[274] Die geweihte Fahne
Im April 1813.
Die Fahne weht, sie dringet vor,
Entfaltend ihren Glanz,
Und Gruß und Lied wallt ihr empor
Bei'm frohen Waffentanz.
Sie strahlt, des freien Bund's Panier,
Im schönsten Morgenroth;
Wir schaun auf dich, wir folgen dir,
Zu Sieg, zu Heldentod!
Ein köstlich Weihgeschenk, gewebt
Von edler Frauen Hand,
Von ihrer Wünsche Chor umschwebt,
Für's Deutsche Vaterland.
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Gehobnen Busens, Perl' im Blick,
So trug die fromme Schaar,
Daß kröne Segen ihr Geschick,
Sie hin zum Hochaltar.
Ein heil'ger Priester sprach ihn aus,
Den Weihspruch über sie,
Und Amen! scholl das Gotteshaus
Und Alles stürzt' auf's Knie.
Der Reigen zog vor's Kirchenthor,
Wir standen harrend da,
Und flehend Aller Aug' empor
Zu Fahn' und Himmel sah.
Ein holdes Weib, mit edler Schaam
An Wang' und Stirn geschmückt,
Trat sittsam vor, das Wort sie nahm,
In Andachtsgluth entzückt:
»Dringt, Brüder, wo sie wallt, in's Herz
Dem dichten Feindesschwarm!
Wenn ernster Will' ihn hebt – ist Scherz
Der Sieg dem deutschen Arm!
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Seyd Löwen in des Treffens Graun;
Doch schweb' ein Bild euch vor
Von Braut und Schwester, das euch raun'
Erweichten Sinn in's Ohr.
Nun Gott mit dir, du hehre Schaar!
Für Weib und Kind und Heerd,
Für Recht, für Freiheit, für Altar
Schwingst du das Rächerschwert!«
Sprach's mit verklärtem Aug'. – Es strebt
Das Kleinod nun voran,
Und felsenfester Glaub' erhebt
Den Muth uns himmelan.
Die ernste Stunde schlägt; wir gehn
In Sieg, in Heldentod,
Laut schallt's im Thal und auf den Höh'n:
Sieg oder Heldentod!