Achtundvierzig

Siebzig Jahre ist das nun her.
Siebzig Jahre wiegen so schwer.
Schwarz-rot-goldene Fahnen flatterten,
Vater Wrangels Musketen knatterten –
Wofür?
[7]
Wie glühten die Herzen! wie glühten die Köpfe!
Kampf! Kampf gegen die Bürgertröpfe,
gegen die nickenden Zipfelmützen –
Klatschen in trübe Fürstenpfützen –
Und dann?
Der große Sieg in den siebziger Jahren
ist uns verdammt in die Krone gefahren.
Die Krone gleißte. Die Bürger krochen.
Die treusten deutschen Herzen pochen
im Proletariat.
Und dann? Die versprochenen herrlichen Zeiten!
Und dann? Wir wollen gen Frankreich reiten!
Und dann? Wir kämpfen gegen zwei Welten,
Herz und Hirn haben den Deubel zu gelten –
Jetzt sitzt er in Holland.
Wofür, mein Gott, hat die Freiheit geblutet?
Wofür wurden Männer und Mädchen geknutet?
Spartakus! Deutsche! So öffnet die Augen!
Sie warten, euch Blut aus den Adern zu saugen –
Der Feind steht rechts!
Zerfleischt euch nicht das eigene Herz!
Denkt an die Barrikaden im März –!
Wir litten so viel.
Wollen wir nicht endlich Weltbürger werden?
Wir haben nur einen Feind auf Erden:
den deutschen Schlemihl!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Werke. 1919. Achtundvierzig. Achtundvierzig. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-673D-D