Christian Friedrich Hunold
Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte

[1] Vorrede
Hoch-vernünftiger Leser/

Indem ich Demselben einige Gedichte überliefere: so befinde ich mich über demjenigen/ was ich in dieser Vorrede sagen soll/ nicht wenig betroffen. Die Poesie, wie sie von mir und vielen andern getrieben worden/hat mehrentheils einen geringen Nutzen und noch weniger Tugend in sich; und da ich in einigen Jahren manche Stunden damit zugebracht; nun aber den Nahmen Menantes, einem neuen Poetischen Buche vorsetze: so steiget bey nahe eine Röthe in mein Gesicht. Man wird mich nach meinen längst herausgegebenen Gedichten urtheilen; oder sagen: daß mir die Poesie nicht weiter gezieme. In dem ersten thut man mir zu viel. Wegen des andern ist gewiß: Die Kräntze der Blumen stehen auf dem Haupte der zarten Jugend wohl anständiger/ als wenn sie ein in das Männliche Alter getretener Junggesell sich um die Schläfe bindet. Wie werden aber Gedichte fast anders angesehen/als ein Feld voller Blumen/ die anmuthig in die Augen fallen/ aber/ ob sie noch so viele Parade machen/ keinen Vortheil als eine müßige und zum öftern verderbliche Augen-Weide bey sich führen? Ich habe zwar ernsthaftere Sachen gleichfals geschrieben: al [2] lein um desto seltsamer wird es lassen/ daß ich gleichsam aus dem Sommer/ von der Ernde Nahrungs-reicher Früchte hinweglaufe/ und mich hinwiederum in den bunten Frühling begebe.

Doch wie die Kunst in unsern/ und die Natur in warmen Ländern/ in dem Lentzen viele Früchte heraus treiben: so kan das Licht des Verstandes endlich auch aus der Poesie, die man dem Frühlinge vergleichet/ aber eben so wohl eine Frucht des Sommers und Herbstes ist/ vieles gute hervor bringen. Ich könte dieses mit grosser [2] Männer ihren Proben behaupten: doch es laufet vor dießmahl wieder mein Absehen. Ich sage allein von mir: daß wie ein älterer aus seiner Gesellschaft bißweilen zu der muntern Jugend gehet/nicht an ihren Fröhligkeiten theil zu nehmen/ sondern durch ein erbaulich Gespräch sie von ihrer allzufreyen und wilden Lust zu einem geruhigen und bessern Zeitvertreib zu leiten: so wage ich mich in gleicher Absicht/ theils durch meine itzige Poesie, und die Einleitung darzu/ theils durch diese Vorrede/ unter die in frischer Blüthe lachende Jugend/ ihnen meine Gedancken von der Poesie zu eröffnen.

Tugendhaffter Leser/ ich wünschte/ daß viele meiner Schrifften in ihrer ersten Gebuhrt erstickt wären. Denn wenn ein rechtschaffenes Buch der Aloe gleichen soll/ die nach einer langen und mühsamen Wartung ihre Blühten träget: so sind meine Kleinigkeiten viel zu zeitig an das Licht kommen. Die Thiere brüten ihre jungen sattsam aus; und also ist die Schande nicht geringe/ daß die sonst edelsten Gedancken/ von den Menschen so verwahrloset/ und so unreif oder als die angestartesten [3] Mißgebuhrten in die Welt gebracht werden. Meine Feder hatte einige Worte in ihrem Vermögen: so meinte sie schon zu fliegen. Ich war jung; von Tugenden besaß ich nichts/ und von Wissenschafften hatte ich wenige Kenntniß/ und gleichwohl wolte ich hoch hinaus. Ich hatte von der Adler ihrem Flug zur Sonnen gehöret; und gedachte mit den blöden Augen meines verfinsterten Verstandes eine so jähe Bahn gleichfals zufinden. Allein ich geriehte mit den Sinnen unter die Eulen/ welche die Nacht lieben/und den Tag scheuen/ oder vielmehr die Nacht vor den Tag halten.

