185. Spukhafte Erscheinungen menschlicher Gestalten.

a.

Ein junger Vechtaer ging einst von Vechta nach Emstek. Nicht weit vom Ziele reitet ihm plötzlich einer auf einem weißen Schimmel in den Weg und ruft »Halt!« Der Wanderer sieht eine Krone auf dem Haupte des Reiters, ihm wird schwach, und er fällt ohnmächtig hin. Als er wieder erwacht, ist nichts mehr zu sehen. Zwei Tage mußte er in Emstek Krankheit halber liegen bleiben und erfuhr dort, daß an jener Stelle öfter Erscheinungen vorkämen.

b.

Ein Torfbauer fuhr eines Morgens um 2 Uhr mit einem Fuder Torf nach Butjadingen zum Verkauf und nahm seinen Knecht zur Gesellschaft mit. Wie sie nun auf dem Schweier Herrenwege hinunter fuhren, kam ihnen ein Reiter auf einem Schimmel entgegen. Der Torfbauer, der ohnehin ein lustiger Mann war, hieb den Schimmel im Vorbeirennen mit seiner Peitsche über den Rücken, indem er rief: »Üht, du ole Mulesel!« In dem Augenblick waren Roß und Reiter verschwunden, und es ward um die Torfleute her so finster, daß sie nicht die Hand vor den Augen sehen konnten. Sie konnten deshalb mit ihrem Fuhrwerk nicht aus der Stelle. Es kamen noch mehrere Fuhrleute des Weges, die riefen ihnen zu, sie sollten doch wenigstens aus dem Wege fahren. Wie die beiden nun sagten, sie könnten nicht sehen, wurden sie verlacht, denn es war heller Mondenschein. Doch mußten sich die ankommenden Fuhrleute dazu verstehen, selbst des Torfbauern Wagen aus dem Wege zu schaffen. Erst als die Sonne aufging, war der Torfbauer imstande, weiter zu fahren.

c.

Auf dem Richtwege von Buschhagen durch den Moorgraben und den sog. Rosengarten nach Schönemoor reitet um Mitternacht ein Reiter in vollem Trabe. Man hört das [277] Schnalzen des Reiters, das Klirren der Sporen, das Öffnen und Schließen der Schlagbäume und Pforten, das Auf- und Absteigen des Reiters, aber man sieht weder den Reiter noch sein Pferd. Niemand weiß, was es mit dem Reiter auf sich haben mag.

d.

In Visbek wollten zwei Männer Holz stehlen. Sie gingen deshalb abends nach der Ovelgönne, einem derzeit noch mit Bäumen bewachsenen Platze im Kirchdorf, und stiegen auf einen Baum, um dort Zweige abzusägen. Als sie nun auf dem Baume waren, sahen sie im hellen Mondschein eine Kutsche fahren kommen. Sie saßen ganz still, aber die Kutsche kam, obwohl gar kein Weg da war, nach ihrem Baume gefahren. Wie sie meinten, war der Kutscher ganz schwarz, und Wagengerassel konnten sie nicht hören. Als der Wagen ganz nahe war, hörten sie von weitem ein Gebraus, als wenn ein starker Wind käme. Sie klammerten sich vor Furcht fest an den Baum. Auf einmal kam ein starker Donnerschlag, und alles war verschwunden. Die beiden aber fielen vor Schreck kopfüber vom Baume herunter, ließen ihr Geschirr liegen und liefen nach Hause und hatten sich so geängstigt, daß sie noch die nächsten Tage zu Bette liegen mußten.

e.

