8.

Am Fastnachtsdienstag Abends werden eine Viertelstunde lang wenigstens drey Strohbänder gemacht und von der Moid in den Stall gehängt; wenn nun das Vieh »d'Würm« beißt, werden sie ihm umgebunden, dieses hilft. Bärnau.

An eben diesem Tage wird dem Vieh Blutwurst oder Blut gebraten eingegeben, damit es keine Blattern im Maule bekommt. – Diese Blattern sind sehr gefährlich; sie treiben das Vieh auf, und wann sie zerspringen, [311] fällt das Vieh. Gegen das Platzen der Blattern besteht ein eigenes Gebet, welches Kundige beten; es genügt ihnen hiebey, nur die Farbe des Thieres zu wissen; in den Stall selbst brauchen diese Künstler gar nicht zu gehen. Neunkirchen.

Außer diesen allgemeinen Vorkehrungen sind es aber besonders drey Zeiten im Jahre, wo eine erhöhte Vorsicht noth thut, in den Raubnächten während des Winters, in der Osternacht für den Frühling, und in der Walburginacht für den Sommer.

In allen Raubnächten nämlich wird dem Vieh Gelecker eingegeben, damit die Hexe, welche in dieser Zeit dem Stall gar sehr zusetzt, nicht schade, und zwar nach Gebetläuten. Es besteht in geweihten Sachen, nämlich einem Stückchen Brod, in welches drey Kerben gemacht werden; in die Spalten kommt geweihtes Salz und Kreide vom heiligen Dreykönigs-Abende, und Grodelkraut vom Antlaßtage. Das Ganze wird noch mit Weihwasser besprengt.

In diesen Nächten wird auch der Stall ausgeräuchert mit geweihten Kräutern von Maria Himmelfahrt, Palmen- und Elsbeerholz und Weihrauch, die Hexen zu vertreiben. Die Stallfenster werden mit Stachelbeerstauden verzäunt. Velburg.

Um Bärnau gibt der Bauer am Christabend dem Vieh nach der Abfütterung Christkindlhaber mit den Worten: »Hai Vaich, háust an wos; des háud da s' Christkindl bráuchd, das ma glückli san mid dir!«

Große Bauern nehmen zu Gefrees einen Bündel[312] Heu am Weihnachtsabende aus dem Stadel und breiten ihn auf dem Miste aus; vor der Sonne thun sie es weg und heben es auf. Es hilft während des Jahres gegen das Blähen des Viehes, welches sich überfressen hat.

Unter den Raubnächten ragt wieder besonders die Nacht von heilig Dreykönig, auch die große Neujahrsnacht genannt, und der Vorabend desOstertages hervor. Da wird in der Kirche Rauchwerk, Kreide, Wasser, Salz geweiht und vor Gebetläuten in dem Stalle geräuchert, mit der Kreide an die Thüren angeschrieben, und dem Vieh geschabte Krei de, Salz und Weihwasser auf Brod gegen die Hexen eingegeben.

Am Palmsonntage werden dem Viehe auch geweihte Palmkatzen eingegeben. Neukirchen.

Die gefährlichste Zeit aber für den Stall ist dieWalburginacht, wo die Hexen ihr Unwesen treiben dürfen, und vorzüglich dem Vieh im Stalle nachstellen; es ist die Hauptnacht der Hexen, und die Weiher halten alles darauf.

Am Vorabende des Walperntages wird daher gar Mancherley unternommen, um das Vieh zu schützen.

1.

Vor allem läßt man diesen Vorabend, d.h. den ganzen Tag, Niemand Fremden in den Stall und sperrt ihn schon vor Sonnen-Untergang zu. Kemnath.

2.

Der Stall wird mit Dreykönigsrauch ausgeräuchert, Roding, Waldthurn, und mit dem Tauf- oder Dreykönigswasser ausgefetzt. Tiefenbach. Zu Waldmünchen gingen sonst die Meßknaben von Haus zu Haus [313] und sprengten alle Räume mit Weihwasser aus, damit die Hexen keine Macht hätten.

3.

Dem Vieh wird vor Avemarialäuten Geweihtes eingegeben, wie geweihtes Salz auf Brodschnitten, Bärnau, Waldthurn, – oder Krodlkraut aus dem vorjährigen Prangerkränzchen in Dreykönigswasser getaucht. Tiefenbach.

4.

An die Stallthüre werden drey Kreuze gezeichnet, daß die Hexe nicht ein- und auskann. Gefrees.

5.

Vor die Stallthüre werden die Mistgabeln kreuzweise eingesteckt, zu gleichem Zwecke. Hambach. Amberg.

6.

