158.

Dem Auge pflegen sich meist ganze Vorgänge oder doch Bilder zu zeigen, wobei eine nebenher laufende Wahrnehmung durch andere Sinne keineswegs ausgeschlossen ist. Wenn aber auch die Vorstellung, welche der Spuksehende durch [144] das Auge empfängt, umfassender und für sich verständlicher ist, so folgt daraus doch nicht, daß das vorspukende Ereignis ihm klar und offen vorläge; auch hier gibt oftmals erst das wirkliche Eintreffen des Ereignisses die richtige Deutung des Vorspuks mit Sicherheit an die Hand. Wichtige Begebenheiten, welche ein ganzes Land oder doch eine ganze Gegend in ihren Wirkungen ergreifen und in Bewegung setzen, Feuersbrünste, Kriegsgeschichten usw. zeigen sich besonders gern vorlaufend an, und man erzählt auch jetzt Vorgeschichten solcher Kriegsgeschichten, deren Erfüllung noch nicht gekommen ist und sich noch in ein geheimnisvolles Dunkel hüllt. – Vorgeschichten von Kriegen gehen stark um, wenn die Zeiten unruhig sind. Der Dinklager Chronist Klinghamer schreibt in seiner Chronik nach Hörensagen: »1546 ist bei der Stadt Unna auf der Creutzen Heide eine große Bataille von Reitern und Knechten mit Trummen und Waffen gesehen und Geschall der Geschütze und Rinschen der Pferde gehört worden, doch alles palt verschwunden.«

Zuweilen haben sich die Erzählungen von solchen Spukgeschichten der Form nach in reine Prophezeiungen umgestaltet; aber auch dann liegt ihnen doch wohl ein Gesicht zum Grunde, was namentlich dann erkennbar wird, wenn ein künftiges Ereignis mit einem anderen in Verbindung gebracht wird: wenn das und das geschieht, so wird das und das geschehen.

Vgl. 162.

a.

Vor reichlich zwölf Jahren war eine Frau aus Neuenburg ausgegangen, um nach ihren Kartoffeln zu sehen. Wie sie so eine Strecke fortgegangen ist und ungefähr am rechten Orte zu sein meint, ist ihr mit einem Male die Umgegend ganz fremd und ist eine, die sie noch nie gesehen. Kurz darauf wurde ihr Wohnsitz nach Cloppenburg verlegt. Dasselbe ereignete sich etwas später in Cloppenburg. Als sie einmal ihren Acker besuchen wollte, konnte sie ihn nicht finden, sondern befand sich plötzlich in einer ganz unbekannten Gegend. Es dauerte nicht lange, so mußte sie wieder ihren Wohnort verändern.

b.

Der alte N. zu Hohensüne lag einmal in einer hellen Nacht schlaflos auf seinem Bette. Wie er durch die Öffnung der Bettladen sah, erblickte er einen Sarg, der, statt mit einem Deckel, mit einem Tuch bedeckt war. Furchtlos stand er auf, ging zum Sarge, brachte seine Hand unter das Tuch, und wie [145] er die Hand aufhob, hob sich auch das Tuch mit in die Höhe, obgleich er durchs Gefühl dasselbe nicht wahrnehmen konnte. Unter dem Tuche erblickte er mit Entsetzen eins von seinen Kindern. Gleich darauf war alles verschwunden. Das Kind aber starb kurz hernach.

c.

Mehrere Knaben aus Zwischenahn im Alter von 10-12 Jahren kehrten von einer nach Westerstede gemachten Fußtour nach Zwischenahn zurück, als sie plötzlich nahe vor Zwischenahn gegen 10 Uhr abends auf der Chaussee einen mit zwei Pferden, einem weißen und einem dunkeln, bespannten Wagen bemerkten, der ihnen langsam entgegen kam und an ihnen vorbeifuhr. Ein Fuhrmann war nicht zu sehen, aber neben dem Wagen an der Erde hin schleppte ein dunkler Körper, der am Wagen zu hangen schien. Dasselbe haben andere Einwohner von Zwischenahn gesehen, sowohl an diesem wie an anderen Abenden. Ungefähr ein Jahr darauf ist auf dieser Chaussee der zehnjährige Sohn eines dortigen Einwohners, der für seinen Vater Steine fuhr, verunglückt. Er hatte sich, neben dem Wagen hergehend, die Peitsche, aus welcher er eine Schlinge gemacht, um den Hals gelegt und den Peitschenstiel zwischen die Rad-Speichen gehalten, um sich an dem Klappern zu freuen. Das Rad hatte aber den Peitschenstiel ergriffen und mit herumgerissen, und die Schlinge hatte sich zugezogen und den Knaben erdrosselt. Dieser schleppte nun, an der Peitsche hangend, neben dem Wagen her. Der Wagen war mit einem weißen und einem braunen Pferde bespannt.

d.