Ein Besitzer des Landguts Eiding bei Burhave im vorigen Jahrhundert hatte eine weißbunte Kuh, welche jeden Morgen frei in der Scheune umherlief, wenn sie auch am Abend noch so fest angebunden war. Der Knecht entschloß sich zuletzt, eine Nacht in der Scheune zuzubringen, schlief aber ein, und als er erwachte, sah er beim Scheine des Mondes die Kuh wieder losgebunden und einen Mann auf derselben sitzen. Der Knecht fragte den Mann, wie er sich solches unterstehen könne, und was das zu bedeuten habe. Als er darauf zur Antwort erhielt: »Ich hüte die Schätze meines Herrn!« fragte er weiter, ob dieselben nicht zu bekommen seien. Darauf erwiderte der Mann: wenn sie ein junges Ziegenlamm auf dem Boden der Scheune zwei Jahre lang groß fütterten, und kein Wort dabei gesagt würde, könnten sie die Schätze erlangen. Es wurde nun nach den Worten des Mannes verfahren, und als die zwei Jahre fast um waren und die Mädchen eben die Ziege fütterten, entstand über ihnen ein Geräusch, und an einem Strohhalme wurde eine Kiste heruntergelassen. Als die Mädchen das sahen, sagte die eine: »Nu paß up, nu smit se 't us noch upn Kopp.« Sogleich ward [278] die Kiste wieder hinaufgezogen, und eine Stimme von oben sprach: »Da ihr es so leichtsinnig verscherzt habt, so werdet ihr lange darnach suchen müssen.« Als das beherzte Mädchen nun fragte, wo es denn jetzt zu finden sei, ward ihm die Antwort: »Fünfzehn Schritt weit vom Hause in der Erde.« Aber obwohl viel darnach gesucht worden, ist doch der Schatz bis auf den heutigen Tag noch nicht gefunden.

f.

Zu Hagstedt, Ksp. Visbek, ist eine Straße, wo es nicht richtig sein soll. Als ein Einwohner spät am Abend durch diese Straße ging, sah er einen Mann an einem Walle liegen. Er ging näher, um zu sehen, wer es wohl wäre, und es schien ihm nun, daß einer da liege zu schlafen. Da es aber sehr kalt war, wollte er ihn wecken. Er faßte ihn an und schüttelte, aber da hatte derselbe ein so unheimlich häßliches Gesicht, daß er sich davor entsetzte und eiligst davon lief und noch lange nachher an allen Gliedern zitterte.

g.

Beim Mondschein spät in der Nacht kam ein Einwohner von Nordenholz aus dem Kirchhof Hude nach Hause zurück. Im Dorfe angekommen sah er einen Menschen auf öffentlichem Wege in der Nähe einer Scheune Plaggen stechen. Die Sache schien ihm nicht richtig, und als er am andern Morgen nach der Stelle, wo er den Mann beschäftigt gesehen, hinging, fand er, daß nicht eine einzige Plagge gemäht war.

h.

Zwei Männer zu Deichshausen, Ksp. Altenesch, waren mit einem kleinen Boote nach der Bremer Egge gefahren, einer Weserinsel, um Korbweiden zu stehlen. Wie nun der eine ein Bund geschnitten hatte, brachte er es zum Schiffe. Da er nun eine Gestalt neben sich sah und nichts anders meinte, als daß es sein Gefährte sei, sprach er: »Wollen wir noch einmal wieder hin?« Er erhielt keine Antwort, und weil ihm die Gestalt doch auch etwas sonderbar vorkam, schaute er um sich und sah nun seinen rechten Gefährten mit einem Bunde kommen. Er lief ihm entgegen und erzählte, was vorgefallen. Wie sie nun beide zum Schiffe kamen, saß die Gestalt schon auf der einen Seite im Schiffe. Sie konnten nichts dabei anfangen und fuhren zu dreien zurück. Kaum waren sie am Deiche angelangt, da war die Gestalt verschwunden. Die beiden Diebe haben sich die Sache nie anders erklären können, als daß sie jemand haben mitnehmen müssen, der dorthin verwiesen ist, die Sandkörner zu zählen.

[279] i.

An der Scheunentür eines Hauses zu Wiarder Altendeich sah man mit bunter Oelfarbe einen Junker abgemalt, der hoch in der linken Hand einen Hahn hielt und in der rechten ein kurzes krummes Schwert, als ob er dem Hahne damit den Kopf abschlagen wolle. Nachts zwischen 11 und 12 Uhr verschwand der Junker von der Tür und ging im Hause und in der Scheune um; Freitags fing er sogar schon 101/4 Uhr damit an und kam dann auch in die Stube. Wischte man von dem Bilde, es sei an welchem Tage es wolle, etwas weg, so wurde der Junker böse und kam abends gleichfalls in die Stube und rumorte darin herum. »Vor nicht langer Zeit hat er dort in solcher Stimmung mit seinem Schwerte eine Tischecke abgeschlagen. Ich selbst (sagt der Erzähler) habe den beschädigten Tisch und das abgeschlagene Eckstück gesehen.« Einmal war in dem Hause Hochzeit. Als man nachmittags eben beim Kaffee in der Stube saß, hörte man von der Küche her ein fürchterliches Gepolter, als ob alles Geschirr von den Borten zur Erde falle. Sogleich eilte man hinaus und fand richtig das Geschirr zerbrochen an der Erde liegen. Man suchte nun im ganzen Hause und überall herum, konnte indessen keinen Täter entdecken. Zufällig aber sah man, daß das Bild von der Scheunentür verschwunden war. Während man jedoch noch vor der Tür stand, erschien das Bild wieder, und der Täter war somit gefunden. Wie man nun in der Stube den stehen gebliebenen Kaffee austrinken wollte, waren die Tassen leer. (Ob das Bild an der Tür ehemals der obigen Beschreibung entsprochen hat? Das zuletzt vorhandene Bild stellte einen Mann mit langem bürgerlichen Rocke und niedrigem breitkrämpigen Hute vor; in der rechten Hand hielt er eine auf den Boden gestellte Pike, in der linken herabhängend einen Hahn. Das Bild sollte zweifellos einen Wächter bedeuten.)

