Vierte Szene
Der Landgraf und Elisabeth treten an den Balkon, um nach der Ankunft der Gäste zu sehen. Vier Edelknaben treten auf und melden an. Sie erhalten vom Landgrafen Befehl für den Empfang usw. – Die Ritter und Grafen treten einzeln mit Edelfrauen und Gefolge, welches im Hintergrunde bleibt, ein und werden vom Landgrafen und von Elisabeth empfangen
[235]CHOR.
Freudig begrüßen wir die edle Halle,
wo Kunst und Frieden immer nur verweil,
wo lange noch der frohe Ruf erschalle:
Thüringens Fürsten, Landgraf Hermann, Heil!
Die Versammelten haben alle die ihnen angewiesenen, einen großen Halbkreis bildenden Plätze eingenommen. Der Landgraf und Elisabeth nehmen im Vordergrunde unter einem Baldachin Ehrensitze ein. – Trompeten. – Die Sänger treten auf, begrüßen die Versammlung und werden von den Edelknaben nach ihren Sitzen geleitet (die in der leer gelassenen Mitte des Saales einen engeren Halbkreis bilden. Tannhäuser im Mittelgrunde rechts, Wolfram am entgegengesetzten Ende links,
der Versammlung gegenüber). – Der Landgraf erhebt sich
LANDGRAF.
Gar viel und schön ward hier in dieser Halle
von euch, ihr lieben Sänger, schon gesungen;
in weisen Rätseln wie in heitren Liedern
erfreutet ihr gleich sinnig unser Herz.
Wenn unser Schwert in blutig ernsten Kämpfen
stritt für des deutschen Reiches Majestät,
wenn wir dem grimmen Welfen widerstanden,
und dem verderbenvollen Zwiespalt wehrten:
so ward von euch nicht mindrer Preis errungen.
Der Anmut und der holden Sitte,
der Tugend und dem reinen Glauben
erstrittet ihr durch eure Kunst
gar hohen, herrlich schönen Sieg.
Bereitet heute uns denn auch ein Fest,
heut, wo der kühne Sänger uns zurückgekehrt,
den wir so ungern lang vermißten.
Was wieder ihn in unsre Nähe brachte,
ein wunderbar Geheimnis dünkt es mich;
durch Liedes Kunst sollt ihr es uns enthüllen;
deshalb stell ich die Frage jetzt an euch:
könnt ihr der Liebe Wesen mir ergründen?
Wer es vermag, wer sie am würdigsten
besingt, dem reich Elisabeth den Preis, –
er fordre ihn so hoch und kühn er wolle,
ich sorge, daß sie ihn gewähren solle.
Auf, liebe Sänger! Greifet in die Saiten!
Die Aufgab ist gestellt, – kämpft um den Preis,
und nehmet All im voraus unsren Dank!
[236]CHOR DER RITTER UND EDELFRAUEN.
Heil! Heil! Thüringens Fürsten Heil!
Der holden Kunst Beschützer Heil! Heil! Heil!
Alle setzen sich. Die vier Edelknaben treten hervor; sie sammeln in einem goldenen Becher von jedem der Sänger seinen auf ein zusammengerolltes Blättchen gezeichneten Namen; darauf reichen sie den Becher Elisabeth, welche eines der Blättchen herauszieht und wiederum den Edelknaben reicht; diese lesen, treten feierlich in die Mitte und rufen:
VIER EDELKNABEN.
Wolfram von Eschenbach beginne!
Sie setzen sich zu Füßen des Landgrafen und Elisabeths nieder. – Wolfram erhebt sich. Tannhäuser stützt sich, wie in Träumerei verfallend, auf seine Harfe.
WOLFRAM.
Blick ich umher in diesem edlen Kreise,
welch hoher Anblick macht mein Herz erglühn!
So viel der Helden, tapfer, deutsch und weise,
ein stolzer Eichwald, herrlich, frisch und grün; –
und hold und tugendsam erblick ich Frauen,
lieblicher Blüten düftereichster Kranz.
Es wird der Blick wohl trunken mir vom Schauen,
mein Lied verstummt vor solcher Anmut Glanz.
Da blick ich auf zu einem nur der Sterne,
der an dem Himmel, der mich blendet, steht: –
es sammelt sich mein Geist aus jeder Ferne,
andächtig sinkt die Seele in Gebet.
Und sieh, mir zeiget sich ein Wunderbronnen,
in den mein Geist voll hohen Staunens blickt;
aus ihm er schöpfet gnadenreiche Wonnen,
durch die mein Herz er namenlos erquickt.
