Herzog Alba

1.

Der Henker mit dem Beile
Vor Herzog Alba tritt:
»Du liebest, Herr, die Eile,
Mein Beil war scharf, es schnitt.
[225]
Es schnitt dem starren Alten
Durch's knöcherne Genick;
Der Junge wollt' nicht halten,
Ihn zwang der Knechte Strick.
Die Frau – den kleinen Knaben
Läßt von der Brust sie nicht –
Sie kommt, sie will es haben,
Jetzt gleich vor dein Gesicht.«
Und vor des Herzogs Augen
Trug sie die Mutterbrust,
Sie ließ das Kindlein saugen,
Sie blickt es an mit Lust.
Das Weib sprach ohne Beben:
»Mein Kind ist noch nicht satt,
Laß mich so lange leben,
Bis es getrunken hat.
Es liegt auf weichen Pfühlen
An einem süßen Born.
Ja, könntest du das fühlen,
So legte sich dein Zorn!«
Der Herzog sprach mit Hohne:
»Werd' ich ein Säugling – gut!
Dann hoffet, daß ich schone;
Für jetzt will ich dein Blut!«
Als drauf der Diener faßte
Das Kind mit rauher Hand,
Die Mutter erst erblaßte,
Die Mutter erst entbrannt'.
Es hob in wilden Wellen
Sich ihre bloße Brust,
Es ward zu Feuerquellen
Der Augen stille Lust.
Sie rief: »O süß ist Sterben,
Wenn eins vom Hiebe stirbt!
Du, Herzog, sollt verderben,
Wie welkend man verdirbt!
[226]
Nach Leben sollst du trachten
Und sollst, wie unentwöhnt
Mein Kindlein dort, verschmachten,
Das nach der Mutter stöhnt!«
Der Herzog hat's vernommen,
Er hört ihr schweigend zu;
Den Henker läßt er kommen
Und schaffet bald sich Ruh.
Er läßt im Tod sie trotzen,
Er sitzt im Purpurglanz,
Sein Leben fühlt er strotzen
Vom Mark des Niederlands.

2.

Still in des Herzogs Hause
Ward's, mitten in Madrid,
Es hallt in seiner Klause
Nicht mehr des Henkers Tritt.
Vom Baume seines Lebens
Fiel Frucht und Blatt schon ab,
Hin ist der Mut des Strebens,
Zerknickt sein Feldherrnstab.
Der Leib ist morsch, die Schmerzen
Verzehrten seine Kraft;
In dem verwelkten Herzen
Dorrt selbst die Leidenschaft.
Sein Haupt liegt auf dem Kissen,
Er lechzt nicht mehr nach Blut,
Das nackende Gewissen
Ist all sein Hab' und Gut.
Drum klammert er sich zagend
An's kahle Leben an,
Mit Blicken ängstlich fragend,
Ob Niemand fristen kann.
[227]
Doch nichts erquickt den Armen,
Stumpf ist der Aerzte Witz;
Nur einen will's erbarmen,
Den mahnt es, wie ein Blitz.
»Den Tod ihm fern zu halten,
Ist eins mir noch bewußt:
Legt den erschöpften Alten
An eines Weibes Brust!«
Der Arzt sprach sorgsam, leise,
Der Diener es vernahm;
Bald stehet vor dem Greise
Ein säugend Weib voll Scham.
Die Mutteraugen lenken
Mitleidig sich auf ihn,
Den dürren Mund zu tränken,
Reicht sie die Brust ihm hin.
Mit innigem Vergnügen –
Er weiß nicht, was er thut –
Trinkt er in langen Zügen,
Doch ihm wird Milch zu Blut.
Bald graus't ihm vor dem Tranke,
Er kehrt sich weg entsetzt.
Auf blickt der Schwache, Kranke,
Und todblaß ruft er jetzt:
»O, ich will nicht mehr morden,
Ich hab's versprochen, Weib!
Ich bin dein Säugling worden.
Verschone meinen Leib!«
Die Aerzte stehn und staunen,
Der Wahnsinn bricht hervor,
Die alten Diener raunen
Erinnrung sich in's Ohr.
Es beut die Brust vergebens
Das junge Weib dem Greis,
Am warmen Quell des Lebens
Liegt er wie Stein und Eis.
[228]
Die Lippen regt er zitternd;
Im Auge das Gericht,
Verlischt, die Hölle witternd,
Sein bleiches Angesicht.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schwab, Gustav. Herzog Alba. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-074B-B