Demnach kan ich zum theil aus meiner Erfahrung/oder wo diese nicht unglücklich/ und also lehrreich genug ist/ aus fremder ihrem Exempel sagen:

1. Daß es den so genandten Poeten entweder an einem Naturel/

2. an einem guten Verstande/

3. an Wissenschafften/ und unter andern an der Beredsamkeit; Oder

4. an der Tugend fehlet.

5. daß sie dahero eine gantze falsche Moral machen.

[4] 6. Lügner sind/ und die Sachen wieder die Wahrheit beschreiben.

7. Und endlich desto gefährlicher vor ein in der Tugend nicht wohl befestigtes Gemühte zu achten/ weil sie alle Künste wißen und gebrauchen/ den Leser an sich zuziehen/ und seines Hertzens sich zu bemeistern.

Wenn in den Gedichten die Worte rauhe/ schlecht/die Gedancken eiß-kalt/ gemein und niedrig sind: so kan man schließen/ daß es dem Verfaßer an dem Naturel müsse gemangelt haben. Denn solches erfordert einen Geist/ dessen Feuer man aus dem Lesen/ aus seiner Erfindung/ und die Scharfsinnigkeit in der Ausdrückung erkennet. Die Eigenliebe betrüget allhier viele/ daß wenn sie einige Reime auf eine Hochzeit oder Leiche zu wege bringen/ oder auf einen Ehren-Tag ein paar elende und in lauter Tautologien bestehende Zeilen setzen/ sie sich einbilden/ es sey eine Probe ihres Raturels. Allein sie solten nicht sich/ sondern Verständige zu rahte ziehen/ und von solchen ihre Sachen zerlegen laßen/ so würden sie ihre natürliche Fähigkeit in der rechten Blöße erblicken. [5] Sie hören nun/ daß die Erfindung vornehmlich zu einemPoeten erfordert werde; und holen hernach dieselbe von Sachen/ die sich auf das/ wovon sie reden/ gar ungleich schicken/ unanständig/ nachtheilig/ lächerlich und Kindisch sind. Das macht es nicht aus/ den Kopf auf den Arm stützen/ die Gedancken in die Lufft schicken/ spatzier gehen/ oder sich in einen Wald setzen/ und der Invention, wie der Jäger den Vögeln im Gebüsch nachstellen: Wo nichts vor sie ist/ da werden sie auch nichts bekommen. Es darf sich aber nur eine Haselmauß fangen/ so sehen sie solche vor einen Krams-Vogel an/ tragen das Wildpret nach Hause/und verzehren es. Es liegen ja solcher Bücher genug am Tage. Mein Absehen ist aber nicht/ jemanden zu kräncken. Dergleichen Leute machen zwar die Poesie bey einigen verächtlich und unnützlich; allein sie schaden in diesem Stücke der Tugend nicht sonderlich; und also wollen wir die guten Stümper laufen laßen.

Der Verstand machet zwar keinen Poeten, ist aber bey dem Naturel höchstnöhtig. Viele erfinden wohl etwas/ das manchem [6] im ersten Anblick artig vorkommt; wenn man solches aber untersuchet: so ist keine Wahrscheinlichkeit und Gleichheit darinnen. Hätten sie Verstand/ so würden sie die Erfindung prüfen/ und die guten von den falschen Gedancken unterscheiden lernen. Dieses sind ebenfals elende Poeten, und werden zum öftern Beklagungs würdige Meister-Sänger. Was kan ich darzu/ sagt man/ wenn ich keine andere Erfindungen bekomme? schmiede keine Verße. Wenn ich nun die Erfindung und Gründe vor unvergleichlich schätze? schleife deinen Verstand durch dienliche Wissenschafften.

