte ich Dir
ähnlich sein im Verhalten gegen meine Kinder! Ich muß
es, wenn ich Deine Jüngerin sein und mein Heil wirken
will. So laß mich ‘„von Dir lernen, sanftmüthig zu sein.“’
[158] Wenn sich bei den Unarten und Verkehrtheiten der Kinder
Unwillen, Zorn und Ungeduld in mir reget, so hilf mir,
diese Regungen zu beherrschen, auf daß ich sie nicht in
Wort und That an den Tag lege. Halte mich aufrecht,
daß ich ruhig und besonnen bleibe, so oft ich meine Kin-
der rügen oder bestrafen muß. Denn ‘„der Zorn wirkt
nicht, was vor Dir gerecht ist.“’
Du sanfmüthigster Jesus,
erbarme Dich meiner! Amen.*)

Vater unser und Ave.

Gebet zu Jesus dem Kinderfreund.**)

(Besonders bei der h. Messe, bei der h. Communion oder sonst vor dem
h. Sakramente.)

O Jesus, wie groß war einst Deine Liebe zu den Kin-
dern! Sie ist es noch heut. Ja, Deine Liebe zu den
christlichen Kindern ist noch so viel größer. So liebst
Du, göttlicher Herr, auch meine Kinder mehr als ich, und
bist ihr göttlicher Freund. O wie trostreich und erhebend
für mich! Sei gelobet und gepriesen! – So verleihe mir
denn, göttlicher Heiland, die Gnade, daß ich in Allem mich
so gegen meine Kinder verhalte und Alles so an ihnen
thue, wie es dem Verlangen Deines h. Herzens und Deinem
Wohlgefallen entspricht. Gib mir, daß ich sie ganz für
[159] Dich erziehe und sie aus allen Kräften anleite, Dich mehr
und mehr zu erkennen, Dich zu lieben und nach Deiner
Lehre und nach Deinem h. Beispiele ihr ganzes Leben ein-
zurichten, auf daß sie Deine wahren Jünger und Jüngerinnen
seien und durch Dich das Heil erlangen. O Jesu, in Kraft
des h. Sakramentes, durch welches Du mich in den ehe-
lichen Stand und in den mütterlichen Beruf eingeführt
hast, und durch die Gnaden Deines h. Opfers verleihe mir,
daß ich alle Obliegenheiten einer christlichen Mutter auf's
Treueste und Eifrigste erfülle. Laß mein Leben ein Mu-
ster werden für meine Kinder; durchdringe mein Herz mit
jener Liebe, welche Dein göttliches Herz gegen meine Kin-
der trägt; gib mir Weisheit, gib mir Starkmuth, gib mir
Geduld und Sanftmuth, gib mir Eifer zum Gebete für
meine Kinder. Dein göttlicher Segen komme über Alles,
was ich an meinen Kindern thue. Amen.

Gebet zum heiligen Geiste um Seine sieben Gaben.

O h. Geist, Du Urquell und Spender aller Gnaden
und Gaben, zu Dir nehme ich meine Zuflucht. Wie sehr
bedarf ich Deiner Gnade im Werke der Erziehung! So
schenke mir dieselbe in immer reicherer Fülle!

Schenke mir die Gabe der Weisheit, damit ich in der
Erziehung meiner Kinder vor Allem und über Alles das
Heil ihrer Seelen im Auge habe und in Allem die besten
Mittel und Wege erkenne, sie zu wahrer Gottesfurcht und
Frömmigkeit zu erziehen und zum ewigen Heile zu führen.
Amen.*)

Schenke mir die Gabe des Verstandes, damit ich durch
Dich in die rechte Erkenntniß der Lehren unserer h. Re-
ligion einführt, im Stande sei, meine Kinder in den-
selben heilsam zu unterweisen und sie in einen innig-
religiösen Sinn einzuführen. Amen.

Schenke mir die Gabe der Wissenschaft, wodurch ich das,
was zu wissen und zu kennen für mein und meiner Kin-
der Wohl ersprießlich ist, erkennen und verstehen möge,
[160] damit ich befähigt sei, die nothwendigen und nützlichen
Unterweisungen in Allem meinen Kindern zu vermitteln.
Amen.

Schenke mir die Gabe des Rathes, damit ich im schwie-
rigen Geschäfte der Erziehung zu allen Zeiten den rechten
Weg finde, die rechten Mittel wähle und die rechten
Weisen einhalte, um alles, was dem h. Willen Gottes
entspricht, an meinen Kindern zu vollführen zu ihrem
wahren Heile für Zeit und Ewigkeit. Amen.

Schenke mir die Gabe der Stärke, damit ich unter den
Beschwerden und Entbehrungen meines mütterlichen Be-
rufes nicht erliege, sondern mit freudigem Muthe aus-
harre; damit ich mich niemals von unzeitiger Liebe zu
meinen Kindern verleiten lasse, zu ihrem Schaden und
Verderben, ihrer zu schonen, sondern mit christlichem Stark-
muthe da, wo es Noth thut, Strenge und Züchtigung
an ihnen handhabe. Amen.

Schenke mir die Gabe der Gottseligkeit, und entzünde
durch Deine Gnade in meinem Herzen das Feuer der heil.
Liebe, damit ich treu im Dienste meines Herrn und voll
Eifer in der Uebung der christlichen Tugenden und aller
guten Werke durch das Beispiel eines vollkommenen christ-
lichen Lebens meinen Kindern vorleuchte und meine
Lehren und Ermahnungen durch die Salbung wahren
Gottesfurcht und der Gnade an ihnen wirksam sein
mögen. Amen.

Schenke mir die Gabe der Furcht des Herrn, und durch-
dringe mein Herz mit Abscheu gegen die Sünde und mit
heiliger Scheu vor jeglicher Beleidigung meines Herrn,
damit ich nicht durch meine Sünden den Kindern Aergerniß
bereite und Schuld werde, daß das größte Uebel, die Sünde
und ihr Verderben über sie komme. Amen.

Gebet zur h. Jungfrau Maria.

O allerseligste Jungfrau Maria, Du ‘„wunderbare Mutter,“’
zu Dir nehme ich meine Zuflucht, da ich vom Herrn des
mütterlichen Berufes gewürdigt bin. O möchte ich auch
als Mutter Dir ähnlich und Deiner Liebe nicht unwürdig sein!
[161] Erflehe mir, Du heilige und mächtige Mutter, diese Gnade.
Durch Deine mächtige Fürbitte möge es mir vergönnt sein,
daß ich mit Gewissenhaftigkeit, mit Treue und Ausdauer
alle Pflichten, welche ich als christliche Mutter habe, all-
immerdar erfülle. – Welch ein gottgefälliges, heiliges Leben
war es, daß Du, h. Mutter, an der Seite Deines hell.
Bräutigams mit Jesu, Deinem göttlichen Sohne, in Gebet
und gottgeweihter Arbeit und in guten Werken in der
Hütte zu Nazareth führtest! O lasse es das Vorbild für
mein Familienleben sein! Flehe den Geist der Gottes-
furcht und Frömmigkeit über unser Haus herab, damit
in ihm meine Kinder zu allem Guten gedeihen. Amen.

Gebet zum h. Joseph.*)

H. Joseph, Du treuer Gefährte der h. Mutter, Deiner
jungfräulichen Braut, der Du sie und ihr göttliches Kind
mit solcher Hingebung und Sorgfalt beschützet und Dein
ganzes Leben ihnen geweihet hast, ich bitte Dich, sei auch
mein und meiner Kinder Beschützer und Fürsprecher bei
Jesu, Deinem erhabenen Pflegesohne. Erflehe mir die
Gnade, daß ich die Pflichten gegen meine Kinder, ähnlich,
wie Maria und Du gegen Jesus, erfüllen möge. H. Joseph,
bitte für mich! Amen.

Gebet zu den h. Schutzengeln.**)

O h. Schutzengel, ihr himmlischen Freunde meiner Kin-
der, vertrauensvoll wende ich mich an euch. Die der Herr
meiner Sorgfalt anvertrauet hat, die sind ja auch der
Gegenstand eurer Liebe und Sorge. So erflehet mir denn
die Gnade, daß ich gleiche Gesinnungen, wie ihr, gegen
meine Kinder trage und es mir vor Allem, wie euch, am
[162] Herzen liege, sie für Gott und den Himmel zu erziehen.
O möchte ich eine solche Mutter an meinen Kindern sein,
daß ich eurer Liebe und Freundschaft nie unwürdig er-
scheine! Das erflehet mir! Amen.

Gebet zu den h. Namenspatronen der Kinder.*)

Heilige Namenspatrone meiner Kinder, h...., nehmet
euch auch meiner, ihrer Mutter, an; bittet für mich, damit
ich durch eure Fürbitte die Gnade erlange, durch Wort
und That einen heilsamen Einfluß auf meine Kinder zu
üben, auf daß sie in treuer Nachahmung eurer Tugenden
zu wahrhaft guten Mitgliedern der h. Kirche heranwachsen
und einst in eure glückselige Gesellschaft aufgenommen
werden mögen. Amen.

B. Für die Kinder.

Gebet der Mutter um Segen und Gedeihen für
ihre Bemühungen an den Kindern.

O Gott, ohne den Segen Deiner Gnade wird Alles,
was ich zur guten Erziehung meiner Kinder thue, dennoch
keine rechte Frucht bringen. Ob ich auch ‘„pflanze und be-
gieße“’
, so wird ‘„das Gedeihen“’ fehlen, wenn Du es nicht
‘„gibst“’. ‘„Vergebens bauen die Bauleute“’, sagt Dein Pro-
phet, ‘„wenn der Herr nicht bauen hilft; und wenn der
Herr das Haus nicht bewacht, so wacht der Wächter um-
sonst.“’
Darum flehe ich zu Dir, o Herr, gib dem, was ich
durch Lehre und Ermahnung, durch Warnung und Strafe,
durch Wachsamkeit und Anleitung an meinen Kindern
thue, das ‘„Gedeihen“’; hilf mir über dieselben ‘„wachen“’,
daß sie vor allem Uebel an Leib und Seele bewahrt
bleiben; hilf mir ‘„bauen“’, daß das Gebäude der Tu-
[163] gend und Vollkommenheit in ihnen eine feste Grund-
lage habe und sich mehr und mehr erhebe. Begleite huld-
reich all mein Wort und Werk mit Deiner Gnade, auf
daß es zum wahren Wohle meiner Kinder gereiche. Durch
Jesum Christum. Amen.

Gebet um Schutz für die Kinder in ihren
Gefahren.

O Gott, wie vielen und großen Gefahren sind meine
Kinder ausgesetzt, an Leib und Seele Schaden zu nehmen,
ja zu Grunde zu gehen! Und wie unzureichend ist der
Schutz, den ich ihnen angedeihen lassen kann. Ja, Herr,
‘„vergeblich wache ich über sie, wenn Du nicht wachen
willst.“’
Wenn sie aber ‘„unter Deinem hülfreichen Schutze
wohnen, o Allerhöchster, und weilen unter Deiner Obhut,
Du Gott des Himmels“’
, wie ruhig darf ich dann sein.
So empfehle ich denn, o Herr, meine Kinder in Deinen
mächtigen Schutz und Schirm. Halte gnädig von ihnen
fern, was für ihre Gesundheit und Unversehrtheit, oder für
ihr Leben gefährlich oder schädlich ist; lasse sie ihrem Leibe
nach wohl gedeihen. Vor Allem aber schütze sie in den
Gefahren ihrer Seele. Wehre mit mächtiger Hand von
ihnen ab, was einen nachtheiligen Einfluß auf ihr jugend-
liches Herz üben und zu Verkehrtheit und Sünde Anlaß
werden mag. Bewahre sie vor der Sünde! Sende ‘„Deine
h. Engel, daß sie meine Kinder behüten auf allen ihren
Wegen, daß sie dieselben auf ihren Händen tragen, um
nicht anzustoßen.“’
O allmächtiger Gott und Vater, führe
meine Kiinder durch die Gefahren und Stürme dieses Le-
bens also hindurch, daß sie sicher einst anlangen im Hafen
des Heils. Amen.

Gebet, daß der Herr die Kinder vor der Todsünde
bewahre.

O Gott, wie zahlreich und wie groß sind in der jetzigen
Welt für meine Kinder die Gefahren der Sünde und des
Verderbens! Und nimmer liegt es in meiner Macht, sie davor
[164] sicher zu stellen. Du mußt helfen, Du mußt schützen, Du mußt
retten und zum Siege führen. So rüste Dich denn, o Herr, mit
der Kraft Deiner Gnaden, und eile mit großer Macht zu
Hülfe, damit das Ungeheuer der Todsünde sich keinem
meiner Kinder nahe. Du weißt es, o Herr, wie sehr ich
meine Kinder liebe; aber lieber will ich, daß Du sie durch
den Tod mir nehmest, als daß sie durch schwere Sünde
in den Tod der Seele verfallen und für Dich ein Gegen-
stand des Abscheu's und des Hasses werden. Darum bitte
ich Dich, Du Vater meiner Kinder, eile, wenn längeres
Leben sie in dieses Unglück stürzen würde, mit ihnen hin-
weg aus diesem Leben, auf daß ich, für dies kurze Erden-
leben sie missend, in Deinem Hause sie wiederfinden möge,
um ewig sie mit Dir und in Dir zu besitzen. Erhöre mich,
o Herr, erhöre mich. Durch Jesum Christum unsern
Herrn. Amen.

Ave Maria.

Gebet für die Kinder um den Geist wahrer
Gottesfurcht und Frömmigkeit.

O Gott, ‘„alle gute Gabe kommt von Dir“’. Nur durch
Dich sind wir ‘„vermögend, Gutes zu denken“’; ‘„Du wirkest
das Wollen und das Vollbringen.“’
Du hast meine Kin-
der in der h. Taufe zu Deinen Kindern umgeschaffen und
die Keime der Tugenden in ihr Herz gelegt; aber auch
das Gedeihen kommt nur durch Dich. So nimm Dich
denn meiner Kinder in Gnaden an. Verleihe, daß sie
ganz aus dem Glauben leben. Erhebe ihr Herz zu himm-
lischen Gedanken und Begierden. Entzünde in ihnen das
Feuer Deiner h. Liebe, auf daß sie Dir anhangen. Dich
vor Augen halten und Deine Gebote stets treu erfüllen.
Nähre in ihnen den Geist des Gebetes, auf daß sie eifrig
seien im Gebete und zum Gottesdienste und recht beten
lernen und reich werden an Gnade. Erhalte sie in unver-
letzter Unschuld und Herzensreinigkeit. Du bist ‘„mächtig,
o Gott, eine jegliche Gnade in überfließendem Maße zu
schenken“’
; so suche denn meine Kinder mit Deiner Gnade
heim, daß sie in aufrichtiger und herzlicher Gottesfurcht
[165] und Frömmigkeit befestigt werden und zunehmen und zum
ewigen Heile gelangen. Amen.

Gebet um Gnade für die Kinder zur Erfüllung
ihrer Standespflichten.

Allqütiger Gott, verleihe meinen Kindern die Gnade,
daß sie die Pflichten, welche sie als Kinder gegen ihre
Eltern haben, gewissenhaft und treu erfüllen. Es ist Dein
heiligster Wille, daß ein Jeder Dir diene zunächst und
zumeist durch die treue Erfüllung seiner Standespflichten.
Nichts verlangst Du daher von meinen Kindern mehr, als,
daß sie ihren Eltern mit Ehrfurcht, Liebe und Unterthänig-
keit begegnen; nur dann können sie Dir gefallen, nur
dann zu guten Menschen heranwachsen. So flöße denn,
o mildester Vater, meinen Kindern die Gesinnungen der
Ehrfurcht und Liebe ein, erwecke sie, daß sie mit dankbarem
Herzen ihren Eltern stets mit Ehrerbietigkeit begegnen und
mit willigem Gehorsam sich in Allem ihnen unterwerfen.
Ertödte in ihnen Eigensinn und Eigenwillen; lehre sie,
den Willen ihrer Eltern stets willig und treu zu erfüllen
auf daß sie es dadurch lernen, auch Dir zu gehorchen. -
Einen reichen Segen für Zeit und Ewigkeit hast Du mit
der treuen Erfüllung des vierten Gebotes verbunden; lasse,
o Herr, diesen Segen reichlich über meine Kinder kommen.
Amen.

Gebet für die Kinder um die Gnade der Keuschheit.

O allerheiligster Gott, der Du die Reinigkeit und Un-
schuld liebest, verleihe meinen Kindern die kostbare Gnade
der h. Reinigkeit. Wehe, wenn das Laster der Unkeusch-
heit über sie hereinbräche! Wie unglücklich würden sie sein
– leicht für Zeit und Ewigkeit. Herr behüte sie; halt
mit mächtigem Arm dies Ungethüm von ihnen fern!
Ohne Deine besondere Gnade können sie die Keuschheit
nicht bewahren. O Gott, schenke ihnen diese Gnade!
Durch sie sei ihr Herz wie eine Heiligthum, unentweihet
von jeglichem unreinen Gedanken und Sinne; durch sie
sei ihr Auge züchtig, Ohr und Mund jeglicher Ungebühr
[166] in Wort und Rede unzugänglich und verschlossen. Durch
Deine Gnade erfülle sie mit Abscheu gegen Jegliches, was
der h. Ehrbarkeit zuwider ist, und lasse sie nach Leib und
Seele in unverletzter Lauterkeit bestehen, aus daß sie all-
immerdar reine Hände zu Dir erheben und ihr Leib ein
unentweihter Tempel des h. Geistes verbleibe. O Gott,
Du Liebhaber reiner Seelen, laß meine Kinder zu Deinen
Lieblingen gehören; lasse den Segen und das Heil, so nach
Deiner gnädigen Anordnung in Zeit und Ewigkeit die
h. Reinigkeit begleitet, auch über meine Kinder kommen.
Amen.

Heilige Jungfrau Maria, Du keuscheste Mutter, Du
Vorbild und Fürsprecherin reiner Seelen, h. Joseph, Du
keuschester Bräutigam der h. Jungfrau, h. Aloysius, Du
Engel im Fleische, und all ihr h. Jünglinge und Jung-
frauen und Kinder und alle Heiligen, helfet mir mit eurer
kräftigen Fürbitte, auf daß der Herr, wie einst euch, so
auch meinen Kindern die Gnade unverletzter Unschuld und
Keuschheit gebe. Amen.

Gebet für die Kinder um die Gnade wahrer
Nächstenliebe.*)

Du Gott der Liebe, der Du alle Menschen als Deine
Kinder liebest und uns so heilig geboten hast, daß auch wir
uns untereinander aufrichtig lieben sollen, flöße auch meinen
Kindern den Geist der Liebe ein. Ertödte in ihnen die
Selbstsucht und Eigenliebe; erweitere ihr Herz, daß sie um
Deinetwillen alle Menschen aufrichtig lieben. Verleihe
ihnen, daß sie alle mit ihren Geschwistern in Eintracht,
Frieden und Liebe verharren, damit sie, nachdem ihnen
die Uebung der Liebe im Familienkreise zur andern Natur
geworden ist, zur Zeit dieselbe gegen alle Menschen er-
weisen. Durch Jesum Christum. Amen.

Gebet für die Kinder um die Gnade der Wahr-
haftigkeit.
[167]

Du Gott der Wahrheit, der Du alle Lüge hassest, be-
wahre meine Kinder vor dem schändlichen und verderblichen
Fehler des Lügens, der sie in Deinen Augen verabscheu-
ungswürdig machen und zu vielen Fehlern führen würde.
Flöße ihnen Abscheu ein gegen jegliche Lüge; lehre sie die
Wahrheit lieben, auf daß sie stets und in Allem Wahrheit
reden und aufrichtig seien. Amen.

Gebet für die Kinder in ihren Schuljahren.

O Gott, Du Vater des Lichtes, siehe gnädig herab auf
meine Kinder, welche jetzt die Schule besuchen. Welch eine
kostbare Gelegenheit zu heilsamer Entwickelung des Ver-
standes und Herzens und zur Sammlung nothwendiger
und nützlicher Kenntnisse, für ihr zeitliches und ewiges
Wohl ist ihnen geboten! Verleihe denn, daß sie dieselbe
treu und mit Eifer benutzen. Halte ihren jugendlichen
Leichtsinn und ihre Flüchtigkeit in Schranken; rege sie an,
zu ernstem Fleiße. Stehe ihnen bei, daß sie Alles wohl
erfassen und behalten. Insbesondere suche sie heim mit
Deiner himmlischen Erleuchtung, damit sie die Lehren der
h. Religion wohl erfassen; erwecke ihr kindliches Herz, daß
es die christlichen Wahrheiten lebendig in sich aufnehme
und sich ganz an dieselben hingebe. – Beschütze sie vor
dem nachtheiligen Einflusse böser Kinder; führe sie zusam-
men mit solchen Kindern, welche heilsam auf sie einwirken
mögen. – Segne die Geistlichen und Lehrer und Alle,
welche auf meine Kinder einwirken, daß ihr Einfluß heil-
sam und erfolgreich sei. Lohne ihnen, was sie an meinen
Kindern thuen. – So lasse, o Herr, diese Schule eine
Vorschule für die ewige Auserwählung werden. Amen.

Gebet für das Kind, wenn es zur h. Beicht geht.*)

Heiliger, barmherziger Gott, lasse Dir mein Kind em-
pfohlen sein, welches nun zur h. Beicht zu gehen im Be-
[168] griffe steht. Von Dir kommt die Gnade der Buße; nur
durch sie vermögen wir es, unsere Sünden wahrhaft zu
bereuen, um Verzeihung zu finden. So senke denn diese
Gnade reichlich in das Herz meines Kindes, damit es den
jugendlichen Leichtsinn überwinde und sich ernstlich vor-
bereite, seine Sünden herzlich bereue, aufrichtig beichte
und im h. Sakramente Vergebung finde. Lasse mein Kind
durch die Einwirkung des Beichtvaters und durch diese
h. Uebung einen heilsamen Eindruck und einen Antrieb
erfahren, fortan desto treuer in einem rechten christlichen
Leben sich zu üben. Amen.

O heil. Engel, begleite mein Kind zu dieser heil. Beicht.
Amen.

Gebet für das Kind, während seiner Vorbereitung
zu seiner ersten h. Communion.

