§. 7. Todes-Anzeichen.

Es ist fester Glaube des Volkes, daß, wer bald sterben soll, sich vorerst in der Verwandtschaft anmelde.

Dieses Anmelden heißt »oigna«, oder eignen, und ist verschieden von dem Anmelden eines Unglückes, wovon der Betreffende plötzlich eine Ahnung, ein Vorgefühl empfängt, was fürgehen, firgain, benannt ist. Bärnau.

Dieses Tod-Anmelden tritt an die Stelle des früheren Wissens; denn vor Christi Geburt wußten die Leute, wie lange sie lebten. Da machte ein Bauer einen Zaun von Schmellern, und der Herr Jesus ging vorbey und frug ihn: »Was machst du da?« – »Einen Zaun.« – »Der wird nicht lange halten?« – »So lange als ich lebe, hält er schon!« – Der Herr aber sprach: »Du sollst es wissen, und keiner mehr!« Gefrees.

Oft mahnt es auch Einen auf dem Wege, als ob ihm der und der begegnen müßte. Der Gemeynte erscheint auch sicher und grüßt. Aber nicht er selber ist[259] es, sondern sein Schatten, und er ist entweder schon gestorben, oder wird bald sterben.

Gar Mancher schaut auch ohne Absicht in einen alten, ungebrauchten Brunnen und wundert sich über den metallischen Glanz der Oberfläche des Wassers; da erblickt er auf einmal in dem Spiegel Gebilde von Freunden und Verwandten; es bedeutet deren baldiges Erscheinen vor Gott. Falkenstein.

Es gibt auch Menschen, welche die Gabe besitzen, jene, die bald dem Tode verfallen, als Leiche zu sehen.

Besonders sind aber jene Personen, welche mit Arbeiten für Gestorbene sich beschäftigen, geeigenschaftet, zuerst die Kunde von einem baldigen Ableben zu erhalten. Der Todengräber zu Tirschenreuth wußte immer genau, wann Jemand zum Sterben kommen sollte; es rührten sich einige Tage zuvor Pickeln und Schaufel in seiner Kammer – und jenem zu Ebnat warf es das Seil über die Stube hin.

Der erstere war so gefürchtet, daß sich Kinder an ihn hinanzugehen nicht getrauten.

In gleicher Wissenschaft stehen auch dieSchreiner, ja sie können unterscheiden, ob ein Kind oder Erwachsenes das Nächste seyn wird, wofür sie einen Sarg zu machen haben werden. Raffelt es nämlich im Bratrohr, so stirbt ein Kind: denn die Särge der Kleinen werden im Bratrohre getrocknet. Rühren sich aber die Bretter, die für große Särge bestimmt sind, oder der Hobel, der zur Anfertigung der Truhen dient, oder die Säge klingt, so muß ein Erwachsenes sterben. Bärnau. [260] Ebnat etc. Die Seele des Verstorbenen klopft an seine Thüre, ihm anzuzeigen, daß er einen Sarg zu machen habe. Neukirchen.

Auch weiß der Todengräber, wenn beym Einlassen des Sarges Steine nachrollen – und der Schreiner beym Zunageln des Sarges, wenn ein gewisser Ton sich vernehmbar macht, daß dem Toden bald ein Verwandter nachfolgen werde. Ebnat. Tiefenbach.

Solcher Anzeigen, Onzoigns unten, Oanzoaigns oben am Böhmerwalde, daß dem Toden bald Jemand aus der Freundschaft nachfolgen wird, sind überhaupt auch sehr viele, so lange die Leiche noch nicht begraben ist. Dazu gehören:

1.

Wenn die Leiche nicht starr oder hart wird, sondern lunzad, schlapp, in den Sarg kommt. Roding.

2.

Wenn sie ein Auge offen behält; bleibt das rechte oder linke Auge offen, so deutet es auf den Tod auf männlicher oder weiblicher Seite; schließt sich aber keines der Augen, so trifft es Jemanden im Hause. Rötz. Das offene Auge sieht sich nach Einem aus der Freundschaft um.

3.

Wenn der Sarg gehoben wird, d.h. auf die Achsel der Träger kommt, bläst man das Licht aus, das vor dem Toden brannte; zieht sich der Rauch davon in das Haus hinein, so wird binnen Jahr und Tag wieder Einer aus dem Hause als Leiche getragen. Ebnat.

Indessen, während sonst Alles nachging und sich meldete, hört und sieht man gegenwärtig nichts mehr, da der Papst Alles »vobamesirt«, gebannt hat. Muschenried.

[261] Einigen, aber egoistischen Trost gewährt es indessen, daß, wer ein Anzeichen hört oder sieht, nicht selbst von dem Tode berührt wird; es trifft immer eine dritte Person, die ihn aber angeht. Ich will es versuchen, einige dieser Anzeichen, welche ebenso gewöhnlich als zahllos sind, und sich in den verschiedensten Gegenden treffen, hier aufzuzählen:

1.

Heulen der Katzen – besonders wenn sie sich dabey raufen;

2.

Heulen der Hunde gegen den Boden, besonders des schwarzen, wenn er heulend und winselnd um das Haus schleicht, Roding; doch geht dies meistens den Hausherrn an, Gefrees;

3.

Krähen der Hennen;

4.

Niederlassen einer Nachteule am Fenster;

5.

Unruhigwerden des Viehes im Stalle, Brüllen und Losreissen von der Kette;

6.