Einige Jahre vor der französischen Zeit wachte des Nachts die Schwiegertochter eines Bauern zu Grabstede auf und sah, daß drei große Männer mit grauen Mänteln beim Bette ihres Schwiegervaters standen, die Decke zurückschlugen und ihn aus dem Bette heben wollten. Sie fing an zu schreien, und der Spuk verschwand, aber sie fiel in ein Nervenfieber. – Als im Jahre 1806 eine holländische Armee das Land besetzte, kamen drei Sappeurs (Bielen-Kärls) zu dem Bauern ins Quartier. Der Bauer, ein alter Mann von 95 Jahren, starb. Die Sappeurs wollten ihn durchaus ankleiden, verfuhren grade so mit ihm, wie die Schwiegertochter vorher gesehen, und der Spuk war ausgekommen.

e.

Der Mauermann Harf zu Bockhorn sagte lange vor der französischen Zeit zu einigen Nachbarn: er habe von Steinhausen [146] nach Bockhorn über den Esch viel Kavallerie kommen sehen, und der Anführer sei zur Seite der Truppen quer über die Äcker geritten. Als nun nach dem Eindringen der Franzosen eines Tages die Kunde kam, daß französische Kavallerie von Steinhausen kommen werde, sammelten sich viele Neugierige, unter ihnen auch Harf. Die Truppe kam, der Anführer ritt wirklich neben derselben quer über die Äcker, und Harf sprach: »Nu kikt to, of't nich all so utkummt, as ick vorher seggt hebbe.«

f.

Ein Offizier erzählte: Im Jahre 1854 hielten wir ein Manöver zwischen Oldenburg und Rastede. Unsere Abteilung mußte in Ofenerfelde über einen kleinen Hof. Dort wurde plötzlich Halt geblasen. Vor dem kleinen Hause ruhte eine Kompagnie Infanterie, zwei Geschütze waren aufgefahren, und auch etwas Kavallerie hielt dort. Im Hause war ein großes Getümmel von Soldaten, die Wasser trinken wollten, aber die junge Frau, die sich im eigenen Hause kaum rühren konnte, war sehr vergnügt, daß wir da waren, denn nun brauche sie nicht mehr zu fürchten, daß die Franzosen kämen. Ihr Großvater habe nämlich im Vorspuk Haus und Hof voll von Soldaten gesehen, und sie hätten gemeint, daß die Franzosen kommen würden; nun sei aber der Spuk so schön in Erfüllung gegangen! Auch der alte Großvater, ein Mann von beinahe 90 Jahren, freute sich, daß der Spuk durch uns ausgekommen sei; grade so hatte er es gesehen, aber was für Soldaten kommen würden, hatte er nicht sehen können.

g.

Eine alte Frau in Damme wollte eines Tages einen Ausgang machen, der sie über die Hauptstraße führte. Als sie nun an die Hauptstraße kommt, sieht sie eine unermeßliche Menschenmenge auf derselben hin- und herwogen und darunter ganz fremde wunderbare Gestalten. Das Gewühl war so groß, daß sie unverrichteter Sache wieder nach Hause zurückkehren mußte. Sie erzählte den ihr unerklärlichen Vorfall mehreren Bekannten. Endlich lange Jahre nachher (1836) kam die junge Königin Amalie von Griechenland auf ihrer Hochzeitsreise von Oldenburg nach Damme, wo ihr ein Fackelzug gebracht wurde. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich dasselbe Schauspiel, welches die alte Frau vor so und so viel Jahren, als noch kein Mensch daran dachte, daß Herzogin Amalie Königin von Griechenland werden sollte, vorausgesehen hatte. [147] Die fremd gekleideten Menschen waren Griechen im Gefolge der Königin.

h.

