Zweyter Auftritt
Der König mit Gefolg. Jöran, später die Königinn.
JÖRAN.
Gott schütze Eure Majestät!
KÖNIG
kommt düster näher.
Du willst mich sprechen?
JÖRAN.
Zu eurem Heil.
KÖNIG
sieht ihn an.
Und wem zum Schaden?
JÖRAN
nimmt es übel, weiß es aber schnell zu wenden.
Zu meinem eigenen, heischt es meines Königs Wohl.
KÖNIG.
Das galt dem König – Erik weiß, wie er es zu nehmen hat.
JÖRAN.
Mein gnädigster Herr! ein Feind, den ich nicht kenne, raubt mir eure Gunst, ein theures Gut, das ich bey dem Bewußtseyn meiner Treue nie zu verlieren dachte; doch macht mich das nicht lau in meinem [21] Eifer, Eurer Majestät zu dienen. Ein rein Gewissen stellt vor Gott sich hin, und naht sich ohne Scheu auch seinem König.
KÖNIG.
Gott sieht in eure Herzen. Dem Blick des Königs begegnet ein immer lächelndes Gesicht, das keiner Leidenschaft erlaubt, aus ihrem Hinterhalt hervor zu treten. Schmerz, Wuth und Freude wißt ihr meisterlich zu bergen, wenn es euer Vortheil will.
JÖRAN
mit Heucheley.
Nur das Gefühl gekränkter Ehre nicht. Will ab.
KÖNIG.
Jöran –
JÖRAN
bleibt stehen.
Euer Majestät –
KÖNIG.
Nimm nicht auf dich, was ich so hingeworfen sagte; ich glaube an deine Treue, will an sie glauben. Sprich, wenn du mir etwas zu sagen hast.
JÖRAN.
Erlaubt, mein König – ohne Zeugen.
KÖNIG
winkt seinem Gefolge – es entfernt sich.
Nun Jöran, sprich –
JÖRAN.
Gott schütze meinen König und bringe jedes Unheil, das ihm droht, schnell zu seiner Diener Wissen, daß sie es von seinem heiligen Haupte wenden. Mein theurer König, ich tadle euer Mißtrauen gegen Menschen nicht – wie sollt ihr an die Liebe und Treue Fremder glauben, da euer eigen Blut euch so verrathen kann.
KÖNIG
schnell.
Mein Blut? neue Meuterey? ist vielleicht mein Bruder Carl?
JÖRAN.
Wie könnt ihr an der Tugend dieses sanften Prinzen zweifeln? der haus't ruhig in Südermannland, und denket seines königlichen Bruders mit Ehrfurcht und Ergebenheit.
[22]KÖNIG.
Der schwachsinnige Magnus?
JÖRAN.
Ist Herzog von Ostgothland, und würde ein Joch Erde mehr nicht übersehen.
KÖNIG.
Und doch verrathen durch mein Blut?
JÖRAN
zieht Papiere hervor.
Mein König – kennt ihr diese Hand? Zeigt sie ihm.
KÖNIG
sieht hinein.
Johann? nein, unmöglich, er ist ja eng verwahrt?
JÖRAN.
Nicht eng genug, daß er die Hand zum Schreiben nicht bewegen könnte. – Als jüngst ein Haufe tollen Volks den Herzog zu befreyen strebte, bath ich euch dringend, gnädigster Herr, ihn tiefer in den Thurm zu bringen; doch eure Bruderliebe ließ ihn, wo er schaden, dem König sehr gefährlich werden kann. Manns-Ille wurde auf der Straße todt gefunden; das Gericht brachte mir die Schriften, die er nach Dänemark und Frankreich bringen sollte. Ist's Eure Majestät gefällig, sie zu lesen? Hält sie offen hin.
KÖNIG
ist in großer Bewegung, steht einen Augenblick an, dann sagt er.
Gib – Während des Lesens. Was? er spricht von ungerechter Haft? fordert Hülfe? reitzt zum Kriege? rühmt sich eines Anhangs – nennt mich beym Volk verhaßt?
JÖRAN.
Euch – den gerechtesten Monarchen?
KÖNIG
heftig.
Ha, Natter! – zischen kannst du, aber stechen sollst du nicht. Das Tagslicht, das dir meine Bruderliebe gönnte, mißbrauchst du, mich vom Thron zu stürzen? – So nehmt es ihm, werft ihn in des Thurmes Tiefen, kein Luftzug reinige seinen Kerker, keine warme Speise labe ihn, kein tröstend Wort erquicke ihn; [23] verzweifeln soll er an der Menschheit, wie ich an Dankbarkeit und Bruderliebe. Fort –
JÖRAN
will schnell ab.
Sogleich will ich befehlen –
DIE KÖNIGINN
ist während des Königs Rede heraus gekommen, tritt jetzt vor.
Jöran, wartet noch – der König ist erbittert. Ein treuer Diener eilt nicht, im Grimm gegebene Befehle zu vollziehen. Sanft zum König. Erlaubt mein König, daß er noch verweile.
JÖRAN
für sich.