Göttlicher Heiland, die Zeit naher, wo Du auch meinem
Kinde die unbegreifliche Gnade erweisen willst, in Deinem
h. Sakramente zum ersten Male bei ihm einzukehren. Un-
endlich ist die Liebe, mein Gott und Heiland, welche Du
auch zu meinem Kinde trägt; darum willst Du zu ihm
kommen und in seiner Seele Wohnung nehmen, um es
durch die h. Liebe ganz mit Dir zu vereinen und mit
Deinen kostbarsten Gnaden zu bereichern und zum höchsten
Heile zu führen. O Jesu, wer ermisset Diene Huld?! Sei
ewiglich gelobet und gepriesen! – Möchte doch mein Kind
die Größe der ihm bevorstehenden Begnadigung und Be-
glückung erkennen! Erleuchte es und führe es zu dieser
Erkenntniß und erwecke es, daß es zu einer solchen Gnade
sich würdig vorbereite. Suche Deinen Diener, der es vor-
bereitet, heim mit Deiner Gnade, damit sein Unterricht
die Kinder zu heilsamer Erkenntniß der christlichen Wahr-
heiten führe und sein Wort und seine Anleitung sie zu
einem wahrhaft christlichen Sinn und Leben vermöge. O
[169] Jesu, bewirke doch, daß mein Kind diese Zeit der Vor-
bereitung so benütze, daß es wahrhaft würdig bei seiner
ersten heiligen Communion erscheine und zu Deinem Wohl-
gefallen und zu seinem Heile Dich, göttlicher Herr, zum
ersten Male in seine Seele aufnehme. Amen.

Gebet, daß Gott die Lebensverhältnisse der Kinder
zu ihrem Besten lenken möge.

Alles, o Gott, ruhet in Deiner Hand; ‘„Deine Macht
waltet von einem Ende der Erde bis zum andern und
ordnet Alles gar wohl.“’
Du ordnest Alles so, daß es, so
viel an Dir, dazu diene, die Menschen zu dem Ziele wahrer
Lebensheiligkeit, wozu Du sie geschaffen hast, zu führen,
damit sie Deinen h. Namen verherrlichen und zeitlich und
ewig wahrhaft glücklich seien. Und Du kennest, allwissen-
der Gott, die Wege, auf welchen meine Kinder am Sicher-
sten und am Besten zu diesem ihrem wahren Heile gelangen
mögen. Darum stehe ich zu Dir, führe sie gnädig auf
diese Wege. Möge in Allem nur Dein H. Wille an ihnen
geschehen! Dein h. Wille allein ist ihr Heil. Lasse nicht
zu, daß ich selbst durch unzeitige, irdische Rücksichten ver-
leitet und verblendet sie auf Wege leite, die trotz allem
Scheine schließlich zu ihrem Verderben führen. Halte sie,
daß sie nicht selbst, durch jugendlichen Leichtsinn verlockt,
auf solche Wege sich verirren! Du, o großer, unendlich
weiser, unendlich liebevoller, unendlich mächtiger Vater meiner
Kinder, Du wollest sie führen; Du führst stets zum Heile.

Insbesondere flehe ich zu Dir, Du wollest es nach der
Weisheit und Macht Deiner Wege ordnen, das ein jedes
meiner Kinder zu dem Lebensstande gelange, wozu Du sie
berufen hast. In diesem von Dir bestimmten Berufe allein
liegt ihr volles Heil. O darum lasse es nicht zu, daß
meine Kinder, von Sünde und verkehrter Neigung hinge-
nommen, denselben verfehlen. Gib und erhalte ihnen einen
lebendigen Glauben, befestige sie in Deiner h. Furcht und
in wahrer Frömmigkeit; dann werden sie durch Deine
Gnade zur Zeit ihren Beruf erkennen; dann werden sie
unbeirrt sich demselben hingeben und Du wirst mit ihnen
sein. Erhöre mich, o Herr, erhöre mich. Durch Jesum
Christum. Amen.

Gebet für Kinder, die an hartnäckigen Fehlern
leiden.*)
[170]

Allmächtiger Gott, reich an Gnade, der Du ‘„die Herzen
der Menschen lenkest, wie Wasserbäche,“’
höre gnädig mein
Flehen für meinen Sohn (meine Tochter). Du weißt es,
wie sehr der Zustand seiner (ihrer) Seele mein Herz mit
Kummer und Sorge erfüllt. Ach, meine Bestrebungen
bleiben an ihm (ihr) ohne Erfolg. Was bleibt mir also,
als zu Dir meine Zuflucht zu nehmen? Du bist ein
starker Gott, ‘„mächtig, jegliche Gnade in überfließendem
Maße zu geben,“’
und durch Deine Gnade auch die härtesten
Herzen zu rühren. Wie oft hast Du durch die Wirkungen
Deiner Gnade auch die verkommensten Sünder zur Umkehr
vermocht; wie oft hast Du insbesondere die Bitten frommer
Mütter erhört und um ihretwillen ihren Kindern die
Gnade wahrer Besserung verliehen. So verschmähe denn
auch mein Flehen nicht. Es ist unwürdig, ich bekenne es,
ich habe vor Dir gesündigt und trage vielleicht selbst einen
Theil der Schuld an den Fehlern und Verirrungen meines
Sohnes (meiner Tochter). Aber, o barmherziger Gott,
verzeihe mir, da ich nun meine Sünde herzlich bereue; laß
Gnade für Recht ergehen. Durch Deine unermeßliche
Barmherzigkeit, durch die Verdienste Deines göttlichen
Sohnes, meines Heilandes, durch die Fürbitte der aller-
[171] seligsten Jungfrau Maria, der h. Monika und aller Hei-
ligen bitte ich Dich, suche meinen Sohn (meine Tochter)
heim mit Deiner Gnade, damit er seinen (sie ihren) Fehler
erkenne, ihn herzlich bereue und fortan in Allem nach Deinem
h. Willen und Wohlgefallen wandelnd das Heil erlange.

O Maria, Du Mutter der Barmherzigkeit, Du Zuflucht
der Sünder, h. Monika, Du siegreiche Beterin für Deinen
Sohn, und alle Heiligen unterstützet durch euere mächtige
Fürbitte mein Gebet, auf daß es Erhörung finden möge.
Amen.

Gebet für die Kinder um die sieben Gaben des
h. Geistes.

Heiliger Geist, komm gnädig herab auf meine Kinder
und schenke ihnen die Gabe der Weisheit, damit ihnen die
Gnade Gottes und das Heil ihrer Seele zu jeder Zeit
höher gelte, als alles Andere und sie ihren Blick stets auf
die Ewigkeit gerichtet halten.

O h. Geist, schenke meinen Kindern die Gabe des Ver-
standes, damit sie die Lehren unserer h. Religion immer
besser zu ihrem Heile verstehen lernen und eifrig seien, durch
fleißige Anhörung des göttlichen Wortes und durch Lesung
guter Bücher in heilsamer Erkenntnis; der christlichen Wahr-
heiten fortzuschreiten.

O h. Geist, schenke meinen Kindern die Gabe der Wissen-
schaft, damit sie mehr und mehr einen Schatz nützlicher
Kenntnisse sich sammeln, wie es für ihr eigenes Heil und
für das Wohl ihrer Mitmenschen zuträglich ist.

O h. Geist, schenke meinen Kindern die Gabe des Rathes,
damit sie im Lichte dieser Gnade zu jeder Zeit das, was
dem h. Willen Gottes und ihrem Heile entspricht und da-
für zuträglich ist, erkennen und auch erwählen mögen.

O h. Geist, schenke meinen Kindern die Gabe der Stärke,
damit sie in Kraft derselben, ungebeugt von den Beschwer-
den des Guten und unaufgehalten von den Hindernissen
desselben, muthig und stark auf dem Wege des Heiles ver-
harren. Amen.

O h. Geist, schenke meinen Kindern die Gabe der Gott-
seligkeit; erfülle ihr Herz ganz mit der heiligen göttlichen
[172] Liebe, auf daß sie stets eifrig sein mögen in allen guten
Werken, einzig darauf bedacht und bemühet, in Allem Gottes
h. Willen zu vollführen.

O h. Geist, schenke meinen Kindern die Gabe der Furcht
des Herrn, damit sie, die Sünde als das größte und einzig
wahre Uebel erkennend, dieselbe über Alles verabscheuen
und nichts so sehr fürchten mögen, als durch Sünde den
Strafen der göttlichen Gerechtigkeit anheimzufallen und das
Wohlgefallen des Herrn zu verlieren. Amen.

Die Kreuzwegandacht der christlichen Mutter
für ihre Kinder.

Göttlicher Heiland, den ganzen Reichthum der Liebe
Deines h. Herzens hast Du uns geoffenbaret in jenen heil.
Stunden Deines bittern Leidens und Sterbens. Grausam
gegen Dich hast Du den Leidensweg betreten, während
Deine menschliche Natur davor im Innersten erbebte. Die
Liebe zum Vater und zu uns hat über die Schauder Deiner
Natur gesiegt; das Verlangen nach unserm Heile hat Dich
vermocht, Dich in alle Schmach und Qual hinzugeben bis
zum Tode am Kreuze. So ist Dein Leiden und Sterben
für uns die Quelle des Heils und des ewigen Lebens ge-
worden. Durch Dich empfangen wir Vergebung unserer
Sünden, durch Dich jegliche Gnade, um alle himmlischen
Güter und den vollen Reichthum des ewigen Heiles zu er-
langen. Dank Dir und Liebe und ewiger Preis! – Im
Geiste betrete ich jetzt den Weg Deines Leidens, um das-
selbe zu verehren und durch die Verdienste desselben für
meine Kinder die Gnaden zu erflehen, in Kraft deren auch
sie von allen Sünden befreiet und befähigt werden mögen,
Deine Liebe zu erkennen, Dich von ganzem Herzen wieder
zu lieben und durch treue Haltung Deiner Gebote reichlich
des Heiles theilhaftig zu werden, welches Du auch für sie
erworben hast. – Ach, meine Sünden lassen mich so un-
würdig vor Dir erscheinen, nicht werth, das Erflehete zu
erlangen. Verzeihe mir; ich bereue sie von ganzem Herzen.
Hilf durch Deine Gnade, auf daß diese Andacht Dir wohl-
[173] gefallen möge. Lasse die Ablässe dieser Andacht mir und
meinen Kindern zu Theil werden! Amen.

Heilige Maria, Du Mutter der Schmerzen, o begleite
mit Deiner mächtigen Fürbitte mein Flehen für meine
Kinder. Amen.

1. Station. Jesus wird zum Tode verurtheilt.

V. Wir beten Dich an, Herr Jesu Christe, und preisen
Dich, R. Denn durch Dein h. Kreuz hast Du die Welt
erlöset.*)

Betrachte, wie Jesus vor dem Richter steht, das Haupt
mit Dornen gekrönt, am ganzen h. Leibe von Geisseln zer-
schlagen, von den vorangegangenen Unbilden im Garten,
die Nacht hindurch und bei Caiphas, Pilatus und Herodes
und von Seelenschmerzen bis zum Tode erschöpft. Nun
wird über Ihn, den Heiligsten, den Besten, das Todesurtheil
gesprochen; wie ein Verbrecher will Er sterben, um das
Urtheil ewiger Verdammniß von uns abzuwenden. Bitte
Ihn, daß Er durch dies ungerechte, grausame Urtheil Deine
Kinder vom ewigen Verderben errette.

Gebet. O Jesu, um unsertwillen lässest Du das un-
gerechteste Urtheil über Dich ergehen; durch dasselbe flehe
ich zu Dir, daß Du das Urtheil der ewigen Verdammniß
von allen meinen Kindern abwendest. – (Vater unser und
Ave. Ehre sei dem Vater... V. Gekreuzigter Herr Jesu,
R. Erbarme Dich unser. Die Seelen der Abgestorbenen laß
durch Deine Barmherzigkeit ruhen in Frieden. Amen.**)

2. Station. Jesus nimmt das Kreuz auf.

Betrachte, wie Jesus bereitwillig das schwere Kreuz auf-
nimmt, obwohl Er bis zum Tode ermattet ist und weiß,
wie viel Er an ihm leiden soll und daß Er an ihm ster-
ben muß. Aber dadurch bereitet Er uns das Heil; genug
für Ihn, Seine Schmach und Qual nicht zu scheuen. Bitte
Ihn, daß Er deinen Kindern die Gnade gebe, Sein Joch
stets willig aufzunehmen und ein wahrhaft christliches Le-
ben zu führen.

[174]

Gebet. Jesus, der Du bereitwillig das schwere Kreuz
aufgenommen hast, segne durch Deine Gnade meine und
der Geistlichen und Lehrer Bemühungen an meinen Kin-
dern, sie zu einem gottgeweiheten Sinn und zu einem christ-
lichen Leben anzuleiten, auf daß sie Dein Joch willig auf-
nehmen und ausharrend tragen. Amen.

3. Station. Jesus fällt zum ersten Mal unter dem
Kreuze.

Das Kreuz ist für Jesus zu schwer. Er bricht unter
ihm zusammen. Bis zum Erliegen hat Er es aus Liebe
zu unserm Heile tragen wollen. Bitte Ihn, daß Er Deine
Kinder in den Gefahren ihrer Jugend schütze und auf-
recht halte.

Gebet. O Jesu, der Du das schwere Kreuz bis zum
Erliegen getragen hast, durch die Verdienste dieses Falles
wollest Du milde meine Kinder in den vielfachen Gefahren
ihrer Jugend an Leib und Seele beschirmen, damit sie
nicht zum Falle kommen. Herr behüte sie, halte sie auf-
recht, führe sie glücklich zum Ziel. Amen.

4. Station. Jesus begegnet Seiner h. Mutter.

Betrachte Jesus, wie Ihm, da Er das Kreuz wieder
aufgenommen bat, Seine h. Mutter begegnet. Wie schnei-
det Sein Anblick ihr in's Herz. Wer fasset ihren Schmerz?!
Ach, welch ein Leid für Jesus, Seine h. Mutter in solchen
Schmerzen zu sehen! Er liebt sie so sehr. Bitte den
Herrn, daß Er durch diesen Schmerz Seiner kindlichen
Liebe deinen Kindern eine wahre Liebe zu dir und dem
Vater einflößen und zu treuer Erfüllung ihrer kindlichen
Pflichten verhelfen wolle.

Gebet. Göttlicher Heiland, Du bester und liebevollster
Sohn Deiner h. Mutter, durch die liebevolle Theilnahme,
welche Du im Anblicke ihrer Schmerzen empfunden hast,
verleihe meinen Kindern die Gnade, die Pflicht der kind-
lichen Liebe und des Gehorsams gegen ihre Eltern treu
zu erfüllen, damit der Segen des vierten Gebotes und
Dein Wohlgefallen an ihnen voll werde. Amen.

5. Station. Jesus läßt sich von Simon das Kreuz
nachtragen.
[175]

Betrachte, wie Jesus unter dem Kreuze wankt, jeden
Augenblick in Gefahr, von Neuem zu fallen. Ach, Er ist
bis zum Tode ermattet und das Kreuz so schwer. Ein
Mensch muß Ihm helfen, es weiter zu tragen. Durch
diese Beschwerde Seines Kreuztragens bitte Ihn um Gnade
für deine Kinder, damit sie die Beschwerden eines christlich
frommen Lebens muthig übernehmen und tragen.

Gebet. O Jesu, der Du für uns das schwere Kreuz
getragen hast, erwecke die Herzen meiner Kinder zu Deiner
Nachfolge; flöße ihnen einen h. Muth ein, aus Liebe zu
Dir alle Beschwerden eines frommen Lebens willig auf-
zunehmen; gib ihnen Kraft zur Ausdauer. Amen.

6. Station. Jesus reicht Veronika das Abbild
Seines h. Gesichtes.

Betrachte die Jammergestalt deines Herrn; Sein heil.
Gesicht, von allen erfahrenen Mißhandlungen entstellt, ist
vom Blute, so aus der Dornenkrone quillt, überronnen.
Die edle Frau, welche mitleidsvoll Ihm ein Tuch darreicht,
daß Er Sein Antlitz trockne, empfängt es von Ihm zurück
mit dem Abdruck desselben. Theueres, heilbringendes An-
denken! Bitte den Herrn, daß Er den Herzen deiner
Kinder das Andenken Seines Leidens und eine innige
Andacht zu demselben einprägen wolle.

Gebet. O Jesu, von jeder hast Du Deinen Auser-
wählten eine herzliche Andacht zu Deinem bittern Leiden
durch Deine Gnade geschenkt und sie dadurch zur h. Liebe
und zu allem Guten erweckt; verleihe auch meinen Kin-
dern diese Gnade; lehre sie, Dich in Deinen Leiden zärt-
lich zu verehren! Entzünde durch dasselbe ihre kindlichen
Herzen immermehr zur Inbrunst heil. Liebe und zu allem
Guten. Amen.

7. Station. Jesus fällt zum zweiten Mal unter
dem Kreuze.

Betrachte, wie jammervoll der Herr unter dem Kreuze
am Boden liegt. Das Gewicht unserer Sünden hat Ihn
[176] niedergeworfen. O, welch ein Uebel ist die Sünde, welche
Gott am eigenen Sohne also straft! Bitte den Herrn,
daß Er deine Kinder vor dem Uebel der Todsünde gnädig
behüte.

Gebet. O Jesu, hingeworfen unter der Last unserer
Sünden, erbarme Dich meiner Kinder. Ach, wie sehr sind
sie in Gefahr, in den drohenden Versuchungen des Lebens
zu erliegen und in schwere Sünden zu fallen. Daher flehe
ich zu Dir, durch die Verdienste Deines Falles unter dem
Kreuze bewahre sie vor diesem Unglück! Lasse nicht zu,
daß sie jemals Deine Gnade verlieren. Erhalte sie in
Deinem Namen. Amen.

8. Station. Jesus beweint von edlen Frauen.

Betrachte, wie der Anblick des Herrn, als Er genöthigt
wird, das Kreuz wieder aufzunehmen, und nur mit äußer-
ster Noth Seine wankenden Schritte weiter führt, theil-
nehmende Frauen bis zu lauten Thränen rührt. Jesus
sieht mitten in Seiner Noth mit Huld und Liebe auf sie.
Bitte Ihn, daß Er auch den Herren deiner Kinder Liebe und
Theilnahme für ihre leidenden Mitmenschen einflößen wolle.

Gebet. Leidenvoller Heiland, der Du in Deinen
Schmerzen mit Huld die Theilnahme jener Frauen ange-
sehen hast, durch Deinen jammervollen Anblick bitte ich
Dich, erwecke auch in den Herzen meiner Kinder mehr und
mehr den Geist jener Liebe, welche nach Deinem h. Wort
das Merkmal der Deinen sein soll; verleihe, daß sie voll
Theilnahme seien bei jeder Noth ihrer Mitmenschen und
durch Wort und That und Gebet sie zu lindern bereit
und bemühet seien. Lasse sie, Herr, in den Deinen Dich
lieben und Dir hülfreich sein. Amen.

9. Station. Jesus fällt zum dritten Mal unter
dem Kreuze.

Betrachte, wie Jesus nun, der Todesstätte nahe, ganz
erschöpft unter der Wucht des Kreuzes zusammensinkt und
in Schmerzen daliegt. All seine Kräfte hat er eingesetzt
im Werke unsers Heiles. Bitte Ihn, Er möge durch die
Verdienste dieser Seiner Anstrengungen deinen Kindern
die Gnade des Eifers in Seinem Dienste verleihen.

[177]

Gebet. O Jesu, alle Deine Kräfte hast Du eingesetzt
bis zum Erliegen, um das Werk unsers Heiles zu voll-
enden; so stehe ich denn zu Dir, Du wollest durch die Ver-
dienste dieses dritten Falles meine Kinder gnädig bewahren
vor der Schande und dem Uebel der Lauigkeit und Träg-
heit in Deinem Dienste. Erwecke sie durch Deine Gnade
zu einem h. Eifer, daß sie zu aller Zeit und unermüdlich
alle ihre Kräfte Leibes und der Seele verwenden für das
große Geschäft ihres Heiles und zur Ehre Gottes. Amen.

10. Station. Jesus wird Seiner Kleider beraubt.

Man ist an der Todesstätte angelangt. Erbarmungslos
fallen die Henker über Jesus her; gewaltsam entkleiden sie
Ihn. All Seine Wunden werden losgerissen und bluten
von Neuem; die Dornenkrone, gestoßen und gerüttelt, er-
neuert alle ihre Schmerzen. In Blut und Wunden, nackt
steht Jesus da! O Entsetzen! Diese Schmach und diese
Schmerzen – für uns geduldet – opfere dem Herrn auf
für deine Kinder, daß Er durch sie die Schmach und das
Verderben der Unlauterkeit von ihnen fern halte.

Gebet. O mein für mich von Schmach und Schmerz
umrungener Heiland, tief gerührt bete ich Dein Erbarmen
und Deine Liebe an und flehe im Hinblick auf so viel Leid
mit Zuversicht für meine Kinder um eine der kostbarsten
Gnaden. Ja, Herr, durch Deine für Dich so qualvolle
Entblößung bitte ich Dich, schließe meine Kinder ein in
die Obhut Deiner Gnade, auf daß sie geschützt und sicher
seien vor der Schande und dem Verderben der Unlauter-
keit; durchdringe und erfülle sie ganz mit der Gnade der
h. Keuschheit, damit sie dieselbe lieben und unverletzt be-
wahren und ihres vollen Segens theilhaft werden. Amen.

11. Station. Jesus wird an's Kreuz genagelt.

Betrachte, wie grausam man mit dem Herrn verfährt.
Bereitwillig legt er sich auf's Kreuz und reicht Seine
Hände und Füße dar; man treibt große Nägel durch die-
selben, um Ihn an's Kreuz zu heften. Wie dröhnt der
Hammerschlag! Wie zuckt der Schmerz durch Seine Glieder!
Er ist am Kreuze befestigt. – Bitte Ihn, Er möge durch
[178] die Verdienste dieser Annagelung in Deinen Kindern die
verkehrte Natur mit ihren bösen Neigungen ersterben lassen.
Gebet. Göttlicher Heiland, lasse durch die Macht Deiner
Gnade in meinen Kindern den alten Menschen, die ver-
kehrte Natur mit ihren bösen Neigungen, wie an's Kreuz
geheftet, ersterben; ertödte in ihnen insbesondere jene un-
ordentliche Sinnlichkeit, die Quelle so vieler Sünden. Amen.