k.

Ein Schäfer in Hagstedt, Ksp. Visbek, wollte die Mädchen, welche nach Halter gegangen waren, um daselbst beim Flachse zu arbeiten, und erst um Mitternacht zurückkamen, auf ihrem Rückwege erschrecken. Er vermummte sich, so gut er konnte, nahm ein großes weißes Laken um und legte sich an den Weg hinter ein Ufer. Als er die Mädchen singen hörte, stand er auf und wollte auf einem Umwege zu ihnen gehen; aber sowie er sich erhob, erhob sich auf der anderen Seite des Ufers auch einer, welcher noch häßlicher war als er. [280] Rasch fing er an zu laufen, aber die Gestalt verfolgte ihn und je schneller er lief, desto näher kam sie ihm auf dem Fuße nach. Und sie verfolgte ihn bis zur Haustür. Dort verschwand sie, aber der Schäfer hatte einen solchen Schrecken bekommen, daß er, als er ins Haus kam, in Ohnmacht fiel und noch in derselben Nacht starb.

l.

Zwischen Norddöllen, Ksp. Visbek, und dem Holze soll sich nachts oft ein Mann sehen lassen; was er aber zu bedeuten hat, weiß niemand. Vor Jahren gingen zwei Männer etwa zwischen 10 und 11 Uhr diesen Weg, als sie auf einmal einen Mann neben sich gehen sahen. Erst meinten sie, es könne wohl ein Bekannter sein, aber wie sie ihn länger betrachteten, ward er immer größer; zuletzt war er nach ihrem Mutmaßen über zwölf Fuß hoch und auch ganz dick. Da überfiel sie ein Schauder. Sie blieben stehen, aber so wie sie still standen, stand er auch still und wurde nun allmählich kleiner, bis er zuletzt ganz in den Boden verschwand. Sie gingen am andern Morgen gleich wieder hin, aber sie konnten nichts, auch keine Fußspur, finden.

m.

In der Gegend von Cloppenburg ging vor vielen Jahren ein Unterförster mit seinem Sohne im Frühjahr abends nach den Tannenkämpen, um Spreen (Stare) zu fangen, welche dort übernachteten. Es ging das Gerede, daß es im Tannenkamp nicht richtig sei, denn es hatten dort mehrere eine Stimme rufen hören, auch der Vater hatte sie früher schon gehört, dessen aber nicht geachtet. Als sie nun an einem Abend da waren, hörte der Sohn etwas rufen. Er sagte es dem Vater, und wie sie jetzt horchten, kam es näher. Da sagte der Vater zu seinem Sohne: »Komm, laß uns gehen.« Der Sohn aber antwortete: »Nein, erst wollen wir sehen, wer es ist; ich fürchte mich nicht, wir haben ja beide Gewehre, und wenn es zu nahe kommt, schieß ich darauf.« Aber der Vater sagte, das solle er nicht tun, sondern nur eilen, daß sie aus dem Tannenkampe kämen; allein der Sohn wollte nicht. Die Stimme kam jetzt ganz nahe, und der Vater lief, um aus den Tannen zu kommen. Der Sohn blieb stehen, nahm seine Doppelflinte schußfertig zur Hand und sagte: »Nun will ich mal sehen, was ich damit zu tun habe.« Der Vater rief nochmals zurück, er solle doch nicht schießen, aber der Sohn achtete des nicht, sondern sowie es bei ihm kam, legte er an und schoß. Aber auf einmal hörte der Vater ein Geschrei, der [281] Sohn kam gelaufen, und wie er seinen Vater erreichte, fiel er in Ohnmacht und sprach weiter kein Wort. Der Vater langte mit vielen Mühen mit ihm zu Hause an und schickte zugleich zum Arzt, aber der Sohn starb noch in derselben Nacht und hat kein Wort mehr sprechen können. Also hat niemand erfahren, was er gesehen, oder was ihm begegnet.

n.

