186. Spukhafte Erscheinungen von Tieren.

a.

In Rhaude – Ostfriesland – stahlen einmal Knaben des Nachts Äpfel. Der eine hatte so viel, daß er sie kaum tragen konnte; so wünschte er sich ein Pferd, um seine Äpfel bequemer fortbringen zu können. Plötzlich stand ein Pferd mitten auf dem Wege. Der Knabe legte seinen Äpfelsack hinauf und kletterte auch selbst hinauf, fiel aber an der anderen Seite sofort wieder hinunter. Als er zum zweiten Male aufstieg, fiel er durch das Pferd hin und zerbrach das Genick.

b.

Zu Bokelesch, Ksp. Strücklingen, im Herrenholze, hält sich ein weißes Pferd auf; viele haben es schon gesehen. – Auf dem Kirchhofe zu Ganderkesee zeigt sich nachts ein Schimmel. Gewöhnlich zeigt er sich bei der Habbrügger Pforte, aber auch an anderen Stellen im und in der Nähe des Dorfes. Einst kam ein früherer Pastor zu Ganderkesee im hellen Mondenschein um Mitternacht von einer Hochzeit. Als sie über den Hexenberg zwischen Bürstel und Ganderkesee [289] fuhren, stand mit einem Male an jeder Seite des Weges ein großer Schimmel mit feurigen Augen und hielt die Zunge aus dem Halse, sich bäumend, wie man Pferde wohl auf Wappen sieht. Der Pastor mußte zwischen ihnen durch. Er sagte aber: »Herr, führe uns nicht in Versuchung,« und in demselben Augenblicke waren die Schimmel verschwunden.

c.

In der Ruebörn zwischen Holdorf und Glandorf wird häufig ein Pferd ohne Kopf gesehen, von einigen auch mehrere kopflose Pferde und verstümmelte Soldaten, woraus man schließt, daß hier einst eine Schlacht wird geschlagen werden. An manchen Orten sieht man Füllen ohne Kopf, so zwischen Buttel und Wahnbek auf dem Wege, im Kirchspiel Bardewisch, in der Nähe von Wiarden bei Sparenburg und Rhaude.

d.

Vor Johann Behrens Hause in Sage, Ksp. Großenkneten, ist eine kleine Erhöhung und auf derselben ein Dornbusch. Als man den pflanzte, schlachtete man ein Pferd dabei und warf den Kopf darunter. Und dieser Kopf wird nicht vergehen, so lange Sage steht. Den Tänzern und Nachtschwärmern ist dieser Kopf gefährlich, denn sie haben zu erwarten, daß er ihnen auf beiden Kinnladen tanzend entgegenkommt. Also meiden sie diesen Hügel und Dornbusch, und wenn sie das nicht können, so eilen sie schnell vorbei.

e.

Als in früheren Jahren im Stöckenkamp bei Wildeshausen noch ein Galgen stand, ging ein Mädchen aus Tabken Hause zu Dötlingen in Folge einer Wette nachts dorthin, um mit einem Beile einen Span von dem Galgen abzuhauen. Sie fand dort ein weißbuntes Pferd angebunden, band es los und führte es mit nach Hause. Seitdem hat man in jenem Hause immer weißbunte Pferde gehabt.

f.

Eine Frau in Wardenburg trieb einmal ihre drei Kühe durch Wasser, das auf dem Wege stand, da erblickte sie plötzlich statt der drei Kühe vier Stück Vieh; das eine aber hatte tellergroße Augen im Kopfe.

g.

Vor Oellers, as et mit de Sgolmesters man knapp stund, weer to Loy en olen Sgolmester, de denn Sonnabends ok na de Ipper (Ipweger) Buren mit sien Putzelmest leep, dat de Sonndags glatt na de Karke kamen kunnen un he 'n paar Groot in de Taske kreeg. Disse Ole kamm denn ok is lat uppen Trüggeweg (Rückweg) un wull as anners ok awer de hoge Meinen. As he up de hoge Meinen is, bejägnet em 'n grot Swin. »Och,« seggt de Sgolmester, »sochst du ole Blod [290] din Gnabbje hier ok noch?« süh, dar sitt dat Düwels-Swin em uppen Nacken, un he in sin Angst fangt lut an to bäen. Awers dat Swin ward man jümmer swarer un drückt em, dat em dat Sweet man so bin Rüggen dal loppt, bet he toletzt nich anners kann un gans gräsig an to flöken fangt – un weg was et wäsen. – Ein andermal ist die Sau einem Fuhrmann hinten auf den Wagen gesprungen und ist eine so schwere Last gewesen, daß die Pferde nicht aus der Stelle haben kommen können. Der Fuhrmann hat gebetet und sich gesegnet, aber das hat nichts geholfen. Endlich hat er sich auf die Deichsel gestellt und die Wagenbretter vorn in die Höhe gehoben, da ist es hinten hinunter gefallen.

h.