12. Station. Jesus leidet und stirbt am Kreuze.

Betrachte deinen göttlichen Heiland, wie Er nun am
Kreuze dahängt, rings verwundet, aus allen Theilen Seines
h. Leibes blutend, von den Menschen verstoßen und verhöhnt,
selbst vom Vater verlassen. Wer ermisset Seine Schmerzen?!
Das ist der hohe Preis, um den Er unsere Seele erkauft
und vom ewigen Verderben errettet hat. O, wie kostbar ist un-
sere Seele! Empfiehl dem Herrn die Seelen Deiner Kinder.

Gebet. O Jesu, ‘„nicht um Gold und Silber, son-
dern durch Dein kostbares Blut“’
, durch Dein bitteres Lei-
den, um den Preis Deines theuren Lebens hast Du unsere
Seelen erkauft. Und solche Dir so kostbare Seelen hast Du
mir in meinen Kindern anvertrauet; o Herr, so hilf mir,
sie zu schützen, sie zum Heile zu führen. Lasse den theuern
Preis, den Du auch für sie eingesetzt hast, an ihnen nicht
verloren sein. Führe sie zum ewigen Leben! Amen.

13. Station. Der h. Leib Jesu im Schooße der
h. Mutter.

Betrachte, wie der h. Leib Jesu entseelt und von der
Fußsohle bis zum Scheitel mit Wunden bedeckt in den
Armen der h. Mutter liegt. Um unsertwillen ist Er zur
Leiche geworden. Wie würde es dir sein im Anblicke der
Leiche, eines Freundes, der, während er nach dem Drange
seiner Liebe dich und deine Kinder aus drohender Todes-
gefahr rettete, selbst dem Tode anheimgefallen wäre? Jesus
ist dieser Freund. Bitte Ihn für dich und deine Kinder
um die Gnade gebührender Dankbarkeit und Gegenliebe.

Gebet. O Jesu, Du großer, unendlich edler Freund,
der Du Dich auch für mich und meine Kinder in den Tod
hingegeben hast, auf daß wir, vom ewigen Tode errettet,
das Leben hätten; lasse nicht zu, daß wir jemals kalt und
[179] gleichgültig gegen solche Liebe seien und undankbar ihrer
vergessen. Verleihe mir und meinen Kindern die Gnade,
daß wir Dich von ganzem Herzen wieder lieben und Dir
stets in unverbrüchlicher Treue anhangen und im Himmel
ewig Dich preisen mögen. Amen.

14. Station. Der h. Leib Jesu wird in's Grab gelegt.

Betrachte den Leib des Herrn im Grabe. Das große
Werk, welches Ihm vom Vater aufgetragen worden, war
nun vollbracht; auf's Vollkommenste hatte Er den Willen
des Vaters vollzogen. Nun nahet die Glorie der Aufer-
stehung, die Herrlichkeit des Himmels. Bitte den Herrn,
daß Er auch deinen Kindern die Gnade gebe, ihren Lebens-
weg glücklich zu vollenden, damit auch sie einst im Grabe
ruhen, glorreicher Auferstehung und ewiger Herrlichkeit
entgegenharrend.

Gebet. Göttlicher Heiland, durch Deine hehre Grabesruhe
bitte ich Dich, Du wollest meine Kinder durch die mancher-
lei Gefahren und Versuchungen dieses Lebens führen zu
einem seligen Ende, zu glorreicher Auferstehung und zum
ewigen Leben. Amen.

Schlußgebet.

Lasse Dir, o allerheiligste Dreifaltigkeit, meine Andacht
gefallen! Erfülle gnädig die Bitten, welche ich in derselben
für meine Kinder dargebracht habe. Nimm Dich ihrer in
Gnaden an nun und alle Zeit! O allmächtiger, allgütiger
Gott, laß keines von ihnen verloren gehen! Verleihe, daß
sie allesammt mir zugesellt einst zu Dir in den Himmel
kommen. Amen.

5 Vater unser und Ave für die Ablässe.

Der Rosenkranz der christlichen Mutter.

I. Für sich selbst.

1. Der mir die Gnade eines guten Beispiels für meine
Kinder geben wolle.

[180]

2. Der mir Weisheit zu einer heilsamen Erziehung
schenken wolle.

3. Der mich vor unzeitiger Nachsicht und vor allem auf-
gebrachten Wesen bewahren wolle.

4. Der mir Eifer und Ausdauer für die gute Erziehung
meiner Kinder schenken wolle.

5. Der meine Bemühungen für meine Kinder segnen wolle.

II. Für die Kinder.

1. Der meine Kinder in allen Gefahren Leibes und der
Seele beschützen wolle.

2. Der meine Kinder von ihren bösen Neigungen*) be-
freien wolle.

3. Der meinen Kindern den Geist der Gottesfurcht und
Frömmigkeit**) geben und vermehren wolle.

4. Der meinen Kindern den Segen des vierten Gebotes
vermitteln wolle.***)

5. Der meine Kinder vor dem Unglücke der Todsünde
bewahren wolle.†)

Gebete der Mutter bei der h. Beichte.*)
[181]

Zum Vorbereitungsgebete.

Ach nur zu sehr habe ich es bisher fehlen lassen an der
gewissenhaften und vollkommenen Erfüllung jener heiligsten
Verpflichtungen, welche ich als Mutter gegen meine Kinder
habe. So verleihe denn, o Herr, daß ich diese meine
Fehler und Vergehungen recht erkenne, sie herzlich bereue
und Verzeihung derselben erlange. Möge diese h. Beicht
durch Deine Gnade ganz insbesondere dazu dienen, daß ich
neu erweckt und begnadigt werde, fortan meine Mutter-
pflichten nach Gebühr heilig zu halten, und sie mit aller
Gewissenhaftigkeit und Treue zu erfüllen. Durch Jesum
Christum. Amen.**))

Zum Reuegebet.

O Gott, meine Sünden sind um so schlimmer und straf-
barer vor Dir, weil ich durch sie meinem Mutterberuf un-
treu geworden bin. Da Du mir die Kleinen, Deine Kin-
der, anvertrauet hast, damit ich sie für Dich erziehen möge,
so verlangst Du um so mehr von mir, daß ich zuvor ein
vor Dir wohlgefälliges Leben führen soll, weil ich nur so
die Kinder zu Deiner h. Furcht und Liebe anleiten kann;
Du willst insbesondere, daß ich ihnen in Allem mit dem
Beispiele eines wahrhaft christlichen Lebens vorleuchten soll.
[182] Aber ach, wie sehr habe ich es daran fehlen lassen. Wegen
meiner Kälte gegen Dich, wegen meiner Nachlässigkeit in
Deinem Dienste, wegen meiner Sünden ist auch meine
Lehre und Ermahnung und Anleitung ohne Kraft und
Wirkung an meinen Kindern und ohne den Segen Deiner
Gnade geblieben. Und wie viel Verkehrtes, Unchristliches
und Böses haben sie von Tag zu Tag an mir wahrnehmen
müssen – zum Schaden ihrer Seele! Ueberdies sind sie
arm geblieben an Gnade, weil ich das Gebet für sie ver-
nachlässigt, oder nur so wenig, so lässig für sie gebetet habe
und mein Gebet so unwürdig war! O mein Gott, wie
wird es mir einst vor Deinem Richterstuhle ergehen, wenn
ich dann erkennen muß, daß ich denen, welche Du mir an-
vertrauet hast, um sie zu allem Guten anzuleiten, Anlaß
zur Sünde und Verkehrtheit geworden. Und wehe mir,
wenn die, welche ich zum Himmel führen sollte, durch
meine Schuld verloren gingen!

Und wie beschämt muß ich vor Dir stehen! Wie theuer
sind Dir meine Kinder; wie liebst Du sie! Was hast
Du nicht Alles für sie gethan! Deinen eingebornen Sohn
hast Du für sie hingegeben; und Dein göttlicher Sohn hat
nicht Anstand genommen, für sie die größten Leiden zu
übernehmen und selbst in den Tod zu gehen; Er hat in
Seiner h. Kirche alle Heilsgüter und alle Schätze der
Gnade hinterlassen; ja Er ist stets bereit, in der h. Com-
munion Sich selbst ihnen zu schenken, um sie zum Heile
zu führen. Und ich habe diese vor Dir so kostbaren, von
Dir so geliebten Seelen gering geachtet, verwahrloset, ja
zu ihrem Verderben beigetragen! O, ich Undankbare! Wie
habe ich Dein göttliches Vaterherz beleidigt und betrübet!

Auch aus Liebe zu mir hast Du mir den Beruf einer
Mutter gegeben. Welche kostbare Gelegenheit bietet er mir,
durch die Erfüllung meiner Pflichten an den Kindern mir
Dein göttliches Wohlgefallen, die reichsten Verdienste und
den höchsten Himmelslohn zu erwerben, ja ewig an Deiner
göttlichen Freude, die Du in der Beglückung Deiner Kin-
der verkostet, Theil zu nehmen, wenn auch ich dazu beitrüge,
daß meine Kinder zur ewigen Glückseligkeit gelangten. Und
ich habe den Absichten Deiner Vaterhuld so wenig entsprochen!

O Gott, ich habe gesündigt vor Dir. Aber jetzt bereue
[183] ich durch Deine Gnade meine Sünden von ganzem Herzen.
Gern bin ich bereit, fortan mich zu bessern. Meine Mut-
terpflichten sollen mir heilig sein. Keine Mühe und An-
strengung will ich scheuen, sie auf's Treueste zu erfüllen.
Und um es zu können, will ich darauf bedacht sein, mein
Leben überhaupt zu bessern und meinen Kindern mit einem
guten Beispiele vorzugehen. Ich will sie durch Wort und
That zum Guten anleiten. So verzeihe mir denn gnädig,
was ich bisher verbrochen habe; siehe auf Deinen göttlichen
Sohn, meinen Heiland, und um Seinetwillen vergib mir
meine Sünden! Stehe mir bei mit Deiner Gnade, daß ich
meine guten Vorsätze fortan treu halten möge. Amen.

Zum Gebete nach der h. Beicht.

Vollherzig, o Gott, darf ich mich wieder Deiner Vater-
huld erfreuen; auch die Sünden wider meinen Beruf als
Mutter hast Du mir gnädig vergeben und mir Gnade ge-
boten, um sie fortan desto sicherer meiden und meine Pflich-
ten als Mutter desto besser erfüllen zu können. Von Neuem
gelobe ich es daher vor Dir, daß ich der Besserung mich
ernstlich befleißigen will. Wie es eine meiner heiligsten
Verpflichtungen ist, meinen Kindern eine wahre christliche
Mutter zu sein, so soll das auch mein ernstliches Streben
sein. Eben darum will ich desto eifriger fein, mich in
wahrer Gottesfurcht und Frömmigkeit zu üben, damit ich
im Stande sei, meine Pflichten als Mutter zu erfüllen.
Auf's Sorgfältigste will ich mich hüten, daß meine Kinder
in meinem Reden, Thun und Lassen nicht etwas Dir, o
Gott, Mißfälliges wahrnehmen; vielmehr will ich in Allem
ein gutes Beispiel ihnen vor Augen stellen. Ich will es
mir am Herzen liegen lassen, sie zur Ablegung ihrer Fehler
zu vermögen und zu allem Guten sie anzuleiten. Ohne
Unterlaß will ich für sie beten.

O Gott, Du hast mir nun wieder den guten Willen
gegeben; so gieb mir denn auch das Vollbringen. Ohne
Deine Gnade vermag ich nichts. Hilf mir denn! Mache
mich durch Deine Gnade immer mehr jenen h. Müttern
ähnlich, welche ihre Kinder zu Heiligen erzogen haben. Amen.

(Hier bete, so viel die Zeit es erlaubt, einige von den
Gebeten S. 174-194.)

Gebete der Mutter bei der h. Communion.
[184]

Zu den Vorbereitungsgebeten.

Göttlicher Heiland, Du hast in diesem h. Geheimnisse
Deiner Liebe uns eine Quelle der reichsten Gnaden hinter-
lassen; aus ihr sollen wir schöpfen, um unsers christlichen
Berufes würdig, als wahre Kinder Gottes leben und das
Heil der Kinder Gottes erlangen zu können. Daher komme
auch ich zu Dir. Wie sehr bedarf ich es, den Reichthum
Deiner Gnaden zu empfangen, um alle Pflichten einer
christlichen Mutter nach Gebühr zu erfüllen. So komme
denn, o Jesus, Du Freund der Kinder, komm in meine
Seele und bereichere mich mit Deiner Gnade, damit ich
in Kraft dieser Gnade fortan desto mehr im Stande sei,
meine Kinder, Deine Lieblinge, ganz nach Deinem h. Willen
und Verlangen zu erziehen. Ohne die Erleuchtung und
Kraft Deiner Gnade vermag ich's nicht. So komme mir
denn zu Hülfe, o Herr, damit ich im Lichte Deiner Gnade
den rechten Weg der Erziehung erkenne und durch ihre
Kraft stark und ausdauernd sei, ihn in Allem einzuhalten.
Erneuere durch diese h. Communion in mir die Gnaden,
welche Du im h. Sakrament der Ehe mir eröffnet hast;
mache mich zu einer wahrhaft christlichen Mutter, damit
ich nur das wahre Wohl meiner Kinder im Auge haben
und gern Alles für sie thun möge. Amen.

Zu den Gebeten nach der h. Communion.

O Jesus, nun in meiner Seele wahrhaft gegenwärtig
und auf's Innigste mit mir vereint, Du bist zu mir ge-
kommen, um durch Deine h. Gegenwart meine Seele zu
heiligen und mich durch die h. Liebe inniger mit Dir zu
vereinigen; Du bist gekommen, um mich mit Gnaden zu
bereichern und mich in den Stand zu setzen, daß ich ein
Dir wohlgefälliges Leben zu meinem Heile möge führen
können; Du bist auch, göttlicher Kinderfreund, zu mir ge-
kommen um meiner Kinder willen. Sie liegen Dir am
Herzen, Du trägst das liebevollste Verlangen, daß sie zu
würdigen Gliedern Deiner h. Kirche heranwachsen und einst
das ewige Heil finden möchten. So willst Du durch diese
[185] h. Communion mich, die Mutter, begnadigen, damit ich
sie, Deine Lieblinge, zu diesem Ziele führen möge. So
erfülle denn Deine liebevolle Absicht an mir! Mache durch
Deine mächtige Gnade mich zu einer wahrhaft guten Mut-
ter an meinen Kindern; statte mich reichlich aus mit allen
Eigenschaften und Tugenden einer guten Muter; segne Du
all mein Thun an ihnen!

O Herr, wäre es mir vergönnt gewesen, in jenen gna-
denreichen Tagen, wo Du durch Deine sichtbare Gegenwart
das h. Land beglücktest, in demselben zu leben und wie
Martha und Maria Dich in meinem Hanse aufzunehmen,
was würde mir wohl mehr am Herzen gelegen haben, als
gleichwie jene Mütter, meine Kinder Dir vorzuführen, auf
daß Du sie segnetest. Könnte ich's heut unterlassen, wo
Du – noch gnadenvoller – der Gast meiner Seele bist?
Ach nein, göttlicher Heiland, mein Herz drängt mich, in
diesem heiligsten und gnadenvollsten Augenblicke alle meine
Kinder im Geiste Dir vorzuführen und sie Deiner göttlichen
Huld und Gnade zu empfehlen. So nimm Dich denn ihrer
in Gnaden an! Ohne Dich kann ich nichts für das wahre
Wohl meiner Kinder thun; was ich auch thue, das wird
ohne Dich erfolglos bleiben. Lasse Dich also gnädig zu
mir herab und stehe mir zur Seite im Werke der Erzieh-
ung! Behüte meine Kinder vor der Sünde! Erfülle mein
Herz mit Deiner h. Liebe und mit Deinem Geiste, auf
daß sie in Allem nach Deiner Lehre und nach Deinem
Beispiele wandeln. Führe sie zum ewigen Leben. Amen.

Gebet der christl. Mutter für ihren Mann.*)

Gott, himmlischer Vater, wie mir, so hast Du auch
meinem Manne die Kinder anvertraut; gemeinschaftlich ist
unser Beruf. Und nur dann kann der Zweck desselben,
eine gute Erziehung der Kinder, erreicht werden, wenn wir
[186]beide unsere Pflichten gegen dieselben aufrichtig zu er-
füllen bemühet sind. So verleihe denn, o Gott, meinem
Manne die Gnade, daß er die Heiligkeit und Wichtigkeit
seines väterlichen Berufs recht erkenne; erwecke ihn, daß
er es sich aufrichtig am Herzen liegen lasse, sie vollkommen
zu erfüllen. Möge er doch vor Allem mit dem Beispiele
eines treuen christlichen Lebens den Kindern vorleuchten!
Darum, o allmächtiger Gott, begnadige ihn, auf daß er
seine Fehler ernstlich bekämpfe und sie überwinde; behüte
ihn, daß er in den Zerstreuungen seines Lebens Deiner
nicht vergesse, in den Gefahren des Lebens nicht zu Grunde
gehe; flöße ihm ein die Gesinnungen eines lebendigen
Glaubens, der Hoffnung und der Liebe; gib ihm Eifer zum
Gebete und zum Gottesdienste und zu den Uebungen eines
echt christlichen Lebens. Mache, o Herr, daß er ein wahr-
haft christlicher Vater für unsere Kinder sei. Amen.

Gebet um die Gnade der standesmäßigen
Keuschheit.*)

O Gott, Du Liebhaber reiner Seelen, ‘„von dem jegliches
vollkommene Geschenk kommt,“’
auch ich ‘„trete zu Dir hin
[187] und flehe mit ganzer Inbrunst meines Herzens“’
um die
Gabe und Gnade der standesmäßigen Keuschheit, denn ‘„ich
weiß, daß ich nicht keusch zu leben vermag, wenn Du es
nicht verleihest.“’
O, so schenke mir denn diese Gnade!
Wie kostbar ist vor Dir das züchtige und ehrbare Zusam-
menleben der Eheleute, welche ein reines Herz haben! Auf
ihnen ruhet Dein Wohlgefallen; sie erfahren den Segen
Deiner besten Gaben und Gnaden; von ihnen gehet Heil
und Segen aus über die Kinder. ‘„O, wie schön ist ein
keusches Geschlecht!“’
– So lasse denn nicht zu, daß ich im
ehelichen Zusammenleben mich zügellos den sinnlichen Ge-
lüsten in die Arme werfe, ‘„wie Roß und Maulesel, die
keinen Verstand haben,“’
laß nicht zu, daß ich die h. Scham
mit Füßen trete, ‘„wie die Heiden“’ und so ‘„Dich von mir
und meinem Herzen ausschließend dem Teufel über mich
Gewalt einräume.“’
Nein, o Herr, o nein! ‘„Lasse uns
zusammenkommen so, wie es Kindern der Heiligen ge-
ziemt,“’
‘„in der Furcht des Herrn, mehr aus Liebe zu den
Kindern, als aus Lust.“’
– Du hast mir huldreich An-
spruch auf solche Gnade gegeben im h. Sakrament der
Ehe, Du bist bereit, sie mir zu schenken, wenn ich nach
Gebühr bei Dir flehend darum anhalte. Siehe, Herr, ich
flehe darum; so gib sie mir! Durch diese Gnade hast Du
zu aller Zeit in Deiner h. Kirche jene h. Eheleute gebildet,
die selbst im Ehestande ein enthaltsames Leben führten.
Durch sie werde auch ich stark sein, die unordentliche
Sinnlichkeit zu zügeln; durch sie gekräftigt werde ich treu
verharren in den Schranken, die Du gesetzt hast; von ihr
erleuchtet und geweihet werde ich den Zweck des ehelichen
Standes stets im Auge haltend mir nie erlauben, was
ihm nicht entspricht; von ihr gestärkt werde ich enthalt-
sam sein, so viel es Dein h. Wille ist. Du starker Gott,
‘„bei dem Alles möglich ist,“’ erhöre mich!

[188]

O h. Jungfrau Maria und Du jungfräulicher Bräuti-
gam derselben, h. Joseph, und ihr h. Eheleute allzumal,
bittet für mich. Amen.

Gebet im gesegneten Stande.

Allmächtiger, allgütiger Gott, Schöpfer und Erhalter
aller Wesen, der Du nach dem Rathschlusse Deiner Weis-
heit und Güte meinen ehelichen Stand gesegnet hast, wie
viele Ursache habe ich, Dir zu danken, daß Du mich wür-
digest, mitthätig zu sein zur Ausführung Deiner väterlichen
Absichten, nach welchen Du wieder einen Menschen in's
Dasein rufest, bestimmt, Deinen heiligen Namen zu ver-
herrlichen und befähigt, in Dir zeitlich und ewig glücklich
zu werden. O möchte ich doch diese Aufgabe recht erfassen
und von meiner Seite Alles dazu beitragen, daß dieselbe
erreicht werde.

So segne denn, o mein Gott, mich und das Kind, wel-
ches ich schon jetzt Dir weihe. Du hast es mir gegeben,
und ich gebe und schenke es Dir wieder. Nimm dieses
theure Pfand in Deine väterliche Obhut und stehe mir bei,
auf daß ich Alles, was einen nachtheiligen Einfluß auf
dasselbe üben könnte, nach Kräften vermeide. Behüte mich
vor bösen Neigungen und ungeordneten Begierden, vor
Zorn und Ereiferung, vor Eitelkeit und vor Allem, was
vor Dir sündhaft ist. Flöße meinem Herzen ein die Ge-
sinnungen wahrer Frömmigkeit und lenke alle meine Nei-
gungen zum Guten und zu dem, was Dir wohlgefällt,
damit also schon jetzt das sich entwickelnde Herz meines
Kindes zu allem Guten hingeneigt werden möge.

Sei Du, o Gott, mein Schutz und Schirm, auf daß
nichts Nachtheiliges mir widerfahren möge. Führe gnädig,
o mein und meines Kindes Vater, Deine Werke in mir
zur Vollendung und verleihe, daß ich zur Zeit Deinen
Namen preisen möge, in der ‘„Freude, daß ein Mensch zur
Welt geboren“’
sei. Durch Jesum Christum. Amen.

Gebet um die Gnade des Priesterberufs.