Ein Mann ging abends durch einen Busch zu einem etwas entfernten Bauern, wo er den andern Morgen zwei Schweine schlachten wollte. Als er nun eine Strecke gegangen war, kam eine große schwarze Gestalt, die bald vor, bald hinter ihm und bald zur Seite war. Der Mann fing an zu drohen, hielt seine Messer voraus und sagte: »Nun soll dich das Donner und Wetter, ich will dir die Messer im Leibe umdrehen.« Indem er dieses sagte, wurden ihm die Hände umgedreht, die Schärfe der Messer seinem Leibe zugewandt, und er selbst wurde hingeworfen und konnte sich nicht rühren. So mußte er wohl eine halbe Stunde liegen, dann stand er auf und entfernte sich, ist aber nachher des Nachts nicht wieder an diesen Ort gegangen.

o.

Ein lustiger Bruder begab sich einst, um sich ein Vergnügen zu machen, ins Wirtshaus und setzte sich zum Kartenspiel. Beim Spiel wurde getrunken, geflucht und geschworen. Als sie die Karten bei Seite legten, trank der Bruder seinen Schnaps aus und ging nach Hause. Als er eine halbe Stunde vom Hause war, begegnete ihm ein sehr großer Mann mit einem dreieckigen Hute auf dem Kopfe. Er sagte: »Guten Abend, Freund!« aber jener erwiderte nichts. Da nahm er seinen Stock und wollte dem Manne einen tüchtigen Schlag geben, aber da war es, als ob er den Schlag selbst bekäme. Er sank betäubt zu Boden, und als er erwachte, war es Morgen.

p.

Ein Mann aus Rechterfeld, Ksp. Visbek, ging eines Abends spät zu einem großen Wasserpfluhl, welcher in der Heide und nicht weit vom Kirchwege lag, um Enten zu schießen. Als er eine Zeit lang gesessen, sah er zwei Männer auf dem Kirchwege von Visbek nach Rechterfeld gehen; wie sie ihm aber näher kamen, bemerkte er, daß es drei Männer waren, und als sie nun gar nicht mehr weit von ihm waren, konnte er wahrnehmen, daß die drei sehr lange Röcke trugen. Mit einem Male fangen die drei unter einander Streit an, beginnen zu raufen, zu stoßen und zuletzt zu schlagen, und dies dauert eine Zeit lang, bis zuletzt einer liegen bleibt. Der Jäger will nun die [282] beiden näher ansehen, ob er sie vielleicht erkennen möchte; aber sowie er ihnen recht nachblicken will, sind sie verschwunden. Er steht auf, um zu untersuchen, wo sie geblieben sind, aber den ganzen Weg hin sieht er nichts. Er geht zu dem einen, welcher auf dem Wege liegen geblieben, um ihm wo möglich zu helfen, aber auch dort ist nichts, nicht einmal Spuren sind zu finden. Auch nachher hat er von der Sache nichts weiter erforschen können.

q.

Unser Küster, so erzählte ein Esenshammer, warnte uns in der Schule, leichtsinnig von der Kirche zu sprechen, und erzählte uns dabei folgende Geschichte. Einige Bauern saßen im Kruge und kamen darauf zu sprechen, daß es doch ein unheimliches Gefühl sein müsse, eine Nacht ganz allein in der Kirche zu verweilen. Nur einer meinte, das sei nichts großes, und erbot sich, es gegen einen ordentlichen Preis auszuführen. Die übrigen mahnten ab und sagten, die Geister hätten in der Kirche schon so manchen zerrissen, sie würden ihn auch zerreißen. Einer aber versprach ihm, wenn er es ausführe, die blaubunte Kuh aus seinem Stalle. Jener nahm es an und ließ sich mit einem Buche und einem Lichte in der Kirche einschließen. Er setzte sich auf die Kanzel und begann eifrig zu lesen, hatte aber noch nicht lange gelesen, da huschten von allen Seiten wunderliche Gestalten herbei, die einen auf Hähnen reitend, die andern auf Ziegenböcken, drängten sich um die Kanzel und suchten dieselbe zu ersteigen. Der eingeschlossene hob die Augen nicht von seinem Buche und fuhr ruhig fort zu lesen, und die Geister vermochten nicht die Treppe zu ersteigen, sagten auch zu einander, so lange er lese, könnten sie ihm nichts anhaben, sobald er aber aufhöre, wäre es um ihn geschehen. Nach einer Weile hörte er unten an der Treppe etwas krabbeln; es schien schon einige Stufen erstiegen zu haben und rief herauf:


»Kunn ick de Knee bügen,
kunn ick de Treppe stigen,
wull ick di de blaubunte Kohutn – driwen.«

Der Bauer erschrak, wandte sich um – und aus war's mit ihm. Am andern Morgen fand man die Glieder und Eingeweide des Unglücklichen zwischen und auf den Stühlen liegen.

r.

Von dem Magister J.F. von Wida, der von 1681 bis 1709 Pastor zu Dötlingen war, erzählte man sich, daß er jede Nacht in die Kirche gegangen sei und knieend vor dem Altar gesungen habe: »Wachet auf, ruft uns die Stimme!« [283] Als er nun einmal kurz vor seinem Tode aus war, hörte man nichts destoweniger jenen Gesang singen und erkannte seine Stimme. (Sibr. Meyer in Var. Oldenbg. Bibliothek, Oldenb. sub Dötlingen.)

s.

Auf dem Kirchwege zwischen Ganderkesee und Schönemoor bewegt sich zur Zeit der Morgendämmerung eine weißgekleidete Frau, die von verschiedenen Personen an verschiedenen Stellen des Weges gesehen ist. Sie sagt nichts, sie grüßt nicht, sie schaut weder links noch rechts; gesenkten Hauptes geht sie ruhig ihres Weges. Was diese Erscheinung zu bedeuten hat, weiß niemand anzugeben.

t.

Auf dem Gute Harlinghausen oder Alttreuenfeld, Ksp. Strückhausen, spukt die weiße Jungfer. Einige wollen auch mehrere gesehen haben, gewöhnlich ist aber die Rede nur von einer. Sie erschreckt in nächtlicher Stunde den Wanderer, geht den Weg von Harlinghausen nach der Strückhauser Kirche und zeigt sich auch wohl sonst in der Nähe des Gutes. Sie erscheint in weißem Hemde, in welchem sich Rostflecken befinden. Ein Landmann zu Strückhausen will sie am hellen Mittage gesehen haben. Sie kommt in langem, weißen, wallenden Gewande mit fliegenden Haaren (obwohl die Luft ganz still ist) von Harlinghausen die Moorstaße entlang bis zur nächsten Sieltiefbrücke in Norden, wo sie sich hoch in die Luft erhebt und dann plötzlich versinkt, als ob sie sich in das Sieltief stürze.


(Vergl. 159i).

u.

Vor Jahren lebte in Funnix in Ostfriesland ein Schullehrer, der nach damaliger Sitte reiheum bei den Bauern zu Mittag aß. An einem Sonnabend war die Reihe an einem Bauern, der an der Grenze des Dorfes wohnte; der Lehrer ging daher nach Tische zu seinen Eltern, die nicht weitab wohnten, und kehrte erst am Sonntag abend nach der Schule zurück. Auf dem Rückwege traf er eine Dame in ganz steifer schwarzer Seide. Der Lehrer fragte, wohin sie gehe, und die Dame antwortete: nach Funnix. Er suchte nun ein Gespräch anzuknüpfen und tat mehrere Fragen, aber erhielt gar keine oder nur einsilbige Antworten. Aber die Schönheit der Dame hatte großen Eindruck auf ihn gemacht, und da er noch Junggesell war, dachte er, das gebe eine gute Frau für ihn. So waren die beiden über mehrere Klampen (Stege) gekommen; jetzt kamen sie an einen Klamp, vor welchem die Dame stehen blieb. Als nun auch er voller Erwartung still stand, ging sie hinüber und [284] er folgte. Kaum war die Dame über den Klamp, so entstand ein furchtbarer Lärm und die Dame war verschwunden. In größter Eile lief der Lehrer nach Funnix und kam in Schweiß gebadet an, ist auch den Weg nie wieder im Dunkeln gegangen.

v.