Der Verstand wird keinem in der Vollkommenheit angebohren/ zu welcher er zum durch eine rechtschafene Erfahrung u. gründliche Wissenschaft gelanget. Wie manche blehet eine scharfsinnige oder artige Redens-Art/ die die Frantzosen ein bon mot nennen/ mit der Einbildung auf/ er brauche nichts weiter zu lernen? Er lieset auch nichts/ als dergleichen Bücher/ die seiner natürlichen Neigung schmeicheln/ Lustreiche oder leichte Gedancken in sich führen/ und ohne Kopf-brechen können begriffen [7] werden. Alsdenn schreibet er wieder der den Grund der heiligen Schrifft/ wieder die gesunde Vernunft und wieder diePrincipia anderer Wissenschafften.

Viele Stunden auf die Rede-Kunst zu wenden/ hält er gleichfals vor einen Raub der Zeit/ und meinet/ er gelange einige Tage später auf den Parnass, wenn er vorher eine zierliche Schreib-Art/ eine geschickte oder nachdrückliche Vorstellung einer Sache/ die Deutlichkeit/ Ordnung und andere Stücke der Wohlredenheit erlernen solte. Da doch ohne dieselben niemand wohl fortkommet/ der sich der Feder in gebundener oder ungebundener Rede bedienen muß.

Wiewohl nun alle angeführte Fehler von grosser Wichtigkeit sind: so kommen wir dennoch allererst zu denjenigen/ vor welchen/ in Ansehung der Jugend/ die Pest im Lande/ vor ein kleines Ubel zu schätzen. Diese stecket die Leiber/ jene die Seelen an; für die Pestilentz brauchet man alle ersinnliche Mittel; jene aber hält man vor keine Kranckheit/ sondern vergnüget sich/ je tiefer sie eingewurtzelt. Ich meine: die unreine/ und untugendhaffte [8] Schreib-Art der Poeten. Allhier wird die Welt anfangen zu lachen/ und mit Fingern auf meine vorige Poesie weisen. Ich höre sie schon mit höhnischer Mine ausrufen: turpe est Doctori, cum culpa redarguit ipsum. Gar recht: ich habe an meine Nase gegriffen; ein ander practicire dasnosce te ipsum gleichfals. Man lese meine 3. Satyren p. 115. wie auch andere Gedichte hiervon/ und fasse mit mir den vernünftigen Entschluß: Wer ein Thor gavesen/ sey keiner mehr. Kein geheimer und feiner Ehr-Geitz sticht mich an/ andere zu tadeln. Ich nenne keinen Menschen/ meine auch nicht alle Poeten/ indem noch mancher Schwan keusch gesungen: sondern ich rede aus meiner Erfahrung. Zu dieser gehöret so wohl das Lesen anderer Poetischen Schrifften/ alsmeine eigene Ausübung der Poesie/ welche sich auf jene gegründet. Demnach kan ich/ andern zu ihrer heilsamen Nachricht sicher eröffnen/ was mir selber die Tugend vorgehalten/ und was mir die Liebe zu anderer Besserung zu melden befiehlet.

Die Wollust/ wie sie zu dem Temperament [9] eines Poeten viel beyträget/ verleitet/ zum 4.) die meisten zu gefährlichen Ausschweifungen. Sie vergaffen sich in die Schönheit der Geschöpfe/ und vertiefen das Gemüth in deren ergetzlichen Eigenschaften/ ohne an den Schöpfer zu gedencken. Die Fabel von Pygmalion wissen viele; verstehen aber nicht/ daß sie zu ihrer Lehre erfunden worden. Pygmalion trug einen unvernünftigen Haß wieder die Weibs-Personen/ und wurde so erbärmlich gestrafft/ daß er sich in eine Statue verlieben muste. Ein so todtes Wesen beten fast alle Poeten an. Frauenzimmer soll man tugendhafft lieben; aber solche Liebe hassen sie/ und verehren Bilder ohne Seele oder Tugend/ welche ihre Flavien, Sylvien, Lesbien, Selimemen, Melinden, Daphnen etc. nach ihrer Absicht sind; und weil sie also den Uhrsprung und Entzweck aller Liebe/ den höchsten GOTT hierbey nicht lieben: so müssen sie immer je mehr und mehr auf die unmäßige und schändliche Liebe der Creaturen verfallen.