Verdammt, sie stimmt ihn um.
KÖNIG.
Hast du noch Worte, den Verräther zu vertheidigen? Schon sah ich nur mit deinen Augen, schon war ich geneigt, dein ungestümes Flehen zu erhören, ihm die verwirkten Rechte einzuräumen.
JÖRAN
für sich.
Was höre ich?
KÖNIG
fortfahrend.
Da brütet er auf's neue Hochverrath, und damit schloß er nun die Thüre seines Kerkers, daß nur sein Henker sie ihm öffnen soll.
KÖNIGINN
nach einer Pause zu Jöran.
Das seyd ihr.
JÖRAN.
Euer Majestät –
KÖNIGINN.
Ihr facht den alten Haß beständig an, und löscht das kleine Flämmchen Bruderliebe, das ich bey meinem Erik sorgsam nährte. Warum verschweigt ihr kleine Fehler des Gefangenen nicht?
JÖRAN.
Kleine würde ich verschwiegen haben – Gott weiß – ich that das oft.
KÖNIGINN.
Ich glaube euch, denn für kleine Fehler nimmt man ihm nicht das Leben.
KÖNIG.
Maria, tadle nicht meiner Diener Eifer für mein Wohl. Verschwende deine Worte nicht, noch für den Schändlichen zu sprechen. Seine Verbrechen sind nicht [24] mehr zweifelhaft, die Beweise sind in meinen Händen, lies – Gibt ihr die Briefe.
JÖRAN
für sich.
Täglich wächst ihre Macht, es war die höchste Zeit. Laut. Noch vergaß ich Eure Majestät zu sagen, daß ich schon auf der Spur des Anhangs bin. Ein schlauer Kunstgriff sollte sie vergangene Nacht in meine Hände liefern, die Listigen entgingen dieser Falle. Doch einer andern, die ich bereitet, entgehen sie nicht.
KÖNIG.
Deiner Klugheit vertrau' ich diese Sache.
JÖRAN.
Rußlands Heere sammeln sich an Finnlands Grenzen; das könnte leicht schon eine abgemachte Sache seyn. Es wäre nöthig, schnell einen Abgesandten –
KÖNIG.
Du hast Recht –
JÖRAN.
Ich schlage zu dieser Bothschaft Eure Majestät den Grafen Christian Richers, meinen Neffen vor. Er scheint mir dazu sehr gewandt. Ich habe ihn nach Hof beschieden. Eure Majestät versprach dem gestern angelangten pohlnischen Gesandten eine gnädige Audienz; ich bitte bey der Gelegenheit, in Gegenwart des ganzen Hofes, meinem Neffen diese Gnade zu ertheilen.
KÖNIG.
Um dich in ihm zu ehren, sende ich ihn. Nun Maria? –
KÖNIGINN
gibt wehmuthsvoll den Brief zurück.
KÖNIG.
Rechtfertigst du ihn noch?
KÖNIGINN.
Johann steht vor der Welt und euch als ein Verbrecher da, so steht er nicht vor meinem Herzen; es entschuldigt ihn.
KÖNIG
aufgebracht.
Maria –
KÖNIGINN.
Rollt nicht die Augen, mein Gemahl; heißt den Sturm in eurem Busen schweigen; duldet, daß [25] ein Weib euch wahr und offen ihre Meinung sage, und ich bin gewiß, Johann steht dann nicht mit solcher Schuld belastet da, daß ihr ihn ganz verstoßen müßtet. Behutsam. Erik – schon dem Knaben Johann waret ihr nicht hold, und doch ist er, wie ihr, des großen Gustavs Sohn.
KÖNIG.
Der ihn, um der geliebtern Mutter willen, dem Erstgebornen vorzog.
KÖNIGINN.
Hierin liegt der Keim zu all dem Unglück eures Bruders. Als er noch kindisch um des Vaters Knie spielte, lallend auf der Mutter Schooß verlangte, da sah der ältere Erik neidisch auf den kleinen Glücklichen, und wähnte, ihm sey mit der Leiche seiner Mutter auch des Vaters Gunst begraben. Johann wurde Mann, er ging nach eurem Wunsch nach England, warb für euch um Elisabeth; daß sein Gesuch nicht glückte, lag in dem Charakter dieser stolzen Fürstinn, die alle Könige als ihre Freyer sehen will, die jeden hoffen läßt, und nie gewährt. Mit Unrecht traf ihn dafür euer Zorn. Er kam zurück, und wollte sich nach seines Herzens Wunsch vermählen, doch eure Staatsklugheit fand seine Wahl verwerflich. Ihr warbt für ihn um eine andere Braut; er verschmähte sie und ging nach Pohlen, die längst Geliebte als seine Gattinn heim zu führen.
KÖNIG.
War das nicht Trotz? – Pohlen führte Krieg mit Schweden. Es war mehr als Trotz, es war Verrath.
KÖNIGINN
fährt fort.