Göttlicher Heiland, wie sehr liegt Dir das Heil der
Menschen am Herzen und wie groß ist daher Dein Ver-
[189] langen nach guten Priestern. Daher ermahnest Du uns
und sprichst: ‘„Bittet den Herrn der Ernte, daß Er Ar-
beiter in Seinen Weinberg sende!“’
O Jesu, könnte ich,
Dieser Deiner Worte eingedenk, mich des Verlangens er-
wehren, einen Sohn in die Reihen der Priester eintreten
zu sehen? Und welch eine Gnade für meinen Sohn und
für mich! So flehe ich denn zu Dir, o Herr, daß Du,
wenn es Deinen Rathschlüssen nicht widerstreitet, meinen
Sohn erweckest, ihn mit dem priesterlichen Berufe begna-
digst und in die Zahl Deiner Priester aufnehmest. ‘„Du
lenkest die Herzen der Menschen wie Wasserbäche,“’
Du
konntest aus einem Saulus einen Paulus machen, ‘„Dir
ist Alles möglich.“’
Erweise denn, Du Mächtiger, die Kraft
Deiner Gnade; erhöre mein Flehen! Ach Herr, ich erkenne
es, daß ich solcher Gnade nicht würdig bin. Aber Du
bist reich an Gnade auch für Unwürdige; sei es auch für
mich! Alles will ich, wenn ich die Erfüllung meiner
Bitte hoffen darf, aufbieten, um den also berufenen Sohn,
so viel an mir ist, zu einem würdigen Priester zu erziehen
und daher ihn in wahrer Gottesfurcht und Frömmigkeit
zu begründen. Amen.

Ihr auserwählten Mütter, die ihr das Glück und die
Gnade hattet, der Kirche würdige Priester zu geben, un-
terstützet mein unwürdiges Gebet. Amen.

Gebet für einen Sohn, der Priesterberuf hat.

O Gott, der Du mich Unwürdige der unschätzbaren
Gnade gewürdigt hast, meinen Sohn mit dem priesterlichen
Berufe zu begnadigen, mit dankbarem Herzen flehe ich zu
Dir, daß Du das gute Werk in ihm erhalten und zur
Vollendung führen wollest. Ach wie leicht wird dieser
hohe priesterliche Beruf durch eigene schuld zu Schanden!
Wie groß und zahlreich sind für Knaben und Jünglinge
die Gefahren, demselben untreu zu werden! Daher bitte
ich Dich, o Gott, schütze meinen Sohn in diesen Gefahren,
führe ihn, daß er ohne Wanken die gefährliche Laufbahn
vollende und das hohe Ziel, dem er entgegengeht, stets un-
verrückt im Auge habe. Suche ihn heim mit den kost-
barsten Segnungen Deiner Gnade, damit eine wahrhaft
[190] christliche Frömmigkeit in ihm gedeihe. Unterstütze seine
wissenschaftlichen Bestrebungen, damit er reich an Wissen-
schaft und Verstand und fähig werde, die hohe Aufgabe seines
Berufs dereinst in ersprießlicher Art zu lösen. Mir aber
stehe gnädig bei, daß ich an einem solchen Sohne die
Pflichten meines Berufes desto treuer und eifriger erfülle
und, soviel ich kann, durch Wort und That dazu beitrage,
daß er zu einem guten Priester heranwachse. Segne denn,
Allgütiger, mein schwaches Streben, mit dem Gedeihen
Deiner Gnade. Amen.

Ihr h. Mütter, die ihr h. Priester erzogen und daher
nun ewig Theil habt an allem Guten, was sie gethan,
und an ihrer Glorie und Seligkeit; und ihr heiligen und
auserwählten Priester, bittet für mich und erflehet mir
die Gnade, daß ich nach Kräften meinen Sohn zu einem
guten Priester heranbilde. Flehet auch für meinen Sohn,
daß der Herr ihm die Gnade der Beharrlichkeit geben und
verleihen wolle, daß er einst würdig in die Zahl der Prie-
ster eintrete. Amen.

Litanei der christlichen Mutter.

Herr, erbarme Dich meiner!

Christe, erbarme Dich meiner!

Herr, erbarme Dich meiner!

Christe, höre mich! Christe, erhöre mich!

Gott Vater vom Himmel, erbarme Dich meiner!

Erbarme Dich meiner!

Du großer Vater, von dem alle Vater- und Mutterschaft
ausgeht,

Gott, Du himmlischer Vater meiner Kinder,

Der Du meine Kinder mehr liebest als ich, ihre Mut-
ter, sie lieben kann,

Der Du willst, daß sie bei Dir ewig selig werden,

Der Du auch für sie Deinen eingebornen Sohn dahin-
gegeben hast,

Der Du Deine Engel zu ihrem Schutze sendest,

Der Du sie meiner Liebe und Sorge anvertraut hast,

Der Du willst, daß ich sie Dir erhalte und für Dich
erziehe,

Der Du mir in diesem Werke der Erziehung helfen
und beistehen willst,

[191]

Der Du mich darüber einst zur strengen Rechenschaft
ziehen wirst,

Der Du die treue Erfüllung der Mutterpflichten un-
aussprechlich belohnen willst,

Gott Sohn, Erlöser der Welt,

Der Du für uns Mensch geworden bist,
O Jesu, der Du selbst zum Kinde geworden das zarte
Alter der Kinder geheiligt hast,

O Jesu, Du liebevollstes Kind,

O Jesu, Du bester Sohn Deiner heil. Mutter und
Deines Pflegevaters,

O Jesu, Du dankbarster und gehorsamster Sohn Deiner
h. Eltern,

O Jesu, Du Freund der Kinder,

Der Du die Kleinen zu Dir kommen ließest, um sie
zu herzen und zu segnen,

Der Du über Alle, welche den Kindern Anlaß zum
Bösen sein würden, Wehe gesprochen hast,

Der Du Alles, was um Deinetwillen an den Kindern
geschieht, als an Dir geschehen erachtest,

Der Du meine Kinder geliebet und Dich selbst für sie
dahingegeben hast,

Der Du auch für sie Deine h. Kirche mit allen Gna-
dengütern ausgestattet hast,

Der Du mich durch das h. Sakrament der Ehe für
meinen Mutterberuf geweihet und begnadiget hast,

Der Du mir in Deiner h. Kirche für diesen Beruf
reichliche Gnaden bereitet hast,
Gott h. Geist,

Der Du durch Deine Gnadenwirksamkeit in der h. Taufe
meine Kinder zu Kindern Gottes umgeschaffen hast,

Ohne dessen Gnade ich meine Pflichten an den Kindern
nicht heilsam erfüllen kann,

Ohne dessen Gnade meine Kinder nicht gut werden
und sein können,

Du Geist der Weisheit und des Verstandes,

Du Geist des Rathes und der Stärke,

Du Geist der Gottseligkeit und der Furcht des Herrn,

Du Geist der Wissenschaft und aller Gnaden,

Der Du oft schon in Kindern wunderbare Gnaden
wirksam gemacht hast,

[192]

H. Dreifaltigkeit, einiger Gott, erbarme Dich meiner!

H. Maria, bitte für mich!

Du Gottesgebärerin, bitte ꝛc.

Bitte (bittet) für mich!

Mutter Christi,

Du reinste Mutter,

Du keuscheste Mutter,

Du liebenswürdige Mutter,

Die bewunderungswürdige Mutter,

Die Du Deinen göttl. Sohn im Tempel geopfert hast,

Die Du mit Ihm nach Aegypten geflüchtet bist,

Die Du ihn drei Tage mit Schmerzen gesucht hast,

Die Du Ihm die Brautleute zu Cana empfohlen hast,

Die Du Ihn am Kreuze hast leiden und sterben gesehen,

Die Du Ihn nach Seinem Tode in Deinen Armen
gehalten hast,

Die Du Ihn willig dem Vater zum Opfer gebracht hast,

Die Du durch Seine Auferstehung und Himmelfahrt
hoch erfreuet worden,

Die Du nun mit Ihm im Himmel verherrlicht bist,

H. Joseph,

Dem Gott daß Kostbarste, Seinen eigenen Sohn, an-
vertrauet hat,

Der Du Deinen göttlichen Pflegesohn auf's Sorgfäl-
tigste beschützet und gepflegt hast,

Der Du das Glück hattest, mit Ihm so viele Jahre
zu leben und zu arbeiten,

Der Du in Seinen Armen Deinen Geist ausgehaucht hast,

Ihr hh. Schutzengel und Freunde meiner Kinder,
die ihr stets das Angesicht des himmlischen Vaters
schauet,

Die ihr von Gott gesendet seid zum Schutze meiner
Kinder,

Die ihr voll Liebe zu meinen Kindern stets darauf be-
dacht seid, sie zu schützen und zu führen,

O selige Anna, du begnadigte Mutter des Samuel,

Die du dieses Kind der Gnade durch dein Flehen dir
von Gott errungen hast,

Die du es dem Dienste des h. Zeltes geweihet hast,

H. machabäische Mutter, du Märtyrin des alten
Bundes,

[193]

Du Heldin und Muster wahrer Mutterliebe,

Die du mit unerschüttertem Muthe deine sieben Söhne
für das Gesetz des Herrn in den Tod hingegeben hast,

H. Anna, hehre Mutter der allerseligsten Jungfrau,

Die du durch dein gottgeweihtes Dulden und Beten die
Gnade einer solchen Mutterschaft erlangt hast,

Die du von Gott mit dem begnadigtesten Kinde bist
gesegnet worden,

Die du deine h. Tochter zu aller Tugend und Voll-
kommenheit angeleitet hast,

Die du ihr mit dem Beispiel des gottesfürchtigsten
Lebens vorgeleuchtet hast,

Du Patronin christlicher Ehefrauen und Mütter,

H. Joachim, du frommer Gemahl der h. Anna, du
Vater der h. Jungfrau Maria,

Ihr hh. Mütter der Apostel, die ihr euere Söhne dem
göttlichen Heilande hingegeben und Seinem Dienste
geweihet habet,

H. Felicitas, die du, gleichwie die machabäische Mut-
ter, deine sieben Söhne freudig für Jesus in Marter
und Tod hingegeben hast,

Alle ihr hh. Mütter, welche ihr euere Kinder lieber in
Martern sterben, als ihren Glauben verleugnen sehen
wolltet,

H. Paula, du Muster h. Mutterliebe,

H. Monika, die du durch dein beharrliches Beten und
Flehen deinen Sohn Augustinus für Gott gewonnen
hast,
H. Elisabeth, die du mit solcher Sorgfalt deine Kinder
erzogen hast,

Alle heiligen und auserwählten Mütter,

Die ihr durch Gebet und fromme Werke die Gnade
der Mutterschaft erworben habet,

Die ihr mit der vollkommensten Sorgfalt die vom
Herrn euch geschenkten Kinder durch Wort und Bei-
spiel zur wahren Lebensheiligkeit erzogen habet,

Die ihr durch die treue Erfüllung eurer Mutterpflichten
auch selbst zur Heiligkeit und zur höchsten Herrlich-
keit im Himmel gelangt seid,
Alle h. Engel,

[194]

Alle h. Patriarchen und Propheten, bittet für mich!

Alle h. Apostel und Märtyrer, bittet ꝛc.

Alle h. Bischöfe, Priester und Bekenner, bittet ꝛc.

Alle h. Jungfrauen und Wittwen, bittet ꝛc.

Alle heiligen und unschuldigen Kinder, bittet ꝛc.

Sei mir gnädig, verschone mich, o Herr!

Sei mir gnädig, erhöre mich, o Herr!

Von allem Uebel, erlöse mich, o Herr!

Von Gleichgültigkeit gegen meinen mütterl. Beruf, erlöse ꝛc.

Von Vernachlässigung meiner Mutterpflichten, erlöse ꝛc.

Von Geringschätzung des Seelenheils meiner Kinder, erlöse ꝛc.

Von unzeitiger Liebe und Nachsicht, erlöse ꝛc.

Von Zorn und auffahrendem Wesen, erlöse ꝛc.

Von jeglichem bösen Beispiele, erlöse ꝛc.

Von Ungeduld und Zaghaftigkeit, erlöse ꝛc.

Vom Geiste der Unkeuschheit, erlöse ꝛc.

Durch die Verdienste Deines Lebens, Leidens und Sterbens,
erlöse ꝛc.

Durch Deine Liebe zu den Kindern, erlöse ꝛc.

Durch die Sorgfalt, womit Du Dich der Kinder ange-
nommen hast,

Durch den reichen Lohn, den Du denen verheißen hast, welche
sich um Deinetwillen der Kinder annehmen, erlöse ꝛc.

Durch die Erbarmungen Deines göttl. Herzens, erlöse ꝛc.

Durch die Fürbitte Deiner h. Mutter, erlöse ꝛc.

Durch die Fürbitte aller auserwählten Mütter, erlöse ꝛc.

Ich Sünderin! Ich bitte Dich, erhöre mich!

Ich bitte Dich, erhöre mich!

Daß Du mir die Gnade verleihen wollest, die Hoheit
meines mütterlichen Berufs gebührend zuerkennen!

Daß Du mir zur rechten Erkenntniß der Heilichkeit
und Wichtigkeit der Pflichten gegen meine Kinder
verhelfen wollest!

Daß Du mir im schweren Werke der Erziehung Ein-
sicht und Weisheit schenken wollest!

Daß Du mein Herz zur rechten Liebe gegen meine
Kinder lenken wollest!

Daß Du mich zum Eifer im Gebete für meine Kinder
erwecken wollest!

Daß Du meine Lehren und Ermahnungen segnen wollest,

[195]

Daß Du mir die Gnade geben wollest, meinen Kindern
in Allem mit einem guten Beispiele vorzugehen,

Daß Du Dich meiner Kinder in Gnaden annehmen wollest,

Daß Du sie vor allem Leichtsinn und vor dem Uebel
einer Todsünde gnädig bewahren wollest,

Daß Du den Geist wahrer Gottesfurcht und Fröm-
migkeit in ihnen begründen und erhalten wollest,

Daß Du die h. Liebe in ihnen vermehren wollest,

Daß Du ihnen den Schatz unverletzter Unschuld er-
halten wollest,

Daß Du die Nachstellungen des bösen Feindes an
ihnen zu Schanden machen wollest,

Daß Du sie vor den bösen Einflüssen der Welt be-
wahren wollest,

Daß Du die Bemühungen der Geistlichen und Lehrer
an ihnen segnen wollest,

Daß Du sie in Deiner Gnade erhalten wollest,

Daß Du sie zum ewigen Leben führen wollest,

O Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst die Sünden
der Welt, verschone mich, o Herr!

O Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst die Sünden der
Welt, erhöre mich, o Herr!

O Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst die Sünden der
Welt, erbarme Dich meiner, o Herr!

Christe, höre mich! Christe erhöre mich!

Herr, erbarme Dich meiner!

Christe erbarme Dich meiner!

Herr, erbarme Dich meiner!

Vater unser. Ave.

Gebet.

O Gott, dessen Barmherzigkeit unermeßlich und dessen
Güte unendlich ist, ich danke Deiner mildesten Majestät
für alle Gaben und Gnaden, welche Du meinen Kindern
und mir in ihnen bisher verliehen hast, und da Du den
Flehenden ihre Bitte gewährest, so flehe ich unablässig zu
Deiner Vaterhuld, daß Du mich und meine Kinder nim-
mer verlassen und uns zu deu ewigen Belohnungen ver-
helfen wollest. Durch Jesum Christum. Amen.

Gebet zum h. Herzen Jesu.
[196]

O heiligstes Herz Jesu, Du Sitz der vollkommensten
Liebe, Du Inbegriff aller Vollkommenheiten, würdig, daß
alle Herzen Dick auf's Höchste verehren, Dich lieben, Dir
anhangen; auch ich bringe Dir meine innigste Verehrung
dar; ich liebe Dich von ganzem Herzen und wünsche nichts
mehr, als daß ich Dich immer mehr lieben möge, um Dir
mein ganzes Herz und Leben zu weihen.

O göttliches Herz, das Du Dich mit solcher Liebe und
Sorgfalt der Menschen angenommen und Alles, was zu
ihrem Heile dienlich war, für sie gethan und geordnet und
Dich für sie in Schmach und Qual und in den Tod hin-
gegeben hast, erwecke auch in meinem Herzen die Gesinnungen
der Liebe, auf daß auch ich bereit sein möge, für das Wohl
meiner Mitmenschen Opfer und Mühe zu übernehmen.
Insbesondere flöße meinem Herzen gegen meine Kinder
eine Liebe ein, die der Deinigen gleiche, auf daß ich ganz
für sie lebe und, wie Du, Alles aufbiete, sie zum Heile zu
führen.

In Dein liebevolles Herz, o Jesu, empfehle und be-
schließe ich meine Kinder. Umfange sie, Du Sitz der Liebe,
mit Deiner Liebe, schließe sie in dieselbe ein, halte sie, daß
Niemand sie aus Deinen Armen reiße. Du kennest die
Gefahren, denen sie ausgesetzt sind, die Feinde, die ihnen
Verderben drohen. Habe Mitleid mit ihnen! Nach der
Menge Deiner Erbarmungen eile ihnen zu Hülfe.

O heiligstes Herz meines Herrn, Du Inbegriff aller Tu-
genden und Vollkommenheiten, tilge an meinen Kindern
Alles, was Dir an ihnen mißfällt; zerstöre in ihnen die
Sünde und vergib ihnen alles Böse, was sie wider Dich
gethan haben. Was immer Dir gefällt, das flöße ihnen
aus Deinem allerheiligsten Herzen ein. Heilige und besitze
sie zu Deinem heiligsten Wohlgefallen und zu Deiner Liebe.
Verleihe ihnen die Gnade, in Deiner Liebe zu beharren.
Wenn sie nur in Deiner Liebe verbleiben, so schalte im
Uebrigen mit ihnen nach Deinem Wohlgefallen; nur ver-
wirf sie nicht von Dir. Zu Dir flehe ich, Dich rufe ich
an als die einzige Hoffnung meines Lebens; laß mich und
meine Kinder Deinen allmächtigen Schutz erfahren. Stehe
[197] uns bei, einem Jeden nach seinem besondern Bedürfnisse,
besonders in der Stunde unsers Todes; dann rufe uns zu
Dir, auf daß unser Herz mit Deinem anbetungswürdigen
Herzen auf ewig in Liebe und Seligkeit vereint sei.
Amen.

C. Gemeinschaftliche Gebete.*)

Morgengebet.

Gott, himmlischer Vater, Du hast uns heut wieder frisch
und gesund erwachen lassen. Du hast uns diesen neuen
Tag geschenkt. Du willst so gern, daß wir, Deine Kinder,
recht fromm und glücklich werden mögen; darum hast Du
uns diesen Tag geschenkt; wir sollen auch heute wieder
recht fromm und gut sein. Du hast uns auch diese Nacht
vor allem Uebel gnädig behütet. O Vater, herzlich danken
wir Dir durch Jesum, unsern lieben Heiland. Amen.

Nun wollen wir auch heute gute Kinder sein; wir wol-
len uns in Acht nehmen und nichts Böses thun; wir
wollen uns hüten vor Ungehorsam gegen unsere Eltern,
vor Naschen und Lügen, vor Zank und Streit mit andern
Kindern; wir wollen gegen unsere Eltern immer folgsam
sein; fleißig lernen und arbeiten, andächtig beten, oft an
Dich, o Gott, denken. Dann sind wir Dir wohlgefällig,
guter Vater; dann freuest Du Dich über uns, lieber Hei-
land. Dann hilfst Du uns, daß wir immer bessere Kinder
werden. Dann kommen wir einst zu Dir in den Himmel.
Wie große Freude werden wir da bei Dir haben! O ja,
wir wollen fromme Kinder sein. Aber, lieber Vater, wir
können es nicht; Du mußt uns helfen. O so hilf uns
[198] denn! Stehe uns bei; dann werden wir unser Versprechen
halten. Amen.

O Jesu, göttlicher Heiland, wie hattest Du einst auf
Erden die Kinder so lieb! Auch jetzt liebest Du gute
Kinder so sehr. Wie warest Du einst als Kind so gut
und fromm, so gehorsam gegen die Eltern, so andächtig
in der Kirche, so fleißig in der Schule und bei der Ar-
beit. O so hilf uns doch, daß wir auch so gute Kinder
seien. O Jesus, ich habe Dich von Herzen lieb! Mache,
daß ich Dich noch mehr liebe. Amen. – Vater unser...

O Maria, Mutter des lieben Heilandes, du bist auch
unsere Mutter; o so bitte doch deinen lieben Sohn für
uns und mache, daß wir gute Kinder werden, wie Jesus
es einst bei dir war. – Gegrüßt seist du...

O hh. Schutzengel, hh. Namenspatrone, ihr heiligen
Kinder und alle Heiligen, bittet für uns! Machet, daß
wir so leben, daß wir einst zu euch kommen. Amen.

O Gott und Vater, wir bitten Dich auch für unsere
lieben Eltern. O gib auch ihnen heute Gnade zu allem
Guten; beschütze sie; schenke ihnen, was gut für sie ist.
Lohne ihnen Alles, was sie an uns thun. Auch für alle
Andern, die wir lieben, bitten wir, und für alle Christen,
ja für alle Menschen. Gib ihnen allen, o Gott, was gut
und heilsam für sie ist; bewahre sie vor allem Uebel.
Amen.

Abendgebet.

O Gott, himmlischer Vater, dieser Tag ist wieder zu
Ende. Du hast uns heut am Leben und gesund erhalten;
Speise und Trank und, was uns heut Freude gemacht
hat, und was wir Gutes empfangen haben, Alles ist Deine
Gabe, gütigster Vater. Du hast uns Gnade gegeben, das
Gute zu thun und das Böse zu meiden. O bester, gütig-
ster Vater, wir sagen Dir herzlich Dank. Der beste Dank
ist, wenn wir recht gut und fromm sind. Das wollen
wir sein. Amen.

Aber ach, sind wir denn auch heut immer gut und
fromm gewesen? (Kleine Pause.)

Ach, wir haben auch heut wieder Fehler und Sünden
[199] begangen! Und haben Dich, liebster Vater, und Dich
göttlicher Heiland, damit beleidigt. O, wie undankbar sind
wir gewesen! Lieber Vater, vergib es uns! Verzeihe,
göttlicher Heiland! Es thut uns herzlich leid. Wir ver-
sprechen es Dir von Neuem: Morgen wollen wir uns
besser in Acht nehmen. Hilf uns doch, daß wir Wort
halten. Amen.

