Der
Hoch-Gebohrnen Gräfin
und Frauen /
Fr. ULRICA ANTONETTA
von Ahlefeld /
Gräfin zu Langeland und Rixingen etc.
Gebohrne Gräfin von Danneskiöld und Larwigen.
Meiner Gnädigen Gräfin
und Frauen.
Der
Hoch-Gebohrnen Gräfin
und Frauen /
Fr. ULRICA ANTONETTA
von Ahlefeld /
Gräfin zu Langeland und Rixingen etc.
Gebohrne Gräfin von Danneskiöld und Larwigen.
Meiner Gnädigen Gräfin
und Frauen.
Ew. Hochgräflichen Gnaden höchst glückseelige Vermählung mit dem Hochgebohrnen Grafen und Herrn / Herrn Carl von Ahlefeld / wurde eben mit viel tausend Freuden-Bezeugungẽ celebriret / als meine Feder die warhafftige Geschichte der nunmehro Durchlauchtigsten Adalie beschloß / und begierig war / selbige einer hohen Person in Unterthänigkeit zu überreichen / deren Preißwürdige Vollkommenheiten einen desto schönern Abriß von den Eigenschafften der Liebens-würdigen Adalie machen könnten / wenn ich sagte: daß sie dieser zu vergleichen. Nun wird ein jedweder / der so glückselig ist / Ew. Hochgräfl. Gnaden Vortreflichkeiten in unterthäniger devotion näher zu bewundern / willig bekennen müssen / daß diese Geschichte keinen grössern Zierath als durch Voransetzung des Hohen Nahmens einer so schönen und Tugend-vollkommenen Gräfin gewinnen können: Und daß man nur die darinnen aufgeführte Persohn mit Ew. Hochgräfl. Gnaden Seltenheiten einiger massen vergleichen dürffen / wenn man das gantze Buch mit Anmuth durchlesen soll. Und weil nebst andern hohen Gaben Ew. Hochgräfl. Gnaden die großmüthige Leutseligkeit aus Dero hohen Hause angebohren: So werden sich diese schlechten Blätter eines gnädigen Blickes von Ihnen desto eher zu getrösten haben. Ew. Hochgräfl. Gnaden lege ich demnach als ein unterthäniger Knecht diese wenige Bogen zu Dero Füssen / mit gehorsamster Bitte / sie des unschätzbaren Glückes einer gnädigen Aufnahme zu würdigen /und nebst der oben angeführten Ursache sie als ein Opffer meiner unterthänigen Ergebenheit anzusehen /welche mich angefeuret / denen unzehligen Glückwünschen vor das hohe Wohlergehen Ew. Hochgräfl. Gnaden und Dero vortreflichen Herrn Gemahls auch meine unterthänige Gratulation in tiefster Ehrerbietung mit beyzufügen. Wie denn von dem Himmel nur so viel Vergnügen und Glückseligkeit ausbitte /als es die kostbaren Qualitäten eines so Hohen Paares von sich selber meritiren / und nebst unterthäniger Empfehlung in Dero Gnade in schuldigster submission Lebenslang verharre
Hochgebohrne Gräfin /
Hamburg / d. 24.
Martii 1702.
MENANTES.
Die gütige Aufnahme der verliebten und galanten Welt solte mich nebst schönster Dancksagung verbinden / demselben meiner Zusage gemäß den andern Theil dieser warhafftigen Geschichte anitzo zu lieffern: Allein die in mir angefeurete Begierde / den geehrtesten Liebhabern meiner schlechten Arbeit durch die itzo noch sammlende artige und traurige Zufälle der Verliebten besser und vollständiger als in denen ersten Bogen zu dienen / und die Liebens-würdigeAdalie / versprechen die Entschuldigung dieser Säumniß auf sich zu nehmen. Denn diese schöne / welche durch die schätzbaresten Eigenschafften sich die gröste Ehrerbietung erworben / ist so seltsamen und verwirrten Veränderungen ihres Liebes-Verhängnisses unterworffen gewesen / daß sie mir die Hoffnung machet / manchen in ihren desto merckwürdigern Begebenheiten / weil sie warhafftig / durch Aufmercksamkeit und Lust unterdessen die Zeit zu kürtzen. Und so ja einige / denen diese nach meinen Gutachten eingerichtete Geschichte unbekannt / eine Erfindung draus machen wollen / so werden sie doch diese Gedancken fahren lassen / wenn sie der politen Wissenschafften kundig nach genauer Durchsehung dieser Blätter den Schluß mit bessern Nachsinnen erwegen / als es gemeiniglich am Ende der gleichen Bücher geschiehet. Das verborgene Schicksal spielet offt wunderbarer mit Menschen / als ein kluger Kopff mit Phantasien: und wer die Welt nicht als einen aller Augen geöffneten Platz / sondern als ein geheimes Liebes-Cabinet durchsehen / wird mir leichtlich Beyfall geben. Daß man aber in diesen Schrifften die Personen gleichsam hinter den Fürhang und Verdeckt aufführet / ist nicht eben die Sorge: es werden sich nach Art des verächtlichsten Ungezieffers Gemüther finden / welche aus den reinsten Blumen Gifft wollen saugen; sondern weil es die Mode also mit sich bringet / und man die Maßqven überall zu mehrer Ergetzlichkeit brauchet. Nun glaube ich / daß vielleicht diese Bogen / weil sie von verliebten handeln / eben ein so unvernünfftiges Urtheil von einem heuchlerischen Neide werden leiden müssen / als ich in einer Scarteque über galante Romanen mit Verwunderung gesehen: Allein wie ich ohne Aergerniß dergleichen Leute sich prostituiren lasse / die mit ihren unzeitigen Tadeln bey Gescheuten nicht fortkommen: so verspare mit Fleiß eine völlige Beantwortung / biß ein anderer Tractat nähere Anleitung darzu giebt. Denn dieses würde mir sonsten / was vielen verdrießlich / eine lange Vorrede ma chen: und wenn hier einige Laster mit vorgestellet werden / so setzet man sie denen Tugenden wie die schwartzen Africaner denẽ schönẽ Europäerinnẽ an die Seite / damit sie deren Glantz durch ihre heßliche Gestalt vollkommener machen. Hiermit überreiche dieses Buch dessen gewogenen Händen. und so es so glücklich ist / durch erlangte Gunst auch dem Verfasser eine schätzbares Affection zu erwerben / wird inskünfftige um desto verbundener seyn.
Des nach Standes-Gebühr Geehrtesten Lesers
Unterthäniger und Dienstergebenster
MENANTES.
[1] Das Mordbegierige Schwerd des unruhigen Kriegeß-Gotts blitzete noch überall auf Deutschlandes Gräntzen / und die blutigen Opffer / die Franckreich und dessen mächtige Feinde seiner Wuth zinsen musten /befärbten den Rhein so wohl mit Purpur / als sie in denen Niederlanden viele Tausend entsetzliche Merckmahle seiner gewöhnlichen Grausamkeit sehen liessen. Kein Ort und ebenes Feld durffte von seiner Raserey verschonet bleiben / und das Donnern der Stücke und Musqueten wurde mit der Zeit der angenehmste Klang in der meisten Ohren. Dergestalt meinte der hochmüthige Mars das schönste Theil der Welt unter seine Fahne zubringen / und hatte die erhitzten Gemüther der Frantzosen schon so kriegerisch gewehnt / daß sie mehrentheils nur auf benöthigte Gegenwehr wieder der Deutschen Tapfferkeit / wenig aber auf andere Ergetzlichkeiten dachten.
Allein Amor, der allezeit in diesem Reich / und sonderlich in der Haupt-Stadt Pariß / eine [1] unzehlige Menge Anbeter sich unterthan gemacht / wolte sich auch itzo durch das starcke Geräusche der Waffen nicht abschrecken lassen / seine Siege zu verfolgen /sondern seine Unümschränckte Gewalt desto empfindlicher sehen lassen / je mehr er durch den entzogenen Gehorsam war beleidiget worden. Zu dem Ende rüstete er eine Schönheit aus / welche / wenn das Glücke sich gleich Anfangs mit ihren Tugenden vermählet / schon würdig gewesen wäre / von aller Welt Cron und Scepter anzunehmen.
Dieses ware die unvergleiche Adalie, die einen der ansehnlichsten und berühmtesten Kauffmann / Nahmens Brion in Paris / zum glückseligen Vater hatte /und solche Vollkommenheiten besasse / daß auch der geschickteste zweiffelhafftig bliebe / ob er mehr den durchdringenden Verstand oder die seltene Schönheit an ihr bewundern solte. Mit diesen Meisterstücke schmeichelte sich nun Amor, wie nachdrücklich er denen zum Kriege gewehnten Hertzen seinen Zorn wolte empfinden lassen / und das von der Menge galanter Cavaliers gantz stoltze Paris muste das Ziel seyn / worauf er seine gefährliche Pfeile richtete. Der Ausgang ware so gewünscht / als ihn der schalckhaffte Amor sich eingebildet / und hierdurch erwiese er gnugsam / daß die Liebe denen feurigsten Helden den Harnisch ausziehen / und alles unter ihre süsse [2] Herrschaft zwingen könne / wo es nur ihr Ernst / mit rechter Anmuth / zu Felde zu gehen. Denn es durffte einCavallier oder sonst vornehmer Krieges-Bedienter die schöne Adalie nur zu sehen kriegen / so fühlte er schon eine solche Zärtlichkeit / die ihm bißhero in dem rauhen Handwerck der Waffen gantz unbekandt gewesen / und diese Empfindung erweckte ihm nicht allein viel Unruhe / sondern auch solche Hochachtung / daß einer dem andern die Annehmlichkeiten dieses Frauenzimmers / als das galanteste ihrer Zeit erzehleten.
Hiermit breitete sich der Ruhm einer so liebenswürdigen Persohn in gantz Paris aus / und dieser wurde allenthalben so erhöhet / daß sich nicht allein die treflichsten Cavalliers um das Glück ihrer Bekandschafft beworben / sondern viele vornehmeDamen rechneten diese vor die angenehmste Bemühung / welche sie zu einer Visite bey ihr anwenden konten. Allein Adalie entzohe sich / so viel als der Wohlstand zulitte / der Conversation der Cavalliere, und wolte lieber in unschuldiger Einsamkeit leben /als durch einen freyen Zutritt den Neidern in geringsten ihre Tugend zu verletzen Anlaß geben. Was aber der Zuspruch der Damen anbelangete / solchen nahme sie mit gröster Ehrerbietung an / und erwiese eine so sitsame Conduite und löbliche Eigenschafft ihres herrlichen Geistes in Discursen, daß man ihr in Gedancken [3] das Zeugnis gab: es fehlet ihr nichts mehr als der Purpur / so hätte sie der Himmel mit aller Menschlichen Glückseligkeit versehen.
Dieses reitzete viele / sie instandigst zu ersuchen /daß sie sich doch an dem bey aller Welt berühmten Hof zu Paris begeben möchte damit sie sich an ihrer steten Gegenwart nach Wunsche letzen / sie aber ihre Vollkommenheit noch mehr an den Tag legen könte; Allein Adalie wuste wol / daß ein artiges Frauen-Zimmer am Hofe dem Neid und gefahrlichen Nachstellungen ihrer Ehre öfters so wenig als die Sonne den Finsternissen entgehen könne / dannenhero wolte sie lieber ihre Vergnügung in sich selber suchen / als bey allzu grosser Erhöhung ihres Ruhms in Sorgen stehen / anch den kleinsten Theil davon zu verlieren.
Nun schiene es dennoch / ob solte ihre Schönheit wieder Willen aller Augen freyer Betrachtung ausgesetzet seyn / weil sich viele ansehnliche und vornehme Persohnen bey ihren Vater den Brion bemüthen /durch sie ein angenehmes Bundniß mit seinem Hause zu stifften. Diese trefliche Partien kamen auch demBrion so wohl für / daß er selbige auszuschlagen nicht vor rahtsam hielte / dannenhero war nichts mehr übrig / als daß nur Adalie in dieses Verlangen mit einstimmete / und dadurch seine Familie seiner Meinung nach glücklich machte.
Allein Adalie fühlte nicht den geringsten [4] Trieb in ihren Hertzen zu einer Vermählung / und der verspürte Wiederwillen gegen die Liebe schiene ihr gleichsam von einer höhern Macht als einen blossen Eigensinn eingepflantzet zu werden / daß sie gar weder Stand noch Reichthum in Betrachtung nehmen konte /sondern bloß einergeheimen Regung folgete. Sie schützete demnach ihre noch allzugrosse Hochachtung zu der Freyheit vor / und bathe inständig / sie noch in so zarter Jugend zu den Eh-Banden nicht zu zwingen / sondern sie so lange in ihrer Eingebildeten Vergnügung zum ledigen Stande zu lassen / biß die mehrere Jahre auch mehr Beliebung zu einen andern brächten / zumahl sie die Abwesenheit eines so liebreichen Vaters ohne Betrübniß so bald nicht würde ertragen lernen. Wiewohl nun Brion diese Entschuldigung im Anfange nicht wolte vor zulänglich halten /so urtheilte er doch als ein gütiger und verständiger Vater / daß gezwungene Heyrathen selten so viel Glückseligkeit zum Brautschatz haben / als wo die Liebe beyderseits die Hertzen zu einen süssen Ja nöthiget / und wolte dannenhero einer Persohn nicht so strenge Gesetze vorschreiben / die er wegen ihrer wunder würdigen Eigenschafften zugleich lieben und ehren muste / und derenthalben er bereits die jüngste Tochter Barsine in ein Closter versperret / damit Adalien der Reichthum allein zufallen möchte. Adalie brachte demnach [5] ihren Vater durch viele Verpflichtungen / und daß sie sonsten in allen Begebenheiten ihren schuldigen Gehorsam mir Vergnügen bezeigen wolte / auf den geneigten Entschluß / ihr in diesem Stücke ins künfftige allein die Wahl zu lassen: denen gethanen Anwerbungen aber wuste er mit solcher Manier zu begegnen / daß niemand wegen mißlungenen Verlangen sich konte beleidiget halten. Also sahe sich Adalie von dieser Unruhe befreyet / und hinge ihrer Edlen Gemüths-Ergetzung nach / welche in einem süssen Lauten-Spiel / worein sie mit ungemeiner Lieblichkeit sunge / anderẽ schönen Ubungen / und in Lesung der galantesten Bücher bestunde.
Unter vielen Sprachen / welche sie mit sonderbahrer Zierlichkeit redete / hatte sie grosses Belieben zu der Teutschen / und sich in selbiger desto geschickter zu machen / nahm sie nicht allein noch ein Teutsches Mädgen / Nahmens Doris, zu ihrer Auffwartung /sondern verfertigte auch zu ihrer Belustigung in Nahmen ihres Vaters unterschiedliche Brieffe nach Elbipolis in Teutschland an einen vornehmen Kauffmann /Besardo, welcher mit ihren Vater in wichtiger Handlung stunde. Die unvermuthete Schreib-Art / welche sonst allezeit in Frantzösischer Sprache geschehen /und die artige Verfassung derselben / bewegte alsofort den jungen Bosardo, der in Nahmen seines Vaters die Correspondentz hielte / sich genau zu [6] erkundigen /wer doch eine so geschickte Teutsche Feder bey dem Herrn Brion zu führen vermögend sey. Wie nun die Nachricht einlieffe / daß ein galantes Frauenzimmer solches bißhero verrichtet / so war auch der blosse Geist / der aus diesen Zeilen hervor leuchtete / schon fähig / ihn zu einer mehr als gemeinen estim gegen dasselbe zu zwingen / ohne daß der billige Ruhm ihrer wunderschönen Gestalt hierzu etwas beygetragen. Dannenhero ware Bosardo desto geschäfftiger /seine Schreib-Art wohl einzurichten / und die vielen untermischten Verpflichtungen liessen Adalien sattsam sehen / was für ein Bekäntniß er gerne bey ihr abgeleget. Allein ihr Gemüth hinge weit schöneren Betrachtungẽ als einer Liebe nach / die sie zuvor weit kostbarer ausgeschlagen / und antwortete also zwar höflich / doch mit einer solchen Unachtsamkeit / als ob sie die übrigen Schmeicheleyen nicht gelesen.
Damahls brandte das hefftige Krieges-Feuer zwischen den König in Franckreich und denen Alliirten hohen Potentaten / wie oben erwehnet worden / noch in voller Macht / und die starcken Flammen breiteten sich so gewaltig aus / daß der Schimmer bereits weit über den Rheinstrom Drunge / als die hohen und getreuen Reichs-Fürsten alle Sorgfalt anwendeten / solche gefährliche Glut auf ihren Gräntzen zu dämpfen. Derowegen beordrete auch der Hertzog von Allerona in Teutschland [7] den Kern der tapfersten Soldaten dahin / um dem Vaterlande wieder einen so hochmüthigen Feinde rechtschaffene Dienste zu thun / seinen jungen Printzen Rosantes aber / ob er gleich von feurigen Gemüthe war / wolte er wegen seines noch zarten Alters und der Hoffnung / die sich das gantze Land von seinen treflichen Qualitæten zu machen /einer so frühzeitigen Gefahr nicht aussetzen / sondern suchte ihn in allen Helden-mäßigen Ubungen und Fürstlichen Tugenden erst noch vollkommener zu ma chen.
Hierzu schiene ihm auch Paris ein schöner Muster-Platz vor so junge Herren zu seyn / und weil der Printz nach einen der galantesten Höfen in der Welt selbst ungemeines Belieben truge / gleichwohl aber zu besorgen war / der blutige Krieg möchte so bald kein Ende gewinnen / daß diese löbliche Begierde noch in blühenden Jahren könne gestillet werden / so war der Durchtige Herr Vater sorgfaltig / ein Mittel zu erfinden / wie er diesen theuren Printzen mit guter Sicherheit in seiner Sehnsucht vergnügen möchte. Endlich fiel ihm ein / wie der alte Bosardo in Elbipolis, welcher seine Hoffstadt mit dem kostbarsten Waaren versahe / auch starcke Handlung nach Paris hätte /und wie dieser seinen Printzen unter den Schein seines eigenen Sohns an einen der ansehnlichsten Kaufleuten daselbsten recommendiren könte / um sich in den Exercitien und Galanterien [8] geschickter zu machen: denn also würde man aus Unwissenheit seines Standes kein so scharffes Auge auf ihn werffen / und irgends zu einer allzutheuren Rantzion in Verwahrung nehmen. Dieser ruhmwürdige Hertzog ließ also denBosardo zu sich beruffen / und bey dessen Auffwartung eröfnete er ihm seine Meinung / mit dem Anhange / daß er nicht die geringste Schwürigkeit in dieser Sache sähe / woferne nur Bosardo seine Treue hierinnen recht anwenden / und an einen Kaufmann in Paris schreiben wolte / daß er ihm hiermit seinen Sohn bestens empfiehle / so zu Begreiffung aller Cavalieren wohlanständigen Ubungen daselbst anlangete / mit der Versicherung / daß er nicht allein Mittel genug hätte / ihn diesen Rang zu wege zu bringen / sondern auch sonsten auf alle Weise dafür erkentlich seyn würde.
Bosardo schmeichelte sich mit der hohen Ehre dieses gnädig auf ihn gelegten Vertrauens in einer so wichtigen Sache ungemein / dannenhero wuste er nicht Worte genug auszusinnen / wie er dem Hertzog seine unterthänigste Danckbarkeit dafür bezeigen solte / erklärte sich anbey / daß er nach eusersten Vermögen so viel Behutsamkeit hierinnen gebrauchen würde / als Sr. Durchl. gnädiger Befehl und hohe Angelegenheit erforderten / und daß er dero hochgeliebtesten Printzen bey einen Kauffmann bringen wolte /den man an den Hofe zu Paris nicht [9] anders als den reichen Brion hiesse / welcher denn ausser der Ehrerbiethung / die er ihnen aus Unwissenheit schuldig bliebe / so viel zu ihrer Bewirthung anwenden solte /daß sie ein gnädiges Gefallen darüber haben würden.
Wie nun der Hertzog mit sothaner Willfährigkeit ein gnädiges Belieben hatte / so würde alsofort Anstalt gemacht / daß der Printz Rosantes unter der Auffsicht eines qualificirten Hofmeisters nach Elbipolis auffbrechen muste / um daselbst in denen zuwissen nöthigen Dingen dergestalt unterrichtet zu werden / damit er hernach vor die jenige Person recht passiren möchte / die er sich vorzustellen unternommen.
Dieser artige Printz brauchte nicht viel Mühe / das Vornehmste so fertig zu begreiffen / als ob er lange Zeit in der Handlung gestanden / und unter andern wuste er die Hand des jungen Bosardo so wohl nachzumahlen / daß auch der scharffsichtigste keinen Unterscheid zwischen beyden hätte erkennen sollen. Indessen hatte Brion bereits den besten Empfehlungs-Brief vor den jungen Bosardo erhalten / und weil er eine solche Gefälligkeit den alten Bosardo abzuschlagen gar keine Ursache wuste / so schriebe er desto höflicher wiederum zurücke / und versicherte / daß ihm alle Augenblick lang werden würden / ehe er einen so angenehmen Freund zu sprechen bekäme /als welchen sein Hauß und gantzes [10] Vermögen zu Diensten stünde. Adalie aber muthmassete bey erhaltener Nachricht / daß der junge Bosardo nach Paris verlangte / ob er nicht vieleicht wegen offt untermengten Caressen in Briefen / die jenige Persohn mündlich um etwas ersuchen wolte / bey der er in schrifftlichen Bitten unglücklich gewesen / zumal da er so inständig um ein Zimmer in ihren Hause angehalten; doch sie sprach ihm gleich in Vorrath allen Vortheil ab / und hatte in voraus ein Mitleiden mit ihm / wenn er sich umsonst um ihre Gunst bemühen würde: über diß nahme sie sich vor, seiner Gesellschafft möglichst zu eussern / damit niemand den geringsten Anlaß kriegen möchte / ihre bißhero erhaltene Renomeé und den Vorsatz noch nicht zu lieben verändert zu heissen. Allein du schöne Adalie, der du dein Hertze vor den Anfällen der Liebe so genau verwahret / sehe ob du auch bey einen Printzen unempfindlich bleiben kanst / der zwar eine niedrige Person vorstellet / aber so ein Majestätisches Wesen und Menge der Annehmlichkeiten dir entgegen setzet / daß es ein Eigensinn sey / selbige mit gleichgültigen Augen anzusehen.
Dergestalt schiene sie das Verhängniß anzureden /und führete nach vollbrachter glücklicher Reise den Printz Rosantes unter den Nahmen Bosardo in Paris /welcher alsofort dem Brion nebst seinen Hofmeister und einen Diener die Visite gab / und mit aller ersinnlichen [11] Hofligkeit und nicht geringer Verwunderung über seine so wohl gebildete Persohn empfangen wurde. Nach abgelegten gewöhnlichen Ceremonien fragte Brion den vermeinten Bosardo, ob ihm beliebte seinen bißherigen Correspondenten zu sehen / und als der Printz sein Verlangen darnach bezeigte / führte ihn derselbe in ein Zimmer / welches an kostbarer Ausmeublirung einem Fürstlichen nicht ungleich sahe.
Das treflichste aber darinnen ware die unvergleichliche Adalie, welche dem Printzen mit so erstauender Anmuth entgegen gienge / daß er hierüber in eine unvermuthete Verwirrung geriethe; doch er erholte sich bald wieder / und machte ihr die Compliment.
Wie war aber Adalien zu muthe? vermeinte sie wohl in Bosardens Persohn so was Vollkommenes zu finden / den sie sich nach seiner Schreib-Art viel anders abgerissen? und solte sie wohl glauben / daß jemand / der ihr von schlechten Geiste geschienen / eine so propre Taille und vortreffliche Mine könte haben? Ach beydes übertraf ihre zuvor gemachte Abbildung /und der erste Anblick dieses gantz andern Bosardens erregte in ihr eine heimliche Bewegung / davon sie den Nahmen selbst nicht wuste / weil sie solche noch niemahls empfunden.
Sie muste demnach durch einen süssen Zwang ihren vorigen Entschluß ändern / und der Aufstand in ihrem Gemüthe wolte [12] auch noch eine mehrere Röthe über die Rosen der Wangen ziehen; doch sie raffte alle vorige Lebhafftigkeit zusammen / und suchte durch unterschiedliche Discurse zu erforschen / ob in einem so schönen Leibe auch eine gleichmäßige Seele wohnte. Weil nun Printz Rosantes der Frantzösischen Sprache noch nicht vollkommen mächtig / so muste es in Teutscher geschehen / und hierinnen unterhielte ihn Adalie so wohl / daß beyde ihr sonderliches Vergnügen hier innen fanden / und ich nicht sagen kan / welches unter ihnen sich über des andern sinnreichen Verstand am meisten verwunderte.
Beyde hinterliessen demnach im Weggehen einander viel Nachsinnens / und Printz Rosantes machte bey sich den Schluß: wo es lauter solche Engel in Paris gebe / würde es schlecht um seine Freyheit aussehen. Gleichwohl war er von den Regungen der Liebe bißhero verschonet gewesen / und die itzo anflammene Triebe von Lust und Schmertzen wolten seinem der Ruhe ergebenen Gemüthe so gar nicht anstehen / daß er sich fest vornahme / mit Gewalt diesePasion aus seinem Hertzen beyzeiten zu verbannen /ehe sie tiefere Wurtzel gefasset / und man hernach die Mühe zu deren Ausrottung vergebens anwendete.
In diesem Vorsatze besuchte er täglich den Hof /wo die Raritäten / Merckwürdigkeiten und Galanterien, welche hier den schönsten [13] Sammel-Platz haben /seine Gedancken so tief zu ihrer Betrachtung führeten / daß er fast seinen beliebten Gegenstand des Gemüthes darüber vergessen. Er schmeichelte sich also nicht wenig / daß er ein Meister seiner Affecten sey /und gedachte durch dieses Mittel seine gäntzliche Zufriedenheit zu behaupten / wenn er nur durch galante Studia, Exercitien und artige Conversation von Hause abgehalten würde.
Allein indem er den Netzen der Liebe am vorsichtigsten entgehen wolte / / wuste ihn der listige Amor erst recht zu fangen; denn er stellete ihm an dem Hofe eine grosse Menge annehmlicher Damen vor / und wenn sich seine Augen an ihnen zu weiden suchten /keine aber von solcher Schönheit wie seine Adalie erblickten / flössete ihn der schlaue Dieb die Worte ein: Siehest du nicht Rosantes / daß Paris zwar viele Sternen / aber nicht mehr als eine Sonne heget? Warum entziehest du dein Auge ihren edlen Blicken / und warum suchest du anderwerts vergebens / was dir Glück und Liebe zur Seiten gestellet? ist es dein Stand / welcher so viel Eigensinn erwecket / so dencke doch / daß die Liebe in ihrem Reiche keinen Unterscheid gestattet / sondern bereits tausend Exempel auffzuweisen hat / wie der Purpur sich weit glückseliger mit Tugenden als blosser Menschlicher Hoheit vermählet: zu dem so sind die jenigen nicht nach ihrer Geburth zu schätzen / welche [14] der Himmel durch unvergleichliche Eigenschafften weit über andere erhöhet. Ergib dich also Printz Rosantes einer so süssen Herrschafft / welche dir desto unbeschreiblichere Vergnügung wird zu schencken wissen / je edler sie ist /und erwege / daß Adalie ebenfals viel zärtliches vor dich heget / ehe sie weiß / daß du ein Printz bist / und doch deinen itzt angenommenen Stande nach viel bessere Parten ausgeschlagen.
Indessen daß Amor dem Printzen einen heimlichen Beyfall abnöthigte / hatte er bey Adelien auch vollkommen zu thun. Sie war mit einem tieffen Nachsinnen an des vermeinten Bosardo bißherige Auffführung schafftet / und wie selbige jederzeit gantz indifferent geschienen / und sie ihn weder in Frantzösischer noch in Teutscher Sprache ein verpflichtetesCompliment hatte machen hören / kame sie auf die Gedancken / dieses sey eine Verachtung ihrer Persohn / was Rosantes aus Gewohnheit eines ungebundenen Hertzens und Unwissenheit der Würckungen der Liebe gethan. Auch die vornehmsten Cavalliers hatten nicht einen Zutrit bey ihr erhalten können / undBosardo, der sie von gleicher Ankunfft mit sich hielte und noch darzu in Schreiben seine Liebe verrathen /wäre so kaltsinnig / daß er sich um die Gelegenheit mit ihr zu sprechen / wenig bekümmerte / ob sie ihm selbige gleich öffters darzu sehen liesse.
[15] Diese ungleiche Meinung von Printz Rosantes erweckte ihr einen heimlichen Gemüths-Kummer / und selbigen zu verbergen / schlosse sie sich öffters in ihr Zimmer / und beseufzete mit Verwunderung die Unempfindlichkeit des Bosardo / und daß ihre Gestalt gar nicht die jenige Vollkommnheit müste besitzen /welche man ihr beygeleget / sonsten ja derselbe noch etwas Liebens-würdiges an ihr finden würde. Bald aber verwiese sie sich selber / daß ihr Hertz so viel Hochachtung von einem unerkenntlichen machte / und warum sie ihm nicht gleichfals mit einer blossen Höfligkeit bebegnete / da es ihm ja gar nicht schwer fiele / eine andere Empfindung zu verbannen.
Sie faste demnach vor sich selber mit aller Gewalt den Entschluß / ihm keine geneigtere Blicke als andern zu geben / um dadurch zu erweisen / daß sie denjenigen großmühtig vergessen lernete / der ihrer nicht sonderlich achtete. Allein von wie langer Dauer war dieses Unternehmen? von nicht längeren / als biß sie ihn wieder zu Gesichte bekam: denn das blosse Anschauen von Rosantes risse alle Festigkeit ein / welche man wieder die Liebe hatte bauen wollen / undAdalie muste sie allezeit desto sieghaffter bey sich einziehen lassen.
Endlich gertethe sie auff den seltzamen Zweiffel /ob man denn in Teutschland einem so schönen Triebe der Natur nicht so wol [16] nachhinge als in Franckreich? die Gewißheit davon gedachte sie von ihrem MadgenDoris / welches wie oben erwehnet / aus Teutschland kommen / am besten zu erfahren / dannenhero fragte sie selbige einsmal gleichsam zur Schertz / von was vor humeur ihre Lands Leute waren / und ob sie auch wohl von Liebes lntriguen sonderlich Wesen machten? Doris / welche in Liedenfeld fast von Jugend auf gewesen / konnte nicht anders versichern / als daß sich die Galanterien daselbst in so vollkommener Ubung wie in Paris befänden / und daß man öffters die artigsten Geschichte hievon erführe.
Diese Nachricht beunruhigte sie eben noch mehr /als Printz Rosantes von Hofe kam / und weil er Adaliens Zimmer im Vorbeygehen offen fande / machte er ein Compliment darinnen. Sie verfärbte sich anfangs über seinen Zuspruch zu der Zeit / da sie eben tausenderley Gedancken von ihm hegte / doch schiene es ihr nicht gar zuwider / daß er diese Gelegenheit zu ihrem eigenen Vortheil ergriffen.
Sie bewillkommete ihn also gantz höflich / und fragte unter andern / wie ihm denn dieser Hof gefiele /und ob er noch keine Liebes-Galanterien unter den Damen und Cavalieren an denselben wahrgenommen? Solte dieses / antwortete Rosantes, an einen der schönsten Höfe was seltzames seyn / und könnte man wohl ohne Vergnügung daselbst weggehen? Mir ist es [17] lieb / sagte sie / wenn ihr euere Zufriedenheit daran findet / und sonderlich / wenn eine Dame dieselbe befördert. O nein / erwiederte er / die Damen des Frantzösischen Hofes haben sich bißhero keine Mühe meinetwegen genommen / und mein Hertze kan sich auch von ihrer Entzündung gantz frey sprechen. Mein Mädgen aber / gab sie hierauf / hat die gute Meynung von eurer Nation / daß sie sonderlich die Liebes-galanterien hoch hielten. Ich muß es bekennen / daß sie nicht uneben geredet / sagte er / und ist nur Schade / daß die schöne Adalie nicht gleichfals so gütige Gedancken heget. Ich würde euch aber hierdurch keinen Gefallen thun / antwortete sie / weil euer Hertz die Anfälle der Damen wenig achtet? Nur am Hofe / artige Adalie / erklärte er sich. Und vielleicht in gantz Paris / versetzte sie. Dieses wäre einer so unvergleichlichen Stadt zu nahe geredet / sagte Rosantes / wenn sich nicht eine Schönheit darinnen finden solte / die mich zu binden vermögend sey; Aber wegen der besorgenden Marter / die die Liebe zum Gefehrten hat /muß man sich einer solchen Regung mit aller Macht entschlagen / als durch freye Bekäntniß derselben die Unruhe vermehren. So habet ihr schon aus der Erfahrung gelernet / sagte Adalie lächelnd / daß die Liebe viel Marter verursachet / und darum suchet ihr selbige nunmehro zu fliehen? Dieses wohl nicht / antwortete er / weil ich niemahls geliebet / aber [18] an verliebten wohl war genommen / mit was für Schmertzen ihre Gemüther allezeit beunruhiget gewesen.
Sie würden von dieser beliebten Materie so bald nicht abgebrochen haben / wenn sie die Dazwischenkunfft des Hofmeisters nicht darinnen gestöret / und sie beyderseits zur Tafel genöthiget. Sie hatten also beyde einen heimlichen Unwillen über die Zeit / daß dieselbe itzo so geschwinde / sonsten aber so langsam vorbey striche; doch war ihr Trost / daß ihnen die Gelegenheit zu weiterer Unterredung nicht so gäntzlich benommen.
Den Abend darauf / als die dunckelen Schatten den Tag schon eine gute Zeit verstecket / und die Glieder zu der Ruhe fordern wolten / schliche sich Rosantes unvermerckt nach Adaliens Zimmer / um sich wie gewöhnlich an einem süssen Lauten-Spiel zu ergetzen.Adalie aber / die durch ihre Doris bereits erfahren /was für einen andächtigen Zuhörer sie alle Abend an dem vermeynten Bosardo hätte / war vorhero bedacht gewesen / was sie ihm diesen Abend spielen wolte /dannenhero muste ihr Mädgen ingeheim auf der Wache stehen / und des Printzens Ankunfft ihr durch ein Zeichen zu verstehen geben. So bald als sich nunDoris durch ein Merckmahl hören liesse / sang sie diese Aria mit ungemeiner Anmuth in die Laute:
[20] Rosantes hatte mit gröster Aufmerck samkeit zugehöret / und weil er den Inhalt aus ihren obigen Discoursen auf sich ziehen konnte / muthmassete er / es müsse Adalie ohnfehlbahr Nachricht haben / daß er üm die gewöhnliche Zeit an ihrer Ergetzung mit Theil nehme. Es gefiele ihm also ungemein wohl / daß ein so unvergleichliches Frauen-Zimmer von seiner blossen Person so viel Hochachtung machte / ehe sie von seiner höhern Geburth Wissenschafft hätte / welches Glücke sich doch kein Cavallier bißhero rühmen können.
Diese Zufriedenheit hierüber ware der Uhrsprung weit vortheilhaffterer Gedancken / welche ihm die gantze Nacht in einer angenehmen Unruhe schlaffloß hielten / und genugsam zu erkennen gaben / daß sie mit der Liebe die genaueste Verwandschafft hätten. Nun wolte ihm zwar ihre vermerckte Gunst und stete Gegenwart eingeben / daß weil sein Stand dem ihrigen weit übergienge / könnte seine Sehnsucht dennoch durch eine kluge Verstellung und viele verpflichtete Caressen so lange gestillet werden / als er in Paris verbliebe; allein die Betrachtung ihres Geistes /der gar von keiner gemeinen Art war / und fein eigen Edles Gemüth rissen in dem Augenblick diese unanständige Meynung übernhauffen / und brachten ihn her gegen zu einer rechten Ehrerbietung gegen sie.
Die Morgenröthe drunge bereits mit [21] ihren güldnen Strahlen in sein Zimmer / als er erstlich seine beschäfftigten Sinnen wolte ruhen lassen / dannenhero hielte er von Unrecht / dem beliebten Gegenstand seinem Hertzen am Tage zu rauben / den ihm die finstere Nacht nicht hätte benehmen können / und machte sich demnach gleich aus den Federn.
Er gedachte sich diesen Tag recht propre zu kleiden / und weil er öffters an Adalien eine rothe garnitur-Band gesehen / so vermeynte er sich bey ihr beliebt zu machen / wenn er eine gleiche trüge; Uber diß legte er viele kostbare Diamanten an sich / und wiewohl ihn der Hoffmeister einer Behutsamkeit hierinnen errinnerte / hielte er es doch vor unnöthige Einwürffe / und stutzete mehr als eine Person / vor welche er sich ausgab.
Wie er nun durch seinen Diener erfuhre / daß Adalie sich gleichfals angekleidet / liesse er ihr dasCompliment machen; daß es ihm sehr vergnügen würde / wenn sie diese Nacht wohlgeruhet / und so er mit ihrer Erlaubniß davon mündliche Nachricht einziehen könnte / würde er es vor eine sonderbahre Gefälligkeit rechnen, Adalien schiene dieses ein angenehmer Vorbothe zu seyn / des wegen liesse sie ihm wiederum entbieten / daß sie gleichfals Verlangen trüge / zu vernehmen / wie er diese Nacht geschlaffen / weil er schon bey so früher Zeit aufgewesen / erwartete sie also die Ehre seines Zuspruchs.
[22] Sie hatte itzo eben die rothe Garnitur-Band wiederumb angelegte / weil sie selbiges sehr wohl kleidete / und vermeynte am wenigsten / daß sie ein gleiches an Bosarden sehen solte; denn es in Franckreich vor ein Kennzeichen eines Liebes-Verständniß ausgeleget wird / wenn eine Dame und Cavallier einerley couleur Band tragen. Sie stutzete aber bey dem Eintritt des Printzen Rosantes, da sie solches an ihm gewahr wurde / und über dem sahe / wie er sich so treflich geputzet. Hätte sie gewust / daß er von der Manier in Franckreich unterrichtet wäre / solte ihr diese Freyheit nicht entgegen gewesen seyn / so aber blieb sie in einem unangenehmen Zweiffel.
Rosantes hingegen hatte an Adalien nicht weniger zu verwundern: Ihre gantze Kleidung bestunde in einem mit Golde reichlich durchwirckten weissen Damast / und aller Zierath ware so wohl ausgesuchet /daß er ihre von Natur wunderwürdige Schönheit noch erstaunender machte. Dieser trefliche Glantz stärckte seinen Vorsatz / ihr mehr als vor diesen die Hochachtung ihrer Person zu verstehen zu geben / und in diesem Absehen bathe er um Vergebung / wo er sie zu früh in ihrer galanten Verrichtung stöhrete / sich entschuldigend / daß er sich ihrer gehabten Ruhe erkundigen wollen / indem er auch von der kleinesten Vergnügung die angenehmste Zeitung könnte einziehen /wenn [23] sie selbige nur betraffe. Adalie erwiederte / daß solches seiner jederzeit bekannten Höflichkeit zu zuschreiben / was aber ihre Ruhe anbelangete / so könte er selber schliessen / daß die ihrige vieleicht besser als die Seinige gewesen / weil er bey so gar früher Zeit vor sie aufgestanden / davon sie doch die Ursache gerne wissen möchte. Wie habe ich dem Schlaffe sonderlich nachhengen können / antwortete Rosantes, da ihr mir durch die artige Aria den Abend zuvor so viel zu überlegen gegeben. So hat meine schlechte Music / sagte sie / wider mein Vermuthen einen sogalanten Zuhörer gehabt. Wie soll ich aber zu dem Versehen kommen / daß eine ungeschickte Aria euch an der Ruhe gehindert / gewiß dieses solte mir sehr leid seyn. Ich habe aber diese Unruhe / antwortete er /sehr gerne über mich genommen / und die geschickteAria hat mir so wohl gefallen / daß ich nun ihren klugen Lehren bey euch nachzuleben gedencke. Und was für Lehren hat euch denn dieselbige gegeben? fragte sie. Solten sie euch schon entfallen seyn / sagte er / so schweben sie mir doch noch in frischen Gedächtniß /und heissen mich nicht Ursache an meinen eigenen Schmertzen seyn / sondern die Mittel dafür bey derjenigen suchen / so mir selbige durch ihre Güte geben kan. Dieses war aber nur auf die Verliebten gerichtet / versetzte sie. Und eben deßwegen wird mich die schöne Adalie nicht straffen können / antwortete er / wenn ich den [24] Reguln genau nachkomme. Ich spüre wohl / sagte sie lächelnd / daß ihr heute zum Schertz einen Verliebten vorstellen wollet / weil ihr die Frantzösische Manier hierinnen beobachtet / und eben eine solche Garnitur-Band als die Meinige aus gesehen. Hieraus könnet ihr aber schliessen / erwiederte er / daß wo ich ja kein mündliches Bekäntnis gewaget / dennoch ein merckwürdiger Zufall meine innerliche Regung verrathen / weil mir von dieser Galanterie vorher nichts bekannt gewesen; Daß ich aber selbige ins künfftige in dieser Qualität desto vergnügter beobachten möge / darzu werde ich von euch gütige Erlaubnis ausbitten. Man kan solches keinen nicht ehe verstatten: sagte sie / biß man versichert ist / daß die Persohn es von Hertzen fordert.
Daß mein Hertze sich nach einen so schätzbahren Glücke sehnet / versicherte Rosantes, hat die schöneAdalie so wenig Ursach zu zweiffeln / als an der Macht ihrer unzehligen Annehmlichkeiten / welche einen jeden auch bey den ersten Anblicke ein so süsses Verlangen erwecken können. Ich kenne meine wenige Gestalt / sagte Adalie, und die allzugrosse Gefälligkeit des artigen Bosardo allzuwohl / und davon wird auch diese Flatterie ihren ohnfehlbaren Uhrsprung haben. Ihr beleidiget eure Schönheit / antwortete Rosantes, wo ihr selbige nicht von dem Vermögen schätzet / einen die Wahrheit reden [25] zu lernen; und gesetzt / daß selbige nicht die Vollkommenheit besässe / welche auch der Neid an ihr admiriren muß / so sind doch die Tugenden und Eigenschafften eures herrlichen Geistes von solcher Fürtrefflichkeit / daß einem edlen Gemüthe nichts schwerers fällt / als so angenehmen Banden zu entgehen. Ihr wollet durch diesen überflüßigen Ruhm meiner schlechten Qualitæten erweisen / erwiederte Adalie, von was geschickter Beredsamkeit ihr seyd / weil ihr auch geringen Sachen einen grossen Wehrt beylegen könnet / und dannenhero kan ich solches vor keine warhaffte Verpflichtungen auslegen. Handelt nicht so unbillig / unvergleichliche Adalie, bathe er / mein treues Bekäntnis durch eine erdichtete Geringschätzigkeit euerer Persohn abzulehnen / und erweget / daß eure bezaubernde Anmuth so wohl als euer eigener Befehl in der gestrigen Aria Schuld daran seyn / daß ich euch meiner Seuffzer entdecke / welche ich sonsten zu meiner Unruhe, noch eine Zeitlang vieleicht verschwiegen hätte.
Es gieng Adalien schwer / sich lange gegen eine so liebenswürdige Persohn zu verstellen / doch gleichwol schiene es ihr ein heimliches Ergetzen zu seyn / je mehr und mehr Verpflichtungen von ihm zu bekommen / und dadurch recht versichert zu werden / daß er sie liebete. Endlich aber konte sich ihre zärtliche Regung nicht behutsam genug im Hertzen verbergen /sondern [26] befärbte die Wangen mit einer angenehmen Röthe / und rüstete die Pech-schwartzen Augen mit noch weit mehren Feuer als zuvor aus. Weil nun der Verräther schon im Gesichte stunde / wolten auch die schönen Lippen nicht länger schweigen / sondern fragten Rosantes mit einer besondern Anmuth: Was verlanget ihr denn? Rosardo, Eure Gewogenheit /Englische Adalie / antwortete er / Besitzet ihr deñ selbige nicht? fragte sie weiter. Dieses kan mich eure Gütigkeit versichern / antwortete er / und zugleich unendlich verbinden / wenn ich ein höchstschätzbares Kennzeichen davon fordern darff. Hiermit nahte er sich ihren Purpurlippen / und ob sie ihm selbige gleich durch eine kleine Weigerung entziehen wolte /stunde doch Amor dem enttzündeten Rosantes so wohl bey / daß er mit unassprechlicher Zufriedenheit die ersten Rosen brache / und Adalien ebenfals so viel Süßigkeit schenckte / als er von ihr genossen.
Nach dieser beliebten Verrichtung schossen die feurigsten Blicke gegen einander / gleichsam aus dieser Augen Sprache zu erforschen / wiewohl ihnen beyderseits diese Speise bekommen: und wie dadurch des Printz Rosantes Verlangen noch erhitzter würde /wolte er seine Flammen durch neue Küssen kühlen; Allein Adalie schluge solches mit einer wohlanständigen Weigerung ab / und sagte mit einer liebreitzenden Art zu ihn: daß er ohne diß zu viel von ihr [27] genossen /ehe sie seiner Hochachtung gäntzlich versichert wäre /eine weitere Freyheit aber möchte die Zeit und seine Treue auswürcken / und damit zohe sie sich eben in einem gewünschten Augenblicke aus seinen Armen /als Brion nebst den Hofmeister in das Zimmer trate.
Ihr Anbringen war / ob sie nicht beliebten bey so schönen Frühlings-Wetter eine Spatzier-Fahrt in einem ohnweit gelegenen Garten zu thun / um daselbst die raren Gewächse und andere Seltenheiten /die Rosantes noch nie gesehen / in Augenschein zu nehmẽ. Sie stimten beyde desto williger ein / weil diese Gelegenheit ihre Zusammenkunfft noch mehr befördern wolte / als sie sonsten ohne einigen Verdacht thun können; der Hofmeister aber hatte bey dem ersten Eintrit genau auf des Printzen Gesicht Achtung gegeben / und weil er ihm die Farbe unterschiedlich mahl verändern sahe / kam er mit seiner Muthmassung gar nahe auf deren Ursache. Wenn er nun dessen feuriges Gemüthe zu Adaliens wunder würdiger Schönheit hielte / urtheilte er bey langerer Unterhaltung ihrer Liebe nicht das beste / sondern daß es einen seinem hohen Stande sehr nachtheiligen Ausgang gewinnen möchte: Er nahm sich demnach in Betrachtung der daraus entstehenden Gefahr vor den Printzen und seiner eigenen hohen Verantwortung bey dessen Durchläuchtigsten Herrn Vater gäntzlich vor / den Printzen bey ersehener [28] Gelegenheit eine bescheidene Erinnerung zu geben.
Sie fuhren also ungesäumt im Garten hinaus / und besahen die wunder schöne Arbeit / welche der bunte Frühling mit mancherley Blumen und Kräuter gemacht / mit sonderbahrer Gemüths-Ergetzung / worzu die raren Gewächse / treffliche Alleén und die an unterschiedenen Orten hervorspringenden Fontainen noch mehr beytrugen. Ja diesen irrdischen Paradiese schiene aber dem Printz Rosantes nichts anmuthiger als der Engel / welcher ihn in Adaliens Persohn begleitete / und sein Vergnügen daran wehrete so lange /biß selbiges durch einen unvermutheten Zuspruch gestöhret wurde.
Denn es hatte ein Cavallier / indem er vor Brions seinen Garten vorbey fahren wolte / an einen Diener wahrgenommen / daß entweder der Herr selber / oder welches er doch lieber wünschete / Adalie darinnen seyn müste; weil er nun von dem ersten wegen seines guten Ansehens bey Hofe und erstaunenden Reichthum / von der andern Persohn aber wegen der Annehmlichkeit viel hielte / so liesse er sich durch seinen Laqueyen erkundigen / wer darinnen wäre / und ob er die Gesellschafft vermehren dürffte. Brion, der einer der höflichsten war / und von diesen reichen Cavallier nicht wenig estim machte / gieng ihm alsofort entgegen / und [29] führete denselben unter einer verbindlichen Dancksagung vor die Ehre / die er seinem Garten geben wollen / zu denen übrigen.
Adalie stutzete zwar bey ersehung dieses unangenehmen Gastes in etwas / weil er eine Hindernis ihrer vorgehabten Unterredung mit ihren vermeinten Bosardo schiene / doch sie fassete sich nach ihrer klugenConduite alsofort / und empfinge ihn mit verstellter Freundlichkeit. Rosantes nun / ob er gleich in Hertzen viel ein anders dachte / machte ihm dennoch in Erwegung seines angenommenen Standes ein gar artiges Compliment, und führete sich so wohl und indifferent auf / daß Adalie an seiner Geschicklichkeit selber bey ihren heimlichen Verdruß ein Vergnügen hatte.
Nur der Hofmeister allein war ohne Verstellung gantz erfreueten Gemüths hierüber / wenn er sahe /wie sehr es der frembde Cavallier sich angelegen seyn liesse / Adalien verbündlich zu bedienen / weil vieleicht auf diese Art der Printz von ihr könne abgezogen werden. Zu desto mehrerer Bewerckstelligung ersahe er die Gelegenheit / Rosantes von denen andern ab und mit sich in eine Alleé allein zu bringen /worinnen er die Discourse mit Fleiß auf Adalien und den Cavallier drehete / und hernach also anfing: Ich sehe / daß sich ihrer viele bißher die Mühe genommen / Adalien zu gefallen: Nun muß ich zwar ihre Tugenden und Gestalt [30] aller Hochachtung würdig schätzen; allein dieses solte ich mir doch nicht einbilden / daßCavalliers / wie bißhero geschehen / ohne Vergeringerung ihres Adels eine würckliche Heyrath suchen könten. Rosantes, welcher das Absehen seines Hofmeisters nicht gleich erriethe antwortete / daß ein Cavallier freylich besser thäte / wo er sich mit einem Fräulein seines gleichen vermählte / die eben solche Vollkomenheiten besässe / als er sie wünschete: doch wo er etwas gezwungen eingehen solte / und den Gegenstand nicht in allen nach seiner humeur befände /sehe er nicht / warum er sich nicht einen bessern auch ausser seinen Stande aussuchen könte / denn ja der Adel mehr im Gemüthe als blosser Geburth beruhete. Je höher die Persohn / sagte der Hofmeister / je erläuchter muß auch der Geist seyn / und dieser darf nicht nach gemeiner Art eine blinde Liebe über eine großmüthige Vernunfft herschen lassen / sondern auch die geringste Kleinigkeit mit eusersten Vermögen meiden / welche den Stand und Ruhm in etwas verduncklen. Wie kan aber die Vernunfft besser zu Rache gezogen werden / wendete der Printz ein / als wenn selbige uns zu dem führet / was vor andern wegen ungemeiner Fürtrefflichkeit einen Vorzug hat /und zu einer edlen Lebens-Art den Grund leget / welche in Gegentheil öfters gar wiedrig ausschläget /wenn man in einer Vermählung nicht auf Tugend und Liebe gezielet? Zu dem [31] so erwiesen hohe Persohnen /daß sie Sclavischer als die geringsten Leute gebohren wären / weiln sie nach ihres Hertzens Wahl keinerhonneten Vergnügung könten theilhafft werden / da es doch jenen erlaubet. Dieses ist eine Freyheit nur niedriger Sinnen / nach eingebildeter Wollust wehlen / erwiederte der Hofmeister / aber hohe Seelen sind deswegen keine Sclaven zu nennen / wenn sie das jenige / was den Augen gefället / löblich verachten lernen; sondern sie erweisen hierdurch / daß sie die seltene Herrschafft über ihre Affecten gewinnen / und den Ruhm eines der vortreflichsten Siege biß zum Sternen erheben. Wer ehret aber nicht billig die Unsterblichkeit vieler Durchläuchtigsten Häuser / behauptete der Printz ferner / welche mehr auf die Ubereinstimmung der Gemüther und edle Eigenschafften /als den blossen Purpur gesehen / wohlwissend / daß diese Glückseligkeit nur in der Einbildung / jene aber in den rechten genieß bestünde / und die Geschichten wissen dessen ohngeacht ihren Ruhm so wenig gnugsam zu erheben / als wir noch lebende Exempel sattsam admiriren können. Dieses sind Sonnen / versetzte der Hofmeister / deren herrliche Strahlen ihrer lobwürdigsten Verrichtungen von der Nachwelt nothwendig müssen ehrerbiethigst betrachtet werden / und die Historien-Schreiber befördern ihr eigen Lob / wenn sie selbe recht abschildern: aber zu ihren gehabten Flecken [32] finden sie keine so schöne Farben / und man ist statt deren Betrachtung dem euserlichen Ansehen nach gemeiniglich blind.
Hier merckte der Printz durch die hitzige Verfechtung seiner Meinung / worauf der Hofmeister zielete /und ob er ihm wohl durch stärckere Vernunffts-Gründe das Gegentheil hätte beweisen können / hielte er doch vor rathsam / durch eine kluge Vestellung ihm Beyfall zu geben / damit ihm der Verdacht von der so grossen estim gegen Adalien einiger massen benommen würde / und er ins künfftige keinen verdrießlichen und scharffen Auffseher an ihn hätte. Er billigte demnach seine geschickte Raison in allen desto lieber / je begieriger er war / nach geendigter beschwerlicher Auffhaltung dieses Discurses, Adaliens Aufführung gegen den Frembden zu beobachten / und ob er sich wohl einiger Vortheile zu rühmen.
Er kam Adalien eben recht gewünscht zu Gesichte /da sie nach seiner Gegenwart am meisten velangte; denn so bald er sich zuvor nebst dem Hofmeister entfernet / und ihr Vater aus gewöhnlicher Höfligkeit /und mit Fleiß sie bey dem Cavallier allein gelassen /fing er mit den verpflichtesten Worten an / ihr seine Ergebenheit zu bezeugen / und ob sie wohl durch allerhand sinnreiche Entschuldigungen seiner grossen Verdienste und ihrer schlechten Qualitæten solch Bekäntnis abzulehnen / und es vor einen [33] galanten Cavallieren gantz gewöhnlichen Schertz suchte auszulegen / fande es doch bey einem so entzündeten Liebhaber wenig Gehör; sondern er betheurte seine Caressen nur desto höher / und drunge starck in sie / eine gütige Erklärung von sich zu geben. Weil aber Adalie ihr Hertz Bosarden schon mehr gewiedmet / als sie ihm zuvor gestanden / und dieser Cavallier bey weiten nicht dessen charmantes Wesen befasse / könte sie ihm keine Versicherung ihrer Gunst oder Hoffnung darzu geben / gleichwohl schiene es wieder die wohlständige Höfligkeit zu seyn / ihre schlechte Lust zu Befriedigung seiner Sehnsucht so frey heraus sagen. Sie befande sich also recht gemartert / da zu guten Glücke Rosantes sich mit seinem Hofmeister wieder einstellete / und hierdurch zu anderer Materie in Reden Anlaß gabe.
Der Cavallier hegte wohl hierüber einen innerlichen Widerwillen / gleichwohl wuste er sich noch so viel zu begreiffen / daß er simulirte / und Bosarden oder Rosantes als einem Cavallier / wovor ihn Adalie ausgegeben / gantz höflich begegnete. Dieser beyden Personen natürliche und angenommene Freudigkeit im Gesichte / erweckte aber dem Rosantes die eyffersüchtige Muthmassung / sie rühre aus Ubereinstimmung der Gemüther her / und müste vielleicht Adalie auf seinen Stand gesehen / und Zeit seiner Unterredung mit dem Hofmeister durch [34] vielle Verpflichtungen seyn gewonnen worden / weil ja bey dessen Ankunfft keine so freundliche Blicke gefallen. Diese Einbildung beunruhigte ihn sehr / und erfühlte durch deren Heftigkeit allererst / wie hoch die Liebe bey ihm gestiegen / und daß er solche ohne äufferste Schmertzen einem andern nicht würde abstehen können.
Adalie ware scharffsichtig / und beobachtete anBosardens verstörten Gesichte alsofort seine Eyfersucht. Wiewohl ihr nun dieses ohnfehlbare Kennzeichen seiner Liebe ungemein gefiele / regte sich doch in ihrem Hertzen eine solche Zärtlichkeit / welche ihn unmöglich in einem unruhigen Zweiffel lassen könnte / dannenhero bemühete sie sich / durch geheime Augen-Wincke seinem Hertzen einen Trost zu zusprechen / weil ihr die Gegenwart des Cavalliers keine mündliche Versicherung wolte verstatten. Allein Rosantes Gedancken waren nach der Verliebten Gewohnheit / auch durch eine gezwungene Gunst-Bezeigung gegen seinen Neben-Buhler bereits so eingenommen von ihrer Veränderung / daß er sich wenig Vortheilhafftes aus ihren Blicken versprache / sondern die Augen beständig zur Erden niederschluge /und also ihre geheime Sprache nicht beobachtete. Er gieng demnach mit sich selbst gantz verwirrt zu Rahte / wie er ein Mittel vor diese bevorstehende äusserste Marter erfinden möchte / und die feste Einbildung /Adalie liesse sich durch den Ehrgeitz [35] zu solcher Gutigkeit gegen den Cavallier verleiten / brachte ihn auf den Vorsatz / ihr seinen Stand in geheim zu entdecken / um durch theure Versicherung seiner ewigen Treue die vorige Zufriedenheit in ihrer Gunst zu gewinnen. Doch eine vernünfftige Uberlegung der hieraus zu besorgenden Gefahr / und daß vielleicht Adalie wegen des grossen Unterscheids ihrer Gebührt ihm keine Beständigkeit zutrauen dürffte / und er also nur weniger hierdurch zu hoffen / risse den vorigen Entschluß gleich wieder ein / und führte ihn zu tausend Anschlägen / die aber keine bessere Würckung als der vorige hatten.
Diese innerliche Unruhe vermochte er nun so wenig zu verbergen / daß sie auch der frembde Cavallier mit Nahmen Renard wahrnahme / und daher alsofort eine eyffersüchtige Liebe wegen Adaliens Bedienung urtheilte. Weil er aber so was kostbahres sich lieber selber gönnte / hatte er wenig Mitleiden mir Rosantes, sondern war vielmehr bedacht / wie er seine Vergnügung bey Adalien bald beschleunigen möchte / ehe sie durch die stetige Conversation mit Rosantes und seine ohne diß wolgemachte Persohn zu widrigen Gedancken gebracht würde. Dieses konnte nun nicht besser als durch eine Vermählung geschehen / und weil er von ansehnlichem Geschlechte / grossem Vermögen / und darzu mit Brion vor langer Zeit genau war [36] bekandt gewesen / machte er sich auf ein angenehmes Ja-Wort / ohnfehlbare Hoffnung.
Die Sonne hatte nun ihre Strahlen so hoch erhoben / daß der heisse Mittag heran brache / und die starcke Hitze sie insgesammt in ein treflich aufgebautes Lusthauß zur Kühlung nöthigte. Renard wolte daselbst zum Schein dem Brion das Adjeu sagen / und wie er vorgab / ihn nicht länger an seinen vielleicht nöthigen Verrichtungen abhalten; allein Brion / der unter der Zeit die köstlichsten Speisen heraus geschafft / und sich den gantzen Tag zu seiner Lust in diesem Garten ausgesetzet / wolte auch einem ihm so beliebten Cavallier nicht gerne dabey vermissen / sondern bathe inständigst / der Compagnie die Ehre seiner Gegenwart folgends biß auf den Abend zu gönnen. Weil ihm nun ohne diß alle Stunden / die er nicht bey Adalien zubrachte / bereits verdrießlich schienen / und er bey so erwünschter Gelegenheit dem Brion sein Absehen auf ein Bündniß mit seinem Hause am besten zu entdecken vermeinte / willigte er desto lieber ein / und bekam dafür von Rosantes und Adalien eine freundliche Dancksagung / ob sie ihm gleich im Hertzen schlecht dafür verbunden waren.
Indessen aber daß Brion und Renard mit einandercomplimentirten / hatte Adalie so viel Raum / Bosarden unvermerckt ins Ohre zu sagen: Bosardo / ein Kluger kräncket sich [37] nicht ohne Ursache. Diese wenige Worte waren so vermögend / alle Schwermuth ausRosantes Hertzen zu jagen / und nun reuete es ihn /daß er nicht vernünfftiger von Adaliens Tugend geurtheilet / als daß selbige dem Interesse zu gefallen sich an jemanden ergeben solte. Er wolte ihr demnach seine Verpflichtung durch Blicke vor solche Gütigkeit zu verstehen geben; allein Adalie hatte sich aus einer klugen Verstellung gleich wiederum mit ihrem Gesichte zu dem andern gewendet / damit sie ihr geheimes Verständniß nicht inne werden möchten / weil sie wohl sahe / in was für Credit Renard bey ihrem Vater stunde. Rosantes beobachtete gleiche Kunst / und sasse hernach mit so aufgeheiterten humeur an der Tafel / als ob ihm niemahls was gefehlet / und er Renardens Hierbleiben vor die gröste Gefälligkeit rechnete.
Man brachte also unter wehrenden Speisen die Zeit mit allerhand Schertzen zu / und ein jedes suchte durch die sinnreichsten Einfälle seinen Verstand an den Tag zu legen / nach deren Aufhebung aber /begab man sich wieder ins Grüne / wo die Schatten-reiche Alleen einen kühlen Aufenthalt vor die Hitze der Sonnen verstatteten. Adalie hatte indessen sich zu mehrer Ergetzlichkeit ihre Laute hinaus bringen lassen / und weil ihr so wohl Rosantes als Renard tausend Schmeicheleyen deswegen gaben / liesse sie sich bereden / eine Aria drein zu fingen / [38] die sie aber so ausgesuchet / daß sie sonderlichs Aufmercken verursachte. Sie ware also gesetzet:
Der Inhalt dieser Aria ware so wohl auf die beyden Liebhaber eingerichtet / als ob er mit [39] Fleiß darzu erfunden / dannenhero verursachte Adalie nicht geringes Nachsinnen hierdurch / und Renard kame in seinen Gedancken auf eine gantz vortheilhaffte Auslegung /gleichsam als ob sie ihm ihre Gunst wol schencken wolte / allein weil es der Wohlstand nicht zuliesse /alsofort ja zu sagen / müste er noch eine kleine Zeit mit Gedult das Ende seiner Hoffnung erwarten. Allein die Ungewißheit seiner süssen Einbildung / die besorgende Gefahr / woreinn ihn Rosantes durch die stete Bedienung Adaliens setzete / und eine so bequeme Gelegenheit / die er so bald nicht wieder zu hoffen /hiessen ihn alle Augenblicke vor kostbar schätzen /die er zu befestigung seines Glückes anwenden könte / und deßwegen suchte er dem Brion seine Meinung in einer vorgewandten Begierde / seine rare Gewächse noch einmahl mit ihm zu besehen / ohne der andern Gewahrwerdung zu eröfnen.
Rosantes aber konte seine Vergnügung auf einen weit bessern Grunde bauen / weil er aus Adaliens obiger Erinnerung / sich nicht ohne Ursache zu kräncken / schon urtheilte / worauf die beliebte Aria gezielet /und dieses in allen Stücken zu beobachten / redete er mit Adalien von gantz andern als Liebes-Sachen / und bezeigte sich gegen sie so gleichgültig / daß sein aufmercksamer Hofmeister den obigen Verdacht eines Liebes-Verständniß gäntzlich fahren liesse.
Indessen hatte Renard bey Brion eine [40] inständige Werbung um Adalien gethan / und in Betrachtug alles des jenigen / was an einem Cavallier zu consideriren / eine desto erfreutere Eiwilligung erhalten / je höherBrion die Ehre eines so ansehnlichen Schwieger-Sohns schätzte. Doch hatte er sich nur dieses vorbehalten / daß er auch Adaliens Willen hierüber vernehmen möchte / und weil er nicht zweiffelte / selbige würde eine so angenehme Verbindung gleichfals vor ein besonderes Glücke erkennen / solte Morgen die gäntzliche Resolution darauff erfolgen.
Dabey blieb es anitzo / und weil die Nacht ihre braune Dämmerung auszubreiten schiene / muste man an das Zurückkehren in Paris gedencken / in welchen denn Adalie aus Höfligkeit Renarden die Begleitung verstattete / doch so / daß Rosantes gleiche Gunst genosse. Der Hofmeister und Brion aber sassen in einer aparten Carosse / und wie ihre vertraute Discurse auch auf Renarden fielen / erzehlte ihm Brion dessen ernsthaffte Anhaltung um Adalien, und bathe sich zugleich hierüber seinen Rath aus. Hier fiiele nun das Wasser recht auf seine Mühle; denn ausser Renardens Würdigkeit / sahe der Hofmeister dieses vor die bequemste Gelegenheit / sich seinen besorglichen Gedancken von Printz Rosantes vermutheter Ausschweiffung zubefreyen / er rühmte demnach dieses vor ein so grosses Auffnehmen seines Hauses / daßBrion [41] fest beschlosse / diese Partie nicht aus den Händen zu lassen.
Unter dergleichen Reden / die auf ihrer Seiten offenhertzig / auf der andern aber gantz verstellet geführet wurden / gelangten sie zu des Brions Wohnung /und weil Renard den gantzen Weg Adalien kein eintziges verbindliches Compliment hatte machen können / nähme er doch solches beym Abschied in acht /indem er sagte: wie er diesen Tag unter die Glückselichsten zu rechnen / weil er an denselben der höchstbeliebten Gegenwart eines der annehmlichstẽ Frauen-Zimmers wäre gewürdiget worden; Er müste sich demnach unendlich dafür verbunden bekennen / und wünschte nichts mehr / als daß sie in seinem Hertzen die Passion sehen möchte / die er lebenslang vor ihre unvergleiche Persohn tragen würde; Indessen wolte er sich doch mit der Vergnügung schmeicheln / in ihren gütigsten Andencken einen Platz zubehalten / und wie er solchen durch alle ersinnliche Gefälligkeiten zu behaupten bemühet lebte / so bäthe er sich als ein Keñzeichen ihrer Gewogenheit aus / ihr einmahl auf ihrer Zimmer die Aufwartung zu machen. Dieses Compliment kame Adalien nicht so unverhofft / als schwer zu beantworten vor / weil es nicht nach dessen Wunsche geschehen könte / und sie über diß Rosantes nicht weit von der Seiten hatte / welchen sie nicht gerne durch die geringste Gunstbezeugung gegenRenarden [42] wolte neuen Anlaß zu ungleichen Gedancken geben. Gleichwohl muste es geantwortet seyn; sie sagte dannenhero / daß er vielmehr die Stunden zu bereuen Ursache hätte / welcher er einer weit angenehmern Compagnie am Hofe entzogen / doch erkennete sie hieraus seine ungemeine Complaisance, weil er über etwas so grosse Verpflichtungen bezeigte / so selbiges nicht verdienete / und solche rühmliche Qualitæten eines galanten Cavaliers köntẽ bey ihr nicht anders als ein gutes Andencken gewinnen. Im übrigen wurde es ihr Vater allezeit vor eine Ehre schätzen /ihn in seinem Hause zu bedienen / und denn solte ihr ein solcher Zuspruch gleichfals gantz angenehm fallen.
Mit dieser Erklärung müste sich Renard vor dißmahl befriedigen / welche er aber weit geneigter er wartete / wenn Brion seine gethane Werbung Adalien eröffnete / und sie hieraus seine aufrichtige Hochachtung gegen ihre Persohn erkennete. Er machte sich also tausend süsse Vorstellungen im Geiste / was vor ein unschätzbares Ergetzen er in Besitzung eines solchen Engels alle Augenblick geniessen würde / und die hefftige Sehnsucht darnach / hiesse ihn auf nichts mehr als die langsame Stunden fluchen / und daß der morgende Tag nicht bereits angebrochen / an welchen er die Versicherung ihrer vollkommenen Gegengunst aus ihren schönen [43] Munde hören solte / denn er ausser der Zeit bereits alles vor gantz gewiß hielte.
Allein Adaliens Gedancken stimmten gar nicht seinen Wunsche bey / sondern waren ihren geliebtenBosarden so sehr ergeben / daß sie auch alle Reiche der Welt nicht mit ihm vertauscht hätte / wofern er nur die Kennzeichen seiner Hochachtung durch ewige Treu bestädigte / und ihr mit ehisten noch stärcker Versicherung davon schenckte. In diesen vortheilhafften Verlangen vor Rosantes begab sie sich zur Ruhe /wo anders verliebte eine Ruhe geniessen / und machete sich wachend so viel angenehme Träume von ihren künfftigen Verhängnisse / biß endlich die ermüdeten Glieder in einen sanfften Schlaff geriethen / und die Phantasien an eben derjenigen Freude mit theil nehmen liessen / die ihnen die sinnreichsten Einfälle vorher gegönnet.
Nachdem sie nun wieder ermunterte / und die liebliche Sonnen-Strahlen ihr gantzes Schlaff-Zimmer bereis bemahlten / risse sie sich mit einer kleinen Ungedult aus den Federn / weil sie durch diese lange Ruhe einen Augenblick vermeinte versäumt zu haben / darinnen sie Bosarden, wo nicht wegen der Auffsicht seines Hofmeisters allein zu sprechen / doch vielleicht zu sehen bekommen / und diese verliebte Sorge verursachte / daß sie sich desto geschwinder ankleidete. Sie war aber kaum fertig / so [44] meldete sich ein Diener vonRosantes an / welcher nebst Erkündigung Adalien Ruhe / einen schönen Empfehl von seinen Herrn brachte / und hierbey die Aria wieder mit schuldigster Danckbarkeit überlieferte / die er gestern von ihr erhalten.
Adalie wunderte sich im Anfang etwas über dasCompliment einer geliehenen Aria, dessen sie sich am wenigsten zu entsinnen wuste. Doch sie fiel alsofort auf das rechte / und daß er seinen Hofmeister den Verdacht zu benehmen unter dem Nahmen einer Aria vielleicht einen Brief übersendete. Die Begierde solches zu erfahren / ware so groß / daß sie gleich in einà part Zimmer gienge / und ohne Gewahrwerdung ihres Mädgens das Siegel von einem wahrhafften Brief lösete / worinnen ihr folgende Zeilen in die Augen fielen.
Schönste Adalie!
Weil die Grösse meiner Unruhe mir nicht vergönnet / euch mündlich um ein zulängliches Mittel vor dieselbe zu bitten / so erlaubet mir / schrifftlich um eine so unschätzbahre Güte anzuhalten. Vielleicht ist euch dieselbe schon bekannt / und daß / wie ich [45] von meinem Hofmeister vernommen / euer Herr Vater dem Renard auff seine gethane Anwerbung an euch bereits das Jawort gegeben / und dergleichen von meiner Englischen Adalie nun auch fordern wird. Aber soll ich wohl die unglückselige Stunde erleben / darinnen ihr euer Hertz einen andern schenckt / und die mir gegebene Hoffnung hierzu so grausam zunichte machet? Doch nein / ich beleidige eure Tugend / welche viel zu edel / als daß sie ihre einmahl gethane Versicherung solte zurücknehmen; und ob ich wohl bedencken zu tragen Ursach hätte / euch eine Parthey zu wiederrathen / die dem Ansehen nach viel vortheilhaffter als die meine scheinet; so habe ich doch durch die bißherige Ehre eurer beliebtesten Conversation euch so großmühtig befunden / daß ich einen unrechtmäßigen Zweifel hegte / wenn ich euer Absehen auff was anders / als eine getreue Liebe allein gerichtet hielte. Selbige hat euch nun euer ergebenster versichert / als aus euren schönen Munde [46] eine gütige Genehmhaltung mich in unbeschreibliches Vergnügen gesetzet / und ich schwere euch / daß diese Entzündung / weil sie von der unvergleichsten Person der Welt herrühret / eine ewige Dauer in meinem Hertzen haben soll. Lasset mich demnach wissen / Annehmlichste Adalie, ob ich in Besitzung eurer vollkommenen Gunst die Zeit meines Lebens die zufriedenste /oder auch in deren Beraubung / die allerbetrübteste Persohn bleiben soll / und glaubet / daß ein solches End-Urtheil seines künfftigen Verhängnüsses mit eussersten Verlangen erwartet
Euer getreuester
Bosardo.
Dieser Brief ware Adalien theils angenehm und auch zuwider; denn in Bosardens Liebe beruhete ihre gantze Vergnügung / und weil sie itzo die zärtlichsten Verpflichtungen davon erhielte / konnte es nicht anders seyn / als daß sie so wehrteste Zeilen mit tausend Küssen beehrete. Gleichwohl machte es ihr auch eine nicht geringe Unruhe / daß ihr Vater dem Renard sein Ja- Wort bereits solte gegeben haben / [47] und wenn sie die schon so viel ausgeschlagene trefliche Heyrathen erwoge / besorgte sie einen Unwillen von ihrem Vater wegen ihres so scheinbaren Eigensinns.
Sie war eben in so furchtsamer Uberlegung begriffen / als Brion das Zimmer eröfnete / und sie nach gütiger Begrüssung etwas bey Seite führete. Daselbst erzehlete er ihr nun mit vielen Umständen Renardens Hochachtung gegen ihre Persohn / und wie er dessen Qualitäten / grosses Ansehen und das Bindniß mit seinem Hause treflich heraus gestrichen / sagte er /daß es ihm sonderlich gefallen würde / wo sie selbiges eingienge. Adalie bedanckte sich vor seine vätterliche Vorsorge / und gestunde / daß sie nicht das geringste an diesen Cavallier auszusetzen; allein weil auch die freywillige Einstimmung des Hertzens zu einer hernach glücklichen Vermählung erfordert würde / sie aber gleichsam durch einen geheimen Zwang des Himmels gar keinen Trieb hierzu fühlete /so hätte sie zu ihm als einem allezeit gütigen Vater /die tröstliche Hoffnung / er würde sie hierinnen nicht so sehr nöthigen / sonsten sie sich seinem Willen allezeit gehorsamst unterwerffen wolte.
Es ginge etwas schwer ein / ehe Brion diese Entschuldigung wolten gelten lassen / und sein einmahl gegebenes Wort hiesse ihn ohne Beleidung seines Respects fast keiner Ausflucht [48] Gehör geben. Allein was kan nicht ein eintziger Thränen einer liebreichen Tochter? Adalie bathe ihn so wehmüthig um die Aenderung seines Entschlusses / daß er auch vor diß mahl davon abstunde und nur darauf bedacht war / wie erRenarden mit einer guten Manier zu gleichen Gedancken bringen möchte.
Sobald nun Adalie diesen Sturm abgewendet hatte /ergriffe sie mit ausgeheitertem Gesichte die Feder /und setzere an Bosarden folgendes auf:
Bosardo!
Eure löbliche Conduite hat jederzeit bey mir in so guter estim gestanden / daß sie mich auch itzo überredet / euren Verpflichtungen Glauben beyzumessen. Ich habe also meinem Hertzen gefolget / welches mich einer so artigen Person auf ewig ergeben zu seyn befiehlet / und zum Kennzeichen hiervon könnet ihr die Verdrießlichkeit rechnen / die ich bey meinem Vater in Ausredung der angetragenen Verbindung mit Renarden ausgestanden. Doch mir ist auch die gröste Unruhe angenehm / wenn sie zu eurem [49] Vergnügen ausschläget / und ich versichert bin / dadurch eine Gefälligkeit bey euch zu verdienen. Nur erinnert euch allezeit eures theuren Versprechens / ohne Verletzung der Treue biß in den Todt beständig zu bleiben / und lasset euer edles Absehen so wohl als das Meinige allezeit auf Tugenden gerichtet seyn / denn so wird euch die gehoffte Zufriedenheit schencken können.
Adalie.
Diesen Brief schickte sie durch ihre Doris an Rosantes, mit Vermelden / daß sie hier eine andere Frantzösche Aria beygeleget / welche aus einer ihrer Freundin sinnreichen Einfällen herrührete / und könte er sie nach Belieben abschreiben. Rosantes nahme den Brief in Gegenwart des Hofmeisters mit einer gleichgültigen Mine an / und steckte ihn mit einer solchen Unachtsamkeit zu sich / als ob nicht viel dran gelegen wäre / doch in Gedancken lase er selbigen bereits auf unterschiedene Art durch / und wie er seinen Wunsch in einen Neben-Zimmer darinnen so vollkommen vergnügt erblickte / schätzete sich dieser Printz recht glückselig / der Zärtlichkeit eines so wunderschönen Frauenzimmers nun gäntzlich versichert zu seyn / weil ihm [50] Adaliens Liebe zu seiner blossen Person weit ungemeiner gefiele / als wenn sie seines Fürstlichen Standes benachrichtiget ihr Absehen einer eingebildeten hohen Ehre gewidnet. Dannenhero sagte er mit einer Standhafftigkeit der Sinnen zu sich selber: Rosantes! vergelte diese Großmuth dereinst mit gleichen Tugenden; Und diese Worte ätzete er mit Diamant in seine Brust / daß sie kein Zufall hernach aus zulöschen fähig wäre.
Adalie indessen hatte um Renardens vermutheten Zuspruch abzuwenden / ihren Vater dahin beredet /daß er einen Diener an denselben geschickt / mit dem Berichte: wie es ihm sehr leid wäre / die Ehre seiner Bedienung heute durch einen unvermutheten Zufall zu missen / welcher Adalien in einer zugestossenen Unpäßlichkeit begegnet; doch hoffte er / daß es sich bald ändern / und er hernach die gewünschte Freyheit überkommen würde / wegen der bewusten Sache eine schuldige Erklärung in einer persönlichen Auffwartung zu thun.
Renard hätte sich eher des Himmels Einfall als einer so unerwarteten Hinderniß seines vorgenommenen Zuspruchs versehen; deßwegen wurde er gantz verwirt / und weil er Adaliens Unpäßlichkeit vor war hielte / machte ihm die Gefahr einer so geliebten Person tausenderley Unruhe. Endlich aber geriethe er durch ein tiefferes Nachsinnen auff die rechte [51] Muhtmassung / es könte diese vorgewandte Schwachheit auch wohl eine Schul-Kranckheit seyn / dadurch Adalie, die sich gestern nicht nach sei-Wunsche erkläret / seiner Klagen auch heute sich wollen entziehen /weil sie selbige niemahls zu vergnügen gedächte /Brion aber würde es ihm aus Höfligkeit nicht anders haben zu verstehen geben können. Dieses machte ihn viel empfindlichere Verdrießlichkeiten als die erste Einbildung / und die schlechte Hoffnung zu ihrer ungezwungenen Gunst liesse ihn fast bereuen daß er seine Liebe gleich so deutlich eröffnet / ehe er ihr Gemüthe besser gegen sich erforschet / weil ihn die Damen am Hofe bey dessen Erfahrung nicht wenig herum nehmen wurden. Er gieng also bey sich sorgfaltig zu Rathe / wie er sich alles genau erkündigen /und hernach dieser Schrauberey vorkommen möchte /und weil die verliebten zwar treflich reich an Einfällen sind / aber bald diesen und jenen auch wieder verwerffen / so konte auch Renard mit allen seinen Uberlegungen nicht fertig werden.
Allein Rosantes und Adalie durfften sich mit weitläufftigen Gedancken zu ihrer Zufriedenheit zu gelangen / nicht martern / denn ihre vereinigten Seelen und die offt erwünschte Gelegenheit sorgten hierinnen gantz gütig vor sie. Hier fielen nun die verbindlichsten Worte / so jemahls Verliebte wechseln können /zu Bestätigung ihrer Treue für / und Rosantes bekräfftigte [52] das nicht allein / worzu er sich in Schreiben erkläret / sondern weil Adalie mit Ausschliessung aller andern / und sonderlich dieser vortheilhafften Partie ihre vollkommene Affection gegen ihn bezeiget / so fühlte er in sich ein desto grösseres Ergetzen / je sinnreicher er war / sie durch die stärcksten Verpflichtungen seiner ewigen Ergebenheit zu versichern. Adalie liesse es an den angenehmsten Gegen-Versiche rungen gleichfals nicht mangeln / und wenn ihre schönen Lippen das Ammt eines treuen Redners sattsam verrichtet / schlosse sie Rosantes mit den feurigsten Küssen / und diese flösseten eine solche Süßigkeit in ihre Hertzen / daß sie aus sich selber gesetzet / ja gleichsam gantz berauscht waren. Diese entzückte Verwirrung ihrer Geister aber liefferte sie hernach in ein desto inbrünstiger Umarmen / welches durch die zärtlichste Bewegung ihrer Seelen wiese / daß kein edles Paar jemahls schöner als dieses geliebet. Doch ausser daß Amor die Schätze seiner Vergnügung noch nicht völlig verschwendete / und ihre Gemüther schon so eingerichtet hatte / daß sie sich an der itzt vergönten Kostbarkeit begnügen liessen / so schienen auch die Menschen neidisch zu seyn / sie immer ungehindert in der beliebtesten Zeit zu wissen / dannenhero störten sie solche öffters durch ihre Gegenwart daran: dieses aber lernete ihnen durch eine gequälte Sehnsucht nur besser erkennen / [53] was vor eine unausspreliche Lust die vertrauliche Einsamkeit unter ihnen austheilete / und wenn sie selbige einige Stunden nicht genossen / fragten sie bey gewünschter Zusammenkunfft einander / wie ihnen doch unterdessen wäre gewesen / und was für Gedancken sie bey sich selbst gehabt.
Nur Printz Rosantes hatte unterweilen einen liebreichen Wiederwillen / daß er unter den Nahmen des Bosardo die Liebe eines Frauenzimmer besitzen solte / die wegen ihrer ungemeinen Vorzüge vor andern wohl etwas höhers würdig sey / und dahero fiele er öffters unter den angenehmsten Caressen auf den Vorsatz / um sie der schlechten Bedienung zu überheben / seinen Fürstlichen Stand zu offenbahren. Doch weil er nicht uneben befürchten muste / die grosse Ungleichheit möchte sie so sehr erschrecken / daß sie ihm ins künfftige aus einen Mißtrauen kein geneigtes Gehör verstattete / ließ er sich durch die besorgende Marter davon abhalten / und befriedigte sich mit den Gedancken / daß seine hohe Geburth nichts zu Adaliens Gunst gegen ihn beygetragen / dannenhero blieb er bey seiner glücklichen Verstellung / und liefferte die Bosarden geschenckte Gewogenheit dem PrintzRosantes treulich ein / ohne daß einer unter diesen Mitbuhlern wäre eyffersüchtig worden.
Dieses geheime Verständnis konte so behutsam unter ihnen nicht gehalten werden / daß [54] Brion aus der vertraulich gewechselten Blicken und öffterer Conversation als zuvor nicht hätte sollen hinter die Briefe kommen / und nun Adaliens artigen Eigensinn zu der Verbindung mit Renarden erkennen lernen. Doch es mag seyn / daß diß vermeinten Bosardens gute Conduite und Majestätischen Minen / als welche sich in geringer Kleidung so wenig als ein Diamant in Bley verstellen können / oder auch der grosse Reichthum des Bosardens in Elbipolis ihm eine mehr als gemeine Hochachtung abnöthigten / so wünschte er allerdings / eine so trefliche Persohn vor andern zum Schwieger-Sohn zu haben.
