Oktaven

1.

Ich hätte Herzzerreißendes zu singen,
Wollt' ich enthüllen, was tief in mir lodert;
Ich müßte mich zu falschen Tönen zwingen,
Wollt' ich der Menge geben, was sie fodert.
Wie helle Blumen aus der Erde dringen
Und dunkler Tod still unter ihnen modert;
So soll mein Sinn sich sanft in Schmuck verhüllen
Und meine Trauer euch mit Lust erfüllen.

2.

Da ich des Lebens Lust und Leid erfuhr,
Mein Herz vermag zu zürnen und zu lieben,
Zu mir vernehmlich redet die Natur,
Mir jede Sprache lebt, die Menschen schrieben;
Und alles, das ich nicht zu denken nur,
Auch auszusprechen fühle mich getrieben:
Wie sollt' ich nicht, zum Trotz den Splitterrichtern,
Mich selber zählen zu den wahren Dichtern?

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Rückert, Friedrich. Oktaven. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-A80E-9