Eindringen der Fledermäuse in Stube, Küche, Kamin;

7.

Flattern des Todenvogels, eines mehligen Schmetterlinges, um das Licht;

8.

Weißwerden einer Pflanze im Garten oder Felde ist ein unfehlbares Todeszeichen, überall gefürchtet; werden nämlich die Blätter einer Rübe, einer Kohlstaude, des Hopfens etc. weiß, so gibt man Acht, wo sie steht. Wenn in der Mitte, stirbt das Haupt der Familie, wenn am Rande, auf der Abwand, Eines in der Freundschaft, Velburg;

9.

Schreyen der Hausgrillen, Velburg;

[262] 10.

man hört es im Zimmer fallen und rollen, wie von einer Kugel, ohne etwas zu sehen; oder

11.

es schlägt unsichtbar über den Tisch hinein, oder man hört sonst heftige Schläge, und ist doch nichts gebrochen;

12.

es schnalzt, wie wenn die Reife der Eymer und Schäffel absprängen oder ein Brett sich spaltete, Rötz;

13.

man hört Tritte und es kommt Niemand;

14.

oder die Fenster klirren;

15.

es wird die Hausglocke unsichtbar heftig angezogen –

16.

Messer und Gabel rühren sich in der Schublade;

17.

es wird unsichtbar an Fenster, Läden und Thüre geklopft;

18.

man vernimmt starkes Sausen und Brausen im Ofen;

19.

es fällt etwas, besonders ein Hafen, ohne Ursache von seiner Stelle herunter; oder

20.

die Thüre geht von selbst auf und zu, ohne daß Jemand kommt;

21.

man hört Mörtel von der Mauer rieseln oder Schnee vom Dache rutschen, ohne etwas zu sehen;

22.

Ablaufen der Uhr im Hause;

23.

es bläst Einem Nachts im Bette kalt ins Gesicht;

24.

beym Erwachen hat man das Gefühl, eine kalte Hand zu fassen; in diesem Falle ist der Tod schon eingetreten, und die Seele hat sich gemeldet, Neustadt;

25.

oder es klopft leise an der Wand, an der man liegt;

[263] 26.

dem Schlafenden wird die Bettdecke weggezogen;

27.

man vernimmt klägliches Weinen; oder

28.

sieht gar leibhaftig den Tod, so groß wie einen Wischbaum, Roding;

29.

wenn das Licht einen Kranz von rothglühenden Rosen macht, Spalt;

30.

wenn der Zeigefinger innen an der linken Hand gelb und pelzig wird;

31.

der Sauerteig fällt vom Brette, oder wird mitten ins Zimmer geschleudert, ein untrügliches Vorzeichen, Bärnau;

32.

sehr ungerne sieht man Kinder auf der Gasse Leiche spielen, Roding, Amberg;

33.

fällt von einem brennenden Spahn ein Glühzweckchen auf die Erde, spießt sich dort und brennt aus, so deutet es sicher auf nahen Tod, Tiefenbach, Falkenstein;

34.

wenn der Maulwurf neue Hügel unter der Dachtraufe aufwirft, Waldthurn;

35.

wenn der Spahn dreymal angezündet, eben so oft erlischt, ebenda;

36.

wenn die Bäuerin, während sie die Saat auswirft, eine Furche übersah, und damit eine Untersaat läßt, deutet es auf den Tod der Säerin, ebenda;

37.

wenn das Schmalz im Keller oben zusammenläuft, in der Mitte eine Suppe macht, Altdorf;

38.

Begegnen einer Leiche in früher Stunde;

39.

wenn Holz kreuzweise fällt, oder Zündhölzchen, Spähne, Besenreiser in einem Hause kreuzweise liegen, Bärnau;

[264] 40.

auch in Träumen geben sich Andeutungen kund, so wenn man von Backen und Kochen träumt, Bärnau, – von Ausfallen aller Zähne, Neustadt, – oder man ziehe sich an, und könne damit nicht fertig werden, ebenda.

Hiezu kommt noch Folgendes:

41.

Wird der Kranke versehen, und fällt dem Priester der Speisebeutel um, so stirbt der Kranke, Amberg;

42.

desgleichen, wenn beym Versehen im Krankenzimmer die Lichter gegen die Thüre furkeln;

43.

ferner, schlägt während zur heiligen Wandlung oder die Abendglocke geläutet wird, die Thurmuhr Ganze, so stirbt bald Eines aus der Gemeinde nach;

44.

desgleichen, wenn während des Läutens der Sterbeglocke die Stunde schlägt;

45.

Flaudern die Lichter während des Seelenamtes, ist es ein ähnliches Anzeichen, Falkenstein;

46.

sieht man im Frühjahre zum erstenmale vier Bachstelzen bey einander, so bedeuten sie die vier Todenmänner, welche Einen in diesem Jahre noch zu Grabe tragen, Amberg;

47.

und sieht Eines von zwey Eheleuten zuerst eine Bachstelze allein, so stirbt der andere Theil vor ihm, ebenda;

48.

Während des Essens am Weihnachtsabende sieht mancher beym Umschauen seinen Schatten doppelt; ein solcher stirbt im nächsten Jahr, Neuhaus;

49.

Schließlich noch aus München der Satz: Wohnen[265] zwey gleichen Taufnamens in Einem Hause, so bleiben sie nicht lange unter Einem Dache; bald wird der Eine davon sterben.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 7. Todes-Anzeichen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E580-E