Da aber alles gleichsam mit ihren Verlangen übereinstimmete / wolte das Verhängnis seinen Beyfall nicht weiter geben / sondern die unruhigen Blicke nach den süssen Stunden über sie schicken. Denn es lieff die sichere Nachricht zu Paris ein / daß man einen vornehmen Frantzösischen Herrn auf der Zurückreise aus Pohlen in Teutschland angehalten / und deßwegen breitete sich alsofort am Hofe die Zeitung aus / der König wolte dafür alle sich damahls in Pariß befindende hohe Standes-Persöhnen in Vermahrung nehmen lassen. Hier zohe es nun wohl der Printz in kein genaueres Nachsinnen / weil ihm die Liebe zuAdalien alle Furcht auszureden bemüth war; allein dessen Hofmeister argwohnte gleich das [55] schlimste /und die Einbildung / seines anvertrauten Printzens hohe Gebuhrt möchte verrahten werden / und also dieser scharffe Königliche Befehl auch auff ihn gemüntzet seyn / suchte alle Mittel hervor / Printz Rosantes zu einer eiligen Flucht aus Franckreich zu bereden /welche am sichersten unter frembder Kleidung nach Engelland zu bewerckstelligen sey.
Rosantes gedachte alsofort / daß er mit dem Entschluß Franckreich zu verlassen / sich auch nohtwendig zu den Verlust seiner geliebten Adalie entschliessen müste / weil ihn aber selbiger unerträglich fiel /wolte er sich lange nicht an das inständige Bitten des Hofmeisters kehren / sondern die erst angefangene Erndte seiner grösten Zufriedenheit weiter geniessen /in Hofnung / der Nahme Bosardens und seine mäßige Aufführung würden ihn vor alle Anfälle dieses gedroheten Unglücks sattsam verwahren. Doch der Hofmeister erwiederte mit den klügsten Vorstellungen daß er bey verschlagenen / unterthänigen und treumeinenden Raht / leichtlich durch die heuffige Spionen könne ausgekundschaffet werden / wie groß hernach die Betrübniß des Durchlauchtigsten Herrn Vaters ja gantz Teutschlandes seyn dürffte / wenn er / wie ohnfehlbahr zu glauben / ein gar unangenehmes Behältniß biß zu Loßlassung des gefangenen Printzens / von Berg-Fürsten bekommen möchte / könnten Ihro Durchl. nach [56] ihren ungemeinen Verstande selber urtheilen / dannenhero alle Augenblicke schätzbar wären / welche sie zu ihrer Rettung anwendeten.
Endlich muste Rosantes bey reiffer Uberlegung der besorgenden Gefahr dem Hofmeister beypflichten /welches ihm aber desto bescherlicher fiele / da er ausser der schmertzlichen Trennung von Adalien, noch darzu ohne deren Wissen fortreisen / und sich ohnfehlbahr nach langer Entfernung das Laster eines schmeichlerischen Betrügers solte beschuldigen lassen. Denn wenn er ihr gleich die Ursach entdecken wolte / würde sie doch in der Meynung seines geringeren Standes selbe nicht glauben können / und denn dürffte er entweder auffgehalten / oder bey seinen endlichen Abschiede so viel Klagen mit Thränen vermischet / hören müssen / welche ihn auszustehen unmüglich. Er muste sich also / weil solches auff keine Art zu ändern / gefallen lassen / sein Hertz inskünfftige tausend Martern Preiß zu geben / und nachdem er mit dem Hofmeister rechte Abrede genommen / machte dieser dem Brion mit einer gantz freyen Mine weiß / weil sie gerne alle Merkwürdigkeiten dieses Reichs zu besehen sonderliche Begierde trügen / wolten sie sich auf sechs oder sieben Tage nach Fontaineblau begeben / umb ihre Curiositæt an allen / und vornemlich an den herrlichen Königlichen Lust-Gebäude daselbst zu vergnügen.
[57] Brion nahme es gantz vor bekannt an / allein Adalie fühlte bey sich eine solche Bangigkeit des Hertzens / welche mehr als eine so kurtze Reise prophezeyete: Dañenhero war sie sehr bemühet / ihn durch das beweglichste Bitten davon abzuhalten / und sagte so gar / daß ihr ein Unglück ahndete / so sie vielleicht dadurch zu der betrübtesten Persohn der Welt machen würde. Wie aber Printz Rosantes durch die stärcksten Verpflichtungen seine ewige Treue betheurete / und inständigst um ihre geneigte Einwilligung nur auff wenig Tage anhielte / gabe sich endlich Adalie zu frieden / und sagte: Es möchte denn ihr wehrtesterBosardo itzo das Adjeu von ihr alleine nehmen /sonst möchten bey seinen völligen Auffbruche die Thränen die Verräther ihrer hefftigen Liebe seyn; er solte sich aber allezeit erinnern / daß er eine Persohn hinterließ / die durch geheime Macht des Himmels ihn in der Gunst auch einen Printzen lebenslang vorziehen würde; dahero möchte er gleiche Treue gegen sie hegen / und bey Veränderung derselben gewiß glauben / daß er sie würde zu Grabe befördern. Hiermit rollten die Perlen so häuffig über die schönsten Wangen / daß sie vor euserster Wehmuht den Printz nicht weiter sehen konte / sondern nach einen Fenster lieffe / um mehrere Lufft vor ihre beklembte Brust zu schöpfen / und Rosantes wurde durch das schmertzliche Bezeugen santes [58] seiner angebetheten Adalie so empfindlich geruhret / daß er ohne ein eintziges Wort weiter zu sagen als taumelnd fortgienge. Worauff er sich mit den Hofmeister alsofort nach Engeland auff die Reise begabe.
Wir wollen Adalien alle Augenblicke nach Bosardens zurückkunfft in gröster Betrübnis allein zehlen lassen / weil doch verliebte in ihren Klagen nicht gerne gestöhret seyn / und sehen / wie Renard seiner zweyfelhafften Vergnügung zu helffen gesonnen ist. Dieser hatte unterdessen von einen des Brions Dienern durch etliche Pistoletten so viel erfahren / daßAdalie niemahls in geringsten unpäßlich gewesen /und weil er hieraus ihre wenige Gunst zu ihn gnugsam erkennete / ging ihm der eingebildete Schimpff /und die verlohrne Hofnung zu ihrer Besitzuug sehr zu Gemühte / und er wuste selber nicht / welcher unter diesen beyden Affecten die Oberhand behielte. Gleichwohl verlangte er gerne die Ursache dieser so wiedrigen Entschliessung zu wissen / und darinnen schiene ihm ihr Mädgen Doris am besten zu befriedigen / weil doch dergleichen Leuten alle Geheimnisse vertrauet würden. Dannenhero forschete er bey den Diener / ob es nicht möglich / durch einen guten Recompens dieses Mädgen auff seine Seite zu ziehen /die ihn durch ihre Anschläge und Recommendation bey Adalien zu aller [59] Danckbarkeit verbinden würde. Dieses fiele dem Diener nicht schwer zu versprechen /indem Doris in ziemlicher Vertraulichkeit mit ihm lebte / und dabey einen sonderbahren Gefallen an freygebigen Leuten hatte; Er sagte es also diesem Cavallier zu / und Doris wurde kaum von ihren Courtisan hierüm ersuchet / als sie durch ein gemachtes Gewerbe etwas aus werts zu verrichten alsobald die Thür in Renardens Wohnung traffe.
Hier empfinge sie nun Renard mit so grosser Höfligkeit / als ob er von Adalien selber den angenehmsten Zuspruch erhalten / und das schwatzhaffte Mädgen war hingegen mit dem Worten so gefällig / wie ins gemein dergleichen Leute zu seyn pflegen. Weil sie aber mit allen ihren plaudern dennoch seiner Sehnsucht nicht zu helffen wuste / und Renarden nicht mit vergebener Hoffnung zu schmeicheln / Adaliens hefftige Liebe zu Bosarden frey gestanden; wolte sie doch in Erwartung einer guten Erkentlichkeit das Amt einer ehrlichen Kupplerin anderswo verrichten / und fragte also; ob denn seinen Hertzen nicht möglich / einer andern schönen Dame raum zu geben? O / antworteteRenard / es ist nur eine Adalie. Aber vieleicht auch eine / sagte Doris, die ihr an Annehmlichkeiten gleichet. So müste sie lange / versetzte er / in Paris bekannt seyn / und die Menge ihrer Anbeter könten kein Geheimnis draus machen. [60] Hinter den Closter-Mauren / sagte Doris, ist offt viel Wunderwürdiges / welches der Hof nicht verehren kan. So ist eine solche Schönheit in den Closter? fragte Renard. Ja gnädiger Herr /versicherte sie / und zwar von der Vollkommenheit /daß sie ausser Adalien den Vorzug allen andern kan streitig machen. Und woher wisset ihr dieses / fragte er / weil ich sie öffters zusehen bekomme / antwortete Doris: Gewiß / wo ich euren Worten trauen darff / bekennete er / so bin ich recht begierig so was seltenes /und welches Adalien ähnlich ist / zu wissen. Ew. Gnaden / versicherte Doris, belieben zu glauben / daß meine Beschreibung zu ihrer wunderwürdigen Gestalt nicht das geringste hinzu setzet / und so Adaliens Ruhm sich nicht überall ausbreitet / würde meine schlechte Beredsamkeit diese gleiche Schönheit nicht nach Würden heraus streichen können. Aber saget mir doch / finge Renard an / wer selbige sey: Es ist die schöne Barsine, Adaliens Schwester / erklärte sichDoris, welche von Brion in ihrer noch zarten Jugend in das Closter ist versperret worden; allein die verdrießlichen Zellen sind vor sie ein weit zu unanständiges Behältnis / und ihr edler Geist kan sich in so enge Schrancken unmöglich so einschliessen / daß sie mir bey meinen vielfältigen Einspruche in ihr Closter nicht die Sehnsucht nach der von aller Welt beliebten Freyheit gestehen solte. Weil ich sie nun nach [61] Adalien der Günst eines so galanten Cavalliers schon würdig schätze / und Ew. Gnaden zu einen vergnügten Beyfall nicht mehr / als sie einmahl zu sehen brauchen / so glaube ich / daß sie nach gethaner Anwerbung um sie auch ihre gäntzliche Zufriedenheit in ihrer geneigten Gewogenheit finden sollen; Ja Brion wird sich nicht allein erfreuen / ihnen auf solche Art sein gethanes Versprechen zu halten; sondern sie werden auch von Barsinen, als Uhrheber ihrer wieder erlangten Freyheit / die angenehmsten Verpflichtungen lebenslang kriegen.
Renard hatte mit Verwunderung die Doris ausgehört / und weil die beschriebene schöne Adaliens Schwester war / glaubte er desto eher / daß sie so liebenswürdige Eigenschafften in der That befässe. Die blosse Abschilderung war demnach ihn zu entzünden vermögend / und die Farben dieses trefflichen Bildnisses hatten sich schon so wohl in seine Brust gerissen / als ob sie seine eigene Augen hinein gemahlet. Hierzu halff Adaliens so deutlich vermerckte Sprödigkeit gegen ihn noch viel / und weil er als ein verständiger Cavallier keine gezwungene Vermählung jemahls einzugehen gedachte / aus diesen erzehlten Umbständen aber hierinnen glücklicher zu werden verhoffte / folgte er einen sonderlichen Triebe seines Hertzens / welcher ihn Barsinens Gunst zu suchen nöthigte / und zu deren Erlangung bathe er das Mädgen mit [62] einer Hand voll Pistoletten nebst möglichster Empfehlung seiner Persohn einen Brief an Barsinen mit ehesten zu überlieffern / nach deren Gewißheit wolle er auch dem Brion davon Nachricht geben.Renardens Freygebigkeit verstunde die Rede-Kunst vollkommen bey Doris, und konte sie leicht zu einer fertigen Zusage ihres eusersten Fleisses in dieser Sache bewegen; dahero wartete sie nur so lange / bißRenard geschrieben / und nachdem sie ihn ersuchet /durch eine Visite bey Brion und Adalien seine Meinung verblümt zu eröffnen / und ihr dadurch Gelegenheit ins Closter zu machen / begab sie sich ungesäumt wieder zu Adalien.
Daselbst wurde sie nun nicht zum freundlichsten bewillkommet / denn Adalie / die mit Schmertzen auff die Zurückkunfft ihres geliebten Bosardens wartete /und ihn viel tausend geängste Seuffzer alle Minuten nachschickte / hätte gerne Doris um sich gehabt / die ihr nach ihrer Gewohnheit einen Trost zusprechen könte / und weil sie allzulange ausbliebe / ware Adalie nicht wenig ungedultig auf sie. Doch Doris wuste sie alsobald wiederum zu besänfftigen / wenn sie nur was vortheilhäfftes von Bosardens Beständigkeit zu ihr sagte / und ob Adalie gleich noch so sehr an seiner Treue zweiffelte / wolte sie dadurch doch nichts anders haben / als daß ihn Doris nur mehr vortheidigen solte / je geschickter sie nun Bossarden das Wort hielte / [63] je beliebter machte sie sich bey Adalien.
Diese schöne wurde also durch ihres Mädgens zureden / so nach ihren Wunsche eingerichtet / dergestalt aufgemuntert / daß sie sich noch an den letzten Tag seiner versprochenen Zurückreise in Gedancken ergetzete / wie zufrieden sie den andern mit ihren Bosarden wolte hinbringen / und diese eingebildete Lust hiese sie an keine vergebliche Unruhe dencken. Als aber auch diese Stunden und noch mehr ohne sein Wiederkommen vorbey strichen / fing ihr Hertz vor grosser Bangigkeit anzuklopffen / und sie glaubte gewiß / es muste ihnen etwann ein Unglück zugestossen seyn / oder Bosardo hätte sie als untreu verlassen. Davon nun gründliche Nachricht einzuziehen / ersuchte sie ihren Vater / doch alsofort einen eigenen Bothen nach Fontainebleau zu schicken / weil sie schon über die sieben Tage aussen blieben / und es bey zugestossener Wiederwertigkeit ihm dörffte zugerechnet werden / daß er nicht bessere Sorge vor die ihm anvertraute Persohnen getragen.
Brion urtheilte zwar wohl / woher diese Bekümmernüs bey Adalien rührete / doch da es ihm endlich selber sehr bedencklich vorkam / fertigte er gleich einen Expressen dahin ab / um sich deren Zustand zu erkundigen. Allein hier war weder was zu hören noch zu sehen von Bosarden und dessen Hofmeister / und der Leute Aussage bekräfftigte ins gemein / daß [64] innerhalb vierzehen Tage kein eintziger Frembder diese Gegend besuchet.
Diese unerwartete Zeitung / und daß man überall keine Gewißheit von ihnen einziehen könte / verursachten dem Brion die unruhigsten Gedancken / und die gäntzliche Meynung / es müsse ihm ein Unglück begegnet seyn / machte ihm so viel Grillen / daß er vor eigener Bestürtzung Adaliens grosse Betrübniß nicht beobachtete.
Hier waren nun die Thränen nicht theuer / sondern benetzeten häuffig die schönen Wangen / welche von übermäßigen Schmertzen die Rosen in Liljen verwandelten / und die Augen / die zuvor durch ihrige feurige Strahlen die gantze Welt entzünden sollen / warffen durch tausend auffsteigende nasse Perlen lauter matte Blicke von sich. In solcher Marter befande sich Adalie gantzer acht Tage / und ihre heissen Seufzer hatten keinen freyern Gang / als wenn sie in ihren Zimmer allein entweder den Tod oder die Untreue Bosardens beklagte / denn ausses diesen zweyen wolte sie sich keine andere Ursach seines unterlassenen Schreibens einbilden
Wie sie aber in tieffster Traurigkeit sasse / kamDoris mit gantz munterm Gesichte in das Zimmer /und bate Adalien auff das bescheidenste / sich doch in ihrer euserster Quaal zu mäßigen / weil ja Bosardo noch leben und auch getreu seyn könte / und so er bald wiederum [65] zurück kommen solte / würde er sich nicht wenig über ihre abgezehrte Gestalt kräncken. Ach schweig Doris, sagte Adalie etwas ungedultig /dergleichen lediger Trost kan mich wenig in meiner Schwermuht auffrichten. So mag es dieser Brief thun /antworttẽte sie / und überreichte damit denselbenAdalien.
Die Uberschrifft auff denselben erkandte Adalie alsobald vor Bosarden seine / dannenhero beehrete sie ihn mit einen hertzlichen Kusse / und weil sie denn Innhalt noch nicht errahten konte / erbrache sie selbigen mit begierigen Händen / und fande folgendes.
Schönste Adalie!
Wie vergnügt ich wäre / wenn ich an statt dieser Zeilen euch meinen Versprechen nach selber die Augen küssen könte / urtheilet aus meiner euch biß in den Todt gewiedneten Liebe. Da es aber dem rauhen Verhängniß gefallen / wegen des scharfen Königlichen Befehls / der alle Frembde wegen eines gefangenen Fürsten in Teutschland in Arrest nehmen heisset /mich von euch zu trennen / bin ich durch den unschätzbaren Verlust eurer allerliebsten Persohn tausend [66] Martern ausgesetzet. Glaubet / UnvergleichlicheAdalie, daß ihr selbst ein Mitleiden mit mir haben würdet / weñ ihr die Quaal betrachtet / womit ich alle Augenblick durch diese Entfernung gefoltert werde. Gleichwohl habe ich mich diesem Unglücke vor einen grössern unterwerffen müssen / um meine Freyheit als ein kostbahres Kleinod zu erhalten / woran ihr selbsten den grösten Antheil habet. Daß ich aber meine Flucht vor euch heimlich gehalten / ist dem schmerzlichen Abschiede zuzuschreiben / welcher mir aus der Grösse eurer Betrübniß über nur wenige Tage wiese /wie unendlich selbige seyn würde / wenn ich euch eine so weite Reise nach Engelland offenbahret / und daß ihr mich ohnfehlbar davon abzuhalten würdet bemühet seyn. Weil nun der schönsten Adalie ihren beweglichen Bitten was abzuschlagen mir unmöglich ist / dennoch aber die Gefahr über uns beyde bey meinen längeren Verzug hätte kommen dürffen / hat mein Hertz nur ein wehmütiges Adjeu von euch [67] nehmen können / da meinen Lippen nicht vergönnet war zu reden. Lasset demnach / Unvergleichliche Adalie, diese Entschuldigung gültig seyn / und leget keinen Zorn wegen eines Unterfangens auff mich / welches von einer höhern Macht allein herrühret / sondern versichert mich zu meiner Beruhigung vielmehr / daß eure Gütigkeit mich noch wie vor zu euren ergebensten begehret. Darff ich dieser höchst-gewünschten Vergnügung in Elbipolis, worauff meine Reise gehet /mit ehsten gewärtig seyn / so werdet ihr mich unendlich verpflichten / und die jehtzt beschwerliche Abwesenheit soll durch eure beliebteste Gegenwart bald wieder ersetzet werden. Denn ich befinde erträglicher in den Auffenthalt meiner andern Seele gefangen / als an einem andern Orte frey und von euch geschieden zu seyn / und ihr könnet sicherlich glauben / daß dieses meine glückseligste Stunden / worinnen euch biß in das Grab zu lieben gedencket
Euer getreuester
Bosardo.
[68] Niemahls hat der Himmel nach schwartzen Wolcken sich so schön ausheitern können / als Adaliens Gesicht / und die vor Wehmuth fast erstorbene Geister wurden von neuen gantz lebhafft / da sie die angenehme Zeitung von Bosardens Leben und beständiger Treue erhielte. Nur dieses machte sie etwas nachsinnend / warum er doch so gar sorgfältig vor seine Freyheit sey / da doch des Königs Befehl nur hohe Personen / aber nicht von seinen Stande angiengen /und er also mit guter Sicherheit hätte hier bleiben können. Doch da alle ihre Gedancken nicht die rechte Ursache erforschten / schriebe sie es dem furchtsamen Hoffmeister zu / welcher ihm so lange würde angelegen haben / biß er sich zu dieser unnöthigen Flucht entschlossen. Die starcke Sehnsucht nun / ihren geliebten Bosarden wiederum zu umarmen / gab ihr die Feder in die Hand / und ihr Hertz flößete folgende Zeilen in dieselbe.
Bosardo!
Wie sehr habe ich nicht eure versicherte Zärtlichkeit in Lieben in Zweifel gezogen / da ihr mir durch eure Entfernung so viel grausame Marter verursachet. Ach mehr als tausend Thränen hat mir euer [69] vermeinter Tod oder Untreue ausgepresset / weil ich unter beyden eines vor gewiß hielte / da auff unser vieles Nachforschen keine andere Gewißheit einlieffe / als daß ihr nirgends zu finden. Wie habt ihr euch aber die unnöhtige Furcht machen können / der Königliche Befehl /der doch gleich wieder auffgehoben / würde euch betreffen? Einem grossen Printzen solte man diese Behutsamkeit nicht übel auslegen / mein Bosardo aber hätte als ein Cavallier in meinen Armen / ja in gantz Paris Sicherheit gnug gehabt. Doch ich will diese unnöhtige Trennung so genau nicht untersuchen / oder eine weitere schrifftliche Abbitte begehren / sondern wo ihr mich vollkommen befriedigen wollet / so lasset mir die beste Entschuldigung aus eurem Munde hören. Denn hiernach sehnet sich mein Hertze alleine / und eure theure Verpflichtungen geben mir auch die angenehme Hoffnung / darinnen mit ehesten vergnüget zu werden. Säumet also nicht / artiger Bosardo, diejenige wiederüm zu ümarmen / die [70] bloß in euch lebet / und dencket / daß mir alle Augenblicke zu beschwerlichen Jahren werden / darinnen euch nicht zu sehen glücklich ist.
Adalie.
Nachdem sie diesen Brief verfertiget / gabe sie solchen Doris, ihm durch einen Diener also bald nachElbipolis zu bestellen: ihr Gemüthe aber schmeichelte sich mit dem süssen Gedancken / Bosardo würde nach dessen Erhaltung keine Stunde säumen / seine Zurückkunfft nach Paris zu beschleunigen / und denn wolte sie ihr Vergnügen auff so festen Grunde setzen /den kein Sturm noch Zufall wieder einreissen solte.
Mit so angenehmen Phantasien war Adalie beschäfftiget / als jemand an ihr Zimmer anklopffete /und nach dessen Eröffnung Brion mit Renarden hinein trate. Diese Visite befrembdete Adalien nicht wenig / und sie stunde in der gäntzlichen Meinung / er würde sie von neuen üm ihre Liebe plagen / und ihre zuvor muntere Sinnen in etwas wieder verstöhren. Gleichwohl verliesen sie sich auff ihres Vaters Zusage / ihr diesen Cavallier nicht wieder Willen auff zudringen / und dannenhero gienge sie ihm mit verstellter Freundlichkeit entgegen.
Renard entschuldigte seinen kühnen Eintritt auff das höflichste / und sagte unter andern / daß [71] er sich desto eher einer gütigen Auslegung tröste / weil sie ihm bey neulicher Aufwartung Erlaubniß darzu gegeben / und es ein allzu schlechtes Kennzeichen der ungemeinen estim gegen ein so galantes Frauen-Zimmer wäre / wo er länger mit dieser Schuldigkeit angestanden. Adalie ließ es nun an gebräulichen Ceremonien gleichfalls nicht mangeln Brion aber / der Renarden bereits eine gewünschte Antwort wegen Barsinen gegeben / finge zu ihr an: Sie würde inskünfftige diesen Cavallier so geneigt zu begegnen wissen / daraus er erkennete / daß sie ihn vor seinen Herrn Schwieger Sohn mit gäntzlicher Zufriedenheit hielte / und dadurch solte sie ihm zu allen gegen Gefälligkeiten verbinden.
Wie angenehm dieser Vertrag Adalien gewesen /kan man leicht erachten / und ihre anffsteigende Röthe im Gesichte gab die Antwort hiervon deutlich genug. Doch Renard sagte noch weiter: Ob sie ihm denn die Glückseeligkeit nicht gönnen wolte / diesen beliebtesten Titul von der Welt zu führen / da er doch eine Gutheit vor sich aus der Ehre ihrer neulich gehabten Conversation zu schliessen. Adalie antwortete endlich: Daß sie aus den Wehrt dieser geringen Glückseligkeit leicht urtheilen könte / wie es sein ernstlicher Wunsch nicht sey. Weil er also / wie auch neulich nur mit ihr zu schertzen beliebte / müste sie bekennen / daß ihr diese Galanterie sonderlich wohl /gefiele. Wenn ich aber / [72] erwiederte Renard / nach einen solchen Vergnügen in der That seuffzete / wolte mir denn die schöne Adalie dazu behülfflich seyn. Ich weiß / antwortete sie / daß ein so geschickter Cavallier am Hofe selbsten so Vermögend ist / daß meine Hülffe zu seinen Vergnügen nichts beyträget. Am Hofe aber / sagte Renard, findet man die jenige Vollkommenheiten nicht / die hier und noch an einen euch bekandten Orth zu verehren sind. Ich glaube es mehr anders wo als hier / sagte Adalie; darff ich aber den Orth nicht wissen / welchen ihr einen so guten Vorzug gebet. Er wird ihn gleich nennen / redete Brion drein / wofern ihr ihn nur daselbst als meinen Herrn Schwieger Sohn recommendiren wollet.
Hier schosse Adalien alsobald das Blätgen / wor auff seine Rede zielte / und weil ihr dieses Absehen angenehmer als auff ihre eigene Person war / fing sie gantz freudig an: wenn es vieleicht ein Closter sey /solte ihr die Mühe sehr beliebt fallen. Renard gestunde ihr endlich nach so vielen Umschweiffe die Hochachtung zu Barsinen, und erhielte auch auff sein höfliches Ersuchen / ihn schönstens bey ihr zu empfehlen / eine desto geneigtere Einwilligung / weil dieser Cavallier ein gutes Ansehen bey Hofe / und in der That viel liebenswürdiges an sich hatte.
Man brachte hierauff die Zeit mit allerhand sinnreichen Schertzen zu / und Adalie war weit gefälliger in ihrer Aufführung / da seine [73] kluge Conduite bey Erforschung ihres Gemüths die Liebe in eine so wohl anständige Freundschafft verwandelte. Um ihn nun eine Probe hiervon zu geben / fertigte sie Doris mit einen Billet an Barsinen ab / darinnen sie nicht allein die Qualitäten dieses Cavalliers treflich heraus striche /sondern auch die hertzliche Freude zu ihrer bevorstehenden Freyheit bezeigete / weil sie jederzeit sehr betauret / daß sie als ihre eintzige und geliebteste Schwester die schönsten Jahre hätte in den beschwerlichen Closter zu bringen sollen. Brion liesse es an gleichen Versicherungen auch nicht fehlen / undDoris machte sich hernach auf einer Chaise hinaus weil es ohngefehr zwey Meilen von Paris entfernet lage.
So bald nun selbige in Barsinens Zelle eintrate /wurde sie von einer so schönen Nonne mit sonderlichen Freuden empfangen / weil die Einsamkeit sonst keinen beliebtern Zuspruch verstattete / und sie allezeit wie von neuen zu leben anfienge / wenn sie jemand bekandtes sahe. Die ersten Reden giengen auff Erkündigung ihres Vaters und Adaliens Wohlstand /hernach aber offentbahrete sie ihr Hertz wie gewöhnlich diesen Mädgen / und wenn ihr selbiges gleich keinen zulänglichen Trost bey ihren Klagen reichen kondte / fande sie doch / indem sie selbige nur frey ausschüttete / einige Linderung.
Vor dißmahl hoffte ihr Doris bessere Zufriedenheit als sonsten zu geben / dahero drehete [74] sie ihre Discurse mit Fleiß auff die Liebe / und wie sie selbige als eine Schätzbarkeit des aller edelsten Lebens genugsam rausgestrichen / fragte sie Barsinen, ob sie wohl jemahls Briefe von einen galanten Cavallier gelesen.Barsine antwortete / wie sie in den versperten Closter darzu kommen solte? Doris aber sagte / daß sie ihr wohl einen zeigen wolte / wo sie sich die Mühe nehme / selbigen durchzusehen; und damit gab sie ihr gleich Renarden seinen in die Hände. Doch Barsine stutzete nicht wenig / da sie die Uberschrifft an sich gerichtet fand / und fragte also mit einen sittsamen lächeln / wo Doris zu diesen Schärtz käm. Diese aber bathe / ihn nur zu erbrechen / und so fern der Inhalt anständig / wolte sie schon weitere Erklärung thun. Worauff denn Barsine mit einiger Verwunderung das Siegel lösete / und mit noch mehrer folgendes erblickte.
Schönste Barsine!
Wiewohl es etwas ungewöhnliches / einem Frauen-Zimmer die estim von ihren unvergleichlichen Eigenschafften zu bekennen / ehe man selbige zu sehen das Glücke gehabt; so sind doch eure Annehmlichkeiten von [75] solchen Vermögen / daß deren billiger Ruhm auch durch die Closter Mauren bricht / und so viel Verehrung an meinen Hertzen gewinnet / die es endlich dieses Bekänntniß abzulegen genöhtiget. Erlaubet mir zu sagen / daß es eine Grausamkeit wider euch selber sey / in so einsamen Zellen die schönsten Jahre zu verschliessen / welche euch doch solche Vollkommenheiten beygeleget / daß sie von aller Welt sollen admiret werden: und glaubet dabey / daß an euren gütigen Entschluß / dieses unanständige Behältniß zu verlassen / niemand mit mehrer Vergnügung theil nimmet / als euer ergebenster Diener.
Hier hielte Barsine im Lesen innen / und saheDoris mit verwundrungs-vollen Augen an: Endlich fragte sie selbige: Wer ihr solchen Brief eingeliefert /und aus was vor einen Absehen er geschrieben sey? Alleine diese bate mit einen kleinen Lachen / ihn nur folgends durchzusehen / hernach wolte sie in der Antwort schon gehorsamen. Worauff sie denn dergestalt fortführe:
Rechnet also / Annehmlichste Barsine, meinen Trieb euch zu lieben dem [76] Schicksahl des Himmels zu / und versichert euch / daß solcher gleichfals vor einen so Anbetungs-würdigen Engel alle Schätze auffgehoben / die der verdrießliche Kercker im Closter bißhero vergraben. Darff ich mir nun mit der süssen Hoffnung schmerchlen / ihr werdet meiner Zuschrifft so viel geneigte Blicke schencken / als ich euch Seuffzer schicke / so vergönnet mir / mich mit ehesten in beliebter Freyheit dafür auff ewig zu verpflichten. Denn in eurer Gunst beruhet hinführo die Glückseligkeit meines Lebens / und selbige kan mich schon würdig machen / daß in der Qualität
Eures ergebensten Dieners erstirbet
Renard.
Und wer ist denn der Renard? Fragte hierauff Barsine. Ein Cavallier / antwortete Doris, der am gantzen Hofe zu Paris den Ruhm wegen seiner Geschicklichkeit behält. Was veranlasset ihn aber mir in Closter zu schreiben? Fragte sie weiter: Die Liebe ohnfehlbar / sagte Doris, welche dero Annehmlichkeiten bey ihm erwecket. Wer hat ihn denn von mir [77] was gesaget /fuhr Barsine in fragen gantz verwundernd fort. Doris wolte nicht gerne mit der rechten Wahrheit heraus /und so frey gestehen / daß ihn erst die Liebe zu Adalien hierzu bewogen; sondern erzehlete / daß weil dieser Cavallier öffters bey ihren Herrn Vater einspräche / wären die Discurse einmahl auch auff sie gefallen /und da Renard aus einen nachdencklichen Verlangen nach ihrer Person genau gefraget / hätte sie nicht anders / als die Wahrheit sagen können / dadurch er deñ so entzündet worden / daß er bey ihren Herrn Vater bereits um sie angehalten / und nun nichts mehr wünschete / als ihre Gunst zu seiner völligen Zufriedenheit zu gewinnen.
Dieses alles schienen Barsinen gantz seltzame Begebenheiten / und sie hätte gar daran gezweiffelt / wofern ihr nicht Doris Adaliens Brief überreichet / darinnen sie den rechten Ernst noch mehr ersahe. Es erregte sich demnach eine sonderliche Gemüths-Bewegung in ihr / und die Liebe zur Freyheit vermehrete sich anitzo durch einen geheimen Trieb / der vor Renarden ziemlich vortheilhafftig war. Damit sie aber in dieses Begehren desto besser einstimmen möchte /fragte sie mit vielen Umständen nach Renardens Person / und Doris rühmte seine gute Gestalt / klugeConduite, trefliches Ansehen / und seine gefällige Aufführung so wohl / daß sich dieser Cavallier keinen geschicktern [78] Redner hätte auslesen können / der ihn bey Barsinen recommendiret.
Diese schöne Beschreibung erweckte bey ihr so viel Gewogenheit / als die ihrige zuvor bey Renarden erworben / und weil ihr Vater bereits in seine Sehnsucht eingestimmet / auch ihr Hertze selber darzu einwilligte / wolte sie ihn mit keiner Verstellung auffhalten / sondern er griffe zu ihren getreuen Bothen gleichfals die Feder. Hierein muste nun die Liebe bloß die Worte fliessen / weil ihr ein solches Geschäffte in den einsamen Auffenthalt gantz unbekandt gewesen / dannenhero führete ihr auch Amor solcher Gestalt die Hand.
Renard!
Meine Verwunderung ist zwar anfangs groß gewesen / von einen galanten Cavallier so viel Verpflichtungen zu erhalten / ehe mich selbiger einmahl gesehen; doch weil ich bey den ersten Anblick eurer wehrtesten Zuschrifft eine andere Regung in meinen Hertzen empfunde / als ich jemahls in dieser stillen Einsamkeit geheget / muß ich es vor ein Verhängniß einer höhern Macht halten. Ich bekenne [79] euch also /daß mir die vorgeschlagene Bedingung zu meiner Freyheit gantz angenehm / und so ihr selbige mit ehsten befördern wollet / werdet ihr die Versicherung auch aus meinen Munde hören. Doch es scheinet / als ob mich was geheimes nöhtigte / euch eurer Beständigkeit zu erinnern. Uberhebet mich also dieses Zweifels durch Beschleunigung unserer Zusammenkunfft /und so ihr ja nicht die Annehmlichkeiten an mir findet / die vielleicht eine Schmeichlerin zu hoch gerühmet /wird euch dennoch durch die Treue zu vergnügen suchen
Barsine.
Nach Verfertigung dieses Briefes nahme sie mitDoris die Abrede / daß sie Renarden solte zu verstehen geben / er könte innerhalb acht Tage ihre Freyheit an gehörigen Orthe auswürcken / und ihr hernach auff der Helffte des Weges entgegen kommen / jedoch mit wenigen Gefolge / denn sie wolte kein grosses Auffsehen deswegen bey den Closter und auch bey Hofe nicht machen / sonsten man ihre schlechte Lust zum Closter Leben der blossen Eitelkeit zu schreiben möchte.
[80] Mit diesem Befehle reisete Doris vor Barsinen gantz erfreut wieder ab / weil sie sich ein gutes Bothen-Lohn bey Renarden wegen dieser angenehmen Post einbildete / und ihre Rechnung traffe auch sehr wohl ein. Denn Renard hatte mit höchster Ungedult auff ihre Zurückkunfft gewartet / und da sie endlich wieder anlangete / und ihn den Brief von Barsinen zustellete / wurde er durch die gewünschte Gegengunst so ungemein ergetzet / daß er es an reichlichen Beschencken bey Doris nicht ermangeln ließ.
Wie nun selbige Barsinens Gedancken ihm mit einer guten Art eröffnet / war er auff nichts mehr als dieses bedacht / wie er eine so sehnlichst verlangte Zusammenkunfft beschleunigen / und ihren Begehren in allen genau nachleben möchte. Zu dem Ende unterredete er sich mit Brion, und wie seine Sehnsucht keine weitere Hinderniß als die bestimmte acht Tage hatten / zehlete er alle Augenblicke mit Freuden / die diesen ihm beschwerlich Aufschub minderten.
Unterdessen aber seiner Vermählung ein besser Ansehen zu machen / beredete er den Brion, sich in Adelstand heben zu lassen / zu welchen Ende er bey den König unterthänigste Ansuchen thate / und weilBrion wegen seines treflichen Reichthums in grossen Gnaden / auch sonsten überall in gar bekannter Hochachtung stunde / wurde er von Ihr. Majest. in hohen[81] Adel aufgenommen / und erhielte von den vornehmsten Cavalliers deßwegen die Gratulation. Renard stellete also ein kostbares Panquet an / und wie selbiges verflossen / und die Zeit immer näher und näher heranrückte / da er sich gäntzlich vergnügen solte /war seine innerliche Freude so groß / daß er sie auch einem andern Cavallier bey Hofe nicht bergen konte /den er vor seinen besondern Freund hielte / und diesem mahlte er die Schönheit seiner geliebten Barsinen so treflich vor / als ob er sie würcklich gesehen /und ihr ausser Adalien keine auff der Welt glieche.Lionard, so hiesse dieser Cavallier, hatte ihn mit besonderer Auffmercksamkeit angehöret / und weil erAdalien in seinen Hertzen bißhero verehret / wegen der Menge der zurückgewiesenen Liebhaber aber auch keine Hoffnung auff sie gemacht / so flössete ihm die Beschreibung Barsinens gleicher Vollkommenheit alsofort die Liebe ein / welche er zu Adalien getragen.
Er beneidete also Renarden heimlich / daß ihm so was kostbahres zu Theil werden solte / und diese Müßgunst wiese / wie die Freundschafft selten so edel / daß nicht ein eigener Vortheil oder die Liebe über selbige die Oberhand gewinnen solte. Doch er stellete sich eufferlich gantz erfreut über das Glück eines so wehrten Freundes / welches Renarden so treuhertzig machte / daß er ihm den Brief von Barsinen [82] wiese /und ihn dabey erofnete / wenn und wie er sie abholen wolte. Hatte nun Lionard zuvor estim gegen Barsinen geheget / so wurde er hierzu noch mehr bewogen / da er die artige Schreib-Art in den Brief erblickte / und hierauß den Schluß machte / ein so treflicher Geist /welcher aus allen Zeilen hervor leuchtete / müsse nohtwendig bey was schönes wohnen.
Es blieb also nicht bey einer blossen Mißgunst /sondern die ereignete Unruhe in seiner Seelen riethe ihm / auff Mittel zu dencken / dadurch er eine so angenehme Beute vor sich bekommen möchte; bey sich aber entschuldigte er sein Vorhaben / daß sein Anliegen ihn näher als eines andern gienge. Nun konte er schon bey sich abrechnen / daß er durch eine ordentliche Anwerbung nichts zu hoffen / und darzu sein Glück in der Eilfertigkeit beruhete / ehe Barsine noch in Pariß anlangte und hernach alle Mühe vergebens wäre; Dannenhero gab ihn die hefftige Entzündung den verzweifelten Raht; er solte eben an den bestimmten Tag / da sie Renard abholen wolte / etwas vorher hinaus fahren / und in Begleitung vieler bewehrten Diener sie unterwegens an statt Renarden in ein ohnweit ihm zuständiges Schloß entführen; daselbst könte er sich mit ihr trauen / und biß zu Ausführung der Sache in Teutschland fliehen.
[83] Renardens Person aber noch besser zu spielen /hielte er vor rahtsam / den Brief mit einer guten Manier von ihm zu practiciren; weil er ihn denn itzo bey recht auffgemunterten humeur fande / trancke er ihm auff Fräulein Barsinens Wolergehen immer ein Glaß Wein nach den andern zu / welches denn Renard so redlich Bescheid thate / daß er in kurtzen einen derben Rausch bekam: Unterdessen hatte Lionard seinen Dienern Befehl gegeben / Renardens Laqueyen gleichfals tapfer zuzusauffen / und da er sich besorgte / er würde so wohl als seine Diener nicht nüchtern dabey bleiben / gab er einem / dem er am meisten trauen dürffte / ingeheim Ordre / Renarden, wenn er betruncken / den Brief unvermerckt weg zu nehmen.
Dieser Anschlag gieng gantz glücklich von statten /und der eine Diener stahle dem gantz berauschtenRenarden den Brief so künstlich weg / daß er nicht das geringste davon vermerckte / und hernach also nach Hause gebracht wurde.
Den andern Tag als den letzten vor der bestimmten Zeit muste Doris wieder zu Barsinen in das Kloster fahren / und von Renarden nebst schönster Empfehlung die Antwort bringen / daß er ihren Befehlen nach morgen hoffte so glücklich zu seyn / sie auff den halben Weg nach Pariß zu empfangen; sich aber desto gefälliger zu machen / hatte er dem Mädgen einen kostbaren Diamanten Schmuck mit gegeben / [84] welcher auff zwantzig tausend Pistoletten zu stehen kame /und dabey sagen lassen: Daß dieses wenige Barsine als ein Zeichen seiner ewigen Ergebenheit annehmen /und den ermangelnden Wehrt durch ihre Gütigkeit ersetzen möchte.
Was vor ein angenehmer Bote Doris bey Barsinen gewesen / kan man leicht urtheilen / denn sie hatte bißhero alle Augenblicke mit Verdruß gezehlet / weil sie ihrer Meinung nach so langsahm vorbey strichen /ja sie war öffters ungedultig auff sich selber / daß sie die Zeit zu ihrem erfreulichen Auszug aus den Closter nicht eher beniemet. Doch da nun der letzte Tag fast erschienen / hoffte sie / es würde auch diese Nacht nicht hundert Jahr mehr werden; dannenhero hatte sie mit Doris allerhand artiges Schertzen / und verscharrete die bißherige Verdrießlichkeiten in den abgeschmackten Zellen in den beliebten Andencken ihres geliebten Renards, welchen Doris so vollkommen beschrieben / und nun auch ein so schätzbares Merckmahl seiner Hochachtung überbrachte.
Sie fertigte demnach Doris mit einen gantz verbindlichen Compliment an Renarden wieder ab / und stellete sich hernach im Geiste unterschiedlich artige Bildnissen vor / welchen doch ihr Liebster ähnlich sehen möchte / da es denn die Liebe an der besten Abschilderung nicht ermangeln ließ und ihr in Besitzung eines so galanten Cavaliers die vergnügteste Lebebens-Zeit prophezeyte.
[85] Mit dergleichen Vorstellung schmeichelte sich Lionard gleichfals / doch mit nicht gantz geruhigen Gemüthe / weil ihm sein unrechtmässiges Vorhaben zuweilen ein beschwerliches Nachsinnen verursachte /was für gefährlichen Folgerungen er ausgesetzet würde / wenn es solte unglücklich ablauffen. Endlich überwoge die Liebe alles Nachdencken / und seine Verwegenheit / die den Frantzosen ohne diß hierinnen eigenthümlich / muste vor dißmahl die Oberhand behalten / daß er auch Renarden besuchte / um nochmaligen Bericht von allen einzuziehen.
Wie nun der andere Morgen anbrach / rüstete er achte der verwegensten Kerl wohl / und mit eben solcher Lieberey aus / als Renard führete / und bestellen sie an einen gewissen Ort ausserhalb Paris / damit es kein Aufsehen machte / wann er von so vielen Leuten begleitet würde. Sie traffen einander an den bestimmten Platz an / und wie Lionard Zeit zu seyn vermeinete / ritte er ohngefehr eine halbe Stunde weit von dem Kloster / und wartete mit unruhiger Sehnsucht auffBarsinen.
Seine Ungedult war bereits zimlich groß über ihr langes ausbleiben / als er endlich eine Carosse von fernen erblickte / und bey deren nähern Ankunfft gewahr wurde / daß eine Dame nebst einen Mädgen drinnen sasse / welche er vor Barsinen hielte. Sein Gewissen sagte ihm nun [86] zwar / daß er so wohl an einen Fräulein als an einen guten Freunde keine edle That beginge / die die tugendhaffte Welt billigen könte; allein seine verzweiffelte Liebe räumte diesen zärtlichen Scrupel gleich wieder aus den Wege / und hiesse ihn ein Unternehmen vollziehen / das ihn dennoch eine Schande erwecken könte / wenn es hernach durch die Untreu einer seiner Leute auskommen solte.
Er machte sich also nur desto gefaster / die Person eines andern geschickt zu spielen / und da die Carosse nicht weit mehr entfernet war / näherte er sich selbiger mit sachten Schritten / und stiege endlich gar von Pferde / üm ihr aus sonderbahrer Höflichkeit folgends zu Fusse entgegen zu gehen.
Barsine, welche es in der That war / verwunderte sich in etwas / daß ihr Renard, wovor sie Lionarden hielte / wieder die Abrede so weit entgegen gekommen; doch weil sie es seiner allzu grossen Liebe zu schreibe / mißfiele es ihr eben so sehr nicht / sondern da ihr vermeinter Liebster schon gantz nahe an der Carossen war / öffnete sie selbige mit einem freundlichen Auge.
Hierauff machte nun Lionard, als ob er die rechte Person wäre / das verpflichteste Compliment, und bathe seiner Liebe beyzumessen / daß er über ihre Befehle gegangen / weil ihn auch jede Minute als ein Jahr geschienen / darinnen er die längst gewünschte Umarmung seines [87] angebeteren Frauleins nicht geniessen sollen. Barsine stutzete in etwas bey genauer Betrachtung dieses Cavalliers / den ihr Doris anders abgemahlet / und spürte bey sich eine Maßigung ihrer vorigen Gewogenheit. Doch da er eben nicht allzuheßlich aussahe / und sie ihn bey so weit gekommener Sache gütig begegnen muste / antwortete sie mit gleichmäßiger Höflichkeit / und nöhtigte ihn darauff wiewohl mit einen kleinen Wiederwillen in ihre Carosse.
Lionard meinte nun / daß er alles gewonnen / da er nur an Barsinens Seiten sasse / und weil er ihre Annehmlichkeiten so wunderwürdig befande / als sie ihn waren beschrieben worden / konte er sich über einen so glücklich gelungenen Streich vor innerlicher Zufriedenheit fast nicht lassen. Er caressirte sie demnach auffs euserste / und wuste nicht gnug Worte auszusinnen / dadurch er sie seiner Ergebenheit versichern wolte / welches denn alles Barsine mit etwas gezwungener Freundlichkeit annahme.
Die Diener aber / welche neben der Carosse herritten / hiessen den Kutscher den Weg fahren / welchen sie ihn zeigen würden; und da er sich befrembdete /worüm man nicht gleich auff Pariß zu wolte / auch gar keine andere Straffe zu nehmen begehrte / sagte ihm einer ins Ohr: er soltle sich zum Gehorsam bequemen / oder man würde ihm eine Kugel durch den Kopff [88] jagen. Worauff denn dieser aus Furcht seines Lebens gerne so geschwind eilete / als sie verlangten /ohnerachtet er nun leicht muhtmassete / daß dieses nicht recht zugehen müste.
Sie hatten demnach eine ziemliche Ecke hinter sich gelegt / ehe Barsine gewahr wurde / daß man hier auff Pariß nicht zufahren pflegte; dannenhero fragte sie Lionaeden, ob er denn anders wohin als auff Pariß gedächte? Lionard wurde etwas verwirrt hierüber / und antwortete: Daß es ihr nicht möchte entgegen seyn /erstlich eines seiner Schlösser zu besehen / auff welchen sie sich mit ihrer gütigen Genehmhaltung wolten trauen lassen / weil ihr Herr Vater und er selbsten auch am besten befänden / solches vor den scharffsichtigen Augen des Hofes an einen andern Orte ohne grosse Pracht zu thun.
Dieser Vortrag kame Barsinen gantz seltzam für /und sie wunderte sich nicht wenig / warum dennDoris nicht das geringste davon erwehnet; dabey machte sie Lionardens bestürtzetes Gesichte noch nachdencklicher / und das Klopfen ihrer Brust deutete ihr gleichsam eine unangenehme Begebenheit an. Sie fragte ihn also noch weiter: Ob es denn ein Geheimniß hätte seyn müssen / daß ihr Doris nichts davon gemeldet / und ob dem Wohlstande nicht entgegen /wenn sie gleich den andern Tag nach den Kloster-Stand solte eine Braut werden / [89] da man den üblen Auslegungen zu entgehen / wohl eine kleine Zeit noch in Pariß warten könte.
Diese Fragen waren schwer zu beantworten / undLionard konte seine innerliche Verwirrung nicht so sehr bergen / daß sie Barsine nicht beobachten und daraus mehr Argwohn ziehen sollen; weil er aber endlich alles mit seiner hefftigen Liebe / die nach ihrer vollkommenen Gunst seuffzete / und der Genehmhaltung ihres Vaters entschuldigen wolte / antwortete sie: daß er ihr zum wenigsten den eintzigen Gefallen thun würde / und itzo in Pariß einsprechen / woselbst sie alles mehr überlegen / und dennoch hernach die Vermählung anderwerts vollziehen köndten. Doch Lionard hatte wenig Lust hierzu / und gab seinen Dienern Befehl / so viel als möglich mit der Carosse zu eilen /denn wo er nur erst sein Schloß zur Sicherheit erreichet / meinte er / mit Barsinen des Handels schon besser eins zu werden. Gleichwohl machte er ihr zu Vermeidung des Verdachts allerhand Schmeicheleyen / und versicherte / daß ihm auff der Welt nichts liebers / als seines annehmlichsten Fräuleins Befehlen zu gehorsamen / nur dieses wolte er sich itzo ausbitten / die Kleinigkeiten seines Schlosses zuvor zu besehen / und sich darunter nach ihren Belieben etwas auszulesen.
[90] Was solte Barsine thun? Sie mochte bey sich muthmassen / was sie wolte / so war er doch durch höfliches Ersuchen zu keinen andern Entschluß zu bewegen / sonsten aber wuste sie nichts von sich selber anzufangen. Sie fuhre also nicht ohne Hertzens Angst mit ihm fort / und wünschete nichts mehr / als daß nur der morgende Tag bereits angebrochen / an welchen sie ihren Vater und Fräulein Schwester zum wenigsten zu sprechen vermeinte / denn wäre vielleicht ein kleiner Auffschub und hernach auch ein Mittel zu hoffen / diese ihr unanständige Vermählung zu hintertreiben; in Gedancken aber ware sie nur auff Doris erbittert / daß ihr dies Renarden nicht anfangs recht abgeschildert / oder zum wenigsten genauere Nachricht von allen gegeben / ehe es zu weit mit ihr gekommen.
Unterdessen daß Lionard mit seiner schönen Beute fortjagte / wartete Renard mit wenigen seiner Leute auff der Helffte des Weges noch immer auff Barsinen, und üm ihren Befehl nicht zu überschreitẽhofte er mit gröster Ungedult auf ihre Ankunfft. Endlich aber da bereits drey Stunden drüber verflossen / war er nicht allein als ein Verliebter des wartens müde / sondern wunderte sich auch über ihr langes aussenbleiben; deswegen schickte er einen Diener geschwind voraus /üm sich einer Carosse zu erkündigen / er aber ritte mit fachten Schritten hinter drein. Allein ihr suchen war vergebens / und [91] sie erreichten bey nahe das Kloster /das sie noch gar niemanden gewahr wurden. Dieses gieng Renarden treflich in Kopff herum / und er kundte gar nicht ersinnen / was an der langen Verzögerung seines geliebten Fräuleins möchte Schuld seyn / da ihm doch Doris ihre Sehnsucht nach ihn nicht sattsam beschreiben können. Weil ihn nun die zärtliche Liebe unter andern Gedancken auch dieses eingabe / es köndte ihr ein unverhoffter Zufall begegnet seyn / welcher sie im Kloster annoch auffhielte / ritte er folgends drauff zu / üm rechte Gewißheit einzuziehen.
Doch hier muste er mit erstaunen vernehmen / daßBarsine schon vor fünff Stunden von hieraus nach Paris gefahren / und ausser den Kutscher im Kloster nur ein Mädgen bey sich gehabt / welche denn der Rechnung nach längst in Pariß könten angelanget seyn. Dieser Bericht befrembdete Renarden unbeschreiblich / und weil er nicht zu begreiffen wuste /wie sie auff der rechten Straffe ihn verfehlen können /rennte er Sporrenstreichs wieder nach Paris / üm daselbst entweder Leben oder Todt zu vernehmen.
Hier aber fande er ebenfals alles in gröster Unruhe / daß bereits der Abend wolte herein brechen / und man wieder den Herrn Schwieger Sohn nach Barsinen ersehen. Da er nun folgends allein anlangete / und eine so seltzame Begebenheit erzehlete / geriethe jedwedes in die eusserste Bestürtzung / daß auch Renard vor [92] Unmuth nicht wuste / was dabey anzufangen / ausser daß er etliche Diener alsofort auff unterschiedene Wege schickte. Adalie aber / die die übermäßige Affecten mit der Vernunfft in Zaum hielte / forschete bey Renarden nach allen Umständen / und ob er wohl jemanden viel Wesens von seiner Liebsten gemacht /daß man daher irgends etwas muthmassen köndte. Renard wuste sich auff keinen andern als Lionarden zu besinnen / dem er vor zwey Tagen mit sonderlichen Ruhm einer schönen Partie sein Liebes-Verständniß eröffnet: Weil er ihn aber jederzeit vor seinen besten Freund geschätzet / auch gewiß glaubte / daß er jetzo bey Hofe sey / hatte er keine ungleiche Gedancken auff ihn. Adalie erwiederte hingegen / daß nicht allen Freunden / sonderlich in Liebes-Sachen zu trauen / so er sich aber in Paris befände / dürffte man keine weitere Muthmassung auff ihn haben.
Es wurde darauff gleich ein Diener nach Hofe geschickt / der sich Lionardens Anwesen erkündigen solte / welcher aber nach langen vergeblichen Nachfragen / endlich von jemanden erfuhre / daß er heute bey gar guter Zeit mit nicht mehr als zweyen Dienern ausgeritten / und noch nicht wieder gekommen. Mit solcher Post gelangte der Diener wieder zu Hause an /und verursachte dadurch so wohl bey Adalien alsRenarden ein weiters Nachdencken / da zumahl Renard den von Barsinen erhaltenen Brief [93] gleich darauff suchte / selbigen aber nirgends finden konte / wie er sich nun gar wohl entsonne / daß er selbigen zu letzt Lionarden gewiesen / und ihn dieser hierauff so tapffer zu getruncken / urtheilte er nicht uneben / es müste der Brief durch diese practique ihm sey gestohlen worden / dadurch Lionard das vorgehabte Schelmstück besser auszuführen vermeint.
Er behielte auch diese Gedancken nicht bey sich /sondern vertraute sie Brion und Adalien; und ob wohl der erste an einen so tadelhafften Unternehmen dieses bekanten Cavalliers zweiffeln wolte / stimmte doch das Fräulein Renarden gäntzlich bey / weil es nichts unerhörtes / daß die Liebe manchen zu solcher Ausschweiffung gebracht / und über diß Lionard noch den Tag vorher bey Renarden gewesen / ohnfehlbar von allen besser unterrichtet zu werden. Brion bekame also gleichfalls übele Opinion, da sonsten gar nichts wahrscheinlichers war / welches Barsinen möchte abhalten; Weil man aber noch keinen gewissen Grund hatte / und erst auff die Zurückkunfft der ausgeschickten Diener muste warten / fiel der Schluß: Wo weder von Barsinen noch Lionarden morgen Nachricht einlieffe / daß man die Sache in geheim bey dem König treiben wolte / damit auff Lenordens Gütern und sonst in gantzem Lande scharffes Nachsuchen gehalten würde.
[94] Dabey muste es wegen schon später Nachtzeit bleiben / und hatte Renard sich vorher tausend süsse Gedancken über die verhoffte Umarmung der schönenBarsinen gemacht / so quälten ihn jtzt noch mehr entsetzliche Vorstellungen / wie vieleicht das Fräulein einen andern könne zu theil werden / welchen sie vor seine Person aus Unwissenheit hielte. Doch er schwur bey sich / wo Lionard seine so grausame Marter verursachet / daß er diese lasterhaffte Untreu mit dem Leben bezahlen solte / er möchte ihn auch gleich in der gantzen Welt darzu auffsuchen müssen / weil er doch ohne der Besitzung Barsinens nimmermehr ruhen würde.
Allein Lionard / der nun bereits auff seinen Schlosse angelanget / kehrete sich wenig an solche Drohungen / sondern war vielmehr bedacht / wie er Barsinen den verspürten Wiederwillen gegen sein Bezeugen benehmen / und sich gleich den andern Morgen frühe könte mit ihr trauen lassen / damit nicht etwan durch scharffes Nachforschen zumahl wegen seiner Abwesenheit diese Entführung entdecket / und ihm hernach alles möchte sehr schwer gemacht werden.
In diesen Vorsatz caresirte er Barsinen euserst /und forderte die Kennzeichen ihrer Gunst / welche sie ihm vorher versprochen / nun aber nicht wohl abschlagen könte.
Allein dieses Fräulein sahe aus allen Umbständen /daß es nicht recht zugehen müste / dannenhero [95] entschuldigte sie sich immer mit dem Wohlstande und der Ungewißheit ihres väterlichen Willens / den sie erst recht einziehen wolte / und ob Lionard gleich noch so viel von des Brion gäntzlicher Genehmhaltung versicherte / trauete sie ihm doch noch weniger /je erhitzter er in seinen Verlangen wurde.
Aus dieser hefftigen Weigerung schlosse Lionard endlich / es müsse Barsine einen Verdacht wegen seiner Person hegen / und selbigen ihr zu benehmen /zohe er unter vielen Klagen ihrer geänderten Gunst den an Renarden geschriebenen Brieff heraus / und wolte ihr dadurch ihre Unbilligkeit und seine gerechte Sehnsucht beweisen. Barsine glaubte hieraus zwar /daß es der Renard müsse seyn / welchen das verdamte Mädgen / wie sie Doris nennte / gantz falsch gegen sie durch Bestechung hätte loben müssen; doch diese Einbildung minderte ihre Kaltsinnigkeit keines Weges / und sie muthmassete dennoch / daß ihr Vater nicht gäntzlich müsse in sein Verlangen eingestimmet haben / sondern vieleicht ihr Gemüth erst wollen erkennen / wenn sie selben gesehen; weil er nun nichts gutes gehoffet / suchte er sich auff solche Art zu einer Vermählung zu nöthigen / welche hernach ihr Vater wohl billigen müste.
Diesen aber vorzukommen / schobe sie alles biß auff die Ankunfft ihres Vaters / und wolte sich zu gar keiner Affection, auch nicht [96] einmahl zu einen Kusse verstehen. Lionard spürte hieraus ihren harten Wiederwillen / und daß weder heute noch morgen etwas durch Güte würde zu erhalten seyn: dannenhero setzte er die Ehrerbiethung etwas auf die Seite / und sagte: sie hätte sich einmahl zu seiner Liebe erkläret / und ihn bewogen / solches am Hofe bekannt zu machen /deßwegen müste sie sich auch zu Vergnügung seineshonneten Begehrens bequemen / ehe sie in Paris zu seiner Beschimpffung viel Ausflüchte suchte / und diese eintzige Nacht sey noch zu seiner Gedult ausgesetzet / morgen aber wolte er sich ohne weitere Bedindung befriediget wissen. Hiemit gienge er zum Zimmer hinaus / und hinterließ Barsinen tausendterley Unruhe.
Dieses artige Fräulein beseuffzete ihr wiedriges Verhängnis / welches sie nur zu dem Ende aus den Closter geführet / daß sie durch eine unanständige Vermählung noch unglückseeliger würde / dahero wunschte sie lieber / auf ewig in voriger Einsamkeit verschlossen zu seyn / als nun in einer weit ärgern Gefangenschafft die betrübtesten Augenblicke zu erdulden. Doch sie entschlosse sich fest / auch mit eussersten Vermögen in sein Begehren nicht einzuwilligen / und wenn er den andern Tag auff seinen Vorsatz beharrete / wolte sie auff das beweglichste noch um einen Anstand Bitten / vieleicht daß sie unter der Zeit Hülffe oder Gelegenheit zu entfliehen bekäme.
[97] Mit dergleichen Uberlegungen marterte sich ihr Gemüth so lange / biß die sonst lieblichen Sonnen-Strahlen ihr die unangenehmsten Blicke gaben / und sie mit furchtsamer Hoffnung erwarten muste / was ihre Thränen bey einem verzweiffelten Liebhaber ausrichten würden. Weil sie nun mit Fleiß etwas lange in ihren Schlaff-Zimmer verweilete / Lionarden aber sein Gewissen sagte / daß er entweder sein Vorhaben beschleunigen / oder eines schlimmen Ausgangs sich versehen möchte / so verschwande auch hier die Gedult und Respect / und er klopfete an der Thür an.Barsine besorgte sich / die Begierde möchte ihn überwinden / daß er gar bey längerer Verzögerung zu ihr hinein dränge / deswegen muste sie ihr Mädgen geschwind ankleiden / und nach diesen gienge sie ihn entgegen.
Anfangs waren die Blicke auff beyden seiten freundlich / und es erkundigte sich eine des andern Ruhe mit solcher Höflichkeit / als ob sie beyderseits in allẽ einig wären; Wie aber das gestrige Ansuchen wieder auff die Bahne kam / verlohre sich das euserliche Wesen gantz wieder / und man wechselte lauter unangenehme Complimenten.
Doch Lionard mochte sich stellen / wie er wolte /so kondte er weder durch Drohungen noch Bitten etwas ausrichten / und zu einer rechten Gewalt machte ihn die Liebe und dabey die Wehmuth eines so lieb-reitzenden Fräuleins [98] ohnmächtig. Er sahe also / daß hier nichts anders als der Verlust der Zeit / und wohl gar eines so treflichen Schatzes zu gewinnen / dahero hiesse er also fort seine Diener wieder zu Pferde setzen / und Barsine muste sich gleichfals gefallen lassen / ihn in der Carosse / wohin er sie führte / zu folgen.
Dieser flüchtigen Eilfertigkeit verursachte / daß Renard, der nun durch die ausgeschickten Diener mehr Nachricht von dieser Entführung erhalten / ihnen vergebens nachsetzete / und ober wohl von denen Leuten / welche die Carosse fahren sehen / immer von einer Strasse zur andern gewiesen wurde / hatte doch Lionard einen so grossen Sprung voraus / daß Renard selbigen ohnmöglich erjagen kondte. Gleichwohl wolte er eher sein Lebẽ als die weitere Verfolgung seiner geliebtesten Barsinen fahren lassen; Deswegen nahme er zwey seiner besten Diener zu sich / und rennte damit seiner Magnete nach; Die übrigen aber brachten die betrübte Zeitung ihres unglücklichen Bemühens nach Paris.
Brion wurde dadurch grausam erbittert / und spendirte grosse Geld-Summen am Hofe / daß man Lionardens Güter confiscirte, und überall im Königreich üm dessen Anhaltung Befehl ausgab. Adalie hingegen fühlte in ihren Hertzen lauter wehmüthige Schmertzen / und der traurige Zufall ihrer wehrtesten Fräulein Schwester und eines guten Freundes / als [99] Renard war / liesse sie fast ihre eingene Unruhe wegen so langer Entfernung Printz Rosantes oder Bosarden vergessen.
Es waren bereits 2 gantze Monate verflossen / ohne daß keine eintzige Zeilen von denselben eingelauffen /und Adalien durch die Versicherung seiner Treue getröstet hätten / da man doch von Elbipolis auf Paris viel nähere Posten haben könte; dahero wurd ihr Gemüth mit unzehliger Qual überhäuffet / und die manchertey Träume stelleten ihr Bosarden bald auf den wütenden Meer vor / wie er von Brittannien nach Elbipolis segeln wollen / aber durch einen gewaltigen Sturm in die erbosten Wellen sey vergraben worden; bald aber zeigten sie ihr selbigen in den Armen eines Frauenzimmers / welche ihn durch reitzende Gestalt zur Untreu verleitet / daß er nun gar nicht mehr an die vorige Stunden in Paris gedächte: Und bald wurde ihr Geist mit andern entsetzlichen Phantasien beunruhiget / die ihr am Tage durch allzusorgfältiges überlegen nichts als die heissesten Seuffzer kosteten.
Weil sie nun alle Augenblicke auf Bosardens Zurückkunfft vergebens wartete / und zum wenigsten von Elbipolis Nachricht von seinen Zustand durch den alten Bosarden zu kriegen vermeinte / wo er sich ja nicht daselbst befinden solte / so fertigte sie gleich einen Brief auf der geschwinden Post an ihren Besarden ab / darinnen [100] sein Hertz besser zu probiren / von einer bevorstehenden Vermählung gedacht wurde /worauff ihr Vater mit Gewalt drünge / und hoffte sie nach Verfliessung einiger Zeit mit Schmertzen auf seine Person oder eine Antwort. Sie lief zum öfftern an die Fenster / ihren Geliebten eine Minute desto eher kommen zu sehen / und niemand gieng in ihre Wohnung / oder auf das Zimmer zu / so schmeichelte sie sich schon durch allzu hefftiges Verlangen / einen erfreuten Anblick von Bosarden zu kriegen.
Allein da ihr allezeit ein anderer verdrießlicher Gegenstand zu Gesichte kam / und das Glück durchaus nicht mit ihrer Sehnsucht einstimmen wolte / war ihr das Zimmer eine betrübte Wüsteney / welches sie ehemahls in Rosantes beliebter Unterhaltung vor ein irdisches Paradieß geschätzet / ja gantz Paris schiene ihr ein finsterer Kercker zu seyn / da ihr Gemüthe die Sonne ihrer Vergnügung verlohren. Dahero sehnte sie sich mit aller Macht aus denselben / und diesen Vorsatz beförderte das neue Anwerben eines Cavalliers um ihre Vermählung / welchen sie nicht besser zu entgehen vermeinte / als wenn sie sich ihren Augen weit genug entfernete.
Zu diesen Vorhaben schiene ihr das Verhängnis allein geneigte Hand zu bieten / da es sich sonsten gantz wiederwärtig erwiese; denn die Hertzogin aus den berühmten Hause Mommorancy, [101] welche sich der Liebe eines Teutschen Fürsten ergeben / wolte nunmehro auch nach ihres Gemahls Land reisen, da selbiger nach den gehaltenen Beylager in Frankreich aus gewissen Erheblichkeiten voran gegangen. Weil sie nun die Merckwürdigkeiten aller Teutschen Höfe / wo sie vorbey passirte / zu sehen begierig war / ihren Staat aber durch eine ansehnliche Svite desto prächtiger machen wolte / fielen ihre Gedancken vor allen andern auf Adalien / deren Vollkommenheit ihr genugsam bekannt war.
So was galantes nun aus Franckreich mit sich zu führen / truge sie so grosses Belieben / daß sie bey dem Brion und ihr selber inständig darum anhalten ließ / und weil es Adalien eintziger Wunsch war / gab Brion seinen Willen endlich nicht sonder Schmertzen drein / daß er auf diese Art beyde geliebteste Töchter verliehren solte. Die Hertzogin von Mommorancy empfinge Adalien sehr gnädig / und räumte ihr alsobald die Ober-Cammer-Fräulein Stelle ein / worauf sie in der süssen Hofnung fortreisete / ihren so lange geraubten Gegenstand in Teutschland wieder zufinden.
Wir wollen sie eine Weile ziehen lassen / und sehen / wie sehr ihr annoch Printz Rosantes sein Hertz gewiednet. Diesen finden wir gleich auf der Rückreise nach Franckreich / und das ungemeine Verlangen / welches Adaliens bezaubrende [102] Anmuth auf ewig in seine Brust gewürcket / wünschet ihm Flügel zu haben / desto eher in Paris zu seyn / und dadurch der bevorstehenden Vermählung vorzukommen / von welcher er in Adaliens Brief so unangenehme Nachricht erhalten.
Denn nachdem er bey seiner Ankunfft in Brittanien an Adalien geschrieben / gienge er unter guten Wind zu Schiffe nach Elbipolis, und bestellete daselbst bey dem alten Bosardo so fern aus Paris Briefe an ihn den jungen Bosardo käm / solte er selbige nach Allerona, als seines Herrn Vaters Residentz an einen gewissen Secretarium senden; Nach welcher Verlassung er nebst seinem Hofmeister auf Allerona zu reisete / und mit ungemeiner Freude des gantzen Hofes empfangen wurde.
Vornemlich aber sahe der Durchläuchtigste Hertzog von Allerona / wie treflich sich die Fürstlichen Eigenschafften eines so hochwehrten Printzens wehrender Abwesenheit vermehret / und wie ruhmwürdig in allen seine herrliche Conduite beschaffen.
Weil nun zu der Zeit die unterhabende Friedens-Tractaten zwischen denen Hohen Alliirten und dem König in Franckreich / dem bißher geführten blutigen Kriege ein Ende solten machen / und der Hertzog vonAllerona bey dem König des Beltischen Meeres seinInteresse / welches dessen Minister in Niemägen beobachten möchten / [103] wolte geschickt vorstellen lassen /kamen Printz Rolantes Qualitäten in solche Betrachtung / diese hohe Angelegenheit an den Beltischen Hofe zu verrichten.
Daselbst wurde er mit aller ersinnlichen Ehrbezeugung von Ihr. Majest. und den Grossen des Hofes empfangen / und ob wohl die Staats-Affairen seine Gedancken auf sich wendeten / hatte er doch im Geiste mit Adalien viel Liebes-Sachen abzuthun / die auf eine Vermählung mit einen so wunder würdigen Fräulein allein zieleten. Zu seinem Vergnügen lief nun gleich die erste schriftliche Versicherung ihrer Beständigkeit ein / dannenhero er ihr in der eilfertigsten Antwort die theursten Verpflichtungen wieder gabe /und dabey viel kostbahre Geschencke legte.
Allein eben die trefliche Kleinodien / damit er Adalien zu erfreuen vermeinte / waren die Ursache seiner und ihrer hernach erfolgten Betrübniß; denn der Post-Courier wurde durch eine Nordische Parthey aus Einbildung dienliche Briese zu erhalten / unter Weges angefallen / weil sie aber so theure Sachen bey ihm fanden / wurde er zu besserer Verschwiegenheit darnieder geschossen.
Weil nun Adalie bey solcher Bewandniß die erdichtete Zeitung von einer Vermählung an Rosantes geschrieben / um durch das äusserste Mittel zu erforschen / mit welcher Gemüths-Bewegung [104] er solche aufnehmen würde / und der Printz eine so unerwartete Post gleich erhielte / da er sich von dem Beltischen Hofe beurlaubet / schiene ihm Adaliens Verlust so unerträglich / daß er ohne Erwartung benöthigter Pasporte den nechsten Weg nach Paris suchte.
Er satzte sich demnach zu Schiffe / und die Winde bliesen so wol in die Seegel / daß er in kurtzen Brittanien wiederum erreichte. Daselbst hielte er nun einen Augenblick zu versäumen höchst schädlich / und diese eilfertige Gedancken wären mit ihm noch zu rechter Zeit in Frankreich angekommen / wenn das Glücke mit seiner und Adaliens Sehn sucht zu frieden gewesen.
Denn weil damahls in der Residentz der Brittannischen Majestät / einige unruhige Köpffe sich empöret / und diese zu Vermeidung verdienter Strafe hier und der die Häffẽ aufsuchten / üm auf denen allzeit seegelfertigen Schiffen zu entfliehen / hatte man scharffe Befehle ausgegeben / keinen ohne einen Paß fort zu lassen / sondern ihn zur gefänglichen Haft zu ziehen.
Printz Rosantes aber hielte die Stunden vor weit kostbarer / die er zu Beschleunigung seiner Zurückkunfft in Franckreich anwendete / als welche er an langwieriger Erhaltung eines Passes zu verschwenden vermeynte; Dannenhero eilte er ohne Verzug nach den Hafen zu / und schätzte ausser der sicheren Umarmung seines [105] geliebten Fräuleins alle Sicherheit mehr vor eine Gefangenschafft.
Allein eben die allzu grosse Begierde risse ihn das jenige aus den Augen / welches er so sehnlich zu sehen verlangte / und seine ungedultige Liebe muste die Ursache seyn / warum ihm und Adalien das Verhängniß so viel Marter auferlegt.
Denn wie er keinen Paßport bey dem Gouverneur auf zuweisen hatte / sagte dieser mit einer zwar höflichen doch unanständigen Mine; er möchte sich so lange gedulten / biß auf gethanen Bericht andre Ordre deswegen vor Sr. Majestät einlieffe / weil ihm bey hoher Lebens-Straffe und sonder Betrachtung des Standes gebothen / diesen Befehl genau nachzukommen.
Printz Rosantes muste sich also gezwungen einem kleinen Arreste / und dabey tausend Martern wegen besorgter Beraubung seiner Adalien ergeben / und seine Gedancken traffen auch so weit ein / daß sie unter wehrender Zeit / da er seine Freyheit auswürckte / mit der Hertzogin von Mommorancy nach Teutschland gienge / und also sich und ihm der grösten Vergnügung beraubte.
Nachdem aber endlich von dem Könige an demGouverneur Befehl ergieng / diesen vornehmen Passagier mit aller erwiesenen Höflichkeit wieder frey zu lassen / hatte der Printz die [106] herrlichste Bewirthung /und reisete alsdenn ohne weitere Säumniß in der Hoffnung fort / Adalie würde durch ihre Klugheit es schon so weit gebracht haben / daß sie von ihren ohne diß gütigen Vater biß zu seinen Uberkommen Aufschub wegen des Jaworts in dieser Heyrath erhalten /und denn solten die bißher gefährlich geschienene Sachen weit glücklicher lauffen.
Das sonsten von Sturm gantz fruchtbare Meer war ihm abermahls desto geneigter / je mehr er Verdrießlichkeiten zu Lande empfinden solte / und der favorable Wind hielte die Wellen in so geschwinder Bewegung / als fast seine Sinnen fortschifften.
Wie er nun von diesen feuchten Element ausgesetzet / ließ er sich die flüchtigsten Pferde immer Wechsel-Weise anschaffen / und entzohe durch das unauffhörliche Rennen dem Leibe die benöthigte Ruhe so gar / daß er endlich auff dieses starcke Ermüden eine grosse Schwachheit verspürte / und wider Willen in der nechsten Stadt etliche Nacht Quartiere suchen muste.
Was vor abermahlige Unruhe ihm dieses verursachet / ist leicht zu erachten; denn wenn er urtheilte /Adalie möchte endlich durch dieses lange Aussenbleiben an seiner Beständigkeit zweiffeln / und durch das tägliche Anhalten ihres Vaters überwunden ihre Bewilligung in die bevorstehende Heyrath geben / war er auff diese neue Hinderniß in Gedancken so erbittert /[107] daß er ohnerachtet der grösten Gefahr seiner Gesundheit den andern Tag fort wolte.
Doch indem er sich wieder zu Pferde zu schwingen gedachte / fühlte er / daß der Wille bey ihm mächtiger als daß Vermögen sey / und die Mattigkeit aller Glieder / zu dem sich ein kleines reisen gesellete / nöthigte ihn wiederum auff sein Zimmer zu kehren. Gleichwohl riethe ihm da Vernunfft und Liebe / weil er doch des Himmels Schickung mit allen seinen Kräfften nicht überlegen / wolte er zum wenigsten einen eilfertigen Courier nach Paris senden / der nicht allein Adalien von seinen Zustand und annoch beständiger Hochachtung schriftlichen Bericht erstatten / sondern auch dem Brion zu Hintertreibung dieser Heyrath so viel eröffnen solte / als zu seinen Vortheil dienete.
In diesem Absehen ließ er den Wirth ruffen / und fragte selbigen / ob er nicht einen treuen und eilfertigen Courier verschaffen köndte / der üm gute Bezahlung innerhalb acht Tagen nach Paris und wieder her ritte / üm eine gewisse Angelegenheit daselbst zu verrichten. Der Wirth versicherte / daß er Ihr Gnaden (wovon er ihm unwissend titulirte) einen guten Kerl verschaffen wolte / und wie er deswegen seine Leute beordert / wartete er dem Printzen bey bestellter Post wieder auff.
Wie nun dergleichen Leuthe vornehmen Herrn einen Gefallen zu thun vermeinen / wenn [108] sie ihnen das neueste von einem zumahl hauptsächlichen Orte erzehlen / so brachte auch der Wirth als die curieuseste Zeitung auff die Bahn: daß nur neulich eines vornehmen Cavalliers Tochter von sonderlicher Schönheit aus Paris sey entführet worden / deßwegen auch in dieser Stadt wie im gantzen Lande scharffe Königliche Befehle ergangen / den Thäter / wo man ihm haben könte / in gefängliche Verhafft zu ziehen.
Hierauff fragte der Printz / ob er des Cavalliers Nahmen nicht wüste / der sein Fräulein auff solche Art verlohren. Da denn der Wirth zur Antwort gab: er hätte ihn Brion nennen hören / da er noch ein überall berühmter Kauffman gewesen / weil er aber nunmehro von dem Könige in Adelstande gehoben / wäre ihm sein jtziger Titul unbekandt.
Dieses hörte Rosantes mit Erstaunen an / und die Entführung des Brions Tochter / nebst der Nachricht seines geänderten Standes schienen ihm so seltzame Dinge / daß er selbige zu glauben grosse Schwürigkeit machte. Er fragte also den Wirth nochmahls / ob es sich in der That also mit dem erwehnten Brion verhielte / und er nicht irgens den Nahmen oder sonst etwas verhöret. Welches aber der Wirth sehr hoch betheurte / mit den Erbiethen / wo Ihr. Gnaden ihm nicht allein Glauben beymässen / könte er ihnen noch wohl hundert anschaffen / die diese [109] Begebenheit /wovon die gantze Stadt voll wäre / einmüthig bekräfftigten.
Nun hatte Rosantes bey seinen Anwesen in Paris niemahls einer andern Tochter des Brions erwehnen hören / als Adalien, dannenhero er sich auch itzo noch fest einbildete / daß diese die eintzige sey / welche nun von einen Cavallier / und wohl gar dem Renard, der um sie damahls starck angehalten / und nichts gewinnen können / entführet worden.
Diese unerwartete Zeitung war also ein rechter Donnerschlag in seinen Ohren / und sein gantz erschüttertes Gemüth konte sich keines weges begreiffen / daß er dem Wirthe um genauere Umstände gefraget; sondern er hiesse denselben vielmehr etwas abtreten / um seinen Unmuth freyen Raum zu lassen.
Ich unglückseliger Printz! fing er hernach zu sich selber an / worzu hat mich das Verhängnis doch versehen! bin ich nur in Paris gekommen / eine vollkommene Schönheit deßwegen zu sehen / daß ich hernach dieselbe auf ewig verlieren / und tausend Martern ertragen soll? Warum wird denn eine niedrige Persohn ihrer Besitzung gewürdiget / und warum spielstdu sie derselben eher in die Hand als mir? Ach umbarmhertziges Schicksal / du verfolgest mich gantz ungerecht /und meine Hoheit muß mir zur grossen Sclaverey dienen / darinnen ich geringere an Vergnügung über mir triumphiren sehe. [110] Ja eben deswegen hast du mich allezet abgehalten / wenn ich Adalien meinen Stand eröffnen / und mir ihre Besitzung habe gewisser machen wollen. Denn solte Brion eine andere Ehre in Vermählung seiner Tochter gewünscht haben? O Nein /er würde vielmehr an meiner so grossen Neigung gegen sein Hauß erst gezweiffelt / und so er den Ernst gesehen / mit verbundenen Hertzen alle andere Anwerbung haben ausgeschlagen: So aber wird er durch den Ehrgeitz geblendet Adalien zu einen Jawort zwingen wollen / und da Renard nichts in Güte erhalten /muß Adalie durch diesen grausamen Zufall mißvergnügt / du aber der unglückseligste der Welt werden.
So maße Printz Rosantes dem Verhängnisse die Schuld seiner überhäufften Schmertzen bey / und weil er doch in Paris durch alle sein Schreiben nichts auszurichten vermeinte / ruffte er den Wirth / welchen er einen Ducaten an den schon bestelten Courier zu geben überreichte / mit dem Vermelden / daß er seine Dienste bey den Absehen / selbst dahin zu reisen /nun nicht benöthiget sey / indessen möchte er dieses Trinckgeld vor seinen gehabten Willen annehmen.
Mitten aber unter den gewaltigsten Gemüths-Sturm über einen so unschätzbaren Verlust / erwiese seine ihm allzeit beywohnende Vernunfft ihre Macht /indem sie ihm einbliese / [111] daß vieleicht Adalie durch ihren sinnreichen Verstand ein Mittel erfunden / wodurch sie sich noch zu rechter Zeit und ehe es zu weit mit ihr kommen / aus der Gewaltthätigkeit ihres Räubers entrissen; denn doch derselbe mit ihr durch Städte und Dörffer hätte passiren müssen / und da wären die Gelegenheiten zu entfliehen zumahl einen klugen Fräulein nicht unmöglich.
Er vertieffte sich in diesem Nachsinnen sehr / und gabe ihm endlich desto lieber Beyfall / je mehr erAdaliens Freyheit wünschete / daß auch endlich bey ihm der feste Schluß gemacht wurde / nicht eher zu ruhen / biß er entweder durch sich selbst / oder durch ausgeschickte Leute Adalien ausgeforschet / und so sie ja seine nicht werden könte / hätte er doch die Zufriedenheit / sie noch einmahl zu sehen / und aus ihren schönen Munde die angenehmste Versicherung zu hören / daß sie ihm ihre Persohn lieber als einem andern gegönnet.
In dergleichen Trostgründen / die er sich selber zuzusprechen das seltne Vermögen hatte / beruhigte er sich zimlich wieder / und es schiene / daß die Schmertzen des Leibes auch alsofort entfliehen wolten / da die Seele sich von selbigen befreyet; Denn innerhalb wenig Tagen ware seine Gesundheit dergestalt wieder zur Vollkommenheit gekommen / daß er ohne Besorgung der geringsten Gefahr seinen schönen Leit-Stern [112] folgete / wohin er ihn durch das inbrünstige Verlangen führete.
Das Glück mag unterdessen unsern Printzen nach seinen Gefallen leiten / wir aber müssen bey der eusersten Wehmuth Adaliens etwas stille stehn; denn nachdem sie unter der Hertzogin von Mommorency Staats-Gefolge unterschiedliche Teutsche Höfe besehen / aber wegen dieser hohen Persohn Eilfertigkeit nach ihres Gemahls Lande ohne Verweilen mit fortreisete / gelangte sie endlich vor Elbipolis an.
Diese trefliche Stadt schenckte ihr den anmuhigsten Prospect / weil sie darinnen zu finden vermeinte /wornach ihre Seele bißhero geanckert; deßwegen stiege sie daselbst mit Freuden aus der Carosse / und nachdem sie von der Hertzogin Erlaubnis erhalten /bey einen Kauffmann Galanterie-Waaren auszunehmen / fuhr sie augenblicklich nach Bosardens Wohnung zu.
Unterweges hatte sie tausenderley angenehme Vorstellung / wenn ihr geliebter Bosardo ihr so unverhofft solte entgegen kommen / was vor sinnreiches Entschuldigen er seiner unterlassenen Zuschrifft vorbringen / und wie artig er sich bey ihr verpflichten würde; da sie sich denn in Gedancken vornahme / ihm einen zärtlichen Verweiß zu geben / daß er ihr so viel Quaal durch solche Nachläßigkeit verursachet.
Indessen nun / daß ihr Geist mit süssen [113] Phantasien / die bey euserst Verliebten nicht seltzam / beschäfftiget war / hatte sie Bosardens Wohnung erreichet /woselbst sie denn die Bedienten mit gröster Höfligkeit empfingen / und ihr die verlangte Galanterie-Waaren überreichten? Weil aber ihr Absehen auf was anders gienge / fragte sie als von ohngefehr / ob denn der alte Herr Bosardo nicht zu Hause sey / daß sie selbigen nicht zu sehen bekäme: Die Antwort aber war / daß er wohl zu Hause / und auch seine Auffwartung gerne selber abstatten würde / wofern er nicht durch den vor einer Stunde geschehenen unverhofften Todes-Falle seines Sohns / des jungen Bosardens, in den tieffsten Trauer-Stand gesetzt worden / daß er vor allzu grosser Betrübnis sich nicht wohl fassen könte.
