239.

Wenn etwas Lebendes im Hause behext ist, z.B. Kinder oder Tiere, so verbrennt oder kocht man die edlen Eingeweide von Tieren, namentlich die Herzen, aber auch Lunge oder Leber. Sind Tiere verstorben, so nimmt man die Eingeweide von einem solchen, sonst von möglich gleichartigen, wenn auch absichtlich geschlachteten, geht auch dies nicht, von einem Huhne, am liebsten einem schwarzen. Das Herz (die Lunge, die Leber) wird über und über mit Nadeln besteckt oder auch mit einem Kreuzschnitte bezeichnet, oder auch ohne weiteres stillschweigend bei wohlverschlossenen Türen und Fenstern in einem dicht bedeckten Gefäße auf das Feuer gestellt. Wenn das Herz kocht (verkohlt ist), muß die Hexe erscheinen, weil sie während des Kochens den brennenden Schmerz empfindet. Entweder bittet sie um Erlösung oder sucht etwas zu leihen, z.B. etwas Salz oder eine Kohle Feuer, oder sie nimmt den Deckel vom Topfe, oder sucht den Entzaubernden zum Sprechen zu bringen. Während des Kochens darf nämlich nicht gesprochen werden. Eine der Personen, die einst das Kochen besorgte, vergaß sich und fing an zu reden, und die Hexe, die schon bis an die Türe herangezaubert war, verschwand wieder (Altenoythe und Visbek). – Ferner heißt es, es komme eine Frau mit einem Spinnrade. Bei einem krepierten Schafe verfährt man, wie angegeben, mit einem der Magen, dem Panzen, und durchsticht ihn während des Kochens mit Nadeln. Statt es zu kochen, nageln auch einige Leute das Herz an den obersten Balken des Hauses oder legen es auf den Rahmen des Feuerherdes, damit es dort verdorre, ohne Zweifel, weil dann der Hexe ein gleiches geschieht.

Vermutlich werden noch andere vernichtende Mittel der Sympathie (96 ff.) auch gegen Hexerei angewandt. Ausdrücklich berichtet wird noch folgendes: Das Herz eines verstorbenen Kalbes wird über und über mit Nadeln besteckt, in einem Beutel verschlossen und vor Sonnenaufgang in ein fließendes Wasser geworfen.

Es mag hier erwähnt werden, daß einige Gänse, welche behext waren und deshalb geschlachtet wurden, sämtlich kein Herz hatten. (Kleverns.)

[441] a.

Als einst einem Bauern in Norddöllen, Ksp. Visbek, eine Kuh plötzlich erkrankte und starb, nahm er gleich das Herz heraus, hing es in einem Kessel zum Kochen über das Feuer und wartete nun, was wohl kommen möchte. Unglücklicherweise kam die Heuerfrau und wollte eine Mistgabel leihen; aber sie wurde gleich für eine Hexe gescholten und mit Gewalt aus dem Hause gejagt. Aber damit nicht zufrieden, ging der Bauer zum Gerichte, um sie als Hexe anzuklagen; und diese alte Heuerfrau aus Norddöllen ist von dem Gerichte zu Vechta als Hexe verurteilt und auf der Zitadelle öffentlich verbrannt worden. Ihr einziger Sohn hat durch einen Sprung ins Wasser seine Unschuld beweisen müssen. Seine Mutter hat er bis zum Scheiterhaufen begleitet, hernach ist er in die Welt gegangen und hat nie wieder etwas von sich hören lassen.

b.

Ein Heuermann zu Lohausen, Ksp. Holdorf, ritt mit einem Sacke zur Mühle, da begegnete ihm ein Unbekannter und strich mit der Hand dem Pferde über den Rücken. Als der Heuermann nachher zurückritt, stürzte sein Pferd und krepierte. Der »Filler,« dem das tote Tier übergeben ward, sagte, er wolle es wohl herauskriegen, wer dem Pferde das angetan habe; der Eigentümer solle nur einen Feuerstahl auf das Pferd legen, während er es aufschneide, dadurch werde verhütet, daß das Böse entweiche. Dann solle er mit dem Herzen des Pferdes nach Hause gehen, die Tür fest schließen und das Herz kochen; dann werde der, der es dem Pferde angetan, schon zum Vorschein kommen. Der Mann befolgte den Rat. Als er das Pferdeherz im Wasserkessel auf dem Feuer hat, hört er bald, noch ehe das Wasser recht ins Kochen gekommen ist, jemand stöhnen und um's Haus herumgehen, der vergeblich durch die verschlossene Tür einzudringen sucht; und je stärker das Wasser ins Wallen kommt, desto ängstlicher wird das Stöhnen und desto lauter das Heulen draußen. Der Mann wird aber bald von Mitleid bewegt; er mag das Heulen nicht mehr hören und setzt das Herz vom Feuer ab, noch ehe es recht gekocht ist. Aber der andere soll doch bald darauf gestorben sein.

c.