In der Waddewarder Mühle waren einst in einer windstillen Nacht Gesell und Lehrling des Abends bei 10 Uhr noch allein wachend beisammen. Da nun wegen der Windstille nichts in der Mühle anzufangen war, sprach der Gesell zum Lehrling: »Ich will mich bis 1 Uhr schlafen legen, alsdann kannst du mich wecken und dich legen; wenn Wind kommen sollte, so stelle die Mühle und halte alles in Ordnung.« Damit entfernte er sich. Gegen Mitternacht, wie der Lehrling unten in der Mühle halb träumend auf einem vollen Sacke sitzt, hört er oben ein auffallendes Geräusch. In dem Glauben, es sei Wind im Anzuge, eilt er sogleich nach oben. Aber zu seinem Erstaunen begegnete ihm auf der schmalen Treppe ein Soldat, der ihm sehr höflich auswich, jedoch sein Gesicht sorgfältig verbarg. Wie er oben anlangte, sah er alles voll Soldaten sitzen und stehen. Von Furcht übermannt, ergriff er die Flucht; aber beim Zuschlagen der Tür sah er auch unten sehr viele Soldaten. Eilends läuft er jetzt zum Lager des Gesellen und fällt mit dem Ausrufe »Soldaten« besinnungslos nieder. Von dem Geräusche erwachend springt der Geselle auf, hebt den vor seinem Bette liegenden Lehrling ins Bett und eilt zur Mühle, weil er glaubt, es seien Diebe da. Aber er hört und sieht nichts Befremdendes in der Mühle, so sehr er auch horcht und jeden Winkel durchstöbert. Einige Jahre später soll die Mühle durch fremde Soldaten geschleift worden sein.

i.

Ein fünfzehnjähriges Mädchen aus Rodenkirchen besuchte ihre Verwandten im Kirchspiel Eckwarden. Als sie ihren Rückweg antrat, fing es bereits an, dunkel zu werden. Bei Eckwarderhörn ging sie auf den Deich, um von da aus über Stollhamm nach Hause zu wandern. Auf der Deichkappe angelangt, sah sie den Augustgroden, soweit sie sehen konnte, von Kriegsvolk wimmeln, und immer landeten noch mehr Truppen; auf der Jade schwammen Böte und weiter nach der Mitte zu mehrere große Schiffe. Als sie ihren Weg fortsetzte, bemerkte sie einen Reiter neben sich, welcher ihr immer zur Seite blieb. Das Mädchen achtete nicht weiter auf ihn. Als es aber die rote Brücke betrat, war der Reiter verschwunden. Bis jetzt war die Wanderin ruhig gewesen; als aber der Reiter neben ihr verschwand, schauderte ihr die Haut und von Schrecken erfaßt, eilte sie weiter. Zu Hause angekommen, sank sie in Ohnmacht, [148] und als sie aus dieser erwachte, erzählte sie kurz das von ihr Gesehene, fiel alsdann in ein hitziges Fieber und war in wenigen Stunden tot.

k.

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts lebte in Goldenstedt ein Mann, der bezeichnete in Vechta genau eine Stelle, wo ein Haus werde gebaut werden, und wenn das Haus fertig sei und die Leute dann »Komm, heiliger Geist« singen würden, also am Pfingstfeste, so würde Vechta ganz voll von Franzosen sein. Als nun mehrere Jahre nachher wirklich ein Haus an der bezeichneten Stelle gebaut war, kam der Mann, welcher es prophezeiht hatte, gerade am ersten Pfingsttage nach Vechta. Da seine Prophezeihung allgemein bekannt war, wurde er gleich angehalten und gefragt, wo nun die Franzosen seien, das Haus sei ja fertig. Er erwiderte, sie sollten nur Geduld haben, der Tag sei noch nicht zu Ende. Aber es glaubte ihm jetzt niemand mehr, und er wurde von allen Seiten mit seinen Franzosen geneckt, so daß er gar keine Ruhe hatte. Da sagte er zuletzt: »Ich will machen, daß ich aus Vechta komme, ehe es zu voll wird.« Alle lachten ihn aus; aber nachmittags zwischen zwei und drei Uhr kam ein Bote gelaufen und meldete, der Weg hinter Vechta nach Lohne hin sei ganz voll Soldaten und gleich darauf hörte man auch schon die Trommeln, und 4000 Mann Franzosen rückten in Vechta ein. (Der Einmarsch der Franzosen erfolgte Pfingsten 1803). – Derselbe Mann hat nachher auch gesagt, die Franzosen würden noch einmal wieder kommen, aber die Zeit könne er noch nicht bestimmen; es würden auch noch andere Krieger dabei sein, welche er gar nicht kenne, die hätten ganz sonderbare Monturen an. Was es zu bedeuten haben werde, wisse er nicht; aber er sehe, wie Preußen vor den Franzosen herliefen und verfolgt würden.

l.