Diese Zeitung war als ein Donnerschlag in Adaliens Ohren / und sie wurde dadurch dermassen gerühret / daß ihre vertraute Doris die ihr zustossende Ohnmacht kaum verwehren / und sie nach der Carosse führen konte: denn die blosse Erinnerung des Wohlstands / welche ihr Doris auf Frantzösch gab / vermöchte sie noch so weit zu sich selber bringen / daß sie die hefftige Bestürtzung mäßigte / und den Bedienten nicht ungleiche Gedancken zu machen / wiederum zu der Hertzogin zurück kehrte.
Allein hier halff kein Zwang / ihre innerliche Seelen-Angst zu verbergen / deñ die blassen [114] Lippen /welche zuvor auch den Purpur trotzten / die Lilien auf den Wangen / denen erst keine Rose zu vergleichen /und die gantz Todten ähnliche Gestalt verriethen der Hertzogin gleich / es müste Adalien etwas grosses begegnet seyn / das ihr liebreitzendes Gesicht in kurzer Zeit so jämmerlich zugerichtet.
Weil sie nun viel estim vor eine so vollkommene Landsmännin machte / fragte sie mit nicht gemeiner Sorgfalt / woher eine so jählinge Veränderung herrührte? Die Doris aber war als ein verschmitztes Mädgen gleich mit der Antwort fertig: es müste das Fräulein die dicke Lufft dieser Orten nicht wohl vertragen können / weil ihr / ehe sie sichs versehen / eine solche Unpäßlichkeit zugezogen. Die Hertzogin bezeigte hierüber ihr Mitleiden / und ließ alsofort einen erfahrnen Medicum hohlen / um diesen Ubel bey Zeiten durch herrliche Artzeneyen vorzukommen.
Allein die treflichsten Mittel vor die Gesundheit des Leibes helffen wenig / wo die Seele an einer gefährlichen Kranckheit danieder lieget; sondern hiermuß der angenehme Artzt seyn / welcher dergleichen Unpäßlichkeit erst verursachet / wenn anders der Patiente genesen soll.
Und so vermochten auch keine Medicamenta die Grösse der Gemüths-Schwachheit bey Adalien zu heben / weil selbige nicht darnach eingerichtet / sondern die übermäßige Einnahme [115] der Geträncke / worzu sie die Hertzogin nothigte / brachte endlich gar ein Fieber zuwege / welches sie so starck angriffe / daß sie als ein Zartes Fräulein in Gefahr des Lebens / die Hertzogin aber in nicht geringe Betrübnis gesetzt wurde.
Indem nun Doris sahe / daß es mit ihren so gnädigen Fräulein würde gethan seyn / wenn ihr gemarterter Geist nicht eine Linderung bekäme / so bemüthe sie sich auf allerhand Weise / einige Trost-Gründe zu ihrer Besserung hervor zu suchen; dannenhero sagte sie einmahl bey dem Eintrit in das Zimmer mit ermunterten Gesichte: eine gute Zeitung gnädiges Fräulein /Bosardo lebet noch.
Diese blosse Erwehnung von ihres geliebten Leben erweckte also fort eine Verwandelung des Geblüts bey ihr / und sie sahe mit starren Augen auff Doris, um begierig zu erforschen / worauf sich dieser Zuspruch gründete. Das Mädgen fuhre demnach mit ihrer Erfindung fort / und sagte / wie sie bey genauer Nachfrage von Bosardens Todte erfahren / daß nur der jüngste Sohn / nicht aber der älteste / so in Franckreich gewesen / gestorben sey / weil ihrer der alte Bosardo zwey gehabt / davon ihr Geliebter wieder vor einen Monat nach Paris gegangen / um sie vermuthlich daselbsten durch seine Beständigkeit zu erfreuen.
Ach Doris! seufzete Adalie mit matter Stimme / du schmeichelst mir. Der Himmel behüte [116] mich dafür /sagte Doris, daß ich meinem gnädigen Fräulein Lügen solte vorbringen / ich erzehle / was ich von glaubwürdigen Personen erfahren. Ach so solte er noch leben? fragte Adalie / warum wil ich denn seinetwegen sterben? Mein gnädiges Fräulein / antwortete Doris / haben aus allzugrosser Liebe sich diese Marter zugezogen / welche sie aber entbehren können / wofern sie nur die Nachricht von diesen Todesfall nicht alsofort auf Bosarden ausleget / sondern sich genau erkundiget / ob der alte Bosardo nur einen Sohn hätte. Nunmehro aber / da ihnen der Himmel so viel Trost vor ihre Leidenschafft übrig behalten / thäten sie unrecht / wenn sie nicht mit Verbannung aller Gemüths-Schmertzen ihre Gesundheit beförderten /weil sie dadurch eine Person vergnügen / die sie über alle Schätze der Welt liebet. Ja wenn es nur in meinem Vermögen stehet / sagte Adalie, wieder gesund zu werden / so will ich mich gern darum bemühen /und meinen Bosardo zu Gefallen noch länger getreu leben. Sie hoffen nur / tröstete sie das kluge Mädgen /es wird sich schon nach überhobener Bekümmerniß auch mit ihrer Unpäßlichkeit ändern / und denn können sie durch Briefe Bosarden ihrer Beständigkeit und Auffenthalts versichern / ich bin versichert / daß er keinen Augenblick zu seiner Rückreise versäumen wird. Nun Doris / sagte Adalie gantz freundlich / du hast mir diese angenehme Zeitung [117] zu erst gebracht /gönnt mir der gütige Himmel die Besitzung meines geliebten / so solst du auch Lebenslang bey mir so versorget bleiben / daß du dich nach keinem bessern Glück zu sehnen Ursach hast.
Doris bedanckte sich zwar vor ein so gnädiges Erbieten / allein ob sie sich gleich keine Rechnung drauf machte / sondern vielmehr einen grossen Unwillen besorgte / wenn hernach Adalie ihre blosse Schmeicheley von Bosardens Leben erführe / war ihr doch die Gesundheit eines Fräuleins / von der sie so vieler Güte gewürdiget / so lieb / daß sie deren Ungnade eine Zeitlang weit erträglicher als ihren Untergang schätzete / indem sie doch von Adaliens Leutseligkeit alles Gute wieder hoffte / wenn dieselbe ihr wohlmeinendes Absehen reiffer überleget.
Sie fuhre also in ihren erdichten Troste so wohl fort / daß Adalie durch diese Gemüths-Artzeney nebst den treflichsten Stärckungs-Mitteln in kurtzer Zeit wieder gantz lebhaft wurde / und wie die Hertzogin über sothane Besserung erfreuet zu ihrer völligen Genesung nichts sparete / überstunde sie endlich diese harte Niederlage gantz glücklich.
Adaliens erste Sorge nach erlangter Gesundheit war / wie sie Bosarden davon Nachricht geben / und ihn wieder nach Teutschland zu gehen bewegen möchte / und weil sie ihn doch an keinem andern Orte der Welt / als vielleicht in [118] Paris zu finden vermeynte /schriebe sie einen gantz zärtlichen Brief dahin / und die schlaue Doris nahm ihn zu bestellen über sich / in der That aber kam er nicht weiter / als in ihre geheime Verwahrung. Hierauf gienge die Hertzogin von Mommorency mit einem treflichẽ Gefolge nach Allerona zu / um einige Angelegenheiten des Frantzöschen Hofes bey den Unterhabenden Friedens-Tractaten zu beobachten.
Wir wolten sie zwar dahin begleiten; allein so müssen wir unsere Gedancken auf die entführte Barsine wieder wenden um nebst Renarden einen so unverantwortlichen Fräuleins-Raub zu verfolgen.
Diesen finden wir zwar unermüdet in seinem Nachjagen / und die hefftige Liebe nebst der erbitterten Begierde von Lionarden wegen eines so unredlichen Stückes grausame Rache zu nehmen / spornen ihn dergestalt an / daß er fast weder Tag noch Nacht ruhet / sein gewünschtes Ziel zu erreichen.
Allein Lionard hatte einen allzu grossen Vorsprung / und die Unsicherheit des Frantzöschen Bodens flügelte ihn gleichsam in der geschwinden Flucht / damit er nur erst die Teutschen Gräntzen erreichen /und daselbst die mehr und mehr zunehmende Kaltsinnigkeit Barsinens am besten durch eine Vermählung vertreiben könnte / welches er denn glücklich anzugehen vermeynte / wenn das Fräulein aller Hülffe [119] entblöset ntweder in sein Verlangen emstimmen / oder den Verlust ihrer Ehre gezwungen besorgen müste.
Zu so schändlichen Vorsatz hatte ihn bereits seine unsinnige Liebe gebracht / und die Eilfertigkeit liefferte ihn schon in das Hertzogthum Lotharingen / als er von fernen einen Troup Reuter gewahr wurde / die mit verhängten Ziegeln auf ihn zu renneten.
Lionard hielte es alsofort vor eine feindliche Teutsche Parthey / die ihn würden vor eine gute Rantzion gefangen nehmen wollen / weil er aber seine Diener unter wehrender Flucht mit noch zwölffe andern Hand-festen Leuten zu mehrer Sicherheit verstärcket /und nun in allen 20. gute Kerls um sich hatte / gedachte er eins mit ihnen zu wagen / zumahl da er sie nicht einmahl so starck als die Seinigen schätzete; dannenhero fuhr er mit der Carossen auf die Seite /und hiesse seine Leute gegen die Ankommende anrücken.
Die Teutsche Parthey / welche ein Rittmeister commandirte / verwunderte sich über die Verwegenheit dieser Laqueyen / weil sie solche an den Kleidern davor erkannten / und avancirten also ihrer zwölffe nur auf sie / die übrigen sechse aber giengen nach der Carosse / in welcher sie die beste Beute zufinden vermeynten.
Die erste Salve / damit die Frantzosen begrüsset wurden / hatte den Nachdruck / drey davon [120] den Pferden zustürtzen / und da sie gleichfals durch ihre Pistolen einen Teutschen weniger gemacht / gelangten sie mit blossen Degen in der Faust aneinander / da es deñ an ein so hitziges Gefechte gieng / daß der Rittmeister die 6. nach der Carosse rennende muste zurück beruffen / um einer grössern Anzahl eher gewachsen zu seyn.
Barsine ware bey einem so blutigen Gefechte nicht im geringsten erschrocken / sondern sahe mit Freuden / wie Lionardens Diener aus den Sattel gehoben werden / weil sie dadurch von einem unanständigen Bräutigam erlöset zu werden verhoffte.
Lionard aber beforchte sich den Verlust einer so angenehmen Beute / wenn er solte in andere Hände gerathen / und hernach Barsine mehrere Freyheit überkäme / ihren Widerwillen gegen ihn zu bestätigen / deswegen hiesse er den Kutscher immer abwerts jagen / und gedachte wehrenden Scharmützel Zeit zu seiner Flucht biß an eine nah-gelegene Stadt zu kriegen.
Allein diesem vorzukommen / eilte ein Teutscher Reuter hinter drein / und wolte den Kutscher vom Pferde schiessen; der Schuß war aber durch das starcke rennen ungewiß / und folgends sounglücklich vorBarsinen, daß er ihr eine Wunde an den lincken Arm versetzete: das Blut flosse denn alsofort an den Schnee-weissen Händen herab / und verursachte / daß das [121] Fräulein vor grossen Entsetzen in die Ohnmacht fiele.
Dieser unverhoffte Zufall bestürtzte Lionarden zum heftigsten / und er wuste vor grosser Angst nicht / was er zum ersten anfangen solte; doch er faste sich noch so viel / daß er den Kutscher zuschrye / er möchte nur still halten / und hierauf striche er das Fräulein mit dem bey sich habenden Balsam an / wodurch sie in etwas wieder zu sich selber kame.
Wie er aber noch mit ihr zu thun hatte / waren seine Leute durch der Teutschen Tapferkeit so dünne worden / daß sie sich an dem Rittmeister ergaben /und dieser alsdenn zu der Carosse gerennt kame.
Der Anblick einer so schönen Dame, die seine Leute verwundet / erbitterte ihn alsofort gegen den /der so unbedachtsam gewesen; weil es aber keiner wolte gethan haben / bathe er sehr höfflich um Vergebung wegen eines Fehlers / welcher nicht ihm / sondern der Unvorsichtigkeit seiner Soldaten zuzuschreiben / und erkündigte sich darauff bey Lionarden ihres Standes / und wohin sie in diesen Lande gedächten.Lionard erdichtete diese Antwort: daß er ein Cavallier / und die verwundete Dame seine Liebste sey /und weil er am Frantzöschen Hofe durch sie in Ungnade kommen / hätte er Teutschland zu seiner Freyheit erwehlen wollen; daß aber seine Diener / die er nur wieder den Anfall der Frantzosen [122] mitgenommen /mit dessen tapferen Soldaten in ein unglückliches Gefechte gerathen / wäre aus Versehen geschehen / weil sie selbige vor einen Frantzöschen Nachsatz gehalten: doch da er nun mit grösten Leidwesen eines andern versichert / und seine Liebste dabey gefährlich verwundet worden / bäthe er zum höchsten / sie zu ihrer nöthigen Verbindung nach der Stadt zu bringen / er wurde vor alle Güte nach Möglichkeit erkentlich seyn.
Der Rittmeister bezeigte sein Mittleiden hierüber /und versprach ihnen gefällige Dienste nach ihren Verlangen zu leisten / weil aber das unaufhörliche Bluten das Fräulein möchte allzuschwach machen / rufte er einen von seinen Reutern / der ein Balbier sonst gewesen / und ersuchte Lionarden, ihr durch diesen verständigen Kerl das Blut stillen zu lassen.
Lionard nahme es mit gröster Danckbarkeit an /und Barsine liesse sich den Arm desto eher verbinden / je weniger sie Empfindung hatte / sondern durch die Besorgung einer mehrern Gefährlichkeit / als der Schuß verursachet / gantz ausser sich selber schiene /und immer aus einer Ohnmacht in die andere fiele. Wie nun der Reuter seine Geschicklichkeit dergestalt erwiesen / daß Lionard keinen schädlichen Zufall anBarsinen weiter zu befürchten / fuhre man mit ihnen gemächlich nach der Stadt Verdun zu.
[123] Daselbst räumte ihnen der höfliche Rittmeister etliche schöne Zimmer in einem vornehmen Gasthause zu ihrer Bequemlichkeit ein / und nachdem er die herrlichste Bewirthung vor sie bestellet / schaffte er auch die erfahrensten Aertzte zu Barsinens völliger Genesung herbey.
Dieses Fräulein war durch das viele vergossene Blut so entkräfftet worden / daß man genug mit ihr zu thun hatte / ehe sich die grosse Mattigkeit verlohre /und sie nach und nach ihre vorige Lebhafftigkeit wieder erlanget.
Lionard indessen nahme an innerlicher Gemüths-Kranckheit zu / wenn er überlegte / daß er Barsinen hier gar wohl verliehren könnte / so fern sie durch Hülffe ihrer Schönheit und der Teutschen Cavalliers sich von ihm zu trennen gesonnen. Dahero wendete er alle Mittel an / sich Barsinens Gunst zu versichern /und lage ihr mit den verbindlichsten Caressen stets in den Ohren / sich gegen seine Treue nicht so hart zu bezeugen / da sie selbige in den Kloster doch gebilliget.
Barsine aber erwiederte nun bey mehrer Freyheit /ihre Meinung zu sagen / wie er sich zuvor durch wohlanständige Mittel / und nicht durch ein Betriegerisches Mädgen den Weg zu ihrer Bekandschafft bahnen sollen; denn weil glückseelige Heyrathen nur bloß durch übereinstimmung der Gemüther wüsten gestifftet werden / wäre sie durch falsche Abschilderung seiner [124] Persohn und Gemüths / als welchen sie eine solche Entführung nicht zugetrauet / erstlich zu etwas verleitet worden / so sie itzo zu wiederruffen die grösten Raisons hätte; und da ihr Hertz kein ungezwungenes Jawort zu seinen Begehren geben könnte / es sey denn / daß er ihre Gunst auch durch besseres bezeugen gegen ihren Vater erwürbe / solte er alle Gedancken zu ihrer Besitzung fahren lassen / biß sie nach Pariß unter Begleitung einiger andern gekommen / und er durch Genehmhaltung ihres Vaters und klügere Conduite, als bißher / ihr Gemüth sich zu eigen gemacht; änderte sie alsdann ihr frey gethanes Versprechen / so sey er rechtmäßig befugt / darüber zu klagen / bey solcher Bewandnis aber nicht.
Bey einer so offenhertziger Erklärung ließ es Barsine noch nicht bewenden / sondern stellete ihm nachdrücklich vor / was für Gefährlichkeiten des Leibes und der Ehre sie seine unordentliche Liebe ausgesetzet / und daß sie durch so schlechte merckmahle seiner rechten Hochachtung ihm auf nichts Gutes zu trösten Ursache hätte / sie wolte aber in Ansehen ihrer ehemahls geleisteten Zusage einen geneigtern Entschluß in Paris von sich geben / wofern er zu ihrer sichern dahin Reise einen benöthigten Paßport an gehörigen Orte auswürckte / und sie mit ehesten unter anderer Begleitung wieder dahin schaffte.
Diese kühne Rede / und ein Ansinnen / welches[125] ihm einzugehen so unmöglich / als seine begangene Ausschweiffung ungeschehen zu machen / setzten ihn in nicht geringe Bestürtzung / und er bereuete numehro fast / daß er sich so weit vergangen: Gleichwohl da er bey den Verlust seiner Güter und Renomeé in Paris auch seine schöne Verführerin zu missen vor unerträglich schätzte / warff er sich zu Barsinens Füssen /und bate mit den verpflichtesten Worten / die ein eusserst entzündeter Liebhaber zu ersinnen weiß / ihn durch ihre Ungnade nicht zu den Unglückseligsten der Welt zu machen / sondern seine Fehler durch ihre Güte zu ersetzen.
Allein wie schwer es fällt / den so tief eingewurtzelten Widerwillen eines Frauen-Zimmers gegen uns auszurotten / und wie wenig die zärtlichsten Seufftzer bey verschlossenen Ohren fruchten / muste auch Lionard bey der ihm ungewogenen Barsinen erfahren: alle seine Beredsamkeit halffe hierzu nichts anders / als sie in ihren Vorsatz zu stärcken / und jemehr er sich diesen strengen Vorsatz zu hintertreiben bemühte /desto hefftiger drunge sie itzo auf dessen Vollziehung / weil er in dieser Stadt als ein halber Kriegs-Gefangener / ihren Willen keine Gesetze vorzuschreiben /worauf sie sich aber in einer andern Gegend die Rechnung zumachen / schwerlich Zeit und Gelegenheit hätte.
Das Fräulein nahm also keine Ausflucht an / undLionard / der mitten in seiner Verwirrung [126] den Ausgang überlegte / wenn er Barsinen durch verstellten Gehorsam nicht von selbst eigener Befreyung abhielte / ergriffe numehro eine listige Masque / und bezeugte mit tausend schmeichlerischen Worten / weil seine Liebe doch einmahl zu solcher Vollkommenheit gekommen / daß sie ihn allen ihren Befehlen unterwürffe / wolte er auch itzo ihr Verlangen mit Vergnügen ins Werck stellen / wo er nur einige Gefälligkeit dafür zu hoffen.
Barsinen war es ein leichtes / etwas zu versprechen / so sie in Paris mit Recht wieder umzustossen / dannenhero zwunge sie sich zu einer äusserlichen Freundlichkeit / und Lionard brauchte durch die höflichsten Caressen gleiche Hofmanier.
Die erste Probe nun von seiner Politischen Ergebenheit ihr zu zeigen / gieng er zu den Rittmeister /und ersuchte denselben / bey den commandirenden General einen Paßport nach Teutschland vor ihn und seine Liebste / (wie er sie nennte)aus zuwürcken / zu desto bessern Nachdruck seines Verlangens er denn tausend Pistoletten versprache.
Der Rittmeister verwunderte sich über ein so trefliches Anerbiethen / und erwiederte / daß er zu dieser Gefälligkeit ohne diß verbunden / und also ohne Verletzung der Höfligkeit seine allzu gütige Offerte nicht wohl annehmen könnte; Allein Lionard rühmte hingegen die ihm und [127] seiner Liebsten vielfältig erwieseneAffection / und nennete es nicht allein eine zuschlechte Erkenntlichkeit dafür / sondern obligirte sich über diß / den seinen Reutern zugefügten Schaden gerne zu ersetzen.
Durch so reichliches Versprechen wurde der Rittmeister so willfährig gemacht / daß er sich bey Lionards vorgegebener Eilfertigkeit Augenblicklich zu dem General erhobe; Lionard aber verfertigte unterdessen einen falschen Paßport nach Franckreich / so /wie ihn Barsine verlangen möchte / und gab seinem Diener in des Fräuleins Gegenwart Befehl / denselben von dem Rittmeister abzuholen. Der Diener war vorhero schon so abgerichtet / daß er den nach Teutschland gemachten Paßport mit dem nach Paris verwechselte / und den letztern Leonarden in Barsinens Zimmer überreichte.
Nun machte er ihr weiß / wie er durch den hiesigen Commendanten bey einem Frantzösischen General in einer etliche Meilen davon gelegenen Vestung so viel ausgebracht / daß sie in wenig Tagen ein Frantzösischer Officier mit noch etlichen Gemeinen auf den Gräntzen / wohin sie der Rittmeister liefern solte / abholen würde / und denn könnte sie mit guter Sicherheit wieder zu ihrem Herrn Vater gelangen / er aber wolte ihr von ferne biß nach Paris folgen / und daselbst erwarten / was ihre Gültigkeit über ihn beschliessen würde.
[128] Barsine glaubte nun zwar seinen Vorgeben in etwas / und liesse sich die Liebe zur Freyheit zu der betrüglichen Hoffnung führen / das schöne Pariß nach so langer Entfernung durch seinen Vorschub wieder zu erblicken; die Begierde aber / von den Rittmeister selber eine beliebte Gewißheit zu erfahren / wiese /daß noch ein kleiner Zweiffel wegen Leonardens Auffrichtigkeit sey / dannenhero schickte sie gleich den Diener an den Rittmeister zurücke / und ließ gar höflich üm seinen Zuspruch anhalten.
Doch ein eintziger Winck von Lionarden, der er dem Diener bey diesem Befehl verstohlen gab / war das Fräulein auffs neue zu hintergehen fähig / indem derselbe seines Herren Meinung gleich verstunde /und die erdichtete Nachricht brachte / daß der Rittmeister ausgeritten.
Wäre Barsine so vorsichtig gewesen / durch ihr Mädgen davon bessere Kundschafft einzuziehen /würde sie Leonardens Concept bald verrücket haben; so aber schläfferten sie seine scheinbare Caressen ein / daß sie seinen Vorgeben und demjenigen gar leichten Beyfall gab / was sie am liebsten gehabt. Er wolte ihr also das Absehen seiner bißherigen Verstellung /wiewohl ihr unwissend beybringen / und ließ sich zu dem Ende einen künstlich zubereiteten Schlaff-Trunck von seinen vertrauten Diener holen / den er Barsinen in der Art und Geschmack [129] eines delicaten Weins so wohl beybrachte / daß sie ohne Argwohn einer schädlichen Würckung Raum / und ihm Gelegenheit gab /das ausgesonnene Vorhaben zu vollbringen.
Denn sobald nur Barsinen eine Schläffrigkeit ankam / und sie das Mädgen / so stets um ihr seyn müste / in ein ander Zimmer zur Ruhe geführet /packten Leonardens Diener mit möglichster Eyl alle Sachen ein / und ob sich wohl das Mädgen hierüber verwunderte / kehrte sich doch niemand nicht daran /sondern man hiesse sie schweigen / oder eines andernTractaments gewärtig seyn.
Indessen hatte Lionard so wohl bey dem Wirthe /wo er logirte / als bey dem Rittmeister alle Richtigkeit gemacht / welcher letztere ihm denn sehr ersuchete / noch etliche Tage zu verziehen / damit er seine Schuldigkeit in dessen Begleitung beobachten könnte / woran ihn itzo die nohtwendige Auffwartung bey dem General verhinderte.
Allein Lionard, der sich von den Rittmeister auch unbemüßiget nicht hätte begleiten lassen / war desto weniger zu dieser ihm beschwerlichen Höfligkeit aeneigt / je erwünschter ihm deren Verhinderung anitzo kam; dannenhero beurlaubete er sich unter verbindlicher Dancksagung vor erwiesene Gefälligkeiten bey ihm / und ritte wieder nach seinen Quartier zu.
[130] Wie er nun daselbst alles nach seinem Befehl parat fand / musten vier Diener eine darzu verfertigte Sänffte in Barsinens Zimmer bringen / worinn das im festen Schlaffe liegende Fräulein gesetzet / und so angebunden wurde / daß sie nicht könnte vor sich oder auff die Seite fallen. Darauff nöhtigte Lionard das Mädgen unter starcker Bedrohung zur Verschwiegenheit / und daß sie sich auff seine eigene Carosse setzete / mit welcher er denn zu mehrer Sicherheit etwas hinter der Sänffte drein fuhre.
Sie kamen ungehindert durch die Stadt auff das ebene Feld / und weil Lionarden die Sänffte zu langsam gienge / muste das Mädgen Barsinen in die Carosse heben helffen / und sich zu ihr neinsetzen: Er aber schwunge sich auffs Pferd / und ritte nebst seinen Dienern / deren er von den gehabten Scharmützel noch zehne übrig hatte / bey der Carossen her.
Sie renneten also etwas stärcker fort / und Lionard schätzete sich in seinen Unternehmen so glücklich, daß ihn nun unmöglich ein weiterer Anstoß begegnen könnte / indem er nicht allein einen benöhtigten Paßport nach Teutschland hätte / sondern auch Barsinen mit besserer Freyheit zu seinen Vergnügen zwingen dürffte wofern sie sich noch länger weigerte: wie er sich deñ fest entschlosse / in dem nechsten Orte dieCopulation von einen Pfaffen verrichten zu lassen[131] und so sie selbige ausschlüge / sey er schon in dem Stande / seine Sehnsucht mit Gewalt zu stillen.
Mit solchen Anschlägen gieng er itzo schwanger /wovon ihm die noch allezeit ehrerbietige estim vor ihre Tugenden und Schönheit abgehalten / und er hatte schon drey Meilen hinter sich zurück geleget /als ihm einer von seinen Leuten berichtete / daß eine Parthey von fernen auff sie zu zureiten schiene.
Lionard sahe sich darnach üm / und wurde gewahr / was der Diener gesaget; wiewohl er sich nun keines feindlichen Anfalls auff den Teutschen Gräntzen besorgete / indem er seinen Paßport auffzuweisen / so machte ihm doch endlich die recht flüchtige Annäherung dieser Parthey so curieus, daß er mit einem bey sich habenden Perspectiv dieselbe betrachtete. Er wurde aber mit Entsetzen innen / daß welche in solcher Lieberey gekleidet dabey waren / als Renard zu führen pflegte / und ein weiteres Nachsinnen brachte ihn alsofort auff die Gedancken / dieser Cavallier würde ihn so lange nachgesetzet haben / biß er nun wegen Barsinens Unpäßlichkeit / die ihn etliche Tage auffgehalten / näher käme; Wie er aber gedachte / daß Renard seinen Weg nicht eben wissen / und so geschwind ohne Anstoß fortkommen können / blieb er etwas zweifelhafftig in seinem Muhtmassen / daß er auch die Carosse nur geschwind voran [132] gehen liesse /und mit den Seinigen langsahm folgete. Unterdessen machte er sich fertig / wo ja eine neue Gefahr vorhanden / lieber selbiger bey zeiten hertzhafftig entgegen zu gehen / als durch furchtsames Zaudern / und da er ohne dieß mit der Carosse nicht entfliehen konte / dieselbige zu vergrössern. Zu dem so encourgirte ihn die wenige Anzahl derer auff ihn zukommenden / die sich über achte nicht erstrecken würden / daß er mit sachten Schritten ihrer wartete: Denn wenn selbige durch das starcke Jagen ermüdet / eins mit ihm zu wagen gelüsteten / wolte er sie mit seinen ausgeruheten Leuten dergestalt empfangen / daß ihnen sothane Kühnheit bald gereuen solte.
Nun war es Renard in der That / welcher als ein erhitzter Löwe / dem man seine Beute wieder geraubet /Lionarden verfolgte / und durch genaues Nachforschen nicht allein dessen genommene Wege erfraget /sondern auch wegen seines Stillliegens in Verdun, durch unermüdetes Rennen / und einen zu seiner Sicherheit gleichfals ausgewürckten Paßport ihn so weit ohne Verzögerung ereilet.
Anfangs machte ihn Lionardens gemächliches Reiten etwas stutzig / und er meinte / daß es vieleicht jemand anders seyn könte / sonsten er ihm mehr Eilfertigkeit zutrauete; allein da er ihn endlich an der Liberey erkennete / und desto geschwinder die Carossen voran fahren sahe / [133] urtheilete er gleich / daß er selbige erst in Sicherheit zubringen gedächte / und hernach seiner mit ohne diß mehreren Leuten erwarten würde.
Die Begierde / seinen so nahen Leit-Stern in Barsinens Person nicht weiter zu verliehren / und von seinen Feinde rechtmäßige Rache zu nehmen / feureten also sein Gemüth unbeschreiblich an / und das Blut wallete vor Freuden und Zorn in seinen Adern / da er diese längst gewünschte Gelegenheit einmahl vor Augen sahe / seinen entbrandten Muth zu kühlen.
Wie er nun biß auff hundert Schritte nebst acht wohl ausgerüsteten und Handfesten Dienern sich genähert / und Lionard immer noch sachte fort ritte /wolte er nunmehro seine Leute von den hefftigen Jagen sich auch erholen lassen / und avancirte also gantz gemach. Allein Lionard, der das Absehen erriethe / hielte nicht vor rathsam seinem Feind die Ruhe zu einen bessern Angriff zu verstatten / sondern rückte alsofort denselben entgegen.
Renard nun / in dem Liebe und Ehre mehr Courage als in jenem Verwegenheit entzündeten / hielte die ersten Pistolen durch eine geschickte Wendung seines Pferdes ohne Schaden aus / und obgleich einer von den seinigen verwundet wurde / hatten doch die ihrigen einen bessern Nachdruck / indem drey von Lionardens Leuten ins Graß beißen musten: Die übrigen Pistolen [134] waren auff beyden Seiten gleicher Würckung / und verwundeten nur zweyen die Arme und einen das Pferd.
Darauff griffe Renard zu seinen Degen / und satzete auf Lionarden mit diesen Worten zu: Verwegener Räuber! ergib dich / oder du must des Todes seyn. Nicht vor der Zeit geprahlt antwortete er / und stoßte damit in voller Stärcke auf Renarden zu; Doch dieser nahm den Degen geschickt aus / und wolte mit den seinigen Lionarden durchbohren / weil aber das Pferd zurück sprunge / traffe er solches an statt seines Herrens / daß es zur Erden stürtzte. Lionard war geschwind auff die Beine / und da ihn unterdessen einer von seinem Dienern secundirte, welchen aber Renard bald auffopfferte / attaquirte er ihn wiederum zu Fuß. Seine andere Leute / die noch standhafft bey ihm hielten / halffen ihn wieder zu Pferd / und das Gefecht war so hitzig / daß von Lionardens Seiten noch zwey von Renarden aber einer darnieder gestrecket wurde /ohne die Verwundeten; Wie den Renard selber einen Stoß in den lincken Arm bekam / weil nach Lionardens vorher gegebener Ordre fast alles auff ihn allein zusetzete. Doch seine tapffere Faust / die den Streit gerne ein Ende machen wolte / drunge so hefftig aufLionarden zu / biß er ihm einen Stoß unter die lincke Brust versetzete / daß dieser unter den Worten / O Renard! zu Boden sang.
[135] Dieser glucklich gelungene Streich brachte auch die übrigen zur Raison, daß sie sich gefangen gaben; und da sich Lionard so sehr in seinem Blute weltzete mäßigte Renard auch mitten in seinem Grim die hefftigsten Affecten, und bereuete das unglückliche Schicksal dieses verzweiffelten Lieohabers. Er sprang demnach vom Pferde / und befahl einen bey sich habenden Balbier / den man in dergleichen Fallen selten misset /daß er nach Möglichkeit das Blut stillen / und nach der Wunde Beschaffenheit sehen solte; Lionarden aber bestriche er mit dem köstlichen Balsam / welcher er stets bey sich zu führen gewohnt / und versuchte auff alle Art / ihn wieder zu recht zu bringen.
Allein der Verstand entginge hier zugleich mit den Lebens-Geistern / und der häuffige Schaum / der ihm vors Maul trat / gab die letzten Kennzeichen seines übrigen Lebens von sich. Es wehreten also wenig Augenblicke / so war es gar mit ihm aus / und man hatte nun nichts andersmit ihm zu thun / als wie man ihn biß zu den nechsten Flecken zur Beerdigung bringen wolte.
Zwey seiner überbliebenen unverwundeten Diener musten ihn demnach auff die Pferde vor sich nehmen /und damit nebst ihren andern Cammeradern fortreiten / Renard aber achtete eine Minute weiter zu versäumẽ vor höchst schädlich / die er nicht zu Erreichung seiner geliebten Barsine anwendete / weil selbige schon so weit voraus / [136] daß er sie gar aus dem Gesichte verlohren. Er ritte also hurtig zu / und weil er die Strasse vor sich sahe / die Barsine mit der Carosse genommen / hielte er sich immer auff selbiger / und meinte desto weniger in seiner Nachfolge zu fehlen.
Allein er mochte so geschwind jagen als er wolte /so konnte er doch nirgends die Carosse wieder in die Augen kriegen / und seiner Sehnsucht war vor dißmahl noch ein weites Ziel gesteckt: Indem er aber nur desto schärffer zu rennte / je mehr Zeit / ohne sie zu ereylen / vorbey striche / erblickte er endlich eine Carosse ausser der rechten Strasse abwerts fahren /wohin er sich denn alsofort auch wendete / in Meynung / seine Barsine zu finden.
Es wehrete fast eine gute halbe Stunde / ehe er sich selbiger recht nahete; und wie er darinnen eine Dame von nicht gemeiner Gestalt nebst einen Mädgen sahe /machte ihm dieses die vergnügte Rechnung / daß nun vielleicht seine angewandte Mühe die süsse Belohnung erhalten / und er Barsinen angetroffen.
Er grüssete demnach die Dame gantz ehrerbiethig /und bathe mit einer bescheidenen Art / seiner Kühnheit zu pardonniren, daß er nach den glücklichen Ort fragte / welchem eine so schätzbare Visite einer annehmlichen Damen gegönnet sey. Diese freye Ansprache befrembdete die Dame in etwas / doch weil sie gantz höflich eingerichtet / antwortete sie mit einer wohlanständigen [137] Mine / wie sie einer von ihren Befreundinnen auff einen nahe gelegenen Adelichen Schlosse zusprechen würde.
Renard, der nicht wuste / ob er hier recht oder unrecht ankam / fragte ferner / ob ihm die hohe Ehre nicht erlaubet sey / sie biß dahin zu begleiten / weil er seinen Weg ohne diß vorbey nehmen müste / und unterdessen die Zeit nirgends vergnügter als in der Unterhaltung einer recht schönen Damen passiren würde; wie ihm nun dieses die Dame aus Wohlstand nicht abschlagen konnte / willigte sie in sein Begehren / und er ritte neben der Carosse her / wobey er sie denn sehr geschickt in Discoursen unterhielte / üm dadurch endlich auff die rechte Materie zu kommen /wo er in der Person nicht irrete.
Die Dame gab ihm hierzu bald Anlaß / indem sie bey Ersehung seines mit Blut gefärbten Kleides sich dessen Ursache erkundigte: Renard wolte nun selbige mit Fleiß auff die Bahne bringen / und also erzehlte er ihr kürtzlich die gantze Avantüre / die sich mit ihm und einem Parisischen Fräulein zu getragen / da er denn itzo erst zu eines so falschen Freundes gebührende Abstraffung Gelegenheit überkommen / nun aber sehr begierig sey / zu wissen / wo das Fräulein ihren Weg müsse hingeno en haben: Ja er gestunde gar seine Muthmassung / wie er selbige in dieser Carosse zu finden vermeinet / weil er sonsten [138] keine andere gesehen / und deßwegen möchte sie seine Dreusdigkeit desto gütiger auslegen.
Die Dame, welche weder Barsine von Person noch recht vollkommener Gestalt war / hörte diese seltzame Begebenheit mit unterschiedlichen Affecten an / und weil sie Renard gar artig vorgetragen / hegte sie nicht allein ein Mitleiden mit ihm / sondern liesse sich seine ansehnliche Person und gute Conduite zu den Wunsch bewegen / in der That die jenige zu seyn / die er suchte.
Doch sie bekennete ihm nur die ersteren Gedancken / als eine höfliche Condolentz wegen seines widerwärtigen Liebes-Verhängniß / tröstete ihn aber mit der Hoffnung / daß er darinnen einst desto vergnügter werden könnte / und versicherte anbey / wo er ihr und ihrer Befreundin auff den nechsten Schlosse die Ehre seines Zuspruchs nur einen Tag gönnen wolte / wäre sie so willig als verbunden / durch ausgeschickte Leute an unterschiedenen Orten sich seines geliebten Fräuleins zu erkundigen / weil sie in so kurtzer Zeit nicht weit würde kommen seyn: In übrigen solte er sich immer die Gedancken machen / daß sein Fräulein von weit mehr Annehmligkeiten als diejenige seyn müsse / die er anfangs davor gehalten / sonsten sie der estim eines so galanten Cavalliers nicht würdig.
Renard erkennete hieraus mit einen kleinen Verdruß / daß er sich an den unrechten Ort verfüget / undBarsinen einzuholen / dadurch [139] sey abgehalten worden / doch weil er durch dieser complaisanten Damen geneigtes Anerbiethen / seine Fräulein suchen zu lassen / wieder einige Hoffnung schöpfete / er könte vielleicht zu seinen Wunsch eher gelangen / wenn sich die Dame durch Leute / die dieses Landes recht kundig / darum bemühete / an Statt daß er wohl lange vergebens und zu seinen noch grössern Verlust herum irrete / so war ihm dieser Zufall nicht eben sehr zuwider / und er erwiese sich in allen so verbindlich gegen die Dame / als er vor zulänglich hielte / sie zu der angebohtenen Gefälligkeit noch mehr zu persvadiren.
Arminde, so hieß die Dame / gab diesen Schmeicheleyengar geneigtes Gehör / und jemehr ihr dessen Person und Qualitäten gefielen / desto inbrünstiger wünschte sie / daß seine Caressen mit dem Hertzen möchten übereintreffen / da er zumahl ein angesehener Cavallier am Frantzösischen Hofe / und also ihren Ehrgeitz und Vergnügen keine vortheilhafftere Partie als diese sey.
Mit so süssen Phantasien letzete sich schon Arminde, da sie seine Conversation kaum angefangen zu geniessen / und wie unter allerhand gefälliges Schertzen / darzu sie meistens Anlaß gab / das erwehnte Schloß von ihnen erreichet wurde / nöhtigte ihn Arminde nochmahls inständig mit hinein / und erbohte sich alle Verantwortung deßwegen auff sich zu nehmen.
[140] Allein vergleichen Sorge war hier gantz unnöhtig /weil der Herr dieses Schlosses / als Armindens Befreundter / bey Renardens erkundigten Stand so höflich war / daß er Arminden vor die ihm hierdurch geschenckte Ehre einen so ansehnlichen Cavallier zu bedienen / noch vielfältig danckte / und nur bey Renarden üm ein gütiges Auffnehmen des Tractaments bitten liesse / so er nicht nach dessen Würden verschaffen könnte.
Mit dergleichen Ceremonien wurde er auch von der Liebsten dieses wohlbegüterten Edelmanns empfangen / und so bald nur Renard Arminden ihr gütiges Versprechen erinnerte / erzehlete sie also fort diese Begebenheit ihren Anverwandten mit kurtzen Umbständen / und dathe umb Vollziehung der Affection, darauff sie Renarden vertröstet.
So andächtige Zuhörer sie nun bey Renardens wunderwürdigen Zufall gewesen / so willfährig bezeigten sie auch ihre Dienste / denselben nach ihren Vermögen zu ändern / und der Edelman ruffte alsofort vier seiner gescheutesten Leute / damit sie Renard in den zu wissen nöthigen Sachen unterrichten / und sie ihre Mühe zu seinen dessern gefallen anwenden möchten.
Nun beschriebe ihnen Renard ihre Person und Kleidung / wie er sie von Doris und auch Lionardens Dienern erfahren / und gab jedweden einen darnach angerichteten Brief mit / daraus [141] Barsine nicht allein den bißherigen Betrug / sondern auch seine Hand nach den erst erhaltenen Briefe / von ihm leicht erkennen / und also seiner entweder daselbst erwarten /oder ihm das höchst-gewünschte Glück ihrer angenehmsten Gegenwart auff diesen Schlosse geben könnte.
Mehr wuste ihnen Renard nichts zu sagen / als daß er dem jenigen dem besten Recompens versprache /welcher ihm die vergnügteste Zeitung bringen würde; Nur Arminde hatte bey diesen Leuten in geheim noch etwas vorzubringen / dannenhero zohe sie einen jeden auff die Seite / und beredete selbigen mit etlichen Ducaten / seine Zurückkunfft eben nicht zu beschleunigen / sondern wenn er etliche Tage drüber ausgewesen / solte er hernach vorwenden / wie man sie nirgendswo erfragen können; Denn dieses / setzte Arminde hinzu / wäre ihres Herrn eigener Befehl / ob er sich gleich aus gewissen Ursachen gegen den Cavallier anders anstellete / und solte er vor seine Verschwiegenheit schon noch ein ander Tranckgeld bey ihr bekommen. Ein jeder von diesen liesse sich durch das Gold und Armindens falschen Worten / als ob dem Edelman selber was dran gelegen / so weit verführen / daß sie ihre Treue lieber dieser Damen oder ihren Herrn wiedneten / als einem Frembden / und also ritten sie unter theurer Zusage ihres Gehorsams zusammen fort.
[142] Arminde bekümmert sich wenig üm das Müßvergnügen / so Renarden hierdurch begegnen möchte /sondern war mehr auff ihre eigene Zufriedenheit als eines andern Ruhe bedacht; Denn weil doch dieser Cavallier schon bey ihren ersten Anblick ein gar gütiges Auge auff ihre Gestalt geworffen / indem er sie vor Barsinen angesehen / so vermeinte sie als eine junge und feurige Wittwe / dessen Ergebenheit folgends zu gewinnen / wenn er bey verlohrner Hoffnung / sein Fräulein wieder zu finden / durch ihr charmante Minen zu einen Bündniß mit ihr angereitzet würde.
Sie führte sich demnach sehr complaisant gegenRenarden auff / und weil es dieser als eine ihr gewohnliche Höflichkeit auffnahm / sparte er hingegen keine Flatterien / ihr dadurch sein verbundenes Gemüthe so wohl vor die schon erwiesene Güte zu zeigen / als daß sie sich noch ferner angelegen seyn liesse / ihm in Ausforschung seines Fräuleins geneigte Hülffe zu leisten. Wiewohl nun dieses Compliment ihr eben so angenehm nicht war / da es nicht ihre /sondern einer andern Person Gewogenheit zum Grunde hatte / so wuste sie deñoch sehr wohl zu simuliren / und drehete die Discourse von dieser verdrießlichen Materie gleich auff was anders / welches mehr zu ihren Vortheil schiene.
Doch Renard bemüthe sich nicht sonderlich / die verblümte Redens-Arten nach ihren [143] Wunsch auszulegen / worinnen sonst ungebundene Cavalliers bey galanten Damen sehr hurtig / und seine zu weilen gantz ernsthaffte Minen gaben Arminden genugsam zu verstehen / daß er seine Gedancken anderswo verpachtet.
Sie sanne etwas nach / wodurch sie seine Schwermuth vertreiben / und die unruhigen Geister zu einer freyern Bedienung ermuntern möchte / und weil ihr eine annehmliche Music darzu am vermögensten schiene / als durch welche die Liebe auch in den Kaltsinnigsten zuweilen angefeuret wird / entschlosse sie sich / den morgenden Tag gleich hiezu Anstalt zu machen: Denn jtzo hinderte sie die späte Abend-Zeit und Renardens ermüdete Glider daran / welche sich ohnfehlbahr eher nach der Ruhe / als einer andern Lust sehnen würden.
Man hielte also die Abend-Taffel und nach deren Endigung warff Renard seinen Leib ohne langes Verweilen in die Federn / seine Gedancken aber auff viele Irrwege / wo er irgends Barsinen anzutreffen vermeinte. Er schickte ihr mehr als tausend Seuffzer /und wünschte nur / daß doch die glückselige Stunde einmahl anbrechen möchte / darinnen er ihr durch persönliches embrassiren denjenigen zeigte / welchen sie ihrer Gunst am ersten gewürdiget: Denn da sie bißher durch Lionardens listigen Betrug in einen schädlichen Irrthum seiner Person halber gestecket / sehnte er [144] sich hertzlich / ihr solchen bey zeiten zu benehmen / ehe sie durch den starcken Wiederwillen gegen den falschen Renard und aus Besorgung / derselbe möchte sie wieder einholen / zu einen Entschluß verleitet würde / der ihm hernach bey unmöglicher Enderung die vergnügtesten Stunden seines Lebens raubte.
Die zärtliche Liebe gab ihm so sinnreiche Einfälle zu Vermehrung seiner Marter / daß er dafür kein Auge dem Schlaff einräumete / sondern sich lauter wachende Träume machte; denn bald führte sie ihn zur Betrachtung ihrer Schönheit / und wie selbige viel Anbethers erwerben / sie aber bey einen gefälligen Gegenstand ihre Freyheit mit willen verkauffen könnte / da man ihr selbige auff eine unanständige Art ohne diß zu nehmen gedächte; bald aber wiese sie ihm in Geiste ein ander Closter / darinnen sich Barsine aus Verdruß des eitlen Lebens wieder eingesperret /weil sie selbiges in kurtzen so bitter auff der Welt gefunden; und was dergleichen unruhigen Sorgen mehr waren / die ihm die Besitzung eines so schönen Fräuleins zweiffelhafftig machten.
Endlich sagte seine ihm allzeit beywohnende Vernunfft einen Theil der Schmertzen von sich / und hiesse ihn auff die Zurückkunfft der ausgeschickten Leute warten / welche vieleicht einen angenehmen Begleiter / oder doch beliebte Gewißheit [145] von denselben brächten / dadurch er seiner unzeitigen Quaal überhoben würde.
Mit so mancherley verliebten Träumen war seine Seele wachend beschäfftiget / und weil sie in dem steten Andencken Barsinens eine Zufriedenheit fande /wiednete sie selbiger sich so gar / daß auch die Gold empflamte Morgenröthe sein Zimmer durchaus färbte / und ihre Blicke nicht munterer auff seine Brust / als er die Augen des Gemüths auff Barsinen wendete.
Doch seine Unruhe hatte eine Gefährtin an Arminden, deren Gedancken zwar nicht so weit als die seinige herüm schweifften / aber in einen engen Zimmer / worinnen er lage / so weitläufftige Uberlegung ihres künfftigen Verhängnißes antraffen / daß sie den Schlaff ebenmäßig verbannen muste. Nachdem nun der heitere Himmel sein gläntzendes Licht der Welt von neuen mitheilete / schmeichelte sich Arminde, die Sonne ihrer Vergnügung nun gleichfalls zu erblicken /und da ihr Geist im schwartzen Schatten die lieblichsten Strahlen von ihr nach seiner Phantasie genossen /hoffte sie auch bey hellen Tage und in seiner persönlichen Conversation ein solches Glück zu gewinnen.
Sie machte sich also geschwind aus den Federn /und bewegte dadurch die noch im Bette ruhende Louyse, (so hiesse des von Adels seine Liebste) daß sie gleichfals so zeitig auffstand / üm mit ihr zu überlegen / was vor ein Divertissement sie [146] dem frembdẽ Cavallier anheute machte / Arminde schluge gleich eine annehmliche Music vor / dadurch seine ohne diß schwermüthige Gedancken ermuntert würden / und sie den Ruhm behielten / daß sie ihm die Zeit allhier wohl vertrieben. Louyse stimmte zwar mit bey / sagte aber / daß man eine rechte Lust zu machen / einer grössern Compagnie benöthiget / und dahero wolten sie noch zwey benachbarte Fräulein nebst zwey /junge von Adel invitiren lassen / denen es sonderlich würde angenehm fallen / in Renardens galante bekandschafft zu gerathen.
Allein diesen Vortrag billigte Arminde nicht gäntzlich / sondern bemüthe sich Louysen zu bereden / daß sie nur den einen jungen von Adel nebst einen Fräulein zu bitten / weil sie gewiß wüste / daß der ander etwas verreiset / und es besser / daß die Compagnie schwächer als ungleich sey.
Die rechte Ursache aber / die Arminden zu einer wiedrigen Meinung bewegte / war der andere junge von Adel / Bellarde Nahmens / welchen sie nicht gerne in Renardens Gegenwart leiden wolte; Denn weil sie ihm bißhero wegen seiner gegen sie bezeigten Liebe einige Hoffnung zu ihrer Gunst gemacht / Renard aber nun grössern Antheil daran hatte / schienen ihr Billardens vermuthete Klagen nur eine Hinderniß ihrer freyen Unterredung mit Renarden zu seyn / dannenhero suchte sie nach Möglichkeit seinen Zuspruch abzuwenden.
[147] Ich weiß aber nicht / wie Louyse sich Renardens Wesen dermassen gefallen lassen / daß sie seine Bedienung vor andern wünschte / und Arminden so wohl als ihren Mann gern etwas anders verschaffen wolte /damit sie in ihrer eingebildeten Freude nicht gestöhret würde: Nun war sie scharffsichtig / und merckte leicht / wohin Arminde mit der Erfindung zielete: Bellarde sey verreiset; Weil sie ihr aber einen so genauen Auffseher gönnte / der alle ihre vorgenommene Caressen gegen Renarden unterbrechen könnte / sagte sie zwar zu / nicht nach Bellarden zu schicken / ingeheim aber schriebe sie folgenden Brief an ihn.
Bellarde.
Eure Conduite hat sich bey mir in so gute estim gesetzet / daß ich von selbiger die rühmliche Rechnung mache / sie werde eine anvertraute Sache / woran euch viel gelegen / mit kluger Verschwiegenheit ehren. In dieser Confidence berichte euch / daß Arminde gestern einen Cavallier aus Paris von ohngefehr in mein Schloß geführet / und selbigen durch eine Music heute zu ergetzen Willens ist. Er ist galant, und scheinet euch gefährlich bey Arminden [148] zu seyn / weil selbige meinen Vorschlag / euch mit in Compagnie zu ziehen / nicht wolte gelten lassen / sondern mit der sinnreichen Entschuldigung fertig war / ihr wäret verreiset. Urtheilet hieraus nach euren reiffen Verstande /was hier am rathsamsten sey / und so ihr Armindes Concept durch eure persönliche Erscheinung verrücket / wird es eurer Liebe am zuträglichsten seyn. Nehment aber eine kluge Verstellung zu Hülffe / und glaubet / daß wo ihr dieses als ein Geheimniß bey euch verwahret / wird aus billiger Hochachtung eurer Qualitäten nach Vermögen euer Vergnügen weiter zu befördern suchen.
Louyse.
Mit diesen Billet fertigte sie einen Diener nach Bellarden, und zugleich zwey andere an die übrigen Fräulein und den jungen von Adel ab / welche sie sehr höflich zu der angestelten Ergötzlichkeit invitirten.
Bellarde empfing diese unvermuthete Zeitung gleich / da er nach Armindens Schlosse einen spatzier-ritt thun wolte: er wunderte sich also zum höchsten über die schlechte Beständigkeit [149] eines Frauenzimmers / und wie selbiges durch ein frembdes Gesichte so leicht bethört würde / daß es ihre vorige Gewogenheit änderte / und so gar keine Reflexion auff die Ehre ihres gethanen Versprechens machte / da sie doch noch ungewiß / ob jenem an ihr so viel würde gelegen seyn.
Dergleichen Gedancken von einer übel eingerichteten Conduite hätten ihn bald zu den Entschluß verleitet / sie großmüthig verachten zu lernen / weil ihr der Wechsel nicht theuer zu stehen käme; Allein die hervor kämende Eyfersucht verriethe / daß sein Hertze so was einzugehen nicht standhafft genug wäre / und daß sein übereiltes Unternehmen nur eine zu späte Reue gebähren dürffte / wenn nach gemäßigten Zorn die Liebe in seiner Brust wieder zu herschen anfienge.
Er ändert also sein Vorhaben desto eher / je weniger Vermögen er hatte / solches zu vollziehen / und schmeichelte sich / wie seine Gegenwart Arminden vieleicht so viel Nachsinnen erweckte / daß sie in sich gienge / und die ihm einmahl gegebene Hoffnung zu ihrer Gegengunst nicht unrechtmäßig zu Grunde richtete. Zu dem nahme er sich vor / durch alle ersinnliche Caressen ihr Gemüth gäntzlich zu gewinnen / und da er Louysen auff seiner Seiten hatte / bildete er sich so viel mehr einen glücklichen Ausgang ein.
In so füsser Persuasion gelangte er auff [150] Louysens Schloß an / und wurde von dieser mit weit mehr Zufriedenheit des Gemüths empfangen / als von Arminden, die er durch so unversehene Ankunfft gantz bestürtzt machte. Sie konnte nicht begreiffen / wo das Unglück Bellarden eben zu der Zeit und Stunde herführete / da sie seiner am wenigsten erwartete / und deswegen sie bey Louysen auch vorgebauet; doch üm ihren Verdruß nicht so gleich mercken zu lassen /empfing sie selbigen mit gezwungener Freundlichkeit / und Bellarde beobachte Louysens Lehre zu folge gleiche Verstellungs-Kunst.
Nach erst gewechselten Ceremonien betrachteteBellarde Renardens Person / die ihm gefährlich beschrieben worden / etwas genauer / und fande nicht so wohl eine seltene Gestalt als viel artiges in seinẽ Wesen / dadurch ein Frauenzi er endlich zu charmiren sey: Dabey nahm er aber Armindens Aufführung gegen sich und denselben sehr wohl in acht / und observirte mirten in ihrer gefälligen Art zuweilen eine melancholische Mine / die er bey ihr von Natur lustigen Complexion niemahls gewohnt gewesen / dahero er solches vor einen heimlichen Wiederwillen über seine Gegenwart auslegte.
Indessen kamen die eingeladene zwey Fräulein nebst den andern von Adel gleichfals / und weil also die Compagnie voll / schaffte Louyse auch Music an.
Nun gieng es anfangs gantz indifferent [151] zu / und ein jedes mäßigte seine Affecten so / daß man durchgeheñds eine wohl anständige Freymüthigkeit und nichts als galantes Schertzen spürte. Insonderheit war Louyse, als eine gar artige Dame sehr bemüth / ihren Gästen allerhand Ergätzlichkeiten zu machen / dannenhero regte sie zum Tantzen an / und Arminde muste Renarden darzu aufffodern. Sie erwiesen beyde / daß sie in dieser Ubung nicht ungeschickt waren /und Arminde hatte sonderlich ihren Gefallen daran /da sie alles an diesen Cavallier vollkommen befande.
Nach diesen traff die Reyhe auch die übrigen / und man fuhr darinnen so lange fort / biß sie etwas ermüdet ihren Zeitvertreib in einem andern Spiele suchten.
Wie nun der delicate Wein die Geister erhitzte /und diese mehr als zu vor zu der Liebe angefeuret wurden / liesse auch Bellarde seine Passion vor Arminden deutlicher blicken / und bediente sie euserst. Diese hingegen suchte sich allezeit mannierlich von ihm loß zu wickeln / üm Renardens Conversation theilhafftig zu werden / welcher sich mit Louysen in einen Discours begeben / indessen daß ihr Liebster als ein lustiger Mann mit einen andern Fräulein kurtzweilete / und wegen Louysens bißheriger guter Conduite keiner Chalousie Raum gab.
Arminde wolte demnach Bellarden bereden / wie ihr sonderlich diese Qualität an einer [152] Person gefiele /wenn sich selbige gleichgültig in Compagnie bezeigte / und das jenige am meisten bediente / welches man am wenigsten leiden könnte / denn dadurch erwürbe man den Ruhm einer geschickten Herrschafft über seine Affecten, und die gesparte Vertraulichkeit sey hernach / wenn man einsam / doppelt wieder einzubringen. Allein ob Bellarde diese Maxime eines politischen Amanten sonsten gleich billigte / konnte er sie doch itzo nicht gelten lassen / weil sie ein gantz wiedriges Absehen hatte / dahero blieb er ihr wenig von der Seiten / und so sie ja einen Augenblick mit Renarden allein zu reden / mischte er sich doch gleich wieder drein.
Louyse liesse ihr noch weniger Zeit / zu ihren Zweck zu gelangen / und es war also recht artig anzusehen / wie diese drey Verliebten einander so listig zu hinter gehen suchten / und keines doch in seinen Verlangen recht glücklich wurde.
Was nun Renarden anbelangete / so hatte er meistentheils seine Gedancken bey Barsinen, ob er gleich mit Louysen euserlich schertzete: wie aber der hitzige Wein seine Sorgen in einem Rausch vergraben / undLouyse durchreitzende Minen und Verpflichtungen ihm ihre Affection je mehr und mehr zu erkennen gabe / sahe er diese Damen ebenfalls mit entzündeten Augen an.
Die denen Frantzösischen Cavallieren ohne biß eingethümliche Schmeicheley wurde also [153] auch vonRenarden nicht gesparet / und seine verliebten Anfälle überwunden die zum Accord geneigte Louyse ohne Mühe / daß sie sich auch selber zu Vergnügung ihrer Liebe so willfährig erbothe / ihm diese Nacht eine Visite in seinen Zimmer zu schencken.
Weil sie aber Bellarden wegen seiner Gefälligkeit /und das er durch Armindens fleißige Bedienung ihr freyern Raum mit Rernarden verschafft / einen gleichen Dienst erweisen wolte / über diß auch Arminde ihrer Wallfahrt hinderlich seyn könnte / weil durch ihr Zimmer der sicherste Weg nach den gienge / das Renard zu besserer Bequemlichkeit vor das erste heunte beziehen solte / so stellete sie solches Renarden vor /und bathe ihn zu glücklicher Ausführung ihres Vorhabens / er möchte sich doch zum Schertz in Arminden verliebt stellen / und sie dahin bereden / daß sie ihm diese Nacht ihre Gewogenheit in seinen Zimmer zu erkennen gäbe: Sie wäre frey und gegen ihn entbrandt / und würde unter der Hoffnung einer Heyrath alles eingehen: An seine Stelle aber als in vorigen Zimmer solte sich Bellarde verfügen / und so er die Person /wie den nicht zu zweiffeln / wohl gespielet / müste sie sich hernach den Betrug selber zu schreiben / daß sie das rechte Zimmer verfehlet / er aber könnte sich zum Schein noch drüber beklagen.
Renard nun / den ihre kühne Liebe und die [154] halbe Trunckenheit gantz bezaubert / rühmte noch ihre Erfindung / und machte sich darauff an Arminden; diese willigte zwar gleich in seine Liebe / aber aus verstellter honneteté nicht so leicht in sein Ansuchen; Weil sie aber überlegte / daß er in seiner Hitze am besten dadurch zu fässeln / ehe er aus vor gewidneter Zärtlichkeit gegen sein Fräulein auff andere Gedancken geriethe / versprach sie ihm endlich diese Affection als halb gezwungen.
So bald nun Louyse einen Winck von Renarden bekam / mischte sie sich unter ihre Reden / und da er anderswo hin gieng / rühmte sie gegen Arminden diesen Cavallier / und ersuchte unter den Schein der Vertraulichkeit / welche sie sonsten gar genau verbande /ihn nicht aus dem Garn zu lassen / weil er die grosseestim von ihren Annehmlichkeiten bereits gegen sie gestanden / und Barsinen durch die Abwesenheit und in Vertauschung etwas galanters zu vergessen schiene. Doch dieses Errinnern war unnöthig bey Arminden, weil sie ohne diß allen ihren esprit zu Versicherung Renardens Ergebenheit anwendete: es gefiele ihr aber ungemein wohl / daß Louyse an ihrer Zufriedenheit so sorgfältig mit Theil nahme / und dahero erzehlete sie ihr ausser den nächtlichen Rendevous seinen gantzen Liebes-Antrag.
Nachdem nun Louyse durch eine gefällige Gratulation zu der bevorstehenden glückseligket [155] Arminden in ihren Betrug gestärcket / zohe sie mit guter ManierBellarden auff die Seite / indessen daß Renard Arminden wieder bediente.
Bellarden kränckte der innerliche Verdruß über Armindens spröde Bezeigung ungemein sehr / und ob er ihn gleich nicht öffentlich zu verstehen gab / konnte ihn doch Louyse aus seinen verstörten Gesichte deut lich genug lesen. Es war ihr sonderlich angenehm /daß er sich hierüber ärgerte / üm eine desto verbindlichere Dancksagung hernach zu gewinnen / wenn sie seine Marter mit einer solchen Vergnügung vertauschte / die er wegen ihrer Vollkommenheit sich nimmermehr so geschwind eingebildet. Sie fragte ihn demnach in geheim um die Beschaffenheit seines Hertzens / und ob er wohl mit geruhigen Gemüthe vertragen könnte / daß Arminde so merckliche Kennzeichen ihrer Affection gegen Renarden spüren liesse / ohne auff seine rechtmäßige Anforderung an sie zu regardiren.
Bellarde brauchte hier keine Verstellung / sondern indem er seine Klagen häuffig bey Louysen ausgeschüttet / bathe er sich ihre Rathschläge zu Beförderung seiner Zufriedenheit aus. Louyse versicherte /daß sie vorlängsten darauff bedacht gewesen / und endlich wohl ein Mittel zu seiner vollkommenen Glückseligkeit erfunden / wenn er anders damit Lebens lang verschwiegen und behutsam gehen wolte.
[156] Wie auffmercksam Bellarde bey diesen höchst beliebten Vortrag gewesen / ist aus seiner hefftigen Entzündung leicht zu schliessen: er obligirte sich zu verschwiegen- und ewig wehrender Danckbarkeit vor eine so unschätzbare Güte / und erwartete mit Verwunderungs-voller Begierde / wie sich Louyse erklären würde. Darauff erzehlte sie ihm / wie Arminde aus sonst gewohnter Vertraulichkeit die grosse estim gestanden / die sie gegen Renarden trüge / daß sie sich auch gar durch die übermäßige Liebe und auff sein inständiges Bitten bewegen lassen / ihm eine nächtlicheVisite zu geben: Nun könnte er aus ihrer heutigen Bemühung / Renarden zu gefallen / leicht die Ursache urtheilen / daß sie ihn nehmlich auff solche Art zu binden suchte / ehe er bey vergangener Hitze seinen leichtsinnigen Wechsel wegen Barsinens bereuete; Weil sie aber Armindens tadelhaffte Aenderung ihrer ihm als Bellarden versprochenen Treue nicht billigen könnte / und ihr die Vergnügung eines so wehrten Freundes weit angenehmer als eines Frembden sey /der nach genossener Gunst Arminden wohl gar möchte sitzen lassen / so hätte sie zu seinen und ihren Glücke beschlossen / dergestalt einen Betrug unter den beyden Verliebten zu spielen / daß Renard, wenn er sich zur Ruhe begäbe / unverhofft in ein ander Zimmer solte aeführet werden / welches er in seiner Trunckenheit so genau nicht nehmen würde / [157] er aber müste sich in dessen vorgehabtes Schlaff-Zimmer verfügen /um daselbst eine süsse Umarmung seiner geliebstenArminden erwarten / die mit Verwechselung des Zimmers auch die eingebildete Person mit ihm vertauschen würde: daß sie in übrigen den Betrug nicht merckte / stelle sie seiner Geschicklichkeit anheim.
Nach diesen klärten sich die bestürtzten Minen im Bellardens Gesichte unbeschreiblich aus / und sein Hertz wallete über die im Geiste schon empfindende Wollust von so ungemeiner Freude / daß er sich nicht genugsam bey Louysen dafür verpflichten konnte. Diese aber / welche ihre Flammen auff die entzückeste Art gleichfals zu kühlen anckerte / wolte die Zeit mit leeren Worten bey Bellarden nicht verschwenden / sondern nachdem sie ihn nochmahliger Behutsamkeit erinnert / gieng sie zu den andern / und munterte durch ihre lustige Bedienung die Compagnie dergestalt auff / daß sonderlich ihr Liebster einen derben Rausch bekam.
Endlich machte Louyse bey schon später Zeit dieser Ergetzlichkeit ein Ende / weil sie auff eine weit grössere bedacht war / und Armindens entzündete Gedancken sehnten sich gleichfals nach einer genauernConversation mit Renarden: So bald nun eine Stunde in der fünstren Nacht weiter verflossen / und sie jedwedes in festen Schlaffe vermeinte / schliche sie in einen leichten Nachthabit statt Renardens nach Bellardens [158] Zimmer zu / und Bellarde, der mit unbeschreiblichen Verlangen einer so gewünschten Stunde erwartet / empfinge sie bey dem Eintritt mit einem inbrünstigen Kuße: daß reden wurde mit fleiß gesparet /weil ausser Bellardens Vorsicht auch Arminde aus einer entzückten Verwirrung ihrer Geister wenig darauff dachte / und man ohne Säumniß nach den weichen Federn zu eilte.
Mit was unaussprechlicher Lust dieses feurige Paar einander ebrassiret, und wie erwünscht Bellarde ihre Kaltsinnigkeit gerochen / ist unnöthig / mit genauen Umständen zu beschreiben / weil es der geneigte Leser vieleicht besser als ich weiß; Nur Armindens Einbildung muß man belachen / daß sie bey Renarden gantz allein eine so vollkommene Süßigkeit zu finden vermeinet / welche ihr doch Bellarde mittheilte / und wohl in diesen Stücke Renarden nichts veraus gab.
Wir wollen sie aber biß zu einer angenehmen Ermüdung unter Amors-Gewalt lassen / und sehen / wie weit Renard seine erhitzte Gedancken von der Barsinen zugeeigneten Beständigkeit ausschweiffen läst. Dieser war von starcken Wein und Louysens hefftiger Reitzung gantz bestrickten Gemüths / und in solchen Zustand gelangte er auch in sein Zimmer; Wie aber seine Augen ihr brünstiges Ziel verlohren / und ihm sein Cammer-Diener unter wehrenden [159] auskleiden erinnerte / daß nun bereits der andere Tag verfloßen /ohne durch die ausgeschickten von Barsinen Nachricht zu erhalten / kamen seine Sinnen aus ihren Laberinth wieder auff den vernünfftigsten Weg / und er bereuete den straffwürdigen Vorsatz / Barsinen einen Theil von seiner Gunst zu entwenden.
So viel Zärtlichkeit findet sich in einer edlen Brust / und ob sie die wollüstigen Netze einer andern Schönheit gleich zu fangen vermeinen / wickelt sie endlich doch der Tugend unümschränckten Macht mit preißwürdiger Klugheit heraus.
Renard bathe also auch seine englische Barsine in Geiste tausendmahl üm Vergebung / daß er von der Betrachtung seiner Ergebenheit eine Stunde abgewichen / und war darauff bedacht / wie er mit guter Manier aus diesen Handel kommen / und Louysen als die Uhrheberin seiner beleidigten Treue artig berücken möchte. Darzu schiene ihm sein Cammer-Diener am geschicktesten zu seyn / welcher die Stelle bey Louysen zu vertreten wenig Schwürigkeit machen würde /und in dieser Absicht vertraute er ihm das brünstige Verlangen dieser Damen, mit der Erinnerung / nur seine Person hurtig hierinnen zu spielen / und in übrigen alles seiner Vorsorge und Gefahr zu überlassen. Der Cammer-Diener / welchem so delicate Bißen selten kamen / willigte mit Freuden darein / und [160] wartete nach benöthigten Unterricht mit ungedultiger Sehnsucht auff den Augenblick / welcher ihm zu Ausübung eines so angenehmen Betrugs solte behüflich seyn.
Er dürffte sich mit langweiliger Hoffnung nicht qvälen / weil Louyse nach vernommener WahlfahrtArmindens, worauff sie immer gelauschet / auch alsobald ihren verbothenẽ Schritten folgete / und sich gehaltener Abrede nach durch ein sachtes Händekloffen meldete. Nun gieng ihr Renard zu besserer Ausführung dieser Kurtzweil mit einem Kuße entgegen / und führte sie unter den verpflichtesten Carreßen biß auff das bestimmte Lager / bey welchen aber der Cammer-Diener die Person geschwind vertauschte / und die leeren Complimenten mit stillen Liebes-Wercken ersetzte.
Louyse erwiese so wohl als Arminde durch die Zufriedenheit über eines andern Bedienung / die sie nicht gewünschet / daß die gehoffte Ergetzlichkeit eines ersehenen Gegenstandes ein falscher Wahn / und der unverantwortliche Wechsel in Lieben nur deßwegen süß zu nennen sey / weil eine thörichte Einbildung unsere Sinnen mit einer unordentlichen Begierde darnach bezaubert. Denn beyde verfügten sich nach gesättigter Lust wohl vergnügt in ihr gehöriges Bette /und die Phantasie hatte bey ihnen so starcke Würckung / daß eine jede sich schmeichelte / [161] so viel inRenardens Umarmung genossen zu haben / da ihn doch keine nicht geschmecket.
Den Morgen darauff fielen die freundlichsten Blicke von Louysen, daß er sich nicht allein ihrentwegen so wohl bemühet / sondern auch Arminden einen lustigen Possen spielen helffen / dahero überlegte sie mit ihm / wie sie selbigen nach Bellardens Wunsch ausführen / und sie hernach prav herüm wolten neh men / ohne daß sie hinter die rechte Karte käme.
Renard konnte sich vor innerlichen Lachen kaum halte / daß er sie alle beyde so wichtig bezahlt; weil es aber itzo nicht Zeit darzu war / verpflichtete er sich viel mehr vor ein so wahrhafftes Kennzeichen ihrerAffection, und gelobte nicht allein ewige Verschwiegenheit / sondern stimmte Louysens Meinung in allen bey / was sie zu glücklicher Endigung der mit Arminden angefangenen Intrigve vor gut befande. Es fiel unter ihnen der Schluß / Renard möchte sich über die Gewohnheit etwas in seinen Zimmer auffhalten / indessen aber solte Bellarde Arminden auffs stärckstecarressiren, und wenn sie sich denn noch spröder als zu vor anstellete / über sein als Renardens langes vorzögern aber ungedultig wäre / so würde sie wohl nach ihn fragen lassen / und denn konnte er sich auffs hefftigste gegen sie über die schlechte Erfüllung ihres Versprechens beklagen / und sie also ihres Irrthums gar geschickt überführen; Was in übrigen ihren [162] Verdruß / die Veränderte Kaltsinnigkeit gegen Bellarden, und seine hierüber geschöpffte Freude anbeträffe / so hätten sie mehr zu Reu / als sich deßwegen zu bekümmern Ursache.
Nach diesen muste sich Louyse zu Vermeidung eines Argwohns wieder zu ihren Liebsten verfügen /Renard aber durffte nicht lange Glossen über diese kurtzweilige Avanture machen / so überliefferte ihm sein Cammer-Diener einen von Arminden empfangenen Brief / welcher in folgenden Zeilen bestunde.
Renard.
Menn ihr aus diesen die Nachricht erblicket / daß ich bereits vor zwey Stunden das Bette verlassen / so habet ihr euch billig zu schämen Ursache. Gewiß einem so galanten Cavallier stehet die allzu lange Ruhe nicht wohl an / wenn ein Frauenzimmer so Vermögend ist / selbe zu entrahten; und ihr traget so gar keine Sorge / eure zärtliche Natur dadurch in Nachtheiligen Credit zu setzen. Sinnet demnach auff eine geschickte Entschuldigung / dadurch ihr so unanständige Schwachheit beschönet / und benehmet durch eure beliebteste [163] Gegenwart der jenigen einen unruhigen Zweiffel / die nechst Anwünschung einer gutenConstitution vor ihre gröste Vergnügung hält / sich mit eurer Permission Lebenslang zu nennen
Eure allein ergebene
Arminde.
Renard muste über den artigen Vorwurff seines geglaubten Unvermögens erschrecklich lachen / und eine so seltzame Reprimande kam ihm weit lustiger vor / als wenn er an der nächtlichen Ergetzlichkeit mit Theil gehabt. Weil er aber seine Affecten verstellen /und eine gantz ernsthaffte Person in dieser paßierlichen Comœdie agiren muste / so verbarg er seine innerliche Bewegung meisterlich / und gieng Arminden mit einem gantz verstörten Gesichte unter die Augen.
Diese war ihrer Einbildung nach gar wohl mit Renardens Bedienung bey dunckler Nacht zu frieden /daß er aber so lange in seinen Schlaffzimmer verzoge / und Bellarde indessen ihr mit seinen gewöhnlichen Klagen nicht von der Seite kam / machte sie sehr verdrießlich. Sie wolte ihm seine fehl geschlagene Rechnung auff ihre Gegengunst nicht durch sich selber sondern durch Louysen zu verstehen geben / weil sie zu diesen unbilligen Abschlag nicht Hertz genug hatte / dahero [164] wiese sie ihm immer nur auff eine Stunde noch auff die Gedult / nach welcher er eine vollige Erklärung von ihr kriegen solte; Allein Bellarde, der in geheim ihren Betrug ungemein belachte / thate es ihr zum Possen / daß er keinen Abschub gelten liesse /sondern je mehr ihn Arminde zurück wiese / desto inständiger hielte er darum an / und war so dreusde /daß er die vor erlaubte Freyheit im küssen nun bey hellen Tage gemessen wolte.
Wie sehr sich Arminde über dergleichen Kühnheit verwunderte / so seltzam schienen ihr auch Renardens fünstere Blicke / und sie kam gar auff den unnöthigen Einfall / ober irgends einen Tadel an ihr gefunden / daß er sich heute nicht so freudig wie gestern und die vergangene Nacht bezeigete; weil sie sich aber auff nichts zu besinnen wuste / ersahe sie die Gelegenheit / ihn selber darum zu fragen.
Die Anrede geschahe mit den verliebtesten Titeln /und ihr Engel / ihr Leben / und wie sie ihn mehr nennte / solte ihr doch sagen / warum seine Augen die vor so charmante Freundlichkeit verlohren: sie wolte nimmermehr hoffen / daß das Gedächtniß der gehabten Vergnügung so bald in seinen Hertzen verloschen / oder die duncklen Scharten nur allein seine Passion gegen sie beförderten. Allein Renard machte hierauff eine hönische Mine / und sagte / wie er einem galanten Fräulein eine bessere Maxime in lieben zu [165] getrauet / als daß es nach so schlechter Erfüllung ihres Versprechens einen Cavallier noch schrauben solte: er könnte aber hieraus erkennen / daß auff die Parole des Frauenzimmers wenig Staat zu machen / und dieses würde ihm hinführo behutsamer gehen lernen. Arminde hörte hoch auff bey einer so wunderlichen Beschwerung über ihre nicht gchaltene Promessen, weil sie es aber vor ein versteltes Wesen hielte / straffte sie ihn mit einen kleinen Lächeln / daß er ihre Gütigkeit nun zu späte müßbrauchte / die sie doch wohl einstellen können / wenn sie es eher gewust / und sie sein inständiges Bitten nicht zu etwas verleitet / das fast wieder den Wohlstand ihres Geschlechts lieffe. DochRenard blieb bey seiner einmahl angenommenen Art /und je mehr ihn Arminde seiner unbilligen Erkenntlichkeit vor die eusserste Marqve ihrer Gunst überzeigen wolte / desto unruhiger stellete er sich wegen ihrer spöttischen Auffführung / wie er sie nennete /daß sich auch Arminde gar nicht in ihm zu schicken wuste.
Sie meinte endlich / er wäre ihrer nach gebüßter Lust überdrüßig worden / und das Andencken seinerBarsinen herrschete nun wieder so starck in seiner Brust / daß er sich auff solche Manier von ihr loßzuwickeln gedächte; dahero schalt sie ihn / da er beständig bey seinen leugnen verharrete / vor einen Undanckbaren und Meineidigen / den sie schon anders kriegen wolte; und [166] wie ihr Renard zum Possen nichts schuldig bliebe / lieff sie vor Eyfer von ihn und zuLouysen, welcher sie mit tausend Klagen ihr gantz Hertz ausschüttete.
Louyse gab ihr zum Schein einen kleinen Verweiß /daß sie so gleich zu viel verstattet / ehe er ordentliche Anwerbung üm sie gethan; weil es aber nun nicht zu ändern / und er so ehr vergessen an ihr handeln wolte / würde sie sich alsofort nebst ihren Liebsten dahin bemuhen / ihn bey itzigen Anwesen zur Raison zu bringen. Sie fragte aber nach Gewohnheit vertrauterDamen alle Umstände aus / und ob sie sich nicht in der fünstren Nacht gescheuet / so weit nach seinen Zimmer zu gehen? Arminde stutzete bey dieser Frage / und antwortete / daß es ja gantz nahe an den ihren sey. Allein hier brach Louyse gleichsam bestürtzt loß / und sagte: O Himme-Arminde, wo seyd ihr hingekommen? Bellarde hat in diesen Zimmer geruhet /Renard aber in einem andern / welches ich ihm als einem Frembden zu besserer Bequemlichkeit vor das erste eingeräumet / dahero dürffet ihr euch über seine Kaltsinnigkeit nicht wundern / weil er seine Stelle einem andern überlassen müssen.
Wie verwirrt underschrockẽ dieses Arminden machte / ist nicht grug zu beschreibẽ: Sie war auff sich selber erbittert / daß sie ihrer blinden Begierde ohne genauers Erkündigen gefolget / und Scham /Liebe und Zorn verursachten einen hefftigen [167] Gemüths-Sturm bey ihr. Louyse aber führte sie zu vernünfftigern Gedanckẽ / und wiese durch geschickte Beweißgründe / daß dieser Zufall nicht von ohngefehr geschehen / sondern weil Bellarde rechtmäßigern Anspruch auff sie gehabt / als Renard, sey ihm durch ein glückliches Verhängnüß in die Armen gespielet worden / was sie ihm unbilliger Weise entziehen wollen: Nunmehro / da er sie so vollkommen kennete / und keine grössere Affection bey ihr ausbitten könnte / sey es ihrer Ehre am zuträglichsten / ihn mit geneigtern Augen als heute und gestern anzusehen / üm durch diese Gefälligkeit ein desto vergnügteres Bündnüß mit ihm einzugehen / zumahl seine Person und und Qualitäten so vieler estim schon würdig.
Arminde muste alles desto eher billigen / weil sie nichts davon zu ändern wuste: Und da sie ihren Gedancken auff Bellardens nächtliche Bedienung und ihre vor mit ihm geflogene Bekantschafft zurück gieng / gab ihr die innerliche Zufriedenheit hierüber die Sehnsucht ein / die einmahl geschmeckte Süßigkeit ferner zugeniessen.
In diesen Verlamen ersuchte sie nicht allein Louysen üm ihren geschickten Beystand / aus diesen verwirten Handel ohne Nachtheil zu kommen / sondern sie gieng auch selber zu Bellarden, üm bey Erweisung voriger Careßen ihm ihre Gewogenheit so wohl durch Verpflichtungen / [168] als vormahls in der That zu verstehen zu geben.
Bellarde aber stellete sich zum Schertz spröde gegen Arminden, und hatte sie ihm zuvor bey eingebildeter Besitzung Renardens kein gütiges Gehör verstattet / so flohe er alle Gelegenheit / allein mit ihr zu reden / daß sich auch Renard bey dessen Gewahrwerdung des lachens nicht enthalten konnte.
Arminde wurde deswegen so Confus und Schamroth / daß sie sich ohnmöglich in den Augen dieser beyden Cavallier länger lassen konnte / sondern indem sie Louysen um ihre Unterhandlung mit Bellarden ersucht / verfügte sie sich wieder in ihr Zi er /wo sie die Einsamkeit in ein weites Laborinth tausenderley Gedancken verwickelte.
Louyse erinnerte also Bellarden, daß seine Masqverade nunmehr ein Ende gewinnen / und er Arminden nicht länger zwischen Furcht und Hoffnung lassen müste; dahero führte sie ihn in ihr Zimmer / und weil die Liebe vor ihnen das Wort redete / waren sie gar leicht zu vereinigen.
Dergestalt endigte sich diese lustige Avanture zuBellardens Vergnügẽn / und die Schamhafftigkeit verlohr sich bey Arminden so sehr / daß sie wieder mit ausgeheiterten Gesichte zu den andern gieng.
Die Lust war sonsten in dieser Compagnie [169] viel grosser als den vorigen Tag / ohnerachtet es weit verweiter zu gieng: Denn Bellarde ergetzete sich über sein seltzames Liebes-Verhängniß / und warff dabey ein eyfersüchtiges Auge auff Renarden / als ob ihm selber eine so angenehme Partie wegnehmen wollen /und vielleicht nach der fehl geschlagenen Affection annoch seufftzen dürffte / worinnen er aber eine gantz irrige Meinung hegte: Arminde glaubte Renardens vorgegebene Liebe / und daß sie nur ein Irrthum inBellardens Arme geliefert: Louyse delictirte sich in ihren Gedancken / daß sie mir so guter Manier Renarden allein vertraut geküsset / und dort stunde der vergnügte Cammer-Diener / welcher ihr wegen der ihm vergönnten süssen Nacht-Ruhe noch gantz verbindlich danckte: Nur allein Renard belachte mit rechter Gewißheit ihren sämtlichen Betrug / und thate hierinnen Arminden nicht zu viel / weil sie ihn in Ausforschung seiner Barsinen hintergangen.
Doch das genaue Bündniß mit Bellarden, dadurch sie seine nicht werden konnte / und die annoch in ihren Hertzen versteckte Liebe vor ihn / erweckten eine Reue / daß sie auff solche Art seine Zufriedenheit in Barsinens Umarmung gehindert / die sie doch anitzo gern befördert wünschte.
Sie gieng demnach zu Louysen, und entdeckte selbiger den getroffenen Accord mit den nach Barsinen ausgeschickten Leuten / sie dabey [170] ersuchend / entweder Renarden in geheim davon Nachricht zu geben /daß er sich zu seinen grössern Mißvergnügen nicht länger hier verweilen möchte / oder von neuen etliche Diener auszusenden / damit er nicht den gäntzlichen Verlust seines geliebten Fräuleins bey so gestalten Sachen zu besorgen.
Louyse war Arminden wegen Renardens verzögerter Abreise heimlich verbunden / weil selbige zu ihren noch fernern Contentement ausschlagen solte / dahero war sie schlecht zu diesen unanständigen Ersuchen geneigt / sondern wolte Arminden bereden / ihn lieber noch länger in vergebener Hoffnung hier zu lassen /als durch Entdeckung ihres gehabten Absehens sich verächtlich und ihn zum Feind zu machen: welche aber nach Barsinen wieder zu befehlen / würde um sonst und auch unrathsam seyn / weil sie nach fast verflossenen zweyen Tagen schon so weit voraus müste seyn / daß man sie nicht einholen könnte; Uberdiß schiene Renarden die Zeit in ihrer Compagnie nicht lang zu fallen / und also wolte sie sich dieser Mühe überheben.