Sie bauen ihren Göttinnen Tempel und Altäre auf; sie opfern ihnen/ nach [10] ihrem eigenen Geständniß/Seele und Vernunft. Ohne dieselben wissen sie nicht zu bleiben. Todt und Leben beruhet in ihrer Gewalt. Sie wünschen sich das Glück von ihren Händen zu sterben. Sie sehnen sich/ wenn keine verlangte Gegen-Liebe zu hoffen/ in den Thränen/ die sie hierüber vergiessen/ zu ertrincken; sie nennen eine Süßigkeit/wegen einer so schönen und Liebens-würdigen Person alle Marter zu erdulten; und wie sie in dieser verkehrten Liebe ihre scharfsinnigsten Gedancken ausbrüten: so äffen sie auf eine greuliche Weise der Vollkommenheit des Christenthums nach/ welches Gott im Creutze liebet/ und mitten im Elend nicht ohne Zufriedenheit ist.

Ich will ihrer ärgerlichen Redens-Arten/ welche die Abbildung ihrer geilen Gedancken sind/ nicht erwehnen. Was darinnen vor Feuer stecket/ die Wollust in andern Gemüthern zu entzünden/ wird mit solcher Lebhafftigkeit nicht ausgedrücket/ als empfunden. Selbst Tugendhafte können einige von ihren Gedichten nicht ohne Regung/ oder sonder einen harten Kampff lesen/ und zu Ende bringen. [11] So gar weit sind sie mit ihren Gedancken in das Feld der Wollust spatziert/ und haben alles auf das natürlichste abgeschildert. Welche Würckung hat nun die zarte Jugend aus dem Durchblättern solcher Bücher zu hoffen?

Durch diese höchst schädliche Liebe verfallen viele Poeten und Romanisten in die Unvernunst/ die Creaturen vollkommen zu beschreiben/ ihre Schwachheiten dem Leser zu verbergen/ und sie mit einer erdichteten Hoheit abzuspeisen. Ihre Bücher führen also zum eine der allergefährlichsten und zugleich ungereimtesten Moral ein. Das höchste Gut wird von ihnen gesucht und gepriesen/ wo es am wenigsten anzutreffen. Ihre Glückseeligkeit wird durch die Fleischlichen Begierden abgezielet/ durch reitzende Worte gelehret/ und endlich in dem Besitz der Venus erlanget. Die Unruhe/ Qvaal/ und Verdrießlichkeiten/ welche von den Lüsten der Welt nicht abzusondern/ verschweigen sie; rühmen hingegen ihr Himmelreich in solchem Leben zu finden; verfinstern den Verstand/verderben das Hertz/ und sind in ihrer Welt-Liebe recht [12] arbeitsam/ um ihre und andere Gemüther von der wahren Ruhe/ als von Gott/ gäntzlich abzuführen.

Solcher gestalt sind sie ärgere Epicurer, als vieleicht ehemals welche gewesen.