Ick wull is van Varel nan Vareler Siel to un slenderde so langsam hen; boll keek ick rechts, boll links und freude mi, dat de Frucht so moi stund. Nu keek ick ok is vor mi ut nan Diek to, awers dat di te Swärenot, wat verjagt ick mi! De ganze Diek reet dicht vull in langer Rege van luter Pärvolk, un achterto keem luter Fotvolk, ganz bet nar Sweiborg hen, un de letzten segen so lütjet ut, as wenn se utn Diek krupen deen. Se harren alle wiede Boxen an, 'n bunt Dok umn Kopp wunnen, 'n groten krummen Sabel an de Siet un ok'n lank Gewähr mitn Bangenett darup. De Tambours harren swarte Trummeln, un vorup drog'n Kärl 'n groten langen [149] Stock mit twee Pärstärten daran un'n blanken halben Mahn darup. As ick all dat Volk up mi tokamen seeg, swenkd ick mi un reet 'r ut, un as ick do is wedder umkeek, weren se binahst ganz verswunnen, blot de Köpp keken man'n bäten mehr utn Diek herut. In Varel hett mi hernahst 'n olen Kärl dat utleggt. He sä: »Dat is'n Vorspok wäsen un bedutt, dat de Torken hier int Land kamen un Varel innähmen wärd.«

m.

In der Nähe von Hooksiel liegen zwei Landgüter, die den Namen Maihausen führen. Auf einem dieser Güter wohnte vor einer Reihe von Jahren Hillern Töllner, ein langer hagerer Mann, von trockenem langsamen Wesen, aber verständig und voll Mutes. An einem Juliabend wollte Hillern Töllner mit seinem Knechte fort, um auf zwei Wagen Torf aus dem Moore zu holen und schickte etwa bei 11 Uhr den Knecht fort, um die Pferde herbeizubringen. Da der Knecht lange ausblieb, ging der Herr aus der Scheune auf den großen Düngerhaufen, um sich nach dem Knechte umzusehen. Der Himmel war heiter und die Nacht durch den klaren Mondschein fast taghell. Als der Bauer sich umschaut, erblickt er auf dem Ovelgönner Wege nach Osten ein Blinken und Blitzen, kann aber nichts näheres entdecken. Inzwischen kam der Knecht mit seinen Pferden; er hatte das Blinken auch gesehen und sich darüber verspätet; er sagte, es komme eine Menge Soldaten den Weg herunter. Die beiden brachten die Pferde in den Stall und gingen dann wieder hinaus. Nun konnten sie russische Soldaten erkennen, die Gewehre blitzten im Mondenschein, daß es zwar grausig, aber schön anzusehen war. Da der Zug den Maihauser Weg hinunterbog, den sie zum Torfholen auch fahren mußten, gab der Bauer die Torfreise auf, ließ sich aber schleunigst ein Pferd satteln, um hinter dem Zuge her zu reiten. So große Eile hätte er übrigens nicht zu haben brauchen, denn der Zug nahm noch immer kein Ende, als das Pferd schon lange bereit stand. Endlich wars vorbei, und Hillern Töllner bestieg sein Pferd und ritt dem Zuge nach. Als er auf den Hauptweg kam, den die Soldaten zogen, wunderte er sich nicht wenig, daß er denselben mit Backsteinen belegt fand. Er ritt immer den Truppen nach, immer auf dem schönsten Steinpflaster. So kam er endlich mit dem Heere in die Stadt Jever, wo er sich aber nicht zurecht finden konnte. Als er zuletzt beim alten Markte dicht beim Schlosse ankam, waren alle Soldaten verschwunden, und er blieb ganz allein. Mit großer Mühe fand [150] er sich wieder aus Jever, mußte aber auf ungepflastertem Wege wieder zurückreiten. Als die Sonne aufging, zog er sein Pferd wieder in den Stall. – Dies ist geschehen, als der Amtmann Minsen in Hookfiel stand, der 1823 oder 1824 gestorben ist. Man wußte damals noch nichts von Backsteinstraßen, aber jetzt führen Klinkerchausseen kreuz und quer durchs Land.

n.