Arminde beobachtete an Louysens veränderter Farbe die rechte Ursache ihrer wiedrigen Meynung /und daß ihr Renardens Person selber anstehen müste; weil sie aber die Kennzeichen einer Traurigkeit in dessen Gesichte zu weilen wahrnahme / und sich unter sein freyes Wesen immer was melancholisches mischte / erkandte [171] sie hieran seinen innerlichen Gram und unruhiges Sehnen nach den geliebten Gegenstand / deßwegen sie aus vorigen Versehen nun wieder ihrer Schuldigkeit erachtete / ihm bey ermangelenden Vermögen ihm besser zu dienen / zum wenigsten von allen verblümte Nachricht zu geben / vielleicht daß sie ihn das Glück noch erreichen liesse. Nun litte die Gegenwart Louysens, und Bellardens Chalousie nicht wohl / daß Arminde in Vertrauen davon reden können / dahero nahm sie ihre Zuflucht zur Feder /und schriebe bey ersehener Gelegenheit / etliche Augenblicke einsam zu seyn / folgendes an Renarden.
Renard!
Eure zu weilen gantz traurigen Minen bezeichnen eine Quaal wegen des langen Aussenbleibens der nach Barsinen geschickten Diener; Allein ich muß euch in Vertrauen versichern / daß ihr auff diesen Schlosse in euren Verlangen nicht glücklich könnet werden / weil eine Dame sich eure Person so bey den ersten Anblick belieben lassen / daß sie aus der Hoffnung / eure angenehme Conversation lange zu geniessen / gantz contraire Ordre den Dienern [172] gegeben. Forschet nicht nach / welche unter uns beyden die Liebe so weit verleitet / weil es zu euren Vergnügen nichts beträget / sondern richtet eure eigene Nachfolge nach der Sehnsucht gegen ein so schön beschriebenes Fräulein ein / vielleicht liefert sie euch das Glück am ersten in die Armen. Rechnet aber meiner billigenestim eurer Verdienste zu / daß ich durch diese Nachricht gern an der Zufriedenheit mit Theil zu nehmen wünsche / die euch begegnen kan; und glaubet / daß wo ihr sothane Affection mit klüger Verschwiegenheit ehret / eure Conduite alsdenn vollkommen galant zu rühmen hat.
Eure wohlmeinende Freundin
Arminde.
Diesen Brief gab sie ihrem Mädgen / und befahl ihn Renardens Cammer-Diener ohn vermerckt zu zustellen.
Dieser Cavallier hatte die zwey Tage seine Gemüths-Bewegung vor Barsinen so meisterlich verbergen können / daß man aus seinem freyen Wesen keine hefftige Passion gelesen; Allein da die Wiederkunfft der Diener sich so lange [173] verzoge / muthmassete er von neuen eine unglückliche Bemühung um ein so vollkommenes Fräulein / und die Unruhe seiner Seelen konnte sich so behutsam nicht verstecken / daß sie nicht die Augen verrathen sollen.
Nun merckte Louyse seine Schwermuth / und suchte sie zwar durch allerhand kurtzweiliges Schertzen über Armindens avanture zu vertreiben; Allein die Lust sey so groß als sie will / so kan sie uns doch wenig letzen / wo sie unser eigener Schmertz überwieget / und dahero konnte auch Renard sein Gemüth nicht stets zu einer äusserlichen Frölichkeit noch seinen Willen zwingen / ob er gleich zuweilen sehr glücklich hierinnen war.
In dem er aber seinen Gedancken bessern Raum zu geben an ein Fenster trate / sagte ihm der Cammer-Diener von den von Arminden erhaltenen Brief / welches denn Renarden so begierig nach dem Inhalt machte / daß er unter den Schein in seinen Zimmer was zu verrichten / die schöne Nachricht des abermahligen Betrugs mit Barsinen allein erblickte.
Die Grösse seiner Bestürtzung zu beschreiben / ist unnöthig / weil man aus der Liebe zu Barsinen und den bißhero inbrünstigen Verlangen / sie einmahl persönlich zu küssen / leicht urtheilen kan / daß sie nicht gemein gewesen: Er war dabey über Louysen zum hefftigsten erbittert / weil er sie aus ihrer Bezeugung vor die jenige [174] hielt / die ihn desto besser in ihre wollüstigen Netze zu ziehen / seine Abreise oder Barsinens Gegentwart verhindern wollen. Wäre es ein Cavallier gewesen / der ihm wieder diesen empfindlichen Strich in die verliebte Rechnung gemacht / so hätte er deswegen mit den Degen in der Faust von ihm Rache genommen; Allein so muste er mit der Schwachheit einer Damen anders ümgehen / weil es nichts ungewöhnliches / daß sie blinden Affecten zu dergleichen Ausschweiffung verleiten / und seine gantze Revange schätzte er hierinnen / mit den frühesten den andern Morgen Abschied zu nehmen.
Indessen bezeigte er sich in geheim sehr verpflichtet bey Arminden, daß sie ihm noch ein angenehmers Merckmahl ihrer Gutheit wollen sehen lassen / und bey den übrigen eröffnete er seine Meinung so weit /daß wo nicht diesen Abend oder Morgen bey guter Zeit Gewißheit von Barsinen einlieffe / würde er sich selber auff den Weg machen / weil ihm das Aussenbleiben der Diener viel unruhige Gedancken verursachet.
Louysen kame ein so kurtze Resolution sehr seltzam vor / und sie suchte durch allerhand Beweiß- Gründe seiner Ubereilung ihn davon abzurathen /darzu denn ihr Liebster und Arminde zum Schein das ihrige beytrugen; Allein Renard, der am besten wuste / daß das warten vor ihm nur gefährlich / wolte sich durch keine [175] Schmeicheley lassen einschläffern / sondern wie der andere Tag ohne Zurückkunfft der Diener angebrochen / nahm er mit höflicher Dancksagung vor erwiesene Güte das Adjeu, und reisete damit gantz verwirt fort / weil er keinen Ort ersinnen konnte / wo Barsine anzutreffen.
Wir müssen ihn eine Zeitlang allein ziehen lassen /uns aber an den Alleronischen Hose zu Adalien wenden / um zu sehen / wie beständig die süsse Hoffnung zu Bosardens Leben sie auff seine Besitzung trösten kan.
Die Ungedult über die ausbleibende Nachricht von seinen Zustand / und die zuweilen bestürtzte Minen ihres Mädgen / wenn sie sich mit selbiger deswegen unterredete / brachten sie auff den Zweiffel / ob nichtDoris die Zeitung von Bosardens Lebens erdichtet /und sie in damahliger Kranckeit dadurch aus Liebe von Sterben zu befreyen gesucht / da doch nichts gewisses als dessen Todt sey.
In diesen Muthmassen wurde sie durch die länge der Zeit dermassen gestärcket / daß sie nach Elbipolis an einen von der Hertzogin hinterlassenen Secretair schriebe / welcher ihr von allen ausführliche Gewißheit geben solte / doch unter den Schein ein blosseCuriosité, welche sie wegen seines ehmahligen Auffenthalts in Paris darzu verursachet.
Damahls war der Alleronische Hof / als ein ansehnlichster in Teutschland / mit so [176] vielen hohen Standes-Personen und Damen und Cavalliers angefüllet / daß die Pracht und Galanterie niemahls in vollkommenern Glantze geschimmert / und das einfallende Carnevall gönnte ihnen mit Balletten / kostbahren Opern, Comœdien und dergleichen Lustbarkeiten täglich ein erwünschtes Divertissement.
Ein jedes hatte den Staat seinem Stande gemäß und fast drüber erhöhet; Doch die Hertzogin von Mommerency erwarb durch ihr propres Gefolge den Ruhm des galantesten Auffzugs / und Adalie strahlte unter denselben als ein hellgläntzender Diamant bey andern Edelsteinen hervor. Nun war es nicht allein ihre seltene Schönheit / die sich in aller Augen Wunderwürdig machte / sondern der durchdringende Verstand und geschickte Auffführung setzten sie in mehr als gemeine estim der anwesenden Cavalliers.
Unter andern Verehrern eines solchen Meistersstücks befande sich der Baron Werdigni, Extraordinair Envoyé des grossen Käyfers über Germanien /welcher bey den öfftern Conferenzen mit der Hertzogin von Mommorency über den Frieden / Gelegenheit hatte / Adalien zu sehen / und sich wegen ihrer Fertigkeit in der Teutschen Sprache in Staats Discoursen mit ihm zu unterhalten.
Er erkannte hieraus ihren hohen Geistt und admirirte selbigen wegen der Seltenhei [177] bey einem Frauenzimmer; Weil sie nun ihre melancholey zu vertreiben bißweilen die Laute ergriffe / und der Hertzogin zu gefallen mehr lustige Arien, als die auff ihren Zustand gerichtet / drein sunge / charmirte die Annehmlichkeit der Stimme den Baron Werdigni dergestalt / daß er vielmahls das weggehen gar vergessen / wofern nicht seine wichtige Verrichtungen und die MinenAdaliens ihn daran erinnert.
Doch sein Verlangen / ihrer beliebten Gegenwart öffters zu geniessen / war so groß / daß er wenig Augenblicke des Tages versäumete / die ihm zu dieserVisite nur die geringste Gelegenheit gaben; und so er ja keine zulängliche Excuse vorzubringen / war seine Entschuldigung auff ihre Qualitäten gegründet / die ihm stets üm sie zu seyn eine Begierde erweckten /welche mit allen seinen Vermögen nicht zu ändern.
Adalie konnte aus angebohrner Höflichkeit einen Zutritt nicht abschlagen / welcher den Wohlstand nicht beleidigte / und der Baron war sonst in seiner Auffführung so geschickt und Ehrerbietig / daß er mache müßige Stunde bey ihr vergnügt zu zubringen Erlaubniß hatte.
Doch die allzugrosse Estim vor die liebenswürdige Eigenschafften eines Frauenszimmers ist gemeiniglich der Zunder zu einer würcklichen Entzündung / undAmor weiß unter dem Schein der Freundschafft so listig in die Hertzen [178] einzuschleichẽ / daß man seine Tücke nichtmercket.
Dergestalt gieng es auch dem Baron Werdigni, welcher in kurtzer Zeit aus der unruhigen Sehnsucht /stets üm Adalien und vor andern bey ihr beliebt zu seyn / erkennen lernete / an was für einen Fieber er kranck lage: Er wünschte demnach unauffhörlich /solches durch ihre Gunst zu heilen / und Adalie merckte an seinen zu weilen verstörten Gesichte und gantz veränderten Humeur alsofort / wo es ihm fehlete; allein ihr einmahl verschencktes Hertz / welches in der süssen Dienstbarkeit bey Rosantes lage / und wo ja derselbige Tod / dennoch auch der treuen Aschen getreu zu bleiben entschlossen / fühlte nicht die geringste Neigung gegen Werdigni, sondern hiesse ihm in geheim alle Mühe / sich ihr zu dem Ende gefällig zu machen / einstellen / weil sie bey ihr nur vergebens sey.
Nun war Werdigni der Conversation galanter Damen nicht ungewohnt / und seine Zunge fande sich niemahls gebunden / wenn sie eine Affection bey ihnen auszubitten; Doch hier wuste er selber nicht zu begreiffen / warum ihn eine besondere Furchtsamkeit abhielte / so offt er seine Leidenschafft zu entdecken sich vorgenommen / und daß er so gar keine Liebes-Erklärung an sie wagen konnte. Hieran aber war Adaliens Vorsicht wohl am meisten Schuld / weil sie ihr eusserliches Wesen so wohl einrichtete / daß sie allezeit was ernsthafftes und verdrießliches [179] an sich nahm / wenn Werdigni sich verpflichtet bezeigen wolte / hergegen war sie gantz munteren Gesichtes /so fern sie von gleichgültigen Sachen redeten / und hierinnen begegnete sie ihm so complaisant, daß er dieses Glück beständig zu geniessen / die andere Passion öfters mit Gewalt versteckte.
Indessen daß Werdigni mit seinen Gedancken zu rathe gieng / bey guter Gelegenheit in seiner Liebe glücklich zu werden / war Printz Rosantes in der Verfolgung Adaliens vermeinten Entführer auf so mancherley Irwege gerathen / biß er endlich nach Teutschland gelangte / und durch einen unverhoft in die Hände bekommenen Befehl von feinen Durchl. Herrn Vater die Retour nach Allerona nehmen muste.
Das erste / welches ihm bey seiner Ankunft an den Hofe die Cavalliers als was galantes erzehleten / war die Gegenwart einer wunderschönen FrantzöschenDame unter der Hertzogin von Mommorency Gefolge / von der sie nicht genug zu sagen wusten: Der Printz hörete dieses mit aufmercksamen Ohren an / und fragte gantz begierig / wie sie zu der Hertzogin gekommen? die Antwort war / daß sie solche mit aus Paris gebracht / denn mehr Nachricht wusten sie nicht zu geben.
Doch mit diesem fiel seine schon eingebildete Vergnügung / weil er den grossen Ruhm dieser [180] Dame auf Adalien zohe / die irgends durch wunderbahren Zufall zu der Hertzogin ihre Zuflucht nehmen / und sich also aus Renards Händen (wie er meinte) retten können; so aber / da er vernahm / daß sie in Paris in dero Staat aufgenommen / machte er sich keine Rechnung auf die längst gewünschte Gegenwart seiner geliebtestenAdalien, und minderte dabey in Gedancken die Gestalt dieser Damen gegen der Vollkommenheit seiner Schönen.
Werdigni erfuhr nicht so bald die Zeitung von Rosantes Wiederkunfft / da er ihm gleich als dem Erb-Printzen dieses hohen Hauses die Reverentz machte /und sich bey einem so politen und überaus qualificirten Herrn dergestalt insinuirte, daß Rosantes eine besondere Gewogenheit auff ihn warff.
Wie nun ihre Discourse von Staats-Affairen auff andere Materie fielen / fragte Werdigni den Printzen unter andern / ob er in Paris so eine Schönheit unter den Frauenzimmer angetroffen / welche vor andern einen rechten Vorzug verdienet. Rosantes, der sich nicht wolte bloß geben / erwiederte / daß er bey seinen Anwesen viele gesehen / die billig zu admiriren; doch könnte er keiner die Vollkommenheit allein bey messen / weil unter einer so treflichen Menge immer eine der andern den Rang streitig können machen.Werdigni sagte hierauff / [181] daß er nun ausser Paris eineDame finden würde / die wie bey allen / also auch in seinen Augen die Ehre des Beyfals erwerben solte /daß ihr in gantz Franckreich wenig oder gar keine geglichen: und diese / fuhr er fort / wäre ein Fräulein bey der Hertzogin von Mommorency, derẽ Conversation er bißweilen zu geniessen das Glück hätte. Allein Rosantes Gemüth stimmte ihm hierinnen schlecht bey / weil er sie nicht vor Adalien hielte / und zu dem wuste / daß ein Verliebter / wovor er Werdigni aus gewissen Kennzeichen hielte / die Gestalt seiner Gebietherin gemeiniglich erhöhet / um dadurch den Ruhm zu gewinnen, es habe ihn nur was seltenes entzünden können: eusserlich aber stellete er sich / als glaubte er ihm als einen genauen Kenner der Schönheit gar wohl / und gratulirte ihm daber zu dem schätzbaren Vortheil / welchen er in ihren Bekandschafft vor andern durch seine Geschicklichkeit erworben.
Durch dergleichen Flatterien wurde Werdigni so vertraut gemacht / daß er dem Printzen die hefftige Neigung gegen diese Dame gestunde / und wie er wohl wünschte / in ihre Gunst auffgenommen zu werden: dabey beklagt er aber die Zaghafftigkeit / ihr seine Liebe zu entdecken / und wil ihm ihre recht Majestätische Minen zu solcher Ehrerbiethung bewegten / daß er aus Furcht / sie durch seinen Antrag zu beleidigen / seine Leidenschafft biß jetzo verschwiegen /[182] und nur bey einer indifferenten Auffführung dem Ansehen nach bleiben müssen / weil sie aus der offt gerühmten estim ihrer Freyheit vor Verliebte wenig Gutheit zu haben schiene.
Rosantes belachte innerlich die seltzame Würckung der Liebe / und das sie manchen bey ihrer vollkommenen Grösse die wenigste Geschicklichkeit einpflantzte / sie nach Wunsche zu vergnügen; Doch hätte er gewust / bey wem sich Werdigni einzuschmeicheln suchte / so würde er ihn gerne in der Qualität eines blöden Liebhabers gelassen haben.
Nun war Rosantes gleichwohl begierig / dieseDame zu sehen / welche dem Baron mit so kluger Vorsicht begegnete / und daher wolte er indessen Begleitung der Hertzogin von Momorency das schuldige Compliment machen; Allein Werdigni berichtete /daß er sich heute früh schon bey derselben anmelden lassen / aber die Antwort bekommen / daß sie sich etwas unpäßlich befände.
Nachdem sie sich nun eine Zeitlang auch vonandern Galanterien unterredet / nahm Werdigni vonRosantes vor dißmahl Abschied / und wurde von denselben ersuchet / ihm öfters seinen Angenehmen Zuspruch zu gönnen: Werdigni obligirte sich vor das hohe Glück / und sagte / daß seine angenehmste Bemühung wär / ihm auffzuwarten.
Doch dieses war nur ein Compliment, [183] und seine Sinnen gingen allein dahin / wie sie die Gelegenheit zu einer Visite bey Adalien, (die man aber allhier wegen des geänderten Standes das Fräulein von Bellemond hiesse) erfinden möchten; wie aber alle sein Uberlegen wegen der Hertzogin Schwacheit vergebens war / und ihn die Sehnsucht gleichwohl unaufhörlich plagte / Gewißheit von der bey ihr zu hoffenden Güte zu haben / ergriff er die Feder / weil er dadurch mit mehrer Dreußdigkeit seine Passion entdecken könte / und schrieb folgende Erklärung an sie.
Schönste!
Rechnet euren wunderwürdigen Annehmlichkeiten zu / daß ich die längst gehegte Estim davon mehr in Schreiben als persöhnlich zu bekennen / vermögend bin: Denn weil deren Seltenheit ungemein / so ist auch meine Passion von einer besonderen Art und mit so viel Ehrfurcht begleitet / daß ich dieselbe aus besorgter Ungnade gegenwärtig verschwiegen. Allein solte man wohl eure Ungnade verdienen / wenn man etwas gestehet / daran eure liebens-würdige Eigenschafften selber Schuld? Ihr wisset / unvergleichliches [184] Fräulein / daß euch zu sehen und zu lieben / genau zusammen verbunden sind / und eure schönen Augen versichern euch der Entzündung genugsam / die sie in jeden Hertzen bey dem ersten Anblick würcken / ohne daß man viel Erklärung deswegen thut. Straffet also mein Unterfangen mit keinen ungnädigen Aufnehmen / und dencket / daß es eine unerträgliche Straffe /wenn ein so vollkommenes Fräulein nichts empfindliches vor denjenigen heget / welcher seine gröste Glückseligkeit in der Qualität suchet
Eures ergebensten
Werdigni, Baron.
Mit diesen Billet schickte er seinen Diener fort /und befahl ihm / solches der Fräulein von Bellemond ihren Mädgen zuzustellen / und sich dabey des Auffbefindens der Hertzogin zu erkündigen.
Der Diener aber / welcher die Doris nicht kennete /fragte ein ander Mädgen / daß ihm am ersten begegnete / ob sie das Fräulein von Bellemond bediente /und da dieses aus einer Neugierigkeit / sein Anbringen zu erfahren / ja [185] sagte / überreichte er solcher nebst einen schönen Empfehl von seinen Herrn den Brief an ihr Fräulein / und erhielte zugleich von der Hertzogin Zustand so viel Nachricht / daß es sich mit selbiger etwas gebessert.
Nun war der unvorsichtige Laquey nicht so bald wieder weg / als dieses Mädgen zu ihren Fräulein /Julie Nahmens / lief / und ihr nebst Uberreichung des Briefes den begangenen Irthum meldete.
Julie ergriffe selbigen mit begierigen Händen / und weil sie nach Gewohnheit des Frauen-Zimmers neidisch auf Adalien war / daß sie so öfters die Bedienung des Barons genosse / welche sie sich selber gern gewünschet / machte sie desto weniger Bedencken /den Inhalt durch zustudiren. Sie sahe mit eyffersüchtigen Augen die so hoch gerühmte Schönheit einer andern an / und wie verpflichtet der Baron sich gegen sie heraus gelassen; doch weil sie hieraus erkennete /daß er noch nicht glücklich in seiner Liebe worden /gedacht sie die Karte so zu spielen / damit ihr der beste Gewinst bliebe / und so ihr dieses gleich fehl schlüge / könte sie doch mit guter Manier zuletzt einen Possen draus machen. Nun stunde auf dem Billet kein Nahme / an wem es zu addressiren', dahero meinte sie selbiges desto eher vor eine an sie gethane Liebes-Erklärung auszulegen / weil es der Diener ihrem Mädgen gegeben / und zu dem Ende antwortete [186] sie ihm ohne untergesetzten Nahmen in folgenden Zeilen:
Herr Baron!
Ich weiß nicht / ob einem blosen Pappier mehr als eurer bißherigen Aufführung zu trauen: denn aus dieser habe ich nicht so viel Liebe lesen können / als ihr mich nun schrifftlich zu überreden bemühet seyd.
Vergebet mir / wo ich daran zweiffele / und vor eine galanterie der meisten Cavalliers halte / durch die grösten Verpflichtungen einer Damen Leichtgläubigkeit zu probiren; zumahl mich die schlechte Anzahl der Annehmlichkeiten keine andere Auslegung heisset machen. Doch ich will eben nicht sagen / daß mir die bessere Kennzeichen der Estim eines so qualificirten Cavalliers solten unangenehm seyn / sondern ihr werdet selbige nach der Grösse eurer Liebe einrichten / indessen daß mir wegẽ noch unvollkommener Gesundheit der Hertzogin euch nicht zu sprechen vergonnet ist.
Adjeu.
So viel muste ihr Mädgen eben dem Diener [187] des Barons überreichen / der den ersten überbracht / undWerdigni wurde vor eusserster Zufriedenheit über eine so erwünschte Antwort wie von neuen beseelet /wel er sich dessen nicht so bald versehen.
Er schätzete seine Glückseeligkeit nunmehr in der schönsten Blüthe / und so er der von Bellemond nur den zärtlichen Zweiffel seiner gäntzlichen Ergebenheit benommen / meinte er auch in deren Besitzung die beliebtesten Früchte davon zugeniessen: Zu dem Ende übersendete er durch den Diener sein Portrait mitDiamanten starck versetzet / nebst noch einigen Kostbarkeiten / und verpflichtete sich in einen neuen Schreiben so sinnreich / als ihm die Liebe hierinnen machte.
Der Diener liefferte solches aus irriger MeynungJuliens ihren Mädgen wiederum ein / und dieses Fräulein ergetzete sich von Hertzen / daß ihr der Anfang dieser Intrigve so wohl gelungen: um nun selbige weiter zu spielen / ließ sie dem Baron wissen / daß er sie auff den Abend in der Hertzogin Vorgemach sprechen könnte.
Indessen scheute sich Julie nicht / sein Portrait alsofort zu tragen / und da solches die andere Fräuleins gewahr wurden / satzte es nicht geringe Verwunderung unter ihnen / daß der Baron seine Liebe wieder Vermuthen so deutlich gegen sie zu erkennen gäbe; Weil sie aber von vornehmen Hause und nicht unebener Gestalt war / konnten sie seine Wahl nicht sonderlich tadeln.
[188] Unter allen aber / war wohl keine / welche ihr ein solches Bündniß mehr gönnete / als Adalie, in dem sie dadurch seiner öfftern Visiten überhoben zu werden vermeinte / die das Andencken an Bosarden allezeit zu ihren Mißvergnügen unterbrochen.
Sie befande sich eben mit ihren Sinnen an ihren beliebten Gegenstand des Gemüths gehefftet / als die Antwort auff ihr abgelassenes Schreiben an den Secretair von Elbipolis einliest / welches ihren begierigẽ Augen folgende Zeilen liefferte:
Wohlgebohrnes Fräulein
Gnädiges Fräulein
Dero mir gnädig ertheilte Befehle in Unterthänigkeit zu respectiren, berichte / daß von der hier gantzrenommirten Familie des Herrn Bosardo der Sohn eben zu der Zeit gestorben / da Elbipolis mit dero Gegenwart beehret wurde:
Hiermit liessen die schönen Hände / welche als ein von dem Winde bewegtes Laub bey Anhörung einer so entsetzlichen Zeitung bebeten / den Brief fallen /und die sonst feurige Augen wurden in den Augenblick mit so viel Thränen [189] gefüllet / daß sie im lesen nicht weiter fortkommen konnte.
Ihre Wehmuth bande Anfangs die Zunge dergestalt / daß kein eintziges Wort aus der geängsteten Seele flosse / endlich aber brach der überhäuffte Schmertzen in diese Klagen aus: Ach grausamer Himmel! Wie spielest du so hart mir? Wodurch habe ich eine so unerträgliche Marter verschuldet? Warum liessest du mich nicht in meiner Schwachheit sterben / dadurch ich eines beschwerlichen Lebens und der itzigen Qual überhoben wäre? wehrtester Bosardo! so ist deine Liebe nunmehr verloschen? so hast du mich verlassen? Ach hätte ich doch deine schöne Augen noch einmahl küssen / oder mit denselben auch meine zuschliessen mögen! Wie vergnügt wolte ich mich nicht schätzen / wenn meine treue Brust / die dir im Leben ewige Ergebenheit geschworen / auch im Grabe einen so theuren Eyd erfüllen / und als eine Gefährtin an deiner erblasten Seiten ruhen möchte. Ach grausame Trennung / die ehemahls treu-verliebte betroffen! Meine Seele wird von mir gerissen / und ich soll noch länger leben? Mein Vergnügen liegt im Sarge / und tausendfache Angst umringet mich unglückseelige noch so lange Zeit! O unerbittliches Verhängniß! Warum leschest du in einem liebens-würdigen Hertzen die keusche Gluth gegen mir / die du selber entzündet? Warum raubest du mir so was [190] schätzbares /welches du mir erst gegeben; doch du entziehest meinen Augen nur den geliebten Bosardo, nicht aber meinem Gemühte / denn meine Seuffzer sollen ihn unauffhörlich begleiten / und mein Geist wird stets um den seinigen schweben.
So unendlich war die Quaal der treuen Adalien über den vermeinten Tod ihrer anderer Seelen / da sich selbe so nahe befande / und ebenfals alle Augenblicke unzehlige Seuffzer den Lüften zuschickte /damit sie solche an den ihm unbekannten Auffenthalt seiner Schönen tragen möchten.
Die allzu hefftige Liebe / die durch keine Entfernung nach Länge der Zeit zu mindern / brachte ihn von neuen auf den Entschluß / sich von der verdrießlichen Residentz wegzubegeben / und Adalien zu suchen / und denn wolte er nicht eher ruhen / biß er sie an einen Orte der Welt gefunden.
In Befestigung dieses Vorsatzes kam der Baron mit einen weit munteren Gesichte zu den Printzen / und erzehlte ihm nach der unter ihnen gemachten Vertraulichkeit die glückliche Progressen in seiner Liebe /wobey er ihm zugleich die erhaltene Antwort von der von Bellemond wiese. Rosantes gratulirte ihm zu seiner nunmehr erlangten Vergnügung / und da Werdigni den Ruhm ihrer ungemeinen Gestalt so sehr erhobe / wurde Rosantes begierig zu wissen / [191] ob selber mit der That überein träffe / oder ob sie die Liebe seinen verblendeten Augen nur so treflich abgemahlt: darzu bestunde seine Curiosité auch darinnen / daß er gerne sehen wolte / ob eine andere Schönheie seiner Adalien zu vergleichen / welches er in seinen Hertzen als etwas unmögliches hielte. Dannenhero ersuchte er den Baron ihn damit hinzunehmen / er versicherte sich schon vor dem Zimmer so geheim zu halten / daß ihn keine Seele erblicken solte / und wenn er sie betrachtet / wolte er ohn jemandes Gewahrwerden wieder davon schleichen.
Werdigni war desto eher hierzu geneigt / jemehr er sich es vor eine Ehre schätzte / wenn ein so trefflicher Printz bey Ersehung eines wunderwürdigen Engels seine Wahl billigte: Er sagte aber / daß es besser sey /wenn sich Rosantes, so bald sie sich unvermermerckt hineingestohlen / in ein Eabtnet verfügte / das an den Eintritt des Zimmers stünde / und der von Bellemond gehörete / aber stets offen sey: Aus diesen könte er sie nun durch etliche Löcher / wiewohl nicht gar zu nahe / sehen / und bey dem Abschied wolte er ihn schon wieder hinaus practiciren heissen: ja so ihn gleich das Fräulein zuletzt gewahr wurde / nähme er die Verantwortung auf sich.
So bald nun der finstere Abend herein brach / und die duncklen Schatten ihren Flor über einen Liebes-Gang sicher ausbreiteten / [192] gieng Werdigni unter Begleitung Rosantes nach der Hertzogin von Mommorency ihren Pallast gantz getrost / weil der erste fast alle Tage daselbst einzusprechen die Erlaubniß hatte /und sie traffen beyde das Tempo so wohl / daß sichRosantes ohne von jemanden erblicket zu werden / in das verabredete Cabinet schliche.
Julie hatte indessen ihr Mädgen auf die Wache gestellet / um des Barons Ankunfft in den Vorgemach zu melden / und da sie selbiger vorgewissert war /eilte sie ihm entgegen / und empfieng ihn mit einem so freundlichen Auge / als er es sich von Adalien eingebildet.
Werdigni befrembdete sich nicht wenig / daß er an statt der von Bellemond Julien antraffe / welche ihm vor sonsten so gar gefällig bey gegnete; Julie aber die seine Verwirrung innen wurde / hielte nicht länger vor rahtsam beihn allein zu seyn / dahero gab sie ihren auff der Seite stehenden Mädgen einen Winck / und diese lieffe alsofort zu der Hertzogin Cammer-Diener / mit der Nachricht / es sey der Baron im Vorgemach: Dieser meldete es gleich an / und die Hertzogin / welche bey etwas gebesserter Gesundheit gerne wegen einiger Staats-Affairen mit ihm geredet / ließ ihn zu sich hinein holen.
Julie ließ dem Baron bey seiner Verwunderung ohne sich recht bloß zu geben / und war ihrer ohne diß lustigen Complexion nach so frey / [193] daß sie ihn selber in der Hertzogin Zimmer führete.
Ein jedes darinnen glaubte nun desto gewisser /daß sich Werdigni mit Julien verbunden / und die Hertzogin / die durch Adalien etwas davon verstanden / hegte nun gleiche Gedancken; doch sie wolte heute nichts davon gegen sie gedencken / sondern wegen wichtiger Angelegenheiten die Discourse darauf richten.
Was nun Rosantes anbelangete / so erblickte dieser Julien gar genau durch ein Astloch / und gab ihr in der Meynung / es sey die von Bellemond, zwar den Beyfall / daß sie artig / aber bey welten nicht so vollkommen / wie Adalie sey / deßwegen hielte er seine eigene Entzündung vor die schätzbarste / weil sie von einem Frantzöischen Fräulein herrührte / die über alle andere so hoch gerühmte Schönheiten den Preiß behalten: und seine Gedancken vertiefften sich bey Verzögerung des Barons so sehr in der Einsamkeit hierinnen / daß / zu mahl er sich selbigen Morgen durch des Jagen ziemlich ermüdet / endlich ein süsser Schlaff seine Sinnen einwiegten.
Adalien inzwischen sasse in der Hertzogin Zimmer nicht weit von ihrem Ruhe-Bette / und wurde der unruhigen und verstohlnen Blicke gewahr / die der Baron zu weilen nach sie schosse: Sie urtheilte aus vor gespürter Liebe gegen sie / daß er bey ihren Anschauen vielleicht von neuen [194] in Juliens Andencken verstöhret würde; weil sie nun diesem Fraulein nicht nachtheilig fallen / und über diß ihre Seuffzer aus iñerster Seelen / dem erblasten Bosardo allein wiednen wolte / entfernte sie sich aus den Zimmer.
Die nassen Perlen stunden ihr gleich in den schönen Augen / wenn sie sich nur allein befande / und ihr Hertz hatte sich das Bildniß ihres entselten Liebsten so fest eingepräget / daß es stets vor ihren Gemüth stunde / ja sein treuer Geist schiene sie als ein Schatten an allen Orten zu begleiten. Damit sie nun in ihren Melancholischen Gedancken / worinnen unglückselig verliebte zuweilen eine Ergetzung finden / nicht von jemanden verstöhret würde / so wolte sie selbigen in ihren Cabinet nachhengen / und durch Thränen und Seufftzer ihrer anderen Seele ein treues Opffer lieffern: dahero öffnete sie solches / woriñen der Printz mit unterstützten Armẽ noch in tieffen Schlaff ruhete /und seine geschlossene Augen gleich auf Adalien richtete.
Dieses Gesicht nun / durch deren Anschauen sie vormahls ein unaussprechliches Vergnügen genossen / jagte ihr augenblicklich einen solchen Schrecken ein / daß sie den in der Hand habenden Wachsstock fallen liesse / und unter einem starcken Geschrey davon lieff.
Rosantes wurde hiedurch aufgewecket und zugleich als schlafftruncken in einige Bestürtzung gesetzet; weil er aber länger hier zu verweilen [195] vor unrathsam hielte / schliche er sich mit Hülffe des Adalien entfallenen und noch-brennenden Lichtes geschwind davon / unwissend / was für einen angenehmen Stöhrer seiner Ruhe er gehabt.
Inzwischen kam auf Adaliens Geschrey ein Fräulein und etliche Mädgens herzu / um die Ursache dessen zu vernehmen / und da diese mit Zittern berichtete / wie sie bey Eröffnung ihres Cabinets ein Gespenst gesehen / giengen sie sämtlich auf selbiges nebst dem Kammer Diener hinzu; weil es sich aber schon wieder unsichtbar gemacht / wolte ihr hierinnen niemand rechten Glauben beymessen / sondern man schrieb es der blossen Furcht und einer darüber entstandenen Phantasie zu / zumahl an diesen Ort sonst niemahls was zu sehen gewesen.
Adalie widersprach ihnen hierinnen nicht sonderlich / weil sie zu besserer Uberzeugung die Ursach zu sagen billiges Bedencken truge / und also gab sie endlich selber vor / daß es vieleicht ein Schatten gewesen / der ihre Augen so sehr betrogen: Wie sie aber ihreDoris allein um sich hatte / erzehlte sie selbiger ein so unverhofftes Gesicht mit mehren Umständen / und hielte anbey dafür / weil ihr die letzt aus Elbipolis erhaltene höchst betrübte Nachricht von seinem Tode /(wegen dessen Längerung Doris schon eine kleine Reprimande bekommen) so viel heisse Thränen gekostet / und sie in den wehmüthigsten Klagen [196] niemahls ermüdet worden / sey vielleicht sein Geist gestöhret in der Ruhe in der gantz ähnlichen Gestalt ihres erblasten Bosardens erschienen.
Doris suchte ihr zwar dergleichen Gedancken nach Möglichkeit zu benehmen / damit sie sich inskünfftige nicht weiter vor etwas entsetzen möchte; AlleinAdalie wuste mehr als zu wohl / was sie gesehen /und die ihr nunmehr gehässige Welt bracht sie auf den Vorsatz / weil ihr Vergnügen gestorben / in dem Kloster sich gleichfals lebendig zu begraben / und den Rest ihres traurigen Lebens der Einsamkeit zu ergeben.
Der Baron hatte sich indessen bey der Hertzogin beurlaubet / und war mit gantz verwirten Gedancken in sein Logis angelanget: denn von Julien wurde er an dem bestellten Ort empfangen / und sehr freundlich tractiret / von Adalien / aber erhielte er nicht die geringste Affection darauf er sich nach den Briefe Rechnung gemacht und also wuste er sich in eine so verkehrte Begegnung durchaus nicht zu schicken.
Den andern Morgen bey sehr früher Zeit ließ ihnRosantes zu sich bitten / und wie er dessen Verwirrung verstunde / belachte er die gestrige Avanture wichtig; Werdigni muste per Compagnie mit machen / um ihm aber das rechte Fräulein zu zeigen / bathe er / sich nach seinem Belieben noch einmahl mit ihm deswegen zu bemühen / er wolte zuvor durch ein[197] Schreiben um diese Affection bey ihr anhalten.
Doch Rosantes / der durch die verliebte Discourse des Barons in seinem Verlangen von neuen angeflammet wurde / Adalien zu suchen / schätzte alle Augenblick vor höchst schädlich / die er an diesem Hofe zu verspielen vermeynte; Dahero schlug er solches höflich ab / unter dem Vorwand / daß er einige nöthige Affairen und die gar keinen Verzug litten / an einen bekannten Hofe zu verrichten / deswegen er morgen dahin aufbrechen würde; indessen ersuchte er den Baron / sein Compliment bey der Hertzogin zu machen / und daß er sich von Hertzen die Ehre gewünschet / ihr die schuldige Reverentz durch eine Aufwartung zu bezeigen / wofern nicht dero Maladie ihn an einem so hohen Glück gehindert.
Nach diesen machte der Printz seine Eqvipage fertig / und in dem er von seinem Durchl. Herrn Vater Erlaubniß erhalten / einige auswärtige Höfe zu besuchen / war ihm nichts mehr als eine eintzige Nacht noch im Wege / daß er seinen Vorsatz ins Werck richtete.
Nun hätte Werdigni gerne eine Visite bey der Hertzogin / oder besser zu sagen bey dem Fräulein von Bellemond abgeleget / um sich der gestrigen Begebenheit zu erkundigen / weil er aber mit einigen Ministren was zu tractiren / muste er solches biß auf eine andere Zeit verschieben / und den heutigen Tag den Staats-Sachen aussetzen.
[198] Adalie immittelst wolte sich durch keine Trost-Gründe von ihren Mädgen trösten lassen / sondern befande sich in den traurigsten Zustand der Welt / und wenn ihr Doris von andern galanten Cavallieren sagte / die ihre Besitzung vor das gröste Glück zu schätzen wurde sie hierüber etwas zornig / und befahl mit dergleichen Reden hinfüro einzuhalten.
Es muste sich aber fügen / daß das Mädgen bey auswärtiger Verrichtung den Printzen in einem Fenster erblickte / und da sie selbigen ohne dessen Gewahr werden / genau betrachtete / sahe sie Bosardens vollkommenes Gesicht: Sie wurde nicht wenig hier über betroffen / und lieff geschind zurück / um Adalien solches zu hinterbringen.
Diese aber befande sich gleich bey der Hertzogin /daß also Doris ihre Begierde nicht stillen konnte; weil sie aber nicht zubegreiffen wuste / wie ihr Fräulein so gewisse Nachricht von Bosardens Todte können haben / da sie ihn doch itzo noch auf dem Schlosse gesehen / und dabey vor unmöglich hielte / daß zwey Personen einander in allen so gar ähnlich könnten seyn / triebe sie ein dergleichen Leuten ohne diß eingepflantzter Fürwitz an / in Adaliens Kleidern den von Elbipolis erhaltenen Brief zu suchen. Sie war hierinnen glücklich / weil ihn das Fräulein aus übermässiger Betrübniß nicht besser verwahret / [199] und ihre lüsterne Augen lasen ihn wie folgend gantz durch:
Wohlgebohrnes Fräulein /
Gnädiges Fräulein!
Dero Gnädigen Befehle in Unterthänigkeit zu respectiren / berichte / daß von der hier gantz rennomirten Familie des Herrn Bosardo der Sohn eben zu der Zeit gestorben / da Elbipolis mit dero Gegenwart beehret wurde. Allein diesen Verlust kan er durch einen andern geschickten Sohn ersetzen / welcher in der Qualitat eines Cavalliers soll verreiset seyn / und dieser glaube ich / wird sich zu Paris vor einiger Zeit aufgehalten haben. Belieben mein Gnädiges Fräulein von mehrern Nachricht zu wissen / so ist meine devoir / mich in allen zu erweisen.
Wohlgebohrnes Fräulein
Dero Unterthänig-gehorsamen
Knecht.
Das Mädgen erstaunte recht über diesen [200] Zeilen /weil sie daraus noch besser ersahe / daß Bosardo noch lebte / und doch Adalie sich äusserlich so viele Schmertzen über seinen vorgewandten Todt machte, da selbige so wohl als sie nunmehro eines andern versichert sey: Sie vertieffte sich sehr in diesen Nachsinnen / und die leibhafftige Gestalt des von sie gesehenen Bosardens nebst dem gestrigen Gespenste / darüber sich Adalie zum Schein beklaget / stärckten sie in der Meynung / es müsse sie Bosardo bedienen /hinter der gantzen Sache aber lauter Liebes-Geheimnisse und eine mit Fleiß also gemischte Karte verborgen stecken / damit keine Seele hinter ihre Schliche käme. Wiewol sie nun eine heimliche Freude hegte /in ihr innerstes Liebes-Cabinet unvermerckt gesehen zu haben / konnte sie doch nicht begreiffen / aus was für Ursachen Adalie ihr voriges Vertrauen zu sie gantz und gar geändert / und sie mit so viel erdichteten Sachen bey der Nase herumgeführet.
Der Verlust eines sonst so gnädig gewesenen Fräuleins ihrer Confidence gieng ihr dergestalt zu Hertzen / daß sie sich fast öffentlich darüber beschweret; weil sie aber Adalien erst verblühmt erforschen wolte /und diese gleichwol immer bey ihren traurigen Wesen bliebe / ergrif sie endlich aus erbitterten Gemüthe den Vorsatz; Adaliens geheimes Verständniß mit Bosarden, doch mit einer Manier / an Brion nach Paris zu schreiben / und wie eine würckliche [201] Heyrath unter ihnen das allerbeste sey / vielleicht daß Brion mit dem alten Bosardo in Elbipolis die Sache richtig machte / und sie hernach den Verdruß des verlohrnen Credits nicht weiter empfinden / sondern wohl noch gnädigere Blicke kriegen möchte: Und dieses Vorhaben setzte sie bey erster Post nach Paris ins Werck.
Der andere Morgen war kaum angebrochen / als Printz Rosantes unter Begleitung des Barons und vieler ansehnlichen Cavalliers fort reisete / einem vertrauten Secretair aber Ordre ließ / sich nach Möglichkeit an allen ihm befandten Höfen eines Fräuleins /Adalie Nahmens; zu erkundigen / und so er davon Gewißheit hätte / solte er unverzöglich einen Brief nach Elbipolis an den alten Bosardo senden / von dar wolte er ihn schon / er möchte auch seyn / wo er wolte / durch öffteres dahin Schreiben und Meldung seines Aufenthalts erhalten.
So seltsam spielte das Verhängniß mit zwey äusserst Verliebten / daß sie an ihrer gewünschten Zusammenkunfft am stärcksten zweiffelten / da sie selbige bey so naher Gegenwart alle Augenblicke beschleunigen können / und der erst verwirrte Anfang ihrer Liebe muste hernach der Grund zu einer öfftern und schmertzlichen Trennung seyn.
Nachdem nun der Baron wieder an dem Hofe angelanget / gieng seine meiste Sorge dahin / wie er Adalien selber sprechen möchte: Julie [202] aber überhobe ihn des vielen Nachsinnens / indem sie ihr Mädgen zu ihm schickte / mit dem Ersuchen / ihr doch einmahl seine angenehme Visite zu schencken: Der Diener brachte ihm aus Unwissenheit so beliebte Post abermahls von Adalien / weil er das Mädgen nicht besser kennete / und der hierüber erfreute Werdigni säumte keinen Augenblick / ihrem Befehl nachzu leben.
Seine Verwunderung aber vermehrte sich vonneuen / da er Julien an statt Adaliens ihm entgegẽkomen sahe / und zwar dieses um destomehr / weil er seinPortrait an ihr gewahr wurde: sie gab ihm gleich mit lächelnder Mine eine kleine Reprimande, daß er so nachlässig in seinen Besuch sey / und sie fast zwey gantzer Tage aus ihn vergebens warten lassen. Werdigni fragte gantz befrembdet / wie er zu einen solchen Glück käme / daß einem so galanten Fräulein was an seiner Aufwartung gelegen? Wie mein werther Baron? sagte sie / könnet ihr euch so artig stellen /und ist das Gedächtniß einer Verpflüchtungen so kurtz / die ihr dem Frauenzimmer gebet? gewiß es ist eine schöne Qualität eines Amanten. Werdigni stutzete greulich hierüber / und konnte sich so gar zu keiner Antwort schicken / da ihn Julie von neuen fragte /was ihm fehlte / daß er so verwirrt wäre?
In dem kam abgeredter massen ein ander Fräulein /als Juliens sehr geneigte Freundin / [203] darzu / und gratulirte ihnen beyden zu den wolgetroffenen Bündniß /das ohnsehlbar vollkommen glückselig seyn müste /weil es die Qualitäten eines so treflichen Paars nicht anders meritirten. Julie nahm die Danck sagung auf sich / sagte aber mit lächelnden Munde / daß vielleicht dem Herrn Baron eine solche Gratulation vor zwey Tagen geschehen müssen / wo sie ihm angenehm sollen fallen / weil er sie itzo zu bereuen schiene. Ums Himmels willen! fing er endlich an / sagt mir doch annehmliche Julie / woher dieser Schertz rühret? Nun höret ihrs / wehrte Freundinn / sagte Julie zu der andern / daß er sich gantz frembde anstellet / allein damit bin ich nicht zufrieden. O! gab das Fräulein hierauf zur Antwort / er hat sich nicht Ursach gegen mich zu verstellen / denn ich weiß es mehr als zu wohl / und so ihr es mir nicht selber gestanden / gebe mir diß Portrait doch Erklärung genug. Je mein liebstes Fräulein! fing er zu Julien an / saget mir doch /wer euch dieses schlechte Portrait eingelieffert?Ey mein Baron / antwortete Julie / lasset den Spaß itzo seyn / und saget vielmehr dem Original / daß es die Zeit besser anwenden soll / ehe uns die Hertzogin selbe ohne diß benimmt. Nun ich will euch nicht stöhren / gab die andre drauf / und gieng damit fort; Weil aber Adalie gleich aus der Hertzogin Zimmer kam /um ihn dahinein zu holen / stellete sich Julie / als ob sie mit ihrer Freundin was zu reden / und folgte ihr[204] also etwas beyseite nach: Denn sie wolte ihm mit Fleiß Raum lassen / noch verwirrter bey Adalien zu werden / damit der Possen desto gewünschter ablauffen möchte.
Der Baron sahe die Kennzeichen der Betrübniß inAdaliens Gesichte / und wurde darüber bestürtzt / zumahl sie ihn ohne Ceremonien in der Hertzogin Zimmer wolte führen; gleichwohl gedachte er sich dieser Gelegenheit zu bedienẽ / daß er sich ihres Gemüths nebst derer an ihn geschriebenen Briefe erkundigte /und fragte also / wie er denn so unglücklich gewesen /sie vorgestern nicht an dem bestellten Orte anzutreffen / da er sich doch auff das gütige Versprechen einer so hoch-schätzbaren Gunst die vergnügteste Rechnung gemacht? Adalien befrembdete eine solche Frage nicht wenig / da sie weder von einer Zusage noch einiger Vertraulichkeit mit ihm wuste / dahero kondte sie nicht anders / als nur ihre Verwunderung hierüber bezeigen. Werdigni fragte weiter / ob sie ihm denn nicht die Ehre gegönnet / einen Brief vor drey Tagen von ihren schönen Händen zu lesen? allein Adalie sahe ihn mit steiffen Augen an / und antwortete endlich / der Herr Baron würde sich in der Person irren / indem sie niemahls was an ihm zu schreiben gehabt: Dort stünde aber ein Fräulein / auf Julien zielend / welcher dergleichen Discourse besser als ihr angiengen / und damit ruffte sie Julien / mit Bitte /[205] ihn zu der Hertzogin zu begleiten / weil selbige seiner wartete.
Wie spanisch dieses dem Baron vorkam / ist mit keiner Feder zu beschreiben / Julie aber ließ ihm nicht lange Zeit / die Umstände dieser seltsamen Begebenheit zu erforschen / sondern führte ihn unter den freundlichsten Blicken zu der Hertzogin.
Diese Durchlauchtigste Person / welche sich durch Hülffe der treflichsten Medicamenta nun wieder ausser dem Bette hielte / schertzte bey dem Eintrit dieses zusammen-kommenden Paares wegen ihrer geschwinden Vereinigung / und sagte dabey / wie es ihr sonderlich gefiele / daß der Herr Baron seine Affection auf ein Fräulein unter ihrem Gefolge geworffen /da sich doch viele anderwerts das Glück gönnen würden: sie wolte ihm aber versichern / daß er seinen Entschluß zu bereuen solte keine Ursach habẽ.
Wer lachte bey sich selber wohl mehr als Julien /da sie bey so weitgekommener Sache eine rechte Erklärung von Werdigni hören muste / und nimmermehr hoffte / daß er zu seiner eigenen Beschimpffung was widriges sagen würde.
Wie war aber dem Baron zu muthe? er urtheilte hieraus des Dieners begangenen Irrthum / und daß Juliens Mädgen an statt der von Bellemond ihres so wohl die Briefe als übersendete Kostbarkeiten müste empfangen haben; [206] weil er nun wegen Adaliens bißheriger Kaltsinnigkeit wenig Hoffnung auf ihre Kunst bauete / Julie aber von artiger Gestalt und grossen Reichthum war / und er zumahl der Hertzogin Ungnade zu vermeiden / kein unanständiges Nein von sich geben dürffte / willigte sein Hertz endlich in dieses Bündniß / und bathe gleich der Hertzogin gnädigenCosens darzu aus.
Mit was für Vergnügen hörte nicht Julie eine solche Anwerbung an / und wie hoch schätzte sie nicht den verschmitzten Amor / daß er ihr diese List so erwünscht ausführen helffen: wie sie nun in ihr Zimmer allein mit dem Baron kam / waren tausend feurige Küsse das Siegel ihrer Liebe / und ob ihm Julie gleich den gantzen Handel erzehlete / mehrete sich doch seine Hochachtung nur desto stärcker / weil er hieraus die vollkommene Gunst der nunmehr von ihm äusserst geliebten Julie erkennete.
Kein Tag gieng hernach vorbey / daß er nicht etliche Stunden davon der annehmlichen Julie gewiednet / und je mehr er ihre artige Aufführung und die ihm allezeit erwiesene Caressen zu Gemüthe führete /desto inbrünstiger wurde seine Sehnsucht / das süsse Ziel zu erreichen / welches Amor am Ende aller Gunst Bezeugungen aufgestecket.
Man machte dahero trefliche Anstalt / und die Hertzogin liesse durch die Menge der anbey schaffenden delikatesten Speisen / Confecturen [207] und die kostbahrsten Praesente genugsam die Gewogenheit erkennen / die sie wegen Verheyrathung mit Julien zu dem Baron trüge.
Endlich brach die denen Verliebten so angenehme Fünsterniß herein / unter deren schwartzen Mantel sie die Geschäffte der Liebe in dem erschüttrenden Brautbette verrichteten / und so viel kurtze Seufftzer aus innerster Seelen stiessen / so viel heisse Küsse auf den entbrandten Lippen wechselten / ja so unzehlbares Vergnügen in der genauesten Umarmung genossen /daß sie zuweilen in einer entzückten Ohnmacht alle empfindlichkeit bey der grösten Empfindung der süssen Nacht-Lust verlohren.
Sie lebten hernach in gewünschter Zufriedenheit mit einander / und Adalie gönnete ihnen unter allen eine beliebte Vereinigung der Gemüther wohl am meisten / weil manches mit neidischen Augen Juliens Ergetzen ansahe / Adalie aber ausser der geringsten Müßgunst auch aus eingepflantzter edler Eigenschafft anderer ihr Vergnügen offt vor das Ihrige schätzte.
Wie sie aber fast täglich und in ihrer grösten Tieffsinnigkeit über Bosardens vermeintes Absterben / zuweilen gewahr wurde / wie schön dieses Paar miteinander Thate / siellete sie sich ein gleiches vor / wenn ihr das Glück Bosarden in die Arme gelieffert / und das zärtliche Uberlegen eines so unschätzbaren Verlustes / der durch nichts in der Welt wieder zu ersetzen /stärckten [208] sie an den obengemeldeten Schluß / in das Kloster zu ziehen / so bald nur die Hertzogin von hier ausbrechen würde.
Allein ob die schöne Adalie gleich alle Welt durch ihre Annehmlichkeiten zwingen konnte / hatte sie doch dieses Vermögen nicht über das Verhängniß /welches ein weit anders mit ihr verordnet.
Denn Brion hatte mitlerweile der Doris Schreiben erhalten / und desto eher das heimliche Verständniß mit Rosantes oder den vermeynten Bosardo geglaubet / weil er aus dessen treflichen Ansehen und vollkommener Geschicklichkeit / aus Adaliens gespürter Gunst gegen ihn und der viel ausgeschlagenen anderer mariagen / ja endlich aus der Begierde nach Teutschland sattsam urtheilte / es müsse sie der Magnet nach ihm gezogen haben.
Eben aus diesen erwehnten Ursachen und der Würdigkeit eines so qualificirten Schwieger-Sohns / saheBrion desto weniger / warum er eine Heyrath unter ihnen hindern / und nicht vielmehr beyzeiten befordern solte / ehe sie die heftige Liebe zu einer Ausschweiffung verleiten möchte. Dahero schrieb er in der gäntzlichen Meynung / der in Paris gewesene Bosardo sey des alten Bosardo in Elbipolis / Sohn / an denselben / und meldete Adaliens Zuneigung zu dessen Herrn Sohn / mit dem Erklären / weil doch die glückseeligsten Heyrathen durch Ubereinstimmung[209] der Gemüther musten gestifftet werden / so solte es endlich an ihm nicht liegen / die bißhero unter ihnen gepflogene Freundschafft und gutes Verständniß durch eine annoch genauere Verbindungung fortzusetzen.
Der alte Bosardo ersahe mit einiger Verwunderung ein angebothenes Glück / das wesgen seiner Schätzbarkeit tausend vortheilhafftere Partien verdiente; wie er aber hieraus erkennte / es müsse Printz Rosantes als sein vermeynter Sohn hierunter verstanden seyn /der bey seinem Anwesen in Paris Adalien charmiret, so trug er fast Bedencken / so wohl ein so trefliches Fräulein als den Herrn Brion zu hintergehen.
Gleichwohl wiese er solches seinem annoch lebenden Sohn / der sich anfangs durch blosse Briefe inAdalien verliebet / und fragte ihn / ob er wohl eine solche Liebste möchte? dem jungen Bosardo hatte wohl niemahls was angenehmers in den Ohren geklungen / als eine solche Zeitung / und weil ihm Adaliens Schönheit / die er bey ihrer Gegenwart in Elbipolis gesehen / schon manche unruhige Nacht verursachet / bath er seinen Vater inständigst / so eine schöne Gelegenheit vor ihn nicht aus den Händen zu lassen / sondern unter den vor ihnen höchst-nützlichen Irrthum die Sache so weit zu bringen / daß das Fräulein nur ihr völliges Ja-Wort von sich gäbe / und erst in Elbipolis käme / als denn [210] meynte er gantz gewiß / Adalie würde bey so weit gekommener Sache keine Schwürigkeit machen / den Printzen mit ihm zu vertauschen / zumahl er sich auf seine eigene Person nicht wenig einbildete.
Durch das viele Zureden / ließ sich der Alte bewegen / daß er auf die höflichste Art wieder nach Paris an Brion schriebe / und nebst verbindlicher Dancksagung vor die auf sein Hauß gelegte Affection, ihre genauere Verbündung durch dessen Fräulein Tochter und seinen Sohn eine hohe Ehre nennete / dabey er sehr bathe / die ihm höchstbeliebte Sache bald zur Richtigkeit zu bringen.
So bald nun Brion diese Antwort erhalten / vermeynte er Adalien einen ungemeinen Gefallen zu erweisen / wenn sie seinen Consens zu einer längst gethanen Wahl so unverhofft erblickte / dahero fertigte er sonder Verzug einen Brief ab / darinnen er Bosardens gebilligte Anwerbung um sie meldete / von allen aber / was ihm Doris geschrieben / ließ er sich nicht das geringste mercken.
Damit nun dieses Schreiben desto sicherer in Adaliens Hände lief / legte er solches in die an den altenBosardo nochmahls gestellte schriftliche Versicherung der besondern Gewogenheit gegen seinen Herrn Sohn / und der junge Bosardo sparte bey deren Erhaltung keinen Fleiß / auf so geschickte Manier / als er konnte / seine [211] Sehnsucht nach ihrer unvergleichlichen Person zugleich mit zu bezeigen.
Wie er nun seine verliebte Grillen nach Möglichkeit zu Papier gebracht / hätte er den Brief gerne Flügel gewünschet / um durch diese Geschwindigkeit wieder einzubringen / was das lange studiren über seine zierliche Complimenten versäumet; doch er muste sich befriedigen lassen / daß sein Vater einen eigenen Courir aus Elbipolis nach Allerona schickte.
Adalie erhielte eben zu der Zeit diese Briefe / da sie mit der Hertzogin von Mommorency nach deren wieder-erlangter Gesundheit aufbrechen / und von derselben nach Paris in ein Kloster ziehen wolte / um ihre übrige Lebens-Zeit darinnen zu zubringen.
Sie erbrach solche gantz begierig / weil sie unwissend / von wem selbige gekommen; allein mit was für Erstaunen wurde sie nicht den unterschriebenen Nahmen / Bosardo, und dessen eigentliche Hand im Schreiben gewahr? denn oben ist bereits erwehnet worden / wie der Printz dessen Person besser zu Agiren / auch die Hand muste nachmahlen lernen. Sie sahe selbigen mit starren Augen an / und meynte nicht anders es müsse sie ein Blend-Werck betriegen / weil ja Bosardo vorlängst im Grabe gelegen.
Sie wuste also nicht / ob sie ein Traum oder sonsten was bethorete / daß eines Verstorbenen Zellen ihr wiederum zu Gesichte kamen. Wie [212] sie aber auch ihres Vaters Schreiben eröffnete / ohne daß sie erst Bosarden seines vor Grauen durchgelesen / ersahe sie mit unaussprechlicher Verwunderung / wie Bosardo bey ihren Vater um sie solte angeworben haben / und daß er seinen Consens drein gegeben.
Doris kam gleich herzu gegangen / welcher Adalie alsofort mit gantz verwirrten Gesichte einen so seltsamen Inhalt wiese / und dabey ihre Gedancken darüber zu wissen begehrte. Das Mädgen hielte es noch immer vor eine Verstellung / und wolte sich dahero gleichfals nicht bloß geben; da aber Adalie bey ihrer Art bliebe / erinnerte sie Doris des von Elbipolis erhaltenen Briefes / und bathe bescheidentlich / ihr doch selbigen sehen zu lassen. Es wurde ihr hierinnen leicht willfahret / weil sie Adalie eben dadurch der Nachricht von Bosardens Todte überführen wolte: Sie erblickte aber bey rechter Durchlesung / was sie zu ihrer äussersten Quaal vormahls ausgelassen / und bereuete ihre Unachtsamkeit / welche eine übereilte und unmässige Wehmuth verursachet.
Darauf griffe sie mit inbrünstigen Verlangen nachBosardens Schreiben / und fande darinnen wohl eine höfliche aber nicht so artige und verpflichtete Schreibart / als sie vormahls in Rosantes seinen gesehen; über diß hatte er nichts von ihrer Trennung erwehnet / weswegen sie sich doch im Anfange allerhand sinnreiche [213] Excusen eingebildet; Doch ihre Muhtmassung war / er müste es vielleicht in Gegenwart anderer verfertiget haben / denen er hierdurch ihre vorige Vertraulichkeit nicht entdecken wollen; und solcher Gestalt legte sie alles desto eher zu ihren besten aus / weil es mit ihren hertzlichen Wunsch übereintraff.
Adalie wurde also als wie von neuen lebend / da sie das jenige unentseelet und in beliebter Treue glaubte / ohne dessen Umarmung ihr Leben eine unerträgliche Marter zu nennen; und ihre Wangen nahmen in kurtzer Zeit die vor verblühte Rosen / die Lippen den Purppur / und die durch Betrübniß fast untergangene Sonnen ihrer Augen die durchdringende Strahlen in solcher Vollkommenheit an / daß man ihr Gesicht wieder als ein Behältniß tausenderlen Annehmlichkeiten admiriren muste.
Da sie nun Doris wieder bey gantz ausgeheutertenhumeur sahe / und ihre geheim entdeckte Verrätherey eine so schöne Würckung genommen / vermeynte sie einen treflichen Danck bey Adalien deswegen zu verdienen / dahero gestunde sie nun frey / was vor Gedancken ihr der in ihren Kleidern gefundene Brief er wecket / und wie sie aus Verdruß ihres verlohrnen Vertrauens nach Paris geschrieben. Adalie verwiese ihr zwar dieses Unterfangen / weil es aber wider alles Vermuthen ein so gutes Ende erreichet / sahe sie nicht eben ungütig darzu aus / sondern [214] beschenckte das Mädgden sehr reichlich.
Nach diesen ergriff sie nicht allein die Feder an ihren Vater / und bezeigte ihre Dancksagung vor seine gütige Vorsorge in einer Heyrath / der sie sich nach seinem Willen mit Freuden unterwerffen würde; sondern antwortete auch Bosarden höchst vergnügt. Wiewol da er behutsam im Schreiben gegangen / wolte sie ein gleiches beobachten / weil sie muthmassete / es möchte der Brief in andere Hände gerathen / dahero erklärte sie sich gantz bescheidentlich / wie ihres Vaters Wahl von ihr als ein Gesetze müste respectiret werden / dazumahl dessen Qualitäten aller Estim würdig.
So viel hatte Bosardo kaum erhalten / als er vor Freudigkeit aus sich selber schiene / und überall ausbreitete / was für eine trefliche Braut ihm von dem Glück verordnet sey: Viele / die Adalien gesehen /müßgönnetem ihm so was schätzbahres / und konnten nicht begreiffen / wie er die vollkommene Gunst eines Wunderwürdigen Fräuleins erlanget / da sie wohl des galantesten Cavalliers Bemühung vor schwer gehalten.
Aber eben dieses machte ihn nur stoltzer / und er sparte wegen seines Reichthums / keine Unkosten /seinen Stand als ein Cavallier zu erhöhen: allezeit musten ihn etliche Diener begleiten / welche in sehr chamarrirter Lieberey gekleidet waren / er legte sich die schönsten Pferde zu / sein [215] Habit war stets kostbar / und der neue Juncker bauete sich Schlösser in Gedancken / wo er mit seiner künfftigen Liebsten residiren wolte.
Mittlerweile war bey Brion die Antwort von Adalien ebenfals eingelauffen / deswegen er gleich nach Elbipolis einen seiner Anverwandten zum Bevollmächtigten beordrete / Adalien aber von neuen schriebe / daß sie sich sonder Zeit-Verlust nach Elbipolis begeben solte / unterweges würde sie denn ihren Anverwandten an einem gewissen Ort antreffen / welcher mit der Post schon abgereiset / und in allen so viel Instruction hätte / als zu ihrem Vergnügen diente.
Wer war wol zufriedener und in Gedancken glückseeliger / als Adalie? welche schon vorhero dasjenige schmeckte / was sich äusserst verliebte Personen einbilden / wenn sie das süsse Ziel ihrer Hoffnung endlich erreichet. Das Gedächtniß der erdulteten Schmertzen leschte die im Geist vorgestellte Liebe Bosardens meistens wieder aus / denn sie sahe nunmehro / wie alles innerhalb wenig Tagen ein erwünschtes Ende gewinnen / und sie Zeit ihres Lebens die schönsten Früchte ihrer treuen Beständigkeit geniessen würde.
Ihre Sehnsucht war eine der grösten / ehe sie in Elbipolis dem vermeinten Bosardo die Verpflichtung bezeugen solte / daß er seine ehemahls geschworne Treue durch eine so schöne [216] Probe bestätiget / und dadurch seine Tugend gerechtfertiget / die sie wegen seiner geschwinden Entfernung in Zweifel gezogen; ja die Stunden musten ihr einen Verdruß erwecken / weil sie ihrer Meynung nach so langsahm vorbey strichen.
Um diese Zeit brach die Hertzogin von Mommorency von dem Alleronischen Hofe auf / und begab sich nach ihres Gemahls Lande: Adalie begleitete sie biß auf zwey Tage Reisen / daselbst nahm sie aber nebst unterthäniger Dancksagung vor alle hohe Gnade Abschied / und wie wol sie die Hertzogin sehr ungern von sich liesse / zohe sie doch die Beförderung ihres Verlangenden Glückes in so gnädige Betrachtung /daß sie endlich ihr Bitten mit nochmahliger treflicher Beschenckung und tausenderley Merckmahle ihrer Gnade bewilligte.
So bald sich nun Adalie auch von den übrigen Fräuleins beurlaubet / und es bey manchen nicht ohne Wehmuth wegen der Beraubung einer edlen und gewiß aller Hochachtungs würdigen Freundin abginge / begab sie sich nebst ihrem Mädgen fort / und war so glücklich / ihren Anverwandten an den benannten Orte anzutreffen.
Ihre erste Frage war nach Bosardens an ihren Vater geschriebenen Briefe / wie selbiger eingerichtet gewesen / auch / ob er sonsten grosse Affection zu ihr verspüret / da er itzo durchgereiset? [217] dieser erzehlete mit weitläufftigen Umständen dessen itzigen Staat / und wuste dabey nicht genugsam zu beschreiben / wie äusserst ihn die Liebe nach ihr seuffzen liesse / daß er auch kaum durch benöthigte Anstalt zu ihrer Trauung und anderen wichtigen Geschäfftẽ abzuhalten gewesen / ihr nebst ihm entgegen zu gehen.
Durch diesen angenehmen Bericht wurde Adalie unendlich vergnüget / und die Beruhigung des Gemüths pflantzete die Schönheit wieder so vollkommen in ihr Gesicht / als sie ehemahls gewesen; den Weg aber passirte sie mit lauter Discoursen von Bosarden / und die Phantasie erwiese durch diese Würckung /was vor Wunderwercke sie in den Menschlichen Gedancken verrichten kan.
Als sie nun die mit sechs hohen Thürmen prangende Stadt zu Gesichte bekam / lachte ihr Hertz von innerlichen Freuden / weil ihr selbige ein Aufenthalt aller künfftigen Glückseeligkeit schiene / und das an sich selbst preißwürdige Elbipolis / verdiente von ihr einen Ruhm / deñ es gewiß von einer so schönẽ Person vor den schätzbarsten zu halten / den man ihm jemahls beygeleget.
Endlich gelangte sie selber dahin / da ihre Gedancken bereits vorangegangen / und nachdem sie ihr Anverwandter in ein ansehnliches und wohl-zubereitetes Hauß geführet / verfügte er sich alsofort nach Bosardens Wohnung / um deren Ankunfft anzumelden /und ihn hernach mit sich zubringen.
[218] Unterdessen machte sich Adalie fertig / ihren geliebten Bosardo mit aller Freudigkeit zu empfangen /und ihre Liebe war im voraus Sinnreich / was ihr derjenige vor Caressen erweisen würde / den sie sich eben noch so galant und annehmlich vorstellete / als sie ihn vormahls in Paris gesehen.
Bosardo verzog in etwas / weil er mit der Anstalt zu einer prächtigen Einholung nicht gleich sonnte fertig werden / daher wurden Adalien alle Augenblicke fast zu Jahren / ehe sie ihn sehen solte / und es erregte sich über sein so langes Aussenbleiben / eine kleine Ungedult bey ihr.
Indem aber hörte sie etliche Carossen vor dem Hause stille halten / und da sie nunter sahe / wurde sie ihres Anverwandten gewahr / welcher eine wohlgekleidete Person an der Hand führete / vordem noch jemand anders hergienge: Ihr Hertz wallete recht vor Freuden / da sie der Einbildung nach den Printz Rosantes so nahe vermeynte / daher öffnete sie gleich /wie sie näher kamen / die Thür.
Wie sie nun sämtlich in das Gemach eingetreten /machte der alte Bosardo Adalien viele Ceremonien von der Vergnügung und Ehre / die ihm in einen höchst-angenehmen Bündniß mit dero vornehmen Hause begegnete / und bey junge Bosardo / suchte seine vorher studirte Oration [219] gleichfals hervor / dadurch er sich bey Adalien beliebt zu machen / vermeynte.
Adalie machte schreckliche Augen / da ihr eine gantz andere positur als Rosantes / zu Gesichte kam /und ihr so viel verliebte Dinge herschwatzete / daraus sie verstunde / daß er sie zu seinem Ehegemahl haben wolte; doch sie dachte endlich / es sey auf eine kleine Kurtzweil angesehen / daß sie ihr bey weiten einen nicht so geschickten Cavallier als Rosantes vorstelleten / dahero sagte sie: sie würden sonder Zweiffel mit ihr zu schertzen belieben / welches aber nicht nöthig /denn sie hätte ihren werthen Bosardo bey seiner Anwesenheit in Paris sowohl kennen lernen / daß sein Bildniß bey ihr vollkommen abgerissen stünde / und es eine so kurtze Zeit unkenntbahr zu machen / nicht vermögend sey.
Sie stutzten zwar etwas über diese Antwort / der junge Bosardo aber erzehlte den ihnen betroffenen Todes Fall in der Persohn seines Bruders / welcher in Paris gewesen / daß er also der eintzige Erbe aller Güter sey; nach diesen suchte er alle Beredsamkeit hervor / sich bey Adalien einzuschmeicheln / und ob er gleich bißweilen in seinen Complimenten stecken blieb / oder sie nicht geneigt erblickte / dachte er solches dennoch durch eine galanterie zu ersetzen / und kriegte also bald eine schöne Schnup-Tobacks-Dose heraus / die er gar Adalien / wie wohl vergebenspraesentirte / bald machte er im Fortschreiten [220] mit den Beinen ein Coupé oder Frisé / damit sie sehen solte /daß er tantzen könnte: Bald sahe er nach seiner kostbahren Uhr / wo aber die Unruhe der Seinigen ein Beyspiel geben können: und ob die Liebes-Glocke gleich noch nicht schluge / machte er doch eine gravitätsche Mine / und meynte durch solche Manier das Hertz eines Frauen-Zimmers zu bewegen.
Adalie würde über den affectirten Cavallier gelacht haben / wofern nicht die abermahlige Nachricht des Todes ihrer anderen Seelen / und der itzige Zufall sie in solche Verwirrung gesetzt / daß sie dafür wenig auf der anderen ihr Bezeigen Achtung gab.
Diese Bestürtzung konnte man ihr leicht am Gesicht ansehen / dahero auch ihr Anverwandter das Wort auf sich nahm / und durch allerhand Erfindungen ihre Kaltsinnigkeit zu bemänteln suchte; nachdem er aber sahe / daß sie ohne die geringste Antwort zu geben / in der hefftigsten Gemüths-Bewegung verharrete / und endlich die schönen Wangen mit einer blassen Farbe überzogen wurden / bemühte er sich doch äusserst / der Sache einen Schein zu geben / und machte ihnen also weiß / sie würde sich wegen der beschwerlichen Reise nicht wohl befinden / wodurch sich jene bewegen liessen / vor bißmahl höflichen /wiewohl wegen Adaliens Sprödigkeit / ziemlich müßvergnügten Abschied zu nehmen.
[221] Der Anverwandte / begleitete sie zu mehrer Ehr-Erweisung wieder nach ihrer Wohnung / und so stoltz als der junge Bosardo zuvor fahren gekommen / so schamroth muste er wieder nach Hause kehren; da er zu seinem grösten Verdruß sehen muste / daß alle seine Qualitäten nicht wolten zulänglich seyn / Adalien verliebt zu machen.
Gleichwohl da sich die Leute überall mit seiner treflichen Mariage trugen / und er den ärgsten Schimpff bey fehlgeschlagener Sache zu gewarten / wolte er sein äusserstes dran setzen / Adalien zu der schon auf den dritten Tag angestellten Trauung zu nöthigen /ohne es weiter aufzuschieben: denn sonsten sahe er keine Schwürigkeit / weil sie nicht allein nebst ihrem Bater ihr Jawort schrifftlich von sich gegeben / sondern sich auch itzo in Elbipolis befünde / und zudem ihr Anverwandter / der diesen Abend bey ihnen zur Tafel blieb / in der theuren Versicherung / das Versprechen ohne Wiederrede zu erfüllen / nach Möglichkeit sie zu persuadiren suchte / diese Begebniß sey nicht Adaliens Widerwillen / sondern einer zugestossenen Maladie beyzumessen.
Wie befande sich aber Adalie / nachdem sie eines so beschwerlichen Zuspruchs befreyet war? als eine von aller Welt nunmehro verlassene und vollkommen unglückselige Person / die das Verhängniß mit so viel Feindseeligkeiten [222] beleget / daß wenn ihr edles Gemüth nicht weit mehr Standhafftigkeit gehabt / sie selbige auf die betraurens-würdigste Art zum Grabe besördert. Dennoch musten ihre schönen Augen wieder etliche tausend nasse Perlen einem so unseeligen Zufall zinssen / und die vor mitleiden gantz wehmütigeDoris / leistete ihr treulich Gesellschafft / ohne daß sie vor überhäufften Schmertzen beyde einen andern Endschluß hierinnen fassen konnten / als tausendmahl lieber zu sterben / ehe sich Adalie bey Beraubung ihres beliebten Gegenstandes im Geiste / noch darzu so unanständigen Banden einer widrigen Heyrath unterwerffen wolte.
Wie nun die gewaltsamsten Affecten vorbey waren / und sie wegen der kurtzen Zeit und gefährlichen Verzögerung allhier auf ternünfftige Rathschläge dencken musten / wie sich Adalie mit benöthigter Eilfertigkeit einer solchen Mariage entziehen möchte /schlug Doris zu dem Ende allerhand Mittel vor: Wenn man diese aber genau überlegte / so fanden sich noch viel Schwürigkeiten / ehe sie konnten bewerckstelliget werden.
Endlich gab Adaliens allezeit preißwürdige Klugkeit ihr einen Einschlag / welcher sicher und am leichtesten zu vollführen / nemlich / weil hier immer Schiffe segelfertig stünden / die weiter nein in Teutschland wie auch anderwerths giengen / so müste sie auf einen entslieben: Der [223] Ort nun / wohnt sie ihre Zuflucht nehmen wolten, wurde in Doris Heimath beliebet / welche zwantzig Meilen von Elbipolis war / und von dar sie wieder nach Paris mit guter Bequemlichkeit zu gehen gedachte / um allda dennoch das Kloster zu erwählen.
Darauf muste sich Doris nebst jemanden der sie zu recht wiese / alsofort dahin begeben / wo die Schiffe abgehen / und weil sie viel Geld bothe / waren unterschiedliche willig / indem Augenblick abzufahren /wie denn dergleichen Leute leicht zu gewinnen / wenn sie reiche Belohnung zu hoffen haben; dahero bediengte Doris eine Barque / und nachdem sie genaue Abrede in allen mit ihm genommen / auch befohlen /sich in einer Stunde parat zu halten / begab sie sich gantz freudig wieder zu ihrem Fräulein.
Dieses hatte sich von der ungemeinen Bestürtzung wieder erholet / und ihre ermunterte Sinnen gedachten sich bald von der völligen Angst gar zu befreyen / da ihr Doris so gehoffte Nachricht von ihrer Verrichtung brachte: Sie wolten also die Zeit zu ihrem Vorhaben anwenden / und packten ihre Sachen so geschwinde ein / als sie konnten / welche denn zwey darzu bestellte Kerls / biß auf die Barque sühreten.
Adalie fuhre darauf viel geruhiger fort / sich wenig bekümmernd / wie man sich in Elbipolis über die plötzliche Entfernung ärgern würde; und die Winde bliessen so hurtig und geneigt [224] in die Seegel / als ob sie wüsten / daß sie eine Schönheit auf dem Schiffe hätten / welcher sie allen Gehorsam schuldig.
Indessen da Adalie auf den Wellen der Schiffbaren Elbe herumschwebte / wurden die Glässer in Bosardens Hause wichtig auf ihre Gesundheit getruncken /und wo ihre Gunst durch den vielen deswegen zu sich genommenen Wein zu erhalten gewesen / hätte sie der junge Bosardo am ersten verdienet.
Da nun der Anverwandte wichtig berauschet war /brachte man ihn wegen später Zeit auf der Carosse zu den Logis / worinnen er Adalien gelassen / und wie er daselbst alles sonder Licht und stille fand / meynte er / si ehätte sich wegen grosser Ermüdung zur Ruhe begeben: deswegen riethe ihm seine noch übrige Vernunfft / sie durch kein Geräusche in dem Schlaffe zu stören.
Den andern Morgen machte er sich nach ausgeschlaffenem Rausche frühe aus den Federn / und gieng zu Adaliens Zimmer / um zu hören / ob sie nicht aufgewacht / damit er sie beyzeiten zu einer gütigern Begegnung in Regard Bosardens disponiren möchte: doch da er gar nichts merckte / wunderte er sich über ihren sanften Schlaf / flattirte sich aber dabey desto mehr / es müsse die ihr ungewohnte und geschwinde Reise an der gestrigen Verdrießlichkeit Schuld [225] seyn / welche sich nach wieder-erholten Kräfften heute wohl ändern würde.
Er gieng demnach eine gute Weile in seinem Zimmer spatzieren / und wolte erwarten / biß sie von sich selber aufgestanden; da es ihm aber zu lang währete /wurde er etwas ungedultig / aus Beysorge / es möchte dieser Verzug das jenige unterbrechen / was Bosardo wegen eines divertissements vor Adalien sich mit ihm unterredet: Dahero hielte er vor rathsam / an die Kammer-Thür zu klopffen. Allein hier wolte niemand weder hören noch antworten / so daß er sich über den festen Schlaff dieser beyden nicht genugsam verwundern konnte: weiteres Wesen nun zu machen / scheuete er sich / weil er sie zu mehrern Verdruß aufzuwecken vermeinte / und verfügte sich dahero zu Bosarden, mit dem Bericht / wie ihnen das Bette so wohl bekäme / da sie selbiges etliche Tage nicht recht brauchen können.
Man schaffte allhier gleich ein delicates Frühstück an / und nachdem bald zwey Stunden verflossen / und der Wein des jungen Bosardens Begierden erhitzt /begab er sich in der verliebtẽ Einbildung zu Adaliens gewesenen Logis / heute zu vollkommener Glückseligkeit seine Person geschickt zu spielen / und vermeynte sie zum wenigsten in ihren Nacht-Habit anzutreffen.
Doch hier war wieder Vermuthen das Schlaff-Zimmer noch fest zugeschlossen / und [226] da sie beyde keine Gedult zu warten mehr übrig hatten / war auch die Höflichkeit bey beyden aus / und sie klopfften nach und nach so starck an die Thür / daß auch ein halb-Todter davon sich regen sollen. Wie sich aber darauf noch niemand meldete / sahen sie einander mit starren Augen an / gleichsam dadurch zu erforschen / was dieses zu bedeuten; es fiel ihnen endlich ein / es müsse ihr vielleicht ein gefährlicher Zufall begegnet seyn / weil sie sich in der Welt auf nichts anders zu besinnen wusten / und in dieser Meynung liessen sie den Schlösser holen / welcher das Zimmer eröffnete.
Allein mit was für Erstaunen wurden sie nicht gewahr / daß weder Adalie noch Doris hier zu gegen / ja nicht einmahl in den Betten geruhet: alle Winckel wurden in dem Hause durchsuchet / auf jede Gassen schickte man etliche zur Ausforschung / und das Nachfragen gieng in kurtzen durch die gantze Stadt: ob niemand ein Frauenzimmer nebst einem Mädgen so und so gesehen? doch keine Seele wolte das geringste davon Wissen / und in so ungemeiner Bestürtzung musten sie insgesammt den gantzen Tag bleiben / biß endlich den andern ein Bothsmann die tröstliche Nachricht brachte / daß eine sehr schöne Dame vor zwey Tagen auf einer Barque davon geseegelt / unwissend aber / wo sie ihren Weg hingenommen.
Ich will dem geneigten Leser mit seiner weitläufftigen [227] Vorstellung des Bosardens Raseren / des von den meisten erworbenen Auslachens / und anderer unzehlichen Verdrießlichkeiten aufhalten / weil er sich dieses selber am besten kan abbilden / sondern indem wir die schöne Adalie glücklich fortschiffen lassen /ziehen uns des herumschweiffenden Renards Avanturen zu solcher Betrachtung / die dergleichen bagatellen auszusetzen heissen.
Diesen hatte das Glück auf mancherley Irrwege herum geführet / nachdem er sich den Netzen der listigen Louysen entzogen; doch es schiene als ob alle sein Bemühen durch eine unaufhörliche Verwirrung müsse vergebens heissen / weil er durch genaues Nachforschen seiner angebetheten Barsinen nichts mehr als eine neue Hinderniß erfuhr; denn so ihn ein Landmann von einer Carosse sagte / auch die genommene Strasse zeigte / kame / wenn er selbiger nachjagte / gleich ein anderer / der es besser wissen wolte /und ihn anders wohin wiese: wenn er nun daselbst nichts antraffe / führte ihn ein guter Mensch wieder zu einem neuen Weg / der wegen der hin-und herfahrenden Edelleute so confus als Renard selber war.
In solcher Irre ritte er nebst noch sechs bey sich habenden Dienern etliche Tage herum / und wie er zu seinem aussersten Verdruß keine Gewißheit von Barsinen erhielte / zweiffelte er gar / sie in Teutschland zu finden / sondern weil er [228] glaubte / diese schöne Würde nach Entledigung ihres Räubers sich wieder nach Paris begeben / gedachte er seine Tour gleichfals dahin einzurichten.
Er war schon in bewerckstelligung dieses Vorsatzes begriffen / und hatte tausenderley unruhige Gedancken zu Reise-Gefährten / als ihm ohngefehr ein Bauer / dem Ansehen nach / begegnete / welchen er seiner unendlichen Begierde nach / ebenfals wegen einer Carossen so und so befragte: Dieser Bauer versicherte / daß es nicht eine halbe Stunde / so sey eine Carosse mit zwey Frauen-Zimmer / so wie er sie beschrieben / vor ihm vorbey gefahren / und hoffte er /sie in diesem nah-gelegenen Holtz oder Wald / worauf sie ihren Weg genommen / noch anzutreffen; doch müste man wegen der vielen Wege darinnẽ sich wol vorsehẽ / daß man den rechten nicht verfehlte: Renard war von neuen höchst erfreuet / da ihm so gute Hoffnung zu seinem gewünschten Glück gemacht wurde /und bothe dem Bauer ein gutes Trinckgeld / wo er ihn zurecht wiese: Dieser bezeigte sich gleich sehr willig hierzu / und damit es desto geschwinder fortgehen solte / muste ihn einer von den Dienern auf das Pferd nehmen.
Sie ritten, also starck drauf / und wie sie den Wald erreichet / und eine gute Ecke zwischen den dicksten Büschen hinter sich geleget / bathe der Bauer / man möchte ihn etwas zu Fusse gehen [229] lassen / damit er wegen der vielen neben-Wege den rechten nicht versehlete: darauf führte er sie etwas gemächlicher fort /und da Renardens Sehnsucht eine Ungedult wegen dieses Zauderns erregte / hiesse er ihn wieder auff sitzen: doch der Bauer antwortete / daß er die Carossen fahren hörete / und möchten sich ihre Gnaden die Zeit nicht lassen lang fallen.