Vor die Fenster des Stalles, überhaupt des Hauses, steckt man, ehe die Sonne untergeht, drey Zweige oder Ruthen von Kreuzdorn, damit die Hexen draussen bleiben müssen, die heute ihren Tag haben – Amberg, Hambach – und zwar kreuzweis, oder Stachelbeerdorn, seltener Elsenbeer- und Palmzweige. Waldthurn.

Der Kreuzdorn findet sich vorzüglich längs des Böhmerwaldes angewendet, die Stachelbeere durch die ganze Pfalz. Doch müssen diese Dörner am selben Abend von der Dirn heimlich auf dem Felde geschnitten seyn. Velburg.

7.

Die Aufstellung von Birkenbäumchen geht den ganzen Böhmerwald entlang bis weit nach Oberfranken hinein.

Zu Tiefenbach insbesondere heißen diese Bäumchen Walpernbaum; damit aber die Hexe ja nicht in den Stall könne, auch wenn sie vor dem Frühgebetläuten mit dem Zählen des Laubes der Bäumchen fertig seyn [314] sollte, so flicht man Abends noch drey Strohbänder und hängt sie an die Bäumchen; das Auflösen der Zöpfe hält dann gewiß die Hexe so lange auf, daß sie vom Gebetläuten dabey überrascht wird und keine Macht mehr hat.

8.

Dieses ist noch nicht genug. Auf den Boden vor der Stallthüre legt man drey ausgestochene grüne Wasen; über grüne Wasen hat die Hexe nicht Gewalt.

Ueberdies steckt man Kreuz- oder Stachelbeerdorn in den Wasen, die Spitze nach oben gerichtet, so tritt die Hexe hinein und kann nicht mehr weiter.

Will die Hexe in den Stall, so muß sie alle Gräslein der Wasen zählen; um ihr dieses recht sauer zu machen, werden die Wurzeln nach oben gelegt. Bis nun die Hexe, welche in dieser Nacht über alles Gethier Zaubermacht hat, mit dem Zählen der Gräslein des Wasens und des Laubes der Birken fertig wird, schlägt es Mitternacht, und sie muß weichen, weil ihre Zeit abgelaufen ist. Neustadt.

9.

Damit die Hexe außerdem gar nicht in den Stall finde, brennt man ihr die Augen aus, indem die Bäuerin heute Köcheln von neunerley Art backt. Velbuch.

All diesen Unbilden, welche bisher die Hexe erduldet hat, wird aber noch die Krone aufgesetzt durch ein förmliches Treibjagen, welches man gegen sie anstellt, wobey sie wörtlich mit Peitschen aus Haus und Dorf und Flur ausgehauen werden.

Im Allgemeinen ist die Zeit hiefür das Einfallen der Nacht, gewöhnlich von acht bis zehn Uhr; nach [315] germanischer Anschauung fängt ja der Tag mit der Nacht an. An wenigen Orten erfolgt es erst um Mitternacht, wie zu Muschenried.

Ich gebe hier zuerst die Sitte um Tiefenbach, weil sie die gewöhnliche ist, und lasse ihr die Abweichungen folgen.

Zu Tiefenbach sammeln sich die Bursche vor dem Dorfe auf einer Anhöhe nach Sonnenuntergang, aus jedem Hause wenigstens Einer, und peitschen eine Zeitlang nach Kräften kreuzweise im Takte; hierauf gehen sie peitschend durch das Dorf bis zum Galgenbügerl, wo früher der Galgen stand und die Hexen ihren Tanz haben; man richtet es hiebey so ein, daß man um Mitternacht dort ankömmt. Wehe dem Weibe, das sich hiebey blicken läßt! Mit dem Peitschen werden nun die Hexen vertrieben, woher der Gebrauch Hexenauspeitschen heißt.

Eben so ist es zu Treffelstein und Waldmünchen. Waren die Hexen auf diese Weise in letzterem Orte ausgeduscht und vertrieben, so versammelten sie sich gleichwohl anderswo, im Galgenholze bei Arnstein, zum Tanze.

Bey Waldthurn ziehen Abends die Knechte auf Anhöhen und Berge und knallen ins Thal hinab; so weit der Knall geht, können die Hexen nichts machen.

Zu Bärnau pleschen die Bursche, wenn es manlt, oder Zwielicht ist, vor jedem Hause, in welchem sie den Aufenthalt einer Hexe vermuthen; auf den Dörfern herum aber gehen sie nach dem Auspleschen noch auf [316] die Anhöhen, und pleschen auch hier eine geraume Zeit in stockfinsterer Nacht nach dem Viervierteltakte, je vier zusammen, einer nach dem andern, um die Hexen auch aus den Fluren zu verjagen.

Zu Letten bey Bärnau bleiben sie in Mitte des Dorfes und patschen von acht bis zehn Uhr mit langen dicken Peitschen, die recht schnalzen; darnach wirdgesungen.

