Erste Scene.
Faust allein in einer anderen und stattlichen Kleidung.
FAUST
wild auftretend.
Nehmt ihr mich auf, ihr wilden Felsgeklüfte,
Mit meinem Unmuth – ha! mit meinem Groll!
Hier unterm Himmel in dem Sturm der Lüfte,
Hoch ob den Menschen, wird mir wieder wohl,
Hier hör' ich Töne, die mir wiederklingen,
Und zürnend in das innre Zürnen dringen! –
Wer bin ich jetzt – ha! stehe ich am Ziele,
Mit diesem Grimm, den ich im Busen fühle?
Als mir die Freiheit, als mir die Macht gegeben,
[37] Da stürzt' ich hinaus in das Leben,
Wollte zürnen, wollte mich rächen,
Unter meinem Fußtritt die Welt zerbrechen;
Doch als ich den Donner in Händen schwang,
Da schien mir der Mensch zu klein
Für meinen Zorn zu seyn,
Und die erhobene Rechte sank! –
Und von neuem stürmt' ich ins Leben,
Seinem Hochgenusse mich hinzugeben,
Schlürfte der Traube Feuergluth,
Bis der Becher überschäumte,
Ich mich zum König, zum Gotte träumte
In meinem kühnen verwegenen Muth!
Doch als der wilde Rausch verflogen,
Fand ich mich wieder, wie ich war;
Um alle die goldenen Preise betrogen,
Blieb ich der alte immerdar! –
Ha, mußt' ich darum mein höheres Leben,
Darum mein Heil und die Seele vergeben?
Er betrachtet tiefsinnig seine linke Hand.
Hier ist noch die Wunde verblieben;
Nimmer heilt sie an dieser Hand,
Woraus ich mein Herzblut ihm unterschrieben,
[38] Der Hölle zum sichern Unterpfand! –
Zwar kann ich getrost seyn, kann seiner lachen!
»Vier Todessünden – so lautet der Pact –
Sollen mich erst zum Leibeignen ihm machen!«
Da trotz' ich auf meinen geschloss'nen Contract!
Doch wurmt mich's, für so ein alltägliches Leben
Ihm auch nur die Hoffnung des Preises zu geben!
Wilder.
Genießen will ich, glühend heiß genießen,
Und nimmer welken soll mir der Genuß;
In's Herz des Lebens will ich überfließen,
Berauschen mich an seinem schönsten Kuß;
Doch Dauer sei dem Augenblick gegeben,
Rauscht er hinweg, mag ich ihn nicht durchleben!
Der Kuhreigen erschallt sanft aus der Ferne.
Der Sturm verstummt, die goldnen Töne klingen,
Der Hirte bläs't sein heimisch Abendlied! –
Ha, wie sie freundlich zu dem Herzen dringen,
Aus dem der düstre Groll von hinnen flieht;
Mit ihnen möchte sich die Seele schwingen
Zur Ferne, wo die Sonne unterglüht,
Mit jenen Feuerwogen sich vereinen,
[39] Die purpurn an dem Himmel wiederscheinen!
Sie tönen fort – ha wie auf leichten Flügeln
Die Nachtigall zu ihren Lieben eilt,
Sie hold begrüßend auf den fernen Hügeln! –
Nur wo das Herz sich mit dem Herzen theilt,
Kann in der Freude sich die Freude spiegeln!
Des Lebens Hochgenuß – ha, er verweilt,
Wenn sich zwei Geister liebend eng verbinden,
Aus Seele ihn in Seele zu empfinden!
Der Kuhreigen hat aufgehört. Faust schaudert
zusammen.
Dahin!! – – Wo ist denn meine Seele,
Mit der ich mich vermähle?
Wer ist mein Freund –
Der Finstere, der Feind? –
Mit ihm bin ich verwandt,
An ihn gebannt,
Und will der Geist zum Himmel sich beflügeln,
Muß er in Hölle sich und Abgrund spiegeln!
Der Kuhreigen beginnt wieder, und Faust fährt nach einer Pause mit Innigkeit fort.
O holder Traum, als du mir einst erschienen,
Mein treues Weib – – die Töne denken dein!
Der Andacht Ernst in deinen frommen Mienen,
Verklären sie zu einem Heil'genschein;
[40] Du könntest mit mir selber mich versühnen,
Im engen Hause möcht' ich bei dir seyn,
Einfältig treu in deiner Nähe weilen,
Und fromm mit dir die fromme Seele theilen!
Heftig auffahrend.
Ha Hölle, sende meinem Herrscherwillen
Zum Dienste denn die dunkle Macht empor,
Die Heimath tönt – ich muß die Sehnsucht stillen!
Indem er wild auf den Boden stampft.
Die Kraft des Faust schlägt an dein ehrnes Thor!
Gedankenschnell mein Wollen zu erfüllen
Ist dein Gesetz! – Schwing dich im Sturm hervor:
Denn immer wilder glühen diese Schmerzen,
Es brennt mein Herz nach einem zweiten Herzen!
DUMPFE STIMME
Fluch und Verderben! Wer stürmet hernieder!
Ungestümer, was willst du schon wieder?
FAUST.
Boten der Liebe sollst du mir senden,
Schnell wie der Lichtstrahl eile ihr Lauf!
[41]STIMME
wie vorher.
Heische zerstörend das Gute zu enden,
Ruf zum Vernichten mich lieber herauf!
FAUST.
Finsterer Unhold, der Tugend zu fröhnen,
Werde zur Qual dir – so will ich dich höhnen!