Nun legen wir uns zur Ruhe. Behüte uns, himmli-
scher Vater. Laß Deine lieben Engel an unserm Bette
wachen, daß sie uns vor allem Uebel bewahren. Vater
unser.

O heilige Jungfrau Maria, du Hülfe der Christen, auch
in deinen Schutz und Schirm befehlen wir uns. Verlaß
uns nicht! Empfiehl uns deinem Sohne. Zeige, daß du
unsere Mutter bist. Ave Maria.

Wir bitten Dich auch, Gott, himmlischer Vater, für
Alle, welche wir lieben, für unsere lieben Eltern, für
unsere Brüder und Schwestern, für unsere Verwandten;
wir bitten Dich für alle Christen, besonders für die, welche
in Noth und Gefahr sind; auch für die armen Seelen im
Fegfeuer und für alle Menschen. Hilf Allen; mache, daß
Alle in den Himmel kommen. Amen.

Beim Weihwassernehmen: Im Namen des Vaters und
des Sohnes und des h. Geistes. Amen. Im Namen
Jesu schlaf ich ein. O Jesus, Maria, Joseph, o laßt
mich euch empfohlen sein. Amen.

Vor dem Essen.

O Gott, die Speisen, die wir nun geniessen, sind Deine
Gaben; wir danken Dir dafür. Segne sie und gib uns
Gnade, daß wir sie genügsam, mäßig und mit dankbarem
Herzen empfangen. Durch Jesum, unsern Herrn. Amen.
Vater unser, Ave Maria.

Nach dem Essen.

Wir danken Dir, o Gott, für Deine Gaben, welche wir
nun gekostet haben; wir danken Dir für alles Gute, was
[200] wir ohne Unterlaß von Dir empfangen. – Durch die Spei-
sen hast Du uns neue Kräfte zu Deinem Dienste gespen-
det; hilf uns denn durch Deine Gnade, daß wir sie treu
dazu verwenden. Durch Jesum, unsern Herrn. Amen.
Vater unser. Ave Maria.

Die Seelen der Abgestorbenen laß durch Deine Barm-
herzigkeit ruhen in Frieden. Amen.

Appendix A Inhalts-Verzeichniß.

[201]
  • I.

    • Einleitung 3
    • Vorwort zur elften Auflage 7
    • Vorwort zur dreizehnten Auflage 8
    • Der erste Kirchengang 9
    • Beruf und Heranbildung der Mutter 19
    • Nothwendige Vorbedingungen 28
    • Gottesfurcht und Frömmigkeit 30
    • Die Liebe 37
    • Die Mitgift 48
    • Die Weide 55
    • Die Einführung in die christliche Wahrheit 61
    • Das Vorgehen gegen die Fehler der Kinder 70
    • Die Huth der h. Scham und Unschuld 83
    • Die Anleitung 95
    • Gottes Wort an die christliche Mutter 108
    • Die Mutter eines Priesters 113
    • Die Mutter in ihrem Gebete 126
    • Die Erzbruderschaft der christlichen Mütter 133
  • II.

    • Gebet am Jahrestage der Verehelichung 143
    • Gebet beim ersten Kirchengange 145
    • Gebet am Morgen 146
    • Gebet am Abend 146
    • Gebete der Mutter bei der h. Messe für sich selbst 147
    • Gebete bei der h. Messe für die Kinder 151
  • Gebete der Mutter. A. Für sich selbst.

    • Um die Gnade eines guten Beispiels 151
    • Um die wahre übernatürliche Liebe 154
    • Um Weisheit 156
    • Um Starkmuth 157
    • Um Sanftmuth 157
    • Zu Jesus dem Kinderfreund 158
    • Zum h. Geiste um Seine 7 Gaben 159
    • Zur h. Jungfrau Maria 160
    • [202] Zum h. Joseph 161
    • Zu den h. Schutzengeln 161
    • Zu den h. Namenspatronen 162
  • B. Gebete für die Kinder.

    • Um Segen und Gedeihen für die Erziehung 162
    • Um Schutz in den Gefahren 163
    • Um Bewahrung vor der Todsünde 163
    • Um den Geist der Gottesfurcht und Frömmigkeit 164
    • Um Gnade zur Erfüllung der Standespflichten 165
    • Um die Gnade der Keuschheit 165
    • Um die Gnade wahrer Nächstenliebe 166
    • Um Wahrhaftigkeit 167
    • In den Schuljahren 167
    • Wenn das Kind zur h. Beicht geht 167
    • Während der Vorbereitung zur h. Communion 168
    • Daß Gott ihre Verhältnisse zum Besten lenke 169
    • Bei hartnäckigen Fehlern 170
    • Um die 7 Gaben des h. Geistes 171
    • Kreuzwegandacht 172
    • Der Rosenkranz 179
    • Bei der h. Beichte 181
    • Bei der h. Communion 184
    • Nach der h. Communion 184
    • Gebet für den Ehemann 185
    • Um standesmäßige Keuschheit 186
    • Gebet im gesegneten Stande 188
    • Um die Gnade des Priesterberufs 188
    • Für einen Sohn, der Priesterberuf hat 189
    • Litanei der christlichen Mutter 190
    • Gebet zum h. Herzen Jesu 190
  • C. Gemeinschaftliche Gebete.

    • Morgengebet 197
    • Abendgebet 198
    • Vor dem Essen 199
    • Nach dem Essen 199
[ad][interleaf][interleaf][interleaf][binding_verso]
Notes
*)

Nunmehr in 14 Auflagen und in 35,000 Exem-
plaren verbreitet.

*)

Freilich, auch dazu bedarf der Mensch der Gnade.

*)

So ist es auch schon aus diesem Gesichtspunkte höchst
bedauernswert, wenn Kinder durch den Tod früh ihren
Vater oder ihre Mutter verlieren! Wie sehr steht zu fürch-
ten, daß ihre Erziehung eine einseitige und mangelhafte
sein werde! Freilich hier und in solchem Falle darf
gehofft werden, daß Gott, der Vater der Wittwen und
Waisen, vielfach ersetzend eintreten werde.

*)

Einer aus ihnen ging nach dem Tode seiner ihm
so hochtheuern Frau und, so lange ihre Leiche nicht zu
Grabe bestattet war, jeden Morgen zur h. Communion,
um dort sich Trost und Kraft zu schöpfen in seinem großen
Leide.

*)

Da wir hier den Vater im Auge haben, wie sehr
behelligt derselbe durch ein solches ungeordnetes Wirths-
hausleben auch den Segen des Sonntags für die Seinigen,
für die Kinder! Unmöglich kann denselben der Sonntag
auf die Dauer recht heilig erscheinen und geweiht sein,
wenn die Erfahrung ihnen denselben mehr und mehr als
einen Tag herausstellt, an dem der Vater großen- oder
größtentheils im Wirthshaus sich findet, an dem der Va-
ter am Wenigsten zu Hause zu finden ist, an dem der
Vater des Mittags und Abends in einer gewissen Aufre-
gung geistiger Getränke, gar im angetrunkenen oder betrun-
kenen zustande heimkehrt, an dem der Vater erst so spät
am Abende, erst in der Nacht zurückkommt. Das greift
dann unmittelbar und als böses Beispiel nachtheilig in
ihr kindliches Herz ein; aber es behindert und störet auch
die volle Erbauung, die innige Erquicklichkeit und den
rechten Segen des Sonntags für sie. – Wie sehr könnte
und sollte z. B. grad am Sonntage die Mittags- und
Abendtafel zu einer erquicklichen Scene des christlichen
Familienlebens und zu einem Sammelplatze christlicher
Sonntagsfreude sich gestalten, wenn Vater und Mutter
und Kinder, nun den Arbeiten und Armseligkeiten des
Alltagslebens enthoben, geweihet durch die Eindrücke der
kirchlichen Feier und der Andacht und durch die Ruhe und
das Außergewöhnliche des Tages gehoben bei einem -
diesmal bessern – gemeinschaftlichen Mahle sich zusam-
menfindend in trauter Unterhaltung und in gegenseitigem
Austausche ihrer Gedanken und Gefühle sich ersprächen?
Und wie wohlthuend und heilsam würde das sein! Nun
aber ist leicht grad die Sonntagstafel am meisten gestört,
am wenigsten erquicklich, da der Vater so lange im Wirths-
haus verharret oder die Spuren einer gewissen Unmäßig-
keit an sich finden lässet. Nun sind die Abende der Sonn-
tage die langweiligsten und unangenehmsten, da der Vater
fehlt, da der Vater erst so spät heimkehrt und die Mutter
in dem Leid darüber auch nicht recht froh sein kann. In
der That – traurig!

*)

Es versteht sich so fast von selbst, daß in einem
Hause, in welchem eine würdige Sonntagsfeier zur Regel
geworden ist, auch die Feste der h. Kirche ihre gebührende
Begehung finden. Welche reiche Nahrung und welche
Förderung des guten katholischen Sinnes und Lebens liegt
aber in einem solchen Anschlusse an die h. Kirche in der
Art, wie sie ihr Kirchenjahr begeht und ihre Feste feiert!
Zugleich, welche kostbare Mitgift für die Kinder, wenn sie
in solchem Hause dann von zartester Jugend an in das
Jahr der h. Kirche und in die Feier ihrer Feste thatsächlich
eingeführt werden!

*)

Auch hier muß gesagt werden, daß ein gebührender
Eifer im Empfange der h. Communion für einen Vater
um so mehr als Pflicht erscheint wegen der Obliegenheit,
den Kindern in diesem wichtigen Punkte ein gutes Beispiel
zu geben. Werden die Kinder öfter zur h. Communion
gehen, wenn der Vater darin so lässig ist?

*)

Dennoch können wir nicht umhin, den Vätern auch
die Lesung unsers Werkchens ‘„die christliche Mutter“’
(14. Auflage) bestens zu empfehlen. Im Wesentlichen hat
das dort Gesagte auch für den christlichen Vater Geltung.
Auch bei ihm muß, soll das Werk der Erziehung wohl
gelingen, jene natürliche Liebe zu den Kinden durch den
Glauben und durch die Gnade geweihet und verklärt
sein (Seite 35); auch bei ihm kann man von jener ‘„Mit-
gift
“’
(S. 45) sprechen, dahin, daß auch des Vaters Wesen
und Eigenschaften als ein Segen oder Unsegen auf die
Kinder übergehen; auch er hat sein Theil dazu beizutragen,
daß im Hause jene ‘„Weihe“’ (S. 53) herrsche, welche
den guten Erfolg der Erziehung so wesentlich bedingt; und
handelt es sich bei der Mutter um ‘„die Einführung
der Kinder in die christliche Wahrheit“’
(S. 57), so
ist das ohne Zweifel eine gemeinschaftliche Aufgabe der
Mutter und des Vaters. Aehnliches gilt von dem ‘„Vor-
gehen gegen die Fehler der Kinder
“’
(S. 65), von
der ‘„Huth der h. Scham und Unschuld“’ (S. 78), von der
‘„Anleitung“’ (S. 88), endlich vom ‘„Gebete der Mut-
ter
“’
(S. 116.) – Indem wir in diesem unserm Werkchen
von den noch übrigen Punkten in Betreff der guten christ-
lichen Erziehung die wesentlichsten hervorheben, so bilden
beide Werkchen ‘„der christliche Vater“’ und ‘„die christliche
Mutter“’
in gewissem Betrachte ein Ganzes. Recht sehr
möchten wir daher um der guten Sache willen wünschen,
daß die Väter auch das letztere, und die Mütter auch das
erstere Werkchen lesen möchten.

*)

Seminar heißt Pflanzstätte.

*)

‘„Sechs Tage sollst du arbeiten,“’ spricht der Herr,
‘„und alle deine Geschäfte thun; am siebenten Tage sollst
du keine Arbeit thun, weder du, noch dein Sohn,
noch deine Tochter u. s. w.“’

**)

Auch wird an Fasttagen, wo es die kirchliche Vor-
schrift also mit sich bringt, nur einmal Fleisch gegessen.

*)

Wir sagen, ‘„möglichst treu;“’ wir wissen nur zu
gut, daß Ausnahmen von der Regel zuweilen durch die
Noth geboten sind; aber wir wissen auch, daß es wohl
möglich ist, die Ausnahmen auf ein geringes Maaß be-
schränkt zu halten, so daß doch durchweg die Regel bleibe.

*)

Bei dieser Gelegenheit möchten wir aufmerksam
machen auf einen Punkt, der nach unseren im seelsorg-
lichen Berufe in leider nicht so seltenen Fällen für junge
Leute, insbesondere für Knaben der Grund zu gar großen
Uebeln und Sünden wird; es ist, daß dieselben in der
Lage sind, über Geldmittel verfügen zu können in einer
Art, welche für sie höchst gefährlich und nachtheilig ist, sei
es, daß die Väter (oder die Mütter) in unzeitiger Güte
oder Willfährigkeit ihnen im Uebermaße Geld zukommen
lassen, oder, daß es jenen, da die Eltern das Geld nicht
in genugsam gesichertem Verwahr beschlossen halten, mög-
lich ist, vielleicht sogar ohne Mühe sich solches diebisch zu
verschaffen. Fast immer haben wir die traurige Erfahrung
gemacht, daß das die Veranlassung und der unselige Weg
für junge Leute geworden, um nach und nach in der trau-
rigsten Weise zu entarten um nach und nach zum Trunke,
zur Ausschweifung, selbst zu Unredlichkeit und Diebstahl
zu kommen; das Herz mußte Einem bluten, wenn man
Solches wahrnahm, und mit dem größten Nachdruck ver-
lautbarte sich der Wunsch: O könnte man es doch dem
betreffenden Vater, der Mutter gebührend an's Herz legen,
daß sie ihren Kindern, sowohl denen, die sie bei sich haben,
als auch insbesondere denen, welche in der Fremde weilen,
doch das Geld, wo möglich, ganz vorenthalten, oder sonst
es ihnen, so viel es thunlich, nach dem strengsten Bedürf-
nisse zumessen; daß sie doch die nöthige Vorsicht anwen-
den, damit ihren Kindern der Zugang zu ihren Kassen
und Taschen nicht möglich sei. Gelegenheit macht Diebe.

*)

Warum sonst die traurige Erscheinung, daß die Kin-
der der höhern Klassen so fast ausschließlich auch in die
in diesen höhern Regionen begriffenen Stände eingeführt
werden, obwohl ihnen Alles, was dazu erforderlich ist,
Lust und Liebe, Gabe und Fähigkeit u. s. w. völlig oder
doch nur gar zu sehr abgeht? Daher auch so viele un-
nütze Subjekte in diesen Ständen, sich und Andern zur
Last und der menschlichen Gesellschaft zum Schaden. Warum
denn nicht, wenn Lust und Gabe und Mittel für solche
höhern Stände abgehen, den Sohn anregen und anleiten,
irgend ein anständiges Geschäft oder Handwerk zu lernen?
Wie viel zufriedener und glücklicher würde derselbe darin
auf die Dauer sein! Und ist es denn Unehre für einen
Menschen, ein Geschäftsmann, ein Handwerker zu sein?
Giebt es nicht in der Klasse derselben gar Viele, welche
unendlich achtenswürdiger sind, als manche Beamtete und
Gelehrte?

*)

Interessant ist, daß unser Ehrenmann ein eben so
tüchtiger Ackerwirth, als brav und fromm war und da-
durch jenen Einwand zu Schanden machte, den Manche
so gern geltend machen, als ob sich mit wahrer Fröm-
migkeit Tüchtigkeit und Eifer für's Geschäft weniger ver-
trage. So sehr er nämlich in Beziehung auf Mode und
manche sonstige Dinge ein Freund des Alten war, so hul-
digte er dennoch in der Ackerwirthschaft so sehr dem Fort-
schritte, daß er nichts unversucht ließ, was der ökonomische
Verein, dessen Mitglied er war, und ein in der Nachbar-
schaft wohnender, einsichtiger Oekonom empfahl und jede
Woche einmal den Vorlesungen des Letztern beiwohnte.
Ueber Manches, was er auf solche Art versuchte und ein-
führte, schüttelte Mancher den Kopf, um es bald ihm nach-
zumachen.

Hören wir schließlich noch etwas über sein Ende. Als
er sein Testament gemacht hatte und seine Hand ihm den
Dienst zur Unterschrift versagte, sprach er: ‘„Kinder, es ist
vorbei; noch einige Tage, und ihr tragt mich hinaus;
betet für meine arme Seele.“’
Dann machte er das heil.
Kreuzzeichen und ließ jedes seiner Kinder vor sich kommen,
ihnen ein heilsames Wort zu sagen. Zu seinem Sohne,
der sich zum geistlichen Stande vorbereitete (Schreiber des
Obigen), sprach er unter Anderm: ‘„Sohn, strebe deinem
frei gewählten Berufe nach; ehre deine Mutter und rathe
deinen Schwestern.“’
– Am Beerdigungsmorgen sprach der
Pfarrer in seiner Leichenrede: ‘„Wir stehen am Grabe eines
Ehrenmannes, den ich selbst als einen Vater geliebt habe;
treu haltend an guter alter Sitte gewann er durch das
Beispiel der Tugend, der Genügsamkeit und Mäßigkeit, der
Gerechtigkeit und Reinigkeit rings Ansehen und Ehre. Ich
möchte wünschen, so sicher, wie er, die ewige Krone er-
warten zu dürfen. Keiner steht hier am Grabe, der den
Verstorbenen nicht geachtet hätte; die Meisten sind ihm zu
großem Danke verpflichtet.“’

*)

Väter, wie es deren vor etlichen Jahrzehnten einen
in Belgien gab, haben wir ja unter unsern Lesern nicht
vorauszusetzen. Derselbe hatte einen Sohn und mit ihm
viel Verdruß. Der Bube that zu Haus kein Gut, und
außer dem Hause in allerhand Erziehungsanstalten auch
nicht; er wurde nach kurzer Zeit überall davongejagt. So
kam er denn eines schönen Tages wieder als Entlassener
zum Vater zurück. Der Vater schlägt die Hände zusam-
men und jammert und gebärdet sich gegen den wilden
Buben, als wollte er ihm sein letztes Stündlein ankünden.
Was soll er jetzt mit ihm anfangen? Er klagt seine Va-
ternoth nach rechts und nach links, bis ihm endlich Je-
mand den Rath gibt, er soll es versuchen, den Wildfang
in die Erziehungsanstalt da und da hinzugeben, es seien dort
Jesuiten, und man höre viel Gutes von dieser Erziehung.
In der verzweifelten Lage nimmt er den Rath an, obwohl
er kein Freund der Jesuiten war. Er führt also den Jun-
gen zum geistlichen Vorstande der Anstalt, klagt ihm sei-
nen Kummer, erzählt ihm die Bubenstreiche des Söhnleins,
und er bitte also, er möge es doch in die Anstalt aufneh-
men, er habe von derselben so viel Rühmliches gehört,
daß er vertraue, man werde auch seinen Sohn noch zu-
rechtbringen. Weil das Kind noch nicht zu alt war, meinte
der Vorstand, man solle die Hoffnung nicht aufgeben, in-
dessen möge der Vater nur recht einträchtig mit den Vor-
gesetzten vorwärtsgehen, und soll inzwischen für das arme
Kind recht fleißig beten. Kaum war das Wort: ‘„Beten“’
über die Lippen des Rectors, als sich über das Angesicht
des Vaters ein Zug ausbreitete, als hätte er bittere Man-
deln zwischen den Zähnen. So öffnet er den Mund und
spricht: ‘„Ich muß Ihnen schon sagen, Herr Rector, daß
ich dringend wünsche, und es zur Bedingung mache, daß
Sie meinen Sohn mit allen religiösen Sachen verschonen.
Es ist mein Entschluß, ihm in dieser Beziehung keine Rich-
tung zu geben; ist er alt genug, mag er sich nach eigener
Ueberzeugung selbst den rechten Weg einschlagen.“’
Jetzt
war es an dem Herrn Rector, sein Gesicht bis zum Aus-
druck der Verwunderung aufzuspannen und zu sagen: ‘„Mein
Herr! da bitte ich, ihren Sohn nur wieder mit sich nach
Haus zu nehmen; unter dieser Bedingung erklären wir
uns für unfähig, an Ihrem Sohne was Gutes zu erzie-
hen; denn offen gesprochen, wenn wir, wie Sie sagen,
einige glückliche Erfolge in der Anstalt erzielt haben, ist
es nur gelungen, weil wir uns bemühten, unsern Zög-
lingen wahres Christenthum ins Herz zu pflanzen.“’

