217.

Den eigenen Vorteil suchen die Hexen zum Teil durch dieselben Mittel, mit welchen sie den Schaden Anderer bewirken. Im Münsterlande war früher eine Frau, welche überaus gern in anderer Leute Butterkarnen hineinsah: sie zog [382] mit dem Blicke die künftige Butter aus der fremden in die eigene Karne. Ferner stehlen die Hexen den Tau, der auf anderer Leute Land fällt, um Butter daraus zu machen. (In Jeverland heißt es, man müsse ein Bettuch nehmen und dieses vor Sonnenaufgang über fremdes Land schleppen, damit es den Tau einsauge; mit dem nassen Tuch müsse man alsdann in der Karne herumfahren, hernach gebe es ungewöhnlich viele Butter.) Oder sie melken aus den vier Ecken ihres Tischtuchs die Milch, die in anderer Leute Kühen oder Kübeln ist. Und wie mit anderer Leute Butter, suchen sie sich auch mit sonstigem fremden Eigentum zu bereichern. Neben diesen und anderen sympathetischen Mitteln kommt auch vor, daß die Hexen eigene dienstbare Geister für sich benutzen.

a.

Im Butjadingerlande war ein Arbeiter noch spät abends am Mähen. Die anbrechende Nacht war die Johannisnacht. Als er nun müde war, legte er sich hin, um auszuruhen. Kaum aber hatte er sich hingelegt, so kam eine alte Frau, zog ein Betttuch hinter sich her auf das Land, fing damit den Tau auf und rang es aus in einen Topf. Der Arbeiter, dem diese alte Hexe bekannt war, wußte, daß sie mit diesem Tau den Bauern die Butter stehlen konnte, nahm ihr den Topf weg und trug ihn nach seinem eigenen Hause. Am folgenden Tage wollte er Butter machen, tat aber statt einiger Tropfen von diesem probaten Zusatz den ganzen Topf voll hinein, und als er nun anfing zu buttern, ging alles von Butter über und über.

b.

Vor vielen Jahren ging einstmals ein Schneider zu Jaderlangenstraße, der seine Kundschaft auch über das Moor hin hatte, nach Neustadt, um dort zu arbeiten. Die Leute, bei denen er arbeitete, hatten keine Butter im Hause und konnten ihm darum kein Essen geben. Da sagte die Frau, sie wolle geschwind buttern. Sie füllte die Karne teilweise mit Wasser, holte einen roten Lappen aus einem Schranke hervor, legte ihn unter die Karne und fing an zu buttern, indem sie beständig sprach:


»Ut jedem Hus 'n Läpel vull,
ut Pastoren Hus 'n Pott vull.«

Und wie ein dicker Nebelstreif zog sich von der Haustür her ein gelblicher Strom nach der Butterkarne hin, die bald voll Butter war. Der Schneider hatte alles wohl beobachtet, und weil ihm diese Art, Butter zu machen, wohl gefiel, schnitt er [383] heimlich ein Stück von dem roten Lappen und nahm es mit sich nach Hause. Als es hier auch an Butter zur Speise fehlte, machte er es, wie er es zu Neustadt gesehen, tat Wasser in die Karne, legte den roten Lappen darunter, fing an zu buttern und sprach:


»Ut jedem Hus 'n Pott vull,
ut Pastoren Hus 'n Läpel vull.«

Da kam so viel Butter, daß seine Karne sie nicht fassen konnte, und sie war frisch und gut, nur ungleich von Farbe, weil sie aus verschiedenen Häusern herstammte. – Bald darauf kam ein fremder Mann ins Haus, der an einem Fuße hinkte. Wie der Schneider genauer zusah, bemerkte er, daß der Fremde einen Pferdefuß hatte, und wußte nun gleich, was für einen Gast er bei sich hatte. Der Fremde sagte zu dem Schneider: »Da er so gebuttert habe, gehöre er ihm und solle nun auch ferner so buttern können. Aber er müsse nicht so sprechen, wie er getan, sondern:


›Ut jedem Hus 'n Läpel vull,
ut Pastoren Hus 'n Pott vull,‹

sonst falle es zu sehr auf, und er bekomme auch zu viel Butter. Auch müsse er mit seinem Blute unterschreiben, daß er sein eigen sein wolle.« Damit legte der Teufel dem Schneider ein Buch vor, in welchem schon viele Unterschriften standen. Der Schneider ritzte seinen Finger und schrieb mit dem heraustretenden Blute in das Buch, aber nicht seinen Namen, sondern die Worte:


»Jesus von Nazareth.«


Als der Teufel das sah, schlug er mit seinem Pferdefuß auf den Schneidertisch und entwich durch das Fenster, mußte aber das Buch zurücklassen. Indessen behielt der Schneider das Buch nicht lange, denn es kamen Hexen und holten es weg.

c.

Ein Schneider arbeitete bei einem Bauern, dessen Frau allgemein für eine Hexe gehalten wurde. Als der Schneider bei der Arbeit war, bemerkte er, daß die Frau sich zum Buttern anschickte und dabei unter die Butterkarne ein Blatt Papier legte. Der Schneider, der auch wußte, daß die Frau keine gute war, wurde neugierig, und als die Frau sich auf einen Augenblick entfernte, nahm er rasch das Stück Papier weg und steckte es in die Tasche. Als gleich darauf die Frau anfing zu karnen, bekam der Schneider die Butter, die sie[384] machte, in die Hose, und das so lange, bis die Hose ganz voll war. In der Karne aber blieb gar keine Butter. (Holle.)

d.