In demselben Monat Juli, als Hillern Töllner zu Maihausen die Russen nach Jever geleitete, machte auch der Feldhüter Ahrend zu Oldorf sich mit seinem elfjährigen Sohne auf den Weg, um Torf zu holen. Als sie abends 11 Uhr beim Oldorfer Baum waren, sah Ahrend, obgleich heller Mondschein war, glühende Kugeln von der Westseite nach Jever hineinfliegen. Ahrend beobachtete dies längere Zeit, schwieg aber, um seinen Sohn nicht furchtsam zu machen. Endlich aber wards ihm aber doch zu bunt, und er fragte: »Siehst du wohl?« Der Junge erwiderte: »Vater, siehst du das jetzt erst? Ich habe die schönen Kugeln schon lange gesehen.« Je näher Ahrend mit seinem Sohne Jever kam, desto mehr Kugeln sahen sie. Als sie endlich in Jever anlangten, brannte die ganze Stadt. Sie fuhren durch die brennenden Straßen und kamen nach Sibetshaus, wo sie einkehrten und sich eine Tasse Tee geben ließen. Kaum saßen sie, so kam noch ein anderer Torffahrer, ließ sich eine Tasse Tee geben und erzählte auch, wie Jever brenne. Die brennende Scheldegerstenmühle, sagte er, sei zusammengestürzt und die Flügel dicht hinter seinem Wagen niedergefallen. Als sie noch darüber sprachen, trat ein Knecht aus Kniephausen in die Stube. Er war kreideweiß und über und über mit Schweiß bedeckt und erzählte dasselbe, was die beiden anderen auch gesehen hatten. – Ahrend hat diese ganze Sache dem Amtmann Minsen zu Hooksiel erzählt und sich auch erboten, seine Aussage mit einem Eide zu bekräftigen.

o.

Im 19. Jahrhundert werden in dem Kloster zu Vechta Brüder und Schwestern wohnen, hinter der Klostermauer wird ein Haus mit einem platten Dache erbaut werden. Nach dieser Seite wird man in die Klostermauer drei Türen brechen, und wenn die dritte Tür fertig ist, wird Vechta von großer Kriegsnot heimgesucht werden. Dann wird auf dem Mühlenkampe ein Kommandeur, auf einem Schimmel reitend, seine Truppen mustern; alle seine Mannschaften werden grüne Zweige an den Hüten tragen. Der Anführer auf der anderen Seite wird ein großer Mann in weißer Uniform sein, mit einem Stern [151] auf der Brust. Dieser Anführer wird mit seinen Truppen am Hagener Kreuze halten, und ehe er das Zeichen zum Angriff gibt, wird er vom Pferde steigen und vor dem Hagener Kreuze beten. Die Truppen auf dem Mühlenberge werden geschlagen werden und ihre Flucht nach Goldenstedt und weiter ins Hannöversche nehmen. Die Vechtaer werden etweder nach Bokern oder nach dem grünen Moore flüchten. – Ein Teil dieser Prophezeiung ist bereits erfüllt. Das Kloster ist zu einer Strafanstalt eingerichtet und barg anfangs in sich Männer und Frauen. – In Goldenstedt bei der goldenen Brücke wird es zu einer Schlacht kommen und so viele Leichen werden den Fluß füllen, daß das Wasser der Hunte dadurch eine Stauung erfährt. Die Soldaten werden bis zu den Knöcheln im Blute waten und die Goldenstedter ins Moor flüchten und dort in Sicherheit sein. Drei Reiter werden kommen und im Dorfe Goldenstedt durch eine Seitentür in Dierkens Haus treten. Dies ist das Zeichen, daß die Eingesessenen flüchten müssen, weil der Kampf losgeht. (Von dem Seher S., vgl. 163c.)

p.