Nun vermerckte Renard ohnweit gleichfals ein Geräusche / dannenhero er vor Freudigkeit dem Pferde eben die Sporen geben wolte / als etliche Schüsse geschahen / und alsdenn ihrer achte noch mit Gewehr in der Hand auf sie zusprungen: Der Bauer hatte sich dabey im Augenblick verlohren / und nun sahe Renard, was vor einen schönen Wegweiser er gehabt. Doch zu guten Glücke / war er durch die erste Salve nicht getroffen / sondern nur einer seiner Leute vom Pferde gestürtzt worden / den man vor todt hielte: daher war seine Resolution kurtz und tapffer / daß er statt der Antwort: er solte sich ergeben / seine Pistolen nebst den Dienern lösete / und davon einen Räuber zu Boden streckte. Er bekam aber wieder einen starcken Gruß von Kugeln / und ich weiß nicht / ob ihn das Glück oder diese Schnaphäne vieleicht zu einer guten Rantzion verschoneten / daß er unverwundet blieb / und nur das Unglück seine Leute betraff /weil wieder einer den Sattel räumen muste / und er also nur noch vier um sich [230] hatte. Darauf satzten die übrigen sieben Räuber auf Renarden loß / von denen der erste aber gleich eine Kugel / und der andere seinen Degen fühlte / daß sie beyde hart beschädiget wurden / und gieng es hernach an ein hitziges Gefechte-Die Mörder sahen / daß sie keine Verzagte vor sich hatten / und schon was an ihren Cammeraden eingebüsset / deswegen fielen sie nach ihrer täglichen Handthierung / sieverzweiffelt an / um die eingebildete Beute davon zu tragen / worzu sich denn der schelmische Wegweiser ebenfals gesellete. Hergegen wehrete sich Renard hertzhafftig / und ob er gleich einen starcken Hieb in den lincken Arm bekam / revangirte er es doch mit des andern Tode / den er durch die Brust bohrete; die Diener hielten sich nicht weniger gut / und indem die Erbitterung über den erlittenen Verlust der zwey andern / ihre Stärcke verdoppelte /hieben und stachen sie so tapffer um sich / daß die Räuber zu weichen begunten. Sonderlich aber beschützete einer seinen Herrn zu höchster Zeit / indemRenardens Pferd von einem empfangenen Hieb in den Kopff zur Erden fiel / und darauf der Mörder einen gewaltigen Streich nach seinem Gesichte führete / den aber der Diener so wohl abwendete / daß jener davon ins Graß beissen muste.
Da nun die insgesamt verwundeten Räuber mit Nachdruck fühleten / wie übel ihnen ihr Unternehmen bezahlet wurde / und Renard [231] wieder zu Fusse tapffer auf sie loß drunge / gaben sie Reiß aus; Doch der erhitzte Renard würde sie nicht durchgelassen haben /wenn er nicht seines Pferdes beraubt / und dabey selber sehr blessiret gewesen / daß er mit höchsten Unwillen abstehen müssen / noch mehrere Rache von ihnen zu nehmen.
Er sahe darauf den einen Diener bereits todt / den andern aber in dem erbärmlichsten Zustand liegen /weil er einen Schuß durch den Halß bekommen / der ihm nicht gleich das Leben aber eine grosse Menge Bluts abzapffete: das Mittleiden erregte sich also starck bey ihm / daß er so treue Leute muste verderben lassen / weil er über selber durch etliche empfangene Wunden sehr schwach wurde / und das Blut seine Kleider durchaus besärbte / satzte er sich auf ein entledigtes Pferd / und ritte nebst den vier übrigen fort / indem der eine Diener seinen Geist folgends aufgab.
Sie ritten so sehr als sie konnten / den Rück-Weg wieder zu nehmen / aus Beyforge / dieses Räuberische Volck möchte welche frische Schelmen zu sich kriegen / und ihnen nachjagen / da sie sich denn wegen entzogenen Kräfften ohnfehlbahr ergeben müsten: Uber dem verblutete sich Renard immer mehr und mehr / daß sie eine grössere Gefahr zu vermeiden /nach Möglichkeit das Ende des Waldes suchen musten.
Wie sie nun selbiges mit Noth erreichet / [232] wurde Renard so ohnmächtig / daß er bey nahe vom Pferde gefallen; dahero führten ihn die höchst-bestürtzten Diener unter den Armen neben sich her / einer aber /der wuste / daß er den herrlichsten Balsam bey sich gewohnt war zu tragen / suchte derowegen selbigen in denen Kleidern / und striche ihn damit an / davon er ein wenig wieder zu sich selber kame. Die Sorge war aber ungemein groß / wo sie ihn gemächlich und zu rechter Zeit hinbringen wolten / ehe es ärger mit ihm würde / weil das starcke Reiten ihm sehr schädlich fiel: doch das Glück zeigte ihnen eine ohn weit fahrende Carosse / auf welche der eine in höchster Eil zu rennete / indessen daß die andern drey bey ihm blieben.
Dieser nun / zu welchen der Diener seine Zuflucht nahm / war einer von Adel / der bey Anhörung des einem Cavallier begegnenden Unglücks alsofort so ein edles Mitleiden hegte / daß er Renarden entgegen eilte / und ihn in seine Carosse heben liesse: Er entsetzte sich aber recht / da er selbigen fast ohn alle Empfindlichkeit antraffe / und gleichwohl aus der guten Air und vielen wohlgekleidten Dienern urtheilte / daß es kein Gemeiner sey; deßwegen hiesse er den Gutscher so viel als möglich zufahren / damit er bald auf sein Schloß anlangen / und daselbst die jetztmangelnde Mittel zu seiner Besserung herbey schaffen möchte: Unterdessen bestriche man ihn doch unaufhörlich mit Balsam / dadurch [233] sich Renard denn bißweilen so weit erholete / daß er dem vom Adel seine Verpflichtung vor diese Güte mit schwacher Stimme bezeigte.
So bald sie nun in dem Schloß angekommen / trug man ihn auff einen Sessel in ein wohlbereitetes Zimmer / und der von Adel ließ gleich einen geschickten Artzt herbey holen / dem er diesen verwundeten Cavallier so wohl befahl / als ob es ihm selber angegangen. Der Medicus versicherte / nichts an ihm fehlen zu lassen; da er aber die Wunden und das starcke Verbluthen recht gewahr wurde / wolte er nicht so wohl wegen des ersten als des letzten schlechten Trost zur Wiederauffkunfft geben / gleichwohl sagte er zu /sein eusserstes dabey zu thun.
Der von Adel räumte den Dienern ein apartes Logis ein / und versprach ihnen alle höfliche Bewirthung: doch aus Treue und Liebe zu ihren Herren / kamen sie wenig von seiner Seiten / und bathen nur / ihre ermordete Cammeraden im Walde herein zu holen / damit sie ein ehrliches Begräbnis nach ihren Verdienst bekommen möchten. Dieses wurde von dem von Adel vor höchst billig befunden / dahero schickte er in Begleitung eines Dieners von Renarden, der ihnen den Weg wiese / eine starcke Anzahl Bauren hin / die über die zwey bereits gantz ausgekleidete Cörper ein paar Mäntel schmissen / und sie mit sich führeten Wiewohl sie nun Befehl hatten / die erschossene und getödete [234] Räuber auf einen andern Wagen mit zu nehmen / damit sie noch tod auf die Räder geflochten würden / so konnte man doch keinen einzigen finden /daraus zu schliessen / daß sie ihre Cammeraden bey Beraubung der Diener mit sich fortgeschleppet.
Sie wurden darauff sehe wohl zur Erden bestätiget /und Renardens Cammer-Diener erbothe sich / die Unkosten abzutragen; allein des von Adels Höflichkeit hätte sich bald dadurch beleidiget gesundẽ / weil es ihn beschämte / eine solche Kleinigkeit / wie er sagte / compensiren zu lassen / da er einem rechtschaffenen Cavallier zu weit mehrern verbunden.
Unter andern fragte der von Adel / der bereits ein alter Herr war / den Cammer-Diener / wer dieser Cavallier sey / den er zu bewirthen die Ehre hätte? Der Kammer-Diener gab so viel zur Antwort; daß es ein wohlangesehener Cavallier an dem Frantzöischen Hofe / Nahmens Renard, welchen das Unglück eines ihm nah anverwandteten Fräuleins / die von einen andern entführet worden / so weit heraus gebracht / daß er nun selber in das euserste Unglück durch den räuberischen Anfall gerathen können; weil es sich itzo aber mit ihm zu bessern schiene / würde er vor des von Adels Güte doppelt verpflichtet seyn / wenn sich selbige die Mühe nehme / dieses Fräuleins / die Barsine hieffe / sich hierum zu erkündigen: Der von Adel versicherte / [235] darinnen seinen möglichsten Fleiß anzuwenden / und gieng hierauff selber in Renardens Zimmer.
Dieser war innerhalb zwey Tagen durch herrlicheMedicamenta so weit wieder zu Kräfften kommen /daß sich die sonst häuftig zuziehende Ohnmachten verlohren / und er gantz verständig / wiewohl mit schwacher Stimme / reden konnte: denn die Wunden schätzte der Artzt von solcher Wichtigkeit nicht / als den durch das viele vergossene Blut abgematteten Leib / welcher aber / nachdem sich die Lebens Geister allmählich wieder funden / ausser Gefahr zu seyn schiene.
Nun richtete sich Renard bey Gewahrwerdung des von Adels etwas mit dem Haupt in die Höhe / und bezeigte so viel / als es die grosse Schwachheit litte /seine verbindliche Danck sagung vor die höchstzurühmende Affection, die er unverdient genösse; Der von Adel aber nennete es eine Schuldigkeit / und versicherte / wie er es vor ein vollkommenes Plaisir schätzen wolte / ihm ausser einen sothanen unglücklichen Zufall angenehme Dienste zu leisten: erzehlte anbey / daß bißhero schon öffters grosse Beschwerung wegen der Unsicherheit dieses Waldes eingelauffen / und muthmassete man / es müsten aus den itzt geführten Kriege verlauffene oder abgedanckte Soldaten sich hierum als Schnabhäne / wie man sie zu nennen pflegte / auffhalten / [236] weil man sonsten nichts von dergleichen Rauberey gehöret / doch solte euserste Anstalt gemacht werden / dieses höchstschädliche Raubnest auszurotten.
Hierauff erkundigte er sich mit guter Art des jenigen / was er von dem Kammer-Diener gehöret / und wie er hierinnen alle Gefälligkeit versprochen / nahm er unter den Vorwand / Renarden durch vieles Reden nicht beschwerlich zu fallen / höflichen Abschied.
Inzwischen daß Renard in den Zimmer so wohl für die Kranckheit des Leibes als des Gemüths zulängliche Mittel wünschete / sahe sich sein Kammer-Diener / Nahmens Federic, zuweilen auf dem Schlosse um /da er nicht allein viel Diener und schöne Pferde gewahr wurde / sondern auch sonsten alles so propre fand / daraus er urtheilte / dieser von Adel müste ein reicher Herr seyn.
Eins mahl beobachtete er an dem Fenster eine Person / die er dem Ansehen und Kleidung nach vor einen Cavallier hielte / dahero fragte er einen von des von Adels Dienern / wer selbiger sey? die Antwort war / daß es seines gnädigen Herrns Sohn / welcher neulich ein sehr schönes Fräulein / so ihm anverwandt / mit in das Schloß gebracht / und sagte man / er würde sie heyrathen. Federic fragte weiter: wie es denn käme / daß man sie nicht zu sehen kriegte /indem sie ja schon vier Tage allhier gewesen / ohne weder [237] den jungen von Adel noch das Fraulein zu erblicken. Er wüste die Ursach nicht / antwortete der Diener / es müste denn seyn / daß sich das Fräulein etwas unpäßlich befände / dadurch zu gleich Curton (so hieffe der junge von Adel /) bißhero nicht wäre von den Zimmer kommen / weil man sagte / daß er sie sehr liebte.
Hiermit begab sich Federic wieder in Renardens Zimmer / und weil er denselben in solcher Beschaffenheit fande / daraus man seine wieder zunehmende Kräffte erkennete / erzehlte er von des von Adels seinen Sohn Curton / den er unverhofft am Fenster erblicket / und was er mehr von dem Diener gehöret.
Renard verwunderte sich bey Anhörung / daß der von Adel noch einen Sohn hätte / daß ihn selbiger noch nicht besuchet / und sagte mit lächelnder Mine zu den Federic: Curton wird ja nicht so eusserst verliebt seyn / daß er zu sterben vermeinet / wenn er einem frembden Cavallier die Visite auff eine Viertel Stunde giebt; doch Leute / fuhr er fort / die sich in der Welt noch nicht recht umgesehen / ergeben sich mehr ihren Affecten, als daß sie die Höflichkeit und den Wohlstand beobachten: Und dergleichen Schwachheit muß man etwas zu gute halten.
Renard wurde aber durch eine Curiosität / deren Uhrsprung er selber nicht wuste / so weit angetrieben / daß er dem Federic Befehl gab / sich um die Gelegenheit zu bewerben / daß er das [238] Fräulein selber zu sehen bekäme / um dabey deren gerühmten Schönheit und der eigentlichen Ursache sich zu erkundigen /warum sich keines von ihnen blicken liesse.
Es wolte sich diesen Abend nicht wohl fügen / daßFederic Renardens Verlangen stillen können / dahero versparte er solches biß auf den andern Tag / und suchte sich vor allen mit einem von des Adels Mädgen bekannt zu machen / vielleicht durch eine Courtoisie das beste zu erfahren. Das Mädgen schiene eben nicht eisern gegen seine Person zu seyn / sie gab ihm aber durch Minen zu verstehen / daß sie nicht öffentlich mit ihm umgehen dürffte.
Nun wurde Federic dadurch desto begieriger gemacht / vertraut mit ihr zu werden / und also bemühte er sich so lange um gute Gelegenheit / biß er sie eins mahl in den Schloß-Garten sahe gehen / und durch einen Winck so viel verstunde / daß er ihr solte nachschleichen: Er säumte sich nicht / durch die angelehnte Thür zu folgen / und das Mädgen empfing ihn in einer mit Laub verdeckten Allée gantz freundlich.
Anfangs gedachte der schlaue Federic nichts von dem Fräulein / sondern bediente das Mädgen so wohl / daß sie in kurtzer Zeit so vertraut mit ihm wurde /als ob sie beyderseits vorlängsten bekandt gewesen: Endlich aber fragte er um die Ursache / die sie zu erst verhindert / mit ihm zu sprechen: und ob er denn nicht allezeit [239] frey mit ihr reden dürffte? Nein / sagte das Mädgen / sie wolte nicht hundert Thaler nehmen / und ein Wort mit ihm reden / daß es der Alte oder der junge Curton gewar würde / weil sie ihr aufs Leben verbothen / mit keinem von des frembden Cavalliers Bedienten umzugehen. Was ist aber die Ursache? fragte Federic weister. Ja dieses / antwortete sie /könnte wohl das Fräulein besser sagen / als ich / weil ihr in etlichen Tagen nicht erlaubet gewesen / weit aus dem Zimmer zu gehen / und soll sie sich / wie ich höre / deswegen sehr grämen. Dieses ist was seltsames / gab Federic hierauf. Wer ist aber das Fräulein /und warum muß sie denn eingesperret leben? Curton / antwortete das Mädgen / hat sie neulich in einer Carosse mit in das Schloß gebracht: er gibt sie vor seine Anverwandtin aus / und weil sie sehr schön ist / so will er sie wider ihren Willen mit Macht heyrathen /welches dem Fräulein sehr nahe gehen mag: und noch mehr / da sie bey Anwesenheit eures Herrens / fast nicht aus dem Zimmer kommen darff / davon aber niemand die Ursache errathen kan.
Federic bekam hierdurch nicht wenig Nachsinnes /und seine Gedancken giengen gar so weit / daß er mit selbigen auf die entführte Barsine geriethe: er forschete also bey dem Mädgen nach des Fräuleins Nahmen und anderen Umstanden / dadurch er seinem Herrn gründlichen [240] Bericht bringen möchte; Weil sie aber nichts mehr zu sagen wuste / als was sie ihm bereits erzehlet / bathe er sich nur so viel Gewogenheit aus / sie den andern Tag an diesem Ort wieder zu sprechen; und zu bessern Nachdruck seines Verlangens / beschenckte er sie mit einem King / welches denn das Mädgen so willfährig machte / daß sie ihm alles versprache / wodurch sie ihm nur einen Gefallen zu erweisen fähig sey.
Federic gieng hierauf zu Renarden / welchen derMedicus eben besuchet / und ihm die Versicherung gegeben / daß er in zwey Tagen ohne Gefahr wieder fortreisen könnte: und ob wohl Renard wegen seiner Schwachheit daran zweiffelte / beredete ihn doch derMedicus / daß er sich deswegen keine Sorge zu machen.
Renard gab ihm endlich desto lieber Glauben / je mehr er wünschte / in so gutem Stande zu seyn /damit er seine Zurückreise nach Paris beschleunigen /und daselbst seine geliebteste Barsine umarmen möchte / weil er sie doch sonsten nirgends wo zu finden vermeynte: Zudem war es ihm verdrießlich / auf einem Schlosse länger zu bleiben / wo man seiner überdrüssig zu seyn schiene / indem nicht allein des von Adels Liebste und der Sohn Curton ihm wider die gewöhnliche Höflichkeit keine Visite gegeben /sondern auch der Alte seinen Zuspruch einstellete: deswegen verdoppelte sich die Sehnsucht von hier entfernet und bey seiner Schönen zu seyn.
[241] Wie nun Federic in das Zimmer kam / ruffte ihnRenard / der in einem Stuhl sasse / zu sich / und erzehlte ihm mit ermuntertem Gesichte den Trost / den ihm der Medicus gegeben: mit dem Zusatz / daß er wegen der schlechten Luft länger an einen verdrießlichen Orte zu bleiben / den dritten Tag auffbrechen würde / deßwegen sich denn Federic bey Zeiten nach ein paar gute Kerls umsehen möchte / welche die Stelle der abgegangenen Diener verträten.
Der Kammer-Diener versprach zwar seinen Gehorsam hierinnen / berichtete aber dabey / in was für eine Vertraulichkeit er mit dem Mädgen gerathen / und wie ihm selbiges so viel nachdenckliches von dem Verboth / mit ihnen umzugehen / und den eingesperten Fräulein erzehlet / ingleichen daß sich diese schöne Person sehr über ein so unanständiges Tractament grämete / welches derselben nur etliche Tage Zeit ihrer Anwesenheit wiederfahren.
Renard hörte dieses mit auffmercksamen Ohren an / und da er des Curtons unterlassenen Zuspruch / des Alten spröder Bezeigung und des Medici gleichsam gegebene Erinnerung / in zwey Tagen fortzureisen /mit bessern Nachsinnen zugleich überlegte / kam ihm dieses so verdächtig vor / daß er endlich anhub: Hilff Himmel! Federic! solte es wohl Barsine seyn? und will man bey ihrer erfahrenen Begebenheit und meines gethanen Nachfragens mich gerne [242] von hier schaffen / ehe sie von mir Giwißheit krieget? ich soll es fast glauben. Meine Muthmassung ist es ebenfalß /antwortete Federic, und also werden Ew. Gnaden so bald nicht aufbrechen / zumahl sie wegen dero noch nicht erlangten Gesundheit neue Gefahr zu besorgen. Nein Federic sagte Renard, dieses wird nicht eher geschehen / biß ich rechte Nachricht von dem Fräulein eingezogen; und wenn sich auch würcklich meine Maladie verlohren / würde ich selbige doch mit Fleiß vorwenden / und mich gantz schwach stellen / nur damit mein längeres hierbleiben einen Vorwand hätte. Unterdessen seyd euserst bemüht / das Mädgen durch Gescheucke und gute Worte dahin zu bereden / daß sie sich des Fräuleins ihren Nahmen erkündiget / und mir unter eurer Person selber Gelegenheit giebt / wo ich irgends das Fräulein zu sehen bekomme: ich versichere / wo ihr was gutes ausrichtet / so sollet ihr meine Erkenntlichkeit genugsam spüren.
Federic versprach / dessen Befehl mit höchster Sorgfalt zu beobachten / und wie er sich den andern Tag wieder in den Garten hinter das Mädgen drein geschlichen / brachte er nach vielen Caressen, dadurch er sie folgends einnahm / seines Herrn Gewerbe an.
Das Mädgen wendete zwar im Anfang viel ein /und was für Ungnade sie über sich ziehen würde /wenn es solte auskommen / [243] daß sie gar seinen Herren gesprochen / da ihr die Bekandschafft mit den Dienern versaget worden; doch da Federic freygebig in Geschencken war / und sie auch Renardens Absehen vor eine blosse Curiosite hielte / willigte sie endlich so weit in sein Begehren' / daß selbiger in etliche Stunden Achtung geben solte / wenn sie wieder in den Garten gienge / und als denn möchte er ihr unter Federics Kleidung von ferne nachschleichen: sie wolte ihn schon an einen Ort führen / wo das Fräulein öffters zum Fenster heraus sähe / ohne daß sie ihn könte gewahr werden; doch bäthe sie sehr / er möchte so behutsam dabey gehen / daß ihn niemand gewahr würde / sonsten dürffte sie übel deßwegen angesehen werden.
Federic hiesse sie unbekümmert deßwegen seyn /und nachdem er ihr einen guten Recompens von seinen Herren versprochen / begab er sich wieder zu selbigen / welcher mit Verlangen erwartete / was Federic ausrichten würde.
Wie er nun von denselben verstunde / daß dieses so weit nach seinen Wunsche gienge / war er hierüber sonderlich erfreut / und die süsse Hoffnung / seine längst gehegte Sehnsucht in den Anschauen der liebenswürdigen Barsinen, wovor er aus erwehnten Um ständen dieses Fräulein hielte / eimnahl zu stillen /verdoppelte seine Kräffte dergestalt / daß er weniger Schwachheit als zuvor verspürte.
[244] Er versteckte sich demnach in Federics Kleidern /so gut er könte / und befahl demselben / Zeit seiner Abwesenheit das Zimmer verschlössen zu halten / und so ihn der Medicus oder sonsten jemand besuchen wolte / solte ein Diener / der ausser vor den Zimmer stehen müste / nur verwenden / wie er itzo der Ruhe genösse / darinnen er sich nicht gerne würde stören lassen.
Nach diesen gab Federic an den Fenster so lange Achtung / biß er das Mädgen wieder in den Garten wandern sahe: darauff sich den Renard, den ausser den von Adel und dessen Artzte niemand kennete /ebenfalls die Treppen herunter schliche / und unvermerckt an den bestimmten Orte kam.
Er beschenckte das Mädgen mit einer Hand voll Ducaten / und machte durch diese Freygebigkeit dasselbe so willfährig / daß sie ihm alles Versprach / was nur in ihrem Vermögen stünde.
Darauff führte ihn selbiges durch eine Alleè fast biß zu dem Ende des Gartens / wo er unter einen dicken Busche verstecket des noch unbekannten Fräuleins ihr Zimmer gantz nahe konnte sehen / welches selbiger mit Fleiß in dem hintersten Theile des Schlosses eingeräumte war / damit sie desto weniger von jemanden möchte erblicket werden.
Das Mädgen gieng hernach wieder fort / weil sie sich nicht zu lange ohne Verdacht allhier [245] verweilen durffte / sie versicherte aber / die Garten-Thür offen zu lassen / durch welche sich Renard nach gestillten Verlangen wieder heraus machen könte.
Renard lag also gantz still unter dem Gesträuche /und wartete mit nicht gemeiner Begierde auf den Anblick einer so schön beschriebenen Person / welche er den Umständen nach vor Barsinen hielte: dabey funden sich tausenderley Gedancken bey ihm ein / wenn er überlegte / auff welche Manier er sich selbiger vollkommen entdecken / und sie zum andernmahl aus einer unanständigen Sclaverey befreyen wolte: Gewiß / sagte er zu sich selber / trifft meine Muthmassung hier ein / so wird es Mühe kosten / zu meinen Vergnügen an einem Orte was auszuführen / wo ich weder Beystand noch freye Macht zu reden habe /sondern wohl selber ein Gefangener werden kan.
Indem er also mit sich selber zu Rathe gieng / Barsinen, wo sich selbige hier befünde / zu retten / so schlug jemand das Fenster in den beschriebenen Zimmer auff / und hierauff guckte eine Person heraus / die er dem Ansehen nach gleich vor das Fräulein schätzte.
Er konnte selbiges wegen der Nähe des Zimmers gar genau betrachten / und fande in ihrem Gesichte eine Menge der Annehmlichkeiten / die seinen eigenen Abriß bey weiten noch überstiegen: dahero waren die Augen desto stärcker [246] an diese Schönheit gehefftet / je mehr ihm selbige den heimlichen Beyfall abnöthigte / daß er niemahls was Wunderwürdigers / und nirgends wo ihres Gleichen / als in Adaliens Person gesehen.
Weil nun die Züge in diesem Antlitze mit Adaliens ihren in vielen übereintraffen / so glaubte er nun vor gewiß / es müsse dieses Fräulein die englische schöne seyn / welche sein gantzes Wesen bißhero regieret /und der er sich nun viel eher biß in den Todt zu ergeben Ursache hätte / da ihr Vollkommenheit der Doris Beschreibung gemäß wären.
Was vor eine starcke Bewegung fühlte demnachRenard nicht in seiner Seelen / da seine Augen das jenige so nahe erblickten / was seiner Meynung nach dem Gemüthe bißhero abgerissen gewesen? In dem Augenblick schliche sich die Liebe vollkommen bey ihm ein / und seine Brust war das Ziel / auff welchesAmor tausend feurige Pfeile loßdrückte / die er aus den schönen Augen dieses Fräuleins entlehnet.
Dahero stunde sein Hertz in vollen Flammen / und so ihm ja ein Zweiffel einfiel / es könnte dieses vielleicht eine andere Schönheit als Barsine seyn / so wünschete er doch aus innerster Seelen / daß seine süsse Einbildung möchte wahr seyn: und dieses Verlangen war so eusserst / daß es alle zweiffelhaffte Gedancken überwoge.
[247] Doch bey so genauer Betrachtung ihrer Schönheit bemerckte er einen sonderlichen Gram / und die zuweilen gantz traurige Minen gaben ihm von dem jenigen genugsamen Beweiß / was das Mädgen von einer wiedrigen Heyrath des Fräuleins gesaget: deswegen regte sich ein ungemeines Mitleiden in seinen Hertzen / und die Liebe setzte ihn folgends so ausser sich selber / daß er vorspringen / und sie anreden wolte / üm aus den uruhigen Zweiffel ihrer Person zu kommen.
Indem aber / daß er sein Vorhaben vollziehen wolte / machte das Fräulein das Fenster zu / und er hatte hernach Zeit / seinen zu hitzigen Vorsatz zu bereuen. Gleichwohl brandte er recht vor innerlicher Begierde /das Fräulein kennen zu lernen / und ob es ihm gleich zimlich schwer schiene / wendete er doch allen Esprit dran / einen Anschlag auszusinnen / dadurch er zu seinen Zweck gelangen möchte.
Er vertieffte sich sehr in seinen Gedancken / und verzoge also eine gute Zeit in dem Busche / ohne daß er an das Zuruckkekren gedachte:
Weil er aber besorgte / er mochte bey längeren hierbleiben von jemanden ertappt und hernach das gantze Spiel verderbet werden / wolte er sich wieder fort machen.
Allein in dem Augenblick / da er sich in die Höhe richtete / sahe das Fräulein wieder zum Fenster heraus / welches mit einem Tuche die [248] von den Wangen herab rollende Thränen auffsing / und durch diese nassen Perlen Renarden eine Wehmuth einflössete / welche eusserst zu nenne.
Die übermässige Affecten überwältigten ihn dergestalt / daß er auffgerichtet stehen / und mit seinen Augen starr an ihrem Gesichte hangen blieb: welche Kühnheit ihm aber so wohl gelunge / das ihm das Fräulein bey dessen Gewahr-Werdung mit der Hand so viel zu verstehen gab: er solte sich in dem Busche verdecken / und etwas warten.
Sie machte darauff das Fenster zu / und Renard verzoge höchst erfreut in dem Gesträuche / mit unbeschreiblichen Verlangen erwartend / was ihm das Fräulein / die ihn in der itzigen Kleydung vor einen Laqueyen hielte / andeuten würde.
Endlich eröffnete sich das Fenster wieder / und dieses Fräulein warff ein zusammen gerolltes Papier hinunter / Renarden mit der Hand winckend / daß er selbiges auffheben solte. Darauff machte sie das Fenster geschwind wieder zu.
Renard vollzohe diesen angenehmen Befehl also fort / und nach dem er sich wiederum in den Busch verstecket und das Papier an sahr / fande er oben drauff geschrieben:
Dieses Inliegende ist ein Billet vor euren Herrn / welches ihr selbigem beyzeiten einhändigen / euch aber auch [249] geschwind wieder aus dem Garten begeben könnet / weil es vor euch nicht rathsam, länger allhier zu verziehen.
Renard küssete den Brief mit unaussprechlichen Vergnügen / weil ihm die Hand nach den ehmahls von Barsinen an ihn gestellten Brief kenntlich war / und er in seinen Muthmassen hierdurch gestärcket wurde: Er eröffnete dahero das Billet mit begierigen Händen /und fande folgenden Inhalt auff Frantzöisch gesetzt.
Mein Herr!
Wundert euch nicht / daß ein von dem Unglück verfolgtes Fräulein ihre Zuflucht zu einem Cavallier nimmet / den sie ausser der Ehre zu kennen / selber in einem unglücklichen Stande weiß. Die Gefahr /worinnen meine Ehre und Freyheit schwebet / nöthiget mich eure Hülffe zu suchen / und eure anfangs gerühmte Qualitäten / und die jetzt eingezogene Nachricht von eurer Besserung / die mich sehr vergnüget /geben mir die angenehme Hoffnung / ihr werdet mich in meinen Verlangen lassen glücklich [250] seyn. Wollet ihr also diese Gütigkeit vor mir haben / und mich aus einem Schlosse retten / wo ich als eine Gefangene mich mit Gewalt an den jungen von Adel verheyrathen soll / so bemühet euch so bald ihr könnet / an den Ort zu kommen / wo heute euer Diener gewesen. Daselbst könnet ihr die Gelegenheit absehen / wie mir euer Beystand kan zu statten kommen: und so ich mich einer so rühmlichen Großmuth versehen darff /werdet ihr so viel Verpflichtung von mir kriegen / als ein äusserst bedrängtes Fräulein / die ihre Ehre höher als das Leben schätzet / euch schuldig ist. Vor allen aber bitte behutsam hierinnen zu gehen / und eure Person wohl in acht zunehmen / weil man selbiger /ich weiß nicht / aus was für Ursachen / nicht allzu gewogen ist.
Adjeu.
Wiewohl nun Renard seine deutliche Erklärung hieraus sahe / daß es Barsine sey / so schiene ihm doch die Schrifft gantz bekandt / und ihre Schönheit hatte sich so fest in seiner Brust abgerissen / daß er sie desto eher davor hielte / je mehr es wünschete /sich eines so Liebenswürdigen [251] Fräuleins halber noch weiter zu bemühen.
Er würde so vergnügten Gedancken weiter nachgehangen haben / wo ihm nicht des Fräuleins Erinnerung eingefallen / sich nicht lange allhier zu verweilen: deswegen schliche er sich ihren Befehlen zu gehorsamen / und die benöthigte Vorsicht in Acht zu nehmen / wieder nach der Garten Thür zu.
Selbige fande er noch angelehnet / und wie er sie sachte hinter sich zu gemacht / ging er unvermerckt nach seinen Zimmer zu / dabey er sonderlich zufrieden war / daß der Anfang seines Unternehmens so wohl gelungen / daraus er sich einen guten Fortgang propheceyete.
Federic erzehlte ihm gleich bey dem Eintritte / daß der Medicus zweymahl nach ihn gefraget / und bey der Nachricht / daß sie ruheten / zu letzt diese Artzney hinterlassen / welche sie des Abends einnehmen könnten: Morgen frühe aber wolte er wieder einsprechen.
Renard schüttelte wegen der Artzeney den Kopff /und sagte: weil ihm der Himmel so viel Gesundheit wiederum verliehen / daß er nun keine Gefahr deswegen zu besorgen / wolte er sich lieber selbigen noch weiter vertrauen / als in Furcht stehen / sein Leben gar auf einen ihm gehäßigen Schlosse zu verliehren; zumahl er heute von schöner Hand eine so nachdenckliche Warnung bekommen.
[252] Darauff erzehlte er dem Cammer-Diener die heutige Begebenheit / und wie ihm selbiger in der Meinung / das Fräulein sey Barsine, folgends beypflichtete /hieß er ihm das Mädgen dergestalt durch Geschencke / und dem Versprechen einer Heyrath einnehmen /damit sie ihm noch etliche mahl verstohlner weise in den Garten führete: denn sagte er / ich will dieses Fräulein von einer unrechtmäßigen Gewalt befreyen /und wenn es auch mein euserstes kosten solte: ist esBarsine, wie ich gäntzlich glaube / so befördere ich eine Vergnügung / die unschätzbar ist solte aber eine andere Person so viel Annehmlichkeiten besitzen / so trage ich den Ruhm davon / daß ich einer Schönen die Freyheit wieder geschafft / welchen der grösten Bemühung eines Cavalliers vollkommen würdig.
In so trefliche Hochachtung hatte sich Barsine / die es in der That war / durch wenig Augenblicke beyRenarden gesetzet / und so wohl urtheilte er nach der Gestalt ihre Person / weil sie Adalien in vielen ähnlich / und man zu der Zeit wenig gleiche Schönheiten zu rühmen hatte.
Die Erzehlung aber von ihren Avanturen, und wie sie auff das Schloß gekommen / will noch etwas versparen / dem geneigten Leser aber erst berichten / wie Renard seine Sachen veranstaltet / der ihm noch nicht völlig bekandten Barsine und seiner eigenen Begierde zu gehorsamen.
[253] Federic muste sich alsofort bemühen / das Mädgen wiederum zu sprechen / und wie selbiges dessen Verlangen merckte / und besorget war / daß wenn er sich nicht mässigte / jemand hinter die Karte kommen möchte / so ersahe sie die Gelegenheit / ihm in Vorbeygehen zu sagen: auf den Abend vor eures Herrn Zimmer.
Federic war froh über so willfährige Erklärung /und da sich das Mädgen um die bestimmte Zeit einfande / führte er sie in ein Neben-Zimmer / und brachte unterwehrender Bedienung Renardens Begehren an; doch daß er es allezeit mit einer blossen Neugierigkeit vermäntelte / weil er vorgab; sein Herr möchte gerne erfahren / ob das Fräulein würcklich so schön /als man sie gerühmet: Da er nun selbige heute nicht gesehen / möchte er gerne durch ihre Hülffe noch ein oder zweymahl an den vorigen Orte lauren.
Das Mädgen truge Anfangs zwar Bedencken wegen einer Sache / die ihre Wohlfahrt auf diesem Schlosse verderben könnte: die ihr anständige Person des Federics aber / und das Versprechen einer Heyrath nebst angenehmen Geschencken / machten sie so willig /daß sie an keine Ungnade des von Adels weiter gedachte / sondern in der Einbildung / Federic würde sie heyrathen / alles nach ihrem Vermögen zusagte /was nur Renardens Curiosität stillen könnte.
[254] Endlich blieb es nach einigen Uberlegen bey der Abrede / Renard möchte sich den andern Morgen gar frühe und wenn es noch etwas dunckel / zu dem Garten verfügen / welchen er offen finden würde; Er solte aber die Thür sachte wieder zuschliesten / und alsdenn in dem Busche sich wieder als zuvor verstecken: sie wolte nach etlichen Stunden / die er drinnen warten müste / entweder den Garten öffnen / oder selber zu ihm kommen.
Wie nun Renard von diesen Nachricht erhielte /legte er es mit seinem Kammer-Diener so ab: daß wenn er drey oder vier Stunden / nachdem sich das Fräulein bald blicken liesse / in dem Gesträuche gewesen / solte er sich durch die von dem Mädgen wieder aufgemachte Thür zu ihm begeben: er wolte alsdenn die Kleider mit ihm wechseln / und dergestalt nach seinem Zimmer wandern:Federic aber müste den gantzen Tag biß in die Nacht in dem Garten warten /und also ohne erkandt zu werden / wieder davon kommen. Indessen solte er dem Mädgen morgen aufpassen / und ihr zu verstehen geben / daß sie den Garten öffnete.
Was das übrige anbelangete / so zu Ausführung eines so beliebtẽ Vorsatzes dienete / dieses gedachte er einiger massen von dem Fräulein zu erfahren: und in so ungewissen Entschlusse und tausend andern vergnügten und unruhigen Gedancken / damit seine Seele beschäftiget [255] war / brachte er die Nacht zu / biß er merckte / daß sich die dickeste Finsterniß verlohre /und es schiene etwas heller zu werden.
Er säumte dahero nicht / sich in einen sehr propren Habit zu werffen / und er war noch nicht recht fertig mit ankleiden / als jemand an die Thür klopffete und nach deren / Oeffnung das Mädgen herein trate / welche Renarden erinnerte / daß es Zeit zu gehen sey /ehe ihm der heitere Morgen eine Hinderniß im Wege legte.
Renard machtesich demnach alsobald fertig / und folgt dem Mädgen von ferne nach: Federic aber bathe sie indessen üm die Affection / die Garten Thür auff den Abend sachte wieder auffzuschliessen / damit er nicht irgends die gantze Nacht drinnen pausiren möchte:Ey sagte das Mädgen / wenn ich aber zu euch käme / wollet ihr euch denn fürchten? Nein / antwortete Federic: aber wir können die Zeit besser in den Neben-Zimmer zu bringen. Nun / gab das Mädgen hierauff / ich bin zu frieden.
Inzwischen war Renard in dem Gesträuche angelanget / und ob ihm wohl die braune Schatten annoch ümgaben / sahe sein Gemüth doch eine Sonne / die durch ihre entzündende Strahlen die dickste Finsternüß zum klaren Lichte machten: Dahero weidete sich seine Seele mit so ungemeiner Zufriedenheit daran /daß die Augen des wegen eyfersüchtig zu werden schienen / [256] weil ihnen eine solche Schätzbarkeit nicht zugleich aufgehen solte.
Wie es sich aber eine Stunde nach den angebrochenen Morgen verzohe / und sein beliebter Gegenstand dennoch nicht erschiene / begleitete seine Sehnsucht eine Ungedult / und ich weiß nicht / ob der blosse Glauben / dieses Fräulein sey Barsine / oder dero den vorigen Tag erblickte Schönheit so viel in seinem Hertzen würckte / daß er so viel Seufftzer nach ihren Zimmer schickte.
Endlich übermeisterte ihn die Ungedult / daß er sich durch das Huften meldete; und diese Kühnheit gelunge ihm sehr wohl / weil sich Barsine / die Wegen unzehligerAngst keinen Schlaf in die Augen gebracht / gleich an dem Fenster blicken liesse / um zusehen / ob der Cavallier da wäre / den sie aus gleicher Muthmassung zu sehen / so hertzliches Verlangen truge.
Renard grüssete sie gantz ehrerbiethig / und observirte in ihren Gesichte eine geneigte Mine gegen sich: weil ihnen aber das Reden und eine nähere Zusammenkunfft nicht rathsahm schiene / wiese Barsine mit der Hand / daß sie schreiben wolte / winckte aber dabey / er solte sich unsen in dem Busche wieder niederlassen.
Renard gehorsamte alsofort / und nach einer viertel Stunde kam Barsine wieder an das Fenster / und liesse an einem langen Seidenen Band ein zusammen-gerolltes Pappier hinunter / [257] worauf sie den Kopfe gleich wieder nein zohe: Renard machte das Papier vom Bande loß / und wie er sich damit in den Busch verkrochen / fande er darinnen ein Klein und sehr künstliches Schreib-Gezeug nebst folgenden Zeilen:
Mein Herr!
So meine Mutßmassung nicht Fehl schläget / daß ihr der Cavallier seyd / welcher ein aus dem Closter entführtes Fräulein zu retten bemüht gewesen / wird es mir die angenehmste Zeitung seyn. Solten mich aber meine Gedancken betriegen / so verhoffe dennoch von eurer Großmuth so eine schöne Probe / daß ihr einem bedrangten Fräulein bey zustehen / nicht werdet ausschlagen. Ihr sehet / was für Gelegenheit zu einer heimlichen Flucht vorhanden / und dieses inliegende dienet / eure Meynung mir deswegen geneigt zu eröffnen / welches ihr eben wie das Meinige an das Band knüpffen könnet. Doch alles bestehet in der Eilfertigkeit / weil ich sonst etwas erfahren dürffte / das mir nebst der Ehre das Leben [258] kostet: und wo ihr wegen beydes ein großmüthiger Beschützer seyd /wird so grosse Güte jederzeit zu rühmen haben.
Barsine
Meine Feder ist hier viel zu unvermögend / Renardens unendliche Vergnügung mit lebhafften Farben abzuschildern / da er aus dem beliebtesten NahmenBarsine / auch die Gegenwart seiner Schönen vor gantz gewiß erkandte / und noch darzu eben die Gunst aus diesen Zeilen erblickte / die sie ihm Anfangs schrifftlich versichert: genug / daß sie aus der Grösse seiner Liebe leicht zu urtheilen.
Er bediente sich demnach des beygelegten Schreibgezeugs / und setzte folgendes an sie auf:
Englische Barsine.
Eure Muthmassung ist nicht irrig / daß euer ergebenster Renard endlich von dem gütigen Verhängniß dahin geführet worden / wornach er bißhero vergebens geseufftzet: und dahero lieffert er euch sein Hertze zum andernmahl / weil es durch Betrachtung [259] eurer Annehmlichkeiten siehet / daß es an keinem schönern Orte der Welt könne verwahret werden. Alle ausgestandene Marter ist nunmehro vergraben / da mir die schönste Barsine einen so schätzbaren Vorzug in ihrer Gunst sehen lässet / den sie mir vor den Lasterhafften Lionard aus blosser Güte schencket: und meine Glückseeligkeit wird unendlich seyn / wenn ich mich erst in den Armen derjenigen sehe / die ich ewig anbete. Ich will also desto eher auf eure Befreyung bedacht seyn / weil der Verzug zu meinem unaussprechlichen Leidwesen ausschlagen dürffte: und zu dem Ende werde mit eurer gnädigen Genehmhaltung den morgenden Tag zum Scheine von diesem Schlosse aufbrechen / unterdessen aber mich so versehen / daß ich den Abend darauf wieder zurück kehren / und mitten in der Nacht in der Stille durch den Schloß-Garten brechen kan.Die Gelegenheit / so ich hie beobachte /scheinet zu meinem Vorhaben gantz bequem / und weil sie auf dem Schlosse nicht den geringsten [260] Argwohn deswegen haben / so zweifele an gewünschter Ausführung nicht. Die unvergleichliche Barsine aber kan nach Belieben dem thörichten Curton gefällig begegnen / und wo sie ihn dadurch sicher gemacht / mir bey der Losung durch das Husten die ungemeine Vergnügung gönnen / sie von einer Leiter mit einem Kusse zu empfangen. Sorget weiter vor nichts / Englische Barsine / als allein wie durch tausend Merckmahle der Ergebenheit sich eines so vollkommenen Fräuleins ihrer Hochachtung möge würig machen
Euer verpflichtester
Renard.
Nach dessen Verfertigung knüpffte er den Brief an das Band / und wie solches Barsine merckte / zohe sie selbigen hinauf: mit der Hand winckte sie aberRenarden / daß er sich wieder verstecken solte.
Barsine erkandte Renardens Hand gar eigentlich /da sie selbige zu den erst von ihm empfangenen Brief hielte / und die innerliche [261] Vergnügung / die sie über die Gewißheit seiner Person empfunde / war so vollkommen / als Renardens seine: Denn sie traff ihn in allen vor denjenigen an / welchen sich ihr Gemüth bißhero vorgestellet / und also konnte dasselbe nicht anders als gäntzlich zu frieden seyn.
Was den Anschlag zu ihrer Flucht anbelangte / war selbiger nach ihrer Meynung ausgesonnen / und sie wünschte tausendmahl / daß die Stunde nur bereits angebrochen wäre / in welchem sie ihrem geliebten Führer folgen könnte / weil sie immer besorgte / es möchte jemand Renarden in den Garten gewahr werden / oder sonsten was darzwischen kommen / dadurch ihr Vorhaben zurück gienge.
Nun war ihr Zimmer so gelegen / daß man ausser ihrem Fenster den Busch nicht sehen konte / worinnen sich Renard verkrochen: doch laut zu reden / schiene gefährlich zu seyn / weil neben Barsinen ihren gleichCurton sein Zimmer war / der diesen ihm so anständigen Schatz als ein feuriger Drache bewahrte; und wo er das geringste gehöret / leicht den gantzen Handel verderben können.
Barsine schrieb also geschwind wieder auf ein Blat:
Renard!
Ich bin vollkommen vergnügt / eure wehrteste Person nun einmahl [262] zu finden / um welcher ich so viel ausstehen müssen / führet also euren Anschlag aus /weil er mir sehr wohl gefället, und erwartet zur Belohnung so viel / als zu eurem Wunsch geben kan.
Eure getreue
Barsine.
Nach diesen schickte sie dieses wieder zum Fenster hinunter / und da es Renard mit einen Kusse aufgehoben / überwand sie die Liebe zu ihm / daß sie etwas stehen blieb: Sie wechselten also die schönsten Blicke / und gaben einander durch verbindliche Minen / so viel Caressen zu verstehen / als die Lippen sagen solten.
Diese geheime Sprache ist eine von den durchdringensten / und hat so süsse Würckung in vereinigten Seelen / daß sie selbige weit empfindlicher rühret / als die stärcksten Verpflichtungen.
Also suchte dieses schöne Paar durch die Augen die Zugänge zum Hertzen / und fande selbige so wohl / daß sie an innerlicher Zufriedenheit alles das jenige genossen / was eusserst Verliebte bey solcher Gelegenheit empfinden können; Nur daß zuweilen ein schöner Gram sich in ihren Gesichte mercken liesse /daß eine nähere Zusammenkunfft der itzige Zustand nicht verstattete / und ihre Sehnsucht nicht gäntzlich stillen wolte.
[263] Endlich brachen sie beyde aus kluger Vorsicht von diesem Vergnügen ab / und Renard wartete so lange in dem Busche / biß Federic an kam / und mit ihm die Kleider wechselte / daß er unvermerckt wieder fort schleichen konte.
Er war kaum in sein Zimmer angelanget / als der Medicus ihn besuchte / und sich nicht wenig wunderte / daß er ihn so munter und frisch in der That besunde /als er ihm erst zum Scheine wollen weiß machen /damit sie seiner auf diesem Schlosse desto eher loß würden: wie er nun dieses der guten Artzeney zuschriebe / was vielmehr seiner treflichen Natur beyzumessen / und dadurch eine reichere Belohnung verhoffte / erhielte er auch selbige / so wie er sichs eingebildet / und Renard sagte ihm dabey / daß er morgen fort wolte.
Dem Medico war dieses sehr angenehm / weil es nach Curtons seinem Wunsch gieng / deßwegen stärckte er ihn in dem Vorsatze / mit der Versicherung / daß er ohne die geringste Gefahr die weitesten Reisen thun könnte: wie er sich aber bey Renarden beurlaubet / gieng er alsofort zu Curton / und erzehlte selbigem von dem Aufbruch eines beschwerlichen Neben-Buhlers.
Dieser / als ein den Lastern ergebener / hörte dergleichen Zeitung sehr gerne / und sagte dabey: es sey eben Zeit / daß er von ihnen wegkäme / ehe Barsine Nachricht von seinem Hierseyn [264] erhielte: denn sie wurde sich sonsten nur zu ihren Unglück spröder gegen ihm auff führen / und er hierdurch veranlasset werden / sie zu Vergnügung seiner Begierden zu nöthigen / und nach gebüsster Lust mit Schande von sich zustossen.
So lasterhaffter Wollust war der geile Curton / daß er aus bezauberter Vernunfft das jenige mit Gewalt von einem Frauen-Zimmer wolte nehmen / welches die Tugend auch in Güte auf solche Weise ausschläget: Allein Barsine / die seine unzüchtige Gedancken erriethe / war desto mehr bemühet / selbigen vorzukommen / und Renard arbeitete gleichfals nach Möglichkeit hieran.
Wie nun die Nacht wieder herein gebrochen / liesse das Mädgen den Federic aus dem Garten / und beredete sich mit ihm / den andern Tag heimlich mit ihnen fortzugehen / ehe der von Adel ihre Vertraulichkeit innen würde / und hernach wegen Ubertrettung des Verboths eine schlimme Hinterniß in Wege legte.
Federic versprach ihr also aus Liẽbe zu seinem Herrn / was sie nur verlangte / weil er aus wiederiger Begegnung besorgen muste / daß das Mädgen sich hierüber bey andern beklagen / und diese hieraus was mehrers urtheilen möchten; zu mahl so sie von der öfftern Zusammenkunfft in dem Garten etwas meldete.
[265] Sobald nun auch auch der andere Morgen angebrochen / ließ Renard dem von Adel das Compliment machen / daß er ihm in seinen Zimmer wolte nach Gelegenheit aufwarten / und Adjeu nehmen; denn weil er durch dessen gütige Vorsorge seine Gesundheit wieder erhalten / liesse es so wohl wider die Höflichkeit /ihm länger Ungelegenheit zu machen / als es auch seine Affairen nicht verstatteten / weiter allhier zu verziehen.
Doch der Alte wolte ihn nicht gerne in seinem Zimmer haben / weil er vor Barsinen ihrem muste vorbey gehen / dahero besuchte er ihn selber / und bezeigte mit vielen Ceremonien / wie glücklich er sich schätzte / einen praven Cavallier gefällige Dienste geleistet zu haben / und sey es ihm nur leid / nicht ferner die Ehre seiner Conversation zu geniessen / worüm er auch sehr bitten würde / wenn er nicht glauben wüste / daß es seine Angelegenheiten nicht zuliessen.
Renard / der die Complimenten wohl verstunde /zumahl er sehr wenig von ihm besuchet worden /sparte hergegen keine Flatterien / wie wohl ihm die höfliche Bewirtung allhier gefallen / und wie sehr er wünschte / Gelegenheit zu haben / so viel Affection mit schuldiger Danckbarkeit zu erwiedern: und dergestalt beobachteten sie beyderseits die gewühnliche Hof-Manier.
Indessen da sie einander auf politische Art unterhielten / musten Renardens Diener alles [266] zum Aufbruche parat machen / und Federic verehrte in seines Herren Namen hundert Thaler in die Küche / dadurch er sich vor das Tractament genugsam erkentlich erwiese / und zugleich nicht wenig beliebt machte.
Federic wunderte sich aber nicht wenig daß er nirgendswo das Mädgen zu sehen kriegte / und da er endlich einen Diener deswegen befragte / zur Antwort bekam; er wüste es nicht: doch es fiel ihm ein / daß sie vielleicht / besser mit ihm fortzukommen / sich heute frühe aus dem Schlosse begeben / und ihn an einem Orte aufpassen würde: deswegen ließ er das weitere Nachforschen bleiben / und machte zur Reise desto hurtiger Anstalt / um desto geschwinder wieder hier zu seyn.
Wie nun alles fertig war / nahm Renard nochmahls höflichen Abschied von dem Alten / und ritte als denn so viel als möglich fort / um auf ein gutes Flecken oder Dorff zu gelangen / wo die Sachen zu Ausführung seines Vorhabens herbey zu schaffen / damit es sich nicht zu seinen eussersten Verdruß hernach verzögerte.
Federic aber sahe sich überall nach dem Mädgen um / und da er es nirgends gewahr wurde / konnte er nicht ersinnen / was die Ursache ihres Aussenbleibens sey: weil es aber hier nicht Zeit war / sich lange ihrentwegen zu erkundigen / eilte er mit seinem Herren fort / sich wenig bekümmernde / ob sie irgends seiner Verfehlet / und wie es ihr gehen müste. Sie
[267] Sie gelangten endlich in einen kleinẽ Städlein an /wo Renard eine Carosse und Pferde kaufte / so gut er sie in der Eyle kriegen konnte / ingleichen schaffte er sich ein par Leitern an / womit er die Mauren üm den Garten / die nicht allzu hoch / übersteingen wolte /und versahe sich in allen darzu benöthigten Dingen so wohl / als es schiene / erfordert zu werden.
Absonderlich muste ihm Federic ein paar neue Diener verschaffen / daß er selbiger an der Anzahl Sechs hatte: Denn ob er wohl Barsinen mit Gewalt zu holen nicht gesinnet war / auch keines Uberfalls sich von den gantz sichern Schlosse versahe / so brauchte er doch solche zu seinen Diensten.
Endlich brach die Nacht herein / unter deren schwartzen Flor Renard getrost auff kostbahre Liebes-Beute ausgieng / und desto weniger von jemanden erkannt zu werden vermeinte / weil sich der sonst heitere Sternen Himmel mit der dicksten Finsterniß überzogen. Sie hatten drey gute Stunden nach dem Schlosse zu reiten / dahero säumte sich Renard nicht / zu rechter Zeit dahin zu kommen / und dieses Wunsches wurde er gleich gewehret / da man die Uhr auff dem Schlosse Zwölffe schlagen hörte.
Renard hatte vorhero den Ort von ohngefehr bemercket / an welchen Theil der Mauren er am bequemsten die Leiter anwerffen könnte / und da er den Ort gefunden / stiegen zu erst zwey Diener [268] auff die Mauren / welche die Leiter nach sich zogen / und sie an die andere Seite lehnten. Darauff machte man gleich von aussen die andere fest / und Renard folgte als denn mit ein paar Pistohlen in den Gurt gesteckt /und den Degen an der Seiten nebst den Federic nach: Drey Diener aber musten draussen bey der Carosse und Pferden halten.
So bald ihrer Viere nun in den Garten gelanget /trugen zwey die Leiter nach Barsinens Zimmer zu /und Renard gieng mit freudigen Hertzen voran / in der süssen Hoffnung / sein geliebtes Fräulein bald in seine Arme zu kriegen / und als ein kostbahres Kleinod seiner künfftigen Vergnügung glücklich mit sich fort zu führen.
Barsine hatte indessen mit Furcht und Zittern erwartet / wenn einmahl die Stunde zu ihrer Erlösung anbrechen würde / weil sie immer besorgte / es möchte durch etwas entdecket oder sonsten verhindert werden / daß sie zu unerträglicher Marter länger müste hier bleiben; Zumahl da Curton heute ausser ordentlich Ungestüm in seinen Verlangen gewesẽ / und sie kaum durch Thränen und Bitten so viel erhalten können / daß er seinen verfluchten Vorsatz nicht gleich an ihr vollzogen / sondern noch zwey Tage Abschub vergönnet / darinnen sie sich gutwillig zu einer Heyrath entschliessen möchte / sonsten sie zu etwas unanständiges dürffte gezwungen werden.
Dahero war das gute Fräulein in tausend [269] Aengsten / wenn irgends ihre Befreyung verunglückte / was sie als dann anfangen wolte / und dieses wehrete so lange / biß die Mitternacht ihr die frohe Hoffnung wiederum machte / daß ihr wehrter Renard nun ankommen / und sie aus der Noth erretten würde.
Sie lauschte immer an den Fenster / ob sie irgends was hören möchte / und da sie endlich gantznahe unter den Zimmer ein sachtes Husten vernahm / sahe sie geschwind hinaus / und wurde einiger Personen gewahr: Dahero gab sie voller Freuden die stille Losung wieder / darauff Renard die Leiter anlehnte / und selber hinauff stiege / indessen das unten Federic und die andern beyde dieselbige hielten.
Wie nun Renard biß zu dem Fenster gelangte /empfing ihn Barsine mit einem inbrünstigen Kuße /und diese Süßigkeit flössete in beyderseits Seelen ein ungemeines Ergetzen: Da aber Barsine mit sich selber nicht konnte zu recht kommen / daß sie zum Fenster hinaus stiege / weil ihr in den Kloster erzogenes Mädgen / daß sie noch bey sich hatte / ungeschickt und die Einfalt selber war / machte sich Renard folgends in das Zimmer hinein / um ihr zu helffen.
Es wurden da abermahls die feurigsten Küsse auff den entzündeten Lippen gewechselt / und Renard würde so bald nicht von dieser süssen Speise abgebrochen haben / wenn ihn nicht der Ort und die Gefahr daran erinnert; Dahero [270] fing er an zu seuffzen und sagte: Ach unvergleichliches Fräulein! Wie glückseelig bin ich itzo nicht / und wie weit mehr würde ichs seyn / wenn dieses Zimmer etliche Meilen von hier entfernet / und ich mich also sicher auff euren schönsten Lippen weiden könnte! Hoffet nur mein Renard, antwortete Barsine, und lasset uns itzo eilen / der Himmel wird uns schon zu vergnügen wissen.
Doch indem er sie in das Fenster heben wolte / geschahen in den Garten etliche Schüsse / und das Lermen und Geschrey wurde in den Augenblick so groß /daß Barsine vor entsetzen zurück fiele. Renard, der hierüber unmässig erschrack / sahe sich gleich nach der Leiter üm / und wolte hinunter / den seinigen beyzustehen; allein er wurde mit Erstaunen gewahr / daß sie schon weggenommen / und er also droben bleiben muste.
Indessen gieng es drunten grausam her / und das Ruffen war von jemanden immerfort: schonet das Fräulein / und schiest den Schelm darnieder: Indem aber änderte sich das Geschrey / und der vorige ruffte: Zu Pferde / zu Pferde / er ist schon fort. Hier liegt er und ist todt / fing man darauff an: Nein / nein / antwortete wieder einer / es ist nur ein Diener / und da ist die Leiter / wo er hinüber gesprungen. Fort jaget ihn nach / schrye wieder der erste / und bringet ihn todt oder lebendig.
[271] Dieses klunge entsetzlich in beyder verliebter Ohren / da sie deutlich genung höreten / wen sie zum Tode auffsuchten: Kein Donnerschlag kan aber mit grösserer Hefftigkeit einen Wald erschüttern / als die zarten Glieder Barsinens über die grausame Stimme erzitterten: schiesset den Schelm darnieder / daraus sie sich die Rechnung machte / wie gefährlich es ümRenardens Leben stünde / da er in ihrer eigenen Zimmer ein Gefangener sey.
Ach liebster Renard? fieng sie an zu seuffzen / wer muß uns verrathen haben / und was werden sie über uns beschliessen? Wolte der Himmel / ich wäre lieber allein unglückseelig gestorben / als daß ich euch zu diesen Unglück geführet. Beklaget euch nicht meinentwegen / Englische Barsine, antwortet Renard, ich schätze mich glückselig / üm eurer wehrtesten Person das eusserste zu erdulden: und wollen sie ja Gewalt an uns legen / so sterbe ich nicht ohne Rache und mit Vergnügen / weil ich erst die schönsten Lippen von der Welt geküsset. Nein / mein Licht / sagte Barsine, mein Leben hänget an den eurigen / und ehe ich euch verliehre / sol mir der Todt das liebste seyn. Nicht so /meine andere Seele / sagte er euer Leben ist viel zu edel / als daß ihr selbiges um meinenthalben einbüssen sollet: ich will den verfluchten Curton, so bald er wird ins Zimmer dringen / erst meiner gerechten Rache auffopffern / und hernach freudig sterben / [272] weil ich euch von diesem tollen Hund befreyet.
Indem hörten sie welche die Treppen herauf kommen / dahero umarmte Renard Barsinen / und sagte unter einem herzlichen Kusse: Adjeu denn / allerliebstes Fräulein! der Himmel will / wir sollen uns scheiden. Und damit ergriff er die eine Pistole und wolte nach der Thür zu springen. Allein Barsine fiel ihm um den Hals / und bathe mit tausend Thränen / seiner und ihrer doch zu schonen / weil sie alle beyde würden hingerichtet werden / wenn Curton erschossen wäre.
Darauff klopffete Curton an die Thür / und Renard wolte sie ihm selber öffnen / und ihn hernach zur Höllen schicken: Barsine aber schlunge sich so fest um ihn / daß er nicht fort konnte / und bathe mit den beweglichsten Worten / sich nur zu verbergen biß die erste Hitze vorbey / und sie hernach andere Mittel zu ihrer Rettung suchen könnten / weil sie ja nicht wüsten / daß er hier sey.
Wie nun Curton mit Ungestüm anschluge / fragte die halbentseelte Barsine / was denn dieser Tumult zu bedeuten? Mir ist lieb / antwortete Curton / daß ihr noch hier seyd / Fräulein / machet aber auf. Was wollet ihr denn itzo bey mir thun? fragte sie weiter. Ich will sehen / sagte er / ob ihr noch weiter Lust habet /euch entführen zulassen. Ihr dürffet euch darum nicht bekümmern / antwortete Barsine / [273] und itzo muß ich ruhen. Ich bitte euch nochmahls sagte Curton / machet in Güte auf / ehe ich es selber thun muß. Brauchet doch Vernunfft / antwortete sie / ist denn nicht mehr Höflichkeit bey euch vor ein frembdes Fräulein /als so?
Curton aber wolte mit Gewalt die Thür öffnen /und keiner Vernunfft Gehör geben. Doch der Vater /welcher gleich darzu kam / hiesse ihn seine Begierden mässigen / weil sie nun heunte nicht weiter an das Entfliehen gedencken würde.
Der Respect war schlecht / den Curton seinem Vater gabe / indem er ihm anfangs nicht gehorsamen wolte; doch endlich ließ er sich bändigen / daß er von seiner Raserey vor dißmahl abstunde / im Weggehen aber sagte: Nun ich will diese Nacht mehr höflich seyn / als ich schuldig bin / morgen aber werde ich gleichwohl die Ehre nehmen / dem gnädigen Fräulein eine Visite zu geben.
Renarden hätte das Hertz im Leibe zerspringen mögen / daß er einen so Ungeschliffenen nicht gebührend bestraffen solte / und fast dessen eigener Discretion sich hier ergeben muste; Allein was konnte er an einem Orte thun / wo er heimlich ein Gefangener war? er muste in Gedult stehen / und biß auf eine bequemere Zeit hoffen.
Indessen erholte sich Barsine von der ausgestandenen [274] Angst wiederum in etwas / und ihr Gemüth wurde geruhiger / da sie sich mit Renarden etliche Stunden zu letzen noch übrig hatte: Sie wechselten demnach tausend entzückte Küsse / und ihre Süssigkeit war desto empfindlicher in den vereinigten Seelen / jemehr man ihnen selbige zu rauben suchte. Was vor Caressen wurden hier nicht hervor gesucht / dadurch sie die Grösse ihrer keuschen Flammen bezeigten? und wie starck verbunden sie sich / einander biß in den Todt getreu zu bleiben? Niemahls ist wohl ein verliebtes Paar in mehrer Zärtlichkeit zerflossen / als beyder entzündete Hertzen.
Gleichwohl unterbrache die Betrübniß über ihren unglückseeligen Zustand öffters die Zufriedenheit der Gemüther / und das Nachsinnen / wie es inskünfftige mit ihnen lauffen würde / und ob sie wohl ehemahlsAmors vollkommene Schätzbarkeiten in geruhiger Besitzung geniessen dürfften / hiesse sie zugleich an nicht geringer Marter mit Theil nehmen.
Renard verwunderte sich dabei / so wohl als Barsine / wie ihr Vorhaben so unglücklich und plötzlich müsse seyn hintertrieben worden / und konnten nicht begreiffen / ob Curton vorhero durch das Mädgen /welches sich unvermuthet verlohren / irgends hätte so viel Nachricht bekommen / daß er aus einiger Muthmassung ihnen aufgepasset / oder ob sie nicht [275] behutsam genug dabey gegangen / welches sich doch keines zu entsinnen wuste.
Was aber Renarden am meisten seltsam schiene /war / daß sich die Leiter so bald verlohren / und sich seine Leute so wohl und geschwind retiret / daß einer zwar erschossen / keiner aber gefangen worden: Denn sonsten konte er sich leicht einbilden / daß man auf solche Art würde erfahren haben / wie er noch hier sey; welches aber so niemand glaubte / weil sie von nichts Gewißheit hätten.
Dieses gab ihm nun einen mercklichen Trost / daß er vielleicht durch seine entronnene Diener nebst Barsinen möchte errettet werden / weil sich selbige ohnfehlbahr um frembde Hülffe deswegen bewerben würden: absonderlich wünschte er / daß nur Federic unter der entflohenen Zahl wäre / als dessen Treue und Liebe ihm so bekannt / daß selbiger nicht ehe würde nachlassen / biß er welche von so edlen Gemüthe gefunden / die einem Cavallier gegen unrechtmassige Gewalt beystünden / und ihn mit ehesten befreyeten.
Er eröffnete demnach diese Gedancken Barsinen /und sprach ihr nach Möglichkeit zu / nur gutes Muthes bey diesem Zufall zu seyn / weil der Himmel schon zu rechter Zeit noch welche senden würde / die sie mit Nachdruck aus so Räuberischen Händen erlöseten. Ich will es hoffen / seuffzete Barsine / wenn nur die Hülffe [276] nicht zu lange aussen bleibet / und wir unterdessen nichts Widriges besorgen dürffen: doch sagte sie standhafft / was wollen sie uns thun? Ihr könnet euch / wehrtestee Renard / hinter diesen Tappetten verstecken / so offt jemand herein kommet; und weil man keinen Argwohn auf eure persöhnliche Gegenwart hat / werdet ihr / so lange es nöthig ist / sicher hier bleiben können–Ich aber will dem geilen Hunde getrost unter die Augen tretten / und beständig dabey verharren / ihm nicht die geringste Gunst zu erweisen / biß die versprochene zwey Tage / die er noch Auffschub gegeben / verflossen sind; kommet alsdenn keine Seele / die uns rettet / so könnet ihr ein großmüthiger Beschützer eurer treuen Barsinen seyn / wofern meiner Ehre gewalt geschehen soll.
Renard billigte in allen ihren Befehl und Rath /welchen er mit Auffsetzung seines Lebens vergnügt vollziehen wolte / wenn ihr dadurch ein Gefallen geschehe; Doch dieses würde ihm schwer ankommen /Curtons lasterhaffte Reden hinter den Tappeten gedultig anzuhören / und selbigen nicht gleich den Rest zu geben: Weil es aber wieder die kluge Vorsicht liesse / und man unterdessen einen tapffern Beystand erwarten müste / wolte er sich nach Möglichkeit zur Gedult zwingen.
Unter dergleichen Uberlegungen und den verbindlichsten Caressen brach der heitere Morgen [277] an / ohne daß der geringste Schlaff in ihre Augen gekommen /und Renard sahe etwas zum Fenster hinaus in den Garten / ob er nicht den erschossenen Diener könnte gewahr werden.
Er erblickte selbigen nicht weit von dem Busche /wo er sich vormals verkrochen / und sahe ihn mit zur Erde gekehrten Gesichte im Blute liegen: Dieses Spectacul gab ihm tausend empfindliche Stiche in der Seelen / daß er so viel treue Diener seinentwegen jämmerlich müste verderben sehen / ohne einmahl zu seinen vollkommenen Zweck zu gelangen.
Doch wie er Lionarden / als den Uhrsprung alles Unglücks / rechtmaßig bestraffet / auch die Räuber im Walde wegen ihres mörderischen Anfalls nachdrücklich abgewiesen / so verhoffte er auch von diesem Schlosse nicht ohne Revange zu kommen: Und in dieser Meinung stärckte ihn die Gewißheit / daß Federic unter den entflohenen sey / und also mögliche Anstalt zu seiner Befreyung machen würde: Denn er erkannte an der Lieberey des Getödeten / daß es Federic nicht sey / weil dessen Kleidung von der andern ihre unterschieden.
Er wurde dadurch noch etwas munterer / und weilBarsine an so süsser Hoffnung mit Theil nahme / heiterte sich ihr Gesicht von den vorigen Schrecken wieder aus / daß ihre Schönheit Renarden weil durchdringender in die Augen blitzte / als da er sie nur von ferne gesehen: [278] er verbannte demnach alle Gedancken einer besorgenden Gefahr / und räumte der Liebe sein brennendes Hertze völlig ein.
Wie schön schertzte dieses artige Paar mit einander / und wie entzückt vereinigten sich ihre Lippen nicht /daß sie öffters gar von diesen süssen Geschäffte nicht abbrechen konnten / sondern als aneinander geleimet schienen: Wenn sich nun ihre Seelen so berauschet /daß sie als aus sich selber etwas von so verliebter Arbeit abstunden / wechselten sie wieder die vertrautesten Blicke / und Barsine flössete durch ihre feuerreichen Augen so viel Gluth in Renardens Brust / daß er seine schöne Flammen durch tausend Küsse wieder abkühlte.
So mächtig herschet Amor in denen Hertzen / die er auff so schöne Art gefangen hält / und so meisterlich nimmet er ihre Sinnen ein / daß sie seinen Geschäfften am zärtlichsten nachhengen / wenn sie am wenigsten sicher sind.
Und so gehorsam lebten beyde Verliebte nachAmors Willen / biß Renarden die Begierde an kam /zu wissen / wie es seinen geliebten Fräulein bey Lionarden / und nach der Zeit gegangen / da sie von ihn befreyet / und auff dieses Schloß gebracht worden /weil er bey sich tausendmahl eine solche Gewißheit gewünschet / und ob sie Lionardens Betrug nicht gemercket / daß er eine falsche Person gespielet.
Barsine versicherte ihm des letztern gar [279] wohl /doch daß sie immer noch zweiffelhafftig gewesen /weil er auch den an ihn / als Renarden, geschriebenen Brief auffzuwiesen gehabt / darein sie sich nicht zu schicken gewust. Renard sagte ihr kürtzlich die Manier / wie ihn Lionard bey der Trunckenheit von ihm practiciret / und bathe hernach Barsinen, ihn mit der Erzehlung ihrer Zufälle zu vergnügen.
Barsine erklährte sich / wo es die Zeit und der unruhige Curton zuliesse / ihm gerne hierinnen gefällig zu seyn: Darauff berichtete sie mit schon gemeldeten Umständen / wie Vergebens sich Lionard üm ihrer Gunst bemühet / und wie vorsichtig sie ihm begegnet / biß sie zu gewünschter Zeit / und da er seinen verdammten Vorsatz eben an ihr ausüben wollen / durch dessen tapfere Hand sey errettet worden.
Der geneigte Leser wird sich alles noch oben zu entsinnen wissen / dannenhero vor unnöthig erachte /solches zweymahl zu wiederholen / sondern ich will mit der schönen Barsinen in der Erzehlung fortfahren / nachdem sie im Schlaffe auff der Carosse entkommen.
Mein Mädgen / redete Barsine, wird noch zu sagen wissen / wie viel sie Mühe gebraucht / ehe sie mich von den festen Schlaff erwecken können / und wie sehr sie den Kutscher gebethen / daß er geschwind drauff gejaget / damit wir Lionarden aus dem Gesicht kömen: denn wie er mit euch im Gefechte begriffen gewesen / hat [280] sie gemeinet / auff solche Art / und da er verhindert wär / uns nach zu setzen / am besten mit mir fortzukommen / welches auch glücklich angienge.
Ich erwachte endlich in einer Gegend die mir gantz unbekannt / und da ich keinen Menschen als mein Mädgen üm mich sahe / und mir doch gleich einfiel /daß ich in Lionadens Gegenwart in Verdun eingeschlaffen / wuste ich mich nicht zu besinnen / ob mir würcklich solche Veränderungen als Phatasien im Traum vorkämen / oder wie mir sonsten geschehen.
Mein Mädgen aber benahme mir diese verwirrte Gedancken bald / indem sie erzehlte / wie mir Lionard einen Schlafftrunck beygebracht / und mich in einer Sänffte zur Stadt hinaus bringen lassen. Sie hatte sein lasterhafftes Absehen bald errathen / und selbigen vorzukommen / waret ihr / mein Licht / behülflich gewesen / dafür ich euch unendlich verpflichtet bin.
Renard antwortete mit einer kleinen Caresse / und bathe fortzufahren / darauff den Barsine ferner erzehlte: Ich danckte also meinen Mädgen vor ihre Sorgfalt / und liesse den Kutscher so viel als möglich eilen /üm ein nahgelegenes Dorff zu erreichen.
Damahls stund ich noch in den irrigen Gedancken /daß Lionard der jenige sey / welchen mir Doris in dem Kloster so artig abgemahlet; Weil ich ihn aber so wohl an der Gestalt als am Gemüth gantz anders befande / habe ich vielmahls [281] in Gedancken auff dieses Madgen gefluchet / daß sie mich so schändlich betrogen.
Ich wünschte also unzehligmahl / aus seinen unanständigen Banden zu ko en / und da mir das Glück so weit geschmeichelt / daß ich weit genug von ihm entfernet zu seyn vermeinte / war meine eintzige Sorge / wie ich wieder in Franckreich mit guter Sicherheit angelangen möchte / ohne von den vermeinten Renard von neuen entführet zu werden.
Indem wir aber das vor uns liegende Flecken erreichet / und ich mich in ein ehrbar Hauß einlogiret hatte / war ich begierig / Lionardens Sachen / die er auff die Carosse mit auffgepackt / durchzusuchen / und fande an Juwelen / Gelde und andern Sachen / so viel als ihr noch bey mir sehet.
Unter andern lagen viel zusammen gebundene Briefe in seinen Kuffer / die ich alsofort eröffnete / und deren Inhalt durch studirte: Die meisten waren von Frauen-Zimmer und guten Freunden an ihn geschrieben / was mich aber nicht wenig verwirt machte / war der Nahme Lionard, an dem sie alle gerichtet / keiner aber an Renarden.
Dahero dachte ich bey mir selber / wie komt dennRenard zu eines andern Cavalliers Briefen / und warum finde ich nicht einen von den seinigen drinnen? biß mir endlich eine Abschrifft von einem Brief in die Hände geriethe / den er [282] nach Paris an einen seiner guten Freunde geschrieben / und demselben den gantzen Betrug / welchen er mir und euch gespielet /eroffnet.
Wie sehr ich über diese unvermuthete Nachricht erstaunete / kan ich nicht genug beschreiben / und nun sonne ich erst allen Umständen besser nach / dadurch Lionard sich verdächtig gemacht; gleichwohl war es mir ungemein lieb / daß ich hieraus erkennete / wie meine Gunst nicht einem tadelhafften Verführer / sondern einem Würdigern gleich Anfangs sey gewidmet worden / und deswegen truge ich recht hertzliches Verlangen / denselben nach so vielen Widerwertigkeiten zu umarmen.
Es soll anjetzo gleich geschehen / mein Engel / fiel ihr Renard in die Rede / und küssete sie damit recht feurig. Ja sagte Barsine / jenesmahl bildete ich mir einen so werthen Erretter nicht so nahe ein / sondern meynte / es wäre eine feindliche Parthey gewesen / die mit Lionarden in ein Gefechte gerathen: da mir aber der Gutscher berichtete / daß Lionard bey eurer Gewahrwerdung seinen Leuten zugeruffen: sie solten sich fertig halten / es käme Renard / so bin ich auf vergnügtere Gedancken gerathen / und habe euch wohl tausendmahl den Sieg über Lionarden gewünschet.
In der Ungewißheit aber machte ich mir viel unruhige Sorgen / wenn ihr irgends unglücklich seyn soltet; und so gerne als ich Kundschaft [283] hiervon eingezogen / wolte mir doch nichts einfallen / wie mein Verlangen könnte gestillet werden.
Indem ich also mein künfftiges Verhängniß furchtsam überlegte / und gerne von diesem Orte weiter aufgebrochen wäre / wofern mich nicht die gröste Mattigkeit meiner Glieder erinnert / der Ruhe zu geniessen / kamen Lionardens Diener / und brachten ihren Herrn todt in dieses Dorff / um selbigen begraben zu lassen.
Was vor Bewegung in meinem Gemüthe über eine solche Post / die mir der Gutscher brachte / entstunde / ist nicht genug auszusprechen: ich schmeichelte mir also fort mit der süssen Hoffnung / denjenigen nun bald zu sehen / welcher so tapffer als rechtmässig mehr wieder einen Räuber als Cavallier gefochten /und aus diesen Ursachen betaurete ich Lionardens Todt nicht sonderlich / als allein daß ich ihm ein besseres Ende gegönnet.
Weil ich mich nun von dessen übrigen Dienern nicht gerne wolte blicken lassen / verbothe ich dem Gutscher / meine Gegenwart zu offenbahren: allein es wehrete nicht lange / so bekam ich durch einen Laqueyen einen schönen Empfehl von einer Adelichen Damen / und wie selbige betaurete / daß ich als ein frembdes Fräulein so schlechte Bewirthung in meinenLogis hätte: sie ersuchte mich also zum freundlichsten / ihr die Ehre zu gönnen / und auf ihrem Hofe / der gleich [284] zum Ende dieses Fleckens lege / einzusprechen: alles was in ihrem Vermögẽ / stünde mir zu Diensten / und ich könnte nach Belieben daselbst verziehen / so lange es mir gefallen würde.
Ich wunderte mich Anfangs über dieses Compliment / und fragte so wohl den Laqueyen als meine Wirthin zuvor um die Beschaffenheit dieses Adelichen Hofes / und ob auch wohl viel Mans-Personen sich auff selbigen befänden: Die Nachricht war aber beyderseits / daß sich nur eine verwittibte Dame nebst einer Tochter da auffhielte / und sonsten wenig Mans-Leute um sich hätte.
Dahero schiene mir dieses Erbiethen nicht ungeneigt / und wie ich dem Laqueyen ein höfliche Antwort gegeben / muste mich der Kutscher selber dahin fahren: ich fande alles / wie mir zuvor war gesaget worden / und die Dame nebst ihrer Tochter bewillkommeten mich so wohl / als ob ihnen eine sonderliche Freude hierdurch geschehen.
Darauff sagte mir diese Dame, was sie meinentwegen von des getödeten Cavalliers Dienern gehöret /als welche von ihr die Erlaubniß müssen ausbitten /ihren Herrn allhier zu begraben: und das selbige zu gleich gemeldet / wie sie meine Gegenwart von etlichen Leuten erfahrẽ / deswegen sie sich selber die Ehre gesuchet / mich nach ihren schlechten Vermögen zu bedienen.
Ich rühmte ihre Gütigkeit hierinnen gegen [285] mich /und erzehlte auff ihr inständiges Verlangen die gantze Begebenheit und Lionardens unverantwortliches Verfahren / welchen Renard nicht unrechtmäßig bestraffet / und zu dessen Beweißthum laß ich ihr den in Lionardens Kuffer gefundenen Brief nach Paris vor /dadurch er seine Betrügerey selber ausführlich gestanden.
Die adeliche Dame so wohl als ihre Tochter hegten ein grosses Mitleiden mit meinem gehabten Unglück /und weil sie vernahmen / daß Renard in dieser Gegend mich selber suchte / wünschten sie die Beförderung meines Vergnügens von Hertzen / mit dem Erbiethen / nach ihren Vermögen alles hierzu beyzutragen.
Hierauff muste mein Kutscher die zwey von Lionardens Dienern zu mir holen / und nachdem ich ihnen ein Stück Geld gegeben / versprach ich ein weit mehrers / wofern sie mir Renarden selber oder die Nachricht seines Auffenthalts brächten: Die Diener gelobten ihr Bestes zu thun / und weil sie wegen später Zeit nicht fort könnten kommen / ritten sie des Morgen sehr frühe aus.
Nun hatte ich mich durch eine Nachtruhe von meiner Schwachheit wieder erholet / und die süsse Einbildung / meinen wehrtesten Renard bald würcklich zu küssen / machte mich von neuen gantz munter: das adeliche Fräulein schiene an meiner Zufriedenheit mit Theil zu nehmen / und [286] führte sich in allen gantz vertraut gegen mir auff.
Unter andern Discoursen aber erzehlte sie mir ihr Liebes-Verständniß mit einem jungen von Adel auff der Nachbarschafft / welcher sehr reich sey / und wohl heute noch bey ihnen einsprechen würde; weil er ihr versprochen / das Jawort zu ihren völligen Bündniß von seinen Vater mitzubringen / der bißhero nicht darzu einstimmen / sondern seinen Sohn an eine reichere verheyrathen wollen. Sie durffte nicht lange auf seine Person hoffen / so kam er nebst zwey Dienern /und wurde von der Mutter und Tochter zum freundlichsten empfangen; Er machte mir darauf gleichfals das Compliment / und sahe mich hernach fast unaufhörlich an.
Ich will euch / mein Licht / sagte Barsine zu Renarden / den Verlauff gantz kurtz erzehlen / weil wir ohnedem bald darinnen dürfften gestöret werden.
Eben die Mißgeburth der Tugend / die uns itzo ihren lasterhafften Stricken unterwerffen will / war der saubere Bräutigam desselben Fräuleins / Curton nehmlich / welcher ihr sein unartiges Gemüth so wohl als uns zu erkennen gegeben: Denn ich weiß nicht /was für einen Unterscheid der Gestalt er zwischen mir und seiner Braut gesehen / so wünschet er / wie er hernach gestanden / selbige mit mir zu vertauschen.
Er erkundiget sich demnach von seiner Liebsten alle Umstände von mir / und da er genugsam [287] unterrichtet / schickte er heimlich einen Diener nach seinen Schlosse ab; Unterdessen bediente er das Fräulein wie vor / und machte ihr weiß / daß sein Vater sich zu einer Heyrath unter sie endlich gantz gütig erkläret /nur daß er zuvor sich mit ihrer Frau Mutter wegen einiger Sachen unterreden wolte.
Die Adeliche Dame war nebst der Tochter sehr vergnügt über solche Nachricht / die sich lange verzogen / und an welcher sie wegen Curtons Reichsthum und ihrer wenigen Mittel noch immer gezweiffelt / aber sich dennoch auff Curtons Schweren und hohe Betheurungen verlassen / daß er es wolte glücklich zu Stande bringen; Ich gratulirte demnach dem Fräulein zu den erwünschten Ende ihrer Liebe / und bekam eine so freundliche Dancksagung / daraus ich die grosse Freude über ihre getroffene Verbündung leicht urtheilte.
Sie suchten demnach allerhand kurtzweil hervor /sich die Zeit zu verkürtzen / und ich merckte in keinem Stücke Curtons verhastes Absehen auf mich /sondern er führte sich gegen mir höflich / bey seinem Fräulein aber so verpflichtet auf / als er wegen seiner sehr wenigen Geschicklichkeit thun konnte.
Indem wir nun über der Tafel sassen / kam ein Diener / welcher Curton einen Brief von seinem Vater überbrachte: er stellete sich etwas verwundrend hierüber / und was ihm sein Vater [288] doch schreiben möchte / da er gestern erst von ihm geritten: wie er ihn aber eröffnet / sagte er: es wird eine angenehme Zeitung vor das gnädige Fraulein seyn / auf mich zielend / und gab mir hierauf den Brief selber.
Mein Hertz wallete mir hierüber gleich vor Freuden / weil meine Gedancken alsofort auf euch fielen / und wie ich denselben durchlase / fande ich den Inhalt: Wie er (Curtons Vater nemlich) die Ehre hätte / einen Vornehmen Frantzösischen Cavallier anitzo zu bewirthen / welcher ein entführtes Fräulein suchte / und gewiß davor hielte / daß sie sich in dieser Gegend müsse aufhalten. Er hätte demnach etliche Diener darnach ausgeschickt / und Curton möchte sein eusserstes deswegen gleichfals thun. Vor allen aber solte er / Curton / zurück kehren / und den Cavallier bewirthen helffen. Imübrigen würde die Adeliche Dame und das Fräulein schön von ihm gegrüsset / und so bald er diesen Gast loß geworden / bäthe er sich ihren angenehmen Zuspruch aus.
