255. Der Klabautermann.

Der Klabauter- oder Klabattermann ist ein kleines graues Männchen, kaum zwei Fuß hoch, aber kräftig und gedrungen; er wohnt auf Schiffen. Einer beschreibt ihn so: er ist ein kleiner Kerl, kaum einen Fuß hoch, mit roten Pausbacken und hellen, gutmütigen Augen, ist wie der Matrose mit Piejäcker und Südwester bekleidet und trägt, so oft man ihn sieht, einen hölzernen Hammer in der rechten Hand. Er stellt sich nicht selten schon beim Bau des Schiffes ein, das er bewohnen will, und hilft mit kalfatern; darum nennt man ihn auch den Kalfatermann (Ostfriesland), während andere sagen, seine Heimat habe er eigentlich in den wärmeren Gegenden, und dorther komme er mit den Schiffen herüber (Scharrel). Ist das Schiff auf See, so behütet er dasselbe vor Brand, Strandung und anderen Gefahren und paßt auf die Mannschaft, daß sie ihre Pflicht nicht versäume, indem er dem Lässigen eine Ohrfeige gibt. Dafür muß man ihm aber auch gutes Essen hinsetzen, denn er ist lecker und nimmt am liebsten Speise von des Kapitäns Tische. Seine Anwesenheit merkt man an seinem Klopfen und Poltern, das er wohl einmal eine Zeit lang, aber nie ganz einstellt; wenn dasselbe [485] ganz ausbleibt, so hat er das Schiff verlassen und dies ist ein sicheres Zeichen, daß das Schiff von seiner nächsten Reise nicht zurückkehrt. Er verrichtet des Nachts für die Mannschaft mancherlei Geschäfte. Am meisten hält er sich im Zwischendeck in des Zimmermanns Raume auf, und tut die Arbeit, die eilig ist, und mit welcher der Zimmermann nicht recht fertig werden kann. Wenn man ihn dort klopfen und hämmern hört und sich hinbegibt, um ihn zu beobachten, so sieht man nichts und alle Geräte liegen an ihrer gewöhnlichen Stelle; anderen Morgens aber ist die Arbeit wohl und gut beschafft. Bei stürmischem Wetter steht er oben im Mast und sorgt dafür, daß das Rechte geschehe. So hat schon manchmal eine Mannschaft ein Kommando gehört, die oder jene Segel wegzunehmen, und wenn sie es getan, hat weder einer der Steuerleute, noch der Kapitän selbst das Kommando gegeben; immer aber ist es zur Wohlfahrt des Schiffes dienlich gewesen. – Der Klabautermann pflegt das Schiff zu verlassen, wenn die Mannschaft nichts taugt, ein Verbrecher unter ihr ist, oder ein Verbrechen auf dem Schiffe begangen wird. Einige erzählen auch, daß, wenn der Klabautermann von dem Schiffe gehe, auch alle Ratten dasselbe verließen, denn das seien seine Kameraden. Mitunter kommt auch der Klabautermann in freundlicher Absicht von dem Schiffe an Land in das Haus des Kapitäns oder des Rheders und ist auch wohl noch früher da und rumort auf dem Boden oder im Lagerraum; das ist dann ein Zeichen, daß das Schiff bald glücklich zu Hause anlangen wird. In Barßel wird gesagt, der Klabautermann sei eigentlich ein Teufelsgeselle, und wer ihn an Bord habe, der sei ein Freimaurer, oder habe sich dem Teufel ergeben. Auch sonst wird der Klabautermann wohl als ein zwergartig am Bugspriet erscheinender Unglück meldender Meergeist hingestellt, der seinen Spuk gern in leeren Tonnen treibe; in der Regel aber gilt der Klabautermann für einen guten Geist.

a.

Einst war ein Schiff, das hatte stets glücklich gefahren, war aber zuletzt so alt und morsch geworden, daß keine Mannschaft mehr dafür zu gewinnen war. Der Rheder beschloß daher, das Schiff zu slopen, d.h. zum Verkaufe des Materials auseinander zu schlagen. Aber als man ans Werk ging, glitten Axt und Beil davon ab wie von Stahl und Eisen. Da fand zufällig im Raum jemand ein Kästchen und nahm es mit sich an Land. Kaum war das Kästchen von Bord, so fiel das [486] Schiff von selbst auseinander. Da sah man denn, daß in dem Kästchen der Klabautermann gewesen war. (Oldenbg.)

b.

Einst war ein Steuermann aus Ostfriesland an Bord eines englischen Schiffes, welches im Hafen von Stockholm vor Anker lag. Abends ging er auf das Verdeck, um ein wenig frische Luft zu genießen; da sah er am Ende des Schiffes ein kleines rotes Männchen und ein gleiches auf dem nächstliegenden Schiffe. Er merkte wohl, daß es Klabautermännchen seien, und betrachtete sie neugierig, als die beiden mit einem Male ein Gespräch begannen. »Gehst Du mit mir in See?« fragte der auf dem andern Schiffe. »Nein«, antwortete der auf des Steuermanns Schiffe, »ich bleibe im Kanal; dort geht dies Schiff unter.« »Halt,« dachte der Steuermann, »wenns so steht, gehst du wenigstens nicht mit!« Am andern Morgen erzählte er dem Kapitän sein Erlebnis, dieser aber und die ganze Mannschaft lachten ihn aus. Der Steuermann ließ sich jedoch nicht irre machen, nahm seinen Abschied von dem Schiffe und ging auf ein anderes. Als er seine Reise beendigt hatte und an seinem Bestimmungsorte ankam, erhielt er auch schon die Nachricht, daß sein früheres Schiff mit Mann und Maus im Kanal untergegangen sei.

c.

Der Klabattermann haust eigentlich auf Schiffen, kommt zuweilen aber auch an Land. Ein Bauer in Ostfriesland hatte einst von einem Schiffer einen solchen erhalten. Der Klabattermann quartierte sich in den Pferdestall ein, und der Bauer ließ ihm Sonntags dicken Reis mit Zucker hinsetzen. Eines Sonntags brachte ihm die Magd das Gericht, war aber so naschhaft, den Zucker davon zu essen. Als der Klabattermann dies sah, fiel er über die Magd her und nur mit genauer Not wurde sie durch den Bauern gerettet.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 255. Der Klabautermann. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2DCC-C