321. Hertsfelder Hochzeitsitten.
Das Versprechen der Heirat wird im geheimen Uebereinkommen mit einem Kusse bekräftigt. Nachdem die gesetzlichen Vorschriften erfüllt, d.h. die Erlaubniß von geistlicher und weltlicher Obrigkeit gegeben und das gegenseitige Beibringen bestimmt ist, wird derHeiratstag gehalten. Dazu werden alle Bekannten und Verwandten von einem sog. »Heiratstaglader« in das Haus der Hochzeiterin auf den Abend eingeladen; die nächsten Verwandten werden von dem Brautpaar selbst geladen. Ungefähr um 4 Uhr Nachmittags begibt sich das Brautpaar mit zwei »Geschickts- oder hëərlismännern« (Zeugen) und zwei Brautjungfern mit Kränzen geziert zu den Sponsalien in das Pfarrhaus. Nachdem sie wieder zurückgekehrt, beginnt das Gastmal; aufgewartet wird mit Bier, Käs und halbweißem Brod. Auch der unentbehrliche Kaffee darf nicht fehlen. Der Geistliche und Lehrer ist gewöhnlich zu diesem Familienfeste auch eingeladen, und ihr Erscheinen wird als große Ehre gerechnet. Wer auf die Hochzeit geht, kommt auch auf den Heiratstag. Dagegen [375] gehen nicht alle auf die Hochzeit, die beim Heiratsschmaus sind; denn sobald die Nacht angebrochen ist, nach dem Nachtessen, erscheinen auch die ledigen Bursche des Ortes, die alten Schmarotzer der Gemeinde, um sich zu laben. Wenn Musikanten im Orte sind, so fehlen auch diese nicht, und die ledigen Leute unterhalten sich mit Gesang und Tanz. Ein ordentlicher Heiratstag kann auf 40-50 fl. kommen. Dieses hat die Braut zu bestreiten. Sollte aber den Bräutigam die Heirat reuen, so hat er diese Unkosten zu bezahlen. Am Tag vor der Hochzeit wird, wenn der Bräutigam Hausbesitzer ist, der Brautwagen geführt und die Braut abgeholt in ihre künftige Wohnung. Dabei wird mit Pistolen geschossen. Die Braut ist begleitet von zwei Brautjungfern, die bei ihr übernachten.
Die Hochzeit selbst wird in nachstehender Weise gefeiert. Das Brautpaar ladet bei den Verwandten wo möglich selbst, und dies auch bei allen Ortsangehörigen. Die Hochzeitgäste sammeln sich im Hause des Brautpaares. Hier holt sie der Geistliche ab. Die Braut begleiten zwei Brautführer mit geschmückten Säbeln. Sie treten nebst den Kränzelmädel mit ihr an den Altar und stellen sich mit ihren Waffen hinter das Brautpaar. Bei der Trauung überreicht der Geistliche dem Bräutigam den geweihten Trauring mit den Worten: »Nehmet hin diesen Ring als Zeichen der unverbrüchlichen Liebe und Treue.« Der Hochzeiter steckt den Ring an den Finger der Braut. Nachzubemerken wäre noch, daß der Bräutigam der Braut auf die Hochzeit anzuschaffen hat: die Hochzeitschuhe, das Hochzeitkleid, ein Gebetbuch, einen Rosenkranz (pfåtər) und den Braut- oder Ehering. Nach beendigtem Gottesdienst begibt sich der Hochzeitzug zurück in's Wirtshaus. Hier werden die drei ersten Tänze vom [376] Brautpaar gethan, worauf diese sich an den Hochzeittisch begeben. Es wird nun zum Mittagsmal zubereitet. Bei der Malzeit nehmen nicht selten bei vermöglicheren Brautleuten hundert und mehr Gäste Theil. Am Abend wird wieder gegessen und kostet das Hochzeitessen 2 fl. bis 2 fl. 42 kr. Was bei der Mahlzeit nicht gegessen wird, trägt der Hochzeitgast in einem Teller heim. Während des Essens wird über den Tisch gespielt. Nach dem Nachtessen wird (bisher geschah dies von dem Lehrer, der mußte auch den Hochzeitspruch thun) die Schenke von den Hochzeitgästen eingenommen, wobei der Einnehmer jedesmal laut die Gabe und den Geber angibt und im Namen der Brautleute dankt, ungefähr so: N.N. hat 1 fl. geschenkt und wünscht dem werten Brautpaar Glück und Segen, wofür ihm oder ihr die Brautleute danken. Nach diesem sammelt der Polizeidiener für das Waisenhaus, und hernach kommt noch die Spühlerin mit einem Teller und sammelt ein Trinkgeld. Das gewöhnliche Geschenk beträgt 12-24 kr. Jedes Schenkende bekommt einen Schenkwecken, den die Hochzeitmutter hergibt.
Ein eigentümlicher Spaß ist das Brautstehlen. Die zwei Brautführer haben die Braut zu bewachen. Geht nun Einer auf den Spaß aus, so sucht er entweder die Braut fortzulocken, oder wartet, bis er sie den unaufmerksamen Brautführern geschickt entführen kann. Dieser eilt mit ihr von der Hochzeit in die Wirtsstube. Unterdessen ist der Raub ruchbar geworden. Alles eilt der Braut und dem Diebe nach, das Tanzen hat für kurze Zeit ein Ende und die Musikanten bringen dem triumphierenden Sieger eine Hymne dar; wenigstens muß auch ein Walzer oder östreichischer Ländler Dienst leisten. Was hier getrunken wird, müssen die betrogenen Brautführer zahlen, und sie dürfen sich immer [377] auf eine Zeche von 8-10 fl. gefaßt machen, was oft bei ihnen böses Blut macht, ja dieser Schabernack hat schon zu den größten Streitigkeiten und Feindschaften Anlaß gegeben, insbesondere wenn die Braut von einem frühern Liebhaber gestohlen wurde.
Wenn ein vermöglicher lebensfroher Bauer oder ein vermögliches Liebespärchen das Wirtshaus verläßt, so spielen ihm einige Musikanten hinaus. Es wird vor dem Wirtshaus gesungen, getanzt und getrunken, und die Spielleute erhalten bei dieser Gelegenheit guten Lohn.
Wer den Tag über tanzt, ist nicht verpflichtet, den Spielleuten etwas zu geben, weil sie dafür vom Wirte belohnt sind. Dagegen fordern sie am Abend von den Tänzern den Lohn. Damit Ordnung im Tanzsaal ist, hat der Hochzeiter einen Tänzer aufgestellt, der auch die Pflicht hat, mit tanzlustigen Mädchen zu tanzen, falls Mangel an Tänzern ist, denn die Mädchen reiten nicht gerne den Bock heim, d.h. sie gehen nicht gerne ungetanzt nach Hause, weil sie dann mit obiger Redensart ausgefoppt werden. Die Hochzeit geht so gewöhnlich um 12 Uhr nach Hause, und das Brautpaar wird dahin begleitet von den Musikanten, den Brautjungfern und Brautführern und dem Tänzer, und so wäre die Hochzeit geschlossen.