In Norddöllen, Ksp. Visbek, zeigen sich des Nachts mehrere Hunde. Erst laufen zwei zusammen eine Strecke bis zu einem gewissen Hause, dann gesellt sich ein dritter hinzu, und alle drei laufen dann auf dem Esche den Weg entlang bis zu einer gewissen Stelle, wo sie erst zusammen auf ein Ackerstück, von da aber jeder einzeln seinen besonderen Weg gehen. Die Hunde sind schwarz und rasseln wie mit Ketten. Viele haben sie gesehen und sich vor ihnen gefürchtet.

i.

In Astrup, Ksp. Visbek, soll ein großer Hund neben der Straße, durch mehrere enge Wege und über mehrere Kämpe gehen. Er macht ein Gerassel, als wenn ein Hund mit einer langen Kette läuft und dieselbe hinterher schleppt. Als einst ein Jüngling spät abends nach Hause ging, mußte er über eine Steige. Aber grade wie er hinüber wollte, kam der große Hund von der anderen Seite, setzte die beiden Vorderfüße auf die Steige und sah ihm mit seinen großen Augen ins Gesicht. Der Jüngling lief davon und begab sich auf einem Umwege nach Hause. – Ein andermal wollte ein Mann von Astrup am ersten Ostertage morgens sehr früh in die Kirche gehen. Als er eben vor dem Dorfe bei den Brokkämpen war, hörte er ein Gerassel, und auf einmal sprang ihm der Hund auf die Schultern, und der Mann mußte denselben, obwohl er sehr schwer war, bis zu dem Reuterwege auf dem Astrupper Esche tragen, denn es kann der Spuk über keinen Kreuzweg, und dort läuft der Reuterweg quer über den Kirchweg. – Andere spukhafte Hunde 502e, n, 517i, 588e, 594d, 598b, 606a.

k.

In der Nähe des Neuenkircher Meierhofes stand bislang eine hohe Buche an einer Stelle, wo der Weg sich teilt. Zwischen den Aesten dieser Buche zeigte sich zuweilen eine [291] Katze, die immer größer und schrecklicher wurde, zuletzt so groß wie ein Haus.

l.

Ein Mann bei Hundsmühlen, Ksp. Wardenburg, ging einst abends auf die Jagd. Nach längerer Wanderung im Mondenschein erblickte er plötzlich einen Fuchs. Als er denselben näher ins Auge faßte, bemerkte er, daß der Schwanz desselben immer größer und größer wurde und endlich die Länge eines Bindelbaums bekam. Der Mann wagte es, auf das Tier, das sich in Schußweite befand, zu schießen. Indem er aber abdrückt, fliegt die Erscheinung blitzschnell auf ihn zu, und wirft ihn zu Boden, daß er die Besinnung verliert. Als er wieder zu sich kommt, sind seine beiden Holzschuhe kreuzweise durchgesprungen.

m.

Vor längeren Jahren wandelte in Schweier Altendeich nächtlich ein Fuchs. Manchen hat er in jener Gegend begleitet. Er tat niemand was zu Leide, sondern ging ruhig hinterher; wandte man sich um, so setzte er sich nieder und wies die Zähne. Einst begleitete er einen Mann, der mit Vornamen Renke hieß. Dieser trug eine Laterne, denn es war eine sehr finstere Nacht. Er merkte bald, daß der Fuchs sein Gesellschafter war. Als er sich umwandte, setzte der Fuchs sich nieder, warf einen scharfen Blick auf ihn und wies die Zähne. Der Mann machte sich rasch auf die Beine, doch der Fuchs verließ ihn erst an der Haustür. Bei einer anderen Gelegenheit ward der Mann abermals von dem Fuchse begleitet. Jetzt redete er ihn an: »Goden Abend, Voß.« »Goden Abend, Renke,« bekam er zur Antwort. Der Fuchs folgte ihm bis an die Schwelle des Hauses. – Einst wurde an einem Hause am Schweier Herrenwege abends angeklopft; als man öffnete, war der Fuchs vor der Tür. Oft kam er schon in der Dämmerung, setzte die Vorderfüße auf das Eingangstor des Hauses und sah ins Haus hinein. Es wurden Versuche gemacht ihn zu erschießen; aber wenn auch eine Ladung Hagel auf ihn abgeschossen wurde, so flog das Haar davon, und weiter machte es ihm nichts. Man erhielt den Rat, mit Erbsilber auf ihn zu schießen. Man wollte den Rat befolgen, aber ehe man noch schießen konnte, war der Fuchs verschwunden und ist auch nicht wieder gekommen.

n.

