[159] 8. Das kranke Buschgen
1.
Buschgen henkt' ihr Häuptchen nieder
und ließ herbe Seuffzer gehn/
die sonst muntern Augen-lieder
hatte sie halb offen stehn/
wie sie die verzukkten mahlen
in Dionen Saalen.
2.
Der gehemmte Pulß der Hände
schlug ganz sacht und langsam an/
wie/ wenn einer nah' am Ende
kaum das Herze rühren kan.
Ihrer Wangen Rosen blichen
Geist und wärme wichen.
3.
Seban hatte sich geleget
auff der liebsten Doris Mund
und/ wie ein Verliebter pfleget/
als/ dehm alles war vergunnt/
durfft' er sich mit tausend Schmäzzen
öffentlich ergezzen.
4.
Ich vermerkte bald die Kreide/
daß diß treu-verliebte Paar/
zu des Buschgen stillem Leide
einig nur der Anlaß war/
drum wolt' ich sie gleicher massen
küssend auch umfassen.
[160] 5.
Bald ward ihr Gesichte helle/
rötlich ihrer Wangen Saal/
Muht und Leben kam zur Stelle:
doch erseuffzt sie noch einmahl/
dieses machte/ daß ich fragte
was sie heimlich plagte.
6.
Nichts nicht (sprach sie) mich betrübet/
daß ich nicht zu Hause bin.
Meine Mutter/ die mich liebet/
kränket sich in ihrem Sinn/
wenn allein ich ohn begleiten
geh bey späten Zeiten.
7.
Töhricht müst' ich sein gewesen/
wenn ich nicht errahten solt'
ihre Krankheit und genesen/
und was sie von mir gewolt/
Doch verbarg ich diß mein wissen
mit gehäufften Küssen.
8.
Unter diesen Liebes-Freuden
fing ich sachtlich zu ihr an:
Schönes Kind/ ach! daß uns beyden
gleiche Lust nicht werden kan
die den zwey Verliebten heute
Venus schenkt zur Beute.
9.
Wenn es Gottes Wille wäre/
würde bald gemacht der Kauff/
[161]ich entsage keiner Ehre
gab sie mir zur Antwort drauff.
Und so ward diß scheinsam Lieben
küssend unterschrieben.
10.
Doch/ was kunnte das verschlagen/
Küssen leschet nicht genug.
Ihre Schwermuht abzutragen
war auch hier nicht Zeit noch Fug/
weil man bey der Lichten brandte
uns zu sehr erkandte.
11.
Magd/ wo bleibstu doch so lange
Komm/ und zünd die Fakkel an/
denn man in dem dunkeln Gange
leichtlich sich vertreten kan.
(rieff sie) und verließ die beyden
in vergunten Freuden.
12.
Fragstu/ ob ich mit ihr gangen?
freylich. Sollte das nicht sein?
Ihr bedrükken und umfangen
machten mir den Weg zu klein/
daß/ eh wir es kaum vernahmen
wir zur Haußtühr kahmen.
13.
Dehm/ was weiter sich begeben/
hastu nicht zu forschen nach/
sie lescht selbst das Licht/ mein Leben/
boht mir an ihr Schlaaff-gemach.
Wär die Mutter nicht gewesen
hätte sie genesen.