In Dinklage wollte ein Jüngling zu seiner Braut gehen. Er mußte über eine kleine Brücke; als er aber in der Mitte derselben war, saß dort ein Fräulein, schwarz gekleidet, mit einer weißen Mütze auf dem Kopfe. Der Jüngling faßte sie an und fragte: »Fräulein wollen Sie mit zum Tanz?« Sie aber erhob ein gräßliches Geschrei und stellte sich auf die Mitte der Brücke. Der Jüngling fragte nun, was sie da mache und dort wolle, aber sie antwortete nicht. Da sagte der Jüngling, wenn sie von Gott sei, solle sie antworten, und sei sie vom Teufel, so solle sie aus dem Wege gehen. Darauf ist sie verschwunden. – Auf der Osternburg zeigte sich vor mehreren Wintern jeden Abend um 11 Uhr eine gespenstische schwarze Dame. Sie pflegte ruhig ihres Weges zu gehen und tat niemand was zuleide, doch wagte es kein Mensch, sie anzureden oder ihr zu folgen und nachzuspüren.

w.

Vor Jahren kamen in Rieste, Ksp. Neuenkirchen, so viele Feuersbrünste vor, daß es nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Ein Gärtner aus Rieste arbeitete in Neuenkirchen, als wieder die Nachricht von einem Brande kam. »Sonderbar!« sagte er, »gestern Abend haben wir sie noch gesehen, drei kleine Weibsleute nämlich, schwarz gekleidet (vielleicht mit weißen Tüchern); wir sind hinter sie her gewesen, aber konnten sie nicht erreichen, und im Holz verschwanden sie.«

x.

Zu beiden Seiten des Weges, der von Wöstendöllen nach Goldenstedt führt, nicht weit vom Goldenstedter Bahnhof, befinden sich zwei sich gegenüberliegende Tümpel oder Schlatts. Man hat dort verschiedentlich einen Mann gesehen, der aus einem Schlatt kam, über den Weg ging und im andern Schlatt verschwand. Eine Frau hat ihn einmal untertauchen sehen und ist in der Meinung, einen Selbstmörder vor sich zu haben, hingelaufen, hat mit ihrem Schirm das Wasser untersucht aber nichts gefunden. Einmal ist an derselben Stelle ein Wanderer von jemand angehalten und aufgefordert, die Uhr abzugeben. Dem Verlangen ist entsprochen und der spukhafte Räuber dem Beraubten bis Goldenstedt gefolgt, hat ihm dort die Uhr zurückgegeben und ist verschwunden.

[285] y.

Der alte Z. aus Westerbakum kommt eines Abends vom Schmied Kurre in der Molkenstraße mit einem Paket Nägel, die er dort gekauft hatte. Eben hat er Kurres Haus verlassen, da schaut er sich um nach dem Carumer Wege und sieht, wie eine gespensterische Hand Dielen von der Brücke auf dem Wege von Harme nach Carum löset. Zugleich sieht er ein Fuhrwerk herankommen, worauf vier Personen sitzen. Im Laufschritt eilt er zur Brücke, sucht die Bohlen beisammen und nagelt sie mit seinen Nägeln fest. Ein Uebeltäter ist nirgends zu sehen. Das Fuhrwerk fährt dann ohne Schaden über den breiten Steg (so nannte man die Brücke). Z. war Hellseher, konnte Sterbefälle, Brände und Unglücksfälle voraussehen. War dies auch Vorspuk oder ist es unerklärter Spuk? fragt der Berichterstatter.

z.

Eine Wiese auf dem Gute Lage bei Essen heißt Install. Eines Abends geht ein junger Mann an dieser Wiese vorbei und sieht, wie sich zwei weißgekleidete Menschen kreisförmig auf ihn zu bewegen. Neugierig sieht er dem Schauspiele zu, als er deutlich die Worte vernimmt: »Geh fort oder du mußt mit uns wandeln bis in Ewigkeit«. Da ergreift ihn Schauder und Angst und er macht, daß er fortkommt.

aa.

Auf Kaspers Damm im Dorfe Lindern sieht man zu gewissen Zeiten abends eine schwarze Frau sitzen und spinnen. Wer jemals an dieser schwarzen Frau vorbei mußte, sah sich plötzlich eine ganze Strecke weit fortgerückt, ohne daß ihm die Fortbewegung zum Bewußtsein gekommen.

bb.

