Die fünfte Fabel.
Von einem Waltbruder.
Man list, vor dreizehn hundert jaren,
Da die aposteln gstorben waren
Und ire jüngern auch nach in,
Der beste kern war schon dahin
Von den ersten, fürnemsten christen,
Bracht der teufet mit seinen listen
Von den heiden groß tyrannei
Und undern christen ketzerei.
Dadurch die christenheit nam ab,
Mancher sich in die wildnus gab,
Daraus zuletst einsidel worden,
Gerieten in ein sondern orden,
Wolten Gott dienen in der wildnus,
Aus dem sie machten in ein bildnus;
Wie in ir eigen danken malt,
So must er gwinnen ein gestalt.
Daraus entstund gar seltzam wesen,
Wie wir in vitis patrum lesen,
Daß sie vil wunderding betrieben,
Wie in demselben buch beschrieben.
Da kam ein junger bruder hin,
Dem auch die welt nach seinem sin,
Wie im gedacht, nit leben wolt,
Und meint, daß ers da finden solt.
Versuchts mit ir ein kleine zeit;
Sein anschleg felten im gar weit.
Wie er bei im war eigensinnig,
Deucht in all ding auch widerspinnig,
[151]Gefiel im nit der brüder leben,
Gedacht sich auch von in zu geben
Und sündert sich von der gemein,
Ziehen in wilden walt allein,
Gedacht: daselb magstu Gott dienen,
Wenn du gescheiden weit von inen.
Er nam mit im ein steinen krug,
Darin ein wenig waßers trug,
Das er möcht in der wildnus haben
Und in der hitz sein durst zu laben.
Zohe in der wildnus hin und wider;
Zuletst sahe er ein berg hernider
Auf einem platz ein brünlin kalt,
Den umberingt der grüne walt,
Gedacht: in disem tat wils wagen,
Beim brunn dein läger hie anschlagen.
Er bauet an, macht im ein hütten,
Ein steinen tisch satzt in die mitten
Recht oben übern selben brunnen,
Von laub macht schatten vor die sunnen.
Von solcher arbeit ward im heiß,
Daß im die müd ausbrach den schweiß;
Nam seinen krug, schöpft waßer frisch,
Satzt sich zu trinken, bei den tisch.
Der krug fiel umb, das waßer floß,
Unversehens so gar ausgoß.
Er ward zornig und schöpfet wider,
Auf den tisch setzt den krug nider;
On all gefer fiel wider umb.
Er flucht: »Daß dichs unglück ankum!
Kanstu nit sten?« Schöpft und zuletst
Im zorn den krug da nider setzt.
Sihe, da fiel er zum dritten mal.
Er sprach: »Ich dirs wol kochen sol!
Du solt mich zwar nit mer bekümmern!«
Warf in im zorn zu kleinen drümmern
Daselb gegen ein großen stein.
Bald sprach er: »Jetzt bin ich allein
[152]Und kan doch nit mit frieden leben;
Hat mir doch niemand ursach geben,
Dennoch hab mich erzörnen laßen,
Sihe wol, wenn ich mich selb könt maßen
Und wust mich in die welt zu schicken,
Dorft ir zwar nit zukern den rücken.
Ich merk wol, wo die sach getan:
Den fel ich selb im herzen han;
Wenn ich mich selb nur baß künt zwingen,
Wurd mir bein leuten baß gelingen.
Ich wil mich nach den leuten halten
Und solchs den lieben Gott lan walten.«
Aus solchem vorwitz ist es kummen,
Daß im ein jeder fürgenummen
Ein stant, dadurch die leut zu meiden,
Von der gmeinen welt zu scheiden,
Und etwas sonders angericht,
Was im sein eigner kopf erdicht.
Der merer teil hat keuschheit globt,
Und wenig warn damit begabt,
Mit cerimon gestift vil wunder,
Damit sich von der welt zu sundern:
Es hat aber die meinung nicht.
Nach dem wort Gotts dein leben richt,
Halt dich redlich, ner dich im land,
Leid mit den deinen er und schand,
Freud, glück, unglück und frölichkeit,
Beid guts und bös, was dir Gott geit.
Dein fel hast in den kleidern nicht,
Sunst wer er leichtlich hingericht.
Wiltu der sünden ursach meiden,
So tu dein eigen herz beschneiden;
Werd erst an deinem balken ritter,
Darnach zeuh aus deins nehsten splitter.
Wenn dir dein herz erst selb tut recht,
Bald wirds mit andern leuten schlecht;
Wenn du dein eigen willn erstochen,
So hast dich an der welt gerochen.