Herbstjubel

(Zur Zeit der Cholera.)


1831.


Ich kam in jüngster Mondennacht
In eines Kirchhofs Mauern,
Kein Schläfer unterm Hügel wacht,
Ringsum herrscht Tod und Schauern.
Doch plötzlich vom Gebirge schallt's
Gleichwie bacchant'scher Reigen,
An hohlen Gräbern widerhallt's
Und bricht ihr totes Schweigen.
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Ein lust'ger Chor von Zechern ruft
Ein Lebehoch den Schönen,
Raketen schwirren durch die Luft,
Und die Gebirge dröhnen.
Der Hügel aber, wo ich steh',
Im Innersten erbebet,
Und ein Gerippe sich zur Höh'
Aus seinen Tiefen hebet.
Im Mondenscheine schreitet's vor,
Schwingt halb sich auf die Mauer
Und ruft in den bacchant'schen Chor
Also hinaus, ein Schauer:
»Ihr dort im Fleische, störet nicht
Der Toten Ruhestätte!
Bricht neu die Blum' ans Sonnenlicht,
Schlaft ihr im gleichen Bette!«
Der Mond erlischt am Himmelszelt,
Hör' keinen Laut mehr schallen.
Mir ist der Tod, der durch die Welt
Jetzt schreitet, beigefallen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Kerner, Justinus. Gedichte. Die lyrischen Gedichte. Herbstjubel. Herbstjubel. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-A757-2