Johaunes Feinde, – Mit einem Blick auf Jöran. er hat ihrer an diesem Hof – benützten seine Abwesenheit, euer Herz ganz von ihm zu wenden. [26] Ihm hinterbrachte man, ihr wolltet ihm Finnland, sein angeerbtes Herzogthum, entreißen – euch, daß er nach eurer Krone strebe. Beyde Brüder sammelten Heere, bewaffneten tausend Arme, und eine freundlich dargebothene Hand hätte den Zwist geendigt. Johann wurde zu Abo gefangen und zum Tode verdammt. Doch Brudermord war eurem Herzen fremd, ihr beschränktet nur sein Wirken –
KÖNIG.
Und wie vergalt er das?
KÖNIGINN.
Mit Duldung seines harten Schicksals. Demüthige Briefs schrieb er euch, sie wurden kaum gelesen. Jahre flossen hin – sein wurde nicht gedacht. Wie sich der Rost um seines Kerkers Riegel legte, so zog sich eine harte Rinde um euer Herz. Da blickt er auf die abgehärmte Gattinn, die Glanz und Würden von sich stieß, ihm willig in's Gefängniß folgte. Sein Geist, schon halb der Welt entfloh'n, durch diese Bande fühlt er sich an's Irdische gebunden; sie muß er zu befreyen trachten. An eurem Ohr ging sein Geschrey unerhört vorüber; in weiter Ferne sucht er nun, was ihm sein Blut verweigert. Nach Freyheit strebt der Mensch, wenn er sich ungestüm dem mütterlichen Schooß entwindet, und jagt ihr nach, so lang er athmen kann. Je enger sich der Kreis des Wirkens um ihn schließt, je lauter ruft's in ihm – hinaus.
JÖRAN.
Wie? Eure Majestät vertheidigt ihn? ihn, der sich weigerte, in euch die Königinn zu ehren? der bey eurer Krönung nicht erschien!
KÖNIGINN.
Er rieth dem König, um des Landes und der Stände willen, eine würdigere Wahl zu treffen,[27] und nicht die Tochter eines Bauern von dem kleinen Hof Auga zu seiner Gattinn zu erheben. Das nähmliche rieth ich dem Könige auch; soll ich, was ich selbst that, an einem andern strafen? Daß er gegen meinen Stand sprach, kann ich ihm nicht verargen, mein Herz kannte er ja nicht.
JÖRAN
für sich.
Der König wankt, ich brauche Gegengift. Laut. Wenn Eure Majestät mit so viel Eifer Schuldige vertritt, so sind sie mehr als Schwedens treuste Unterthanen zu beneiden. Es ist wahr, des Königs Gnade könnte noch einmahl verzeihen, allein der Inhalt dieser Briefe, die man auf offner Straße fand, ist schon in aller Leute Mund. Das Volk umringte, als es ruchbar ward, mein Haus, und schrie: »Gott schütze unsern König und strafe den Rebellen!« Wenn der Monarch ein laut gewordenes Verbrechen, das jeder Unterthan mit Strenge richtet, mit gütiger Schonung übersieht, so ist das Volk gar bald geneigt, den guten König schwach zu nennen.
KÖNIG.
Keine Nachsicht.
JÖRAN
schnell.
Sie könnte sehr gefährlich werden.
KÖNIG.
Berufet den geheimen Rath; was er beschließt, werde schnell vollzogen.
KÖNIGINN.
An dem Bruder?
KÖNIG.
Das nähmliche Gericht, das meine Bürger richtet, verdamme auch den Königssohn. Soll der gemeine Missethäter nur der Gerechtigkeit zum Opfer fallen? und größere, von Stand und Laster, dürften jedes Recht verletzen? Zu Jöran. Bemächtige dich seiner vorigen Hüter, lass' ihn in engere Verwahrung bringen, untersuche, [28] richte. – Der Augenblick der Gnade ist entfloh'n, die Stunde der Vergeltung hat geschlagen.
JÖRAN.
Ich eile. Will ab.
KÖNIGINN.
Jöran –
JÖRAN
bleibt stehen.
Euer Majestät –
KÖNIGINN.
Treibt euch nur Eifer für des Königs Wohl? spielt euer Haß dabey gar keine Rolle?
JÖRAN
gekrankc.
Dieß Verkennen meiner reinen Absicht, meiner Unterthanenpflicht.
KÖNIG.
Maria, kränke nicht durch solchen niedrigen Verdacht meinen treu'sten Diener. – Zu Jöran. Du weißt, der Frauen Richter ist ihr Herz. Der Mann hohlt Rath bey der Vernunft – sie befiehlt uns, so zu handeln, vergiß den Argwohn.
JÖRAN.
Der treue Schwede hat nur Gedächtniß für die Augenblicke der Huld und Gnade, womit ihn Eure Majestät beglucken. Heil den schönen, mitleidsvollen Herzen unsrer Königinn! – Wenn auf dem Throne die Gerechtigkeit Hand in Hand mit dem Erbarmen geht, so ist des Volkes Glück gegründet. Mit Feuer zum König. Heil dem ge rechten König! Scheinheilig zur Königinn. Heil unsrer guten Königinn. Schnell ab.