Sie sind Cynici, die allen Wohlstand verachten/und die Wollust öffentlich treiben. Sie bedienen ihre Geliebte vor den Augen aller Welt/ sie küssen sie; sie betasten ihre Glieder/ und bringen vor den Ohren derer/ die dieses lesen/ theils verblümte/ theils safftige Zoten vor. Sie verwandeln fast alle Laster in Tugenden. Doch beqvemen sie sich/ bey den Wollüstigen eine andere Moral zu schmieden als bey den Ehrgeitzigen. Bey jenen ist eine Grausamkeit/ wenn das Frauenzimmer nicht wieder liebet/ und eine wahrhaffte Tugend/ sich ihren Begierden aufzuopffern. Alles ist ehrbar; diese Liebe hat selber der Himmel erfunden; Ein Kuß verletzet nicht; sie behaupten/ daß man von solcher Liebe schreiben könne/ und schelten diejenigen vor Momus Brüder/ und Catones, welche diese Liebe zu dem schönen Geschlecht nicht vor richtig halten/ die uns ängstliche Seufzer auspresset/vor [13] die wahre Ruhe des Gemüths/ Unruhe in das Hertz einqvartiret/ Eyfersucht erwecket/ Schmertzen zeuget/ und nach demselben eine allzu empfindliche Freude zu wege bringet. Einige sind gar unvernünftig/von welchen ich oben geredet; andere aber wollen Tugendhafft scheinen/ und eine vernünftige Liebe zum Grunde legen: allein ich finde in ihren Verßen keine Wirckung der Tugend. Diese ist die Ruhe; sie melden von Marter wegen ihrer Abwesenheit. Reine Liebe verlanget zwar nach dem Geliebten; aber nicht mit brennender Sehnsucht. Ein Geist/ der in einem Hause poltert/ oder Unfrieden anrichtet/ soll ja kein guter Geist seyn; also verrathen sie durch die Wirckung ihrer Liebe/ die ühle Beschaffenheit derselben. Sie betrügen sich/ daß sie solche eine gesuchte Vereinigung der Seelen nennen. Die Schlange lieget unter den Rosen verborgen; nach und nach kriecht sie aber hervor. Wenn sie zum andern oder drittenmahl verliebte Verße an ihre Schönheit setzen/ alsdenn entwerfen sie ihre Gedancken mit Worten/ die eine gar cörperliche Vereinigung abzielen. Bey allen diesen wird der [14] Himmel angeruffen/ und die Heiligkeit Gottes schändlich gelästert. Welches nicht weniger in Hochzeit-Carminibus geschiehet/ da man ziemliche grobe fleischliche Gedancken ausläßet/ und den Allerhöchsten immer mit darunter mischet/ als ob/ weil der Ehestand erlaubet/ solche Unreinigkeiten dabey vergönnet wären. Alle Liebe muß keusch seyn und keusch ausgedruckt werden. Meine Fehler bekenne ich/ und bitte solche hertzlich ab; andrer ihre werde ich nicht beweisen/ nachdem ich ihre so genandte unschuldige Liebes-Verße nicht anführe. Wolte Gott! daß nicht alle Buchläden damit überhäuffet wären. Es ist gantz was ungemeines/ wenn ein Frauenzimmer von einer Manns-Person recht vernünftig geliebet wird/ und diese Seltenheit ist noch viel größer/ ein vernünftiges Liebes-Gedicht zu sehen: denn die vernünftig lieben/sind nicht allezeit Poeten.

Den Ehrgeitzigen heucheln sie mit einer Schreib-Art/ die nach ihrer Neigung ist. Helden und andere große Leute werden durch die Ehre/ von welcher sie ein unvergleichlich Gemählde machen/ zu allen Verrichtungen getrieben. Die Rache ist [15] süß/ und verdienet so wohl als der Ehrgeitz tausend Lob-Sprüche. Von der Demuht wissen sie nicht; Keuschheit ist ein Geist/ der zwar öffters genennet/ aber nie in ihren Schrifften gesehen wird. Sanftmuht/ Barmhertzigkeit/Friedsamkeit/ und dergleichen sind in Romanen und vielen Poeten verächtliche Laster.