Und nimmer möcht ich diesen Bronnen trüben,
berühren nicht den Quell mit frevlem Mut:
in Anbetung möcht ich mich opfernd üben,
vergießen froh mein letztes Herzensblut!
Ihr Edlen mögt in diesen Worten lesen,
wie ich erkenn der Liebe reinstes Wesen.
Er setzt sich
DIE RITTER UND FRAUEN
in beifälliger Bewegung.
So ist's! So ist's! Gepriesen sei dein Lied!
TANNHÄUSER
der gegen das Ende von Wolframs Gesänge wie aus dem Traume aufgefahren ist, erhebt sich.
Auch ich darf mich so glücklich nennen
zu schaun, was, Wolfram, du geschaut.
Wer sollte nicht den Bronnen kennen?
[237] Hör, seine Tugend preis ich laut!
Doch, ohne Sehnsucht heiß zu fühlen
ich seinem Quell nicht nahen kann;
des Durstes Brennen muß ich kühlen,
getrost leg ich die Lippen an –
in vollen Zügen trink ich Wonnen,
in die kein Zagen je sich mischt,
denn unversiegbar ist der Bronnen,
wie mein Verlangen nie erlischt.
So, daß mein Sehnen ewig brenne,
lab an dem Quell ich ewig mich.
Und wisse, Wolfram, so erkenne
der Liebe wahrstes Wesen ich!
Er setzt sich. – Elisabeth macht eine Bewegung, ihren Beifall zu bezeugen; da aber Alles in ernstem Schweigen verharrt, hält sie sich schüchtern zurück
WALTHER VON DER VOGELWEIDE
erhebt sich.
Den Bronnen, den uns Wolfram nannte,
ihn schaut auch meines Geistes Licht;
doch, der in Durst für ihn entbrannte,
du, Heinrich, kennst ihn wahrlich nicht.
Laß dir denn sagen, laß dich lehren:
der Bronnen ist die Tugend wahr;
du sollst in Inbrunst ihn verehren
und opfern seinem holden Klar.
Legst du an seinen Quell die Lippen,
zu kühlen frevle Leidenschaft,
ja, wolltest du am Rand nur nippen,
wich ewig ihm die Wunderkraft!
Willst du Equickung aus dem Bronnen haben,
mußt du dein Herz – nicht deinen Gaumen laben.
Er setzt sich
CHOR DER RITTER UND FRAUEN.
Heil Walther! Preis sei deinem Liede!
TANNHÄUSER
erhebt sich mit Heftigkeit.
O Walther, der du also sangest,
du hast die Liebe arg entstellt!
Wenn du in solchem Schmachten bangest,
versiegte wahrlich wohl die Welt!
Zu Gottes Preis in hoch erhabne Fernen
blickt auf zum Himmel, blickt auf zu seinen Sternen:
Anbetung solchen Wundern zollt,
da ihr sie nicht begreifen sollt!
[238] Doch was sich der Berührung beuget,
euch Herz und Sinnen nahe liegt,
was sich, aus gleichem Stoff erzeuget,
in weicher Formung an euch schmiegt,
dem ziemt Genuß in freud'gem Triebe,
und im Genuß nur kenn ich Liebe!
Er setzt sich
BITEROLF
erhebt sich schnell und zornig.
Heraus zum Kampfe mit uns Allen!
Wer bliebe ruhig, hört er dich?
Wird deinem Hochmut es gefallen,
so höre, Lästrer, nun auch mich!
Wenn mich begeistert hohe Liebe,
stählt sie die Waffen mir mit Mut;
daß ewig ungeschmäht sie bliebe,
vergöss ich stolz mein letztes Blut!
Für Frauenehr und hohe Tugend
als Ritter kämpf ich mit dem Schwert;
doch was Genuß beut deiner Jugend,
ist wohlfeil keines Streiches wert!
CHOR DER RITTER UND FRAUEN
in tobendem Beifall.
Heil Biterolf! Hier unser Schwert!
TANNHÄUSER
mit immer steigender Hitze auffahrend.
Ha, tör'ger Prahler Biterolf!
Singst du von Liebe, grimmer Wolf?
Gewißlich hast du nicht gemeint,
was mir genießenswert erscheint!
Was hast du, Ärmster, wohl genossen?
Dein Leben war nicht liebereich –
und was von Freuden dir entsprossen,
das galt wohl wahrlich keinen Streich!
DIE RITTER
in größter Aufregung.
