5. Liebes-streit. Gedanken
1.
Ich sach mit einer einen scherzen/
da fiel die Rosilis mir ein.
Was? fiel erst Rosilis mir ein/
als ich die beyde sahe scherzen?
die Rosilis ist allzeit mein
und schwebet stets in meinem Herzen.
2.
Es schmazzten vier Korallen-Lippen/
da dacht' ich auff Rosillen hin.
Dacht' ich auff ihre Lippen hin/
als schmazzten vier Korallen-Lippen?
Nein! Lauter Rosen und Rubin
sind ihres roten Mundes Klippen.
[92] 3.
Ich sach zwey Liljen-Hände drükken/
so weiß auch ist Rosillen Hand.
Ist weisser nicht Rosillen Hand/
wenn sie die meinen pflegt zu drükken?
Nicht Schnee noch Wolle hält Bestand
für ihrer Hände silber-blikken.
4.
Ich sach vier Arme sich umfassen/
so liebt die Rosilis auch mich.
Wie? liebt die Rosilis so mich/
durch ihr besüßtes Arm-umfassen?
Die Tugend hat sie mehr bey sich/
was übrig/ wil sie zu- mir -lassen.
5.
Es waren in dem Busen Hände:
So treib' ichs mit Rosillen auch
Mein! leidet Rosilis diß auch/
und läßt darinnen deine Hände?
Rosill' hat dieses nicht im Brauch/
so wende nu dein Rühmen/ wende.
6.
Sie sahen sich beyd' an und lachten:
so/ dacht' ich/ lacht die Rosilis.
Wer sagt was von der Rosilis/
wie ich und Sie zusammen lachten?
Ja/ wenn ich Koridon schon hieß/
sprach' ich es nicht/ sie zu verachten.
7.
Es war nur ein Gemüht in zweyen:
so ist die Rosilis gesinnt.
[93]Ja/ freylich/ ist sie so gesinnt/
es lebt nur ein Geist in uns Zweyen.
Ach! sollt' ich Rosilis/ mein Kind/
darüber mich nicht herzlich freuen.
8.
Laß andre lachen/ laß sie klagen/
laß herzen/ scherzen und was mehr.
Ich dürff kein Zeugnüß/ Herze/ mehr/
als dein bey meinem hingehn/ klagen.
Rosille liebt mich noch so sehr/
als ich beschreiben kan und sagen.