*)
Nichts schien uns im Wege zu stehen, im Folgen-
den die von uns für die christliche Mutter verfaßten Ge-
bete zu benutzen, so viel dieselben dem väterlichen Berufe
entsprechen und nachdem die nöthigen Aenderungen ge-
macht waren.
**)
Wahrhaft christliche Eheleute gehen gern am Jah-
restage ihrer Verehelichung, oder am Sonntage vor oder
nach demselben wo möglich gemeinschaftlich zu den hh. Sa-
kramenten, um so die entsprechenden Uebungen desto besser
anstellen zu können und die Gnade des h. Sakramentes
der Ehe zu erneuern. Welche schöne Sitte! – Könnte
man nicht wenigstens an diesem Tage in solcher Mei-
nung einer h. Messe beiwohnen? Wie sehr thut den Ehe-
leuten bei den wichtigen Obliegenheiten, in den Beschwer-
den und Gefahren ihres Standes der Segen und die
Gnade des Herrn Noth, damit sie im Ehestand nicht zu
Grunde gehen, sondern ihr Heil wirken! Daher eben das
h. Sakrament der Ehe; daher die jährliche Erneuerung
der Gnade desselben so empfehlenswerth.
*)
Unterlaß es nicht, christlicher Vater, am Abende,
wenn auch nur in Kürze dein Gewissen zu erforschen, be-
sonders, ob du deine Pflichten als Vater heut treu erfüllt
hast. (War dein Beispiel musterhaft? Hast du nichts für
die Kinder Anstößiges gesagt, gethan? Hast du nach Pflicht
ein Auge auf sie gehabt? Sie nicht zu sehr ohne Auf-
sicht gehen lassen? Sie gebührend zum Guten (zur Kirche,
zur Schule) angehalten? Warst du darauf bedacht, auch
selbst sie heilsam zu belehren, sie an Gott und Höheres
zu erinnern? Hast du auf ihre Fehler sie aufmerksam
gemacht, sie nach Pflicht gemahnt, gewarnt, gestraft? Hast
du dich dabei von Zorn und Verdruß hinnehmen lassen,
in Aufregung und Uebermaß gestraft? Hast du sie an-
geleitet und angehalten zum Beten, zum Gehorsam, zur
Wahrhaftigkeit, zur Vertragsamkeit, zur Arbeit, zur Rein-
lichkeit und Ordnung? Betest du nach Pflicht für sie?...)
– Bereue, wenn du gefehlt; thue Abbitte vor Gott; ent-
schließe dich und versprich's dem Herrn, morgen treuer zu
sein.
*)
Je wichtiger oft die Anliegen eines Vaters sind, je
größere Gnaden er für sich, zur Erfüllung seiner Vater-
pflichten, oder für seine Kinder bedarf, desto mehr sollte
es sich ihm nahe legen, oft, immer von Neuem zum h. Meß-
opfer seine Zuflucht zu nehmen. Da steht er, mag er für
sich und seine Kinder nun für empfangene Gnaden und
Wohlthaten zu danken oder um neue zu flehen haben, nicht
allein vor dem Herrn, wegen seiner Armseligkeit und
Unwürdigkeit nur zu sehr in Gefahr, nicht in Gnaden an-
gesehen zu werden; da tritt, wenn er mit Glauben und
Vertrauen nahet, Jesus für ihn ein und zwar durch Sein
h. Opfer, um es als Dank- und Bittopfer für ihn und
seine Kinder dem Vater zu weihen, wie er denn selbst Sein
heil. Opfer nehmen und es dem Himmel darbieten mag.
O welcher Segen für Väter und Kinder! – Möchten das
alle Väter recht würdigen! – Wie schön, wenn der Vater
zuweilen, recht oft, einer b. Messe beiwohnte, in der Mei-
nung, dadurch die Gnaden für sich zu erlangen, welche er
für die gute Erziehung seiner Kinder nothwendig hat; oder
ein anderes Mal in der Meinung, daß Gott Alles, was
er und mit ihm die Mutter, die Geistlichen, die Lehrer und
Lehrerinnen an den Kindern thun, segnen und wirksam
machen wolle; oder wieder ein anderes Mal, um die Kin-
der in die Gnade des Herrn, in Seinen Schutz, in Seine
Hülfe zu empfehlen; oder auch, um für dieses oder jenes
Kind, welches wegen eines Fehlers, den es an sich hat,
wegen einer wichtigen Handlung (es kommt in die Schule,
es geht zur h. Beicht, es bereitet sich zu seiner ersten heil.
Communion, es hat das elterliche Haus zu verlassen u. s. w.)
oder sonst einer besondern Gnade bedarf, dieselbe vom Herrn
zu erstehen. Gewiß, das würde dem Herrn hoch genehm
sein, das würde Seinen liebevollen Absichten so ganz ent-
sprechen und es würde den Strom der Gnaden, der dem
h. Opfer entquillt, in die Familien hinüberleiten zum Heile
für Eltern und Kinder. Oder wird wohl leicht Einer
beim heil. Opfer dem Herrn, dem großen Kinderfreunde,
mehr genehm sein, als ein christlicher Vater, eine christliche
Mutter, welche um ihrer Kinder willen gegenwärtig sind?
Darum folgt hier eine Reihe von Gebeten, in welchen die
wesentlichsten Gebetsanliegen eines Vaters ihren Ausdruck
finden. Selbstredend können dieselben zu jeder Zeit und
auch bei andern Gelegenheiten, aber wohl kaum irgendwo
besser, als bei der h. Messe verwendet werden, sei es, daß
man sie im Anfange der heil. Messe, beim Offertorium,
oder beim Canon und nach der heil. Wandlung zwischen
seine sonstigen Meßgebete einfüge.
*)

In der Zwischenzeit, besonders zum Canon und
nach der Wandlung können die Gebete unten S. 182 u.
s. w. genommen werden.

*)

Auch hier zwischenein die Gebete unten Seite 189
bis 194.

*)
‘„Salomon aber“’, so erzählt die heilige Schrift (3.
B. d. Kön. 3.), ‘„liebte den Herrn; und der Herr erschien
ihm zur Nachtzeit im Schlafe und sprach: Begehre, was
du willst, daß ich dir geben möge. Und Salomon sprach:
Du hast mich, mein Herr und Gott, zum Könige gemacht
anstatt meines Vaters David; ich aber bin noch jung und
unerfahren; so gib denn Deinem Diener ein gelehriges
Herz, daß er Dein Volk zu regieren und zu unterscheiden
wisse zwischen Gut und Bös; denn wer vermöchte ohne
dieses das Volk zu regieren, dieses große Volk?! Und der
Herr sprach zu Salomon: Weil du solches begehrt hast,
und hast um Weisheit gebeten, so hab' ich dir gethan nach
deinem Worte und dir ein weises und verständiges Herz
gegeben.“’
Welche Aufforderung für den christlichen Va-
ter zu ähnlicher Bitte. Wird der Herr nicht auch ihn er-
hören?
*)

Je mehr ein Vater zum Zorn geneigt ist, je leich-
ter er sich dazu hinreißen läßt, desto mehr muß er es an
jedem Morgen sich ernstlich vornehmen, auf seiner Hut
zu sein und zu kämpfen, desto inständiger muß er zum
Herrn um Beistand flehen, besonders Morgens und auch
sonst; um so den Zorn, dieses große Uebel bei einem Va-
ter, beherrschen zu lernen.

**)
‘„Einmal“’ so erzählt das h. Evangelium, ‘„wur-
den“’
(von den Müttern) ‘„Kinder zu Jesus gebracht, daß
Er ihnen die Hände auflege und für sie bete. Die Jün-
ger aber“’
(welche ihrem ohnehin belästigten Meister diese
neue Mühe ersparen wollten) ‘„wiesen sie mit rauhen Wor-
ten ab. Da Jesus das bemerkte, legte Er ihnen seine
Mißbilligung an den Tag und sprach: ‘„‘„Lasset die Kleinen
zu Mir kommen und wehret es ihnen nicht; denn für
Solche ist das Himmelreich.“’
“’
Und er schloß sie in Seine
Arme, legte ihnen Seine Hände auf und segnete sie.“’

Konnte Er auf eine rührendere Art Seine Liebe zu den
Kindern an den Tag legen? Aehnliche Züge Seiner Liebe
zu den Kindern erzählt das Evangelium auch au andern
Stellen. Und haben wir nicht Grund, anzunehmen, daß
Jesus die christlichen Kinder, welche nicht mehr wie die
jüdischen in der Erbsünde haften, welche als christliche
Kinder so innig mit Ihm verbunden sind, noch so viel mehr
liebe? Also, christlicher Vater. Ihm dem großen Freunde
deiner Kinder schließe dich innig an!
*)
Möchten doch alle Eltern nebst der heil. Jungfrau
auch den h. Joseph als Patron der christlichen Familien
innig verehren!
*)
Nach der Lehre unserer h. Kirche ist die Ueberzeu-
gung, daß den Kindern die h. Schutzengel zu Seite stehen,
wohlbegründet. Muß sie nicht dem christlichen Vater eine
ganz besondere Verehrung gegen diese Schutzengel seiner
Kinder einstoßen? Liegt es nicht nahe, dieselben gewisser-
maßen als Freunde des Hauses zu halten und zu verehren,
und demnach in allen Anliegen, welche die Kinder betref-
fen, zu ihnen insbesondere seine Zuflucht zu nehmen?
**)
Auch sie sollten billig von dem Vater besonders
verehrt und angerufen werden; sind sie ja bei der heil.
Taufe von der h. Kirche und vom Herrn gleichsam dazu
angewiesen, wie die Vorbilder, so auch die besondern Für-
sprecher der Kinder zu sein. Daher auch die Vorschrift,
dem Kinde eben den Namen eines (oder einer) Heiligen
beizulegen.
*)
Es geschieht zuweilen, am Ende nicht selten, daß sich
bei den Kindern, besonders bei den Erwachsenen, gewisse
Fehler herausstellen, welche zu beseitigen den Eltern bei
aller Sorgfalt und Mühe nicht gelingt. Vielleicht ist,
wenn es sich um erwachsene Söhne oder Töchter handelt,
der Vater, die Mutter selbst nicht ohne Schuld; weil sie
früh, wo es Zeit war, gegen die Fehler ihrer Kinder nicht
eingetreten sind, so sind dieselben größer und hartnäckiger
geworden. Was denn nun? Sollen sie die Waffen strecken?
Die Sache aufgeben? Das sei fern! Muß ihnen denn
nicht Alles daran liegen, daß ihre Kinder von ihren Feh-
lern, worin die Gefahr ihres Verderbens liegt, loskom-
men? Und dazu bleibt, wenn auch Alles fehlschlägt,
dennoch ein Mittel, das inständige, beharrliche flehentliche
Gebet für solche Kinder. O, wenn alle Väter und Müt-
ter, der h. Monika ähnlich, das Mittel gebührend verwen-
deten! Wie manches Kind, das nun in seinen Fehlern
heranwächst, wie manche Söhne und Töchter, die nun
dem Verderben entgegeneilen, würden durch das Gebet
der Eltern die Gnade erhalten, von ihren Fehlern und
Verirrungen loszukommen zu ihrem Heile, zur unaus-
sprechlichen Freude des Vaters, der Mutter!
*)

Oder nach Umständen nehme man für ‘„von ihren
bösen Neigungen“’
: ‘„von ihrer Neigung zum Lügen“’,
‘„zum Naschen“’‘„von ihrem Eigensinn und Unge-
horsam“’
‘„von ihrer Trägheit und Nachlässigkeit im
Lernen“’
‘„von ihrer Ausgelassenheit“’‘„von ihrer
Unvertragsamkeit“’
‘„von ihrem Leichtsinn“’‘„von dem
Geiste der Unlauterkeit“’
‘„von ihrem Hange nach sinn-
lichen Vergnügen“’
‘„von ihrer Gleichgültigkeit gegen
Gott und Religion u. s. w.“’

**)

Oder nach Umständen statt ‘„den Geist der Gottes-
furcht und Frömmigkeit“’
: ‘„die Gnade des Glaubens“’
‘„die Gnade der göttlichen Liebe“’‘„die Gnade des Eifers
zu Gebet und Gottesdienst“’
‘„die Gnade der Demuth
und Bescheidenheit“’
‘„die Gnade der Mäßigkeit“’ -
‘„die Gnade einer wahren Nächstenliebe“’‘„die Gnade
der Barmherzigkeit gegen die Armen.“’

***)

Das will sagen: Der meine Kinder zur treuen Er-
füllung ihrer Pflichten gegen die Eltern erwecken und be-
gnadigen wolle, damit der Segen des vierten Gebotes ihnen
zu Theile werde. Diese Pflichten sind ja für die Kin-
der
die allerwichtigsten, in ihrer Erfüllung ist für sie
alles Gute begriffen; so vollkommen sie diese Pflichten
der Hochachtung, der Liebe und des Gehorsams gegen die
Eltern erfüllen, so gut sind sie jetzt vor Gott, so begrün-
det
ist die Hoffnung, daß sie auch in ihren übrigen und
in den spätern Lebensbeziehungen gut sein werden, so viel

wird der Segen wahrer christlicher Tugendhaftigkeit über-
haupt über sie kommen. Was könnten also die Eltern
Kostbareres für ihre Kinder erstehen, als die Gnade, das
vierte Gebot treu und vollkommen zu erfüllen? Ohne
die Gnade Gottes können ja die Kinder es nicht erfüllen.

*)

Zur Abwechselung oder bei besondern Anlässen,
z. B. wenn die Kinder zur h. Beicht gehen sollen: ‘„Der
meinem Sohne (meiner Tochter) die Gnade der Buße (einer
wahren Reue) und einer würdigen Beichte verleihen wolle.“’

– Zur Zeit des Communion-Unterrichtes: ‘„Der m. S.
(m. T.) zur heilsamen Erlernung der h. Religion erwecken
und erleuchten wolle;“’
‘„der m. S. (m. T.) die Gnade
einer würdigen Vorbereitung zur ersten h. Communion
verleihen wolle.“’
– In den Tagen vor der ersten h. Com-
munion: ‘„Der das Herz meines Sohnes (meiner Tochter)
durch Seine Gnade zu einer würdigen Wohnung für Sich
zubereiten wolle.“’
– Bei Entlassung eines Sohnes (einer
Tochter) aus dem elterlichen Hause (in die Fremde u. s. w.):
‘„Der m. S. (m. T.) in der Obhut Seines Schutzes und
Seiner Gnade unverletzt erhalten wolle.“’
– In Betreff
der Standeswahl: ‘„Der m. S. (m. T.) durch das Licht
und den Beistand Seiner Gnade zu seinem (ihrem) wah-
ren Berufe verhelfen wolle,“’
u. s. w.

*)
Mit Recht findet dieses Gebet Platz unter den Gebe-
ten eines christlichen Vaters. Denn kommt es, damit die
Erziehung wohl gelinge, vor Allem darauf an, daß die
Eltern echt christliche Frömmigkeit üben, weil nur dann
das so notwendige gute Beispiel und der Segen der gött-
lichen Gnade – beide ganz unentbehrlich – stattfindet,
so ist es ja eben ein keusches Herz und Leben, worin allein
solche Frömmigkeit gedeihet. Daher Gottes h. Wille, daß
auch Eheleute in ihrem Stande züchtig und ehrbar leben.
Es finde hier das ernste Wort des h. Engels Raphael
an den jüngern Tobias Platz (Buch Tobias 6, 17 ff.):
‘„Welche so in den Ehestand treten,“’ und so darin leben,
‘„daß sie Gott von sich und von ihrem Herzen ausschlie-
ßen, und ihrer Wollust also Pflegen, wie Roß und Maul-
esel, die keinen Verstand haben, über die hat der Teufel
Gewalt“’
(das bezieht sich auf die sieben Männer der Sara,
welche sämmtlich in der Nacht nach der Verehelichung plötz-
lich starben); ‘„ich habe gehört,“’ sagte Tobias (6, 14), ‘„daß
ein böser Geist sie getödtet hat“’
(und der Engel bestätigt
das). ‘„Du aber,“’ fährt der Engel fort, ‘„nimm die Jung-
frau (Sara) zu dir in der Furcht des Herrn, mehr aus
Liebe zu den Kindern, als aus Lust.“’
Und also sprach
Tobias zu seiner Gemahlin Sara: ‘„Wir sind Kinder der
Heiligen und dürfen nicht so zusammenkommen, wie die
Heiden, welche Gott nicht kennen.“’
Sollen aber christliche
Eheleute so zusammenkommen, wie es ‘„Kindern der Heili-
gen“’
d. i. Christen geziemt, sollen sie in standesmäßiger
Keuschheit leben, so bedürfen sie einer besondern Gnade.
‘„Und da ich wußte,“’ heißt es im Buche der Weisheit
(8, 21) ‘„daß ich nicht enthaltsam (keusch) sein könnte, wenn
der Herr es nicht verleihet, so trat ich zum Herrn und
flehete“’
(um diese Gnade), ‘„mit der ganzen Inbrunst mei-
nes Herzens.“’
Daher obiges Gebet. Möge es oft ‘„mit
der ganzen Inbrunst des Herzens“’
verrichtet werden.
*)

Vor nicht langer Zeit traf ich auf einem Spazier-
gange mit einem wackern Knaben zusammen; ich ließ
mich mit ihm in ein Gespräch ein und vernahm, daß
er schon 6 Jahre alt sei, ich fragte ihn, ob ihm die
Mutter schon vom lieben Gott und dem Himmel,
vom göttlichen Heilande erzählt habe? Der Knabe
wußte davon noch nichts. ‘„Ob er das Vater unser,
Ave Maria schon beten könne?“’
– Nein! – ‘„Ob
er sich segnen (das Kreuzzeichen machen) könne?“’
-
Nein. ‘„Armer Knabe“’, dachte ich, ‘„schon 6 Jahre
alt, und verstehst von all diesem noch nichts. Was
für Eltern müssen das sein! Was für eine Mutter!“’

– Ich schärfte dem Knaben ein, er möge seiner
Mutter sagen, ein Geistlicher habe ihm gesagt, er solle
sie bitten, daß sie ihm das Kreuzzeichen, das h. Vater
unser und Ave lehre. Später hab' ich, da ich mir
den Namen hatte sagen lassen, den betreffenden Pfarr-
geistlichen aufmerksam gemacht.

*)

Man hat Beispiele, daß, wenn Mütter in dieser
Zeit z. B. sich eines Diebstahls schuldig machten, das
Kind zur Zeit einen unwiderstehlichen Hang zum
Stehlen zeigte. – Bei einem jungen Manne trat ein
Hang zu frommen Uebungen und ein Zug inniger
Frömmigkeit in sehr auffälliger Weise zu Tage, wäh-
rend seine Angehörigen sämmtlich eine große Gleich-
gültigkeit gegen Gott und Religion bewiesen; er wurde
später Ordensmann. Erst hintennach erfuhr man, daß
die Mutter desselben in der Zeit vor seiner Geburt
sich mit dem Gedanken getragen, sie werde bald ster-
ben und sich daher durch einen großen Eifer in re-
ligiösen Uebungen zum Tode vorzubereiten suchte (wie
sie denn auch wirklich starb); und das Räthsel war
gelöset.

*)

Um jeglichem Mißverständnisse vorzubeugen, fügen wir
folgende Bemerkung bei: Wenn wir in dem hier
Gesagten den von den Eltern ererbten natürlichen
Anlagen oder Dispositionen zu gewissen Tugenden
oder Fehlern so große Bedeutung beilegen, so sind
wir selbstredend weit entfernt, dadurch jener verwerf-
lichen Ansicht der Ungläubigen (der Materialisten),
welche von einer unsterblichen Seele, von Gott und
Gnade nichts wissen wollen, auch nur im Mindesten
das Wort reden zu wollen, als ob eben die Tugenden
und Laster nichts seien, als das Zutagetreten gewisser
natürlichen, im tiefsten Grunde in der Beschaffenheit
des Körpers wurzelnden Dispositionen. Wie schon
angedeutet worden, so liegt der eigentliche tiefe Grund
der Tugenden und Fehler in der unsterblichen Seele
und in ihrem Verhältniß zur göttlichen Gnade. Den-
noch hat die – mehrfach vielleicht von den Eltern
ererbte – Beschaffenheit der natürlichen Seite des
Menschen, auch selbst seines Leibes auf die Seele bei
der Uebung des Guten oder des Bösen oft einen be-
deutenden, hindernden oder fördernden Einfluß, so
daß vermöge der natürlichen, ererbten Anlagen zum
Guten oder zum Bösen das Gute oder das Böse im
Allgemeinen so viel leichter und eher geschieht, so viel
sicherer erwartet oder gefürchtet werden darf. Wer
sieht also nicht, welch große Bedeutung diese ererbten
Anlagen haben, obwohl es im tiefsten Grunde stets
der von der Gnade unterstützte Wille ist, der in Be-
nutzung der Gnade das Gute, in Nichtbenutzung der-
selben das Böse thut. Und wie der Mensch auch bei
den günstigsten natürlichen Anlagen ohne die Gnade
dennoch nichts wahrhaft Gutes vermag, so kann er
mit der Gnade auch die ungünstigsten, schlimmsten
natürlichen Neigungen überwinden.

Darum wird auch Niemand seine Sünden einst vor
Gott mit der Heftigkeit und Macht seiner angebornen
bösen Neigungen entschuldigen können; Gott war be-
reit, ihm mit Seiner Gnade beizustehen, um sie zu
überwinden; er durfte nur um diesen Gnadenbeistand
sich gebührend bewerben. Immer ist es schließlich und
im tiefsten Grunde des Menschen eigene Schuld, wenn
er sündigt und verloren geht. Aber wenn dabei nicht
verkannt werden kann, daß etwa bei einem Kinde ge-
wisse böse Neigungen der nächste Anlaß zur Sünde
und so zum Verderben gewesen sind, bleibt es dann
nicht für die Mutter ein unsäglich bitterer Vorwurf,
sich sagen zu müssen: Diese heftigen bösen Neigungen
hatte oder hat es durch mich.

*)

Unlängst lasen wir einen Brief, worin eine brave
christliche Jungfrau, welcher die kleineren Kinde einer
hochadeligen Familie anvertrauet sind, sich über ihren
kleinsten Pflegling in folgenden Worten äußert: ‘„Das
kleine Kindchen wird so niedlich; es kann schon so
schön seine Händchen falten, wenn ich des Morgens
sein Gebetchen mit ihm mache; und dabei horcht
es mit einem ganz ernsten Gesichtchen auf
jedes Wort, welches ich ihm vorsage

und fängt auch an, mir einige Worte nachzusprechen.“’

Sollen wir's verhehlen, – diese Worte haben uns
recht gerührt. O, dachten wir, wenn's so rings die
Mütter mit ihren Kindern hielten, um schon in den
zartesten Jahren anzufangen, sie zu Gott hinzuleiten.
– Wir glaubten es uns auch nickt versagen zu
sollen, aus dem Briefe einer jungen Mutter (unserer
früheren Schülerin), der wir die erste Auflage dieses
Werkchen's zugeschickt hatten, Folgendes mitzutheilen:
‘„...Eine besondere Freude empfand ich beim Durch-
lesen des Büchleins darüber, daß ich mit Manchem,
was dasselbe den Müttern an's Herz legt, schon den
Anfang gemacht hatte. Erlauben Sie, daß ich Eini-
ges anführe: So kann sich unsere kleine Maria (sie
ist jetzt ein Jahr und acht Monate alt) schon allein
segnen und das kleine Gebetchen ‘„Lieber Gott, mach
mich fromm, daß ich in den Himmel komm“’
beten.
Auch betet sie für Mama, Papa, Großpapa und
Großmama und Onkel. Und wenn ich sie frage:
‘„Mariechen, wo ist der liebe Gott?“’ dann sagt sie:
‘„Oben im Himmel; wenn Mariechen artig ist, top
(komm) in Himmel in.“’
Wo sie nur ein Crucifix
sieht, da will sie den lieben Gott küssen. – Wir
freuen uns so darüber. ‘„Auch mein Mann“’ (ein
Beamter) ‘„steht mir hierin treulich zur Seite; so läßt
er sie, wenn er sie Abends mal zu Bette bringt, ihre
kleinen Händchen falten und beten, auch des Mittags
vor und nach Tische“’
... ‘„Auch meiner guten Mutter
verdanke ich so Vieles, da sie mich von Kind an zu
allem Guten angehalten hat. Noch jetzt bete ich noch
jeden Morgen nur mit etlichen Zusätzen die gute
Meinung, die sie mich als Kind beten gelehrt hat“’
...
‘„Wie drängt es mich jetzt oft, zu Gott zu beten, daß
er die kleine Maria und das Kind, daß ich unterm
Herzen trage, in der Unschuld erhalten wolle. Ach
ja, wenn ich das kleine unschuldige Wesen so in der
Wiege schlummern sehe, da muß ich oft weinen und
es schaudert mich bei dem Gedanken an die Gefahren,
denen es vielleicht noch ausgesetzt wird. Dann muß
ich zu Gott flehen, daß Er helfe, mit meinem Manne
vereint die Kleinen zu guten Menschen heranzubilden.
Hierin soll nun auch das liebe Büchlein mir dienlich
sein; ich werde es fleißig gebrauchen“’
...’