Dieser Brief erweckte mir tausenderley Zufriedenheit / da ich die nahe Gegenwart meiner [289] anderen Seelen so nahe erblickte: und ich konnte nicht unterlassen / die höflichste Dancksagung wegen einer so angenehmen Zeitung an Curton abzustatten / weil ich mich am wenigsten einer neuen Hinterlist besorgte.
Es fielen von allen viel Glück wünsche über das erwünschte Ende meines widerwertigen Verhängnisses /und das Fräulein war absonderlich erfreuet hierüber /daß ich mit ihr zugleich solte vergnüget werden. Wie ich nun mein Verlangen nach eurer beliebtesten Person bezeigte / erbothe sich Curton gleich / daß weil er doch von seinem Vater Befehl hätte / wieder nach Hause zu kehren / würde er die Ehre haben / mich ohne Säumniß dahin zu begleiten.
Ich wolte zwar anfangs nicht drein willigen / sondern bathe nur um einen Wegweiser zum Schlosse; allein das gute Fräulein nöthigte mir ohne Argwohn ihren Flattergeist selber auf / und Curton / der sich durch den Willen seines Vaters entschuldiget und wohl heimlich den Wohlstand wegen seiner Begleitung mochte vorgewendet haben / beurlaubte sich gantz wohl von beyden / und ritte hernach bey der Carosse her.
Unter-Weges suchte er immer mit mir zu discuriren / und brachte bald dieses und jenes vor / dadurch er mich zu unterhalten suchte; ich gab aber wenig auf seine Reden Achtung / indem ich meine Gedancken bey euch verpachtet / [290] und würcklich so viel Schätzbarkeiten einer zufriedenen Seele genosse / als ich hernach Matter auf diesem Schlosse ausstehen müssen.
Indem ich nun Curton wenig oder doch kurtze Antwort auf seine Reden gab / bathe er mich um die Erlaubniß / sich in meine Carosse mit zu setzen: ich muste wiewohl ungerne in sein Begehren willigen /weil ich keine Ursache zum Abschlagen hatte / und wir fuhren darauf etwas langsamer fort.
Curton suchte zwar mit Fleiß allerhand Anlaß / mir seine Estim zu entdecken / aber ich kan wohl sagen /daß es mir nicht anders als eine blosse Höflichkeit geschienen / und dahero waren meine Reden ohne Verdacht und gantz gleichgültig: Endlich brachte er aber die Frage als im Schertz vor: Wenn nun der Cavallier / welchen ich liebte / nirgends wo zu finden / ob denn nicht einander so glücklich seyn solte / meine Gunst zu gewinnen? Ich antwortete / daß ich zuvor gewisse Nachricht von seinem Tode haben müste / ehe meine Liebe gegen ihm aufhörete / und alsdenn würde meine Treue doch ewig gegen ihn tauren / und das Kloster biß zum Ende meines Lebens mein Aufenthalt werden.
Curton wolte mich durch vielerley Beweiß-Gründe eines allzustrengen Verfahrens gegen die jenige überführen / die meine Besitzung wünscheten / und daß ich wieder mir selber [291] unrecht handelte; ich blieb aber allezeit bey meiner Meynung: man müste einen Geliebten biß ins Grab ergeben bleiben.
Ich merckte / daß er in seiner Vertheidigung immer hitziger wurde / und hätte dadurch billig auf übele Gedancken gerathen sollen / wenn mich nicht diẽ geglaubte Gegenwart eurer liebsten Person / und Curtons bereits getroffenes Bündniß mit einem Fräulein eines weit andern beredet / als daß er ein so verdammtes Absehen auf mir haben solte.
So viel konnte ich wohl aus seinen Geberden schliessen / daß er ziemlich verwirrt im Kopf war: und ob ichs auch gleich vor eine Liebe gegen mich auslegte / dachte ich doch / diese unzeitigen Affecten solten sich bald legen / wenn ich durch euch seiner verdrießlichen Conversation überhoben / und er durch Hülffe seiner Inclination vernünfftiger im Gehirne würde.
Wir gelangten endlich im Duncklen auf diesem Schlosse an / und da mich Curton aus der Carossen gehoben / bathe er meinen heutigen Entschluß zu ändern / weil es zu meinem und seinem Vergnügen ausschlagen würde; allein vor übermässiger Begierde /euch mein Licht zu umarmen / antwortete ich nur im Schertz drauf / und ersuchte ihn / mich nur bald zu dem Cavallier zu führen.
Doch an statt eurer kam mir ein alter Mann entgegen / welchen er Vater hiesse / und [292] nöthigte mich mit vielen Ceremonien in ein Zimmer; darauf sie beyde bey mir um Erlaubniß bathen / mich einen Augenblick nebst meinem Mädgen allein zu lassen / nebst dem Versichern / sie wolten mir alsofort wieder auffwarren.
Es kam mir anfangs etwas frembde vor / da niemand was von einem hier angekommenen Cavallier erwehnte / und nicht ein eintziger von dessen Diener zu sehen war: doch das Verlangen zu euch gab mir auch noch dieses mahl die schmeichelhaffte Gedancken ein / sie würden vielleicht erstlich einen Schertz zu machen suchen / und hernach die geliebte Person unverhofft geführet bringen.
Wie sehr sahe ich mich aber von der falschen Hoffnung betrogen / und wie viel Quaal empfunde mein Hertz / da Curton wieder in das Zimmer trate / und mir die tröstliche Nachricht brachte: daß der hiergewesene Cavallier aus Ungedult wieder fortgereiset /und sich deutlich mercken lassen / daß er nach so vielen Verdrießlichkeiten und vergebener Mühe sich keine weitere Beschwerung meinetwegen machen würde.
Nachdem er nun dergleichen Leichtsinnigkeit an euch genugsam getadelt / und meinen Gram über einen nicht würdigen Amanten vor unbillig gehalten /gestunde er die estim zu meiner Persohn / welche meritirte / daß man alle andere Partien deswegen fahren liesse / und brachte darauf eine völlige Liebes-Erklärung an den Tag.
[293] Ihr könnet leicht erachten / mein Licht / was für gewaltsame Affecten damahls in meinem Gemüthe aufgestanden: ich war vor innerlichen Verdruß fast aus mir selber / und dabey so auf Curton erbittert / daß ich ihn gerne Lionarden nachgeschickt / wofern meine Faust so tapffer und behertzt als die eurige gewesen: denn ich sahe aus allen / daß es eitel Betrügereyen / und ihr nimmermehr auff dieses Schloß gekommen / weil ich mich der deutlichen Kennzeichen seiner thörichten Liebe auf den Wege erinnerte.
Meinen Zorn konnte er sattsam aus den Augen lesen / und wie er mich zu besänfftigen noch bemühet war / gab ich ihm selbigen auch durch Worte zu verstehen / und verwieß ihm auf das schärfftste / daß er mich und das mit ihm schon versprochene Fräulein so unredlicher Weise zu hintergehen suchte / welches die Art verständiger und rechtschaffener Cavalliere durchaus nicht sey.
Allein Curton wolte alles mit der Liebe entschuldigen / und wie er gar kein Gehör deswegen fande / ließ er mich wiederum allein / wünschte aber zuletzt: daß ich mich diese Nacht über geneigter gegen ihm entschliessen möchte / und er nicht Ursache zuklagen hätte / daß er auf seinem eigenen Schlosse von einem Fräulein so ungütig tractiret worden.
Ich gab ihm hierauf eine gar hönische Antwort /und da man mir von Speisen sagte / und [294] freystellete /ob es in meinen Zimmer oder in Curtons seinen geschehen solte / schlug ich es gäntzlich ab; Gleichwohl geriethe ich bey meiner Härtigkeit gegen ihn auf das Nachsinnen / was er sich aus lasterhafften Antriebe unterstehen dürffte / da ich fast in seiner Gewalt sey: und ob ich wohl eher mein Leben verliehren / als meine euch gewidmete Treue verletzen wolte / war mein Gemüth dennoch mit so unruhigen Gedancken beschäfftiget / als es jemahls gewesen.
Den andern Tag war er etwas bescheidener in seinem Verlangen / und suchte mich durch Bitten und Verpflichtungen zu Aenderung meiner Grausamkeit zu bewegen; allein so edel als im Anfange mein Vorsatz gewesen / ihm nicht einmahl die geringste Hoffnung zu meiner Gunst zu machen / war er auch noch /und Curton sahe seine thörichten Anfälle auf eine Felsen harte Brust fruchtloß.
Gleichwol da er seine ungeziemende Begierden zu mässigen schiene / verbarg ich auch viel von der Hefftigkeit meiner innerlichen Erbitterung / und suchte ihn durch vernünfftige Verstellung des mir und dem andern Fräulein gethanen Unrechts auf klügere Gedancken zu bringen / und dahin zu vermögen / daß er mich zu der Adelichen Damen zurück kehren ließ.
Anfangs schiene er meinem Begehren beyzupflichten / und bathe sich nur noch einen Tag meine Gegenwart aus / alsdenn wolte er mich [295] selbsten wieder dahin begleiten; doch da die Zeit verflossen / und ich den Gutscher darzu beordern wolte / war selbiger vor mir unsichtbar / und Curton gab mir zu verstehen /daß er wegen der Unmöglichkeit / seine Liebe zu ändern / mich nicht eher von seinem Schlosse lassen würde / biß ich mit ihm verheyrathet sey.
Dieses verwegene Ansinnen setzte mich folgends aus mir selber / und die gewaltsamen Affecten griffen mich dergestalt an / daß ich in eine Unpäßlichkeit darüber geriethe: Curton wolte mich viel trösten /doch wei er sahe / daß das Ubel dadurch nur ärger wurde / blieb er mit seinen beschwerlichen Visiten aussen: Der Vater aber hat mich biß auff diese Stunde noch nicht besuchet.
Indem also nebst der Schwachheit des Leibes mein Gemüth durch tausen Foltern hindurch gezogen wurde / kame einst mein Mädgen / und erzehlte mir die Ankunfft eines Cavalliers auff diesen Schlosse / welcher in den nechst gelegenen Wald von Räubern sey verwundet / von dem Alten aber mit in der Carosse sey herein gebracht worden.
Ich hörte dieses mit auffmercksamen Ohren an /und mein Hertz sagte mir gleichsam in voraus / daß es hieran mit Theil zu nehmen; absonderlich da das Mädgen hinzusetzte / daß dessen Diener eben solche Lieberey trügen / wie Lionard gehabt. Dahero hiesse ich sie nach [296] Möglichkeit dahin trachten / dieses Cavalliers sich recht bey den Dienern zu erkundigen /und ob es nicht irgend mein geliebter Renard sey.
Mein Mädgen nimmt die Gelegenheit so wohl in acht / daß sie eben auff der Seiten stehet / da der Alte mit euren Federic eurentwegen redet; und ob sie gleich nicht alles vernehmen kan / höret sie doch so viel / daß eines Frantzösichen Cavalliers und eines Fräuleins dabey gedacht wird.
Sie schleichet sich hierauf heimlich wieder in mein Zimmer / und hinterbrachte mir so viel / welches mich in der vorigen Muthmassung stärckte; Bessere Gewißheit aber zu kriegen / solte das Mädgen nur kühnlich mit euren Dienern reden / und wenn meine Gedancken nicht irrig / ihnen alsdenn meine Gegenwart und den itzigen Zustand eröffnen: aber / da sie meinen Befehl zu vollziehen das Zimmer wolte eröffnen / war ihr der Ausgang verwehret.
Der verzweiffelte Curton hatte recht eine Wache vor die Thür gestellet / welche das Mädgen endlich aus den Zimmer / aber nicht zur Treppen hinunter lassen wolte / und ich mochte mich drüber Beschweren /bey wem ich konnte / war doch keine andere Antwort / als daß ich mich zu Frieden geben / und teutsch zu sagen / eine Gefangene seyn solte.
Dieses unerhörte Verfahren / an statt das es mir noch mehr Gram verursachen solte / [297] beförderte mein innerliches Vergnügen / daß ich ein gewisses Kennzeichen von eurer hier seyn hätte / weil man mir nicht ohne wichtige Ursache verwehren würde / wie vormahls aus den Zimmer zu gehen: und durch diese angenehme Vorstellung des Gemüths verschwand auch meine Unpäßlichkeit in kurtzen so sehr / daß ich wieder so gesund als zuvor war.
Denn meine Kranckheit war allein durch die Menge unaussprechlicher Marter über mein feindseeliges Schicksall entstanden / und da selbiges gegen mir erträglicher zu werden schiene / verlohr sich durch die süsse Hoffnung / euch einmahl zu sehen / meine Schwachheit desto eher wieder / je kostbarer die Zeit war / auff meine Vergnügung zu dencken / ehe ihr aus Unwissenheit von diesem Schlosse wieder auffgebrochen.
Wie nun Curton wieder in mein Zimmer kam / stellete ich mich zum Schein noch etwas unpaß / und beklagte mich gar nicht mehr über meine benommene Freyheit / sondern wolte nur / daß er mich solte in den Garten führen lassen / üm frische Lufft zu schöpffen; Allein er mochte vielleicht besorgen / was ich mir zu seinen Schaden hierdurch vorgenommen / dahero schützete er die Hochachtung zu meiner Gesundheit vor / daß er mir hierinnen nicht gehorsamen könnte /und da ich von meinen Begehren nicht abstehen wolte / schickte er mir den Artzt über den Halß / [298] welcher mir es gleichfalls wiederrathen muste.
Ich ließ mich endlich zum Schein anders bereden /fragte aber unter andern nach des verwundeten Cavalliers auffbefinden / und ob es noch Gefahr mit ihm hätte? Der Medicus stutzte etwas bey dieser frage /mir aber nicht mehr Nachsinnens zu erwecken / gab er doch mit verwirrten Gesichte so viel zur Antwort /daß dieser Cavallier / welcher ein Teutscher sey / die vorige Gesundheit meistens wieder erhalten / und bald auffbrechen würde.
Doch ich liesse mich wenig durch die Erfindung von einem Teutschen Cavallier von meinen Gedancken bringen / weil es mir schon besser bewust / und bemühte mich desto mehr / meinen Vorsatz gewünscht zu endigen. Nun führte mir das Glück eurenFederic in die Augen / da ich meine Seuffzer nach euch den Lüfften anvertrauete / das übrige wisset ihr schon selber / was mein wehrtester Renard zu meiner Befreyung vorgenommen / aber nicht so viel Glück als Großmuth und Gerechtigkeit gehabt.
Nur dieses muß ich melden / woraus ihr Curtons Raserey noch mehr erkennen könnet: Denn / nach dem er irgends bey eurer Abwesenheit und unser beyder wieder erlangten Gesundheit besorgte / er möchte mich verliehren / war er gestern so halsstarrig in seinen Begehren / daß er durchaus auff eine völlige Erklärung drange / ob ich mit Güte in eine Heyrath willigen wolte / [299] oder nicht? ich mochte nun einwenden /was ich könnte / so fande es doch kein Gehör / biß er sich endlich durch vieles Bitten und Thränen / die mir die Angst auspressete / noch so weit bewegen ließ /daß er mir zwey Tage Auffschub vergönnete.
Damit endete Barsine ihre Erzehlung / und Renard fing hierauff an: ich werde als denn gerechtere Ursache haben / diesem tollen Hunde das Leben zu neh men / wo fern er euch / mein Engel / zu den geringsten zwingen will: indessen versehe mich doch gantz gewisser Hülffe von meinen getreuen Federic. Ich hoffe es gleichfals / mein liebster Renard / und bitte deswegen üm desto mehr / euch nicht vor der Zeit an ihn zu rächen / weil euch sonsten vor unserer Befreyung etwas begegnen dürffte / das mich hernach zur unglückseelichsten der Welt machte. Sorget dafür nicht / Englische Barsine, antwortete Renard / ich werde mich so viel als möglich zwingen / durch erfordernde Gedult eure und meine Wohlfahrt zu erhalten.
So viel hatte ihnen Curton Zeit zur Unterredung gegönnet / welche er gewiß bald genug würde gestöhret haben / wenn er Renarden Gegenwärtig und in seiner Gewalt gewust; so aber versahe er sich eher des Himmels Einfall / als seines Nebenbuhlers in Barsinens Zimmer / und gab ihm also durch das lange verzögern desto bessern Raum / sich bey einem so wunderschönen Fräulein zu letzen.
[300] Endlich da bey nahe zwey Stunden nach angebrochenen Morgen verflossen / risse er sich aus den Federn / und sahe sich nach den ausgeschickten Leuten um / ob sie nicht etwan mit einigen Gefangenen zurückgekommen: denn selber so viel Hertz mochte er nicht gehabt haben / daß er ihnen nachgejaget / dahero hielte er vor rathsamer / zurück zu bleiben / und seine wollüstige Siege bey einem Frauen-Zimmer zu suchen / worinnen er nun desto eher glücklicher zu werden vermeynte.
Wie nun seine Diener nichts als eine ledige Carosse zurück gebracht / (denn der Gutscher hatte die Pferde ausgespannet / und damit die Flucht genommen) sprach er mit hönischen Lachen: Ich sehe / Renard hat das Fräulein darinnen fortführen wollen / ich muß es nur an seiner Stelle verrichten / weil er es nicht wohl gelernet. Und damit begab er sich nachBarsinens Zimmer.
Er fande aber selbiges noch verschlossen / deswegen klopffete er etliche mahl an / ehe es ihm Barsine durch das Mädgen öffnen liesse / denn sie hatte unterdessen Renarden verstecket.
Curton hielte ihr darauf gleichsam verweißlich vor / daß sie diese Nacht vom Schlosse entfliehen wollen / und fragte / wer sie darzu verleitet? Barsine läugnete anfangs / und stellete sich / als ob ihr der Tumult nichts angegangen; allein Curton sagte hierauf; Was wollet [301] ihr weiter läugnen / Fräulein / daß ihr mich diese Nacht zu betriegen gesucht / ein Mädgen hat mir schon gesagt / mit wem ihr euch in diesem Garten unterredet.
Und wenn ich es gleich Willens gewesen / antwortete sie / mit Renarden / den ihr vor mir verläugnet /meine unbillig eingeschrenckte Freyheit wieder zu suchen / so wäret ihr dadurch nicht betrogen worden /weil ich jenem mehr als euch schuldig bin / könnet ihr aber wohl verantworten / ein Fräulein / das euch mit nichts verbunden / und welcher ihr vielmehr alle Gefälligkeit versprochen / so unerhörter weise zu tractiren / und sie zur Sclavin machen wollen? Ist nicht ein so edler Bluts-Tropffen bey einem Cavallier / der sich scheuet / die Tugend so sehr zu beleidigen. Gehet einmahl in euch zurück / und erweget das Laster des Meineydes / welches ihr an dem mit euch versprochenen unschuldigen Fräulein begangen / und bedencket /was ihr itzo an mir thut. Alle Welt wird euch wegen eines solchen Verfahrens hassen / wofür ihr aber mehr Ruhm verdienen könnet / wenn ihr es noch beyzeiten ändert.
Curton sahe sie bey diesen Worten etwas verwundrend an / endlich aber sagte er nach seiner gewöhnlichen Unbescheidenheit: ich brauche keinen Hoffmeister / und ihr könnet eure Lehren nur sparen / weil sie sich hieher nicht schicken, ihr [302] habet mir einmahl Hoffnung zu eurer Gunst gemacht / und diese will ich gehalten wissen.
Was ist euch an dem gelegen / sagte Barsine, was aus Zwang geschiehet / ihr könnet keine Vergnügung haben / wo ihr nicht das Gemüth eines Frauenzimmers besitzet / und hierauff kan ich euch nimmermehr vertrösten / weil es ein ander schon in seiner Gewalt hat. Wann ich nur die Person besitze / antwortete Curton, das Gemüth soll mir der andere schon überlassen / nach dem er noch wenigere Hoffnung zu einen von diesen / als ich zu beyden habe: Denn ihr /annehmliche Barsine, seyd nun meine Braut / und dieses will ich ohne Wiederrede noch heute durch den Priester bestätigen lassen / sonsten dürfftet ihr mir dieses Glück von neuen zu benehmen suchen.
Besinnet euch doch Curton, was ihr thun wollet /sagte Barsine, und wo ich ja eine Erklärung von mir geben soll / so wartet biß Morgen / weil ihr mir ja selber so viel Bedenckzeit vergönnet. Ihr dürffet weiter nichts bedencken / Mein Fräulein / gab er zur Antwort / als wie ihr mich diese Nacht vergnügt küssen wollet / und damit ich euch der Wahrheit versichere / so erlaubet mir den Anfang zu machen.
Damit wolte er sie küssen / sie stieß ihn aber mit der Hand zu rücke / und schwur / ihm nicht die geringste Gunst zu erweisen / wo er nicht die versprochene zwey Tage aus gewartet. Curton, [303] den die hitzigen Begierden aller Vernunfft beraubet / wolte sich hierdurch nicht abweisen lassen / sondern suchte durch Zwang / was sie ihn aus Güte verweigert.
Hier brach Renarden die Gedult / da er sein Fräulein in Nöthen sahe / und es schiene ihm erträglicher /tausendmahl lieber zu sterben / als sie ein eintzig mahl von so lasterhafften Lippen küssen zu lassen; Dahero sprang er hinter den Tappeten hervor / und gieng mit der Pistolen in der Hand mit folgenden Worten auff ihn loß: Verfluchter Hund! Was willstu thun?
Barsine zitterte hierüber wie ein von den Winde bewegtes Laub / Curton aber war nicht anders / als ob ihn der Blitz gerühret: er wolte geschwind nach der Thür rennen / aber Renard risse / ihn zurück / und setzte ihm die Pistolen auf die Brust / mit hoher Betheurung / wo er nicht mit einem Eyde angelobte / ihn und daß Fräulein ungehindert ziehen zu lassen / wolte er ihn auff der Stelle erschiessen.
Curton sahe hier mit Erstaunen / wen er vor sich hatte / und weil Renarden das Feuer aus den zornigen Augen blitzete / machten ihn die hefftigen Drohungen so bange / daß er aus Furcht des Todes alles einzugehen verspache.
Hierauf legte ihm Renard den theuersten Eyd vor /und muste bey dem allerheiligsten Nahmen schweren /daß er keinen Theil an dem Himmel wolte haben / wo er oder sein Vater [304] ihm und den Fräulein weiter Gewalt anthäten / sondern das er sie in einer Carosse noch diese Stunde frey wolte fortschaffen / wohin sie begehrten.
So sehr trieb der hertzhaffte Renard den unbändigen Curton in die Enge / daß er auff seinen eigenen Schlosse von einer Faust allein zur Raison gebracht wurde: er muste von Bestürtzung gantz aus sich selber gesetzt alsofort seine Leute ruffen / und ihnen befehlen / was er Renarden geschworen / und wie sich jederman / absonderlich sein Vater hierüber verwunderte / kame er gleich hinzu / üm ihn deswegen zu befragen.
Er entsetzte sich aber nicht weniger als vorher Curton, da er Renarden in Barsinens Zimmer mit so scharffen Gewehr antraffe / und folgends hören muste / was seinen Sohn begegnet: Renard schärffte ihm das Gesetze auffs nachdrücklichste / und hielte ihm vor /daß er seine Adeliche Geburth so gar aus den Augen gesetzet / und die Qualität eines rechtschaffenen Cavalliers bey ihm und dem Fräulein nicht beobachtet /worauff er sich bey seiner Anherokunfft gewisse Rechnung gemacht / sondern durch das letztere vielmehr begangen / was die tugendhaffte Welt verdammen müste: er wolte ihm aber hiermit bey Cavalliers Parol versprechen / daß so unverantwortliches Verfahren ewig solte bey ihm verschwiegen bleiben / wofern die ersten [305] Fehler seines Sohnes durch rühmliche Bezeigung zu letzt ersetzet würden.
Der Alte war hierüber gantz verwirrt / und weil noch eher ein rechtschaffener Bluts-Tropffen in seinem Leibe als bey Curton zu finden / schämte er sich / so weit gegen einen Cavallier vergangen zu haben /welchen er Anfangs so höflich tractiret: er entschuldigte sich dahero / daß weil er üm die Sache nicht so viel als sein Sohn gewust / hätte sich Renard in der Güte deswegen bey ihn melden / nicht aber des Nachts in sein Schloß einbrechen sollen / worgegen er hernach aus Unwissenheit / was es zu bedeuten / billig Gewalt brauchen müssen.
Wiewohl ihn nun Renard wegen der vorgewandten Unwissenheit genugsam der Unwarheit überführen können / sahe er doch an diesen / daß der Sohn mehr als der Vater gegolten / und maße ihm also mit Fleiß weniger Schuld bey.
Barsine die von den vorigen Schrecken wieder zu sich selber gekommen / redete gleichfals gantz bescheidentlich gegen den Alten / und dieser sagte endlich zu Renarden, Mein Herr / ihr könnet mit euren Fräulein in Friede ziehen / wohin ihr beliebet / denn meinen Willen habt ihr: vergesset aber dabey nach euren Versprechen was vorgegangen: lebet wohl.
Hiermit gieng er fort / weil man aus seinem Gesichte deutlich genug sahe / daß er vor Scham nicht ferner in deren Gegenwart bleiben konnte / [306] die er aus Antrieb seines Sohns beleidiget Curton aber / bey dem die Laster recht eingepflantzet / fühlte wenig Reue wegen sothaner Ausschweiffung / sondern gieng ohne Entschuldigung aus Barsinens Zimmer / üm seinen Vorgeben nach / Anstalt zu ihrer Abreise zu machen.
Allein was that die verzweiffelte Liebe und das rachgierige Gemüthe bey Curton nicht? weder Himmel noch Hölle vermochte sein boßhafftes Gewissen zu schrecken / daß er an die Erfüllung des Eydes /oder an den Willen seines Vaters gedachte / sondern nachdem er keine Gefahr des Lebens von Renarden mehr zu besorgen / opfferte er die Seele ohne Nachsinnen dem Teuffel auff / indem er den Schwur brach.
Er kriegte also etliche verwegene Kerls auff seine Seite / und befahl ihnen bey Straffe des Lebens / daß wenn Renard nebst dem Fräulein die Treppen herunter stiege / solten sie ihn in einen Winckel auffpassen / und unversehens in die Arme fallen / daß er sich nicht wehren oder schiessen könnte: als denn solten sie ihm mit Gewalt wieder hinauff in das Zimmer schleppen / an Händen und Füssen binden / und als denn seine weitere Order erwarten: vor seines Vaters Zimmers aber solten sie unvermerckt ein Schloß vorwerffen / damit wenn es anging / er ihm nicht stören könnte.
Diese Kerls / die in seinen Diensten stunden /waren meistens nach ihren Herren geartet / und [307] hätten Renarden auff der Stelle ermordet / wo sie darzu Befehl gehabt: ein eintziger aber von Curtons Bedientẽ hatte einen Absehẽ an solcher Schande gegen Frembde und Unschuldige / und dieses war der Koch / welchen Renard durch seine Freygebigkeit vormahls so verbunden / daß er ihm gerne von dem bevorstehenden Unglück gewarnet oder geholffen / wo es in seinen Vermögen gestanden.
Inzwischen saß Renard bey seiner geliebtestenBarsinen in nicht geringer Zufriedenheit / und meinte nun bald zu den längst gesuchten Hafen seiner vollkommenen Glückseeligkeit zu gelangen / weil er sich auff des Alten Redlichkeit und Curtons gethanen hohen Eyd verließ.
Wie dahero das Mädgen Barsinens ihre Sachen zusammen gepackt / und man sie zu der fertigstehenden Carosse ruffte / küssete Renard Barsinen auff das freudigste und sagte: Nun werden wir bald in gewünschte Freyheit kommen: damit führte er sie getrost unter den Armen fort / die Pistolen aber waren an seine Seiten in den Gurt gesteckt.
Indem er nun an dem Ende der Treppen war / fielen ihn hinterwerts vier starcke Kerls in die Arme / und rissen die Pistolen von der Seiten: O Himmel! meinRenard! fing die eusserste bestürtzte Barsine anzuruffen: und wolte mit ihren Händen einen wegzerren; allein das zarte Fräulein war viel zu schwach / zu verwehren / [308] daß sie ihr nicht Renarden aus den Armen genommen.
Dieser griffe zwar die Henckermäßige Diener aus allen Kräfften an / und weil man ihm Pistolen und Degen genommen / fassete er den ersten bey den Halß / und würgte ihn zu Boden; Doch die andern waren zu mächtig / und brachten ihn endlich nach langen Wiederstand zur Erden.
Curton sprang hierauff gleichfals herbey / und wie er Renardens hefftige Gegenwehr sahe / musten noch zwey Diener mit Hand anlegen / die ihn auch völlig überwältigten / und auff Curtons Befehl an Händ und Füssen banden.
Renard war indessen wegen eines so grausamen Streichs vor Grim und Verzweiffelung fast aus sich selber / und er da Curton gewahr wurde / schrie er mit rauher Stimme: du Meyneidiger und verdamter Hund /der Himmel wird dich schon zu straffe wissen: Fort /fort mit ihm / ruffte Curton seinen Leuten zu / und bringet ihn wieder ins Zimmer / ich will ihm schon anders singen lernen.
Damit schleppten sie ihn zur Treppen hinauff / und Barsine lief als Sinn-loß hinter drein: Curton wolte sie zwar in die Armen nehmen / sie stieß ihn aber voller Kräfften von sich / daß er bey nahe zur Treppen hinunter gefallen.
Dieses machte ihn folgends so toll / daß er drohete / es nicht ungeahndet hingehen zu lassen; [309] Allein Barsine hörte wenig auff seine verwegene Reden / sondern folgte als halb entseelt ihrem gebundenen Renard in das Zimmer / weil sie nicht wuste / was man mit ihm anfangen würde.
Der alte von Adel hörte diesen Tumult mit Bestürtzung an / und weil er gleich den lasterhafften Vorsatz seines Sohnes erriethe / auch Barsinen Klagend vernahm / wolte er geschwinde nach der Thür zu lauffen / üm ihn von einer allzu grossen Schandthat gegen Renarden oder Barsinen abzuhalten; er erschrack aber noch mehr / da er sein Zimmer verschlossen fande / und also selber eingesperret war. Dahero ruffte er / man solte ihm auffmachen: allein niemand wolte antworten / und der gute Alte muste bey sich die Unarth seines Sohnes beseuffzen.
Denn ob er wohl anfangs geschehen lassen / daßCurton, der ihm über den Kopff gewachsen / Barsinen listiger Weise hintergangen / war doch seine Meinung auff eine freywillige Heyrath gegründet / dadurch er seinen Sohn von der ihm unanständigen Verbindung mit dem erwehnten Fräulein abziehen wolte; doch da es nach und nach einen schlimmen Ausgang gewonnen / wünschte er lieber / daß es nicht geschehen.
Renard wurde inzwischen in das Zimmer auff die blosse Erde gelegt / welchen Barsine mit tausend Thränen von neuen um den Hals fiel / und seine Banden aufflösen wolte: Curton [310] aber risse sie selber von ihm weg / und sagte / sie möchte sich nun zu dem in Güte bequemen / was er ihr heute vorgetragen / oder er würde sie auff eine andere Manier zu zwingen wissen.
Was wilst du mir / Ehr vergessener! thun-antwortete die entrüstete Barsine, nimmermehr solst du was von mir erhalten / und ich will tausendmahl mein Leben verliehren / als mich deinen schändlichen Begierden ergeben. Ich wills euch bald verbiethen / antwortete der unsinnige Curton, und ihr ohnmächtiger Prahler / sagte er zu Renarden / sollet noch Zeuge seyn / wie sehr mich eure Braut vergnüget.
Damit wolte er sie bey den Armen ergreiffen / sie fassete aber ein bey sich habendes Messer / und stieß ihm damit in der Hand. Halt rasende / schrie hierauffCurton, und befohl seinen Leuten / sie zu binden: doch sie wehrete sich gantz verzweiffelt / und es war erbärmlich anzusehen / wie grausam sie mit diesem schönen Fräulein umgiengen / ehe sie selbiges überwältigten.
Renard indessen wolte vor Wehmuth und Erbitterung fast von seinen Sinnen kommen / da er diesen Henckers-Buben zu sehen muste / wie übel sie mitBarsinen verfuhren: Gerechter Himmel / fing er endlich anzuseuffzen / ist den kein Donner-Keil mehr übrig / der diese verfluchten Hunde zerschmettert.
Indem sie nun Barsinen gebunden / und Curton die andern entfernen hieß / um sein [311] abscheuliches Laster auszuüben / wurde ein starckes Lermen in den Schloß-Hofe / und nach dem etliche Pistolen gelöset /und sich ein grosses Geschrey erhoben / kam der Tumult immer je näher und näher / dergestalt / daß Curton eusserst erschrocken zum Zimmer hinaus sprang /Renard aber und Barsine von ihrer rechten Todes Angst zimlich befreyet wurden; Deñ sie zweiffeltẽ nicht / daß ihnen von den Höchsten nunmehro in der grösten Angst Hülffe zu geschicket würde.
Es kam auch in der That der großmüthige PrintzRosantes mit einer starcken Anzahl bewehrter Leute /welchen Federic eben auff der Zurückreise nach Franckreich zu höchst erwünschter Zeit angetroffen /und ihn durch Berichtung / was seinem Herrn undBarsinen vor ein Unglück zu gestossen / alsobald dahin vermocht / sie auff alle Weise zu erretten.
Sie wolten gleich mit Pistolen in der Faust in das Schloß Thor eindringen / als selbiges ein unten stehender Diener / der sie kennte / gewahr wurde / noch zu schlosse / und um Beystand schrie: Rosantes sprunge zwar nebst der bey sich habenden Mannschafft gleich vom Pferde / und wolte die Pforten des Thores mit Gewalt auffbrechen / weil selbige aber mit eisernen Bändern und Riegeln wohl versehen / konnten sie vor sich so bald nichts ausrichten / biß der oben gemeldete Koch / dem dieses barbarische Verfahren zu Hertzen gieng / das Thor unversehens [312] selber eröffnete / ehe es ihm die vielen herzu lauffende Diener verwehren konnten.
Hierauff stelte Rosantes den Koch unter die seinigen / und gab auff Curtons Leute / die sich zur Wehr setzeten / dergestalt Feuer / daß von den Schelmen /die Renarden und Barsinen gebunden / drey zu Boden fielen: Rosantes fragte gleich nach den Cavallier und Fräulein / und drohete ihnẽ hiemit den Tod /wo sie ihn nicht frey zu selbigen hinauff liessen; Doch da sie die Thüre an der innern Treppen des Schlosses besetzten / und mit Spießen / Degen / und was sie in der Eil kriegen können / den Eingang wolten verwehren / fiel sie Rosantes mit den Degen in der Faust als ein ergrimter Löwe an / und machte dem Seinigen so gute Bahne / daß sie mit Hauffen einbrachen / und was sich nicht reterirte oder ergabe / niedermetzelten.
Federic wurde beym hinauff steigen der Treppen den schelmischen Curton gewahr / dahero sagte er es alsofort dem Printzen; Halt räuberischer Vogel / ruffte ihm Rosantes zu / da er sich flüchten wolte / wo istRenard und das Fräulein? Hier tapfferer Ritter / antwortete der freudige Renard, welcher die ihm etwas bekandte Stimme hörete / hier ist euer ergebenster Knecht gebunden. Ha / schrie Rosantes, holet mir den Hund / der eine solche Schandthat begehen wollen /und brecht das [313] Zimmer auff: den Curton hatte sich in eines verschlossen / und suchte durchzukommen.
Sie stürmeten also hefftig wieder die Thür / Rosantes aber und Federic giengen in das Zimmer / wo ihnen Renard geantwortet / und wie sie die zwey Verliebten hart an Händen und Füssen gebunden fanden /entsetzte sich Rosantes über so Erbarmungs-würdigen Anblick / weil die schöne Barsine ebenmäßig noch an der Erden lag. Dahero hub er an: Hilff Himmel! schönstes Fräulein / und tapfferer Renard, wie grausam hat man mit euch verfahren wollen: ist auch jemahls von den wildesten Barbarn erhöret worden /einem unschuldigen und praven Cavallier / und ein so schönes Fräulein auff so unbarmhertziger Arth zu tractiren: gewiß / ich erstaune recht drüber.
Ach tapferster Ritter / sagte Barsine, indem sie Rosantes, Federic aber Renarden der Banden befreyet /wie hoch sind wir euch wegen unserer Helden-mäßigen Errettung verbunden / und wie sollen wir eine so unschätzbare Wohlthat genugsam erkennen? Nichts auf der Welt reichet zu einer Vergeltung zu / weil ihr uns Ehre und Leben zugleich beschützet / welches beydes unersetzlich / und alle Danckbarkeit übersteiget: Doch weil die Tugend selbsten ihr schönster Lohn / so weiß ich / daß ihr nach Art der Großmüthigen vergnüget seyd / Bedrängten eine ruhmwürdigste Probe vollkommener Tapfferkeit [314] erwiesen zu haben /und daß ich und mein geliebter Renard dieselbe Lebenslang mit danckbaresten Hertzen ehren.
Es ist die Schuldigkeit rechtschaffener Cavallier /schönstes Fräulein / antwortete Rosantes, unschuldig verfolgten und so treflichen Personen beyzuspringen /und ich schätze mich noch glückseelig / etwas fruchtbares zu euren beyden Vergnügen ausgerichtet zu haben / dahero verdiene ich keine so gütige Dancksagung wegen eines Dienstes / worzu ich verbunden gewesen / und so mein Leben auch dabey in euserste Gefahr gerathen / wäre doch die Vergeltung vor genug zu schätzen / daß ich einem so vollkommenen Fräulein eine Gefälligkeit zu erweisen / die Ehre gehabt.
Hierauff fiel der loßgebundene Renard den Printzen um den Halß / und nachdem er ihm gleichfals auf das verpflichteste vor seinen tapferen Entsatz gedancket / so fragte er: wie denn der großmütige Bosardo (so nennte er ihn aus voriger Unwissenheit) ihnen eine so unersetzliche Güte erwiesen / da er sich dessen am wenigsten versehen / und wo denn die schöne Adalia sich bestände? Doch weil man eben den Curton geschleppt brachte / konnte Rosantes nicht ausführlich drauff antworten / und Borsine hatte gleichfalß nicht Zeit / ihre Begierde in der Nachricht zu stillen / wer dieser ansehnliche Cavallier [315] sey / und was er Adalien angienge; denn Renard hatte ihr noch nichts davon erwehnet.
Curton wurde von den Dienern zu Rosantes undRenardens Füssen geschmissen / und Barsine, der das erhitzte Blut im Hertzen über seinen Anblick wallete / hub zum ersten an: Siehe da / du grausame Bestie / bist du nun gezäumet worden? wilst du noch ein Fräulein schänden / und soll mein geliebter Renard mit zusehen? Der Himmel hat dich zur Straffe in unsere Hände gelieffert / und diese sollst du nachdrücklich genug empfinden.
Rosantes erstaunete / da er Curtons schändlichen Vorsatz hierdurch verstunde / und sagte zu Barsinen: ist es möglich / schönstes Fräulein! daß dieser Unmensch ein so abscheuliches Laster begehen wollen /und hat er euch beyde deswegen binden lassen? O so hat er die ärgste Todtes-Art vetdienet.
Verfluchter Hund! fing Renard an / und stoßte ihn mit den Füssen / was würdest du aus verteuffelter Geilheit an mir und meinen Fräulein begangen haben / wofern nicht dieser großmüthige Cavallier uns zu rechter Zeit entsetzet? Seiner behertzten Faust habe ich zu dancken / daß du Meineydiger und unzüchtiges Aaß uns beyde nicht entehret / und mir wer weiß /was aus Raserey absonderlich thun lassen. Nun hat dich der gerechte Gott in meine Hände geliefert / üm deine unmäßige Boßheit [316] zu züchtigẽ / und du solst mir so dafür büssen / daß dir ins künfftige nicht mehr gelüsten wird / die Tugend auff so unerhörte Art zu verfolgen. Fort mit dieser Bestie / und bringet ihn in das ärgste Loch / das ihr finden könnet / ehe ich meine Hand selber mit seinem Blute besudele.
Die Diener nahmen den durch sein ruchloses Gewissen erschrockenen Curton, und schlepten ihn /ohne daß er sich in geringsten verantworten konnte /zur Treppen bey den Füssen hinunter / denn sie waren selber so ergrimmt wegen sein vorgehabtes Schelmstück / daß sie ihn gerne in tausend Stücke zerfleischet / wo sie Befehl darzu gehabt; so aber musten sie sich begnügen lassen / ihn eine Weile im finsteren Keller gebunden zu schmeissen / und Federic der etwas Bescheid wuste / wiese die andern zu recht.
Man suchte hierauff die übrigen von Curtons Gesellen / und weil das Thor gleich von Rosantes Leuten / nach dem sie hinein gedrungen / verschlossen worden / aus Beysorge / es möchte einer entrinnen /und neuen Entsatz holen / so fand man sie alle in Winckeln und Kammern / wo sie sich in der Angst hin verstecket / und endlich auch den Alten von Adel /der als halb Tod im Stuhle saße.
Es war gut / daß Federic und die übrigen den Koch bey sich hatten / der ihnen die Unschuld des Alten an der letztern Ubelthat vorstellete / daß sie ihn nicht hart tractirten: so aber glaubten [317] sie dem Koch / weil er ihnen durch Eröffnung des Thores so getreu gewesen / und liessen dahero auf dessen Bitte den Alten ruhig / Federic tröstete ihn auch / daß ihm kein Leides weder an seiner Person noch Gütern wiederfahren würde / weil sie nur hergekommen / so unschuldig Gefangene zu befreyen.
Der Alte danckte den Koch und Federic, daß sie so wohl an ihn thun wolten / und bathe / sie möchten doch Renarden und den andern Cavallier dahin bewegen / daß sie um seiner grauen Haare willen seinen Sohn nicht irgends ermorden liessen / weil er der eintzige und sein gantzes Geschlecht dadurch aussterben müste: sonsten aber könten sie ihn straffen / wie es ihnen schiene / vor GOtt zu verantworten: Sie versprachen ihm / hierinnen ihr bestes zu thun / und führten darauff die andern Gefangenen vor Renardens Zimmer.
Renard erkante den einen / der ihn unbarmhertziger weise binden helffen / und fragte selbigen also: Du sauberer Vogel / wo sind deine Mit-Cameraden? Gnädiger Herr antwortete dieser unerschrocken / sie sind bereits Tod / und wo ich dergleichen harte Straffe kriegen soll / daß ich meines Herrn Befehl habe in acht müssen nehmen / so bitte mir die Ehre aus / auch wie die andern von dieses Cavalliers Händen zu sterben.
Rosantes, der dadurch gemeinet / sahe [318] Renarden wegen so kühner Rede an / und fragte den Gefangenen? wenn ich dich nun in meine Dienste nähme /wollest du auch wohl meinen Befehl zu gehorsamenCurton ümbringen? wenn er schuldig ist / antwortete er: warum hattest du denn / sagte Renard / nicht so viel Gewissen bey mir? hast du mich denn vor schuldig gehalten? Mein Herr hat / mirs gesagt / gab er wieder hierauff / und diesen habe ich glauben müssen / weil ich es nicht besser gewust. Was hat aber dein Herr vor Ursache vorgewendet / fuhr Renard im fragen fort / daß er mich durch euch überfallen ließ? keine / antwortete er / als daß er den jenigen in einen Zimmer gefunden / welcher seine Braut diese Nacht entführen wollen: weil er selbigen nun wegen des bey sich habenden Gewehrs öffentlich nicht züchtigen könte / hätte er bey Lebens-Straffe befohlen / sie solten sich seiner hinterswerts bemächtigen.
Barsine hub mit erbitterten Lachen an / das Unthier hat mich wohl seine Braut nennen dürffen? die Gedancken sollen ihn darnach vergehen / und du magst von dem tapferen Cavallier / von dem deine Cammeraden den verdienten Lohn empfangen / selber bitten /daß er dir das Urtheil gelinder macht / denn bey seinen Willen wird dein Leben bloß beruhen. Renard stellete es ebenmäßig in Rosantes Belieben / und weil der Gefangene zu Fuß fiel / Barsine auch [319] mitleidig schiene / indem er sie nicht binden helffen / sagte endlich der Printz: Dein Leben hast du zwar verwircket /weil du dieses Tugendhaffte Paar wieder dein Gewissen so grob beleidiget / nim es aber als ein Geschenck von ihnen an / und hüte dich dergleichen Laster hinführo zu begehen: doch daß du nicht ungestrafft davon kömmest / solst du funfzig Stockschläge von unsern Dienern empfangen / und so viel hernach deinen gottlosen Herrn wieder zustellen / weil er sie dir verursachet.
Der Gefangene danckte vor so gnädiges Urtheil /und wie ihm Renard ebenmäßig ernstlich auferlegte /Rosantes Geboth zu vollziehen / oder eines weit härtern gewertig zu seyn / gab er sich gar gerne darein /weil er sie Curton lieber alleine gewünscht: dahero hielte er fünfzig wichtige Schläge aus / und nach diesen führte ihn Federic in den Keller zu Curton, wo er selbigen so derbe Püffe zu stellete / als er sie empfangen.
Curton fühlte die Schmertzen der Prügel-Suppen an sich selber nicht so sehr / als allein / daß er sie von seinen eigenen Diener / und den er zur Schandthat am meisten gebraucht / einnehmen muste. Doch so ist die gerechte Rache des Himmels / die Boßheit durch Werckzeuge zu straffen / welche sie erst über die Unschuldige gebrauchen will / und sie muß sich selbige so schlim und strenge offt unwissend zu richten /damit die [320] Grösse ihrer Sünden kan damit gezüchtiget werden.
Dergestalt fande auch Curton den Lohn seiner Müssethat / und muste hernach dennoch im finsteren Keller liegen bleiben. Die andern des von Adels Bedienten / weil sie nichts sonderlichs begangen / wurden gar nicht übelgehalten / sondern musten nur Rosantes und Renardens Leuten Wein und Essen herholen /darinnen sie sich mit ihnen ergötzten / aber doch so in acht genommen wurden / daß keines entwischen und neuen Lermen verursachen konnte.
Federic ließ dabey die erschossenen aus dem Schloß-Hofe in Garten schmeissen / und sie mit Erden zu decken; hernach fragte er den Koch: wo denn das Mädgen hingekommen / welches sich vor ihrem Aufbruch unverhofft verlohren? Ach das arme Mädgen hätte ich bald vergessen / antwortete der treuhertzige Koch / sie ist in ein Gefängniß gesperret worden /weil sie wider Curtons Verboth mit euch umgegangen / und heute frühe hat sie absonderlich hart sollen gezüchtiget werden / daß nunmehro ausgebrochen wäre / was sie anfangs nicht gestehen wollen / nemlich /daß sie euren Herrn das Fräulein zu entführen Gelegenheit gegeben; Doch da eben dieser vor sie glückliche Zufall darzwischen gekommen / ist ihr auch nichts wiederfahren: wollet ihr nun mit zu ihrem Kercker gehen / so folget mir.
[321] Federic betaurete das Mädgen nicht wenig / und wie sie der Koch heraus lassen wolte / trat Federic hinter die Thür / und kriegte sie unverhofft zu umfassen. Ach Gott Federic! fing das Mädgen vor Freuden an / wie übel ist es mir gegangen / ich glaube / daß ich heute ohnfehlbahr hätte sterben müssen / wo euer Herr das Fräulein glücklich fortgebracht: denn man hat mir aufgebasset / und mit Gewalt aufbürden wollen / daß ich euren Herrn gekannt und ihn mit dem Fräulein zu sprechen / in Garten geführet / woran ihr aber am meisten Schuld gewesen / weil ihr mir nicht die Uhrsache gesaget; und hättet ihr mich also in das gröste Unglück bringen können.
Gebet euch zu frieden / tröstete sie Federic / es soll nun alles wieder gut gemacht werden: ich verwunderte mich erst schrecklich wo ihr hingekommen / und wo wir dieses besorget / daß sie durch euch solten von unsern Vorhaben etwas Wind bekommen / würden wir mit mehrer Macht hier eingesprochen haben.
Darauf führte er sie zu Renarden und den andern /welchen sie ebenmässig erzehlen muste / wie einer von Curtons Spionen ihr den Abend aufgebasset / da sie dem Federic den Garten eröffnet: man hätte sie alsdenn in der Stille in ein dunckles Loch geschmissen und aus Verdacht / daß sie dem frembden Cavallier die Anwesenheit des Fräuleins verrathen / würde man [322] grausam mit ihr seyn umgegangen / wofern es unglücklich mit ihrer Erlösung abgelauffen.
Barsine fragte Renarden / ob dieses Mädgen ihm Gelegenheit mit ihr zu reden gegeben? Ja mein Engel / sagte er / diesem Mädgen habe ich viel zu dancken /und wir müssen billig auf eine Vergeltung sehen. Ich glaube / redete Rosantes mit drein / der treue Federic wird ihre beste Belohnung seyn / und so er darzu Lust hat / soll ihm Curton einen solchen Braut-Schatz mit geben / daß er damit kan vergnüget seyn: Meynet ihr nicht / wehrtester Renard? Ja / tapferer Bosardo / ich unterwerffe mich in allen eurer Verordnung / und also wird es sich auch mein Federic verhoffentlich gefallen lassen / weil er nicht schädlich dabey fähret. Nun erkläret euch Federic / sagte auch Barsine hierzu / ihr habet euch bereits verdient umb mich gemacht / und wo ihr noch dieses thut / sollet ihr meine Erkenntlichkeit zu rühmen wissen.
Das Mädgen lachte innerlich über so hohe Vorsorge / und schielte immer von der Seiten auf Federic /ob er auch sein voriges Versprechen halten würde:Federic / dem das Mädgen gefiel / willigte von Hertzen gerne in eine so vortheilhaffte Bediengung / und sagte: weil es ihm von so gnädigen Händen gegeben würde / könnte es nicht anders als angenehm seyn: er stattete deswegen unterthänigen Danck ab / und bathe dero hohe Gnade ferner aus.
[323] Damit wurde der Handel biß auf Priesterliche Trauung richtig gemacht / und Rosantes nahm den Koch /weil er nicht länger auf diesem Schlosse bleiben durffte / in seine Dienste / welcher auch überaus wohl damit zu frieden war / ob er gleich nicht wuste / daßRosantes ein hoher Printz sey: und dieser Fürstliche Stand war auch Renarden und Barsinen annoch verborgen / den beyde hielten ihn vor einen Cavallier.
Der tapffere Rosantes hatte auch noch nicht Gelegenheit gehabt / ihnen solches zu offenbahren / sondern er versparte dieses mit Fleiß / biß erst Renard und Barsine ihre Liebes-Geschicht erzehlet / und ihn hierdurch selbst veranlasseten / die Seinige mit Adalien ihnen umbständlich zu vertrauen. Sie besuchten darauf sämmtlich den Alten in seinem Zimmer / und entschuldigten was sie zu ihrer Rettung nothwendig müssen vornehmen / welches nimmermehr so strenge würde geschehen seyn / wofern er nicht anfangs selber seine Adeliche Geburth und Eigenschafften einiger massen gegen sie vergessen / und der Boßheit seines Gottlosen Sohnes anders zu steuren gewesen. So aber hätten sie das eusserste Mittel ergreiffen müssen / sich aus den Räuberischen Händen des EhrvergessenenCurtons zu erlösen / und da sie von dem Koch erfahren / wie er / der Alte / an der letzten Schand-That nicht Theil gehabt / wolten sie auch deswegen sein Gemüth keinesweges kräncken / [324] Curton aber müste davor büssen. Nun gaben sie ihm selber zu überlegen / was ein solcher vor eine Straffe verdienet / der seinen Stand hindansetzend als der ärgste Räuber ein Fräulein und einen Cavallier gefangen gehalten / seinen getreuen Diener bey der vorgenommenen Befreyung ermorden lassen / und wider Barbarische Gewohnheit beyden einen Schandfleck durch seine Viehische Geilheit anhängen wollen / der mit nichts anders als Blut zu leschẽ sey / ja der den schweren Zorn des Himmels nicht gescheuet / einen erschrecklichen Mein-Eyd zu begehen / und also Gott und Menschen durch seine abscheuliche Laster auff das gröbste beleidiget.
Dem Alten stunden die Haare zu Berge / da ihm die Missethaten seines Sohns so nachdrücklich vorgestellt wurden / und durch dessen muthwillige Aufferziehung die Schuld sich selber mit beymessen muste. Wie sehr hast du nicht / straffte ihn sein eigenes Gewissen / die Pflicht eines rechtschaffenen Vaters aus den Augen gesetzet / daß du ihn in der Jugend nicht nach den Willen des Himmels gebeuget / ehe er als ein wilder Baum in die Höhe und dir zum Haupte gewachsen / der nun leider fast durch nichts anders kan gezwungen werden / als daß man ihm gäntzlich umschmeisset. Wie gedultig hat nicht die Langmuth Gottes zu gesehen / ob du auch das Unkraut annoch aus seinen Hertzen reissen würdest / ehe es zu tieffe Wurtzeln [325] gefast. Ach freylich pflegt die Straffe den Lastern auff den Fuße nachzufolgen / und nun soll er selbe empfinden / weil das Maas seiner Boßheit voll ist. Doch wenn Gott nach seiner Gerechtigkeit mit ihm verfahren will / so werde ich zugleich mit Leidwesen zur Erden gebracht / weil er der eintzige Stamm und mit ihm mein gantzes Geschlecht zu Grunde gehen muß. Ach unglückseeliger Vater! so erwirbet dir nichts als Schande / was den Ruhm deines Adels vermehren solte / und so gehet alle deine Hoffnung jämmerlich zu Grunde / weil du sie nicht anfangs auff Tugend gestützet.
So beseuffzete ein Vater die Verziehung des ungearteten Sohns / und so empfindliche Schmertzen in der Seelen verursachte die Reue / welche allzu spät schiene: Rosantes, Renard und das Fräulein merckten bey seinen Stillschweigen und niedergeschlagenen Gesichte / daß ihm die Scham und der geängstete Geist an einer Antwort verhinderten / und dieses hatte sonderlichen Antheil an ihren Hertzen.
Endlich brachen die Thränen aus seinen Augen /und indem er selbige mit einem Tuche aufffassete; sagte er mit wehmüthiger Stimme: Mein ungerathenes Kind hat viel verbrochen / und ich habe selber mit Schuld daran / weil ich ihn in der Jugend nicht schärffer gehalten: machets mit ihm / wie es euch gefället /ich bin ein unglückseelicher Vater. Und damit jagte wieder [326] ein Thränen den andern / daß er dafür nicht weiter reden konnte.
Dieses Wasser hatte aber einen weit empfindlichern Nachdruck in der umstehenden Hertzen / als ob er die schönsten Proben der Beredsamkeit abgeleget /dadurch er die Fehler beschönen wollen: und die schmertzliche Reue würckte ein allgemeines Mitleiden / welches die geschicktesten Entschuldigungen nicht würden zu Wege gebracht haben.
Absonderlich wurde das ohne diß gütige Fräulein sehr zärtlich dadurch gerühret / dahero sagte sie Renarden ins Ohr: Mein Kind / tröstet den Alten / und verfahret nicht nach der Schärffe mit ihm / er bereuet es ja sehr. Rosantes verstunde ihre Vorbitte / und sprach demnach mit Renarden zugleich dem Alten zu / sich nicht so sehr zu kräncken / sie wolten nichts ohne seine Bewilligung mit Curton vornehmen / sondern so verfahren / daß er es noch würde in ihrer Abwesenheit zu rühmen haben.
Der Vater nahm diesen Trost mit Freuden und danckbarlich an / sagte aber / daß weil sein Sohn wieder rechtschaffene und ruhmwürdige Cavalliers so gröblich gesündiget / wolte er ihn selber nicht gerne ohne Straffe durchlassen / doch möchte er wünschen /daß es eine solche sey / die dem Geschlecht nicht schimpflich / sondern zur Besserung seines verkehrten Lebens diente.
[327] Rosantes und Renard waren bereits vorhero drauff bedacht gewesen / wie sie aus Mitleiden gegen den Vater dem Sohn nur eine blosse Furcht des Todes möchten machen / vielleicht daß sein verstockter Sinn sich änderte.
Denn wenn keine Hoffnung zum Leben übrig / und nun die Stunde der schweren Rechenschafft einer befleckten Seelen heran nahet / gehet dieselbe aus den Laberrinth der bestrickten Vernunfft in sich / und erweget das Wort Ewigkeit mit solchen Nachsinnen /das sie mit eussersten Vermögen nach den Mitteln heisset greiffen / durch welche sie vor den hohen Richter-Stuhl im Kleide der Unschuld stehen kan: Ja eine kurtze Frist des bevorstehenden Todes kan den Boßhafftesten offt mehr verwandeln / als die schärffsten Straff-Predigten in vielen Jahren / und eben so wenig geänstete Augenblicke pflantzen dem Gemüthe öffters so schöne Wurtzeln der Himmlischen Lehren ein / die hernach wohl fest und ewig stehen blieben /wenn selbigen ein längeres Leben vergönnet sey.
Diesen großmüthigen Vorschlag von den [328] beyden Cavallieren nahm der Vater mit verpflichtesten Hertzen an / und nennete es mehr eine grosse Wohlthat als Straffe vor seinen Sohn / welcher sich sonsten wohl schwerlich bessern würde: es wurden hierauff alsofort zwey von Rosantes und des von Adels Dienern zuCurton in den Keller geschickt / welche die traurige Post brachten / daß er sich zum Sterben solte fertig halten.
Dieser / welcher durch die bereits empfangene Streiche gantz kleinmüthig worden / und ohne weitere Straffe nun loß zu kommen vermeinet / erschrack unmensch über das harte Urtheil / und stellete sich sehr ungeberdig: die Diener hiessen ihn gedultig seyn / und sagten / daß er seine Seele Gott befehlen und um Vergebung der bißher begangenen Sünden bitten solte /deñ noch zweyen Stunden wurde er keine Zeit darzu mehr übrig haben.
Doch er wolte anfangs durchaus nichts vom Tode hören / und klagte / daß er eine so grausame Straffe nicht verdienet; weil ihm aber Federic, der schon unterrichtet / seine Laster nachdrücklich vorhielte und ernstlich bejahete / daß keine Hoffnung zur Gnade /sondern nur zwey Stunden noch übrig / darinnen er sich zu Gott bekehren solte / machte ihm sein unruhiges Gewissen zimlich bange. Er fragte mit stammlender Zunge nach seinen Vater / und ob er drum wüste? Ja / sagte Federic, er hat wegen [329] eures begangenen Mein-Eydes / wegen der in Willens gehabten Noth-Zucht / und der Ermordung eines Dieners von meinem Herrn das Urtheil selber unterschreiben müssen / und lässet euch hertzlich zur Busse ermahnen / weil er euch nicht anders helffen kan.
Curton wurde hierauff als halb verzweiffelt allein gelassen / damit er seinen Sünden besser nachdencken und die Todes-Stunde recht überlegen könnte: und nach einer halben Stunden kamen sie wieder / und führten ihn geschlossen aus den Keller in Barsinens Zimmer / welches um und um mit schwartzen Tuche umbgeben war / und seine Sterbe-Platz seyn solte.
Daselbst wiese ihm Federic den Ort / wo er das abscheuliche Laster an Barsinen begehen wollen / und wo der erschreckliche Mein-Eyd geschehen / dadurch er des Höchsten und gerechten Richters schweren Zorn auff sich geladen; dahero solte er seine Missethaten wohl recht erkennen und bereuen / weil er grosse Rechenschafft auff sich hätte / wie denn sein Vater ausgebeten / daß man ihm noch etwas Zeit zu seiner Bekehrung und einige andächtige Leute zu geben möchte / die mit ihm Gott um ein seeliges Ende anrufften.
Curton war in rechter Todes-Angst / und der heisse Schweiß fiel immer tropffen Weiß von seinem Angesicht / denn sein böses Gewissen martert ihn unbeschreiblich: er begehrte mit seinem [330] Vater noch zu sprechen / aber dieses wurde ihm abgeschlagẽ / und an dessẽ Statt kam eine alte fro e Frau / die sich bey ihnẽ auff den Schlosse lange Zeit auffgehalten / und der Gärtner / als ein ehrbahrer Mann hinein / welche mit ihm schöne Sterb-Lieder anstimmeten / und bester massen zum Tode wolten bereit machen / weil sie es selber nicht anders wusten.
Sie fielen darauff mit Curton nieder auff die Knie /und er betete so embsig / als er wohl niemahls gethan; Wie er nun eine Stunde damit angehalten / mochte der gute Geist wieder bey ihm einkehren / daß er mit hertzlicher Busse sich zum Tode fertig hielte: denn da Federic wieder ins Zimmer kam / und ihn fragte / ob er bereit zu sterben sey? antwortete er / ja / und bathe / ihm doch nur die Gnade vor seinem Ende zu verschaffen / daß er seinen Vater / die beyden Cavalliers und das Fräulein sprechen möchte / weil er bey allen wegen der wieder sie begangenen Mißhandelung um Vergebung bitten wolte / und nicht eher geruhig sterben könnte.
Sie hatten dieses eben von ihm verlanget / weil es vor das beste Kennzeichen seiner Bekehrung zu halten / da er nach Erkänntniß der Missethat auch wünschte / mit ihnen versöhnt zu seyn: dahero giengen sie ins gesammt zu den armen Sünder / und verbargen anfangs noch ihr Mitleiden mit ihm.
Rosantes redete ihm zum ersten scharff zu / [331] Renard ingleichen / und Barsine verwieß ihm die Fehler mit solcher Ernsthafftigkeit / als sie zusammen bringen konnte: sein Vater schiene zwar etwas Mitleidiger / billigte aber die ihm zu erkennete Straffe / daß endlich der Schluß erfolgte / er solte sterben.
Curton warff sich hierauff zu ihren Füssen / wiederholte alle seine Mißhandlungen / und bekennete /daß er den Tod verdienet / er bathe hierbey nicht sonderlich üm Gnade / sondern sagte / wo ja sein Blut die Flecken ausleschen solte / so ersuchte er sie nur um gnädige Vergebung / daß er sie so schwer beleidiget /und wo er selbige erhalten / wolte er getrost sterben. Er redete hierbey so vernünfftig / daß man ihn vor den jenigen fast nicht mehr kennete / der er zuvor gewesen / und diese Veränderung erweckte bey allen eine innerliche Freude.
Wie er nun in seinen Bitten gantz verständig und Christlich fortfuhr / ihm doch vor den letzten Ende alles zu verzeihen / wolten sie sich nicht länger gegen ihn verstellen / sondern Renard griffe ihn unter die Armen / küssete ihn / und sagte: er möchte ihm vergeben / daß er einige Furcht des Todes ausstehen müssen: man habe hierdurch nur sein Gemüth probiret /und weil selbiges zu letzte noch edel befunden worden / handelte man unrecht / wo man so hart mit ihm verfahren wolte. Es solle ihm demnach alles geschencket seyn / und er bäthe sich keine andere [332] Vergeltung aus / als daß er die Tugend / welche er itzo rühmlich von sich blicken ließ / in einer guten Freundschafft gegen ihn und die andern geneigt fortsetzen möchte /so wurden sie ihm noch dafür verpflichtet bleiben.
Rosantes und Barsine versicherten ihm gleiche Affection, und der Vater umarmte diesen gleichsam neugebohrnen Sohn mit tausend Thränen / daß es auff solche Art ein höchst gewünschtes Ende mit ihm genommen / bezeigte dabey mit vielen gütigen Worten /wie lieb er ihm ins künfftig seyn würde.
Curton war wegen so grosser und unverhoffter Güte vor Freuden fast aus sich selber: er wolte sich wieder zu ihren Füssen werffen / und vor die unschätzbahre Wohlthat dancken / sie liessen es aber nicht geschehen / sondern führten ihn unter den freundlichsten Worten in ein ander Zimmer / wo man ihm gleich zur Ader ließ / damit die ausgestandene Angst ihm nicht möchte schädlich fallen.
Daselbst wurden die angenehmste Verpflichtungen unter ihnen wiederholet / und es ist nicht zubeschreiben / wie klug und verständig sich Curton hernach auffführete: Nicht daß geringste war von seiner vorigen Unarth mehr zu sehen / und es gieng keine Stunde nicht hin / darinnen er sich nicht tausendmahl verbunden erkennete / daß man ihn zu einen vernünfftigen Menschen wiederum gemacht: hergegen liessen [333] sie es an gefälligster Begnügung gegen ihn gleichfalls nicht ermangeln / und also endigte sich alles mit einer ruhmwürdigsten Freundschafft.
So edel rächet sich die Tugend / weñ sie beleidiget wird / und mit so preißwürdiger Großmuth begegnet sie ihren Verfolgern / daß sie selbigen an statt einer harten Vergeltung nichts als eitel Liebe erweiset: Sie erwirbet hierdurch einen schönen Sieg / als jemahls ein tapfferer Held davon getragen / denn sie erbeutet das Hertz ihres Uberwundenen / und indem sie solches in Triumph führet / verpflichtet sie sich selbigen als einen treu Verliebten / der von ihr hernach nicht bleiben kan.
Curton erwiese hierauff die Proben seines löblichen Gemüths / und beschenckte die jenige / welche er zuvor Barsinens wegen verfolget / dahero bekamFederic zwey tausend Thaler als einen Brautschatz vor das Mädgen: der Diener aber / welcher Renarden binden und schlagen helffen / und ihn selber hernach übel tractiret / muste wegen seiner eingewurtzelten Boßheit augenblicks vom Schlosse: Der Koch bekam noch zur Danckbarkeit einen guten Recompens, daß er zuerst das Thor eröffnet / und weil [334] ihn Rosantes einmahl in seine Dienste genommen / ließ ihn auchCurton dabey.
Zu letzt wurde auch der Kutscher herbey geholet /welcher Barsinen auff dieses Schloß gebracht / und der sich so unversehens verlohren: Denn Curton hatte ihn heimlich lassen in einen Gewölbe verwahren /damit er nicht entwischen und die Sache überall ausbringen möchte. Nun aber vergölte ihm Curton seine Gefangenschafft dergestalt / daß er konnte zu frieden seyn / und weil der Kerl Barsinen sehr treu gewesen /nahm ihn Renard unter die Zahl seiner Diener.
Der alte Vater hatte nicht ein gemeines Vergnügen über das edle Bezeigen seines Sohnes / und weil so schöne Würckung eines tugendhafften Gemüths von den Fräulein Rosantes und Renarden nechst einer höhern Gewalt herstammete / wuste er ihnen nicht grosse Gefälligkeiten genug zu erweisen. Alles was nur in seinen Vermögen stunde / muste zu ihrer Ergetzlichkeit angewendet werden / und Curton bediente sie dergestalt / daß mancher vor etwas unmögliches solte gehalten haben / wie aus diesen fast räuberischen Schlosse in so kurtzer Zeit an Zufriedenheit der Gemüther ein irdisches Paradieß werden könte.
Wie sie nun bey der angenehmsten Lustbarkeit fassen / truge der tapffere Printz Rosantes ein ungemeines Verlangen / zu wissen / wie Renard [335] mit der schönen Barsinen bekandt worden / und was sich sonsten mit ihnen beyden zu getragen: denn da er in Pariß niemahls erfahren / daß Adalie eine so liebenswürdige Schwester hätte / und er bißhero auff so unterschiedene Irwege herum geschweiffet / in der Meinung /seine von Renarden entführte Schöne zu suchen / befrembdete ihn nun die bessere Gewißheit hiervon unbeschreiblich.
Er fragte dahero gleich anfangs / ob den Adalie damahls noch in Paris gewesen / da er seinen wehrtesten Leitstern gefolget? und da ihm dieses Barsine undRenard versicherten / erregte sich eine starcke Reue in seinen Hertzen / daß ihn die allzuzärtliche Liebe in Gedancken so sehr übereilet / und er nicht erst von Pariß selber Nachricht eingezogen / ehe er sich so vergebene Mühe und Adalien ohnfehlbar viele Schmertzen deswegen gemacht.
Seine Begierde nun in Renardens und Barsinens Schicksall zu stillen / bathe er sie auff das höflichste /und Renard nahm darauff seine und seines geliebten Fräuleins Erzehlung über sich: Er trug es ihnen mit so guter Geschicklichkeit vor / daß sie die andächtigsten Zuhörer abgaben / und nach Endigung dessen bewurderten sie ein so seltsames und verwirtes Liebes-Geschicke mit sonderbahrer Gemüths-Ergötzung.
Es fielen darauff von allen die verbündlichsten Glückwünsche / und der verständige Curton [336] hatte seine vor ungeziemende Liebe gegen beyde in eine so edle Freundschafft verwandelt / daß er Renarden die Besitzung eines vollkommen qualificirten Fräuleins weit lieber gönnte / als sich selber.
Rosantes hegte absonderlich ein innerliches Vergnügen / daß er keinen Nebenbuhler an Renarden bey Adalien gehabt / und wegen seiner Person nun nicht mehr in Sorgen müsse stehen: zumahl da er itzo zu Beförderung dessen Glückseeligkeit war behüflich gewesen / und von einem so artigen paar die verpflichtesten Dancksagungen deswegen erhielte.
Allein ein eintziges / welches er aus der ErzehlungRenardens hernach vernahme / verursachte ihm tausend unruhige Gedancken: denn wie er nach des Brions Erhebung in den hohen Adel fragte / meldete ihmRenard unter andern wie er sich itzo nennete / nehmlich den Herrn von Bellemond, und da sich Rosantes erinnerte / wie beyder Hertzogin von Mommorency ein Fräulein aus Paris gleiches Nahmens / und von hochgerühmter Schönheit gewesen / in welche derBaron Werdigni sich so eusserst verliebet / konnte er nun selbiges vor niemand anders / als Adalien halten.
Wie hefftig bereuete er seine Unachtsamkeit / daß er sich nicht genauer deswegen erkündiget / und eine Person mit unbeschreiblichen Vergnügen geküsset /die ihm das gütige Verhängniß [337] an seinen eigenen Hofe in die Armen wollen liefern. Unglückseliger Printz / fing er bey sich selber anzuklagen / wie spielet das Schicksall so verwirt mit dir: du suchest deine Schöne fast an allen Orthen in der Welt / und kanst sie an deinen eigenen Hofe nicht finden. Wird sie nicht die Liebe zu dir aus Paris getrieben haben / und hat sie wohl getreuer gegen dir seyn können / als da sie ihr eigen Vaterland verlassen / und nach Elbipolis unter der Hertzogin Gefolge gegangen / üm dich daselbst zu finden? Ach freylich hat die schöne Adalie noch so viel Gluth in ihren Hertzen / als ihre feuerreiche Augen in deinen entzündet / und ohnfehlbar hat sie dir in Elbipolis zeigen wollen / wie schön die Flamme ihrer treuen Liebe noch gegen dich brennen. Was für Schmertzen wird es ihr nicht verursachen /wann sie dich nirgends antrifft / und noch darzu erfähret / daß Bosardo dein falscher Nähme in Paris gewesen / und der alte Bosardo keinen solchen Sohn hat. Wird sie dich nicht einen Betrieger heissen / und alle ihre Marter deiner Falschheit beymessen? Ach verhaster Nähme / daß ich mir dich nimmermehr zu geleget / oder doch Adalien meinen rechten / und dabey den Fürstlichen Stand eröffnet / so wäre ich aller Quaal vorgekommen: Aber so hat bloß meine unbekannte Person, die unglückliche Verwirrung verursachet /und ich bin gestrafft worden / weil ich nicht vollkommen vertraulich [338] gegen sie gewesen. Wie wird sich nun Adalie befinden / da sie mich fast vor verlohren hält /und wo werde ich einmahl den Auffenthalt wieder antreffen / wo mich meine andere Seele ümarmet?
Die Unruhe würde sein Gemüth weit grausamer gefoltert haben / wann er in der Meinung geblieben /daß Werdigni Adaliens Gegengunst gewonnen; so aber erleuchterte ihn von dessen unerträglichen Schmertzen der Secretair, welchen er vor seiner Abreise Befehl und Gelegenheit ertheilet / wie er ihm zu weilen schreiben könne: Denn dieser berichtete ihm unter andern den artigen Betrug / den Julie dem Baron Werdigni gespielet / daß sie ihn bekommen /und wie hingegen das Fräulein von Bellemond nicht die geringste Gedancken auff ihm gehabt / und nun mit der Hertzogin von Mommerency weiter auffgebrochen.
Zuvor hatte er dieses nicht sonderlich geachtet / als nur / daß er Werdigni in gedancken belacht / warum er sich so berücken lassen: itzo aber nahm er weit grössern Antheil dran / da er es auff Adalien auslegen muste / und es gab ihm bey aller seiner Schwermuth noch ein heimliches Vergnüben / daß sie den Baron /als einen sonst ansehnlichen Cavallier nicht einmahl verlanget / sondern hierdurch würcklich ein Kennzeichen gegeben / daß sie ihn noch liebte / und vielleicht auff seine Besitzung hoffte.
[339] So viel Liebe hegte ein grosser und theuer Printz vor ein Fräulein / welches durch Schönheit und Tugend / als zwey recht Himmlische Vollkommenheiten / über ihren Stand biß zu den höchsten Thron der Welt zu steigen würdig Um sich nun nicht weitere Verdrießlichkeiten durch seine verborgene Geburth zu machen / und Barsinen und Renarden dahin zu vermögen / daß sie zu seinen Vermögẽ ebenmäßig beytrügen / was sie köndtẽ / nahm er sich vor / mit guter Manier sich gäntzlich zu erkennen zu geben.
Es fügte sich also fort gar wohl / denn nach dem sich der Alte und Curton über beyder Verliebten sonderbahres Schicksall verwunderten / und noch immer ein und andere Umstände fragten / kam die Rede auch auff Barsinens Fräulein Schwester / ob selbiges noch unverheyrathet / und in Paris sey. Renard gab so viel Bescheid / daß er sie daselbst in guten Verständniß mit einem praven Cavallier zurück gelassen / von den übrigen könnte der tapffere Bosardo (wie er den Printzen noch nennete) am besten Nachricht geben /wo er anders so viel Gutheit vor sie haben wolte.
Rosantes nennete alles eine Schuldigkeit / wodurch er ihnen eine Gefälligkeit zu erweisen fähig sey / und erzehlete unter den Nahmen Bosardo zum Schein viele artige Erfindungen / die sich mit ihm und Adalien zu getragen / gab aber Renarden hernach unvermerckt zu verstehen / [340] daß er die rechte Geschichte vor ihm und sein liebstes Fräulein vorbehalten / weil er sich gegen andere damit bloß zu geben Bedencken trüge.
Renard muthmassete durch diese Behutsamkeit was sonderlichs / und war ihm nicht unangenehm /daß es Rosantes vor denen andern verschwiegen: Barsinen gefiel es imgleichen / und da sie zum wenigsten aus den vor erdichten Dingen so viel glaubte / daßRosantes und die Liebe Adalien verbunden / und er annoch die gröste Estim von ihr machte / hegte sie eine sonderbahre Freude hierüber / denn sie schätzte niemanden würdiger / ihre Schwester zu besitzen / als einen so ansehnlichen und vollkommen qualificirten Cavallier.
So bald sie nun auff den Abend etwas in beliebter Einsamkeit verweilen konnten / und unter den Schein der Ruhe zu geniessen / von den andern sich entfernet / erinnerte Renard den Printzen an seinen gütigen Versprechen / und dieser fing hierauff an: Daß ihn Paris als ein Muster-Platz der galanten Damen und Cavalliers gleichfals zu sich gezogen / daher er zu seiner Sicherheit wegen der damahligen Krieges-Troublen zwischen Teutschland und Franckreich sich unter den Nahmen Bosardo und also unerkandt aufführen müssen: Denn weil sein Herr Vater einen von denen gewesen / die wieder Franckreich die Waffen vor das Römische [341] Reich ergriffen / hätte es ihm gefährlich geschienen / seinen Stand daselbst und also mitten unter seinen Feinden zu offenbahren.
So wohl Renard als Barsine sahe ihn hierbey nachsinnend an / und weil seine trefliche Air und gantzes Wesen eine mehrere Hoheit bezeichneten / als er erstens vor gegeben / hielten sie ihn aus der Erwehnung seines Herrn Vaters / der mit Franckreich im Kriege verwickelt gewesen / also fort vor einen Printzen.
Rosantes merckte zwar ihrer Verwunderung / fuhr aber fort und sagte: daß ihn gleich Anfangs in Paris die Schönheit Adaliens, wie die Annehmlichkeiten ihrer Fräulein Schwester seinen wehrtesten Freund gefässelt / und da er hernach derselben Gemüth von gleicher Seltenheit befunden / habe er solche Vollkommenheiten dergestalt admiriret / daß er bey sich den festen Entschluß gefasset / wo ihm Adalie ihrer Gegengunst schenckte / selbige biß ins Grab zu verehren. Er sey auch hernach in seinem Wunsche glücklich worden / und die schöne Adalie habe / ohne daß sie seinen rechten Stand gewust / so viel Zärtlichkeit vor ihn geheget / daß sie viel andere und ansehnliche Partien ausgeschlagen / und dieses hätte ihn in derEstim und Vorsatz gestärcket / sie ewig zu lieben.
In der besten Ernde der Vergnügung aber sey ein Geschrey ausgebrochen / daß alle frembde Standes Personen wegen eines gefangenen [342] Fürstens in Teutschland solten so lange arrestiret werden / biß selbiger wieder frey gelassen: weil ihm nun grosse Frucht seinentwegen gemacht worden / und daß es meistens auff ihn abgesehen / habe er der Gefangenschafft und seines Herrn Vaters Ungnade zu entgehen / heimlich müssen die Flucht nehmen: doch was ihm bißhero tausend Unruhe verursachet / sey / daß er sich seiner geliebten Adalien nicht gäntzlich vertrauet /sondern in der unnöthigen Sorge gestanden / es möchte sie die Ungleichheit seiner Geburth abschrecken /seinen Verpflichtungen Glauben den beyzumessen: damit ihm nun diese schädliche Behutsamkeit nicht weiter unglücklich machte / wolte er ihnen entdecken / was er aus Bescheidenheit verschwiegen / doch daß sie alle Ceremonien bey Seiten setzten / und ihn wie vormahls vor ihren ergebensten Freund erkenneten.
Dieses was ich hier nur kürtzlich gesetzet / brachteRosantes mit schon obengemeldeten Umständen und sonderbahrer Geschicklichkeit vor / und machte sie unbeschreiblich auffmercksam und begierig / endlich zu wissen / wer in Bosardens Nahmen gestecket.
Wie nun Rosantes seinen Fürstlichen Stand offenbahret / und Barsine und Renard erfahren / daß er des Hertzogs von Allerona als eines vornehmen Reichs-Fürsten Printz sey / sahen sie ihn mit gantz ehrerbiethigen Augen an / und Renard entschuldigte absonderlich seine [343] freye Auffführung gegen einen Durchl. Printzen sehr höflich: Rosantes fiel ihm aber in die Rede / und bathe sehr hoch / ihn wie vormahls als einen getreuen Freund zu betrachten / und alle Ceremonien hindanzusetzen / weil er ohne diß die Vergnügung suchte / durch Adaliens beliebteste Person näher mit ihnen verbunden zu werden.
Er obligirte sie auch durch die stärckste Versicherungen seiner auffrichtigen Freundschafft / daß sie die ihm selbst verlangte Gefälligkeit erwiesen / und sich in artiger Vertraulichkeit wie vormahls gegen ihn bezeigten: dahero hegten sie in Hertzen desto mehr Respect vor ihm / und ob er es gleich äusserlich nicht begehrte / war doch ihre Auffführung so eingerichtet /daß sie vertraut und ehrerbiethig hiesse.
Absonderlich schmeichelte sich Barsine, daß Adalie einen so treflichen Printzen zu besitzen Hoffnung hätte / welchen auch die schönste Printzeßin erfreut in ihre Gunst auffnehmen würde: und weil sie das Glück ihrer wehrtesten Schwester vor ihr eigenes schätzte /rühmte sie solches öffters mit gar guter Manier gegen Rosantes, und Renard unterließ es gleichfals nicht.Rosantes erhobe hergegen die Tugenden und Schönheit Adaliens, welche über den Stand und alle Schätzbarkeiten der Welt giengen / und erwiese ihnen hinwiederum so viel Complasance, daß man niemahls eine schönere [344] Conversation, als dieser drey qualificirten Personen gesehen.
Rosantes erzehlte ihnen hierauff folgends ümständlich / wie es ihm zeit wehrender Entfernung aus Paris gegangen; von dem Verdacht aber / daß er Renarden vor den Entführer Adaliens gehalten / erwehnte er nichts / denn er wolte Barsinen hierdurch nicht mit Fleiß zu verstehen geben / daß selbiger in Adalien verliebt gewesen / und hierdurch obligirte er sichRenarden noch mehr.
Sie verwunderten sich über die massen / daß Adalie aus Liebe zu Rosantes mit der Hertzogin von Mommerency nach Teutschland und gar an den Hof zu Allerona gegangen / und sie ein ander doch nicht finden können / da er ebenfals gegenwärtig gewesen: Sie rechneten es seiner unerkannten Auffführung in Paris und theils auch dem Verhängnisse zu / welches mit Fleiß zu weilen verwirrt spielte / üm bey unvermutheter Zusammenkunfft die Vergnügung zu häuffen; Dahero trösteten sie den Printzen mit der süssen Hoffnung / Adalie würde sich ohnfehlbar bey der Hertzogin noch auffhalten / und ihm allein ergeben bleiben /wo Ih. Durchl. sie nun daselbst suchen / und nebst Eröffnung des Standes auch die hohe und beyständige Gunst an Tag legen wolten / würden sie selbige durch ein so unversehenes und grosses Glück unendlich erfreuen.
[345] Rosantes versicherte / daß ihre Vergnügung nicht vollkommener als die seinige werden könnte / wo sie ihm anders das gütige Verhängniß noch in die Armen lieferte; weil er nun die Hertzogin von Mommerency auffzusuchen alsofort willens sey / die Zeit ihm aber in Entbehrung so wehrt geschätzter Persohnen sehr beschwerlich fallen würde / so bäthe er sich ihrer beyder angenehme Begleitung aus / und wo sie ja ihre Sehnsucht vollkommen stillen wolten / dürfften sie deswegen nicht erst nach Paris wieder ziehen / sondern weil er doch zuvor nach Allerona gienge / ehe er weiter fort reisete / könnte sie daselbst ihre Vermählung vollziehen / er wolte sich gewiß vor eine grosse Zufriedenheit schätzen / einem so vollkommenern Paar alle Gefälligkeiten an seinem Hofe zu erweisen.
Renard nebst Barsinen danckten sehr verflichtet vor ein so gnädiges Erbiethen / und sagten / weil es ihnen selber unerträglich fallen würde / eines Durchl. Printzens / der sie schon so hoher Güther gewürdiget /höchst beliebter Conversation zu entbehren / wolten sie sich desto lieber die hohe Ehre gönnen / Adalien mit helffen auffzusuchen: doch würden sie nicht eher an eine völlige Vermählung gedencken / biß Ihro Durchl. erst ihr gewünschtes Ziel erreichet / als denn wolten sie aus schuldiger Folge ihre Vergnügung ebenfals beschleunigen / und die itzo angebothene Gnade desto lieber in dero Residentz [346] mit verbundensten Hertzen annehmen / je glückseliger sie sich achten würden / nebst Adalien an aller unschätzbarer Zufriedenheit mit Theil zu nehmen.
