3. Gedanken bey dem Grabe eines Mathematikverständigen. 1
Geist, der des Mondes Last, der Sonne Zug gewogen,
Der nie betrogen ward, und uns nie hat betrogen,
Sich in den tiefsten Schacht vom fernsten Stern gesenkt,
Sag' an, was ist der Lohn, den so viel Arbeit schenkt?
Ein kleines Häufchen Sand deckt die verwesten Glieder,
Vergebens sucht man es nach zwanzig Jahren wieder;
Da, wo ein Reicher fault, Porphyr die Enkel lehrt,
Ein Körper modre hier, der einst die Welt beschwert.
2So ist's; dem Kinde gleich, muß auch der Weise fallen,
Und stirbt stets als ein Kind, das kaum noch lernte lallen.
Auch Newton's Alter selbst, verbracht mit Newton's Fleiß,
Macht nur bey Sterblichen ihn zum gelehrten Greis.
[45]Doch wisse, daß der Mensch, der für die Wahrheit brennet,
Dem Tode weiter nichts, als einen Leichnam gönnet,
Und den befreyten Geist mit einer Wollust nährt,
Die nie der grobe Sinn des Erdenwurms erfährt.
Denn Seelen, die bey euch, mit niedrigem Bestreben,
Nichts wichtigers gesucht, als ihres Leichnams Leben,
Sehn in der Geisterwelt, voll müßigen Verdruß,
Sich fern von ihrem Glück, das dort verwesen muß.
Du aber, wünschest du einst unsre Zahl zu mehren,
So nimm die letzte noch von deines Lehrers Lehren:
Bereite, weil du kannst, den forschenden Verstand
Für Wahrheit höh'rer Art, als Newton euch erfand.
- - - vidit quanta sub nocte iaceret Nostra dies
Lucan.