*)

Wie er auch Gott sei und uns zu Liebe Mensch
geworden und ein Kind gewesen sei; wie Er geboren,
wie Er sich als Kind und Knabe zu Hause gegen
Mutter und Vater benommen, wie Er ihnen in ihren
Arbeiten geholfen habe; insbesondere, daß Er zu jeder
Zeit, auch wo Er schon Seine göttliche Lehre ver-
kündete und so große Wunder wirkte, die Kinder so
lieb hatte, sie zu sich rief, sie umarmte und herzte und
segnete und so viel Schönes von ihnen und zu ihnen
sagte; wie Er dann für uns am Kreuze gestorben,
aber wieder auferstanden und nun im Himmel sei,
und uns so gern helfen wolle, daß wir dorthin zu
Ihm kommen und mit Ihm ewig glücklich seien.

*)

Es scheint uns heilsam, hier etliche Fehler besonders
hervorzuheben:

An erster Stelle komme der Eigensinn, welcher bei
Kindern so gern sich geltend macht, gegen welchen eine
gute Mutter von frühester Kindheit an mit Ent-
schiedenheit auftritt. Sie gewöhnt ihr Kind an Ge-
horsam gegen ihren und des Vaters Willen. Was
einmal – freilich wohlüberlegt – gesagt und ge-
boten ist, daran wird festgehalten, das muß das Kind
thun, es gehe, wie es wolle, und müßte es auch durch
die nachdrücklichsten Strafen dazu vermocht werden.
Wehe, wenn ein Kind merkt, daß es ihm hilft, daß
es damit zum Ziele kommt, wenn es auf seinen Kopf
besteht! Der Eigensinn, dies große Uebel und Hinder-
niß alles Guten, wird in ihm groß wachsen, besonders,
wenn das Kind von Haus aus schon Neigung zu
solchem Eigensinn verräth. Leicht ist die Gefahr, sich
durch unzeitige Liebe zu schädlicher Nachgiebigkeit ver-
leiten zu lassen, bei der Mutter am größten. Daher,
christliche Mutter, sei auf der Huth! Es ist Pflicht,
da wo es sich um Brechung des Eigensinns handelt,
die natürlichen Gefühle zu überwinden. Sei versichert,
dein Kind wird's dir zur Zeit Dank wissen. Frühe
Gewöhnung an Gehorsam ist Bedingung und Bürg-
schaft für den Gehorsam gegen Gott, d. h. für ein
christliches und also auch glückliches Leben.

Demnächst kommt die Eitelkeit und Putzsucht,
besonders bei Mädchen. Wie nachtheilig und verderb-
lich tritt dieser Fehler bei Erwachsenen auf. Abge-
sehen von dem Verluste an Zeit und Vermögen, welche
derselbe mit sich zu führen pflegt, wirkt er höchst ver-
derblich auf's Herz, macht, daß dasselbe in dem eiteln
Tande nichtigen Putzes aufgehe, den Sinn für Gott
und Höheres mehr und mehr einbüße, und ist leicht,
leider auch nur zu oft der Grund, daß man das
kostbare Gut der Unschuld verliere und den traurig-
sten sittlichen Verirrungen anheimfalle. Und wie oft
wird der Grund zu diesen Fehlern schon in den Jah-
ren der Kindheit – von der eigenen Mutter des
Kindes gelegt. Sie lässet das Kind mit seiner ihm
angebornen Eitelkeit hin, ja nährt und fördert dieselbe
gradezu. Oder ist es nicht reiche Nahrung für die-
selbe, wenn das Kind wahrnimmt, wie oft und mit
welcher Angelegentlichkeit die Mutter von Kleidung
und Putz spricht, wie viel Gewicht sie darauf legt,
wie viel Umstände sie dafür macht, wie sehr sie sich
darin gefällt? Oder, wenn die Mutter so viel We-
sens macht mit dem Anzuge des Kindes, so viel
Sorge und Kosten und Zeit darauf verwendet und
zwar mit einer Wichtigkeit, als sei das bei Weitem
die Hauptsache.

Kein vernünftiger Mensch zweifelt, daß es Aufgabe
und Pflicht der Mutter ist, ihre Kinder auch in Be-
treff der Kleidung zur Ordnung und Reinlichkeit, ja
selbst zu einer gewissen Nettigkeit (um so zu sagen)
anzuhalten und anzuleiten. Ordnung und Reinlichkeit
in der Kleidung, ja bis zu einem gewissen Grade
etwas hübsches und Schönes im Anzuge kann einen
heilsamen Einfluß selbst auf die sittliche Verfassung
des Herzens üben, während Unordnung und Unrein-
lichkeit nur zu leicht der Unsittlichkeit Vorschub leistet.
Aber eben so sehr ist es Pflicht, alles das zu meiden,
was die Eitelkeit und Putzsucht in den Kindern
gradezu fördert. Dahin gehört, was wir eben schon
erwähnten; oder, wenn die Mutter gar so viel We-
sens mit dem Anzuge der Kinder macht, als sei das
eine Hauptsache; wenn sie so unmäßig viel Zeit und
Kosten darauf verwendet; wenn sie das Kind in sei-
nem Anzuge oder Kleidungsstücke so viel anerkennt,
erhebt und bewundert, insbesondere, wenn sie es
gradezu darauf ablegt, das Kind in ungewöhnlicher,
auffälliger Weise herauszuputzen und vor andern
Kindern auszuzeichnen, und so selbst mit ihren Kindern
Eitelkeit treibt. Heißt das nicht, das arme Kind mit
vollen regeln in das Unwesen der Eitelkeit hinein-
fahren? Wem es beschieden ist, in einer größern
Stadt zu wohnen, der findet nur zu oft Gelegenheit,
solchen Kindern zu begegnen, welche von ihren thörich-
ten Müttern also aufgeputzt sind. Man könnte sich
versucht finden zu glauben, es seien Commödianten-
kinder. Was für ein Geist wird durch solche Schau-
spieleranzüge in den Kindern genährt? Der christ-
liche
gewiß nicht. – Und wie wenig ist dabei oft
der zarten und christlichen Züchtigkeit und Scham-
haftigkeit Rechnung getragen! – O christliche Mütter,
seid doch nicht so grausam gegen eure Kinder! Nähret
doch nicht so geflissentlich das Unwesen der Eitelkeit
in ihnen – zu ihrem Verderben! Behauptet in der
Art, euere Kinder zu kleiden, bei aller Rücksicht auf
die Anforderungen des Standes doch eine gewisse Be-
scheidenheit und Mäßigung! Weiset euere Kinder
früh darauf hin, daß der wahre und schönste
Schmuck des Menschen darin bestehe, daß er ein sün-
denreines, mit christlichen Tugenden ausgestattetes
Herz habe.

Wehe, wenn ihr selbst mit eueren Kindern Eitel-
keit treibet, indem ihr sie so unmäßig zieret, um vor
Andern mit ihnen zu glänzen! Heißt das nicht, das
wahre Wohl euerer Kinder, indem ihr das Uebel der
Eitelkeit in ihnen nähret, auf's Spiel setzen, um euere
Eitelkeit zu befriedrigen? heißt das nicht, der Seele
eurer Kinder schaden, um eurer Eitelkeit zu schmei-
cheln? In der That, das ist so ewas von der Art
jener Mütter, welche ihre Kinder – opfernd – in
die glühenden Arme des Moloch werfen!

Kommen wir zu einem andern Fehler, der gleich-
falls in der Kinderwelt nur zu sehr vertreten ist; es
ist die Lügenhaftigkeit. Brauchen wir die Häß-
lichkeit und Verderblichkeit dieses Fehlers erst aus-
einanderzusetzen? Wahrheitsliebe und Abscheu vor
Lügen gehört wesentlich zu dem echt christlichen Geiste;
nie wird Jemand, dem es mit seinem Christenthum
aufrichtig ernst ist, sich dazu verstehen, zu lügen. So
viel Jemand sich wenig oder nichts daraus macht,
so viel zeigt er dadurch, daß es noch sehr bei ihm
fehle. Würde wohl die h. Jungfrau auch nur zur
geringsten Lüge sich verstanden haben? Eher zur
Hingabe ihres Lebens! – Dazu kommt, daß das Lü-
gen der abschüssige Weg ist zu vielen andern Fehlern.
– Also, christliche Mutter, tritt bei deinen Kindern
gegen diesen Fehler ein! Lasse das Verderben dessel-
ben nicht über selbe kommen! Kinder kommen leicht
zum Lügen und, wenn man sie damit lässet, zur ver-
derblichen Gewohnheit desselben. Also warne dein
Kind; belehre es zur Zeit über die Häßlichkeit des
Lügens. Halt streng darauf, daß es stets und in
Allem die lautere Wahrheit sage! Wo nicht, so folgt
Rüge und Strafe. Suche es, wo es wirklich oder
doch wahrscheinlich gelogen hat, zum Bekenntniß zu
bringen; bekennt es aufrichtig und mit Leid, so tritt
Milderung, vielleicht selbst Nachlaß der Strafe ein.
– Fern sei es, daß du selbst deinen Kindern das
Beispiel des Lügens gebest oder gar sie zum Lügen
anleitest und veranlassest!

Gottes Segen über jedes Haus, in dem man die
Lüge haßt und meidet!

Vielleicht leidet ein und anderes Kind an einer
reizbaren, heftigen Natur; es geräth leicht in
Zorn, wird aufgeregt, schimpft, flucht, tobt u. s. w.
Läßt man's damit, so wächset der Jähzorn in ihm
heran, der in der Reibe der Hauptsünden steht,
d. i. jener Fehler, welche die besonders ergiebigen
Quellen von Sünden und zwar von Sünden recht
schlimmer Art zu sein pflegen. Wie schwer wird er
überwunden, wenn er bereits im Menschen herange-
wachsen und zur andern Natur geworden ist! Und
wie störend greift er in das eigene Wohl und meist
in das Wohlsein Vieler ein!

Merkst du also, christliche Mutter, daß dein Kind
an diesem Fehler leide, so säume nicht, von früh an
denselben zu zügeln und es davon zu befreien. Belehre,
ermahne, rüge, strafe – immer von Neuem nach Maß
der Heftigkeit des Fehlers. Ruhe nicht, bis es dir
mit Gottes Hülfe gelungen. – Freilich, wenn du
selbst an diesem Fehler littest, wenn das Kind, das
zum Zorne geneigt ist, vielleicht nur zu oft deine
Zornausbrüche wahrnehmen oder gar an sich erfahren
muß, wie soll dann ihm Hülfe von dir werden? Ach,
du stößest es in seinen Fehlern nur tiefer hinein,
festigst es darin. Wehe!

Vielleicht hängt mit dem letzten Fehler ein anderer
zusammen – ein gewisses liebloses, selbstsüch-
tiges
Wesen. Dasselbe tritt zu Tage den Geschwistern
gegenüber: das Kind ist eigennützig, es gönnt den
Geschwistern nichts, es entzieht ihnen gern das Ihrige;
es ist ungefällig; es kränkt dieselben durch Wort und
That, kann sich mit ihnen nicht vertagen u. s. w.
Oder jenes verkehrte Wesen gibt sich kund andern
Kindern oder den Mitmenschen überhaupt gegenüber:
das Kind hat keinerlei Theilnahme für fremde Noth,
es gibt und hilft andern Kindern nicht, wo es kann,
es hadert und zankt leicht mit ihnen, schimpft sie aus,
entzweiet, rauft sich mit ihnen u. s. w. Lauter Aus-
wüchse jener Selbstsucht und Lieblosigkeit der verderb-
ten menschlichen Natur. Läßt man sie im Kinde ge-
währen, tritt man nicht dagegen ein, so wächset in
ihm jener Egoismus heran, den man heut bei so
Vielen findet, und es bleibt ohne jene Tugend, welche
zur Grundverfassung des christlichen Lebens gehört,
ohne wahre Nächstenliebe. Wie viele Ursache, ihren
Mangel in der Welt zu beklagen! Und doch ist man
ohne wahre Nächstenliebe kein rechter Christ und hat
nicht die Hoffnung des Heiles. Der Grund dieser
traurigen Erscheinung liegt nur zu oft schon im Kin-
desalter: die Mutter hat das Kind mit seinen manch-
fachen Verstößen gegen die Liebe hingelassen und es
ist nicht an Liebe gewöhnt.

Christliche Mutter, halte es für einen der wichtig-
sten Punkte in der Erziehung, deine Kinder durch
Belehrung, Ermahnung, Warnung, Rüge, Strafe
und durch Gebet dahin zu bringen, daß sie Alles
meiden und ablegen, was wider die Liebe verstößt,
zunächst den Geschwistern und Hausgenossen, dann
aber überhaupt allen Menschen gegenüber. Lasse sie
an dir das Beispiel echter, herzlicher Nächstenliebe er-
fahren!

*)

Von einer Hansfrau auf dem Hofe N. an der Grenze
des Münsterlandes erzählte bei ihrer Beerdigung der
Pfarrer: Es war ein neuer Knecht auf den Hof ge-
kommen. Obwohl man bei der Dingung vom Dienst-
boten ein Hauptgewicht darauf legte, daß dieselben
gottesfürchtig und fromm wären, so hatte man sich
doch diesmal versehen. Der neue Knecht hatte ein
loses Maul, das gar reichlich überfloß von liederlicher
Rede. Und wie es denn solchen Unholden eigen ist,
daß sie ihr schmutziges Maul bei keiner Gelegenheit
halten können, so ließ der Gedachte auch selbst bei
Tische Proben seiner schändlichen Redeweise verneh-
men. Die Hausfrau ließ es hinlänglich bemerkbar
werden, daß dergleichen hier im Hause, zumal in Ge-
genwart der Kinder, nicht bräuchlich sei. Vergebens.
Von Neuem schmutzige Worte. Da trat sie ruhig
hinter den Stuhl, auf dem der Lose saß, und voll-
führte rechts und links zwei Ohrfeigen an dessen un-
gewaschenem Haupte, daß es sausete. Das half. War
das auch ein wenig derb, so hat auch unser Herr
einst über gewisse Leute die Geissel geschwungen und
wir glauben, Er würde es noch thun über manche der
Unholde, worüber hier Rede ist. Jedenfalls ist es
Pflicht, gegen solches Unwesen ernstlich vorzugehen.

*)

Für Mütter auf dem Lande (oder welche es sonst be-
trifft) haben wir noch die Warnung beizufügen, daß
sie doch um jeden Preis darauf bedacht seien, gewisse
Vorgänge mit dem Viehe (die Begattung etwa der
Kühe, der Pferde u. s. w.) den Augen der Kinder zu
entziehen. Welch eine unbegreifliche Rücksichtslosigkeit
hat in diesem Punkte nicht selten Platz! Mit der
größten Gleichgültigkeit läßt man es zu, daß so etwas
unter den Augen der Kinder stattfinde; ja man ver-
anlaßt es sogar, indem man die Kinder dabei zu
hülfe nimmt. Wie ist es möglich?! Sieht man
denn nicht, daß Solches geradezu darnach angethan
ist, um das Schamgefühl auf die nachtheiligste Art zu
verletzen und gefährliche Versuchungen und Sünden
wider die h. Reinigkeit herbeizuführen? Es ist unbe-
greiflich, wie es Eltern geben kann, die das nicht
einsehen; es ist eine Rücksichtslosigkeit, welche wegen
der nur zu leicht daraus sich entwickelnden üblen Fol-
gen nicht genug bedauert werden kann. Darum euch,
christliche Mütter, sei's an's Herz gelegt, in diesem
Punkte die zarteste Rücksicht und Vorsicht walten zu
lassen; es ist insbesondere euere Sache und heilige
Pflicht für euch; etwaige Mühe und Unbequemlichkeit
kann euch unmöglich davon dispensiren. Um jeden
Preis sollt ihr zu verhüten suchen, daß solche Dinge
nicht in Gegenwart der Kinder geschehen, so viel
möglich selbst dann nicht, wenn sie schon mehr er-
wachsen sind.

*)

Es muß überhaupt auch in Betreff der Erwachsenen
wünschenswerth erscheinen, daß, wie es gewöhnlich bei
Mannspersonen der Fall ist, auch die weiblichen Per-
sonen in einem Hause gleich am Morgen vollständig,
d. i. so wie sie den Tag über erscheinen, gekleidet ihr
Schlafgemach verlassen möchten; wenn das aber viel-
leicht nicht immer sich ausführen lässet, so ist es den-
noch Pflicht, gleich am Morgen so gekleidet zu er-
scheinen, daß es Anstand und Schamhaftigkeit nicht
verletze, daß man vernünftiger Weise sich nicht zu
schämen habe, auch von Andern, als den Mitgliedern
des Hauses, gesehen zu werden. Auch hier kann im
Sommer nie größere Bequemlichkeit oder Annehm-
lichkeit das Recht und die Befugniß geben, sich auf
eine Weise zu kleiden, daß es wider die heilige Scham-
haftigkeit sei, in leichter Umhüllung, in unanständiger
Weise. Ohne Zweifel sind dies Winke, die in man-
chem Hause alle Berücksichtigung verdienen, Winke,
deren Vernachlässigung oder Beiseitsetzung viel Böses
im Gefolge hat.

*)

Gewissenhafte Herrschaften werden eben so Sorge ha-
ben, das Knechte und Mägde ihre Schlafstätten in
gehöriger Entfernung von einander haben und sie
ihnen auch sonst nicht Gelegenheit und Anlaß zu ge-
fährlicher Gemeinschaft geben. Jedenfalls ist es Pflicht
für sie, hierin alle mögliche Rücksicht zu nehmen,
um, so viel immer in ihren Kräften steht, Gefährliches
zu hindern.

*)

Es kann nicht genug bedauert werden, daß so manche
Eltern, insbesondere aus den höhern Klassen, dieses
so fast gänzlich aus dem Auge lassen. Sie lassen es
geschehen, daß ihre Kinder in den frühern Jahren
alle ihre Zeit so fast ausschließlich dem Spiele und
dem Vergnügen widmen; kaum eine Spur von An-
leitung und Gewöhnung zur Arbeit. Und die Folge?
Später, in der Schule, im Leben scheuen sie die Ar-
beit, weil sie nicht daran gewöhnt sind, und es treten
die üblen Folgen der Scheu vor Arbeit und ernster
Anstrengung, der Nachlässigkeit und Trägheit in der
Schule, in den Studien, im Haushalt, im Dienste
u. s. w., in der traurigsten Weise zu Tage. Es ver-
steht sich wohl von selbst, daß die Art und das Maß
der Arbeiten dem kindlichen Alter entsprechen und
den Kindern recht viel Zeit zum Spielen gelassen
werden muß; aber dennoch müssen sie es früh lernen,
etliche Zeit entsprechender kindlichen Arbeit zu widmen
und sich an Arbeit, als Pflicht, gewöhnen.

*)

Manche Mütter lassen ihre Kinder in ihrer Gegenwart
Morgen- und Abendgebetchen machen. Gewiß eine
gar schöne Sitte. Gern gedenke ich ihrer aus meiner
Jugend und wie heilsam es das kindliche Herz beein-
flußte, wenn allabendlich die gute Mutter uns Kinder
zu Bette führte und dort uns mit ihr unser Abend-
gebetchen machen ließ.

*)

Wenn die gedachten Stellen vorwiegend an die Väter
gerichtet sind und fast überall nur von den Söhnen
die Rede ist, so bedarf es wohl kaum der Erwähnung,
daß dieselben auch für die Mütter und Töchter ihre
volle Geltung haben; ist ja eben kein wesentlicher
Unterschied zwischen den Pflichten des Vaters und der
Mutter oder des Sohnes und der Tochter.

*)

Anders wäre es freilich, wenn sie triftige, auch vor
der christlichen Vernunft gültig Gründe hätte, das
nicht zu wünschen.

*)

Sie nimmt etwa den Kleinen (wir wollen ihn Joseph
nennen) mit zur Kirche; er sieht den Pfarrer, den
Kaplan am Altare, auf der Kanzel u. s. w. Zu
Hause: ‘„Unser Joseph hat den Pfarrer gesehen;
nun will er auch geistlich werden.“’
Es sind Fremde
da, die sich für den Kleinen interessiren; die Mutter:
‘„Sag ihnen mal, Josephchen, was du werden willst;
er will Pfarrer werden.“’
Joseph kommt in die
Schule; er bekommt ein neues Buch: ‘„Potz tausend,
wenn unser Joseph nun einmal das Studiren an-
fängt, wie bekommt er dann erst Bücher. Und was
für schöne Sachen wird er dann lernen!“’
– Oder
es wird dem Kleinen an die Hand gegeben, sich einen
Altar, eine Kanzel zu machen, u. s. w.; – oder, es
wird zur Zeit Sorge getragen, daß er zur h. Messe
dient und bei gottesdienstlichen Verrichtungen Dienste
leistet; – oder zu Hause wird gern über die Geist-
lichen gesprochen in einer Weise, welche geeignet ist,
dem Knaben Achtung und Liebe gegen sie einzuflößen;
– vielleicht gestatten es die Verhältnisse, mit den
Ortsgeistlichen in geselligen Verkehr zu treten; sie
kommen zuweilen zum Besuche in's Haus; der Kleine
tritt ihnen näher, wird mit ihnen bekannt; vielleicht
auch Nahrung für die Neigung zum Priesterstand.
Alles dies haben wir selbstredend nur beispiels-
halber angeführt, um anzudeuten, wie es die Mutter
einem Söhnchen gegenüber, welches sie für den
geistlichen Stand nicht ungeeignet erach-
tet
, etwa halten möge, um den Beruf zu wecken
und zum Bewußtsein zu bringen.