Rosantes wolte sie zwar dahin bereden / seinenthalben die Vermählung nicht länger auffzuschieben /allein sie bleiben dabey / ihm den Vorzug zu lassen /und so grosse Zuneigung gefiel ihm ungemein wohl.
Sie beredeten sich demnach / daß sie den andern Morgen wolten auffbrechen / und weil Rosantes hierüber gantz geruhig in Gemüthe war / hatten sie allerhand galantes Schertzen unter sich / und brachten die Zeit so gewüntsch damit zu / daß bereits die halbe Nacht vorbey gestrichen / ehe Renard Barsinen mit einem Kuße eine geruhige Nacht wünschete / und hernach nebst Rosantes in einen andern Zimmer / die weichen Federn suchten.
Den andern Morgen bey gar früher Zeit unterredeten sich Rosantes und Renard von allerhand angenehmen Zufällen / die ihnen begegnet / als sie eine Carosse hörten gefahren kommen: Sie sahen geschwind zu einen Fenster hinaus / das auff dem Schloß-Hoff gienge / und wurden ein Frauen-Zimmer nebst einer alten Dame gewahr / welche Curton aus der Carossen hobe.
Renarden fiel hiebey alsobald ein / was ihm Barsine von einen benachbarten Fräulein [347] erzehlet / mit dem sich Curton verlobet / und sie wollen sitzen lassen: dahero dachte er / daß er auch vielleicht hierinnen sein Versehen verbessert / und sie mit Bewilligung seines Vaters heyrathen wolte.
Und seine Meynung war auch nicht irrig / denn nachdem Curton sein Versprechen mit diesen Fräulein erwoge / und auff die vorige Vertraulichkeit zurück gienge / regte die Liebe eine starcke Sehnsucht in seinen Hertzen nach ihr / und solche zu stillen /brachte er sein längst gehegtes Absehen dem Vater mit so guter Manier bey / daß / weil er ohne diß was nur honnet, seinem itzo tugendhafften Sohn zur Gemüths-Ergötzung gönnete / er auch den Consens mit Freuden in dieses Bündniß gab.
Curton hatte demnach den vorigen Tag in geheim dahin geschrieben / und gebeten / daß weil nun alles richtig / sie sich heute nebst der Frau Mutter mit dem frühesten bey ihnen einfinden möchte / dabey hatte er eine erdichtete Entschuldigung seines Aussenbleibens vorgewendet / und das Fräulein kam itzo desto lieber /weil sie sich allerhand Sorge wegen einiger Untreu gemacht.
Sie wurden beyderseits von Vater und Sohn wohl empfangen / und die Freude unter ihnen war ins gesamt sehr groß / zumahl da das Fräulein ihren geliebten Curton in allen so sittsam befande / und die Dame den Alten [348] so geneigt gegen sie erblickte / welches zuvor nicht gewesen.
Rosantes und Renard machten sich dahero ebenfals aus den Federn / und weckten hernach die schöneBarsine auff / welche sich wunderte / worum man sie so fi ühe störete. Wie aber Renard sich verpflichtet entschuldigte / und unter andern die Sehnsucht nach einem Kuße vorwendete / sagte Barsine: sie mangeln euch gewiß / mein wehrter Renard, oder ihr wollet dadurch zu verstehen geben / daß ich allzu verschwenderisch bin: Nicht so / mein Engel / antwortete er / ich muß wieder einbringen / was mir die Entfernung entzogen / und euer schöner Mund ist nicht verschwenderisch / ob er mir gleich unzehlige Küße schencket / denn er kan mir nicht so viel geben / als ich ihrer wünsche. Ihr seyd auch allzu geitzig / straffte ihn Barsine, und ich kan euch also niemahls vollkommen damit vergnügen. Dieses ist eben ein ungemeines Vergnügen / sagte Renard, wenn so wunderschöne Lippen nebst tausend unschätzbaren Süßigkeiten / die sie uns mittheilen / auch die Sehnsucht in die Seele mit einflößen / immer mehr und mehr zu küßen / denn das Verlangen darnach muß so unendlich seyn / als eure Annehmlichkeiten / welche solches erwecken /und von diesen werde ich euch Lebenslang wie itzo /die angenehmsten Proben geben.
Damit ümarmte er Barsinen, und küßete [349] sie so vielmahl / daß die Lippen als an einander geleimet recht feurig wurden: Sie kühlten sich aber mit solcher Anmuth wieder / dadurch die Geister vor Entzückung fast aus sich selber wanderten.
Rosantes kam gleich darzu / und störte sie in so süssen Liebes-Geschäffte. Sie wurden hierauf vonCurton zu einem Frühstück invitiret / und da Barsine das andere Fräulein so unvermuthet antraffe / und folglich die völlige Verbindung mit Curton vernahm /war es ihr sehr lieb / weil sie Curtons gantz löblichen Sinn hieraus erkennete; dahero wünschte sie erfreut hierzu Glück / und trieb allerhand kurtzweilliges Schertzen mit diesem verliebten Paar.
Man suchte hierauff allerhand Lustigkeiten hervor /sich die Zeit erwünscht damit zu passiren / und ob zwar Rosantes und die andern diesen Tag zu ihrer Fortreise bestimmet / wolte der Alte und Curton so höchst geliebte Gäste doch nicht so geschwind missen / weil sie zu Vermehrung der Gesellschafft die Adeliche Dame nebst den Fräulein heute eben zu sich gebeten / dahero hielten sie inständig an / biß sie endlich noch diesen Tag zu bleiben bewilligten.
Das Divertissement war demnach nicht gemein unter so vereinigten Gemüthern / und man sparte nichts / was nur zu einiger Ergötzlichkeit was beytragen könnte: Rosantes aber vermehrte seine Sehnsucht nach Adalien nicht [350] wenig / indem er so genau Achtung gab / wie schön das neue Braut-Paar / absonderlich aber Barsine und Renard mit einander thaten /und weil dieses Fräulein viel von der Gleichheit ihrer schönẽ Schwester hatte / stellete er sich von den vorigen Zeiten noch vor / wie er eben in so süsser Unterhaltung mit Adalien leben könnte / wenn ihm selbige das Glück wiederum verschaffte.
Er seuffzete also nach den anderen Morgen / und wie selbiger mit heitern Wetter anbrach / schickten sie sich zu ihrer Abreise: Es wurden beyderseits die grösten Versicherungen einer auffrichtigen und beständigen Freundschafft gewechselt / und alles was vorgegangen / solte hierdurch vergessen seyn: darauff begleitete sie der Alte und Curton eine Stunde / und nachdem man vor alle erwiesene Höfflichkeiten zum freundlichsten nochmahl gedancket / schieden sie von einander / und Rosantes nahm unter der angenehmsten Begleitung zweyer ihm sehr beliebten Personen den geraden Weg nach Allerona.
Indessen das sich der Durchlauchtige Rosantes bemühet / Adalien zu finden / wollen wir selbigen zuvor kommen / und den Zustand und Auffenthalt dieser einsamen Schönen betrachten.
Sie nahm nach der Flucht aus Elbipolis auff einen kleinen Schiffe ihren Lauff nach Doris Heymath zu /welche / wie bereits erwehnet / [351] zwantzig Meilen davon in den edlen Sachsen gelegen / und wie sie der favorable Wind so weit gebracht / daß sie aussteigen und zu Lande noch etliche Stunden dahin fahren musten / kleidete sich Adalie gantz üm / und zohe also den Habit nach als ein Mädgen auff.
Doris wolte es ihr bescheidentlich wiederreden in so schlechter Tracht nicht auffzuziehen / weil man ihr hierinnen die schuldige Ehrerbiethung nicht erweisen könnte; Adalie sagte aber: daß sie bey ihrer Standesmäßigen Auffführung unzehligen Wiederwertigkeiten unterworffen gewesen / welcher sie nun entübriget zu seyn vermeinte / wenn sie mit der Niedrigkeit auch an der Beunruhigung des Gemüths nach Möglichkeit mit Theil nähme / die geringe Personen meistens mehr als hohe besässen / zumahl sie nicht wüste / wem zu Gefallen sie sich itzo galant halten solte / und auch unter diesen Kleidern sicherer in Paris wieder zu kommen hoffte. Doris solte sie demnach nicht anders / als ein Mädgen ihres gleichen tractiren / und bey ihren Eltern so wohl als andern Leuten vorgeben / daß sie mit ihr in Paris sonderliche Freundschafft geflogen / und weil sie bey ihrer Zurückreise in Teutschland sich ebenmäßig nach ihren Vaterland gesehnet / habe sie solches mitgenommen. Denn Adalie konnte wegen der Fertigkeit der Sprache sich gar wohl aus Teutschland nen nen / ohne daß man sie vor eine Ausländerin halten sollen.
[352] Doris muste also Adaliens Befehlen gehorsamen /und wie schwer es ihr auch ankam / sich gegẽ sie so als ihres Gleichen auffzuführẽ / erinnert sie doch Adalie der grösten Behutsamkeit / sich nicht etwan unversehens zu verschnappen / und gabe sich zu dem Ende einen andern Nahmen.
Nach so genommener Abrede reiseten sie nach Permane, so hiesse Doris Geburths-Stadt / und wurden als unvermuthete Gäste von Doris Eltern sehr wohl empfangen; Da denn selbige nicht ermangelte / alles vorzugeben / wie es Adalien beliebet / und hielte sie also unter den Nahmen einer Freundin so gut / als sie konnte / weil es eine solche Freundin war / die an überflüßiger Erkenntlichkeit nichts ermangeln ließ.
Der Doris Eltern waren sonst Leute von feinen Bürgerstand und guten Nahmen / dahero begegneten sie Adalien sehr freundlich / und erwiesen ihr so viel Gutheit / als sie vermeinten / daß es ein so sonderliches Mädgen würdig sey: Doris räumte ihre eine eigene und reintliche Stube ein / worinnen sie in der Einsamkeit ihre Gedancken ausbreiten konnte / biß sie nach Verfliessung eines Monats wieder nach Pariß zu gehen gedachte / und darinnen bediente sie ihr Mädgen in geheim so wohl / als sie in Speisen und andern die Manier in Franckreich gelernet.
Adalie beseuffzete nun zwar in dieser Stille den Verlust ihres erblasten Liebsten / doch sie [353] ließ die Betrübniß nicht dergestalt Uberhand nehmen / daß sie sich selbiger allein auffgeopffert; sondern ihre Schmertzen waren nach Art erhabener Seelen gemäßiget / und die Tugenden / welche in vollkommener Menge einen Sammel-Platz in ihren Hertzen hielten /würckten in ihr eine solche Großmuth / die alle Wiederwertigkeiten des Feindseeligen Schicksals überwanden.
Mit so standhafften Geiste besiegte sie das Unglück am ersten / wenn sich dessen Grösse am meisten bemühte / sie zu Boden zu reissen / und die itzige Lebens-Art konnte ihr noch weniger einen Kummer erwecken / sondern vermehrte vielmehr die Beruhigung ihres Gemüths: alles kam ihr nun erträglicher vor / und die angenommene Niedrigkeit schiene zugleich ein Begräbniß grosser und beschwerlicher Sorgen zu seyn.
Zuweilen ergriffe sie eine Laute / die ihr Doris verschaffte / und sang darein ihren itzigen Zustand; bald aber gieng sie mit ihren Mädgen spatziren / und ihre zarten Füsse durfften sie auch nicht weit tragen / so fande sie sich in einer Gegend / welche die Natur so Wunder schön ausgeschmücket / daß die Augen die angenehmste Weide daran genossen.
Sie sahe eine grüne Wiese mit nicht gemeiner Anmuth vor sich / wo das bunte Schmeltzwerck der mannigfaltigen Blumen so herrlich prangte / daß die heiteren Sonnen Strahlen in solche selbst verliebt schienen / in dem sie mit ihren [354] Blicken unauffhörlich auff diese Frühlings-Kinder spielten: Mitten durch dieselbe rauschten zwey kleine Flüsse / und beförderten durch ihr silber helles Geträncke den Wachsthum dieser Schätzbarkeiten: Rund üm die Wiese herum stunde eine Menge belaubter Bäume / welche die Kunstreiche Natur in zierlicher Ordnung nach einander gesetzet / und mit den Reisern oben so wohl zusammen gepflochten / als ob sie mit Fleiß die angenehmsten Alleen draus machen wollen: Von der Seiten stunde ein hoher Berg / auff dessen Spitze der Wind mit den eintzeln stehenden Bäumen seine Kurtzweil triebe /und sie nach seinen Gefallen bald hin und daher bewegte / in dessen Mitten aber weidete sich eine Heerde Wollenreicher Schaafe / und der vergnügte Schäffer spielte auff seiner Feld-Schallmeyen so lustig / daß Berge und Thäler einen frohen Wieder-Hall gaben: Hinter der auffmercksamen Adalie saß die muntere Nachtigall auff dem Ast eines dick-belaubten Baumes / welche durch ihre süsse Kehle die Gegenwart eines so wunder schönen Fräuleins mit ungemeiner Anmuth preißte / und mit ihren bezaubernden Liebkosen Adalien dergestalt einnahm / daß sie entzückt ins grüne Graß unter einen schattichten Baume sanck. Viele an dere Vögel stimmten den holden Klange der Nachtigall bey / und suchten durch ihr Zwitschern dieser irrdischen Göttin ein Ergetzlichkeit zu machen: [355] und damit der sanfte West-Wind seine Schuldigkeit gleichfalls nicht versäumte / so drunge er durch die Blumen und Kräuter mit den schönsten Geruch / ümAdalien zu erquicken / und kühlte mit dem bewegenden Laube ihre Rosen der Wangen / so offt sie die in sie verliebte Sonne zu erhitzt anblicken wolte.
Adalie saß in gröster Beruhigung ihres Gemüths /und Augen und Ohren empfanden ein so süsses Ergetzen / daß sie die jenigen vor recht glückseelig schätzte / welche vom Hofe und den Verfolgungen des betrügerischen Amors entfernet meiner anmuthigen Gegend lebten / wo der niedriger Stand und erwünschte Einsamkeit nicht anders als vollkommenes Vergnügen schenckte.
Dergestalt zohe sie das stille Land-Leben aller eitlen Welt Luft vor / und hielte es vor desto edler / je weniger man da die gefährlichen Veränderungen des Glückes zu besorgen / das wenn es am meisten schmeichelt / am ersten zu betrügen pfleget: Und üm dieser unschuldigen Ergetzlichkeit zeit ihres Hierseyn recht zugeniessen / begab sie sich öffters hinaus / daß also dieser beliebte Ort ihr eintziger Auffenthalt war.
Weil sie nun meistentheils ihre Laute heimlich mit sich nahm / und zu desto bessern Zeitvertreibe eine Aria drein sunge / fiel ihr einmahl diese eine / wobey die vollkommene Lieblichkeit der [356] Stimme und die süssen Sayten üm die Wette stritten.
So eine seltene und dieser Orten gantz ungewöhnliche Music konnte nicht anders als viel auffmercksame Zuhörer erwerben / und weil sie leicht urtheilten / daß Adalie mit Fleiß diese einsame Gegend gesucht / um von niemanden gestört zu werden / so hielten sie sich auch so verborgen / daß weder Adalie nach Doris jemanden gewahr wurden.
Der Ruhm von so bezaubrender Anmuth eines wunderschönen Mädgen breitete sich überall aus /und drang so gar in der Princeßin Emilie Zimmer / die an dem Hofe zu Pleisina, welcher nur ein paar Stunden davon entfernet / ihre Residentz hatte. Dahero bewegte sie die Couriösität so weit / daß sie einst bey sehr [358] heitern Himmel nach Permane spatzieren fuhre /und sich von einem Bedienten / der ihr solches hinterbracht / dahin weisen liesse / wo er diese annehmliche Sängerin gehöret. Adalie spielte die oben gesetzteAria eben wieder in die Laute / unwissend / was vor einen hohen Zuhörer sie hatte: Die Princeßin Emilie aber / die hinter den dicken Gesträuche mit sonderbahrer Gemüths-Ergötzung den gantzen Inhalt vernommen / bewunderte selbigen in Betrachtung / daß er auff ein Mädgen solte gerichtet seyn / so wohl / als die ungemeine Lieblichkeit.
Sie lauschte dahero gantz still / ob sie was mehrers-vernehmen könnte / und hörte nach Endigung der Aria so viel sagen: Ja / Doris, ich liebe nun zwar über alles in der Welt die Einsamkeit / aber solte ich nicht zuweilen einen Zuhörer haben. Ich will es nicht hoffen / antwortete diese / weil ich noch niemahls jemanden gesehen. Es würde mir auch sehr leid seyn / sagteAdalie, denn ich müste hernach diesen beliebtesten Auffenthalt verliehren / und eine Beruhigung des Gemüths entbehren / welche meinen unglückseligen Stand gantz erleuchtert. Mir ist von Hertzen lieb / gab hierauff Doris, daß sie in meinen Vaterlande etwas angetroffen / welches ihnen nach so vielen Widerwertigkeiten eine Vergnügung erwecket. Liedte es mein Zustand / wehrte Doris, so blieb ich ewig hier / und dieses solte das Closter seyn / worinnen ich und [359] du wolten Nonnen werden. Ich wäre es sehr woh zu frieden / antwortete Doris, aber / fuhr sie fort / indem sie sich etwas um gesehen / ich sehe von ferne eine Carosse halten: sehen sie solche / gnädiges Fräulein.
Damit wiese sie ihr den Ort / wo die Princeßin ihre Leute hatte warten heissen / und sich sachte hinter den Gebüsche biß dahin geschlichen / wo sie die Stimme eigentlich vernehmen konnte. Fort Doris, hub Adalie an / laß uns gehen / ehe sie näher kommen.
Sie stiegen also fort auff / und giengen gerade auff dem Busch zu / dahinter sich Emilie verstecket: diese Printzeßin sahe hier ein Gesicht vor sich / welches /wann sie auch nicht verstanden / daß dieses verkleidete Mädgen ein Fräulein sey / dennoch durch die vortrefliche Minen und tausend wunderwürdige Annehmlichkeiten schon eine höhere Geburt bemercken können.
Wie nun Adalie das Gesträuch vorbey wolte gehen / umarmte sie die Printzeßin / und sagte: wohin? liebste Sängerin! warum eilet ihr? Adalie erschrack recht sehr / da sie niemandẽ und zwar eine so kostbar gekleidete Person so unvermuthet ümfasset / und konnte sich nicht gleich zu einer Antwort schicken: Nicht so erschrocken / fuhr die Printzeßin fort. Könnet ihr nicht leiden / daß man an eurer Zufriedenheit mit Theil nimmet? Ein so schlechtes Mädgen / antworteteAdalie mit niedergeschlagenen Augen / [360] ist so hoher Zuhörer nicht würdig. Ich glaube / sagte Emilie, wo es lauter dergleichen Mädgen gäbe / dürfften die Cavalliers wenig nach den Fräuleins fragen. Es ist ein gnädiger Schertz / erwiederte Adalie, welcher so geringen Personen ungewohnt. Verstellet euch nicht /wehrtes Fräulein / bathe sie Emilie, ich habe euren Stand hinter diesen Busche schon erfahren / und so ihr ihn auch gleich verschwiegen / sieht man doch aus euren Wesen / daß ihr etwas mehr als ein Mädgen seyd. Doch gegen einer Printzeßin könnet ihr euch wohl zu erkennen geben / und gewiß glauben / daß selbige ein Mitleiden wegen eures Unglücks hat / es bestehe auch / worinnen es wolle: Und wo ihr mir selbiges eröffnen / und dabey eure angenehme Gegenwart auff meinen Schlosse gönnen wollet / so versichert euch / daß ich zu Linderung eures Unsterns von Hertzen alles beytragen will / was in meinen Vermögen stehet.
Adalie wunderte sich nicht wenig / woher eine Princeßin so unverhofft zu sie gekommen / weil sie aber nicht Zeit hatte lange nachzusinnen / sondern antworten muste / sagte sie: Eu. Durchl. bin vor so gnädiges Anerbiethen desto mehr verbunden / je weniger ich selbiges verdienet / und würde es mit unterthänigen Danck annehmen / wenn mich anders mein widriges Verhängniß an der Gnade einer so treflichen Printzeßin liesse Theil nehmen / so aber muß [361] mich desselben unwürdig bekennen / und dahero auch Bedencken tragen / Eu. Durchl. mit meinen Zufällen zu beschweren / indem sie viel zu schlecht / vor so hohe Ohren zu kommen. Ich höre wohl / erwiederte die Printzeßin / daß ihr durch allzu grosse Bescheidenheit meinen Vorwitz abzulehnen suchet / von euren Schicksal unterrichtet zu werden: Doch ihr habet euch keine Sorge zu machen / daß es durch mich irgends auskommen soll / denn ich versichere bey meinen Ehren / daß es bey mir so verschwiegen als bey euch bleiben wird; Daher gönnet mir den Gefallen / unterweges nach meinen Schlosse solches zu erfahren / und wo ihr wegen absonderlichen Ursachen nicht lange bey mir verharren könnet / so verhoffe doch zum wenigsten zwey Tage auszubitten. Ich muß es Ew. Durchl. angebohrnen hohen Leutseligkeit zu schreiben / antwortete Adalie, daß sie gegen Verfolgte ein großmüthiges Mitleiden bezeigen / dahero würde solches mit so verbundenen Hertz annehmen / mit wel chẽ ich es itzo nur ehrẽ muß / indem es das Verhängniß so weit mir versehen / daß ich als ein Fräulein unglückseliger / als ein Mädgen bin. Ihr könnet auch bey mir / redete ihr Emilie zu / in so niedrigen Stande dem Ansehen nach gelassen werden / wo es zu eurer Glückseligkeit was beytraget. Nur erweiset mir so viel Liebe / euch einen Tag bey mir zu haben / weil ich hierinnen eine Lust suche.
[362] Was konnte Adalie bey den inständigen Bitten einer Printzeßin thun? es abzuschlagen / lieffe wieder die Höflichkeit / und wichtige Entschuldigungen vorzubringen / wuste sie nicht / indem sie Emilie nur auff einen Tag nöthigte: Dahero erklährte sie sich also: Ich schätze mich in meinem Unglücke noch gluckselig /da eine so vollkommene Printzeßin ein gnädiges Auge auff mich geworffen / daß sie meinet / durch mich eine Gefälligkeit zu erwerben: deswegen gehorsame Eu. Durchl. Befehl von Hertzen / mit unterthäniger Bitte / es bey ihren gnädigen Versprechen ebenfals beruhen zu lassen. Ihr verbindet mich / wehrtes Fräulein / versicherte Emilie, durch so geneigten Entschluß so sehr / daß ich euch alles / so ihr nur beliebet / mit Freuden zu gefallen thun will: ihr könnet eusserlich ein Mädgen bleiben / und zum Schein der Aufwartung so lange üm mir seyn / als es euch zuträglich: wollet ihr alsdann wieder fort / so will ich euch hertzlich gern an den Ort schaffen / wo ihr die meiste Zu friedenheit zu finden vermeinet.
Hierauff führte sie die Printzeßin nach der Carossen / und Doris muste ebenfalls folgen / weil es ihrEmilie und Adalie hiessen: sie satzten sich zusammen hinein / und weil Emilie nur ein Fräulein mit sich genommen / hatten sie alle Viere Raum.
Adalie hegte einen geheimen Widerwillen / daß sie auff solche Art wieder an einen Hofe [363] und unter Cavalliers kommen solte / welche sie doch nun eusserst zu meiden getrachtet: denn ob gleich Emilie deutliche Kennzeichen ihrer Gewogenheit gegen sie blicken liesse / waren ihr doch selbige nicht so angenehm / als wenn sie die ihr einmahl beliebte Einsamkeit behalten / und damit aller anderwerts zu besorgenden Verdrießlichkeiten überhoben gewesen / die sich in den Umgang vieler Leute leicht ereigneten. Und sie konnte wohl ermessen / daß sie die Printzeßin den andern Tag nicht gerne würde fortlassen / wenn ihr zumahl ihr Singen und die Laute anständig / und so sie hernach drauff drünge / würde es doch Verdruß dabey setzen.
Emilie war hingegen desto vergnügter / daß sie Adalie endlich so weit bewogen / mit auff ihr Schloß zu fahren: denn sie gedachte nicht allein ihre Curiösität in der Nachricht zu stillen / worum sich ein so schönes Fräulein / und das von nicht gemeinen Geiste in Mädgens Kleider geworffen / sondern wegen deren entzückende Lieblichkeit im Singen und in der Laute schmeichelte sie sich / die angenehmsten Stunden damit zu zu bringen / und wenn Adalie wieder fort wolte / meinte sie schon / durch bitten und die grösten Gefälligkeiten es so weit zu bringen / daß / wo sie ihren Schluß nicht gar änderte / dennoch acht oder mehr Tage länger verbliebe.
Unterweges redete die Printzeßin so verstelt / als ob sie nicht anders wüste / als daß Adalie [364] ein Mädgen sey: denn das bey ihr sitzende Fräulein solte nichts erfahren / was sie bey sich allein zu behalten versprochen / und dieses allein gefiel Adalien wohl.
Sie gelangten aber nicht so bald zu Pleisina an /als Emilie Adalien mit sich in ein geheimes Zimmer führete / und daselbst ihr Schicksall zu wissen verlangte: Adalie erzehlte zwar mehrentheils / was ihr mit Bosarden begegnet / doch daß sie ein Frantzösisches Fräulein sey / verschwiege sie / und gab sich hergegen vor ein Teutsches aus / weil sie nicht gerne wolte wissen lassẽ / daß sie in der Hertzogin vonMommerency Diensten gestanden / weil die als eine Frantzößin so wohl als sie der Printzeßin nicht so beliebt fallen möchte / als wenn sie ihre Landsmännin gewesen. Dahero dichtete sie die Umstände auch mit Fleiß darnach aus / daß sie mit der Geschichte übereinstimmten und selbige noch trauriger machten.
Emilie, die alles vor wahr hielte / hatte ein hertzliches Mitleiden wegen des Unglücks eines so qualificirten Fräuleins / und ihre Gewogenheit vermehrte sich hierdurch üm ein grosses. Sie hätte gerne das euserste zu Adaliens Befriedigung beytragen / wenn sie nicht hören müssen / daß selbige nach den Tod ihres Geliebten nichts anders als die Einsamkeit suchte /darinnen sie allein die Wunden verschmertzen könte /welche in der Gegenwart Damen und [365] Cavalliers von neuen würden aufgerissen. Dahero war sie sehr bemühet / Adalien die Gedancken einer übermäßigen Trauer zu benehmen / und striche hingegen die Vergnügung heraus / welche sie in der Besitzung eines andern und galanten Cavalliers gewinnen könnte /darzu sie ausser ihren eigenen Annehmlichkeiten sich auf ihren Beystand völlig zu verlassen.
Adalie bedanckte sich wegen des gnädigen Erbiethens / und schützete endlich ein theures Gelübde vor / dadurch sie sich der Einsamkeit und gar dem Closter-Leben gewidnet / damit sie nur der Printzeßin längeres Anhalten überhoben würde.
Es blieb also vor dißmal dabey / daß sie die Printzeßin nicht weiter nöthigte / den vorgewandten Entschluß zu ändern / sondern bathe nur um eine Arie, welche sie in die Laute singen möchte: Adalie war hierinnen gefälliger / und nahm die Printzeßin durch ihre bezaubrende Anmuth dergestalt ein / daß sie gestehen muste / niemahls was entzückters gehört zu haben.
Durch diese edele Belustigung ging die Zeit so geschwind vorbey / daß ein Graf / Nahmens Alfredo, welcher sich an diesen Hofe aufhielte / die Printzeßin zur Tafel wolte abholen / ehe sie sichs vorsahe: Emilie entschuldigte sich also gegen Adalien, daß sie wider Willen unhöflich seyn / und sie in einen andern Zimmer allein müste speisen lassen / weil es ihr so beliebte / [366] sonsten sie sich versichern könnte / wie sie ihr angenehmster Gast an der Tafel seyn solte. Indessen wolte sie doch so vor sie sorgen / als wie vor sich selber / und weil sie ihr Mädgen wohl gerne bey sich hätte / möchte sie solches inzwischen in geheim bedienen.
Darauf gieng die Princeßin zu Alfreden, welcher ihrer vor den Zimmer gewartet / und ließ sich zur Tafel begleiten: Adalie aber wurde von einen Mädgen in ein wohlangebutztes Zimmer geführet / und niemand als Doris allein durffte mit ihr speissen.
Alles Essen / Confecturen, und was nur auf Emiliens Tafel kam / muste man auch Adalien aufftragm /und nachdem dieses verrichtet / durffte keine Seele in ihr Zimmer kommen / weil es Emilie auf das schärffste verbothen: Es gefiel auch Adalien sehr wohl / und die vertraute Doris war ihr weit anständiger / als wenn sie die Bedienung der vornehmsten Cavalliers genossen.
Dergleichen Tractement vor zwey Mädgen / wovorAdalie der Kleidung nach paßirte / schiene dem Mädgen / die das Essen aufgetragen / sehr seltsam / und sie konnte sich nicht enthalten / mit einer von ihren Freundinnen davon zu reden: sind wir denn nicht so gut / fing hernach die erste an / daß wir mit ihr speissen dürffen? Die Printzeßin hat ihnen gar vorsetzen lassen / was sie selber auf ihrer eigenen Tafel [367] hat. Es wird nicht möglich seyn? sagte die andere. Ja / ja /versicherte die erste / zum wenigsten auch alle Confecturen: ich möchte gleichwohl die Ursach gerne wissen. Es wird was sonderliches an den Frembden seyn / gab die andere hönisch hierauf / daß sie besser als einheimische müssen gehalten werden / und ich glaube / fie haben sich auf die Bedingung in der Printzeßin ihre Dienste begeben / es wundert mich / daß sie nicht ein paar Pagen zur Auffwartung haben. Vieleicht / stichelte die erste / die eine ist schön / und deßwegen muß sie auch zärtlich gehalten werden /nehmet euch nur in acht / daß sie euch euren Liebsten nicht abspenstig macht. O Nein / gab die andere lachend hierauf / weil man sie so kostbar und delicat tractiret, wird sie vor Graf Alfreden aufgehoben seyn. Ja / rümpfete die erste das Maul / vor seine Laqueyen / oder nur auf eine Nacht. Was können sie aber vor Künste / fragte die andere / daß sie so treflich von der Printzeßin geheget werden? Ich lauschte heute vor dem Zimmer / antwortete die erste / wie Emilie mit der schönen allein war / und da hörte ich sie singen /und ich weiß nicht / ob es die Laute war / auch zugleich drein spielen.
O nun höre ich / sagte die andere / es werden ein paar verloffene Opern-Mädgen seyn / und weil die des Courtesirens gewohnt / und vieleicht keine mehr anderwerts kriegen können / werden sie an unserem Hofe wieder Nahrung suchen.
[368] So schimpflich redeten die schnäppischen Hof-Mädgen von der unvergleichlichen Adalie, und waren wegen des Vorzugs und vermeinten Abgang ihrer Courtisane so neidisch / daß sie auch bey anderen ihren Spott darüber trieben / und meistentheils gute Mitgehülffin fanden.
Graf Alfredens Cammer-Diener verstunde von ohngefehr die müßgunstigen Dinger / daß sie der Neid wegen zweyer frembden Mädgen plagte / die singen und dabey auf der Laute spielen könnten / und welche die Printzessin so hochhielte: wie er daher seinen Herrn des Abends auskleidete / erzehlte er ihm aus vergönter Freyheit was schertzhafftes vorzubringen /wie sich die Mädgen geärgert / daß vielleicht ein paar geschicktere am Hofe kommen / welche die Printzessin mehr als sie estimirte / und die absonderlich die Music wohl verstünden.
Alfredo lachte hierüber / und gestunde dabey seine Neugierigkeit sie einmahl zu hören / weil er meinte /daß die Printzessin so leicht nicht viel Wesens von etwas machte / wo es selbiges nicht meritirte; dahero legte er ihnen in Gedancken schon einige Geschicklichkeit bey / und wunderte sich / warumb die Printzessin bey der Abend-Tafel nichts davon erwehnet.
Dieser Graf war sonsten ein vornehmer und reicher Herr / der nicht weit von Pleisina trefliche Güter hatte: die Liebe zu Emilien / und [369] der Ehrgeitz / eine Printzessin zu besitzen / hatten ihn an diesen Hof gebracht / und ob er sich seine Meynung gleich nicht anfangs mercken liesse / verstunde sie doch Emilie bald / indem er immer prächtig aufzog / und sich in allen sehr verpflichtet gegen sie bezeigte.
Seine Person war nicht unangenehm / und ob er gleich nicht so hohen Standes als sie / konte er sich doch wegen seiner schönen Herrschafften Fürsten-mässig aufführen / und besaß solche Eigenschafften /die Emilien alle liebens-würdig schienen.
Sie hegte daher eine gleichmässige Gewogenheit in ihrem Hertzen vor den Grafen / ob sie solche gleich mit Fleiß versteckte / weil Alfredo so gar behutsam in seiner Liebe gieng: da er aber von der Printzessin auf seine verbindliche Bedienung und untermischte Caressen keine so geneigte Blicke kriegte / als er sich wünschete / legte er dieses vor eine kaltsinnigkeit aus / was Emilie die Vollkommenheit seiner Liebe zu probiren thate / und da er hernach ehrerbietiger wurde /hielte es die Printzessin vor eine Laulichkeit seiner Flammen / daß also die unrechte Auslegung dieser beyderseits gebrauchten Vorsicht ihrer Gemüths-Ruhe schädlich / und würcklich Emiliens Gunst zu dem Grafen etwas minderte.
Hierzu kam noch die an ihren Hof erschollene Nachricht / daß Printz Rosant. / welcher sich lange in Paris aufgehaltẽ / uñ einer der wolgestaltesten / [370] und treflichsten Herrn seiner Zeit sey / wieder nach Allerona angelanget / und weil dessen Herr Vater jüngstens verstorbẽ / und er nunmehr die Regierung über sich genommen / hätten ihn seine hohen Anverwandten und treue Bedienten durch unablässiges Bitten dahin vermöget / daß er sich eine Gemahlin suchte /und nach dem er etliche Höfe deswegen besehen /nähm er itzo in einem ansehnlichen Gefolge seinen Weg auf Pleisina zu.
Die Printzessin / welche den Ruhm dieses Printzen überall ausbreiten hörte / empfande ein sonderliches Vergnügen über diese Zeitung / und selbiges vermehrte sich nicht wenig / da ihr von hoher und vertrauter Hand geschrieben wurde / wie sie dem Printzen von seinen hohen Anverwandten absonderlich sey vorgeschlagen worden / dahero man glaubte / daß er in dieser Absicht auf der Reise nach ihrem Schlosse begriffen.
Emilie machte sich hieraus folgends die angenehme Hoffnung / Rosantes würde eine Vermählung bey ihr suchen wollen / und zu diesem Verlangen versprach sie ihm in voraus so viel Glück / als sie anfangs Alfreden zugedacht: denn dieser muste in der Gunst einem so theuren Printzen weichen / weil er sich anfangs nicht darinnen festgesetzet / und da die Printzessin gleichwohl behutsam gienge / und sich nichts wolte [371] mercken lassen / biß Rosantes Hertze erst von ihr erobert worden / blieb er annoch zweiffelhafftig in seinen Gedancken / ob er sich aus ihrer Aufführung etwas Gutes zu versprechen / oder nicht.
Die erwünschte Zeitung von Rosantes anhero-Reise hatte Emilie zwar den Tag vor Adaliens Ankunfft von ihren Marschall erfahren / diesen Abend aber erhielte sie nach der Tafel durch geheime Briefe noch genauere Nachricht / und war darüber so erfreut / daß jedes die Merckmahle davon deutlich genug aus ihren Augen lesen konnte.
Sie gieng selber nach dem Zimmer / wo Adalie gespeiset / und führte sie an der Hand nach den ihrigen mit so freundlichem Gesichte / daß sich dieHof-Mädgen über die grosse Ehre nicht genug verwundern konnten / welche ihr die Printzessin erwiese.
Adalie muthmassete selber / daß man über das ungewöhnliche Tractament / welches ihr als ein Mädgen Emilie wiederfahren ließ / grosse Augen würde ma chen / und bathe dahero die Printzessin / daß sie ihre hohe Güte gegen sie eusserlich etwas verringern möchte / weil man am Hofe sonsten allerhand Nachsinnen dadurch verursachen würde: Allein Emilie antwortete: daß sich niemand deswegen zu beküe rn hätte / und wo sie auch etwas erführe / wolte sie ihm schon das Maul stopffen: Adalie möchte indessen mit der Bewirthung zu frieden seyn / und [372] sicher glauben /daß wo sie sich ihren Stand gemäß aufführete / solte sie auch deutlichere Kennzeichen ihrer Gewogenheit vor den Augen des gantzen Hofes erhalten.
Adalie verpflichtete sich vor so grosse Gnade / und weil sie Emilien bey gantz aufgeheuterten humeur fande / spielte sie mehr lustige Arien auf der Laute /als womit ihr Hertz übereinstimmete: Emilie hörte diese wohl gerne / doch weil ihre Freudigkeit des Gesichts von einem Liebens-würdigen Printzen herrührte / bathe sie Adalien was verliebtes zu singen / und gab darbey einen gantz andächtigen Zuhörer ab.
Ach! seuffzete Emilie hierauf / was vor ein unschätzbares Vergnügen muß es seyn / wenn man von was angenehmes wiederum geliebet wird? Ihr könnet mir Nachricht davon geben / wehrtes Fräulein / weil ihr es ehemahls auch erfahren. Dieses Vergnügen /Durchlauchtige Printzessin / antwortete Adalie / ist zwar zuweilen vollkommen / aber gar selten von langer Dauer / und es scheinet / daß die Liebe ohne Marter nicht wohl könne seyn. Wenn aber zwey verliebte einander recht hertzlich meynen / wendete Emilie ein /und täglich in schönster Vertraulichkeit leben / wie können sie dann von einer Marter wissen?
Des Glückes einer steten Vertraulichkeit / sagteAdalie / können sich wohl wenige rühmen-Deñ wo ist möglich / daß beyde verliebte unaufhörlich [373] bey einander seyn? wenn nun dieses nicht ist / und ihre Gemüther zärtlich gerühret find / so findet sich auch in der kleinsten Entfernung eine Sehnsucht / welche Unruhe genug bey sich führet / wo sie nicht bald gestillet wird. Alles kömmt uns denn hernach verdrießlich vor / und weil das gröste Vergnügen hierinnen bestehet /daß man das Geliebte allein besitzet / so macht uns der Verdruß über diese Abwesenheit die zweiffelhaffte Gedancken / ob nicht eine andere Schöne dessen Augen gefallen und er von seiner Treue etwas verschwenden könne: Wir sind öffters sinnreicher in unsern Mißvergnügen / und stellen uns also weit furchtsamer vor / was wir am meisten hassen / dadurch schleichet sich eine Eyfersucht in unsere Hertzen /und ob wir gleich der Tugenden des Geliebten vollkommen versichert sind / martern wir uns dennoch mit dergleichen Gedancken so lange / biß sie uns durch neue Gegenwart und die stärcksten Carressen wieder benommen werden / tausend andere Zufälle zu geschweigen / welche die Gemüths-Ruhe treuer Seelen durch eine Kleinigkeit zu weilen stören.
Wenn alle sich so furchtsame Gedancken von der Liebe Würckungen wolten machen / widersprach ihrEmilie / so dürfften wenige einer so edlen Regung in den Gemüthern Raum geben. So aber pflantzen sie alle Tage unzehlige in ihre Brust / und wüssen ohnfehlbahr nicht [374] geringe Ergetzlichkeit drinnen finden /weil sie das äusserste dran wenden / umb zu ihrem Endzweck zu gelangen.
Die Liebe ist falsch und schmeichelhafft / versetzteAdalie / und muß uns also anfangs nichts als Zucker weisen / wenn sie uns recht kirren wil: doch sind wir erst in ihre Netze / so fühlen wir / daß ein heimlich verborgenes Gifft darinnen stecket / welches sich nach und nach in unsern Hertzen einschleichet / und selbiges durch Gram und Eifersucht abfrisst: Kluge aber lassen sich ihre Quaal nicht öffentlich mercken / weil sie keine Mittel zur Besserung hiermit gewinnen.
Dieses geschiehet nur zuweilen bey solchen Personen / widerlegte Emilie / die noch einen geheimen Widerwillen gegen einander hegen / und selbigen hernach bey Betrachtung eines würdigern Gegenstands oder der geringsten Mißfälligkeit vermehren: Wo aber die Seelen einen vollkommenen Tausch unter sich getroffen / kan ihnen keine Verdrießlichkeit gemein werden / sondern sie suchen darinnen ein Vergnügen /einander tausenderley Gefälligkeiten alle Augenblicke zu erweisen / und wo sich die Tugend zu ihren verpflichteten Caressen gesellet / ist ihre Zufriedenheit so beständig / daß sie durch keine widrige Einbildung kan zernichtet werden.
Wenn auch gleich Verliebte so edler Art sind /sagte Adalie / daß sie einander selbst keinen Verdruß machen / so ist doch die Liebe einer stillen [375] See zu vergleichen / auf der bey den hellesten Wetter nichts gemeiner / als hefftige Unglücks-Stürme / und das feindselige Verhängniß wirfft uns unverhofft an heimliche Klippen / die wir bey unserer sickern Liebes-Fahrt nie vorher gesehen / und welche alle die Güter eines zufriedenen Gemüths hernach auf einmahl im Grund versencken: daher ist wohl am besten / wer seine Regung mässiget / und sich durch die traurigen Exempel der Schiffbrüchigen abhalten lässet / auf ein so gefährliches Meer zu kommen.
Daß Verliebten öffters ein Unglück begegnet / ist wohl wahr / wendete Emilie ein / doch wo sie von großmüthiger Art sind / kan es ihrer vergnügten Ubereinstimmung der Hertzen nicht schaden / sondern sie suchen durch die Grösse ihrer Liebe vielmehr einzubringen / was ihnen durch einen Zufall entgangen; Daß sie aber so gar unglückseelig werden sollen / wie ihr / mein liebstes Fräulein / trift bey sehr wenigen ein / und ihr dürffet nach euren Exempel nicht alle urtheilen.
Adalie wolte der Printzessin nicht länger widersprechen / weil sie muthmassete / selbige möchte vielleicht auch unter der Verliebten Orden stehen / und einen Verdruß empfinden / wo sie die Freyheit der Liebe vorzöhe / dahero sagte sie: Ew. Durchl. geruhen meine Reden von Personen meines gleichen auszulegen / als welchen [376] die Besitzung eines Cavalliers vielmahls zweiffelhafft kan gemacht werden / und die das Glück mit mehrer Dreußdigkeit ihren Veränderungen unterwirfft / als eine so trefliche Printzessin: Ew. Durchl. aber muß es stets zu Diensten stehen /weil sie es in ihrer vollkommenen Gewalt haben / und wo sie der Liebe einen schönen Platz in ihrem Hertzen schencken / können sie alsofort in den Hafen unendlicher Glückseligkeit einlauffen / dahingegen niedrige selbigen in der Ferne mit furchtsahmen Augen ansehen müssen.
Diese Schmeicheley gefiel Emilien treflich wohl /weil sie in der Liebe die gröste Schätzbarkeit zu finden vermeynte / wenn ihr selbige der süssen Einbildung nach den Printz Rosantes in die Armen liefferte: dahero billigte sie eines Theils Adaliens Reden / da sie nur davon ausgeno en wurde / und war hernach so vertraut / daß sie ihr von Rosantes Ankunfft auf diesem Schlosse / und der Hoffnung zu diesen geschickten Printzen viel hersagte.
Adalie hatte ihn zwar / wie sie glaubte / an dem Hofe zu Allerona und auch sonsten niemahls gesehen / doch von dem Baron Werdigni seiner mit sehr grossen Lobe erwehnen hören / absonderlich daß er einige Zeit sich in Paris aufgehalten: sie konnte sich nicht entsinnen / daß man ehemahls von dem Printzen Rosantes etwas an dem Frantzösischen Hofe gesaget /welches doch von galanten Herrn nicht unterbliebe /[377] wenn sie wie gewöhnlich bey den Damen amour machten.
Dergestalt meinte sie denjenigen nicht zu kennen /welchen sie mehr als sich selber liebte / und wünschte also Emilien in voraus tausendfaches Glück zu der Eroberung eines schönen Hertzens / welches sich bey den ersten Liebes-Sturm ihren Annehmlichkeiten würde gefangen geben: hätte sie aber die Persohn eigentlich gewust / so dürffte sie weit andere Gedancken gehegt haben.
Mit so verliebten Discursen wurde der Abend hingebtacht / und weil Adalie in allen nach Emiliens Gefallen redete / muste sie die Nacht bey ihr ruhen / nur damit sich die Printzessin desto länger in dem angenehmen Gespräch von Rosantes mit ihr unterhalten könnte.
Den andern Morgen begaben sie sich beyderseits in den Schloß-Garten / wo sie in einer schönen Sommer-Laube die frühe Stunden passiren wolten / deswegen liesse sich Adalie die Laute dahin bringen / und ergetzete die Printzessin damit: Doris allein hatte sie dahin begleiten dürffen / sonsten aber nahm Emilie Adalien zu gefallen niemanden mit sich / und hiesse den Laquayen / der die Laute geholet / wieder zurückkehren.
Graf Alfredo bekam inzwischen Nachricht hiervon / da er eben der Printzessin in ihren Zimmer auffwarten wolte / umb sowohl seine Sehnsucht in deren Gegenwart zu stillen / als [378] die Curiosität / die frembde Sängerin / wie man sie ihm genennet / zu hören: daher gieng er gleich nach dem Schloß-Garten zu / und weil er muthmassete / daß Emilie gerne allem würde seyn wollen / schliche er sich gantz sachte und durch einen Umgang nach der Sommer-Laube zu / damit man ihn nicht möchte gewahr werden.
Er kam gantz glücklich so weit / wo er Adalien eben eine Aria in die Laute singen hörte / und die süsse Harmonie der Saiten nebst der vollkommenen Lieblichkeit der Stimme nahmen ihn dergestalt ein /daß er eine Weile gantz entzückt stehen blieb: Er bewunderte eine so seltene Anmuth / und gab Emelien nichr unrecht / daß sie grosse Gewogenheit vor andern zu diesen vermeinten Mädgen trüge / weil es selbige würdig.
Endlich / wie Adalie aufgehört zu spielen / und er verstunde / daß sie mit einander redeten / machte er sich etwas näher hinzu / indem er sie an diesen Orte nicht wohl vernehmen konnte / und gleichwohl begierig war / ihre Discourse zu erfahren / und auch zugleich Adalien zu sehen.
Doch in den letztern konte er nicht bald befriediget werden / weil alles um und um mit Laube so starck bewachsen / daß er ohne erkandt zu werden / kein Geräusche durffte machen: deswegen lauschte er nur in der Stille / was doch Emelie gegen das Mädgen vorbringen würde.
[379] Ich gestehe es / wehrtes Fräulein / fing Emilie an /daß es mir sehr ahnt thun wird / wenn ich euch wieder verliehren soll? ist denn kein Mittel da / euch länger hier zu behalten? Eu. Durchl. antwortete Adalie, werden ihre Zeit weit vergnügter zu bringen / wenn sie der Unterhaltung eines Liebens-würdigen Printzen geniessen / und als denn würde meine Geschicklichkeit ihnen wenig Lust machen.
O Nein / sagte Emilie, wenn ich gleich der Liebe etliche Stunden des Tages solte einräumen / so wolte ich bey meiner Vergnügung dennoch diese wünschen /welche ihr mir anitzo schencket / und dadurch könnte ich mir desto mehr versprechen / daß meine Lust vollkommen / ja selbst mein Liebster würde mir noch verbundener seyn / wen ich ihm eine so schöne Gemüths-Ergötzung verschaffet.
Ich wolte mich glückseelig schätzen / antworte Adalie, wenn mein Zustand so beschaffen / daß er an Eu. Durchl. Gnade könnte länmit Theil nehmen; so aber hat mich mein Verhängniß und ein theures Gelübde der Einsamkeit besti et / und dieses werde mit Eu. Durchl. gnädiger Erlaubniß Morgen wiederum vollziehen. Nur noch einen Tag / geliebtes Fräulein /bathe Emilie. Eu. Durchl. wolte wohl Lebens lang mit Vergnügen gehorsamen sagte Adalie, wenn es in meinen Vermögen stünde. Einen eintzigen Tag / bathe sie Emilie ferner / und [380] denn gebe ich mein hohes Wort /euch nicht wieder Willen auffzuhalten. Eu. Durchl. Befehle verbinden mich / willigte Adalie: und ihr verpflichtet mich unendlich / erwiederte Emilie, und küssete damit Adalien aus sonderbahrer Liebe.
Graf Alfredo hörte hinter den Laube mit Verwunderung / was sie unter sich geredet: Emilie nennte dieses vermeinte Mädgen ein Fräulein / und beklagte sich / wegen des unglücklichen Schicksals / sie nicht länger hier zu behalten: und das Fräulein redete der Printzeßin von einen Liebenswürdigen Printzen / in dessen Unterhaltung sie würde vergnügt leben; weil ihm nun von beyden / absonderlich von letzten nichts bewust / kam es ihm sehr seltsam vor.
Wer soll denn der Printz seyn / von dem das Fräulein redet / fing er zu sich selber an. Ist Emilie bereits mit einen verbunden / und du weist nichts davon? so muß sie ihre Liebes-Verständniß sehr geheim halten /und die geneigten Blicke / so dir gegeben / rühren also nur aus falschen Hertzen / weil sie weiß / daß du ihre Gunst zu gewinnen / am Hofe gekommen. Unglückseliger Graf! so schertzet man mit deiner Liebe /weil du nicht ein Printz gebohren / und so wird der gantze Hof deiner spotten / wenn er dich in deiner Hoffnung betrogen siehet! Denn von welchen Printzen solte sonst das Fräulein reden / weil keiner am Hofe /und warum nähm es die Printzessin [381] an / wenn es nur ein Schertz sey? Ja / ja Alfredo, du must das Nachsehen haben / und wer weiß / wie geheim Emilie mit ihrer Liebe gegangen / nur damit du dich desto länger mit vergeblichen Gedancken quälest.
So marterte sich Alfredo wegen sein fehl geschlagenes Liebes Glück / und war so verstört im Kopffe /daß er wieder fort wolte: doch indem er aus unruhigen und verwirten Sinnen nicht behutsam genug im gehen war / lieff die Printzeßin zu / und wolte sehen / was da rauschte.
Sie stutzete nicht wenig / da sie Alfreden erkannte /und er hingegen kam gleichfalls zu sich selber / daß er seine Unbedachtsamkeit hierinnen bereuete: er fassete sich aber / und bathe um Vergebung / wo er sie in ihrer Gemüth-Ergötzung gestöhret / mit der Entschuldigung / daß es nicht vorsetzlich / sondern aus Versehẽ geschehẽ / weil er die Ehre gesuchet / Ihro Durchl. auffzuwarten.
Emilien war seine Gegenwart sehr zu wieder / zumahl / wo er ihre Discourse solte verstanden haben: doch weil sie sich verstellen muste / antwortete sie gar höflich / und führte ihn mit in die Laube zu Adalien.
Es geschahe dieser ein so angenehmer Dienst alsEmilien, und sie dachte gleich / daß sie ihren Wunsche noch nicht unerkannt würde bleiben / weil er sie ohnfehlbar belauscht hätte / daher wäre sie lieber weit davon gewesen: sie stellete sich aber zu ihrer Doris, und nach dem [382] sie die Laute hingelegt / thate sie nach Art der Mädgen / als ob ihr der Graf nichts angienge.
Emilie merckte ihre Verstellung / und Alfredo beobachtete sie gleich fals: er fing also zu der Printzeßin an / und rühmte den schönen Zeitvertreib / welchen sie in einer so annehmlichen Music hätte. Emilie fragte / wie ihm selbige gefallen? gewiß / schönste Printzeßin / antwortete er / ich muß bekennen / daß ich niemahls was anmuthigers gehöret / und zwar ist es noch mehr zu verwundern / daß man so viel Geschicklichkeit bey einen Fräulein antrifft.
Emilie entfärbte sich etwas / daß Alfredo ihre Reden mit Adalien verstanden / daraus zu schliessen /daß er auch von den Printzen alles müste vernommen haben: sie sagte also / es ist gar schön / Herr Graf /wenn man einen belauschet.
Eu. Durchl. werden dieses nicht ungnädig auffnehmen / entschuldigte sich Alfredo, weil es aus der Meynung nicht geschehen / dero Reden mich zu erkündigen / sondern aus der schönen Music eine Vergnügung zu ziehen: zumahl ich hoch betheuren kan /nichts mehr als den Nahmen / wehrtes Fräulein / verstanden zu haben. Solte aber auch dieses wieder Eu. Durchl. gesündiget heissen / so bitte unterthänig üm Vergebung.
Es hat nichts zu bedeuten / sagte Emilie, seyd nur so gefällig Herr Graf / es verschwiegen [383] zu halten /weil das Fräulein nicht gerne am Hofe bekannt will seyn / sondern wegen gewisser Ursachen lieber als ein Mädgen auffziehet. Eu. Durchl. bekenne mich verbunden / antwortete Alfredo, alle dero Befehle mit unterthänigen Gehorsam zu ehren / und wenn sich auch selbige biß auff meine Entfernung von Hofe erstreckten /da Eu. Durchl. doch wissen / daß mir auff der Welt nichts unerträglichers wiederfahren könnte.
Emilie sagte hierauff nur so viel / daß man ihr eine solche Unhöflichkeit nicht zu trauen solte / und der Herr Graf möchte so lange an ihren Hofe bleiben / als ihm die schlechte Bewirthung beliebte / so würde er allezeit ein angenehmer Gast seyn: damit brach sie gleich von diesen Discourse ab / und ruffte Adalien zu sich / weil sie leicht merckte / daß Alfredo seine Reden auff ein Liebes-Gespräch drehen wolte.
Der Graf wurde hierdurch in seiner Meinung gestärcket / daß Emilie ihre Gunst einem Printzen müsse vorbehalten haben / weil sie seinen Verpflichtungen alsobald vorbauete: Es gieng ihm nicht wenig nahe /seine bißherige Hoffnung zernichtet zu sehen / und er konnte sich kaum zwingen / daß er den innerlichen Verdruß nicht auch durch die Kennzeichen im Gesichte verrathen.
Immittelst redete Emilie mit Adalien, und fing unter andern zu ihr an: der Herr Graf [384] hat die gute Meinung von euch / daß ihr mehr als ein Mädgen wäret / weil er es hinter diesen Laube will verstanden haben; und ich versichere ihm hingegen / daß ihr das Vertrauen zu ihn heget / er werde damit geneigt verschwiegen bleiben: habe ich nun wohl gethan?
Eu. Durchl. haben eine Bitte bey den Hn. Grafen eingeleget / antwortete Adalie, die ich selbst würde gethan haben / dahero zweiffele an geneigter Willfahrung nicht / weil mich eines so hohen Verspruchs getrösten kan. Was saget ihr darzu? Herr Graf / fragteEmilie.
Eu. Durchl. seynd meiner Ergebenheit schon versichert / sagte Alfredo, daß ich meinen schuldigen Gehorsam zu entziehen vor das gröste Laster schätze: allein sie überlegen selber / ob ich in das Begehren dieses annehmlichen Fräuleins willigen / und sie nur blosser dings vor ein Mädgen ausgeben kan / weil ihr dadurch die gebührende Höflichkeit nicht erwiesen wird?
So seht ihr dann mein wehrtes Fräulein sagte Emilie zu Adalien, daß der Herr Graf euer Verlangen nicht befriedigen will / weil es unrecht und eurem Stande unanständig ist: Und ich muß es selber billigen: seyd demnach so gefällig und kleidet euch so lange um / als ich eure angenehme Gegenwart geniesse / hernach werdet ihr den Hn. Grafen eher zu etwas bewegen können / welches der Wahrheit besser als dieses gemäß ist.
[385] Dieses ist es eben / was ich meine / gab hierauff Alfredo, und Euer Durchl. Wille wird erst müssen beobachtet werden / wenn ich dem Fräulein gleichfalls gehorsamen soll. Der Hr. Graf / sagte Adalie zu Alfreden, lassen schon die erste Bitte der Durchl. Printzeßin so viel gelten / daß ihnẽ in diesen geringẽ Kleidern die schuldige Ehrerbiethung erweisen kan / denn ich würde den sonst gewohnten Habit doch nicht länger als einen Tag tragen dürffen / und weil ich ihn wieder ablegen müste / ist es besser / den itzigen zu behalten / als daß es mir hernach befrembdet vor kommet.
Es muß ein sonderliches Geheimniß darhinter stecken / Mein Fräulein / redete Alfredo zu Adalien, daß ihr vielleicht mit einem besondern Zufall auch euren Stand wollet ablegen: und ob ich wohl meine Curiösität darnach bekenne / so glaube doch / daß es die Durchl. Printzeßin allein bewahren soll. Immittelst bin doch darinnen neugierig / euch in anständiger Auftführung zu sehen / weil es Ih. Durchl. selber so belieben.
Emilie stimmete diesen letztern nachmahls zum Schertz mit bey / daß erste aber übergieng sie mit Fleiß ohne Antwort / weil sie wieder Adaliens Willen ihr unglückseliges Schicksal keinem weiter vertrauen wolte: Wie sich nun Adalie weiter wegen der Aenderung ihres Habits entschuldigte / sagte endlich Emilie, daß sich [386] der Herr Graf schon würde geneigt hierzu erklähren / wenn sie ihm eine andere Bitte gewehrte /und zu seinen Gefallen noch zu einer Arie in der Laute spielte.
Alfredo wünschete dieses recht sehr / und bathe also Adalien inständig um diese Gutheit; sie wolte sich zwar Anfangs durch Vorwendung ihrer schlechten Geschicklichkeit loßwickeln / da sie aber beyderseits so starck anhielten / willfahrete sie ihnen endlich / üm den Schein eines Eigensins zu vermeiden.
Was vor Regungen entstunden nicht in Alfredens Gemüthe / da er Schönheit und Anmuth in solcher Vollkommenheit bey Adalien fande? Er hatte ihr vorhero schon so tieff in die Augen gesehen / und spührete / daß sie mehr als zu viel Feuer zu Entzündung der Hertzen bey sich führete: ihr Geschicht schiene ihm ein sauber Spiegel vor die jenigen zu seyn / welche die unzehligen Annehmlichkeiten darinnen zu genau betrachteten / und ob sie gleich in niedriger Tracht /blitzete doch so viel Majestätisches aus ihren Minen /daß man auch daraus erkannte / wie sich eine kostbare Perle in etwas schlechtes verstecket: Dahero zohen ihn diese Seltenheiten als ein kräfftiger Magnet zu einer steten Bewunderung / und wie selbige nebst ihrer ungemeinen Lieblichkeit die Zugänge zu seiner Brust durch Augen und Ohren fanden / zwunge endlich Adalie des Grafens Hertze wie die süssen [387] Saiten /daß sie beydes nach ihren Gefallen stimmen konnte.
Er saß also gantz entzückt / mit unverwandten Blicken auff Adalien gehefftet / und die Gluth schluge so starck aus seinem Gesichte / daß sie auch Emilie innen wurde / als sie ihn unvermuthet von der Seithen ansahe.
Alfredo ermunterte sich zwar wieder / und verbarg die innere Beschäfftigung der Seelen so viel als möglich vor Emiliens Augen / ja er wolte gar so was zärtliches vor Adalien aus seiner Brust zwingen; allein die Anfälle darauff waren so schön / und Emilens Kaltsinnigkeit redete ihm gleichsam selber zu / weil er doch nichts bey ihr zu hoffen / warum er seine Gunst eines so Liebens-würdigen Fräulein entziehen wolte.
Adalie gab wenig auff die Regungen des Grafens Achtung / und bildete sich gar nicht ein / einen neuenAmanten zu bekommen / da sie selbige am eussersten flohe: Wie sie nun die Laute ihrer Doris wiederum gab / verpflichtete sich Alfredo sehr vor eine so edele Belustigung / und striche selbige mit nicht gemeinen Lobe heraus.
Dieses wurde von ihm als eine Höflichkeit ausgeleget / und weil die Zeit so weit verflossen / daß der Mittag heran brach / giengen sie zusammen aus den Garten / beym Adjeu aber bathe sich der Graf so wohl bey Emilien als Adalien die Erlaubniß ans / daß er nach gehaltener Taffel [388] wieder einen auffmercksamen und vergnügten Zuhörer abgeben dürffte: weil er sonsten keine andere Gelegenheit wuste / Adalien zu sprechen.
Emilie schertzte nach diesen mit Adalien wegen des Grafens unverwandten Blicken / und sagte / daß sie ihr selbigen wolte zu schantzen helffen / wo sie Lust darzu hätte: allem Adalie antwortete / daß sie sich niemahls Rechnung auff so hohe Personen gemacht / und würde sich itzo zumahl sehr darinnen betrügen / weil der Graf auff Ihre Durchl. wohl selber Gedancken machte. Emilie leugnete es nicht / und gestunde / daß sie ihm Anfangs nicht ungeneigt gewesen / weil er aber sein Glück nicht besser getrieben / und sie itzo zu einen galanten Printzen Hoffnung bekäme / könnte er auff ihre Person nun wenig Trost bauen.
Sie unterhielten sich eine Zeitlang in diesen Gespräch / biß Emilien des Grafens Begehren einfiel /daß er nehmlich Adalien gerne in ihrer gehörigen Kleidung sehen möchte / und weil sie darnach selbst begierig war / ersuchte sie das Fräulein selber / es möchte ihr diesen Gefallen nur in ihren Zimmer erweisen / weil es ausser Alfreden niemand gewahr solte werden.
Adalie ließ sich endlich so weit bereden / daß so lange sie noch die Ehre der Printzeßin auffzuwarten hätte / sie ihr zu gehorsamen / in den ordentlichen Habit gehen wolte / doch bäthe [389] sie ihre eigene Kleider aus / welche Doris von Permane holen könnte / wenn Ihro Durchl. sie dahin zu schaffen geruheten: den setzete sie hinzu / die Leute / bey denen sie sich bißhero auffgehalten / würden ohne diß wunderliche Gedancken wegen ihrer unwissenden Entfernung kriegen /und wegen ihres Mädgens / als der Tochter allerhand befürchten.
Emilie willigte gar gerne darein / weil sie es vergnügte / daß Adalie ihr zu Liebe sich zu allen erklähret: deswegen befohl sie also fort eine Cariol anzuspannen / und nach dem Adalie Doris unterrichtet /was sie von kostbahren Geschmeide mitbringen solte / fuhre selbige mit Freuden fort / um ihren Eltern Nachricht von ihnen zu geben / weswegen sie sich ohnfehlbar sehr würden bekümmert haben.
Unterdessen war Graf Alfredo sehr begierig zu wissen / ob seine Meinung / daß Emilie einen Printzen liebte / Grund hätte / oder ob es nur ein Schertz gewesen / daß Adalie was davon erwehnet: denn er stunde bey sich selbst im Zweiffel ob er Adalien, die von weit mehr Annehmlichkeiten als die Printzeßin / vollkommen lieben / oder Emiliens Gunst annoch erwarten solte / und so fern ihm in den letzten die Sache schwer gemacht würde / schmeichelte er sich / wegen des ersten desto glücklicher zu seyn.
Er hatte einen vertrauten Freund an den Marschall dieses Hofes / zu welchen er gieng / [390] und unter andern auch befragte / ob die Printzeßin vielleicht ihr Absehen auff einen Printzen hatte / denn er heute ohngefehr etwas davon verstanden? der Marschall / der keine Ursache gegen den Grafen zu simuliren hatte /bekennete / daß er aus einen Schreiben von Allerona itzo erst erfahren / wie der dasige Printz Rosantes nunmehro wegen des Absterbens seines Hochseligen Herrn Vaters regierender Hertzog worden / und wohl schon unterweges sey / Emilien auff dem Schlosse zu zu sprechen: nun sey ihm die Printzeßin von seinen Fürstlichen Anverwandten vorgeschlagen / und man muthmassete gäntzlich / daß er aus diesen Absehen hieher komme: Emilie selber machet sich vielleicht nicht wenig Hoffnung deswegen / weil sie schon gestern Nachricht davon gehabt.
Alfreden klange diese Zeitung nicht eben zu angenehm in seinen Ohren / und er legte nun die in den Garten geführte Reden folgends schädlich vor ihm aus: der Ehrgeitz und Liebe hielten zuvor noch einen harten Streit in seinem Gemüthe / ob darinnen Emilie oder die Schönheit Adaliens die Oberhand solte gewinnen / biß endlich das letztere siegte / und Emiliens Andencken nach fehl geschlagener Rechnung draus triebe.
Er wuste / daß der gantze Hoff seine Augen bißhero auff ihn wegen der Printzeßin gerichtet / und wenn nun Rosantes anlangte / und er müste [391] abtretẽ / würden sie seiner ohnfehlbar heimlich spottẽ: diesen aber vorzubauen / wolte er noch vor Anherokunfft des Printzens Adalien bedienen / damit es das Ansehen gewinne / er habe niemahls seine Gedancken auffEmilien gerichtet.
Uber dieß sahe er sich eben nicht genöthiget / nach den Staats Intresse zu Heyrathen / weil er Herrschafften und Reichthum genug hatte: deswegen folgte er der Liebe desto mehr / die ihm tiethe / er solte einen vergnügten Tausch mit Adaliens Hertzen treffen / und durch Besitzung eines so kostbaren Pfandes die unschätzbaren Güter irrdischer glückseligkeit erlangen.
Er nahm sich dahero vor / wo es die GegenwartEmiliens nicht hinderte / Adalien verpflichtet zu tractiren / und sie dahin zu bewegen / daß sie ihm ihr gehabtes Schicksall eröffnete / und sich als ein Fräulein wieder kleidete: doch da er noch im Sorgen stunde /wegen Emilien steter Anwesenheit mit ihr zu sprechen / suchte er seine Zuflucht bey der Feder und schrieb einen sehr verbindlichen Brief an ihr / welchen er ihren Mädgen unvermerckt zu stecken wolte.
Mit diesen striche die Zeit so sehr vorbey / daß man endlich zu Mittag zur Taffel bließ: Alfredo eilte /die Printzeßin abzuholen / und vielleicht in ihren Zimmer seine Schöne zu sehen.
Sein Wünschen traf auch ein / denn Adalie war nach bey Emilien, und vertriebe selbiger die Zeit mit allerhand Erzehlungen und untermengten [392] Schmeicheleyen von dem Printz Rosantes, welches die Printzeßin überaus gerne hörete: So bald nun Alfredo in das Zimmer eintrat / fing Emilie an zu schertzen / und ersuchte ihn / Adalien mit zur Taffel zu nehmen / und damit gieng sie in das innerste Gemach / daselbst etwas abzuholen.
Alfreden war dieses höchst erwünscht / er trat zuAdalien hin / und kurtzweilete deswegen mit ihr /endlich aber sagte er: daß er heute eine Arie verfertiget / welche er ihr hiemit überreichte / und so sie von einem so schönen Fräulein mit gütigen Augen auffgenommen würde / wolte er sich vollkommen glücklich schätzen: Adalie, die nicht wuste / daß es ein Liebes-Brief / antwortete mit einer verbündlichen Dancksagung / und wie sie es vor einer nicht gemeine Ehre hielte / von hohen Händen was galantes zu empfangen.
Damit steckte sie den Brief zu sich / weil Emilie kam / und mit Alfreden zur Taffel ging; Adalie wurde wieder in den vorigen Zimmer Weil ihre Doris nicht da war / gantz allein aufs beste tractiret / und wie ihr eine Begierde an kam / die Arie durch zulesen / fande sie wieder Bermuthen folgende Zeilen:
Schönstes Fräulein!
Wenn eure Feuer-reichen Blicke allenthalben solche Würckung als diesen Tag thun / so müsset [393] ihr mehr als tausend Verehrer haben: denn mich ein eintzig mahl an euren wunderwürdigen Annehmlichkeiten zu weiden / ist schon genug / mich in völligen Brand zu stecken / und die bezaubernde Anmuht / so mich heute in Garten geletzet / hat einen Zugang zu meinen Hertzen gefunden / der euch nun ewig zu eigen bleiben wird. Zweiffelt nicht an meiner Ergebenheit / unvergleichliches Fräulein / fraget nur eure schönen Augen / und unzehlige andere Schätzbarkeiten / die auch der Neid selbst admiriren muß / alles wird euch die Warheit bekennen / daß Alfredo dadurch entzündet worden / und nun nichts mehr als eure Gegengunst wünschet. Lasset mich nicht vergebens seufftzen /schönstes Fräulein / sondern schencket mir zur Vergeltung meiner treuen Flammen euer Hertze / ich will es Lebenslang als das kostbarste Pfand verwahren /und so ehrerbietig und verpflichtet tractiren / daß ihr nicht Ursache sollet haben / solches wieder von mir zu nehmen. Bin ich in meinen Bitten [394] glückselig / so werdet ihr aus Gütigkeit gegen mir den Vorsatz ändern / von diese in Schlosse zu ziehen / und hergegen befehlen / ob ich euch auff den meinigen als eine schöne Braut küssen soll / denn auff ein so vollkommenes Vergnügen wartet mit unbeschreiblicher Sehnsucht
Euer verpflichtester
Graf Alfredo.
Adalie entfärbte sich recht vor den starcken Verpflichtungen / die ihr Alfredo gegeben / und sie konnte sich nicht einbilden / wie er in kurtzen so hefftig entzündet worden / daß er sie mit deutlichen Worten zu seiner Gemahlin begehrte.
Sie besanne sich zugleich / daß ihr Emilie gestanden / wie der Graf in sie selber verliebt sey / und wunderte sich also sehr / warum er anfienge zu wechseln /da ihm Emilie noch keinen völligen Abschlag gegeben; doch fiel ihr endlich bey / es kan seyn / daß der Graf unser heutiges Gespräch in den Garten genau gehöret / und daraus Emiliens Hoffnung zu einen Printzen verstanden / daher er etwas aussucyen will / ehe ihm Emilie bey Ankunfft des Printzens zuvor kömmt /und es nicht heisset / er habe zurück treten müssen.
[395] Wäre es ein ander Fräulein gewesen / so würde sie mit beyden Händen zu einer nicht unangenehmen und treflichen Partie gegriffen haben: Adalie aber steckte den Brief mit gemässigter Regung zu sich / und nahm sich vor / alles vor einen Schertz auszulegen / wennAlfredo auff eine Erklärung drünge / biß sie Emilie wieder vom Hofe schaffte.
Alfredo schmeichelte sich immittelst mit der Hoffnung / Adalie würde seinen Antrag geneigt auffgeno en habẽ / und ihm die freundlichsten Blicke geben /wenn er sie nach gehaltener Tafel zu sehen bekäme: Dabey kützelte er sich heimlich / daß er Emilien in Erwehlung eines schönen Fräuleins zuvor käme / und sie sich hernach nicht rühmen könnte / er habe den Platz einem andern überlassen müssen.
Nun fielen über der Tafel allerhand Discourse vor /und wie Emelie die Kennzeichen der Freudigkeit in seinem Gesichte sahe / schertzte sie verblühmt mit ihm / und fragte / ob die Music keine Würckung zurück gelassen? Alfredo gab lächelnd darauf / ob sie Ihro Durchl. vor zulänglich hielten? Emilie versicherte / daß sie selbige schon vor geschickt hielte / weil alles andere damit sehr wohl accordirte. Nun so würde er das jenige nicht ohne Krafft erkennen / erwiederte Alfredo, welchem Ihr. Durchl. selber so viel Würdigkeit beylegte.
[396] Emilie fragte ferner / ob sie in ihren Zimmer mit Rechte etwas davon erwehnen könnte? Er würde es sich vor ein hohes Glück schätzen / antwortete Alfredo, wenn er sich einer so vermogenden Unterhandlung zu erfreuen. Es müste aber bey der Parol bleiben / sagte Emilie, daß es des Herrn Grafen Ernst gewesen / und sie hernach nicht mit Schimpffe bestünde.Alfredo versicherte / daß sich Ihr. Durchl. auff sein Wort so wohl verlassen könnten / als er das Vertrauen auff ihres gründete. Nun / sagte endlich Emilie, so bleibt es dabey.
Dergestalt meinte Emilie mit den Grafen zu schertzen / was sein Ernst und gleichsam eine Freude war /daß ihn die Printzessin damit vexirte / weil sie ihm hernach selber Gelegenheit geben würde / das Fräulein als aus Kurtzweil verpflichtet zu tractiren / dabey er aber seine Person nicht übel zu spielen dachte.
Die Tafel währete unter dergleichen und anderen Schertze etwas länger als sonsten / und weil Doris ein paar Stunden vorher fortgefahren / und so viel als möglich ihre Verrichtung beschleuniget / kam sie noch vor Auffhebung der Taffel wieder / und setzeteAdalien in einige Verwunderung / daß sie so geschwind geeilet.
Doris hatte sich vor Freudigkeit nicht gesäumet /damit sie ihr Fräulein wieder in ihren geziemenden Habit sehen möchte / denn ihr Appetit stunde ihr durchaus nicht nach den Closter [397] Leben / worzu sie sich mit Adalien entschliessen solte / sondern das freye Wesen bey Hofe gefiel ihr tausend mahl besser /und deßwegen hoffte sie / ihr Fräulein würde sich schon von der Printzeßin bereden lassen / daß sie ihren Vorsatz gäntzlich änderte / wenn sie nur erst als ein Fräulein wiederum bedienet würde.
Sie bemühte sich also Adalien treflich auszuputzen / und hatte zu dem Ende die kostbarsten Kleider und Jubelen mit sich genommen / damit es ja an nichts nicht ermangeln solte: Unter wehrenderen Ankleiden schmeichelte sie Adalien unauffhörlich / wie wohl und schön ihr dieser Schmuck liesse / an statt daß die schlechten Kleider ihre Gestalt nur verringert.
Sage dieses nicht / fing Adalie in Schertz zu ihr an / denn sonst straffest du Graf Alfreden Lügen. Wie so? gnädiges Fräulein / fragte Doris, hat ihnen irgends der Graf heute zu tieff in die Augen gesehen? das wirst du ja wissen / sagte Adalie, weil du mit dabey gewesen. Ich habe wohl gemercket / antworteteDoris, daß er ziemlich roht wurde / wie er sie heute unabläßig betrachtete: Gewiß er hat gefunden / was ihm anstehet. Hier frage diese Arie, die ich von ihm empfangen / sagte Adalie und überreichte ihr des Grafens Schreiben.
Doris lase solches mit guter Andacht durch undAdalie fragte sie hernach: Solte ich nun nicht in meinen schlechten Kleidern bleiben / wenn [398] ich ihm weiter gefallen wolte? O nein / antwortete Doris, sie werden ihm noch mehr Annehmligkeiten in diesen entgegen setzen / und ich hoffe ein gut Tranckgeld von dem Herrn Grafen zu verdienen / wenn ich die Schönheit seiner Liebens-würdigen Braut erhöhete. So nennest du mich schon seine Braut? hub Adalie an. Er heisset ja mein gnädiges Fräulein so / entschu digte sichDoris, und ich weiß nicht / ob ein so galanter und vornehmer Herr soll unglücklich seyn.
Ich gestehe es / sagte Adalie, daß tausend andere sonderlich die von keinem Gräflichen Stande eine solche Partie mit Freuden annehmen würden / allein ob ich ihm gleich nicht feind bin / so widerredet die Treue doch zu meinen erblichenen Bosardo alle andere Verbindung / sie sey so anständig / als sie wolle /zu meiden.
Doris bemühete sich zwar durch allerhand Beweiß Gründe einer übermäßigen Treue / welche gegen die Todten auffhörete / Adalien auff andere Gedancken zu bringen / und hingegen Alfreden einzuschmeicheln; weil aber Adalie nicht darzu geneigt schiene / muste sie vorsichtig mit ihren Einreden gehen / damit ihr Fräulein nicht dadurch beleidigt würde.
Sie waren noch im Discurse von dem Grafen begriffen / als ihn die Printzeßin mit ins Zimmer brachte / und sie in das ihrige mit nehmen wolte: Alfredo war recht betroffen / da ihn [399] Adalie in so erstauender Pracht und Schönheit entgegen gieng / und Emilie sahe sie selber mit Verwunderung an.
Adalie merckte die Veränderung in beyder Gesichte / sie stellet sich aber / als ob sie selbige nicht wahrnähme / und machte mit einer freymüthige Art die Dancksagung vor die hohe Gnade / daß sie eine unterthänige Dienerin so viel würdigten / und sich selber in ihr Zimmer bemühet: dabey nennete sie ihren itzigen Auffzug bloß eine Würckung des Gehorsams / welchen Ihr. Durchl. sie allezeit schuldig wäre.
Emilie antwortete / daß ihr dadurch eine grosse Gefälligkeit geschehen / und wolte sie wünschen / daß ihr Adalie solche jederzeit mit freyen Hertzen leisten könnte.
Darauff nahm Alfredo die Printzeßin bey der rechten / Adalien aber bey der lincken Hand / und führte sie in Emiliens Gemach: er forschete dabey durch Blicke / wie viel ihm Adalie auff auff die heutige Liebes-Erklährung hoffen ließ / und da er selbige freundlich fand / legte er es gleich zu seinen Vortheil aus /und gab ihr seine grosse Verpflichtung durch ein sanfftes Hand drücken zu verstehen.
Emelie brachte den über der Taffel gehabten Schertz wieder auff die Bahne / und erinnerte Alfreden, seiner Parol nach zu leben: er ließ sich nicht lange darzu bitten / sondern carressirte Adalien auff das verbindlichste / und hielte [400] an / ihn ihre Gunst auff zunehmen / dabey er denn die Printzeßin ersuchte /ihren hohen Versprechen nach / sein Glück vollkommen zu machen.
Emilie drange gleichfalls auff Adalien, dem Herrn Grafen eine geneigte Antwort zu geben / und sie wuste nicht / ob Alfredo Emilien seine Liebe zu ihr gestanden / oder was sie sonsten aus dieser Anwerbung machen solte. Sie fragte also / woher denn dieser Schertz rührete / daß sich der Herr Graf in eine schlechte Person verliebt stellete. Alfredo versicherte sie hingegen seines Ernstes / und Emilie halff immer getreulich darzu: denn sie meinte nicht / daß es Alfredens gäntzlicher Wille / und weil Adalie aus Unwissenheit / was über der Tassel vorgegangen / zu weilen erörthete / suchte sie diesen Spaß fortzutreiben.
Man kurtzweilete also von einer Seiten / was man von der andern von Hertzen wünschete / biß Emilie durch ihren Cammerdiener erfuhr / daß der Marschall mit ihr was zu reden / und sie eine kurtze Zeit allein beysammen ließ: Da sie denn im hinaus gehen den Grafen nochmahls erinnerte / es unterdessen so weit zu bringen / damit sie zu einer angenehmen Verbündung gratuliren könnte.
Allein es brauchte es gar nicht / Alfreden zu etwas zu ermahnen / worauff er mit ungemeinner Sehnsucht wartete / und diese Gelegenheit kam ihm so schön /daß er alle Augenblick zu Beforderung [401] seines Vergnügens vor kostbahr schätzte. Daher sing er an / mit den verbündlichsten Worten seine Leidenschafft vorzutragen / welche in seinen Hertzen ihre vollkommene Schönheit und der durchdringende Verstand gewürcket / den er in so weniger Zeit als den herrlichsten admiriren müssen: er bathe dabey inständig / ihn bald mit einer gütigen Erklärung zu erfreuen / und versichert zu seyn / daß er seine Ergebenheit alsofort durch würckliche Kennzeichen bestätigen wolte.
Adalie sahe wohl aus seinen Augẽ die starcke Liebe gegẽ sich lodern / sie wolte aber mit Fleiß nichts davon wissen / und masse alles seiner Gewohnheit zu schertzen bey: Alfredo wiederredte zwar solches mit den geschicktesten Carressen / doch da Adalie noch immer zweiffelhafftig deswegen bliebe / und er besorgte / es möchte ihn die Printzeßin durch ihre Zurückkunfft stöhren / so betheurete er sehr hoch /wie er im Ernst eine vergnügte Vermählung mit ihr einzugehen wünschte.
Nun sahe sich Adalie in die Enge gebracht / daß sie nicht wuste / was sie antworten solte: sie mochte ein Gelübde vorwenden / dadurch sie das Heyrathen verredet / oder sich entschuldigen / daß sie einer solchen Ehre nicht würdig / so galte alles doch bey den entzündeten Grafen nichts / sondern er häuffte damit nur die stärcksten Verpflichtungen / und verlangte durchaus eine [402] gütige Genehmhaltung seiner treuen Flammen.
Emilie kam darzu ins Zimmer / und ob es dem Grafen gleich innerlich verdrosse / verbarg er doch seinen Unwillen / und ersuchte unter den Schein der vorigen Kurtzweil / daß Ihre Durchl. doch die Gnade vor ihm haben möchten / und nun dero hohen Versprechen nach sein Glück bey dem Fräulein machen / weil sie allzu hart gegen ihn wäre.
Die Prinzeßin nahm zum Spaß ein ernsthafftes Gesicht an sich / und redete Adalien zu / nicht so eigensinnig zu seyn / weil sie keine Ursache eine solche Vermählung auszuschlagen hätte / die tausend sich vor ein grosses Vergnügen schätzen würden: Alfredo fuhr gleichfals in seinen Bitten fort / und Adalie gab endlich bey vermeinten Ernst der Printzeßin / und daß doch ihr Bosardo gestorben / daß Jawort als halb gezwungen von sich.
Niemahls hat wohl jemand einen erfreutern Augenblick auf der Welt erlebet / als Graf Alfredo, da er aus den schönsten Munde eine so höchst-erwünschte Erklärung vor seine Liebe erhielte: er wuste nicht Worte genug auszusinnen / wodurch er ihr seine Verpflichtung vor solche Güte bezeigen wolte / und sein Vergnügen war so groß / daß er zu Befestigung desselben alsobald einen kostbaren Ring von der Hand zohe /und ihr solchen ansteckte.
[403] Dabey machte er Emilien die gröste Dancksagung /daß sie durch ihre hohe Vermettelung seine Zufriedenheit befördern wollen / deswegen er unterthänig versicherte / so ein höchstschätzbares Kennzeichen ihrer Gnade Lebenslang mit verbunden Hertzen zu ehren /wo er aber durch unterthänige Dienste solches in geringsten zu ersetzen vermögend / möchte sie ihm dero gnädige Befehle würdigen. Adalie wolte die gebührende Höflichkeit beobachten / daher machte sie der Printzeßin das Compliment gleichfals.
Emilie machte grosse Augen über diese unvermuthete Verbindung / und sie war eben in den Begriff / dieser Kurtzweil ein Ende zu machen / da sie mit Verwunderung sahe / daß Ernst draus wurde; doch es mißfiel ihr eben nicht / weil sie Adalien wegen ihrer Seltenheiten der gütigen Natur und des herrlichen Geistes noch eines höhern Glückes würdig schätzte; und was Alfreden anbelanget / hätte sie selbigen wohl vor sich selber behalten / wenn sie nicht Hoffnung zu einen anständigern Printzen gehabt / und da ihr der Marschall itzo eben die Nachricht gebracht / daß Rosantes nur noch eine Stunde von ihren Schlosse sey /war es ihr angenehm / ihn bey zeiten mit einem Fräulein versorget zu sehen / die sie sehr liebte.
