Einhundert ein und siebenzigstes Sonett.
Süß ist der Zorn, süß friedliches Bezeigen,
Süß jede Bürde, Kummer süß und Bangen.
Süß jedes Wort mit süßer Lust empfangen,
Wo süße Hauch' und süße Gluthen steigen.
Nicht klag', o Seele; duldend mußt du schweigen,
Mildern das bittre Süß, das uns befangen,
Mit süßer Ehr', aus Lieb' hervorgegangen
Zu ihr, zu der ich sprach: Dein bin ich eigen! –
Vielleicht kommt Mancher einst und rufet stöhnend
In süßem Neid: »Wohl viel hat übernommen
Für schönste Liebe der zu seinen Zeiten!«
Und Andrer: »O Geschick, mein Aug' verhöhnend!
Daß ich sie nicht gesehn! Daß sie gekommen
Nicht später, oder ich nicht mehr bey Zeiten!«