[76] Nach Mitternacht

Sprecht, ihr mitternächt'gen Sterne,
Neigt ihr euch zum Untergang?
Weht schon Morgenluft von ferne?
Sinkt der Mond am Bergabhang?
Laßt mich wachen, laßt mich schauen,
Wie die Nacht in Tag vergeht,
Wenn im hellen Ätherblauen
Nur der Morgenstern noch steht.
Augen, vor dem Tod erstarrend,
Hab' ich trauernd zugedrückt,
Blumen, noch des Tages harrend,
Oft mit Tränen abgepflückt.
Stürzen sah ich stolze Bäume,
Sah viel Glück vom Sturm verwehn –
Laßt mich einmal Nacht und Träume
Sehn in Licht und Tag vergehn!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Lingg, Hermann von. Nach Mitternacht. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-F17E-6