*)

Vollends unstatthaft aber und geradezu unverantwortlich
würde es sein, wenn Eltern einen Sohn, welcher sich
nach Beginn oder Vollendung seiner Studien, gradezu
abgeneigt erklärt oder zeigt, geistlich zu werden, den-
noch – aus welcher Ursache immer – gewisser-
maßen dazu drängten und nöthigten. Da ist um je-
den Preis Abstand zu nehmen. Würden ja die El-
tern, welche ihrem Sohne eine Art von Nöthigung
anthäten, nur zu leicht ihn und viele Andere unglück-
lich machen und der Kirche Schmach zufügen.

*)

In Nr. 42 der ‘„Monika“’. Wochenblatt zur Verbesserung der Fa-
milien-Erziehung; Stadtamhof bei Regensburg; – wöchentliche Sei-
ten; Preis halbjährlich 7 Sgr. k Pfg.: bei der Post zu bestellen.

*)

Wir nennen hier mehrere solche Direktoren: In Münster Pastor
Fecke (die Bruderschaft in der Kirche zum h. Martinus errichtet);
in Mainz der hochw. Bischof, so auch in Regensburg; in München
Dompfarrer Weber; in Bamberg Kaplan Dr. Körber. Man kann
sich auch an ‘„den Vorsteher der Erzbruderschaft der christlichen
Mütter“’
zu Paris, P. Theod. Ratisbonne wenden.

*)

Würde eine Mutter andere verwandte, befreundete oder geistes-
verwandte Mütter kennen, welche auch geneigt sein möchten, in den
Verein einzutreten, so wäre es am einfachsten, wenn eine von ihnen
im Namen Aller an den betreffenden Direktor schriebe und die Na-
men der übrigen meldete. Gewiß würde auch auf Wunsch einer der
Pfarrgeistlichen die Einschreibung vermitteln.

*)
Wir glauben uns hier nicht so strenge in den Schranken, welche
wir im Vordergehenden einhielten, (indem wir nur das zarte Kin-
desalter im Auge hatten) halten, sondern die Mutter auch in ihrem
Gebete für ihre schon erwachsenen Kinder berücksichtigen zu sollen.
**)
Wahrhaft christliche Eheleute gehen gern am Jahrestage ihrer Ver-
ehelichung, oder am Sonntage vor oder nach demselben wo möglich
gemeinschaftlich zu den hh. Sakramenten, um so die entsprechenden
Uebungen desto besser anstellen zu können und die Gnade des h. Sa-
kramentes der Ehe zu erneuern. Welch schöne Sitte! – Könnte
man nicht wenigstens an diesem Tage in solcher Meinung einer
h. Messe beiwohnen? Wie sehr thut den Eheleuten bei den wichtigen
Obliegenheiten, in den Beschwerden und Gefahren ihres Standes
der Segen und die Gnade des Herrn Roth, damit sie im Ehestande
nicht zu Grunde gehen, sondern ihr Heil wirken! Daher eben das
h. Sakrament der Ehe; daher die jährliche Erneuerung der Gnade
desselben so empfehlenswerth.
*)

Wie schön, wenn die Mutter auch hier dem h. Meßopfer beiwohnt
und bei demselben und durch dasselbe dem Herrn ihren Dank und
ihre Anliegen darbringt!

**)
Unterlaß es nicht, christliche Mutter, am Abende, wenn auch nur in
Kürze, dem Gewissen zu erforschen, besonders, ob du deine Pflichten
als Mutter heut treu erfüllt hast. (War dein Beispiel musterhaft?
Hast du nichts für die Kinder Anstößiges gesagt, gethan? Hast du
sie nach Pflicht im Auge gehabt? Sie nicht zu sehr ohne Aufsicht
gehen lassen? Sie gebührend zur Kirche, zur Schule angehalten?
Warst du darauf bedacht, auch selbst sie heilsam zu belehren, sie an
Gott und Höheres zu erinnern? Hast du auf ihre Fehler sie auf-
merksam gemacht, sie nach Pflicht gemahnt, gewarnt, gestraft? Hast
du dich dabei von Zorn und Verdruß hinnehmen lassen, in Auf-
regung und Uebermaß gestraft? Hast du sie angeleitet und ange-
halten zum Beten, zur Liebe gegen Gott und die Menschen, zum Ge-
horsam, zur Wahrhaftigkeit, zur Bertragsamkeit, zur Arbeit, zur
Reinlichkeit und Ordnung? Betest du nach Pflicht für sie?...)
– Bereue, wenn du gefehlt; thue Abbitte vor Gott; entschließe dich
und versprich's dem Herrn, morgen treuer zu sein.
*)
Je wichtiger so oft die Anliegen einer Mutter sind, je größere Gna-
den sie für sich, zur Erfüllung ihrer Mutterpflichten, oder für ihre
Kinder bedarf, desto mehr sollte es sich ihr nahe legen, oft, immer
von Neuem zum h. Meßopfer ihre Zuflucht zu nehmen. Da steht sie,
mag sie für sich und ihre Kinder nun für empfangene Gnaden und
Wohlthaten zu danken oder um neue zu flehen haben, nicht allein
vor dem Herrn, wegen ihrer Armseligkeit und Unwürdigkeit nur zu
sehr in Gefahr, nicht in Gnaden angesehen zu werden; da tritt,
wenn sie mit Glauben und Vertrauen nahet, Jesus für sie ein und
zwar durch Sein h. Opfer, um es als Dank- oder Bittopfer für sie
und ihre Kinder dem Vater zu weihen, wie sie denn selbst Sein heil.
Opfer nehmen und es dem Himmel darbieten mag. O welcher
Segen für Mütter und Kinder! – Möchten das alle Mütter recht
würdigen! – Nie schön, wenn die Mutter zuweilen, recht oft, einer
h. Messe beiwohnte in der Meinung, dadurch die Gnaden für sich zu
erlangen, welche sie für die gute Erziehung ihrer Kinder nothwendig
hat; oder ein anderes Mal in der Meinung, daß Gott Alles, was
sie und mit ihr der Vater, die Geistlichen, die Lehrer und Lehrerinnen
an ihren Kindern thuen, segnen und wirksam machen wolle; oder
wieder ein anderes Mal, um ihre Kinder in die Gnade des Herrn,
in Seinen Schutz, in Seine Hülfe zu empfehlen; oder auch, um für
dieses oder jenes Kind, welches wegen eines Fehlers, den es an sich
hat, wegen einer wichtigen Handlung (es kommt in die Schule, es
geht zur h. Beicht, es bereitet sich zu seiner ersten h. Kommunion, es hat
das elterliche Haus zu verlassen u. s. w.) oder sonst einer besonderen
Gnade bedarf, dieselbe vom Herrn zu erflehen. Gewiß, das würde
dem Herrn hoch genehm sein, das würde Seinen liebvollen Absichten
so ganz entsprechen und es würde den Strom der Gnaden, der dem
h. Opfer entquillt, in die Familien hinüberleiten znm Heile für El-
tern und Kinder. Oder wird wohl leicht Einer beim h. Opfer dem
Herrn, dem großen Kinderfreunde, mehr genehm sein, als eine christ-
liche Mutter, welche um ihrer Kinder willen gegenwärtig ist? -
Darum folgt hier eine Reihe voll Gebeten, in welchen die wesentlich-
sten Gebetsanliegen einer Mutter ihren Ausdruck finden. Selbst-
redend können dieselben zu jeder Zeit und auch bei andern Gelegen-
heiten, aber wohl kaum irgendwo besser, als bei der h. Messe ver-
wendet werden, sei es, daß man sie im Anfange der h. Messe, beim
Offertorium, oder beim Canon und nach der h. Wandlung zwischen
seine sonstigen Meßgebete einfüge.
*)

In der Zwischenzeit, besonders zum Canon und nach der Wandlung
können die Gebete unten S. 154 bis 162 genommen werden.

*)

Auch hier zwischenein die Gebete unten S. 162 bis 172.

*)
‘„Salomon aber,“’ so erzählt die h. Schrift (3. B. d. Kön. 3.) ‘„liebte
den Herrn; und der Herr erschien ihm zur Nachtzeit im Schlafe und
sprach: Begehre, was du willst, das ich dir geben möge. Und Sa-
lomon sprach: Du hast mich, mein Herr und Gott, zum Könige ge-
macht anstatt meines Vaters David; ich aber bin noch jung und un-
erfahren; so gib denn Deinem Diener ein gelehriges Herz, daß er
Dein Volk zu regieren und zu unterscheiden wisse zwischen Gut und
Bös; denn wer vermöchte ohne dieses das Volk zu regieren, dieses
große Volk?! Und der Herr sprach zu Salomon: Weil du solches
begehrt hast, und hast um Weisheit gebeten, so hab' ich dir gethan
nach deinem Worte und dir ein weises und verständiges Herz gege-
ben.“’
Welche Aufforderung für die christliche Mutter zu ähnlicher
Bitte. Wird der Herr nicht auch sie erhören?
*)

Je mehr eine Mutter zum Zorne geneigt ist, je leichter sie sich dazu
hinreißen läßt, desto mehr muß sie es an jedem Morgen sich ernstlich
vornehmen, auf ihrer Huth zu sein und zu kämpfen, desto inständiger
muß sie zum Herrn um Beistand flehen, besonders Morgens und
auch sonst; um so den Zorn, dieses großes Uebel bei einer Mutter,
beherrschen zu lernen.

**)
‘„Einmal,“’ so erzählt das h. Evangelium, ‘„wurden“’ (von den Müt-
tern) ‘„Kinder zu Jesus gebracht, daß Er ihnen die Hände auflege
und für sie bete. Die Jünger aber“’
(welche ihrem ohnehin so viel
belästigten Meister diese neu Mühe ersparen wollten) ‘„wiesen sie mit
rauhen Worten ab. Da Jesus das bemerkte, legte Er ihnen seine
Mißbilligung an den Tag und sprach: Lasset die Kleinen zu Mir
kommen und wehret es ihnen nicht; denn für Solche ist das Himmel-
reich. Und Er schloß sie in Seine Arme, legte ihnen Seine Hände
auf und segnete sie.“’
Konnte Er auf eine rührendere Art
Seine Liebe zu den Kindern an den Tag legen? Aehnliche Züge
Seiner Liebe zu den Kindern erzählt das Evangelium auch an an-
dern Stellen. Und haben wir nicht Grund, anzunehmen, daß Jesus
die christlichen Kinder, welche nicht mehr wie die jüdischen in der
Erbsünde haften, welche als christliche Kinder so innig mit Ihm ver-
bunden sind, noch so viel mehr liebe? Also, christliche Mutter, Ihm,
dem großen Freunde deiner Kinder schließe dich innig an!
*)

Wenn es die Zeit erlaubt, so bete man nach jedem Gebete ein Vater
unser und Ave, mit dem Zusatze nach dem Worte Jesus: ‘„Der
mir den Geist der Weisheit (des Verstandes, der Wissenschaft....)
verleihen wolle.“’

*)
Möchten doch alle Eltern nebst der h. Jungfrau auch den h. Joseph
als Patron der christlichen Familien innig verehren!
**)
Nach der Lehre unserer h. Kirche ist die Ueberzeugung, daß den Kin-
dern die heiligen Schutzengel zur Seite stehen, wohlbegründet. Muß
sie nicht der christlichen Mutter eine ganz besondere Verehrung gegen
diese Schutzengel ihrer Kinder einflößen? Liegt es nicht nahe, die-
selben gewissermaßen als Freunde des Hauses zu halten und zu ver-
ehren, und demnach in allen Anliegen, welche die Kinder betreffen
zu ihnen insbesondere seine Zuflucht zu nehmen?
*)
Auch sie sollten billig von der Mutter besonders verehrt und ange-
rufen werden; sind sie ja bei der heil. Taufe von der h. Kirche und
vom Herrn gleichsam dazu angewiesen, wie die Vorbilder, so auch die
besondern Fürsprecher der Kinder zu sein. Daher auch die Vor-
schrift, dem Kinde eben den Namen eines (oder einer) Heiligen bei-
zulegen
*)
Wie vielfach fehlt es im gewöhnlichen Leben an dieser christlichen
Nächstenliebe, welche doch eine Grundtugend des christlichen Le-
bens ist. Möchten doch alle Mütter diese Tugend in ihrer Kindern
hegen und daher zunächst zu herzlicher Liebe gegen die Geschwister
anleiten; besonders oft um die Gnade der christlichen Nächstenliebe
für sie zu Gott stehen.
*)
Nach der Lehre der h. Kirche ist die Gnade der Buße, d. i. die Gnade
wahrer Reue und Buße und Besserungswilligkeit auch eine Frucht
des h. Meßopfers. Wie legt es sich dadurch der christlichen Mutter
nahe, einer h. Messe beizuwohnen oder bei der h. Messe, der sie bei-
wohnt, die Meinung zu machen, durch dieselbe für das Kind diese
Gnade zu seiner h. Beicht zu erflehen. Je mehr das Kind, um zu
rechter Reue zu kommen, der Gnade bedarf, desto mehr sollte die
Mutter sie ihm erflehen.
*)
Es geschieht zuweilen, am Ende nicht selten, daß sich bei den Kindern,
besonders bei den Erwachsenen, gewisse Fehler herausstellen, welche
zu beseitigen der Mutter (resp. dem Vater) bei aller Sorgfalt und
Mühe nicht gelingt. Vielleicht ist, wenn es sich um erwachsene Söhne
oder Töchter handelt, die Mutter selbst nicht ohne Schuld; weil sie
früh, wo es Zeit war, gegen die Fehler ihrer Kinder nicht eingetreten
ist, so sind dieselben größer und hartnäckiger geworden. Was denn
nun? Soll die Mutter die Waffen strecken? Die Sache aufgeben?
Das sei fern! Muß ihr denn nicht Alles daran liegen, daß ihre
Kinder von ihren Fehlern, worin die Gefahr ihres Verderbens liegt,
loskommen? Und dazu bleibt, wenn auch Alles fehlschlägt, dennoch
ein Mittel, das inständige, beharrliche, flehentliche Gebet für solche
Kinder. O, wenn alle Mütter, der h. Monika ähnlich, das Mittel
gebührend verwendeten! Wie manches Kino, das nun in seinen Feh-
lern heranwachst, wie manche Söhne und Töchter, die nun dem Ver-
derben entgegeneilen, würden durch das Gebet der Mutter die Gnade
erhalten, von ihren Fehlern und Verirrungen loszukommen zu ihrem
Heile, zur unaussprechlichen Freude der Mutter!
*)

Wird bei jeder Station wiederholt.

**)

Wird bei jeder Station wiederholt.

*)

Oder nach Umständen nehme man für ‘„von ihren bösen Neigungen“’:
‘„von ihrer Neigung zum Lügen“’, – ‘„zum Naschen“’‘„von ihrem
Eigensinn und Ungehorsam“’
‘„von ihrer Trägheit und Nachlässig-
keit im Lernen“’
‘„von ihrer Ausgelassenheit“’‘„von ihrer Un-
vertragsamkeit“’
‘„von ihrem Leichtsinn“’‘„von dem Geiste der
Unlauterkeit“’
‘„von ihrem Hange nach sinnlichem Vergnügen“’ -
‘„von ihrer Gleichgültigkeit gegen Gott und Religion u. s. w.“’

**)

Oder nach Umständen statt ‘„den Geist der Gottesfurcht und Fröm-
migkeit“’
: ‘„die Gnade des Glaubens“’‘„die Gnade der göttlichen
Liebe“’
‘„die Gnade des Eifers zu Gebet und Gottesdienst“’‘„die
Gnade der Demuth und Bescheidenheit“’
‘„die Gnade der Mäßig-
keit“’
‘„die Gnade einer wahren Nächstenliebe“’‘„die Gnade der
Barmherzigkeit gegen die Armen.“’

***)

Das will sagen: Der meine Kinder zur treuen Erfüllung ihrer
Pflichten gegen die Eltern erwecken und begnadigen wolle, damit der
Segen des vierten Gebotes ihnen zu Theile werde. Diese Pflichten
sind ja für die Kinder die allerwichtigsten, in ihrer Erfüllung ist
für sie alles Gute begriffen; so vollkommen sie diese Pflichten der
Hochachtung, der Liebe und des Gehorsams gegen die Eltern erfüllen,
so gut sind sie jetzt vor Gott, so begründet ist die Hoffnung daß
sie auch in ihren übrigen und in den späteren Lebensbeziehungen gut
sein werden, so viel wird der Segen wahrer christlicher Tugend-
haftigkeit überhaupt über sie kommen. Was könnte also die Mutter
Kostbareres für ihre Kinder erflehen, als die Gnade, das vierte Ge-
bot treu und vollkommen zu erfüllen? Ohne die Gnade Gottes
können ja die Kinder es nicht erfüllen.

†)

Zur Abwechselung oder bei besondern Anlässen, z. B. wenn die Kin-
der zur h. Beicht gehen sollen: ‘„Der meinem Sohn (meiner Tochter)
die Gnade der Buße (einer wahren Reue) und einer würdigen Beichte
verleihen wolle.“’
– Zur Zeit des Communion-Unterrichtes: ‘„Der
meinen Sohn (m. T.) zur heilsamen Erlernung der h. Religion er-
wecken und erleuchten wolle;“’
‘„der m. S. (m. T.) die Gnade einer
würdigen Vorbereitung zur ersten h. Communion verleihen wolle.“’

– In den Tagen vor der ersten h. Communion: ‘„Der das Herz
meines Sohnes (meiner Tochter) durch Seine Gnade zu einer wür-
digen Wohnung für Sich zubereiten wolle.“’
– Bei Entlassung eines
Sohnes, einer Tochter aus dem elterlichen Hause (in die Fremde
u. s. w.): ‘Der meinen Sohn (m. T.) in der Obhut Seines Schutzes
und Seiner Gnade unverletzt erhalten wolle.“’
– In Betreff der
Standeswahl: ‘„Der meinem Sohn (m. Tochter) durch das Licht
und den Beistand Seiner Gnade zu seinem (ihrem) wahren Berufe
verhelfen wolle“’
, u. s. w.

*)
An die sonstigen Beichtgebete anzuschließen oder zwischen dieselben
einzufügen.
**)

Bei der Gewissenserforschung unterlaß doch nicht, dich insbesondere
auch über die Pflichten gegen deine Kinder zu erforschen (eine kurze
Anleitung dazu oben, S. 165), sie zu bereuen und zu beichten.

*)
Gewiß wird jede gute christliche Ehefrau für ihren Mann, der ja
mit ihr durch geheimnisvolle Bande auf's Innigste vereinigt ist,
überhaupt recht fleißig beten, namentlich, wenn er gewissen Fehlern
und Verkehrtheiten ergeben ist, also für das Heil seiner Seele. Hier
aber haben wir die Mutter im Auge, insofern sie als Mutter ihrer
Kinder für ihn, als deren Vater betet.
*)
Mit Recht findet dieses Gebet Platz unter den Gebeten einer christ-
lichen Mutter. Denn kommt es, damit die Erziehung wohl gelinge,
vor Allem darauf an, daß die Mutter echt christliche Frömmigkeit
übe, weil nur dann das so nothwendige gute Beispiel und der Segen
der göttlichen Gnade – beide ganz unentbehrlich – stattfindet, so ist
es ja eben ein keusches Herz und Leben, worin allein solche Fröm-
migkeit gedeihet. Daher Gottes h. Wille, daß auch Eheleute in ihrem
Stande züchtig und ehrbar leben. Finde hier das ernste Wort des
h. Engels Raphael an den jüngern Tobias Platz (B. Tobias 6, 17 ff.):
‘„Welche so in den Ehestand treten,“’ und so darin leben, ‘„daß sie
Gott von sich und von ihrem Herzen ausschließen, und ihrer Wollust
also pflegen, wie Roß und Maulesel, die keinen Verstand haben, über
die hat der Teufel Gewalt“’
(das bezieht sich auf die sieben Männer
der Sara, welche sämmtlich in der Nacht nach der Verehelichung
plötzlich starben; ‘„ich habe gehört,“’ sagte Tobias (6, 14), ‘„daß ein
böser Geist sie getödtet hat“’
(und der Engel bestätigte das). ‘„Du
aber, fährt der Engel fort’
, ‘„nimm die Jungfrau (Sara) zu dir in
der Furcht des Herrn, mehr aus Liebe zu den Kindern, als aus
Lust.“’
Und also sprach Tobias zu seiner Gemahlin Sara: ‘„Wir
sind Kinder der Heiligen und dürfen nicht so zusammenkommen, wie
die Heiden, welche Gott nicht kennen.“’
Sollen aber christliche Ehe-
leute so zusammenkommen, wie es ‘„Kindern der Heiligen“’ d. i. Chri-
sten geziemt, sollen sie in standesmäßiger Menschheit leben, so bedür-
fen sie einer besondern Gnade. ‘„Und da ich wußte.“’ heißt es im
Buche der Weisheit (8, 21) ‘„daß ich nicht enthaltsam (keusch) sein
könnte, wenn der Herr es nicht verleihet, so trat ich zum Herrn und
flehete (um diese Gnade) mit der ganzen Inbrunst meines Herzens.“’

Daher obiges Gebet. Möge es oft ‘„mit der ganzen Inbrunst des
Herzens“’
verrichtet werden.
*)
Wir haben es im Lehrtheile empfohlen, daß die Mutter die Kinder
in ihrer Gegenwart oder mit sich Morgens und Abends beten
lasse. Hier Gebete dafür. Laß also, o christliche Mutter, die Kleinen
um dich hinknieen, etwa vor einem Crucifixe, und dann bete mit
ihnen. Es ist gut, diese Gebete zuweilen mit den Kleinen durchzu-
gehen, um sie ihnen etwas zu erklären. Dann beten sie dieselben
andächtiger.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Holder of rights
Kolimo+

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2025). Collection 0. Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bhn4.0