Ein Mann hatte die Gewohnheit, daß er am Sonntag des Vormittags während der Kirchzeit auf die Jagd ging. Ihm wurde dies oft abgeraten, aber er achtete des nicht und [292] versäumte nach wie vor den Gottesdienst. Als er nun auch an einem Sonntagmorgen wieder auf die Jagd ging und draußen ganz allein war, sprang ein Hase vor ihm auf. Er legte an und schoß, aber sowie er geschossen, sprang der Hase wieder auf, lief auf ihn zu und setzte sich etwa zwei Schritte vor ihm. Da der Mann eine Doppelflinte hatte, wollte er gleich wieder schießen, aber da hatte der Hase ein sehr schreckliches Gesicht und wurde so groß wie zehn andere Hasen, und des Jägers Hund lief davon. Da dachte der Jäger nicht mehr an das Schießen, sondern ging gleich nach Hause und ist nachher nie wieder an einem Sonntage auf die Jagd gegangen. (Visbek.) Nach einer anderen Version verfolgt der Jäger den Hasen bis Engelmanns Bäke. Auf einmal hört man die Visbeker Glocke zur halben Messe kleppen, der Hase dreht sich um, fängt an zu lachen und verschwindet unter dem bekannten Opferstein. (Für das Volk ist der Hase der Teufel gewesen, dann hätte aber dieser nicht für sondern gegen seine Interessen gearbeitet. Freilich gibt es Erzählungen, in denen der Teufel als Erzieher im guten Sinne auftritt.)


Vgl. 189, 204dd.

o.

Zwischen Hahnerkrug und Beckhausen, am Ende des Gutes Hahn (Ksp. Rastede), war vor Anlage der Chaussee am Wege eine Anhöhe, die jetzt ganz oder stark abgetragen ist. Unterhalb der Anhöhe lag im Wege, wie jetzt in der Chaussee, eine Brücke. An dieser Stelle war es früher nicht geheuer, denn des Nachts kam jedesmal, wenn einer den Weg passierte, ein Hase von der Anhöhe und lief über die Brücke nach Beckhausen zu. Die Vareler reitende Post hat ehedem den Spuk oft gesehen. Als einst der Beckhauser Wirt einen Boten vor dem Hasen bange machen wollte, meinte dieser: »Was Hase, ich habe einen tüchtigen Stock, damit will ich's ihm zeigen!« Als nun der Bote die Brücke erreichte, kam ihm der Hase richtig entgegen gerannt. Der Bote holte mit seinem Stocke aus und schlug zu, aber in demselben Augenblicke war es, als ob ihm Hören und Sehen verginge, die Haare standen ihm zu Berge, und der Hase war verschwunden. Später ist an dieser Stelle einmal ein Postreiter in der Nacht verunglückt; man fand ihn am Morgen tot in dem Grabe liegen.

p.

Bei Wiefels zeigt sich des Nachts ein weißer Hase und drängt die Leute in den Graben. Er kommt von der Landstelle Scheep her und heißt deshalb der Scheeper Hase.

[293] q.

Als einst ein Mann aus Mühlen die Hebamme von Steinfeld holte, und beide an den Handweiser in Steinfeld kamen, sprang aus dem Busch ein graues Tier, so groß wie ein Kalb, mit langen Ohren und glühenden Augen, und ging neben ihnen her bis an das Haus. Als die Hebamme fertig war, und der Mann sie wieder weg brachte, war sogleich das Tier wieder bei ihnen bis vor Steinfeld, da war es auf einmal weg. Die Hebamme hat wohl zehnmal unterwegs fallen müssen. – Im Stenumerfelde, (Ksp. Ganderkesee) befindet sich an einem Wege ein Gehölz, von welchen man immer gesagt hat, daß es nicht richtig dort sei. Einst kam ein Mann aus Wiedau diesen Weg gegangen, und wie er zu dem Gehölze kam, hatte es bereits elf Uhr geschlagen. Da hörte er ein grausiges Poltern und Rasseln. Er nahm sich zusammen und dachte bei sich selbst: »Ich will wissen, was da ist, und wenn es auch der Teufel selbst ist.« Wie er nun herumblickte, kam ein großes Tier auf ihn zu, mit Hörnern und sehr großen Augen, das begleitete ihn bis zum Stenummer Wege, wo ein Kreuzweg ist. Wie nun der Mann den Kirchweg gehen wollte, gab das Tier ihm so gewaltige Stöße, daß er zur Erde fiel. Versuchte er aufzustehen, so warf es ihn wieder um. Auf den Knieen kroch er endlich über den Kreuzweg, und nun verließ ihn das Tier. Von Angst schweißtriefend kam der Mann zu Hause an. – Einer von Bakum der nachts allein über Feld ging, sah eine Erscheinung, die er für einen Mann mit zwei Kühen hielt. Als er ihr aber näher kam, war es ein großes Tier. Sein Antlitz war wie eines Löwen, die Augen groß und funkelnd, das Maul weit geöffnet mit gräßlichen Zähnen, die Größe des Tieres wie die eines Pferdes. Das Tier vertrat ihm den Weg, dann ging es auf die Seite und begleitete ihn eine Zeit lang, endlich verschwand es.