Laßt ihn nicht enden! Wehrt seiner Kühnheit!
DER LANDGRAF
zu Biterolf, der das Schwert zieht.
Zurück das Schwert! Ihr Sänger, haltet Frieden!
Wolfram erhebt sich; sogleich tritt wieder Ruhe ein
WOLFRAM.
O Himmel! Laß dich jetzt erflehen!
Gib meinem Lied der Weihe Preis!
Gebannt laß mich die Sünde sehen
aus diesem edlen, reinen Kreis!
Dir, hohe Liebe, töne
begeistert mein Gesang,
die mir in Engels Schöne
[239] tief in die Seele drang!
Du nahst als Gottgesandte,
ich folg aus holder Fern:
so führst du in die Lande,
wo ewig strahlt dein Stern!
Tannhäuser springt auf
TANNHÄUSER
in äußerster Verzückung.
Dir, Göttin der Liebe,
soll mein Lied ertönen,
gesungen, laut sei jetzt dein Preis von mir!
Dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen,
und jedes holde Wunder stammt von dir!
Wer dich mit Glut in seine Arme geschlossen,
was Liebe ist, kennt der, nur der allein!
Armsel'ge, die ihr Liebe nie genossen,
zieht hin! Zieht in den Berg der Venus ein!
Allgemeiner Aufbruch und Entsetzen
ALLE.
Ha! Der Verruchte! Fliehet ihn!
Hört es! Er war im Venusberg!
DIE EDELFRAUEN.
Hinweg! Hinweg! Aus seiner Näh!
Alle Frauen verlassen in größter Bestürzung und unter Gebärden des Abscheus die Halle. Elisabeth, die dem Streite der Sänger mit wachsender Angst zugehört hatte, bleibt von den Frauen allein zurück – bleich, nur mit dem größten Aufwand ihrer Kraft an einer der hölzernen Säulen des Baldachins sich aufrecht erhaltend. – Der Landgraf, alle Ritter und Sänger haben ihre Sitze verlassen und treten zusammen. Tannhäuser zur äußersten Linken, verbleibt noch eine Zeitlang wie in Verzückung
LANDGRAF, RITTER UND SÄNGER.
Ihr habt's gehört! Sein frevler Mund
tat das Verbrechen schrecklich kund:
er hat der Hölle Lust geteilt,
im Venusberg hat er geweilt!
Entsetzlich! Scheußlich! Fluchenswert!
In seinem Blute netzt das Schwert!
Zum Höllenpfuhl zurückgesandt,
sei er gefemt, sei er gebannt!
Alle dringen mit gezücktem Schwerte auf Tannhäuser ein, der eine trotzige Stellung einnimmt; Elisabeth stürzt dazwischen
ELISABETH.
Haltet ein!
Alle halten in größter Betroffenheit an
[240]LANDGRAF, RITTER UND SÄNGER.
Was hör ich? Wie? Elisabeth!
Die keusche Jungfrau für den Sünder?
ELISABETH
Tannhäuser mit ihrem Körper deckend.
Zurück! Des Todes achte ich sonst nicht!
Was ist die Wunde eures Eisens gegen
den Todesstoß, den ich von ihm empfing?
LANDGRAF, RITTER UND SÄNGER.
Elisabeth, was muß ich hören?
Wie ließ dein Herz dich so betören,
von dem die Strafe zu beschwören,
der auch so furchtbar dich verriet?
ELISABETH.
Was liegt an mir? Doch er – sein Heil!
Wollt ihr sein ewig Heil ihm rauben?
LANDGRAF, RITTER UND SÄNGER.
Verworfen hat er jedes Hoffen,
niemals wird ihm des Heils Gewinn!
Des Himmels Fluch hat ihn getroffen!
In seinen Sünden fahr er hin!
Sie dringen von neuem auf Tannhäuser ein
ELISABETH.
Zurück von ihm! Nicht ihr seid seine Richter!
Grausame! Werft von euch das wilde Schwert!
Und gebt Gehör der reinen Jungfrau Wort!
Vernehmt durch mich, was Gottes Wille ist!
Der Unglücksel'ge, den gefangen
ein furchtbar mächt'ger Zauber hält, –
wie, sollt er nie zum Heil gelangen
durch Sühn und Buß in dieser Welt?
Die ihr so stark im reinen Glauben,
verkennt ihr so des Höchsten Rat?
Wollt ihr des Sünders Hoffnung rauben,
so sagt, was euch er Leides tat?
