Die dreizehnte Fabel.
Vom Hund und Esel.
Es het ein reicher man ein hund,
Der umb in war all zeit und stund,
Mit spielen im vil zeit vertrieb,
Darumb in auch sein herr het lieb;
Stets bei im auf dem pulster saß
Und teilt im mit, so oft er aß.
Das Hausgesind desgleichen tet,
Denselbigen hund auch lieb het.
Ein esel hat derselbig man,
Der het viel eselsarbeit tan;
Der kam ins haus on als gefar:
Des hunds ward er beim herrn gewar
Und sah, daß mit im spielt der herr;
Verdroß in aus der maßen ser.
Er seufzt, sprach zu im selber nu:
»Ach Gott, wie gets so ungleich zu!
Es ist der herr und jederman
Dem hund mit freundschaft zugetan;
Das hausgsind im vil gnad beweist,
Wird auch vons herren tisch gespeist.
Mit spielen und mit müßig gon
Verdient der hund denselben lon.
[31]Dagegen tu vil arbeit ich,
Des doch niemand erbarmet sich.
Seck, waßer, holz muß teglich tragen,
Werd noch dazu mit knütteln gschlagen,
Gespeist mit grobem gerstenstro:
Meins lebens werd ich nimmer fro.
Ich sihe wol, wer vil schmeichlen kan,
Der ist im korb der beste han.
Erlangt man damit gnad und gunst,
Ich kan auch wol dieselbe kunst.«
Wie nu der herr kam heim gegangen,
Wolt in der esel auch empfangen:
Mit eselsfüßen in beschritt,
Rief: »Ika, Ika!« kunt anders nit;
Dappet in, daß er greulich rief.
Das hausgesind bald zuher lief,
Dem groben esel mit knütteln hart
Sein haut im wol zerdroschen ward:
Im ward sein spielen ungestalt
Mit großen schlegen wol bezalt.
Ein jeder sehe auf sein beruf,
Dazu in Gott erwelt und schuf;
Denn nicht all ding ein jederman
Ausrichten und bestellen kan.
Wo die natur tut widerstreben,
Dahin sol sich niemand begeben.
Der esel kan nicht hasen jagen,
Der hund kan auch kein secke tragen.
Vorwar, glaub mir, es stet nicht fein,
Wo der knecht übern herrn wil sein,
Die magd die frau verechtlich helt:
Solch haushaltung mir nicht gefellt.
Ein jeder bleib bei seinem stand,
So stet es wol im ganzen land.