r.

Auf der altoldenburgischen Geest wie auch im Saterland kennt man das schreiend oder schrauend Ding. Es fährt durch die Luft und schreit so laut, daß man es mehrere Stunden weit hören kann, und so schrecklich, daß allen, die es vernehmen, die Haut schaudert, und selbst die Tiere, zumal die Hunde, von Furcht ergriffen werden. So eigentümlich ist das Geschrei, daß sich kein anderer Laut damit vergleichen läßt, kein Mensch es beschreiben und niemand und nichts es nachmachen kann, es durchdringt aber Mark und Bein. Man hat das schreiend Ding auch gesehen, aber es zeigt sich nicht überall [294] gleich. Im Kirchspiel Barßel ist es gesehen in Gestalt eines Wagenrades, daß bei jeder Drehung den schreienden Laut macht, daher man dort es auch lopend Rad nennt. Im Kirchsp. Ganderkesee ist es gesehen, wie es vom Hasbruch nach Vosteen und Steinkimmen geschwebt ist, ein Nebellicht, von Größe und Gestalt wie ein Bindelbaum (also einer Drake nicht unähnlich: 198). Auch auf dem Ammerlande kennt man es in Gestalt eines Bindelbaums, aber einige meinen dort, es könne sich auch zusammenziehen wie ein Puttwurm (die Larve eines Käfers). Wenn es nach einem Dorfe oder Hause hinwill, heißt es im Ammerlande, so richtet es sich auf und läßt sich dann der Länge nach wieder hinfallen, und wenn es durch einen Busch geht, so brechen jedesmal, wenn es sich hinwirft, die stärksten Bäume zusammen, daß es nur so kracht. In Strücklingen meint man, es lasse sich überhaupt nicht sehen. Auch im Barnefürs-Holze, Ksp. Hatten, hat man es wohl gehört, aber nicht gesehen; es brüllt wie ein Ochse und dazu braust und knattert es in den Bäumen, daß jedem angst und bange dabei wird. Man ist dort geneigt, es für ein Tier zu halten. – In Ganderkesee und Hude, auch Holle hält man das schreiend Ding für einen Wiedergänger (172d, 175a, 176b, 181c, 183s, 518e). In Strücklingen glaubt man, daß es eine Vorgeschichte sei und einen Mord vorbedeute. Auch auf dem Ammerlande erzählt man sich, daß es Unglück anzeige und zwar meist ein allgemeines. Vor vielen Jahren hat es sich z.B. in Mansie und Hüllstede gezeigt und ist vor jedes Bauernhaus gekommen und hat einmal ganz laut geschrieen und zwar, wie einige sagen: »Weh, weh, ji Hüllster (Hüllsteder) Buren!« Hernach sind in jener Gegend alle Bauern von ihren Stellen gekommen und ganz verarmt. Auch nach Rehorn im Ksp. Rastede ist es gekommen, und der Bauer, der damals dort gewohnt hat, ist gleichfalls so arm geworden, daß er die Stelle hat verlassen müssen. –


Vgl. auch 504f.

s.

In Westerbakum liegt eine Fläche Ackerland, die Wöhre genannt. An der nordwestlichen Ecke stand früher eine uralte Eiche, unter welcher es spukte. Ein Schaf ohne Kopf ging von da mit glühender eiserner Kette über den Brink nach Hachmöllers Haus. Andere wollen einen Hund mit glühender eiserner Kette gesehen haben. An der südöstlichen Ecke der Wöhre lag ein Ackerstück, welches den Namen Predigtstuhl führte.

[295]

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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 186. Spukhafte Erscheinungen von Tieren. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-369C-2