Vor etwa fünfzig Jahren lebte in Schwei eine alte Frau, welche für eine Hexe gehalten wurde. Sie konnte von einer Kuh außerordentlich viele Butter machen, und mästete sie ein Schwein, so war in zwei bis drei Wochen der Speck einen halben Finger dick. Eines Tages wollte sie ausgehen und befahl ihrem Mädchen, Butter zu machen. Sie ging dann fort, und das Mädchen begab sich an seine Arbeit. Zu seinem Schrecken fand sich in dem Rahmkübel eine große Kröte, welche es aus dem Hause warf. Bald kam die Frau wieder zu Hause, und weil sie vergessen, bevor sie ausging, den Rahm selbst in die Karne zu geben, so fragte sie das Mädchen, ob es auch etwas im Rahmkübel gefunden habe. »Ja«, erwiderte es, »eine Kröte; ich habe sie neben dem Hause unter eine Hecke geworfen.« Sogleich lief die Frau hinaus, um die Kröte wieder aufzusuchen, und so wie sie nur rief: »Tädewig, Tädewig!« so kroch die Kröte unter der Hecke hervor. Die Frau nahm sie in Empfang, reinigte sie und setzte sie wieder an ihren alten Ort.

e.

Zwei Arbeiter waren zusammen in Holland beim Grasmähen. Der eine, welcher dem Anscheine nach ein Schwächling war, hatte eine Sense, mit der konnte er alles mit leichter Mühe mähen und brauchte gar nicht einmal zu streichen. Der stärkere mußte sich quälen und konnte es doch dem andern nicht halten. Der stärkere hatte den schwächeren schon oft nach der Ursache gefragt; dieser wollte es lange nicht sagen, aber zuletzt erzählte er ihm, seine Frau habe zu Hause die Sense gestrichen und ihm gesagt, nun solle er nur hingehen, er brauche weiter nichts mitzunehmen, denn er könne jetzt alles abmähen, was ihm vorkomme. Da wollte der andere es doch noch einmal versuchen und steckte heimlich sein Haarspit in das Gras; als jener aber daran kam, schnitt er leicht hindurch, doch sagte er: »Hier sind harte Stickeln.« Da wurde sein Kamerad sehr traurig. Denn er mußte schwitzen vom Morgen bis zum Abend, und jener konnte es so leicht und ohne Mühe. Deshalb klagte er es einem Freunde, daß er mit so einem, dessen Frau gewiß hexen könne, hier zusammengekommen sei, und daß er es gegen diesen nicht mehr aushalten könne, er müsse weg, denn er könne nicht mehr. Da sagte dieser, er habe früher schon bei demselben Bauern gearbeitet [385] und er glaube, dessen Frau könne alle Künste; die solle er um Rat fragen, die werde ihm gewiß helfen. Das tat er nun; da sagte die Frau, das hätte er ihr nur eher sagen sollen, und gab ihm den Rat, er solle heimlich, daß der andere es nicht sehe, dessen Sense untersuchen. In dem Sensenbaum sei ein Loch, das zugepfropft sei, diesen Pfropfen solle er nur herausziehen, dann könne er es dem andern wohl halten. Als nun der Mann die Sense untersuchte, fand er im Baume einen kleinen Pfropfen, und so wie er diesen herauszog, flog eine schwarze Fliege heraus. Als sie nun wieder anfingen zu mähen, konnte der schwächere nichts mehr anfangen, denn so viel Mühe er sich auch gab, seine Sense wollte nicht mehr schneiden (Visbek und ganz ähnlich Bockhorn). – Im Jahre 1721 fand man bei dem rasch auf einander erfolgten Tode zweier Eheleute zu Hayenwärfe, Ksp. Rodenkirchen, in deren Nachlaß eine verschlossene Kruke, in welcher sich eine große Fliege befand. Man sagte in der Gemeinde, wie die Prediger berichteten, diese Fliege sei ein spiritus familiaris, welchen die verstorbenen Eheleute zu dem Ende gehabt, daß sie viele Butter von ihren Kühen machen könnten. Eine Untersuchung wurde eingeleitet, deren Resultat unbekannt ist. Die Akte ist abgedruckt im »Gesellschafter, oldenburgischer Hauskalender für das Jahr 1856«, S. 57.

f.

In N. lebte ein Mann, der wenn er drosch, kein Korn unter dem ausgedroschenen Stroh fand. Er hatte als Nachbarn einen Menschen, der im Rufe stand, hexen zu können, und beschloß, diesen auf die Probe zu stellen. Er begab sich eines Tages in dessen Wohnung und fragte so beiläufig, was er am folgenden Tage zu machen gedenke. Dreschen, war die Antwort. Was er denn dreschen wolle. Hafer, kam es heraus. Am anderen Tage drosch unser Bauer Roggen, ging dann in das Haus des Hafer dreschenden Nachbars, untersuchte das auf der Tenne liegende Haferstroh und fand darunter Hafer untermischt mit Roggen. Nun wußte er, wo sein Korn geblieben war. (Münsterland.)


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 217. [Den eigenen Vorteil suchen die Hexen zum Teil durch dieselben Mittel]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2563-9