Ein Bauer von Lohausen ging um das Jahr 1820 über die Heide, die sich zwischen Damme und Lohausen erstreckt. Da hört er plötzlich ein Brausen hinter sich und sieht etwas mit unerhörter Schnelligkeit sprühend bei sich vorbeisausen. Er erzählte den Vorfall sogleich zu Hause, aber niemand vermochte die Erscheinung zu deuten. Später kam öfter wieder die Rede darauf, aber die Sache blieb unaufgeklärt, bis man jetzt die Eisenbahnen kennen gelernt hat. Viele glauben jetzt, daß jene Erscheinung eine Eisenbahn vorbedeutet habe. – Zu Bokelesch hat ein alter Bettler einen Wagen ohne Pferde durch den Klosterbusch fahren und sich nach der Hannoverschen Seite nach Ihrhove zuwenden sehen. Auch dieser Wagen wurde auf einen Dampfwagen gedeutet. Ebenso hat man schon vor langer Zeit bei Sandersfeld Eisenbahnzüge fahren sehen. Ferner bei Ahlhorn, Steinfeld, Vechta, Lindern usw. – Ein Mann erzählt (1866): Es sind 50 Jahre her, da traf ich mit einem alten Onkel zusammen, der mir mitteilte, er sei in die Wiesen zwischen Beverdiek und Darrel (Gem. Essen) gegangen, um nachzusehen, ob auch der Kuhhirt gut Acht gebe. »Auf einmal sehe ich einen Feuerwagen ohne Pferde, welcher mehrere Wagen nach sich zieht, dahin rasen. Gleich darauf war alles aus.« Seit 1874 oder 75 läuft die Bahn Oldenburg-Osnabrück dort, [152] wo der Spuk gesehen ist. – »Frau D. in Lüsche bei Vestrup erzählte mir vor 6 Jahren: Eines Tages stand ich in der Nähe unseres Hauses und sah einen Dampfwagen vom Rosengarten her nach Ruhen Fellaken in der Richtung Carum fahren. Damals hatte Dinklage noch keine Bahn. Jetzt spricht man vom Weiterbau derselben; wird dann Lüsche oder Carum davon berührt werden?« – »Am 23. Mai 1885 fuhr ich mit meiner Mutter, meinem jüngsten Bruder und unserm Knecht von Löningen nach Herzlake. Dicht hinter Helmighausen, dort wo dessen letzten wallumgebenen Kämpe aufhören und die ausgedehnte Heidefläche beginnt, zeigte meine Mutter scherzend mit den Worten: ›Dort fährt nächstens die Eisenbahn‹ rechts in die Heide. Ich frug lachend: ›Woher weißt du das?‹ ›Unser Hinnerk hat sie schon vor 20 Jahren gesehen‹ war die Antwort. Hinnerk, mit scharfem Gehör begabt und neugierig auf unsere Unterhaltung lauschend, drehte sich auf dem Bock um und sagte lebhaft und energisch: ›Dät häb ick uck.‹ Im Brustton der Überzeugung erzählte er nun, daß er schon als Knabe rechts in der Heide, etliche hundert Schritte von der Chaussee entfernt, mit vollster Deutlichkeit die Lichter der Lokomotive, die Lokomotive und hinter dieser 4 oder 5 Wagen durch die Heide habe dahinfahren sehen. Er wies mit Entschiedenheit zurück, damals schon eine Eisenbahn oder auch nur das Bild eines Eisenbahnzuges jemals gesehen zu haben und wollte die Möglichkeit einer Täuschung nicht zugeben. 1885 war die Bahn Meppen-Haselünne-Herzlake noch nicht gebaut. Ich glaube, daß auch die Strecke Essen-Löningen nicht gebaut war. Wenn ich in späteren Jahren in der Zeitung las, wie die Ansichten auseinander gingen, ob und wo die Strecke Löningen-Landesgrenze gebaut werden sollte, habe ich manchmal in überlegener Weisheit gelächelt: ›Ich weiß es ja seit vielen Jahren, unser Hinnerk hats mir gesagt‹. Dennoch bin ich etwas neugierig, einmal zu erfahren, ob unser ›Schichtkieker‹ auch die Richtung recht gesehen hat. Vielleicht fahre ich noch selbst einmal in Helmighausen an Püsters und Meyers Hof vorbei und überzeuge mich, daß ich gar keinen Grund habe, an meinem ererbten Westfalenaberglauben irre zu werden.« Die Bahn Löningen-Helmighausen-Herzlake ist 1. Oktober 1907 eröffnet.

»Ein alter Mann erzählte mir vor etwa 30 Jahren, er sei am hellen Tage durch die Fuhren zwischen Hamstrup-Bunnen [153] gegangen. Plötzlich sei etwas vor ihm über den Weg gerasselt, er habe es für einen Eisenbahnzug gehalten. Nach mehreren Jahren wurde die Eisenbahn Essen-Löningen gebaut.«

In Großenkneten weiden Kühe auf einem Kampe, auf einmal stieben sie bei ruhiger Luft auseinander, ein Teil nach der einen, der andere nach der anderen Seite, wie wenn ein Gefährt zwischen sie durchgerannt wäre. Gleich darauf kommen alle wieder zusammen und blicken aufgeregt und neugierig nach einer Richtung, als wenn sie einem Reiter oder Wagen nachblicken. Das ist Vorgeschichte, sagte jemand, der den Vorgang beobachtet. Später wurde die Bahn Oldenburg-Osnabrück gebaut, und der Bahndamm lief über den besprochenen Weidekamp.