Eine Familie in Nordloh, Ksp. Apen, hatte mit dem Vieh viel Unglück, ein Stück nach dem andern starb weg. Die Frau meinte, es müsse dem Vieh von bösen Leuten angetan sein, der Mann aber konnte nicht daran glauben. Eines Morgens gab der Mann dem Vieh Wasser, als ein Bekannter [442] ins Haus trat: »Na Hinnerk, giffst du dine Beester Water?« »Ja,« sagte der Eigentümer. Der Bekannte ging zwischen das Vieh, befühlte es und sagte: »Dar hestu jo'n recht schönt Beest, man wat hett dat dar forn Bult unnern Hals?« Der Mann erwiderte, das sei vorher nicht dagewesen. Schon am Abend war das Stück tot. Nun hörte der Mann, daß im Münsterlande ein Mann wohne, der solchem Unglück abzuhelfen wisse. Derselbe wurde geholt, und wie er das Vieh besehen, sagte er: »Ein Pferd müsse noch sterben, von dem übrigen sterbe nichts mehr. Wenn das Pferd gestorben, müßten sie auf dem Lande, wo das Vieh geweidet, ein Feuer anmachen und auf diesem Feuer Herz, Leber und Lunge des Pferdes in einem Topfe gut kochen. Wenn dies geschehen, werde sich eine Person zu ihnen gesellen, und eben diese sei Urheber des Unglücks.« Es geschah, wie gesagt worden. Das Pferd starb, ein Feuer wurde angemacht und Herz, Leber und Lunge gekocht. Jetzt kam jener Bekannte, der einst das Beest schön befunden und den Bult unter dem Halse entdeckt hatte. Er wäre ins Feuer gelaufen, aber die guten Leute wollten ihn nicht so unglücklich machen und gossen deshalb schnell das Feuer aus. So wie nun das Feuer ausgegossen war, war auch der Bekannte verschwunden. Nachher ist kein Stück Vieh wieder verunglückt.

d.

Ein Bauer hatte eine Kuh krank, von welcher er glaubte, daß sie wohl behext sein könne. Er ging deshalb zu einem Hexenmeister, und dieser sagte ihm, seine Kuh sei wirklich behext, und es sei schon zu spät, sie wieder gesund zu machen, sie werde sterben. Aber sobald sie tot sei, solle er sie gleich aufschneiden, das Herz, während es noch warm sei, herausnehmen und, ohne es anzusehen, in einem Kessel oder Topfe mit Wasser auf das Feuer setzen und kochen. Dann werde die Hexe sich zeigen müssen; sie werde kommen und etwas leihen wollen, aber er solle sich in Acht nehmen, daß er ihr nichts gebe; denn wenn er das tue, so könne er ihm nicht helfen, auch werde ihm noch viel mehr Unheil widerfahren. Der Bauer befolgte den Rat genau. Kaum war die Kuh tot, so schnitt er sie auf, nahm das Herz heraus und warf es, ohne es anzusehen, in einen Topf mit Wasser, der schon auf dem Feuer hing. Es dauerte nicht lange, so kam in hastiger Eile eine Nachbarsfrau und wollte etwas leihen. Aber der Bauer schlug es ab, indem er sagte: »Ich leihe nicht aus.« Sie fing an, [443] dringender zu bitten, sie sei gerade verlegen darum, sie werde es gleich wieder zurückbringen; er aber wollte von nichts wissen. Da wurde die Frau ganz ungeduldig und fragte, was sie dort auf dem Feuer hätten? Der Bauer aber sagte: »Das ist deine Sache nicht, ich kann doch kochen, was ich will.« Da die Frau nun gar keinen Ausweg sah, gab sie sich als Hexe zu erkennen und bat, er möge doch den Topf vom Feuer nehmen, sie werde ihm auch nie wieder Schaden tun. Noch blieb der Bauer fest. Aber nun fing sie ganz jämmerlich an zu weinen und versprach, ihm allen Schaden wieder zu ersetzen, den sie ihm angetan; er solle doch das Herz vom Feuer nehmen und in die Erde vergraben, sonst müsse sie sterben. Endlich ließ sich der Bauer erweichen und grub das Herz tief in die Erde ein. Sie hat ihm nachher allen Schaden ersetzt, sein Vieh ist nachher nie wieder behext gewesen; die Frau aber hat noch lange krank liegen müssen, weil das Herz schon zu heiß gewesen ist. (Visbek.)


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 239. [Wenn etwas Lebendes im Hause behext ist, z.B. Kinder oder Tiere]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3647-2