Sie fuhr demnach in ihrer Verstellung fort / und wünschte bey den tausendfaches Glück [404] zuchrenschöne Bündnisse / bezeigte sich auch so erfreuet über den gutẽ Ausschlag ihrer angewantẽ Mühe / daß Adalie gäntzlich in der Einbildung bliebe / sie müsse von Alfreden in Ernst üm die Erfüllung seines Wunsches seyn ersuchet worden.
Es machte sie dieses noch mehr glaubend / da Emilie berichtete / wie der Printz Rosantes oder vielmehr nun Hertzog von Allerona, bald in ihrem Schlosse einsprechen würde / weil er nur eine Stunde noch davon entfernet: und deswegen bathe sie Graf Alfreden / daß er ihr die Gefälligkeit erweisen / und dem Printzen nebst andern ihren Cavallieren entgegen fahren möchte.
Alfredo wäre wohl gerne bey Adalien geblieben /um seine Sehnsucht auf ihren Purpurreichen Lippen durch tausend entzückende Küsse zu stillen / so aber lieffe es wider den Wohlstand / der Printzessin ihr Verlangen abzuschlagen: daher nennete er es eine Schuldigkeit / Ih. Durchl. zu gehorsamen / und weil es hohe Zeit war / und die Carossen und Pferde seiner drunten schon warteten / nahm er mit den Augen ein verpflichtetes Adjeu von Adalien / und ritte dem Printzen nebst dem Hof-Marschall und andern Cavallieren entgegen.
Emilie setzete sich darauf in den propresten Schmucke in eine Carosse / Adalie / als des Grafens zukünfftige Gemahlin / in die andere / die [405] Staats-Damen aber in die übrigen nach dem Range / und fuhren dem Printzen gleichfals entgegen / nachdem Alfredo und die anderen etwas voraus geritten.
Rosantes / welchen der tapffere Renard, seine schöne Barsine nebst noch einem Cavallier und vielen Pagen und Laqueyen bekleideten / versahe sich einer solchen Ehre nicht / und glaubte / gantz unverhoft auf diesem Schlosse anzukommen / weil er sich nicht einbildete / daß die Printzessin in voraus solte Nachricht davon kriegen.
Er wunderte sich deswegen / wie er eine Anzahl ansehnlicher Cavalliere auf ihn zu reiten fahe / und sagte zu Renarden: Hier geschiehet uns mehr Ehre / als wir verlangen / und mir wäre tausendmahl lieber / daß mich eine eintzige geliebte Person einholete. Wer weiß / antwortete Renard / warum Ew. Durchl. dieser Hof so respectiret / vielleicht daß er es beyzeiten gewohnt gedenckt zu werden. O nein / schüttelte Rosantes den Kopff / ich will ihn dieser Mühe gerne überheben.
Indem kam Alfredo näher / daher stieg er vom Pferde / und bewillkommete den Printzen in Nahmen der Printzessin aufs höflichste / schätzete sich dabey glückselig / hierdurch die hohe Ehre Sr. Durchl. Bekanntschafft zu gelangen / in deren hohe Gewogenheit er sich gehorsamst recommendirte.
Rosantes / der den Grafen kennete / stieg [406] ebenfals vom Pferde / und danckte mit gewohnlichen Ceremonien vor die unternommene Mühe: darauf die übrigen Cavallier folgeten / und Renarden / Barsinen / und den einen Cavallier von dem Printzen noch complimentirten.
Sie waren eine kleine Weile fort marchiret / so sahen sie viele Carossen gefahren kommen / deswegen fragte Rosantes den Grafen / was dieses zu bedeuten? Alfredo antwortete / daß die Printzessin einen hohen und höchst-angenehmen Gast selber einzuholen vor ein Vergnügen schätzte / und würden S. Durchl. die Gewißheit davon noch besser erfahren / als er sie itzo versichern könnte.
Rosantes verstunde wohl / was er damit meynte /sein Hertze war aber weit anders gesinnet / als man es sich allhier einbildete / und es war ihm nicht allzu angenehm / daß so viel Wesens von seiner Persohn an einem Orte machte / wo er nach Gefallen nicht erkenntlich dafür seyn könnte / und da es hernach nur verdrießliche Augen setzete.
Wie nun die Carossen sich völlig genahet / sprungRosantes vom Pferde / und verpflichtete sich gantz Ehrerbietig bey Emilien vor so hohe und unverdiente Ehre: Sie hingegen empfing ihn mit unbeschreiblichen Freuden / weil ihre Augen einen schönen Printzen vor sich fanden / mit welchen sich ihr Gemüth nicht wenig schmeichelte / dahero wurde das Wort-Gepränge auf [407] beyden Seiten nicht gesparet / nach dem er sich in ihre Carosse gesetzt / und mit ihr fortfuhr.
Nun kam die Reyhe auch an Renarden, und es erforderte die Höflichkeit / daß ihn Alfredo zu seiner geliebten Adalien, als der nechsten nach der Printzessin / in die Carrosse nöthigte / er aber begab sich zuBarsinen / und unterhielte sie mit Discursen. Der eine Cavallier von den Printzen wurde zu den übrigen Damen geführet / und damit nahm man den Weg wieder nach dem Schlosse zu.
Doch wieder auf Renarden zu kommen / so war dieser vor Freuden fast aus sich selber / da er Adalien so unvermuthet zu sehen kriegte: Wie betriegen mich meine Augen / schönste Adalie, sagte er zu sie / oder habe ich würcklich das Glück / euch zu umarmen?Adalie war so betroffen über diese nimmermehr gehoffte Begegnung / daß sie gantz zusammen fuhr: denn sie kennete Renarden noch gantz wohl / und daher entstunde eine gehlinge und heftige Verwunderung bey ihr / welche sie am gantzen Leibe erschütterte.
Ach Renard! fing sie endlich an zu ruffen. Mein liebstes Fräulein Schwester! hub er hingegen an / wie unendlich erfreut bin ich / einen so erwünschten Augenblick wieder erlebt zu haben. Wie geht es immer und möglich zu / fragte Adalie noch verwundrend /daß ihr mir eure angenehme Gegenwart schencket /wo ich euch in Ewigkeit nicht vermuthet? Ich werde alsobald [408] erfreuten Bericht davon abstatten / antwortete Renard / wenn es die Zeit erlauben wird. So seyd denn tausendmahl willkommen / wehrtester Renard, sagte Adalie / und umarmet ihn nochmahls.
Ach daß doch meine geliebte Barsine euch / Fräulein Schwester / itzo gleichfals umarmen solte / fiengRenard von neuen an. Ja wolte der Himmel / seufzeteAdalie / daß ich dieses Vergnügen mit euch erleben möchte / wie tausendmahl geruhiger würde nicht meine Seele seyn: aber kan man denn nirgends Nachricht von ihr kriegen? Mein wehrtestes Fräulein / gestund ihr Renard lächelnd / sie wird euch die Nachricht selber bringen / so bald wir in dem Schloß werden angelangt seyn.
Wie? Barsine? fragte Adalie befrembdet / ist meine liebste Schwester mit hier? Ja / sie ist mit hier /antwortete Renard / und verlanget von Hertzen den süssen Augenblick / ihre wehrteste Schwester zu küssen. O Himmel! wie werde ich noch so glücklich /sagte Adalie; Ihr werdet es noch mehr werden / gabRenard darauf / weil es die Tugenden eines so schönen Fräuleins verdienen.
O glaubet sicherlich / geliebter Renard, versicherte sie / daß ich dieses vor meine gröste Zufriedenheit schätze / nach so vielen Widerwärtigkeiten ein paar treu-Verliebte / und die mir so nah verwandt / in gewünschter Vereinigung zu sehen: [409] aber erzehlet mir doch / wie ihr meine Schwester wieder gefunden / und woher euch der Weg nach diesem Schlosse mit dem Printz Rosantes trifft.
Die Zeit würde zu kurtz fallen / antwortete er / umständlich zu erzehlen / wie seltsam und verwirt das Verhängniß mit uns beyden gespielet / ja was für Gefahr wir offtmahls sind unterworffen gewesen / daraus uns letztens eben der tapffere Printz errettet / welchen wir itzo zu begleiten die Ehre haben; doch wenn wir in einem Zimmer allein nebst meinem Fräulein seyn werden / weil ich euch zu gehorsamen / viel neues erzehlen. Jetzo bitte mir nur aus / von eurem Zustand so viel Gewißheit zu kriegen / ob selbiger nach Wunsche beschaffen / oder nicht?
Ich könnte ihn wohl gewünschter haben / antwortete Adalie / wenn nemlich mein erblaßter Bosardo noch lebte / und ich mit selbigen / wie Barsine mit euch / die Früchte der allerersten Liebe einerndete; weil es aber das Schicksal anders mit ihm und nun auch mit mir versehen / muß ich mich zu frieden geben?
Renard wuste nicht / was sie durch dieses letztere wolte zu verstehen geben / und fragte deswegen / ob sie denn gantz gewisse Nachricht von des Cavalliers Todte hätte / der ihr ehemals in Paris gefallen / und wenn sie dieses glaubte / ob sie ihr Hertz einem andern eingeräumet?
Ach von meines Bosardens Todte / antwortete [410] Adalie / habe ich leyder so viel Gewißheit empfangen /als ich mir nimermehr gewünscht / und zweymahl hat man mich eines andern versichern wollẽ; doch meine Leichtgläubigkeit / die aus Liebe gegen ihn entstanden / ist allezeit / und sonderlich zuletzt / mit unerträglicher Marter gestrafft worden / daß mich auch die grösse meiner Angst so wunderlich herum geführet /biß ich aus gewissen Ursachen / die ich hernach erzehlen will / unvermuthet an diesen Hof gekommen. Mein Wille ist niemahls gewesen / an einen Hofe in der Welt mich länger auffzuhalten / sondern die Treue vor meinen Bosardo biß in die Asche in dem Closter zu verwahren; allein eine höhere Macht scheinet es anders mit mir versehen zu haben / denn selbige hat mich durch der Printzeßin unabläßigen Bitten genöthiget / Graf Alfredens Braut zu werden.
Renard erschrack unmenschlich hierüber / und fuhr mit dem Kopf recht in die Höhe / da ihm eine unselige Zeitung in die Ohren drang: Adalie entsetzte sich über seine Bestürtzung gleichfals / und weil sie nimmermehr ersinnen konnte / warum es geschehen / fragte sie üm die Ursach.
Allein Renard erholte sich wieder / und weil er es nicht vor nöthig hielte / sich so bloß zu geben / fuhr er mit etwas ermunterten Gesichte fort / und fragte: Wenn die Verbindung mit dem Grafen geschehen? kaum vor eine Stunde / antwortete Adalie, und Alfredo hat [411] nicht Zeit gehabt / mir recht deswegen zu dancken / weil er sich gleich zu euer Einholung muste fertig halten: aber saget mir doch / warum ihr so sehr darüber erschrecket?
Nehmet es nicht ungütig / wehrtestes Fräulein / entschuldigte sich Renard verstellt / es hat nichts sonderliches zu bedeuten / und die Kleinigkeit will ich hernach bey besserer Zeit entdecken: Liebet ihr aber den Grafen sehr / und ist er ein vornehmer Herr? fragte er dabey.
Ich kan es nicht läugnen / daß ich ihn liebe / antwortete sie / doch noch lange nicht so sehr / als meinen verstorbenen Bosardo: und wer weiß / ob ich mich nach des Grafens Willen so bald erklähret /wenn nicht die Printzeßin mit ihm so hefftig auff mich gedrungen / daß ich fast nicht anders gekönnt: sonsten ist er ein verständiger Herr / und wie man mir gesaget / von so vornehmen Stande und grossen Herrschafften / daß er die Printzeßin wohl selber bekommen / wenn sie sich nicht / wie sie mir gestanden / Rechnung auff den Printz Rosantes gemacht.
Ihre Rechnung dürffte fehl schlagen / sagte Renard, denn der Printz ist aus diesen Absehen gar nicht an den Hof gekommen / und sie hätte besser gethan /wenn sie ihre Meinung nicht so deutlich verrathen: Doch dieses alles bey Seite gesetzt / so bitte euch /schönste Fräulen Schwester / daß / so bald wir auff dem Schlosse angelanget / ich und meine Barsine die erwünschte [412] Freyheit haben / mit euch eine Stunde allein in einen Zimmer zu seyn: denn es ist eine Sache von grosser Wichtigkeit / die wir euch vertrauen müssen / und weil euch viel daran gelegen / so leidet sie keinen Augenblick Verzug.
Adalie wuste nicht zu ersinnen / was vor eine wichtige Sache man ihr entdecken würde / und machte sich daher bald wegen des Grafens / bald wegen der Printzeßin / und üm andere Dinge mehr / tausend sorgfältige Gedancken; doch weil sie hier wegen kürtze der Zeit nichts erfahren könnte / versprach sie Renarden sein Begehren und ihre eusserste Begierde zu stillen /so bald es nur würde möglich seyn.
Unter diesen Discoursen hatten sie das Schloß erreichet / und wie Rosantes die Printzeßin aus der Karosse hub / blieb Renard nebst Adalien mit Fleiß etwas länger drinnen / biß der Printz Emilien fortgeführet / damit ihn Adalie nicht sehen möchte: inzwischen bathe er sie nochmahls um die versprochene Affection, und machte sich auch aus der Karosse.
Alfredo kam gleich mit Barsinen herzu gegangen /und wolte mit ihnen zur Treppen hinauff wandern: hier erstaunete die schöne Barsine, da sie Adalien an der Hand ihres geliebten Renards gewahr wurde: Sie ruffte also vor Freuden / ach! liebste Schwester / wie sehe ich euch hier! damit umarmeten sie ein ander /und küsseten sich mit inbrünstiger Liebe.
[413] Der Graf hörte mit Verwunderung an / daß dieses annehmliche Fräulein Adaliens Schwester / und wie sie ein ander bewillkommet / machte er Barsinen ein verbindliches Compliment / und nennete sich glücklich / seiner liebsten Braut ihr Fräulein Schwester kennen zu lernen.
Barsine stutzete gewaltig / Adalien eine Braut nennen zu hören / und sie würde ihre Bestürtzung deutlich an den Tag geleget haben / wo fern nicht Renard das Wort über sich genommen / und den Grafen hinwiederum becomplimentiret: doch Adalie merckte diese Veränderung an ihrer Schwester so wohl als vorher an Renarden, und wurde noch weit unruhiger: sie drückte aber als ein sehr kluges Fräulein Barsinen die Hand / dadurch zu verstehen gebend / daß sie sich besser fassen möchte.
Hieraus nahm Adalie Anlaß / den Grafen zu ersuchen / daß er sie mit ihrer Schwester vorher in einen Zi er etwas allein lassẽ möchte / ehe sie Emilie in ihrer vertrauten Unterredung störete / weil sie nach langer Abwesenheit einander gerne berichten wolten /wie es ihnen unter der Zeit gegangen.
Renarden gefiel diese Erfindung wohl / und Alfredo war von Hertzen damit zu frieden: indem sie nun fortgehen wolten / fing Renard zu Adalien an: nun geliebteste Fräulein Schwester / ich werde das Glück haben / auch [414] ein paar Worte von euch allein zu hören: Ja / antwortete Adalie, wenn es mein geliebter Graf bey der Princeßin entschuldigen will von Hertzen gerne / mein Engel / sagte Alfredo, so angenehmẽ und unverhofften Gästen kan man wohl eine Stunde allein gönnen.
Damit gingen sie sämmtlich zur Treppen hinauff /und Barsinen, nach dem Alfredo und Adalien in ein Zimmer geführet / begab er sich wiederum zur Princeßin: Renard begleitete ihn biß zu der Princeßin Gemach / und bathe eine kleine Unpäßlichkeit seines liebsten Fräuleins vorzuwendẽ / wo man irgend nach ihn fragen solte / dabey ersuchte er um die Affection, wenn es sich irgend schickte / sie heunte von der Tafel zu lassen / und eine Mattigkeit wegen der gethanen Reise vorwenden / die Ursache wolte er dem Herrn Grafen den andern Morgen mit Vergnügen erzehlen.
Alfredo lachte / und sagte / daß sie vieleicht einander viel artiges wurden zu berichten haben / daran er denn Morgen mit Theil zu nehmen hoffte / wo sie ihn wolten zu ihren Vertrauten annehmen / und wie ihmRenard deßwegen flattiret / ging er in der Prinzeßin Gemach.
Nun war der Abend schon so weit herein gebrochen / daß man zur Tafel schickte / und weil Adalie sich mit denen andern nicht einfande / fragte Emilie den Grafen darum: dieser brachte die erdichtete Unpäßlichkeit des frembden Fräuleins [415] vor / bey welcher Adalie aus Höfligkeit bleiben wolte / und Emilie sagte darauf im Schertz / daß er nur seine Braut in acht nehmen solte / damit sie nicht gleichfals kranck würde.
Renard eilte indessen geschwind wieder zu den Fräuleins / denn er besorgte / Barsine möchte irgends mit dem gantzen Handel loß brechen / welches er noch nicht vor rathsam hielte. Wie er daher ins Zimmer kam / und Adalie auff ihn zu lief / um die Ursach seiner heutigen Bestürtzung zu erfahren / sagte er /daß er erst mit ihrer Erlaubniß seine und seiner Barsinen Liebes-Geschichte erzehlen wolte / und wenn sie hernach gleichfals die geneigte Mühwaltung genommen / von ihren bißherigen Verhängniß Nachricht zu geben / würde es sich mit besserer Manier schicken /ihren Befehlen zu gehorsamen: denn er wolte sie hierdurch mit Fleiß so lange auffhalten / biß er den Printzen auff seine Seiten gezogen / und man die Sache nach auffgehobener Tafel so karten möchte / daß Rosantes zu Adalien ins Zimmer käme / ehe beyde was davon gewahr würden.
Es war ihm nicht wenig dabey Anast / wie doch dieser verwirrte Zufall aus schlagen möchte: denn Printz Rosantes liebte sie euserst / und weil er an unterschiedlichen Höfen sie in Teutschland gesuchet /hernach in Elbipolis des unrechten Bosardens seinen Betrug mit ihr vernommen / auch von einen Bootsman endlich [416] so viel erfahrẽ / daß er in dieser Gegend damahls ein schönes Frauen-Zimmer nebst einen Mädgen außgesetzet / war er nebst ihm und Barsinen hieher gereiset / in dem Vorsatz / wo er sie nirgends wo erfragen könnte / wolte er nimmermehr heyrathen.
Was vor Unglück würde nun nicht entstehen / bedachte Renard bey sich selbst / wenn Rosantes seine biß in den Todt geliebte allhier anträffe / und er selbige als Gemahlin in seine Armen legen wolte: wenn er erfahren müste / daß Adalie mit dem Grafen versprochen / und sie dieser durchaus nicht wolte fahren lassen: ja wenn Emilie aus Hoffnung zu den Printzen /Adaliens Ja Wort Alfreden wolte gehalten wissen /weil es in ihrer Gegenwart geschehen / und sie auff ihren Schlosse mit Gewalt nichts könnten ausrichten: dieses alles machte ihm tausend verdrießliche Sorgen / und weil er dem Printzen so sehr verpflichtet / auch ihre Gemüther sich am genauesten mit ein ander vereiniget / gieng ihm desse Wiederwertigkeit so nahe /als ob sie ihn selber beträffe.
Doch eusserlich verbarg er die Grösse seiner Unruhe / und sagte heimlich zu Barsinen: daß sie mit dem Printzen so lange solte verschwiegen bleiben / biß er ihn unverhofft und allein ins Zimmer geführet / hernach würde der Sache besser zu rathen seyn.
Hierauff bathe Renard Basirnen laut / daß [417] sie Adalien die Zufälle / so ihnen begegnet / erzehlen / und ihr die Zeit damit verkürtzen möchte / weil der Printz sich sehr nach ihm ümsehen würde / wofern er gäntzlich von ihm weg bliebe: er hofte aber schon zu rechter Zeit wieder da zu seyn / um ihre eigene Begebenheit mit anzuhören / darnach ihn recht hertzlich verlangte: Adalie war wohl damit zu frieden / und bathe nur / so bald es möglich / sich wieder bey ihnen einzustellen.
Im heraus gehen begegnete Renarden gleich Doris, und empfing ihn nach Art der Mädgen sehr freudig: doch er fragte sie gleich / ob sie den Printz Rosantes gesehen? Ja / gnädiger Herr / antwortete Doris, und ich bin recht drüber erstaunet / weil er Bosarden so ähnlich siehet / daß ich fast schweren solte / er wäre es selber. Schweiget damit / so lieb / als euch euer Leben ist / ermahnete sie Renard, und saget euren Fräulein noch zur Zeit kein Wort davon / es soll euch hernach schon vergolten werden. Ach ja / versicherte das Mädgen gantz befrembdet / ich habe schon schweigen gelernet / und wenn es auch noch so was grosses beträffe.
Wie er ins Taffel Gemach zu den andern Cavallieren kam / sahe er den Printzen bey der Printzeßin stehen / welche ihn immer so freundliche Blicke gab /daß er in seinen Gedancken gestärcket würde / sie müsse in ihn verliebt seyn: hingegen merckte er an den Printzen / daß er sie [418] wohl mehr höflich und ehrerbiethig als verpflichtet unterhielte / denn sein gantzes Wesen schiene ihm gezwungen und nicht natürlich munter.
Es wolte sich also nicht fügen / daß er dem Printzen was geheimes sagen können / deswegen begab er sich mit denen anderen Cavallieren in Discourse / und ob er gleich den Grafen heimlich anfeindete / stellete er sich doch sehr verbindlich gegen ihn / daß er hernach auch zu ihm trate: wodurch Alfredo Renarden überaus höflich wieder begegnete / weil er in den Gedancken stunde / in seine Schwägerschafft durch Adalien zu gerathen.
Es wurde darauff Taffel gehalten / und Renard hatte die Ehre / mit an die Fürstlich gezogen zu werden: nach dem sie nun fast abgespeiset / giengen die Gesundheiten treflich herum / und Alfredo war sonderlich bemüht / den frembden Gästen einen Rausch zu zu schantzen: allein Renard winckte dem Printzen unvermerckt mit den Augen / und weil Rosantes daraus schlosse / es müsse was zu bedeuten haben / ersahe er die Gelegenheit / nachdem man auffgestanden / Renarden ins Ohr darüm zu befragen.
Eu. Durchl. hüten sich vor den vielen Trincken /sagte ihm Renard, und sehen / daß Alfredo berauscht wird: so bald es aber möglich / folgen sie mir in ein ander Gemach. Rosantes urtheilte wohl daraus etwas sonderliches / doch [419] fielen seine Gedancken nicht auffAdalien, daß die eben so nahe seyn solte.
Er nahm sich demnach in acht / und gab bey dem Grafen eine Mattigkeit von der Reise vor / damit er ihn mit dem vielen Wein verschonete: Renard aber nebst dem andern mit ihnen angekommenen Cavallier brachten dem Grafen immer in die Wette Gesundheiten zu / und Adaliens ihre that er so viel mahl bescheid / daß er davon gantz truncken wurde.
Indessen hatte Rosantes Emilien in ihr Zimmer geführet / und weil er ihre Entzündung aus den Augen und Munde verstund / muste er sehr behutsam in seinen Reden gehen. Er caressirte sie zwar mit vielen Schmeicheleyen / doch vor wahren Verpflichtungen nahm er sich in acht / und drehete die Worte so manirlich / daß wenn sie ihn auf einen Liebes-Antrag bringen wolte / er auf andere Materie fiel.
So Politisch begegnete er Emilien, biß die Zeit etwas verflossen: hernach nahm er unter den Vorwand Abschied / daß er sie an der Ruhe nicht stören wolte /und hinterließ also Emilien zweiffelhafftig / ob Rosantes in sie verliebt sey / oder nicht; doch weil sie es wünschete / legte sie alle Reden zu ihren Vortheil aus / und schmeichelte sich / daß er itzo nur ehrerbietig /morgen aber wohl recht verbündlich gegen sie seyn würde.
Wie Rosantes wieder zu denen andern [420] kam / sahe er mit Lust / wie Alfredo dermassen zug deckt war /daß er fast auf keinen Bein stehen konnte: Renard fassete deßwegen den Printzen alsofort bey der Hand /und sagte Ew. Durchl. folgen mir nun / weil es Zeit ist: Sie machen sich aber geschickt / was angenehmes und was wiederwärtiges zu ertragen. Saget mir doch /mein wehrter Renard, fieng Rosantes gantz begierig an / was es ist. Ew. Durchl. lassen sich die Zeit nicht lang fallen / antwortete Renard, es will sich hier nicht wohl leiden.
Damit giengen sie zum Taffel-Gemach hinaus /ohne daß ihnen jemand von den Bedienten folgen durffte / und wie sie vor Adaliens und Barsinens Zimmer kamen / bathe Renard, der Printz möchte nur etliche Augenblick verziehen / er wolle gleich wieder bey ihm seyn.
Er machte sich also erst allein hinein / und weil sie beyde darinnen etwas lange gespeiset / hatte Barsine ihre Erzehlung kaum zu Ende gebracht / und Adalie die ihrige angefangen: Es ist gleich Zeit / sagte sie zu ihm / wenn ihr was von mir hören wollet. Ja wenn ihr mich damit zu vergnügen gedencket / antwortete Renard, so erwehnet nichts von Bosardens Tode / denn ich liebe ihn noch allzu sehr. Ach! wenn ich niemahls was davon erfahren / seuffzete Adalie, wie gerne wolte ich euch willfahren. Wenn er aber noch lebte /fragte Renard, wolte ihn denn mein liebstes Fräulein Schwester [421] Graf Alfreden vorziehen? Ach tausend mahl / wo es möglich wäre / versicherte ihn Adalie, aber warum machet ihr mir das Hertze damit bange /fragte sie weiter. Nicht ohne Ursache / antwortete Renard, denn ich will euch zeigen / daß ich Todte aufferwecken kan.
Hiermit öffnete er dem Printzen das Zimmer / und führte ihn an der Hand nach Adalien zu: Ach Englische Adalie! fing er vor unbeschreiblichen Freuden anzuruffen / da er sie erkannte: und eilte ihr mit ausgestreckten Armen entgegen. Adalie geriethe durch den unverhofften Anblick eines Gegenstandes / den sie vormahls mehr als sich selber geliebet / nun aber todt glaubte / in ein so plötzliches Schrecken / daß sie nur in diese Worte brach: O Himmel! was sehe ich! und eben / da sie Rosantes umfassete / sancke sie unter seinen Armen in Ohnmacht hin.
Barsine und Renard lieffen gleich hinzu / und rufften und bestrichen sie so lange mit köstlichen Wasser / biß sie wieder die matten Augen auffschlug: Mein Engel / sagte Rosantes zu ihr / entsetzet euch nicht vor dem / den ihr ehemahls über alles in der Welt geliebet: ihr sehet nicht einen Geist / sondern euren getreuesten / welcher euch in Pariß / die Beständigkeit seiner Flammen zu geschworen: Mein Tod / welchen ihr bißher geglaubet / ist nur ein Betrug gewesen / dadurch der falsche Bosardo in Elbipolis ein so schönes Fräulein hat hintergehen wollen. Ermuntert [422] euch demnach / unvergleichliche Adalie, und empfanget den jenigen geneigt / den ihr eurer Gunst würdig geschätzet: der die Treue gegen euch als sein Leben bewahret: der euch mit unbeschreiblichen Marter fast aller Orten der Welt gesuchet / und der nach höchst gewünschter Zusammenkunfft in eurer treuen Liebe seine gröste Glückseeligkeit finden wird.
Adalie sahe ihn dabey mit unverwandten und starren Augen an / und die Bewegung ihrer Lebens-Geister setzte sie in einen solchen Stand / der Barsinen und Renarden Mitleidens würdig / dem Printzen aber gantz entsetzlich vorkam / weil er die Ursache nicht zu begreiffen wuste. Wie ist es / schönste Adalie! könnet ihr noch nicht glauben / daß ich euer ergebenster bin? Ach martert mich doch nicht durch einen unruhigen Zweiffel / und vergnüget mich durch eine Antwort. Oder liebet ihr mich nicht mehr / so saget es nur / ich will Augenblicklich von euch und in den Todt gehen.
Fasset euch doch wehrteste Schwester / redete ihrBarsine zu / ihr sehet ja den jenigen Leibhafftig / den ihr biß in das Grab zu lieben versprochen / und es betrüget euch kein Blendwerckzwar heisset er nicht Bosardo, wie er sich aus wichtigen Ursachen in Pariß genennet / sondern Rosantes, der Durchleuchtige Printz von Allerona: Das Glück und die Liebe haben euch so was kostbares in seiner Gnade geschencket / [423] daß er euch vielen Printzeßinnen / und auch Emilien vorziehet: und diese unschatzbare Zuneigung werdet ihr mit verpflichtesten Hertzen zu ehren wissen.
Renard sprach ihr ebenfals nach Möglichkeit zu /ihre furchtsahme Gedancken nur gäntzlich fahren zu lassen / weil hier die schönsten Mittel dafür vorhanden; Allein wo solte das Vermögen bey einem zarten Frauenzimmer herkommen / die das Leben ihres Rosantes, und die Gunst eines Durchlauchtigen Printzen an statt unendlicher Freude in eusserste Todes Angst setzeten: sie sahe ihn mit durchdringenden Blicken an / und erkannte durch die Nachricht ihrer Schwester einen so schönen und großmüthigen Printzen / welcher sie in Bosardens Person geliebet / und aus ungemeiner Tugend seine Treue noch nicht verletzet: die Einbildung seines Todes muste nun verschwinden / da sie mit Erstaunen die Gewißheit ihres unseligen Irrthums erfuhr: Sie hatte ihr Glück über alles / was schön und prächtig heist / zu rühmen / da sie Amor nach so vielen Wiederwertigkeiten biß auff den eussersten Gipffel irdischer Vergnügung setzen wolte: allein so risse das Versprechen mit Graf Alfreden alle diese süsse Vorstellung übern Häuffen / und ihre Brust war ein Sammelplatz der wehmühtiasten Affecten.
Endlich brach die überhäuffte Quaal in die tiffsten Seuffzer aus / und da sich der bestürtzte [424] Rosantes ihr mit einem Kusse näherte / ruffte sie aus beklemmten Hertzen: Ach verhaster Alfredo, daß ich dich nimmermehr gesehen: damit legte sie als ohnmächtig das Haupt in die rechte Hand / und schlug die betrübten Augen zur Erden.
Der Nahme Alfredo war ein rechter Donnerschlag in Rosantes Ohren / denn er schloß hieraus gleich /daß der Graf Antheil müsse an ihr haben. Wie Alfredo? sagte er / in dem er gantz zurück fuhr / hat dieser an meinen Fräulein was zu fordern? so viel Durchlauchtiger Printz / antwortete Adalie, was mich zu der unglückseligsten der Welt machet / weil ich mich Eu. Durchl. Liebe nun nicht würdig schätzen kan.
O Himmel! fing Rosantes an zu seuffzen / was vor grausamen Zufällen bin ich unterworffen! habe ich deswegen die Liebste Adalie wieder sehen müssen /um aus ihren schönen Munde das End-Urtheil meines Lebens anzuhören? und sollen meine treue Flammen /die so lange Zeit gedauret / nun die gewünschte Belohnung einem andern überlassen / der nur eine kurtze Zeit in euch entzündet gewesen? Mein wehrter Renard! mein hoffen ist ümsonst / und ich bin verlohren.
Ew. Durchl. fassen sich / tröstete ihn Renard / Graf Alfredo hat noch lange nicht die Besitzung meiner Fräulein Schwester / und mit [425] Ew. Durchl. Willen soll er sie auch nimmermehr erlangen. Er hat nur eine Stunde vor unserer Ankunfft das Ja-Wort erhalten /und dennoch mehr gezwungen / als freywillig / weil die Printzessin so hefftig in sie gesetzet / daß sie als von aller Welt verlassen / sich nach ihrem Wunsche hat erklären müssen: und dieses ist aus dem Absehen geschehẽ / damit sie ihren alten Amanten deu Grafen loß würde / und sich hernach ungehindert dero Liebe ergeben könnte. Wir sind aber noch zu rechter Zeit ankommen / dieses unrechtmässige Bindniß zu stören / und Adalie hat noch vor wenig Augenblicken den Tod ihres vermeynten Bosarden beklaget / und gestanden / daß sie selbigen dennoch biß in die Grufft verehren werde. Was wollen sich also Ew. Durchl. über das Verhängniß beschweren / da ihnen selbiges die geliebte Person in die Armen lieffert / und selber weiset / wie sie sich vergnügen sollendenn sie haben weit gerechtere Anforderung an ihr / als Alfredo / weil sie diesem ihr Hertz nicht hat verschencken können /da selbiges Ew. Durchl. vor dero hohe Gunst längstens als ein Eigenthum zu gehöret; Und so der Graf auch so halsstarrig wäre / daß er ohngeachtet der Ehrerbietung / welche er Ew. Durchl. schuldig / nicht weichen wolte / wird er sich dennoch drein ergeben müssen / wann sie nimmermehr wieder in seine Hände kommet.
Rosantes wurde dadurch ziemlich wieder [426] aufgemuntert / und die vor verschwundene Hofnung fing von neuen in seinem Hertzen an zu leben / da er aus Renardens hertzhafften Zuspruch hörete / wie die Sache noch nicht so weit gekommen / daß sie mehr zu Alfredens als seiner Zufriedenheit ausschlagen könnte: dahero hub er zu Renarden an: euer Trost / wehrtester Freund! vergnüget mich unendlich / wenn nur die schöne Adalie selbigen billiget.
Wie solte meine Schwester / fiel ihnen Barsine mit in die Rede / ein so hohes Glücke ausschlagen /worzu sie noch zum Uberfluß verbunden ist? O nein /sie ist viel zu verständig. Ach ich weiß wohl / sagteAdalie bescheidentlich / wie hoch ich ein Glück ehren soll / üm welches auch die vollkommensten Printzeßinnen sich eyffrigst bemühen würden / und ich will alles mit verpflichtesten Hertzen annehmen / wenn nur Alfredo in Ruhe muß stehen / und ich in geringsten so ungemeine Hochachtung eines Durchl. Printzens würdig zu schätzen / dem ich mehr Ehrerbiethung / als Liebe schuldig bin.
Nicht so / unvergleiche Adalie, antwortete der erfreute Rosantes, ihr seyd mir mehr Liebe als Ehrerbietung schuldig / denn durch eure Gegengunst schencket ihr mir ein Vergnügen / das mir alle Ehre der Welt nicht geben kan. Schätzet euch demnach meiner Eftim nicht unwürdig / weil ihr die Vollkommenheit eurer Tugend und Schönheit dadurch beleidiget / und [427] so ihr für euren getreuen Rosantes einige Gutheit heget / so erweiset euch gegen ihn so vertraut und zärtlich / wie ihr ehemahls in Paris gegen Bosarden gewesen.
Darauf näherte sich der entzündete Printz ihren Lippen / und küssete sie mit so grosser Empfindlichkeit / daß diese entzückende Kost der Seelen alle Süssigkeit tausendfach einzubringen schiene / welche ihnen die langwürige Entfernung geraubet. Adalie vergasse sich dabey vor unaussprechlichen Freuden fast selber / und die Krafft der feurigsten Küsse eines Liebens-würdigen Printzen hatte so durchdringende Würckung in ihren Hertzen / daß Amor den Reichthum seiner Schätzbarkeiten auf einmahl zu verschwenden schiene / welche sonst tausend glückseelig-Verliebte kaum zusammen geniessen.
Wie unglücklich wär ich nicht geworden / fiengRosantes an / wenn Graf Alfredo diese Rosen an meiner statt gebrochen? Graf Alfredo kan sich nicht des geringsten Vortheils rühmen / antwortete Adalie, weil mein Durchläuchtigster Printz ihn zu rechter Zeit noch abgewiesen. So hat er nicht einmahl einen Kuß von euren schönsten Lippen bekommen? fragte Rosantes. Nein / so viel habe Ew. Durchl. noch noch nicht verschencket / versicherte Adalie, denn weil es ohne diß vor dero hohe Gunst nichts kostbares / so habe es desto genauer verwahren wollen / und Alfredo hatte kaum so viel Zeit [428] übrig / daß er in Gegenwart der Princeßin vor meine Erklärung dancken könnte /so muste er ihnen zu Pferde entgegen eilen. Wie er aber Morgen darzu aussehen wird / kan ich leicht erachten / doch Ew. Durchl. werden dero ergebensteAdalie schon zu schützen wissen.
Sorget nicht dafür / meine andere Seele / sagte Rosantes, und wenn auch tausend Alfredo kämen / sollen sie mir dennoch nicht aus den Armen reissen / was in meiner Brust ewig bleiben muß. Mir ist nur von Hertzen lieb / daß sich der Graf noch nicht auf diesen schönen Mund geweidet / und so gefällig ist / mir alles allein zu überlassen / drum werde ich billig diese Schätzbarkeiten auf seine Gesundheit einsamlen müssen.
Damit ümarmete er Adalien von neuen / und dieses schöne Paar küssete einander so inbrünstig / daß die Seelen in den vereinbarten Lippen zusammen flossen; Renard und Barsine wolten nicht müssige Zuschauer abgeben / dahero schritten sie zu gleichen Liebes-Geschäffte / und Amor schertzete unter zwey paar verliebten desto schöner / je feindseeliger er sich ihnen eine Zeitlang erwiesen.
Nachdem sich nun Renard bey seiner annehmlichen Barsinen geweidet / sahe er des Printzen hefftige Begierde in Küssen / und daß er fast nicht von Adaliens Lippen abkommen konte: dahero fing er in Schertz zu ihm an: [429] Ihr. Durchl. Alfredo siehet zu. Rosantes kehrte sich üm / und sagte lächelend / lasset ihm immer sehen / wie embsig ich die Früchte meiner treuen Liebe einernde / und wie sehr mich seine Braut vergnüget. So / mein Durchläuchtigster Printz / gabAdalie hierzu / so nennen sie mich seine Braut? Ja englische Adalie, antwortete Rosantes, ihr möget immer seine Braut in Gedancken bleiben / wenn ihr nur meine Gemahlin in der That seyd. Er wird aber eyffersichtig werden / sagte Barsine. O er ist gedultig / antwortete Rosantes, und seine Guthertzigkeit wird mich verpflichten / daß ich vor ihn ein gut Wort beyEmilien einlege. Es ist Schade / sagte Renard, daß die Printzeßin nicht da seyn soll / üm erfreuet zu sehen /wie sehr ihr der Durchleuchtige Rosantes ergeben ist. Sie wird unterdessen vergnügte Träume davon haben /antwortete Rosantes, und Morgen werde ich ihr wachend vorstellen / was für ein schöner Magnet mich an ihren Hof gezogen. Sie wird aber Eu. Durchl. Bündniß nicht vor gültig halten / wendete Adalie ein /weil sie um ihre Einwilligung nicht erst ersuchet worden. Graf Alfredo wird schon eine Vorbitte vor uns einlegen / antwortete Rosantes, und ich weiß / daß sie ihm geneigtes Gehör gönnet / weil er ja selber so gefällig ist / und nicht einmahl sauer darzu aussiehet. Er hat sich deswegen einen Rausch getruncken / sagteRenard, damit er nicht alles so genau sehen will. [430] So artig kurtzweilten sie über die betriegliche Einbildung dieser beyden Verliebten / und die Sorgen über den Ausgang dieses verkehrten Handels wurden in den vertrautesten Careßen gäntzlich vergraben / daß die vereinigten Hertzen auff nichts mehr dachten / als wie sie in den Hafen ihrer vollkommenen Vergnügung bald einlauffen möchten.
Endlich schienen doch die Stunden eyfersüchtig zu werden / sie länger in so unbeschreiblichen Ergetzen ungestöret zu lassen / indem sie so geschwind vorbey lieffen / daß ihnen die Mitternacht eine kurtze Trennung gebothe; Dannenhero wünscheten Rosantes undRenard diesen Engel gleichen Schwestern unter den entzückesten Küssen eine geruhige Nacht / und begaben sich damit nach ihren Schlaff-Zimmer.
Der Morgen war kaum angebrochen / als Alfredo seine im Rausch vergrabene Vernunfft wieder durch die Ruhe ermuntert / und nun begierig war / Adalien zu Gesichte zu bekommen. Er studirte im voraus auf eine geschickte Entschuldigung / die er wegen der gestrigen Trunckenheit und der vielleicht mit unterloffenen unanständen Bezeigung bey den Printzen undRenarden vorbringen wolte; und die Liebe gab ihm allerhand sinnreiche Vorstellungen ein / wie verpflichtet er seine neue Braut bedienen / und durch tausend Küsse einen schönen Anfang der künfftigen Caressen machen möchte.
[431] In so schmeichlerischen Vorsatz liesse er sich geschwind ankleiden / und weil er sich etwas lange in Federn verweilet / säumte er nicht / seinen Cammer- Diener mit einem Compliment nach Adaliens Zimmer zu schicken / dabey er melden liesse / wo sie sich auf befände / wolte er ihr persönlich die Visite geben. Der Cammer-Diener erblickte gleich die Doris, bey derer seines Herrn Gewerbe anbrachte / und sie bathe / ihm die Antwort von ihren Fräulein zubringẽ. Das Mädgen wuste schon / wie viel die Glocke schlagen würde / sie ließ sich aber nichts mercken / sondern nachdem sie ihn ein wenig zu verziehen geheissen / ging sie inBarsinens Zimmer / wo Adalie, Rosantes und Renard schon wieder zusammen waren / und brachte des Grafens verlangen an.
Nun hatten sie ins gesammt bereits berahtschlaget /wie die Sache am besten anzufangen: dahero ließ ihm Adalie zur Antwort wissen / daß sie die Ehre des Herrn Grafens Besuchung noch nicht annehmen könnte / weil sie nicht völlig angekleidet. Renard aber hiesse eine dienstliche Empfehlung seinetwegen machen / und daß er dem Herrn Grafen auff eine Stunde auffzuwarten / die Freyheit nehmen würde.
Denn er wolte ihm die Sache mit guter Manier mündlich vortragen / ehe etwan ein Lermen deswegen am Hofe entstünde / und meinte / ihn durch Vernunffts-Gründe von allen [432] Ausschweiffen einer vermuehlich darüber entstehenden Hitze abzuhalten: zu aller Vorsicht aber solte der andere mit ihnen gekommene Cavallier / Nahmens Alphander, ihn dahin begeleiten.
Wie er nun gehen wolte / sagte die etwas bangeAdalie: Nun mein wehrter Renard, richtet etwas gutes aus. Sorget nicht / hochgeschätztes Fräulein Schwester / antwortete Renard, Graf Alfredo wird sich schon zu bescheiden wissen / was er aus Recht und Ehrerbietung eurem Durchl. Printzen schuldig ist. So er höflich ist / gab Rosautes hierzu / wird es mich zu andern Gefälligkeiten verbinden / und ich werde absonderlich vor eure Mühwaltung erkentlich seyn. Ew. Durchl. bin zu weit höhern als so geringen Diensten verbunden / erwiederte Renard. Nun von mir sollet ihr gleichfals eine Belohnung haben / schertzte Barsine mit ihm. Es muß aber eine seyn / versetzte Renard lachend / die ich noch nicht von euch genossen.
Damit machte er sich nebst Alphandern nach des Grafens Zimmer / welches auf der andern Seite des innern Schlosses war / daß sie also über den Hof gehen musten.
Alfredo empfienge sie gantz höflich / und fragte so gleich nach seiner Liebsten und Adaliens Auffbefindẽ / welche sich doch nun vertraut genugwürden unterredet haben / nachdem [433] sie eine Nacht beysammen geruhet / und er sie also heute zur Tafel zu führen hoffte. Dabey entschuldigte er sehr seine gestrige Trunckenheit / und schrieb es der über so höchstangenehmer Personen Gegenwart entstandenen Freudigkeit zu /welche ihn auffer Gewohnheit zu der Vielheit des Weins ermuntert.
Renard danckte hingegen vor die ihnen erwiesene Ehre der gestrigen Bedienung / und rühmte dabey die Vollkommenheit seiner Conduite, welche sie daraus zu erkennen das Glück gehabt / weil er sich auch in der Trunckenheit nicht anders als geschickt angeführet.
Dergleichen Ceremonien wurden erst gewechselt /und Graf Alfredo ließ ein gutes Früh-Stück auf die Tafel bringen / und bezeigte sich innerlich und äuserlich sehr vergnügt.
Die Reden fielen darauf auf den Printz Rosantes, und Alfredo fragte / ob er selbigen nicht bald zu einen hohen Bündnis (die Printzeßin darunter verstehend)gratuliren solte? Renard antwortete auf Adalien zielend: daß ihn der Herr Graf verpflichten würde / wenn er solches thäte / und sich hiermit alles Anspruchs begeben wolte. Von grund der Seelen gerne / versicherte Alfredo lachend / weil dem Durchl. Printzen oder vielmehr Hertzog von Allerona ohne dieß der Rang vor mir gebühret. Darf er sich aber auf die Gutheit des Herrn Grafens sicher verlassen? fragte Renard als in Schertz. [434] Ich versichere es ihm bey meiner Parole, bekräfftigte Alfredo.
Nun so gründe mich denn auf des Herrn Grafens hohes Wort / und statte (sagte Renard) in Nahmen des Durchl. Hertzogs die verbündlichste Dancksagung ab / mit der Versicherung / daß sich selbiger äusserst bemühen wird / euch bey aller Gelegenheit angenehme Dienste zu leisten; wie er denn ausdrücklich eure Meinung ausbittet / ob er euch bey der PrinzeßinEmilie gleiche Gefälligkeit kan erweisen / weil er gehöret / daß ihr gantz wohl bey selbiger gestanden. Denn vor ihm ist es bey so gestalten Sachen kein Bündniß / ob er wohl nichts daran auszusetzen / wenn ihm nicht die Beobachtung seines Hochfürstl. Wortes / so er Adalien zu einer Vermählung in Pariß gegeben / mehr auf die Tugend als Staats-lnteresse sehen hiesse. Da ihr nun so großmüthig seyd / Herr Graf / mit wohlanständiger Gelassenheit mein Fräulein Schwester einem nähern zu überlassen / wird vor so ruhmwürdigen Entschluß der Durchl. Hertzog euch in allen wiederum zu dienen nicht allein geneigt seyn / sondern es kan auch euer höheres Glück befördern / wenn die Princeßin bey solcher Bewandniß die Unmöglichkeit einer Vermählung zwischen ihr und den Hertzog siehet / und aus voriger Eftim eurer Qualitäten eine üm sie gethane Anwerbung desto erfreuter aufnimmt.
[435] Alfredo stutzete schrecklich bey diesen Vortrag /und lehnte sich recht mit dem Haupte an den Stuhl zurücke / um durch unverwandte Blicke aus Renardens Gesichte zu erforschen / ob es Ernst oder Schertz seyn solte.
Wie? Renard! fing er endlich fragend an / wolte mich Adalie wohl so leichtsinnig vertauschen / wenn der Hertzog in sie verliebt wäre? Es ist keine Leichtsinnigkeit / wiederredete Renard, welche Adalien zu diesen Entschluß bewogen / indem sie des Herrn Grafens Vermählung mit ihr vor ein hohes Glückes schätzen würde / wenn nicht der Durchl. Hertzog nähere Forderung an sie hätte / dannenhero bleibt sie euch vor die auf sie gelegte hohe Gewogenheit verbunden /und bittet die Schuld nicht ihr / sondern dem Verhängnis beyzumessen / welches sie am ersten zu des Durchl. Hertzogs Liebe bestimmet. Daß sie aber ein neues Bündniß mit euch eingehen wollen / ist daher geschehen / weil ihr falsche Leute hochgedachten Ih. Durchl. Tod vor gewiß berichtet / und sie also in der gäntzlichẽ Meinung / es verhalte sich das betrüggerische Vorwenden einiger Ubelgesinnten in der That also / keine schätzbarere Wahl als die letzte mit dem Herrn Grafen treffen können.
Dieses brachte Renard mit ernsthaffter Mine vor /daß Alfredo keinen weitern Schertz daraus machen konte / er war anfangs gantz verwirrt in seinem Kopfe / indem er sich in dẽ seltsamen [436] Handel nicht finden konte / und meinte; Rosantes habe fich gestern erst inAdaliens Schönheit verliebet / und ihr seine Neigung zu verstehen gegeben; weil sie nun der Ehrgeitz blendete / wolte man ihm durch solche Erfindung abweisen.
Die Liebe / die sich durch Adaliens Annehmlichkeiten in seine Brust von weit stärckerer Dauer gewürcket / als daß er sie so leicht abstehen solte: der Schimpf / den man ihm als einen Grafen durch solches Anmuthen erweisen wolte / und die Eyffersucht erregten einen gewaltsamen Sturm in seinen Gemüthe.
Wie er nun ohne Antwort mit starren blicken aufRenarden gehefftet blieb / fing Alphander an: fasset euch / Herr Graf / und erinnert euch des begebenen Anspruchs / so wird man eure Großmuth zu rühmen haben. Ich habe mich meines Rechts noch nicht begeben / antwortete Alfredo mit erbitterten Lachen / weil ich die Printzeßin und nicht Adalien drunter verstanden / auch gemeinet / daß man würde verständiger seyn / und einen Grafen nicht verächtlich zu tractiren suchen. Es ist keine Verachtung / sagte Renard, was das Recht erforrdert / und so ihr Herr Graf / von dieser verwirten Sache ausführliche Nachricht und mehrern Beweißthum der hierunter gesuchten Billigkeit haben wollet / kan ich auf euren Befehl es alsofort weitläufftig verrichten.
[437] Die durch Zorn erregte Gluth trat immer stärcker in Alfredens Gesichte / daher er sich kaum noch so viel mäßigen könte / daß er sagte: Es braucht der Mühe nicht / Adaliens Wanckelmuth anders als mit einem unzeitigen Ehrgeitz zu beschönen; und ob Rosantes gleich ein Hertzog ist / so bin ich ein Graf / und will ihr Versprechen gehalten wissen.
Es ist besser / erwiederte Alphander, die Sache in der Güte und mit Höflichkeit beyzulegen / denn doch mein gnädiger Hertzog nichts von seiner rechtmässigen Forderung abstehen wird / sonsten aber erböthig ist / dem Herrn Grafen alle Gefälligkeiten zu erweisen. Ich verlange keine andere Gefälligkeit / antwortetet Alfredo, als daß der Hertzog seinen Respect nicht verletzen / und mir meine Braut verführen soll.
Renarden und Alphandern verdrossen die anzüglichen Reden / und musten sehr an sich halten / daß sie ihm nicht derben bescheid drauff gaben: doch in der Hoffnung: Alfredo würde nach erst verrauchter Hitze gescheuter werden / suchten sie ihn gantz bescheidentlich auff andere Gedancken zu bringen / und bathen sehr / sich von einem unnöthigen Eyfer nicht übereylen zu lassẽ.
Allein das entzündete und mit Gall verwischte Blut hatte als ein gewaltsamer Strohm sich dergestalt in ihm ergossen / daß es die gantze Vernunfft übern Hauffen gerissen; und das viele Zureden vermehrte als ein loderndes [438] Oel nur seine feurige Wuth / daß er vor Tollheit anhub: so soll denn Blitz / Donner und Hagel einschlagen / und wir wollen einander eher die Hälße brechen / als Rosantes Adalien kriegen soll.
Hier hatte auch Renardens und Alphanders Gedult ein Ende / und antworteten also auff diese Verwegenheit erhitzt: man würde solche Pralerey schon anderwerts zu ahnden wissẽ. Und damit giengen sie ohne weitere Ceremonien zum Zimmer hinaus.
Was wollet ihr ohnmächtige Hunde thun? schrieAlfredo, und lief mit blossen Degen in der Faust hinter sie drein. Renard und Alphander reterirten sich eiligst zur Treppen hinunter / und zogen unten im Schloß-Platze / wo sie rechten Raum hatten / gleichfals von Leder. Sie giengen erhitzt auff einander loß /und weil Alfredo nur allein / stunde Alphander so lange müßig / biß von des Grafen Dienern drey mit blossen Gewehr zu sprungen / und ihren Herrn beystehen wolten.
Da entstunde nun eine blutige Arbeit / denn der rasende Alphedro stoßte gantz verzweiffelt vor sich /und seine Diener ebenmäßig: Renard und Alphander aber wehreten sich tapffer / doch behutsam / weil sie mit vieren zu thun hatten.
Rosantes, der gleich Anfangs au dem Fenster diesen ungleichen Streit gewahr wurde / eilte wie der Blitz hinunter / und ließ Barsinen und [439] Adalien über den ungewissen Ausgang dieses gefährlichen Balgens in rechter Todes Angst. Er hieb alsofort den einen Diener in den Arm. daß er den Degen fallen ließ / darauff riesse er dem andern / der nebst noch einen überAlphander her war / die Klinge aus der Faust / und trat ihn zu Boden / und weil der dritte auch verwundet / hätte man Alfreden, der ohne diß schon einen Stich in den Arm von Renarden bekommen / leicht den Garaus machen können / wo Printz Rosantes nicht zu Großmüthig gewesen.
Er trat also selbst darzwischen / da ihm Renard scharff zu setzte / und sagte: Sehet / Herr Graf / was ich itzo thun könnte / wenn ich mich durch Unrecht zu Adaliens Besitzung dringen wolte. Weil ich aber eher Antheil dran gehabt / so mäßiget eure Begierden / und glaubet / daß ich ohne den geringsten Vorsatz / euch zu hinter gehen / euer auffrichtiger Freund bin.
Alfredo wurde durch so edles Verfahren überwunden / daß er antwortete: Ew. Durchl. vergeben / denn wo mich die hefftige Liebe zu etwas verleitet: ich will mich in das Schicksall ergeben / weil selbiges nicht zu ändern stehet: und ihr tapfferer Renard lasset gleichfalls allen Groll fahren / denn in solchen Fällen ist man seiner nicht mächtig.
Sie ümarmten darauff einander / und aus diesen gefährlich aussehenden Spiele machte die Tugend die besten Freunde. Es war unter dessen [440] eine grosse Menge Cavalliers / Pagen und Laqveyen herzu gelauffen / und der Schloß Hauptman kam auch mit der Leib-Wache herzu / und wolte Friede machen; doch da die Streitigkeit bereits so löblich beygeleget war giengen sie wieder von einander / Graf Alfredo aber nöthigte den Hertzog nebst Renarden und Alphandern mit auff sein Zimmer.
Alfredo entschuldigte sich hier von neuen wegen des vorgegangenen sehr höflich / und nach dem ihm hergegen Rosantes aller Affection versichert / muste er sich die in den Arm bekommene Wunden / welche von keiner Wichtigkeit war / verbinden lassen; die Diener wurden gleichfalls dem Wund-Artzt übergeben / und dieser vertröstete sie wegen der wenigen Gefahr auff eine gute Cur.
Man verscharrete hierauff allen entstandenen Unwillen in ein Glaß Wein / und weil doch Rosantes Alfreden auff dessen höfliches Ersuchen die ausführliche Beschaffenheit seines Liebes-Verständniß mitAdalien vertrauen wolte / erzehlte ihm solches Renard so ümständlich / wie er es von Rosantes undAdalien erfahren.
Alfredo bewunderte diese verwirrte Begebenheit /und verwandelte seine zuvon übereilte Reden in tausendfache Glückwünsche vor das hohe Wohlergehen eines höchst preißwürdigsten Paares; er bathe dero beyden hohes Wohlwollen beständig aus / mit dem Erbiethen / daß [441] er ein so schätzbares Glück statt des ietzgen Versehens durch alle nur möglichste Dienste zu erhalten wolte bemüht leben.
Rosantes nahm solche Höflichkeit mit verbündlicher Dancksagung auff / und ersuchte ihn gleichfals /allen gehegten Wiederwillen in eine wohlmeinende Freundschafft zu verwandeln / wovon er denn ein angenehmes Merckmahl nehmen wolte / wenn er ihm seine Gedancken wegen der zur Printzeßin getragenen Liebe eröffnen würde.
Alfredo gestunde ohne Verstellung / daß er vor Ihr. Durchl. Ankunfft etwas bey Emilien zu hoffen gehabt: nach dem sie sich aber einer würdigern zu erwehlen die Rechnung gemacht; und ihm Adaliens Schönheit so sehr in die Augen geleuchtet: habe sich sein Hertz mehr nach der letztern als ersten Gegengunst gesehnet. Doch da das Glück hierinnen einem Durchl. Hertzog verbundener wär / wünschte er wohl bey Emilien in solcher Eftim zu stehen / als sich Ihr. Durchl. hohe Eigenschafften und trefliche Verdienste aus Billigkeit erworben.
Rosantes erwiederte / daß des Herrn Grafens eigene Qualitäten schon so viel verdienten / und solche Würden nun bey der Printzeßin auch in rechtmäßige Hochachtung gezogen werden / wo er sich darum bemühte: was er nach seinen wenigen Vermögen beytragen könnte / wolte er desto erfreuter auff sich nehmen / je mehr ihm dessen [442] Vergnügen in Erlangung einer vortreflichen Partie so lieb als sein eigenes sey.
Es wurde unter ihnen also abgeredet / die Printzeßin dahin zu bewegen / daß sie die dem Hertzog Rosantes zu gedachte Gunst auff Alfreden legen möchte. Und zugleich erfunden sie eine Ursache / dadurch sie die gehabte Streitigkeit bemänteln / und ein über den Trunck entstandenes Mißverständniß vorwenden wolten. Damit begab sich Alfredo mit Rosantes und Renarden in Adaliens Zimmer.
Sie fanden eben Emilien darinnen / welche über den entstandenen Lermen erschrocken / sich der Ursache hatte bey Adalien erkündigen wollen / selbige aber hatte darmit hinter dem Berge gehalten / und nun wunderte sie sich nicht wenig / daß die vor kurtzer Zeit gewesene Feinde schon wiederum versöhnet worden.
Sie wolte sie gleich darum befragen / als Rosantes mit einer geschickten Entschuldigung zuvor kam /welche so viel ausrichtete / daß Emilie die Erfindung vor wahr hielte / und desto eher keinen Unwillen bezeigte / je weniger sie eines so annehmlichen Hertzogs ersuchen was abschlagen konte.
Adalie propheceyte sich durch solchen geschwinden Vertrag gleich etwas gutes / an statt / daß sie zu vor in tausend Aengsten gestanden. Sie konnte aber nicht verwehren / daß ihre schönen Wangen bey den unvermutheten Anblick [443] des Grafen nicht nach eine Röthe angenommen / und Alfredo mochte seine innerliche Gemüths-Bewegung über das Anschauen eines von ihm noch sehr geliebten Fräuleins verbergen wollen / wie er konnte / so trat doch der Verräther aus dem Hertzen durch eine bluth rothe Farbe ins Gesicht.
Er nahm sich aber nach Möglichkeit in acht / solche Emilien, die mit dem Hertzog in einen Gespräch begriffen / nicht deutlich mercken zu lassen / und da er mit Adalien reden muste / mischten sich dennochBarsine und Renard mit drein / also / daß ihre Discourse nichts als von gleich gültigen Sachen waren.
Emilie stunde nach einer kleinen Weile wiederum auff / und wolte in ihr eigenes Gemach gehen: Rosantes sahe sich durch den Wohlstand genöthiget / sie zu begleiten / und dieses wolte eben die schlaue Emilie haben / weil sie in anderer ihrer Gegenwart keine Gelegenheit zu einer verpflichteten Unterredung mit dem Hertzog sahe.
Es wolte keines unter ihnen den Anfang zu einen Liebes Discurs machen / und Emilie empfande des Hertzogs Behutsamkeit hierinnen mit einem heimlichen Wiederwillen. Da aber dessen Feuerreichen Augen die Flammen in ihren Hertzen mehreten / und sie unter andern von Paris zu reden kamen / fieng sie an: Ew. Durchl. werden unter allen Seltenheiten / [444] die man an einen so galanten Hof findet / wohl am meisten das Frauen-Zimmer admiriret haben / denn selbiges soll sehr schön und vollkommen seyn.
Ich muß bekennen / antwortete Rosantes, daß ich was annehmliches daselbst gesehen / doch nicht in so schöner Menge / als es hier anzutreffen / und was man dort eintzeln bewundert / hat man hier in Uberfluß zu thun.
So saget man / gab Emilie lächlend hierauf / wenn man aus angebohrner Höflichkeit auch was unvollkommenes rühmen will. Doch Ew. Durchl. können wohl an einen Hof hierum was gefälliges gesehen haben / deßwegen ich ihnen Recht geben muß.
Ich bin so glücklich / versetzte Rosantes, es an der Durchl. Printzeßin Emilie ihren Hofe zu sehen / und wenn an meinen wenigen Beyfall was gelegen / so muß gestehen / daß die Wahrheit allhier mehr als die Höflichkeit von einem besondern Ruhm spricht.
Hier meinte Rosantes im Hertzen Adalien, Emilie aber schmeichelte sich damit und sagte: Die jenigen haben sichs vor eine Ehre zu schätzen / welche von Ew. Durchl. als einen der geschicktesten Herren unsrer Zeit ein so vortheilhafftes Lob erhalten; und wo sie kein Geheimniß draus machen / möchte ich dieselbe Persohn wohl kennen lernen. Ich verdiene von Ew. Durchl. Gütigkeit keinen so grossen Ruhm / [445] antwortete Rosantes / wenn ich etwas nach seinen Wehrt erhöhe; doch mich wundert / daß sie nach dieser Schönheit zu fragen belieben / da ihnen doch die Durchl. Emelie gar wohl bekant.
Emelien ihre Wangen strichen sich vor Freudigkeit des ihnen beygelegten Lobes mit neuen Purpur an /gleich als wolten sie durch diese neu aufgehende Pracht Rosantes Schmeicheley in die ihnen angenehme Wahrheit verwandeln: ihre Lippen aber stellten sich wegen der Würdigkeit eines solchen Ruhms noch zweiffelhafftig / nur damit Rosantes zu verpflichteten Wiederlegungen genöthiget würde. Sie sagte dahero:Emilie weiß sich gar wohl zu bescheiden / wie sehr sie Ew. Durchl. gefälligkeit in dem ihr beygelegten Lob rühmen muß / ob sie wohl sonsten von einem bey aller Welt beliebten Hertzog am liebsten ein auffrichtiges Bekäntniß wünschete / daß ihre wenige Gestalt mehr als itzo den Augen gefallen könnte.
Wenn die Durchläuchtigste Emelie mich vor einen Kenner der Schönheit achtet / wird sie mir zum wenigsten im Hertzen nicht wiedersprechen / antwortete er / daß sie vollkommen sey / ob es dero schöner Mund gleich aus preißwürdiger Tugend der ermangelnden Selb-Liebe zu thun gewohnt ist. Und so sie noch daran zweiffeln solte / so werde mit ihrer gütigsten Erlaubnis darthun / was für Würckung dero Annehmlichkeiten in einen Hertzen können verursacherr.
[446] Ew. Durchl. solten mich bald hochmüthig machen /sagte Emilie lächelnd / daß ich mir auf die schlechte Anzahl meiner Annehmlichkeiten was einbildete; doch weil ich Lust habe / zu wissen / wie sie dero galantes Schertzen nur mit den Schein der Wahrheit bemänteln wollen: so soll es mir gantz angenehm seyn /der Würckung meiner wenigen Gestalt durch Beweißthum überführt zu werden.
Ich werde es mit Vergnügen beweisen können /antwortete Rosantes, wenn nur die schöne Emilie dem jenigen einen Trost verspricht / welcher die durch dero Feur-reichen Blicke in seiner Brust entzündete Flammen zu eröffnen sich erkühnet.
Ich höre wohl / sagte Emelie mit freundlichen Augen / daß ich in voraus versprechen soll / einen Gefallen wegen dieses Bekäntnis zu haben. Keinen Gefallen / erwiederte Rosantes, sondern ein gnädiges Mitleiden vor diesen / welcher sein gröstes Glück allein in dero höchstschätzbaren Gegengunst suchet /und doch in Furcht stehet / durch freye Entdeckung seiner Liebe einige Ungnade oder keine Hoffnung zu seinen Vergnügen zu erlangen.
Nun meine Begierde zu stillen / erklärte sich die freudige Printzeßin / muß ich doch wohl ja sagen /weil der Durchläuchtigste Hertzog sonst Anlaß bekömt / sich von etwas loß zu wickeln / welches ihm schwer fallen wird.
[447] Gar nicht / schönste Emilie, sagte Rosantes, sondern es wird den jenigen nach versprochenen gnädigen Aufnehmens die angenehmste Verrichtung seyn /die er jemahls auf der Welt vorgenommen; wie ich mich denn vor diese schätzbare Güte verpflichte / und das Gemüth des jenigen unterdessen so einrichten will / damit es sich in ein gantz ungemeines Glück zu schicken lerne; Doch werden Ew. Durchl. erlauben /daß er wegen einiger noch beywohnenden Blödigkeit seine Ergebenheit schrifftlich eröfnet.
Emilie wunderte sich / worum ein so geschickter und wohlberedter Herr seinen Liebes-Antrag nicht mündlich wagen wolte / da er doch mit wohlanständiger Freyheit den Anfang darzu gemacht / und ein gantz geneigtes Aufnehmen seiner ihr beliebten Flammen aus ihren Reden schliessen könnte; doch sie legte auch dieses vortheilhafftig vor sich aus / weil sie es einer grossen Ehrfurcht zuschriebe / die er vor ihre Persohn trüge / daß er auch einem schrifftlichen Bekäntniß seiner Liebe erst durch gebetene Erlaubniß die Bahn machen wolte.
Sie ergetzte sich also in sich selber / daß ein so grosser und annehmlicher Fürst verliebt und ehrerbietig gegen sie sey / und weil sie dieses ihrer Gestalt zuschriebe / schmeichelte ihr die süsse Einbildung seiner wahrhafftigen Flammen / ihre Schönheit müsse doch einen Vorzug vor andern [448] haben / weil sie ein trefliches Kunst-Stück in Entzündung Rosantes erwiesen.
Allein Rosantes wuste am besten / was vor durchdringende Blicke seine Brust in Brand gestecket: und daß Emilie, wenn sie ihn entzünden wollen / als ein Mond die vollkommene Strahlen von zwey Sonnen entlehnen müssen / welche in Adaliens Gesicht als einen auffgeschlossenen Schönheits Himmel mit Verwunderung blitzeten.
Dahero hatten seine Verpflichtungen nicht seine /sondern Alfredens Person zum Ziel; und nachdem ihnEmilie als im Schertz erinnerte / ihr denjenigen schrifftlich zu zeigen / dessen Hochachtung sie zu besitzen / das Glück hätte / nahm er daher Anlaß / sich bey ihr zu beurlauben / damit er desto eher zu seinen Beweiß gelangen möchte.
Unterdessen hatte Alfredo nicht geringe Marter ausgestanden / da er seiner vor kurtzer Zeit gewesenen Schönen im Hertzen ein ewiges Adjeu sagen /und ihr dennoch bey so naher Betrachtung immer mehr und mehr Gewalt über sich einräumen muste. Er sahe sie zuweilen von der Seiten mit den beweglichsten Blicken an / gleich als solten diese stumme Redner sagen: Schönste Adalie, habe ein Mittleiden mit mir unglückseligen / und trage mit der Grösse meiner Quaal ein Erbarmen / weil es meine zuvor gebilligte und nun verworffene Liebe verdienet. [449] Ach hätte ich deine Englische Gestalt doch niemahl gesehen / und deinen erhabenen Geist von gleicher Vollkommenheit gefunden / wenn das Verhängniß mich so grausam von dir trennen will: oder möchte doch der Himmel einen Theil derjenigen Seltenheiten / die mich bey dir gefesselt / Emilien geschencket haben; wo ich anders zu ihrer Besitzung gelangen / und dabey zu frieden seyn soll. Doch beydes ist unmöglich / und bekleet meine Brust mit tausendfacher Angst / weil sie die inbrünstigen Seufftzer darinnen verschliessen muß. Allein ich gönne dir einen so theuren und großmühtigen Printzen / der der Gunst eines unvergleichlichen Meisterstückes eher als ich würdig: Nur gönne mir auch den Trost / daß du mich zum wenigsten Erbarmungs-würdig schätzest; und daß mein geängstetes Hertze eine Wehmuht in deinen schönen Augen erwecken kan.
Adalie beobachtete die innerste Regung des gequälten Grafens mehr als zu wohl: seine Augen waren als auff sie gehefftet / und schienen die Thränen aus der gemarterten Brust an sich zu ziehen / gleich als hielten sie vor eine Linderung der Schmertzen / wennAdalie auch die verborgenste Empfindung sähe: sein gantzes Gesicht war ein Abriß der grösten Traurigkeit: und die verwirrte und abgebrochene Reden gaben gleichfals die deutlichsten Kennzeichen unruhiger Sinnen von sich.
[450] Sie hatte ein Mitleiden wegen seiner eussersten Liebe / und dieses vermehrte das ehrerbiethige Stillschweigen / dadurch er seine Klagen lieber mit aller Gewalt verbergen / als sie und ihrem geliebtesten Hertzog damit beleidigen wolte.
Wie nun Renard Barsinen mit Fleiß etwas bey Seite führte / damit Adalie den verstöhrten Grafen /der sich auch ihnen mit seinen Afftecten bloß gabe /zu frieden sprechen möchte; und Alfredo dennoch ohne das geringste Wort zu sagen sie beweglich ansahe: sagte sie zu ihm: Fasset euch / Herr Graf / und lasset einen unversehenen Zufall nicht über eure Großmuth herschen; der Himmel hat einem andern meine Liebe / euch aber eine tugend haffte Freundschafft vorbehalten. Ich bin zu frieden schönste Adalie, antwortete Alfredo; seuffzend / und die eusserste Marter zu erdulden / ist schon genug / weil ihr es befehlet.
Adalie tröstete ihn mit der Printzeßin / und Alfredo sagte hierzu nichts / als daß er die Achseln zuckete: wie aber Rosantes ins Zimmer trat / raste er so viel als möglich alle Lebhafftigkeit zusammen / um keinen Anlaß zu einen Argwohn zu geben.
Rosantes fieng gleich mit einen freundlichen Lächeln zu ihn an: Nun Herr Graf / es ist schon der Anfang zu euren Glück gemacht / und Emilie wartet nur auff eine bessere Versicherung [451] eurer Liebe / die ich ihr schrifftlich von euch versprochen. Ja / antworteteAlfredo, wenn ich der Durchlauchtigste Rosantes wäre. Nein / nein / erweiderte Rosantes, ich glaube /daß ihr der Herr Graf Alfredo der einsten anständiger soll werden / als Rosantes.
Damit erzehlte er seine mit ihr verdeckt gewechselte Verpflichtungen; biß es so weit kommen / daß er den jenigen schrifftlich nennen wolte / welcher durch ihre Gestalt sey gerührt worden. Ob sie nun wohl /setzte Rosantes hinzu / die Rechnung auff ihn machte: in dem sie in der Einbildung stünde / der Herr Graf sey mit Adalien verbunden: so könnte er doch dieses Bündniß vor einen unter sich und Adalien abgeredeten Schertz ausgeben / und bekennen / daß ihm Adalie schon vorher vertraut / wie sie mit einen andern versprochen gewesen / von dessen eingelauffenen Tode sie noch gewissere Zeitung erwartete. Dahero würdeEmilie der vorigen Liebe desto eher wieder Raum geben / wenn sie ihn, als Rosantes an Adalien schon verkaufft sehe.
Graf Alfredo hätte zwar lieber eine so verliebte Pflicht bey Adalien abgeleget; doch weil er hoffte daß sein Gemüth mit der Zeit sich ändern / und die vorige Zärtlichkeit vor Emilien empfinden möchte: nahm er die Feder zur Hand / und setzete einen geschickten und sehr verpflichteten verpflichteten Liebes-Brief an sie auff / darin [452] er sich auff die Rosantes gegebene gnädige Versicherung ihrer Gegengunst gründete /und vorwendete / daß das Bündniß mit Adalien nur aus den gnädigen Schertz entstanden / welchen sie über der Taffel geführet / indem ihm bereits nicht mehr ungekandt gewesen / daß Adalie des HertzogRosantes geliebteste sey / mit der er sich in kurtzen vermählen würde.
Rosantes schickte den Brief durch seinen Pagen hin: und wie gewaltig Emilie über dergleichen Inhalt gestutzte / kam man sich leicht einbilden. Es kam ihr alles wie ein Traume vor / und weil sie gerne gewust hatte / ob es Ernst oder Schertz bedeute solte / liesse sie Alfreden selber zu sich holen.
Dieser machte sich hierdurch gute Hoffnung zu ihrer Gunst / und trug nun seine Liebe mündlich vor:Emilie sahe ihn mit starren Augen an / und wolte genauere Erklärung wegen alles haben: deshalben erzehlte Alfredo so viel / welches ihr Absehen auff Rosantes zu zernichten genug war.
Liebe / Scham / Verwunderung und Zorn hielten einen hefftigen Streit in ihren Hertzen / und selbiges wolte wenig Neigung zu Alfreden hegen / weil das so fest eingedruckte Ebenbild des schönen Rosantes so geschwind keinem andern konnte Platz machen: daher liesse er erst die hefftige Gemüths-Bewegung verrauchen: und da er merckte / daß Emilie durch eine gütigere Mine [453] gegen ihn Rosantes die Gedancken benehmen wolte / als sey ihre Hoffnung auff ihn gerichtet gewesen / und nun betrogen worden: so wagte er durch die verpflichteste Wohlredenheit noch einen Liebes-Sturm auff ihre zur Ubergabe geneigte Brust /und erhielte endlich durch ein süsses Ja einen gewünschten Einzug darein.
Seine Zufriedenheit hierüber wäre weit vollkommener gewesen / wo nicht ein Theil von seinem Hertzen bey Adalien zurück geblieben / welches mit einer kleinen Unruhe nach ihrer Gegengunst auch Wiederwillen seuffzen müssen: und Emilie empfande ebenfals nicht ohne Verdruß / wie sehr Amor die Lust noch eingeschrencket habe / wenn durch seine scheinbare Hoffnung die Gemüther betrogen nun nicht gäntzlich übereinstimmen: denn die helffte ihrer Sehnsucht begleitete annoch den gegen sie unempfindlichen Rosantes.
Doch die Zeit und die angenehmsten Caressen musten das gelindeste Pflaster ihrer sonst unheilbaren Wunden seyn / wodurch die Liebe sich nach und nach so sehr in ihrer Brust einschliche / daß nun beyderseits vereinbarte Hertzen ein weit vergnügteres Jawort als vormahls die Lippen welch selten / und sie über den Mangel verliebter Ergetzlichkeiten in ihrer hernach erfolgten Vermählung sich nicht zu beklagen hatten.
Weil nun Rosantes und Renard ihre [454] Schönen nach den harten Glück- und Liebes Stürmen gleichfals an den geruhigen Port führen / und die Seelen an einem wunder schönen Eyland wolten aussteigen lassen / wo die Glückseeligkeit den Tag zu erst beschienen: so beurlaubten sie sich unter Versicherung einer ewigwehrenden Freundschafft von Emilien und Alfreden, und schieden damit in vergnügter Bewunderung ihres zuvor verwirrten Zustandes von ein ander.
Rosantes hatte schon die ersten Tage / da er Adalien an Emiliens Hofe angetroffen / bey den grossen und mächtigen Käyser des beglückten Germaniens durch Gesandten so viel ausgewürcket / daß Adalie in den Fürsten Stand erhoben / und die Vollkommenheit ihres Geistes auch mit dem eusserlichen Glantze der Hoheit nach Würden beehret wurde.
Darauff wurde die Durchläuchtige Adalie nebst dem tapffern Renarden und seiner annehmlichen Barsinen, welche sich die Zeit auff einen Fürstlichen Lusthause ohnweit Allerona indessen verkürtzet / von ihrem großmühtigen Hertzog in dem ansehnlichsten Comitat und so treflicher Pracht in Allerona eingeführet / daß die glückseeligen Unterthanen dieses unvergleichen Herrns mit einmüthigen Frolocken bekennen musten / niemahls was kostbarers gesehen zu haben.
Denn ausser das Rosantes eine grosse Anzahl [455] galante Damen und Cavalliers an seiner schönen und wohl eingerichteten Hoffstatt hatte: so waren auch viele vornehme Printzen dieser beglückten Gegend /welche durch ihre hohe Gegenwart das angestelte Beylager herrlicher machen / und diesen Durchlauchtigen Paar durch persönliche Einholung der wunderschönen Adalie das Vergnügen bezeigen wolten / so ihnen ihr erwünschtes und bey denen Sternen angeschriebenes Bündniß verursachet.
Wär es in den Heydenthum gewesen / so dürfften viele tausend Zuschauer beyden Anblick des Durchlauchtigsten Hertzogs und seiner geliebtesten Adalie niedergefallen / und sie wegen ihrer Majestätischen Schönheit als ein göttliches Paar angebetet haben: so aber ehrten sie in Betrachtung dieser Seltenheiten die unümschränckte Macht des Himmels / welche so preißwürdige Meisterstücke unter den Sterblichen zu Wege gebracht; und ihre Freuden-Bezeugung war so groß / daß ohne meine unvollkommene Abschilderung sich die jenige einen weit bessern Abriß davon machen können / welche wissen / wie viel Liebe getreue Unterthanen vor den glückseeligen Wohlstand ihres Landes-Fürsten haben.
Alle Gassen / wo man zu den Anschauen so nicht gemeiner Schätzbarkeiten gelangen konte / waren als mit Leuten überhäufft; und das stärckste Drangen der Anwesenden / da einer immer [456] den andern / der am nahesten / beneidete / verursachte manchen grosse Ungelegenheit: Die Häuser überall prahlten in den schönsten Ausputze; und die Fenster waren mit artigen Damen und andere unzehliger Zuschauern als angepfropfft; Dabey schalleten viele tausend frohe Glückwünsche vor das hohe Wohlergehen ihres gnädigsten Fürsten und seiner Durchläuchtigsten Braut; und dieses einmühtige Zuruffen vermischte sich mit dem muntern Klange der vielen Trompeten und Paucken in der Lufft so starck / daß es schiene / als wolte man durch dieses Freuden-Geschrey den Himmel stürmen.
Mit was vor erstaunender Pomp und Pracht die Vermählung hernach mit Rosantes und Adalien verrichtet wurde / ist auch die geschickte Feder ausführlich zu beschreiben nicht fähig genug / weil auch die Augen der zusehenden sich mehr Licht wünscheten /alle Kostbarkeiten nach ihren Wehrt zu bewundern: Und die Sonne selber verweilete sich gantz lange an den heitern Himmel / ehe sie von der entzückten Betrachtung dieser den heutigen Tag verdoppelten Schönheit des Durchl. Paares loßkame / und durch hinabsteigen ins Meer der stoltzen Sterren Wache so theuere Schätze überliesse.
Die Glut des entzündeten Rosantes wurde bey so kleinen Lichte grösser / und die feurigsten Begierden dieses muntern Hertzogs erndeten der genauesten Umarmung der schönen und aus [457] sich selbst gesetztenAdalien so viel süsse Liebes-Siege ein / daß Amor den Thron aller unaussprechlichen Lüste in dieser denckwürdigen Nacht zu verlassen / und die in Lieben fast zerschmoltzene Seelen drauff zu setzen schiene.
Nun konnten die schwartze Schatten dieses irrdische Götter Paar nicht lange unter ihren stoltzen Flore verstecken: sondern die muntere Aurora war Eyffersüchtig darüber / und brach daher mit ihrer Gold entflammten Morgenröthe desto früher an. Ihre Sehnsucht wurde gestillet / indem sie selbiges mit fest vereinigten Lippen in genauer annoch schlaffend antraffe: deswegen konnte sie von ihren darüber empfindenden Ergetzen so bald nicht loßkommen / biß Rosantes durch die vor seinen Augen schimmrenden Strahlen erwachte / und sie Zeugin seyn ließ / zu was für süssen Liebes-Geschäfften er Adalien von neuen auff forderte.
Den andern Tag wurden die treflichsten und itziger Zeit noch gewöhnliche Ritter Spiele gehalten / welche aber nach ihrer Würde vorzustellen / diese mit Fleiß eingeschrenckte Blätter nicht zu lassen; Doch so viel kan ich sagen / daß ausser Rosantes / Renard durch seine Geschicklichkeit den besten Preiß davon trug; und als er solchen von Barsinens schönen Händen mit beygefügten Ruhm seines Wohlverhalten empfinge / [458] nahm er ihn zwar mit verbindlichster Dancksagung an / sagte aber: daß ob zwar alles / was er von ihr erhielte / kostbar zu schätzen / so verhoffte er dennoch durch ihre Gütigkeit und den Beystand seiner getreuen Liebe in kurtzen einen weit schönern Gewinst davon zu tragen; und so sie ihn wegen seiner Geschicklichkeit als denn belohnte / würde sie ihm tausendmahl höher verpflichten.
Die annehmliche Barsine straffte diesen freyen Schertz zwar mit einen ernsthafften Lächeln: doch wie die dunckle Schatten den vorher gegangenen Tag ihrer Vermählung in sich verhüllet / und zu Bedeckung der Liebes-Räubereyen und einer darüber einstehenden Schamhafftigkeit sich fertig gemacht / war ihre Liebreitzende Weigerung nicht fähig genug / den feurigen Renarden von den vergnügtesten Liebes-Turnier abzuhalten / darinnen er mit entzückter Verwirrung seiner Sinnen bekennen muste / wie Amor in diesen engen Schrancken den überschwenglichen Reichthum aller Wollüste vor inbrünstig verliebte Seelen verwahret.
Mit solcher Glückseeligkeit bekrönete der Himmel diese treu Verliebten; und liesse an der großmüthigenAdalie tausenden ein wunderwürdiges Beyspiel lernen / wie hoch einer so treflichen [459] Fürstin gütige Natur und der von ihr empfangene hohe Geist in der Staats Klugheit steigen könne / wenn selbige eines mit durchdringender Weißheit begabten Gemahls preißwürdigste Regirungs-Kunst durch alle mit ihr überleget hohe Angelegenheiten zu erfahren Gelegenheit hat. Denn der Ruhm dieses theuren Hertzogs von Allerona, als eines vollkommen Staats-Verständigen Fürsten / hat sich bey den grösten Häuptern Europens in so verdiente Hochachtung gesetzet / daß man sich dessen Weltkündigen Ansehens mit tieffster Ehrerbiethung erinnern muß: Seine scharffsinnige und weit aussehende Gedancken sind vieler dem gantzen Römischen Reiche schädlichen Spaltungen zu vorgekommen: Der Türckische Mond hat sich durch der seinigen Tapferkeit mit Blut befärben müssen: Seine Bundesgenossen haben ihn geehret / und mit deren vereinigte Macht hat er denen erzürnten Mitternachtischen Helden nicht so wohl den bluthigen Harnisch ausgezogen / als durch seine höchst-weisen Rathschläge: und weil er also Cronen beschützet / so werden die aus seinen und Adaliens Durchlauchtigsten Ehe-Bette entsprossene und ihren hohen Tugenden ähnliche Nachkommen der einsten auff einem gläntzenden Königs-Thron zu steigen gewürdiget werden. Ja weil seine Fürstenmäßige verrichtungen eines einigen Tages weit fürtreflicher / [460] als daß sie die geschickteste Feder in einem gantzen Jahre nach Verdienst abfassen könne: so würde ausser einen mit getreuen Unterthanen vereinigten Wunsch vor dessen hohes Wohlgehen / weit unmöglicher gewesen seyn / die künfftigen gloriösen Handlungen dieses Durchläuchtigsten Hauptes zubeschreiben: denn man findet deren / die sich mit der Unsterblichkeit vermählen / kein
ENDE. [461]