955. Der Vogt auf Scharfeneck.
Von Adolph Freihr. v. Leutrum.
Es sitzt der Vogt auf Scharfeneck
Die Grafenburg zu schirmen;
Doch ist er selbst der kranke Fleck
In den gesunden Thürmen.
Da kommt empörter Bauern Heer
Von Landau angezogen,
Wo jüngst der Bürger tapfre Wehr
Sie um den Sieg betrogen:
»Laßt friedlich in die Burg uns ein,
Herr Vogt, und wir beschwören,
Dies Schloß dem Grafen Löwenstein
Mit nichten zu zerstören.
Ihr selber geht mit Mann und Roß,
Geschützt vor unserm Grimme;
So wahret Ihr das Grafenschloß –
Volkswort ist Gottes Stimme!«
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Und statt die Antwort mit dem Schwert
Auf Volkesspruch zu wagen,
Hat sich der Vogt zur Flucht gekehrt
Und denket voll Behagen:
»Da Volkesstimme Gottes ist,
So bin ich gut berathen –
Es zeiget sich zu dieser Frist
Das alte Wort in Thaten.«
Doch fern im Thale hält er an,
Gebannt von bangem Sinne;
Sieh da! schon kräht der rothe Hahn
Hoch von des Schlosses Zinne.
Und als erlischt der Flamme Licht,
Zerfällt die Burg in Trümmer –
Was ein empörtes Volk verspricht,
Das hält der Teufel immer.