Während die Bursche in Neustadt auf den Anhöhen klatschen, bläst der Hirt auf seinem Horn. So weit es hallt, muß die Hexe sich entfernen, und wäre sie im Orte selber, auswandern. Dieses gibt Ruhe für das ganze Jahr.

Nicht weit davon zu Büchesreuth hat sich noch eine andere Sitte erhalten. Jeder Bauer läßt nämlich dort sein Vieh gesondert hüten auf einem eigenen, eingezäunten Weideplatze. Nach dem Hexenauspeitschen gehen nun die Hütbuben, oft zwanzig bis dreißig, von Haus zu Haus: der eine trägt einen Hafen, der andere eine Schüssel, der dritte eine Pfanne. Vor jedem Hause singen sie zusammen:


Eyer, Schmalz und Butter heraus,

Es kommt wieder Alles zehnfach ins Haus.


worauf sie von der Bäuerin Geschenke hieran, oder auch Geld erhalten. Durch das Loos wird alljährlich der Bauer bestimmt, bey welchem die Geschenke unentgeltlich zu einem Mahle bereitet werden.

In Hambach stellen sich die Buben haufenweis an[317] jeder Thor und peitschen bis Mitternacht, um die Hexen nicht herein zu lassen.

Dieses Hexenaustreiben wird so strenge beachtet, daß es weniger als Spiel, denn als Gebot erscheint; ja der Bauer ertheilt den Buben den ausdrücklichen Befehl hiezu. Kemnath.

Höher hinauf, in Gefrees und Warmensteinach, werden die Hexen nicht blos mit Peitschen verplatscht, sondern es wird auch gegen sie geschos sen.

Große Sorge wird auf das Bereiten der Geisel verwendet, welche hiezu dienen soll; die Schnüre werden schon die ganze Woche hergerichtet, damit sie recht knallen und die Hexen schwer treffen. Zu Lixentöfering rupfen sie dem Hornvieh Haare aus dem Schweife und flechten sie in die Spitze der Geisel; zu Hambach binden sie Knöpfe hinein, damit sie den Hexen recht wehe thun. Diese Geisel hat übrigens eine höhere Bedeutung. Denn sie wird nach dem Peitschen abgenommen und an Mariä Himmelfahrt bey der Kräuterweih der Weihbüschel damit gebunden. Wird sie später wieder gebraucht, so folgt das Zugvieh leichter. Bärnau. Auch hier kommt die Palmkatze zum Zuge; denn es wird der »Palm« eingeflochten, ein Zweig der Palmweide, der am letzten Palmsonntage geweiht worden; die Betzerln kommen schon in der Fasten heraus. Neustadt.

Ist der Stall verhext, so liegt gewöhnlich vor der Stallthüre etwas vergraben, welches den Zauber hält; um Ruhe zu bekommen, muß man es herausnehmen. Dieses thun gewisse Leute, welche besondere Kenntniß besitzen [318] und ganz gut wissen, wo etwas vergraben ist. Auch läßt man die Franziskaner kommen, welche dem Vieh sogenanntes Niklobrod eingeben, den Stall mit geweihten Dingen, Kranewitter, und einem Gemenge aus Gras-Samen und Grasblumen, ausräuchern, dabey auch die kirchlichen Gebete anwenden. Schönau.

Das Vieh weiß gleich, wann die Hexe in den Stall kommt; es bläst, schnaubt, reißt sich los. Ebnat.

In manchem Hause leidet es nur Thiere von gewisser Farbe, und kömmt ein fremdartiges Thier zu diesen in den Stall, so fangen sie in der Nacht einen solchen Lärmen an, wie wenn sie rasend wären, und kommen nur zur Ruhe, wenn der fremde Gast entfernt ist. Ebnat. Dort ist auch ein Wirth, bey dem nur schwarzgescheckte Hennen bleiben, alle anderen stehen um.

Befinden sich kleinere Thiere im Stalle, wie Stallhasen, Katzen, Hühner, so sind sie heute noch ganz gesund und frisch, am Morgen aber liegen sie »bredlbroid« zusammengedrückt da; es hatte sie in der Nacht verdruckt. Aber auch dieses geschieht meistens nur den Jungen, und auch diesen nur dann, wenn die Alten abwesend sind.

Hunden und Schweinen widerfährt Gleiches. Ebnat.

Damit das Stallvieh recht gedeihe, ohne daß man es gerade gut zu mästen braucht, wird es mit einem Stück des Kleides von einem Armen Sünder tagtäglich abgewischt. Verkauft und nicht mehr in gleicher Weise behandelt, nimmt es aber wieder ab. Fronau.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 8. [Am Fastnachtsdienstag Abends werden eine Viertelstunde lang wenigstens]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-EA83-D