Blücher

1.

Als Blücher auf dem Feld der Schlacht
Gewaltig disputieret,
Wo Gott der Herr mit seiner Macht
Ihm selber präsidieret;
Hat England ihn dafür
Nach Recht und nach Gebühr
Gemacht zum Doctor juris.
Doctor von echtem Ritterrang,
Das Schwert ist deine Feder,
Die Streitsach' ist ein Waffengang,
Das Schlachtfeld der Katheder;
Da trittst du mit Gewicht
Dem Feind vors Angesicht,
Als rechter Doctor juris.
Fahr' nur in dem Prozesse fort,
Den du mit ihm begonnen,
Führ' mit Kanonenschall dein Wort,
Bis daß du hast gewonnen.
Lehr' unser deutsches Recht
Dem Franzmann im Gefecht,
Held Blücher, Doctor juris!

[67] 2.

Als Blücher durch die Straßen
Londons im Wagen fuhr,
Drängte sich ohne Maßen
Das Volk auf seine Spur.
Sie wollten all' ihn grüßen;
Da hielt er aus dem Schlag,
Weil man sie wollte küssen,
Die Hand den ganzen Tag.
Sie küßten auf und nieder,
Wo jeder kam dazu,
Die Hand durch alle Glieder,
Die Hand und ihren Schuh.
Da sprach der alte Streiter
Still zu sich mit Verstand:
Wenn das so fortgeht weiter,
So komm' ich um die Hand.
Man wird sie ab mir küssen;
Und ja nicht weiß ich doch,
Ob ich sie werde müssen
Nicht brauchen irgend noch.
Drauf eine Hand von Leder
Setzt' er an jener Statt:
Da küsse nun sich jeder
Nach Lust am Leder satt.
Sie sahn am Wagen baumeln
Die Hand, die schlapp genug;
Sie küßten sie mit Taumeln
Und merkten nicht den Trug.
Auffiel ihr welk Geschlotter
Doch einem von der Schar,
Der von Pudding und Potter
Genährt am besten war.
[68]
Goddam! sprach er verwegen:
Wie konnte diese Hand
Nur führen jenen Degen,
Der Frankreich überwand?

3.

Da kamen, von dem Namen
Des deutschen Feldmarschalls
Gelockt, die britt'schen Damen
Herbei nun ebenfalls.
Begehrten von den Haaren
Des alten Feldmarschalls,
Als Schmuck sie zu bewahren
Am Busen, um den Hals.
Da zog er ohne Stocken
Den Hut vom Haupte fein,
Und zeigte, daß die Locken
Ihm ausgegangen sei'n.
Verzeihung, schöne Damen,
Daß ich mit solchem Flor
Nicht dienen kann, es kamen
Euch andre schon zuvor;
Die mir die Locken nahmen,
Und stritten drum zumal;
Die Jahre, schöne Damen,
Sind's, die mich machten kahl.
Die kriegerischen Jahre,
Sie nahmen alles schier,
Und diesen Rest nur spare
Ich noch für Deutschland hier:
Daß, wenn mir altem Tropfe
Wird dort mein Lorbeerkranz,
Er auf dem kahlen Kopfe
Sei ohne Halt nicht ganz.

[69] 4.

Der König Wilhelm Friederich
Sprach sanft zu seinem Helden:
»Ihr spielt, und zwar nicht niederig,
Wie ich mir höre melden.
Ich bitt' euch, lieber alter Held,
Des bösen Beispiels wegen,
Stellt ein das Spiel um hohes Geld.«
Da sprach der alte Degen:
»Ich habe niedrig nie gespielt,
Seit ich das Spiel begonnen;
Und wo dem Feind die Bank ich hielt,
Da habt ihr stets gewonnen.
So laßt, Herr König, also mich
Fortspielen, weil ich lebe.
Doch will ich nicht dadurch, daß ich
Ein böses Beispiel gebe.
Nicht viel verlieren darf, wer noch
Gewonnen keine Schlachten;
Wer sie gewinnt, spielt nie zu hoch,
Das mögen sie beachten.
Und sollt' ich auch mein Fürstentum
Im hohen Spiel verlieren,
Verlier' ich nie doch meinen Ruhm,
Noch meiner Preußen ihren.«

5.

Bei Gott, ich muß mich zum Empfang
»Des alten Helden schicken,
Den ich verfolgt hab' oft und lang
Von hier mit meinen Blicken.
Ich hab' gesehn in mancher Schlacht
Wohl seine Blitzesschnelle,
Und jetzund, eh' ich es gedacht,
Ist er auch hier zur Stelle.
[70]
Weit drüben, dacht' ich, sei er noch,
Dazwischen weite Klüfte,
Er aber ist hin drüber hoch
Gesprungen durch die Lüfte.
Als ob im Dampf er vor sich hab'
Den Graben einer Schanze,
Ist er gesprungen übers Grab
Und ist schon nah' im Glanze.«
Im Himmel sprach's der alte Fritz
Und hob des Blüchers wegen
Sich von dem hohen Heldensitz
Und gieng ihm stracks entgegen.
Der Blücher kam ihm doch zuvor,
Eintrat er gleich dem Blitze,
Und senkte, schreitend durch das Thor,
Vor ihm des Degens Spitze.
Vorbei schritt er dem alten Fritz
Und trat, ohn' umzuschauen,
Hin, wo er sah auf ihrem Sitz
Die Königin der Frauen.
Da bracht' er seinen ersten Gruß
Der preußischen Luise,
Und beugte vor ihr seinen Fuß,
Daß er ihr Ehr' erwiese.
Worauf er den Bericht ihr gab
Von Grüßen, die ihr Gatte,
Sein König, für sie übers Grab
Ihm anbefohlen hatte.
Sie dankt' ihm mit Holdseligkeit;
Und so, nach abgethanen
Geschäften, trat er dienstbereit
Zu seines Königs Ahnen.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Rückert, Friedrich. Blücher. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-AA2F-2