Es donnert wild in der Höhle.
Tobe und stürme – du mußt es vollbringen!
Heftiger, als es noch fortdonnert.
Mangelt der Bann noch –? Ha soll ich dich zwingen?
STIMME
mit tiefem Grimme.
Teufel der Teufel! – Vollende das Wort!
Glühend vergelte den Trotz ich dir dort!
FAUST.
Juble zu früh nicht! du kennst den Contract,
Unerschüttert besteht unser Pact,
Bis ich vier Todessünden vollbracht;
Dann erst erzittr' ich der höllischen Macht!
Es rollt dumpf durch die Höhle.
Winde dich murrend – dein Donner verhallt;
Mein ist der Wille und mein die Gewalt!
[42] Auf zeige mir im lichten Aetherspiegel
Mein frommes Weib, das in der Heimath weilt;
Gib ihren Tönen, ihren Worten Flügel,
Vereine, was durch weiten Raum getheilt,
Daß ihr Gedanke über Berg' und Hügel
In treuer Liebe zu dem meinen eilt,
Die Fernen zwischen uns in Nichts zerrinnen,
Und fromm ich schaue in ihr still Beginnen!
Ein aufzürnender Donnerschlag; dann erschallt aus der Ferne eine sanfte kirchliche Musik, und in dem Grunde der Höhle zeigt sich hinter einem durchsichtigen Schleier Käthens knieende Gestalt in einer milden Beleuchtung.
Indem er auf die Knie sinkt.
Für mich! Für mich! Ha töne zu den Höhen
Vereint mit ihr du mein Gebet empor!
Dort wo des Abends Purpurflammen wehen,
Da ist –
Indem sich seine Worte wild verwirren.
Ha Fluch – der Hölle Feuerthor!
Erhöre – nimmer! – Dorthin muß ich gehen! –
Ave – Verderben schallt der Jubelchor –
Dort wo die Felsen himmelan sich thürmen,
Will ich hinauf – – hinunter will ich stürmen!
Er reißt sich wild empor.
[43] Ha Unhold, was verwirrst du meine Worte,
Daß sie zum Fluche das Gebet verwandeln?
Nein beten kann ich nicht in deiner Nähe,
Ich kann nicht beten – nimmer wieder beten!
Der Gnade ew'ger Quell ist mir verschlossen,
Und wenn die Engel Thränen um mich weinten,
Er würde dennoch nie sich wieder öffnen!
Gegen die Erscheinung gekehrt.
O kniee nicht für mich – – das ist vergebens!
Zum Himmel schwingst du nie mich mit dir auf;
Doch laß der Erde Freuden uns genießen,
Und fühle glühend mit in meine Seele,
Wenn sie des Lebens Hochgenuß berauscht! –
Indem er auf die Erscheinung zu eilen will, verschwindet sie mit einem Donnerschlage. Er stürzt zurück.
Ein Schatten nur – wie Rauch in Luft zerronnen!
Nichts Wahres, das ich heiß an meine Brust
In diesem wilden Sturme drücken könnte,
Das meine Pulse mir entgegen klopfte! –
Ha fort – hinweg aus dieser Einsamkeit,
Starr und gefühllos sind die Felsenklüfte,
Gleichgültig fährt der Sturm an mir vorüber,
Gleichgültig geht die Sonne auf und nieder,
[44] Gleichgültig tönen mir der Vögel Lieder,
Gleichgültig ist's, wem die Natur erblüht –
Ich will ein liebend Herz, das mit mir glüht!
Wild gegen die Höhle rufend.
Herauf aus deiner Nacht!
Ein dumpfer Donn er antwortet.
Flüchtig schnell wie Blitze glühn,
Eil' zu meiner Heimath hin,
Mach den Lichtstrahl dir zur Bahn,
Künde meine Rückkehr an!
Ein Blitz fährt über die Bühne.
STIMME
aus der Höhle.
Schon vollbracht ist dein Verlangen!
FAUST.
Goldne Ketten, goldne Spangen,
Brust und Arme schön zu zieren,
Magst du bei dem Gruße spenden!
STIMME.
Dank! da gibt es zu verführen!
Gold trägt Zins in Weiber Händen.
FAUST.
Unhold, nimmer in den ihren!
[45]STIMME
höhnisch lachend und mit verändertem frivolen Tone.
Stammt doch auch aus Eva's Blut;
Es gefällt ihr wahrlich gut! –
Wie sie äugelt,
Wie sie lacht,
Wie sie sich spiegelt
In blitzender Pracht!
Glühend die Wangen
Von heißem Verlange!
Auszustellen den glänzenden Leib! –
Meine Schlange verstand sich auf's Weib!
FAUST.
Ha schweig Verfluchter! Geifre deinen Gift
Auf meinesgleichen – nicht auf solche Unschuld!
Die Lügenzunge bind' ich dir fortan,
Und stumm nur sollst du meinem Wink gehorchen!
Auch feßl' ich dich von jetzt an meine Fersen;
Doch daß du nicht das Ebenbild des Herrn
Durch trügerisches Konterfei entehrst,
So wandele den Abscheu deiner selbst
In eines Hunds verworfene Gestalt,
[46] Und winde dich im Staub zu meinen Füßen,
Daß ich dich trete, wenn mein Grimm entbrennt –
Es donnert wüthend in der Höhle.
Heftig rufend.
Ha Ruhe jetzt! – Und führe mich von hinnen!
Er eilt ab, indem noch ein krachender Donnerschlag hinter ihm her erfolgt.