In Sehestedt am Jadebusen hat ein Mann die glühenden Augen einer Lokomotive auf dem Deiche sich fortbewegen sehen, der von Eckwarden nach Varel läuft, hat auch das Pusten der Maschine gehört.

q.

Von Ostfriesland her wird durch Strücklingen ein großes Heer kommen, nahe bei Ramsloh Ruhe halten und dann vom Westende von Ramsloh nach dem Südende marschieren. Der letzte der durchziehenden Reiter wird einen weißen Schimmel reiten und das Westende von Ramsloh in Brand stecken. Zu Papenburg wird ein Lager aufgeschlagen, und der mit dem Schimmel wird dann zwischen Papenburg und dem Saterlande patrouillieren.

r.

Bei dem Kirchdorf Wiarden hinter dem Kirchhofe ist ein Stück Land, das immer im Grünen liegt. Wird dies Land einmal aufgebrochen, so werden die Türken nach Jeverland kommen und das ganze Dorf abbrennen.

s.

Wenn die Damen Hüte tragen wie Pferdehufen, dann wird in der Gegend von Goldenstedt eine Schlacht geliefert werden, in welcher so viel Menschen umkommen, daß in drei Jahren das Land nicht gedüngt zu werden braucht.


Vgl. o.

t.

Im Jahre 1866 beim Ausbruche des Krieges erzählte man sich bei Oldenburg: In den Jahren 1866 bis 1869 wird der Krieg auch unser Land verwüsten. Wenn der Brenner Hullmann zu Etzhorn seinen großen Kamp ganz mit Roggen bestellt und der Roggen dann in Hocken steht, wird bei jedem Hocken ein Pferd stehen. Die Stadt wird eingenommen und dermaßen zerstört werden, daß man zu gleicher Zeit durch das Heiligengeisttor und das Dammtor wird sehen können. Bei [154] Wildeshausen wird das Blut fließen wie jetzt das Wasser. – Auch hieß es schon vor 1866: Wenn der Beverbäkenberg, eine Düne etwa eine halbe Stunde vor Oldenburg, nach der Stadt kommt, so werden wir Krieg haben. Als nun im Jahre 1866 ein großer Teil jener Düne zur Bahnhofsanlage bei Oldenburg verwandt wurde, glaubte man, daß die Prophezeiung erfüllt sei.

u.

Kolon T. geht eines Abends vom Orte Neuenkirchen nach Hause. Plötzlich sieht er hinter seinem Hof ein in allen Farben schillerndes Rad sich drehen. Im nächsten Jahre wird hier, auf dem Schützenplatz, zum ersten Mal ein Karussel aufgebaut und macht am Feste seine üblichen Drehungen.

Kolon Bl. geht in der Nacht von Neuenkirchen nach Grambke. Auf einmal, hinter Nellinghof, ist er von einer Menge Soldaten und Pferde umgeben, so daß er nicht durchkommen kann. Einige Jahre nachher wurde in der Holdorfer Heide ein Manöver abgehalten und gerade an der Stelle, wo Kolon Bl. in das Reitergetümmel geraten war, machte die Kavallerie Rast. – Ein Mann aus Fladderlohausen kommt abends von der Apotheke in Neuenkirchen. Hinter Nellinghof auf der Chaussee halten viele Kutschwagen und viele Leute stehen umher. Ein Jahr nachher wird der neue Pastor von Neuenkirchen an dieser Stelle empfangen. – Eines Nachts kommt ein Mann von Neuenkirchen, um nach W. zu gehen. Plötzlich sieht er östlich von Bergmanns Kolonat viele Lichter brennen. Er hat dies öfter erzählt. Im Jahre 1904 wurde dort, wo er die Lichter gesehen, die Heilstätte erbaut, und seitdem strahlen abends elektrische Glühkörper ihr Licht in die Nacht hinaus, gerade so, wie es der Mann gesehen hatte.


Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 158. [Dem Auge pflegen sich meist ganze Vorgänge oder doch Bilder zu]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2FC7-4