In der Gemarkung Lindern befinden sich zwei gut erhaltene Steindenkmäler; das eine liegt auf der sogenannten Holzhöhe, das andere, Schlingsteine genannt, an der Nordseite von Lindern vor dem Moore. Als beim letztgenannten Denkmal einst ein Mann vorbeiging, wurde ihm kräftig auf die Schulter geklopft. Er sah sich erschreckt um, gewahrte aber nichts.

cc.

Am Schulwege von Evenkamp nach Düenkamp befindet sich das »Lampske Gatt«, eine mit Buchen und Eichen bepflanzte Anhöhe am rechten Ufer der Hase, von der man in eine Ebene hinabschaut, in welcher ein Sumpf sich ausbreitet. Aus diesem Sumpfe steigt zur Nachtzeit ein großer einäugiger Mann empor, an den Füßen lange Stiefeln tragend, mit der Hand eine mächtige Keule umfassend. Er kommt die Anhöhe herauf, geht bis an den Rand des Schulweges und erschreckt mit seinem feurigen Auge den Wanderer, der zufällig vorbeigeht. [286] Darum wird der Weg zur Nachtzeit gern gemieden; wer aber dennoch ihn gehen muß, eilt, daß er das Lampske Gatt möglichst bald hinter sich hat.

dd.

Ein Bedienter auf dem Gute Füchtel bei Vechta hat einst den Auftrag bekommen, ein Pferd nach Oldenburg zu bringen. Als er das Pferd bestiegen hat und über die Brücke reiten will, wird das Tier plötzlich unruhig. Er blickt zur Seite und sieht einen schwarzgekleideten Mann mit einem Zilinderhut auf dem Kopfe neben dem Pferde herschreiten. Das Reittier wird immer ungeberdiger, zuletzt ruft der Reiter dem Begleiter zu, er möge doch zurückbleiben. Dieser läßt sich aber nicht bereden und hält Schritt mit dem Pferde, das im Fortrennen fortwährend nach allen Seiten ausschlägt. Der Reiter hat seine Not, daß er im Sattel bleibt. Beim Ausgange des Busches nach Vechta zu ist der stumme Begleiter auf einmal verschwunden und das Pferd vom selben Augenblicke an ruhig, aber über und über mit Schaum bedeckt.

ee.

In der Bauernschaft Sanderahm (Gem. Sande) befindet sich eine tiefe Brake, Pekenkuhle genannt. Aus dieser hat man einst den Ruf vernommen: »Die Zeit ist gekommen, der Mann ist noch nicht hier.« Eine Stunde später ist ein Reiter herangesprengt, hat bei dem Wasser gehalten, mit seinem Hute daraus geschöpft und getrunken und ist dann tot hingefallen.

ff.

Gleich hinter dem Orte Steinfeld an der Landstraße nach Holdorf befindet sich ein Wassertümpel, »Käuhnen Kuhle« genannt. Einst hat ein Harpendorfer Bauer den Steinfelder Pastor nachts zum Kranken geholt. Als das Gefährt bei der Käuhnen Kuhle ankommt, bleiben die Pferde plötzlich stehen, und alle Mittel, sie fortzubringen, sind vergeblich. Schließlich steigt der Geistliche mit dem Sakramente in der Hand vom Wagen und geht ein paar mal um den Wagen herum. Als er wieder aufgestiegen ist, ruft er dem Kutscher zu: »Jetzt treibe die Gäule nur fest an,« und alsbald gehts im Galopp weiter. Bei der Rückkehr wurde an derselben Stelle bei den Gäulen nicht die geringste Unruhe bemerkt.

gg.

Zwischen Essen und Brokstreek ist eine Kuhle an der Bahn Oldenburg-Osnabrück. Vor vielen Jahren hat dort ein Plaggenstecher gestanden und deutlich die Worte gehört: »Die Zeit ist verflossen, der Mann ist noch nicht da.« Kurz darauf kommt im vollen Galopp ein Reiter heran, jagt in die [287] Kuhle und ertrinkt samt dem Pferde. Vgl. ee. Dieselbe Erzählung geht in Bunnen, wo der Reiter in die Hase springt, und in Vechta, wo der Reiter im Zitadellengraben endet.

hh.