Seht mich, die Jungfrau, deren Blüte
mit einem jähen Schlag er brach,
die ihn geliebt tief im Gemüte,
der jubelnd er das Herz zerstach! –
Ich fleh für ihn, ich flehe für sein Leben;
zur Buße lenke er reu'voll den Schritt!
Der Mut des Glaubens sei ihm neu gegeben,
daß auch für ihn einst der Erlöser litt.
TANNHÄUSER
in furchtbarer Zerknirschung zusammenstürzend.
Weh! Weh mir Unglücksel'gem!
LANDGRAF, RITTER UND SÄNGER.
Ein Engel stieg aus lichtem Äther,
zu künden Gottes heil'gen Rat!
Blick hin, du schändlicher Verräter!
[241] Werd inne deiner Missetat!
Du gabst ihr Tod, sie bittet für dein Leben!
Wer bliebe rauh, hört er des Engels Flehn?
Darf ich auch nicht dem Schuldigen vergeben,
dem Himmelswort kann ich nicht widerstehn!
TANNHÄUSER.
Zum Heil den Sündigen zu führen,
die Gottgesandte nahte mir;
doch ach! – sie frevelnd zu berühren
hob ich den Lästerblick zu ihr!
O du, hoch über diesen Erdengründen,
die mir den Engel meines Heils gesandt!
Erbarm dich mein, der, ach so tief in Sünden,
schmachvoll des Himmels Mittlerin verkannt!
DER LANDGRAF
feierlich in die Mitte tretend.
Ein furchtbares Verbrechen ward begangen;
es stahl mit heuchlerischer Larve sich
zu uns der Sünde fluchbeladner Sohn. –
Wir stoßen dich von uns, bei uns darfst du
nicht weilen! Schmachbefleckt ist unser Herd
durch dich, und dräuend blickt der Himmel selbst
auf dieses Dach, das dich zu lang schon birgt!
Zur Rettung doch vor ewigem Verderben
steht offen dir ein Weg – von mir dich stoßend,
zeig ich ihn dir: nütz ihn zu deinem Heil!
Versammelt sind aus meinen Landen
bußfert'ge Pilger, stark an Zahl;
die ältren schon voran sich wandten,
die Jüngren rasten noch im Tal.
Nur um geringer Sünde willen
ihr Herz nicht Ruhe ihnen läßt;
der Buße frommen Drang zu stillen,
ziehn sie nach Rom zum Gnadenfest.
LANDGRAF, RITTER UND SÄNGER.
Mit ihnen sollst du wallen
zur Stadt der Gnadenhuld,
im Staub dort niederfallen
und büßen deine Schuld;
vor ihm stürz dich darnieder,
der Gottes Urteil spricht!
Doch kehre nimmer wieder,
ward dir sein Segen nicht!
Mußt unsre Rache weichen,
weil sie ein Engel brach,
[242] dies Schwert wird dich erreichen,
harrst du in Sünd und Schmach!
ELISABETH.
Laß hin zu dir ihn wallen,
du Gott der Gnad und Huld!
Ihm, der so tief gefallen,
vergib der Sünden Schuld!
Für ihn nur will ich flehen,
mein Leben sei Gebet!
Laß ihn dein Leuchten sehen,
eh er in Nacht vergeht!
Mit freudigem Erbeben
Laß dir ein Opfer weihn: –
nimm hin, o nimm mein Leben!
Ich nenn es nicht mehr mein!
TANNHÄUSER.
Wie soll ich Gnade finden?
Wie büßen meine Schuld?
Mein Heil sah ich entschwinden,
mich flieht des Himmels Huld!
Doch will ich büßend wallen,
zerschlagen meine Brust,
im Staube niederfallen;
Zerknirschung sei mir Lust!
Oh! Daß nur er versöhnet,
der Engel meiner Not,
der sich, so frech verhöhnet,
zum Opfer doch mir bot!
GESANG DER JÜNGEREN PILGER
im Hintergrunde, tief, wie aus dem Tale heraufschallend.
Am hohen Fest der Gnad und Huld
in Demut sühn ich meine Schuld.
Gesegnet, wer im Glauben treu!
Er wird erlöst durch Buß und Reu!
Alle haben, den Gesang vernehmend, von der leidenschaftlichsten und drohendsten Gebärde zu einer milderen und gerührten übergehend, gelauscht. – Tannhäuser, dessen Züge von einem Scheine schnell erwachter Hoffnung verklärt werden, wendet sich rasch zum Abgange
TANNHÄUSER.
Nach Rom!
Er eilt ab
ALLE
rufen ihm nach.
Nach Rom!