[305] Weh-müthige Gedancken eines betrübten Freundes bey dem Frühzeitigen Hintritt des Wohl-gebohrnen Herrn/ Herrn Beißler von Dieskau

Im Nahmen eines andern.


So wilst du nun geliebter Dieskau scheiden?
Vergnüget dich auf dieser Welt nichts mehr?
Ach du betrübst der theuren Eltern Freuden/
Und kränckest auch die treuen Freunde sehr.
Denn wird dein Hertz/ dein redlich Hertze brechen/
So wissen wir das Leid nicht auszusprechen.
Gedencke doch der angenehmen Stunden/
Womit wir uns in Unschuld vor geletzt/
Wie sehr dadurch sich Brust und Brust verbunden/
Wie du diß Band selbst ewig hast geschätzt.
Solls nun der Tod durch deinen Tod zerreissen/
So magst du mich auch mit erblassen heissen.
Die Redlichkeit hat mich bey dir gefangen.
Die Liebe zieht mein Hertze noch an dich.
Mehr Artigkeit kan nicht mein Geist verlangen.
Dein gantzes Thun hält Tugenden in sich.
So bleibe doch/ entfliehe nicht der Erden/
Wo wenige/ wie du/ gefunden werden.
[306]
Erblassen schon die Rosen deiner Jugend?
Der Anblick ist vor mich zu jämmerlich.
Mein Hertze schaut auf deine Freundschaffts Tugend/
Und bittet sehr/ mein Freund/ verweile dich/
Verziehe noch/ daß ich in diesem Leben
Dir etwas mag vor deine Liebe geben.
Du aber sprichst/ wie wohl mit schwacher Zungen:
Was ist/ mein Freund /auf dieser eitlen Welt?
Der Sieg ist mir durch Gottes Krafft gelungen:
Die Seele hat mir schon den Sarg bestellt/
Und wünschet dir/ wird sie den Himmel sehen/
Zu guter Nacht noch tausend Wohlergehen.
Drauf schlägest du die treuen Augen nieder/
Die Geister sind nicht wenig schwach und matt.
Es sterben schon die annoch jungen Glieder/
Dein edles Hertz ist selbst des Lebens satt.
Ich höre dich in heisser Andacht beten/
Denn kömmt der Tod/ der blasse Tod getreten.
Geliebter Freund/ dieweil dann deine Seele/
Des Himmels Hand bereits befohlen ist/
Du aber noch in deines Cörpers Höhle
Dem Augenblick bey deinem Leben bist/
So höre noch die wahren Worte sprechen/
Die mir das Hertz/ wie dir die Augen brechen:
Ich dancke dir vor deine Treu und Liebe.
Der Jammer spricht nicht eine Sylbe mehr.
Ich eile fort/ vergib doch meinem Triebe.
Dein Seufzen kränckt mich/ Wehrter/ allzusehr!
Zu guter Nacht/ du hast nun schon vollendet/
Und deinen Geist den Sternen zu gesendet.
So muß ein Freund vom andern sich entfernen/
Und in der Welt ein bittres Scheiden seyn!
[307]
So muß ein Freund vom andern sterben lernen/
Ach dein Gebet drung in den Himmel ein.
Ich seh' auch schon im Geist die Engel kommen/
Die haben dich nunmehr zu sich genommen.
Stimmt also an die schönsten Sterbe-Lieder/
Und bringet nun den Seeligsten zur Ruh.
Werfft Erd und Staub auf seine jungen Glieder/
Und deckt das Grab mit lauter Rosen zu.
Laßt um die Grufft die Menge Cronen hangen:
Denn also muß die Treu und Unschuld prangen.
Sie/ Theureste/ die sich hierüber kräncken/
Die bitterlich den Tod mit mir beweint/
Ich weiß/ wenn sie die Seeligkeit bedencken/
Die sich nunmehr mit Ihm erwünscht vereint/
So legen sie den herben Kummer nieder:
Wir sprechen Ihn im Himmel sämtlich wieder.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Hunold, Christian Friedrich. Gedichte. Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte. Lob- und Trauer-Gedichte. Weh-müthige Gedancken eines betrübten Freundes. Weh-müthige Gedancken eines betrübten Freundes. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-88D4-F