Eines Sonntages gehen die Leute von Bahlen nach Dinklage zur Kirche. Der Weg führt durch eine Wiese. Auf einmal können sie nicht weiter kommen, statt vorwärts gehen sie rückwärts von einem Spuke geschoben. Von da an heißt es, es spuke in der Wiese.

ii.

An der Chaussee von Oldenburg nach Zwischenahn steht in der Nähe von Kaihausen ein großer Meilenstein. Einst kommt ein Mann dort vorbei und sieht daselbst zwei große Füße stehen. Am folgenden Abend sieht er zwei Füße und zwei Beine stehen, am dritten Abend hat sich ein Rumpf den Beinen zugesellt, aber ohne Kopf, am vierten Abend steht ein Mann dort mit ungewöhnlich großem Kopf. An den nächsten vier Abenden verschwindet der Mann wieder in der Weise, wie er entstanden ist.

kk.

Ein Mann fuhr nachts von Cloppenburg nach Essen. Als Fahrgast hatte er bei sich eine Frau. Zwischen Stapelfeld und Hemmelte in der Niederung des Grenzbaches wurden die Pferde plötzlich unruhig. Der Fuhrmann stieg vom Wagen, nahm die Pferde beim Kopf und bedeutete der Frau, sie möge ebenfalls absteigen. Diese folgte der Aufforderung war aber neugierig, was die Sache zu bedeuten habe und fragte deshalb ihren Begleiter nach dem Grunde der Fahrtunterbrechung. Der Mann, vorhin über die Maßen gesprächig, war auf einmal stumm geworden und winkte der Frau, sie möge schweigen. Diese sah um sich, es war Mondschein, bemerkte aber nichts. Schweigend gingen beide eine Viertelstunde lang neben dem Wagen her. Der Fuhrherr hatte Mühe, die Pferde zu halten. Als die Flußniederung verlassen war, beruhigten sich die Tiere. »Gott Dank,« sagte der Mann, »daß wir dort vorbei sind, nun können wir wieder aufsteigen.« Als beide auf dem Wagen saßen, fragte die Frau: »Nun sag mal Karl, was war denn los?« »Hast du nichts gesehen?« erwiderte er. »Nicht das Geringste!« »Auch nicht die weiße Gestalt, die neben uns im Chausseegraben herlief?« »Nein, auch das nicht.« »Ich sehe den Spuk immer, wenn ich des nachts hier vorbei muß, auch andere kennen ihn. Mein Vater ist durch ihn mit einem Fuder Felle mal in den Chausseegraben geraten, obwohl er mitten auf der Straße fuhr.« Jetzt überfiel [288] auch die Frau ein Unbehagen und sie freute sich, daß sie dem Ziele ihrer Reise näher kam.

ll.

Der Eigner K. in Elsten (Ksp. Cappeln) konnte im Jahre 1894 folgende Erlebnisse verzeichnen. Zuerst wollte er eines Tages fette Schweine wegfahren; als er Anstalten macht, den Hof zu verlassen, waren die Tiere aus dem geschlossenen Kasten verschwunden. Bei der Suche fand man sie hernach hinten in einem Busch. Als die Ablieferung geschehen war, brachte er eine Ladung Thomasmehl nach Hause zurück. Auch dieses war kurz darauf verschwunden, man fand es zuletzt oben auf dem Heufach liegen. Als K. bald darauf Häcksel schnitt, kam ein Strom Wasser aus der Waschküche und schwamm den Häcksel fort. Zeitweilig tanzte Feuer unter dem Hausbalken, Briefe und sonstige Papiere flogen im Hause herum. Als ein Bruder der Hausfrau zum Besuch bei K. eintraf, sah dieser, daß die an der Wand hangenden Messer der Häckselmaschine sich bewegten. Als er aufstand und die Messer festhielt, flog ihm eine Rübe in den Nacken und ein schmutziges Tuch um die Ohren. Ein anderer Besuch wurde mit einem Krug Kaffee von hinten begossen. Bald darauf kam die Magd des K. ins Krankenhaus und der Spuk hörte auf. Der Vater dieser Magd war kurz vor dem Beginn des Spukens zu K. gekommen und hatte, nachdem die Tochter den Dienst eben angetreten, den Jahreslohn im Voraus gefordert. K. hatte ihn abgewiesen.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 185. Spukhafte Erscheinungen menschlicher Gestalten. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-25C3-2