Mit dieser Hendnischen auf Wollust und Ehrgeitz gegründeten Philosophie handeln sie um desto schädlicher/ weil sie zum die Sachen wieder die Wahrheit beschreiben. Keine Schönheit/ die sie abmahlen/ wird ihr selber im geringsten ähnlich seyn/ wenn man das Bildniß zu dem Original hält. Keine besitzet die gerühmte Tugenden/ und was das meiste/ so ist in keinem Ergetzen/ das sie von ihr geniessen/ die grösse der Süßigkeit und Freude noch die Beständigkeit anzutreffen/ mit welcher sie dasselbe vorstellen. So müssen junge Leute verführet werden/ Freyheiten bey Frauenzimmer zu suchen/ die sie vor unschuldig halten/ dadurch aber in die allerschuldigsten hinein fallen/ wenn sie glauben/ daß in Hände drücken/ in Hände küssen/ in Anrührung ihrer Wangen/ [16] in einem gütigen Auge/ in einem angenehmen Worte von der Schönen/ und so weiter/ eine unbeschreibliche Freude stecke/ und der Himmel auf der Erden anzutreffen. Von andern schweige ich; mich jammert vielmehr/daß ich gezwungen bin/ so viele Thorheiten von diesem sonst edlen Volcke anzuführen.

Endlich wird zum bey diesem erwehnten Mißbrauch der Poesie, dasjenige/ was sie sonsten schönes an sich hat/ gleichfals zu Gift. Die Anmuth der Worte/ die kräftigen Epitheta; die natürlichen Gleichnisse; die artigen Beschreibungen; ihre sonderbahre Erfindungen/ die Bewegungen der Affecten, und die Künste/ mit welchen sie eine Sache anfangen/ und wohl ausführen/ schleichen sich unvermerckt in des Lesers Gemüth ein/ biß sie sich dessen bemeistern/und es hinlencken/ wo sie hinwollen.

Was von den Satyren zu halten/ davon habe p. 115. & seqq. wie auch in der Einleitung meine Meinung entdecket.

So viel habe ich/ vernünftiger Leser/ sagen müssen/um demselben bekandt zu machen/ daß weder meine ehemahlige und [17] eigene Poesie, in so weit sie hierinnen gefehlet/ noch anderer ihre/ die mich zum theil verleitet/ zum Muster der Nachfolge zu nehmen. Zwar sind nicht alle Romanisten und Poeten mit einem so heydnischen Wesen angestecket; Allein die meisten. Die gar wenige vortreffliche Männer/ die ich ihrer Tugend wegen verehre/ verschweige ich billig/ damit die andern die Ausschliessung nicht öffentlich beschimpfen/ und sie mich einer Schmähung bezüchtigen mögen. Man kennet die Guten ohne meine Benennung.

Ausser diesen berührten Fehlern/ bleibt die Poesie edel/ und nicht nur annehmlich/ sondern sehr erbaulich: Wenn sie Erfindung/ Anmuth/ Kunst und Tugend beysammen führet. Sie ist zugleich nöthig/ weil sie bey vielen Gelegenheiten erfordert wird; sie schärfet das Ingenium, und hat alle dasjenige bey sich/ was ihr Monsieur Leander in seiner Wohlgesetzten Vorrede des VI. Theils der Hoffmanns-Waldauischen Gedichte beyleget/ und andere vernünftige und berühmte Männer ihr nicht absprechen.

Diese neue Gedichte/ womit ich demselben [18] aufwarte/ habe ich nun zu dem Ende wollen drucken lassen/um meine Gedancken über die Poesie, die vieleicht der studierenden Jugend nicht unnützlich seyn können/ aus Liebe hierinnen zu eröffnen. Sie sind zwar nicht alle auf dieser Hochlöbl. Friederichs-Universität/ bey meinen Neben-Stunden/ wie der Titul lautet/ sondern zum theil vorhero verfertiget worden: Ich bin aber bemühet gewesen/ alles untugendhaffte Unkraut auszugäten/ und dadurch habe ich über ein halb Alphabet von verliebten/ galanten undSatyrischen Gedichten ausgesondert. Allein ob in diesem Garten nicht hier oder dar eine kleine Nessel unter den Blumen stehen möchte/ die ich ietzo nicht erblicke/ kan ich nicht sagen; finde ich solche in Zukunft/ so will ich sie ausreissen: denn unsere eigene Gedichte lassen sich am besten beurtheilen/ wenn so viel Zeit verstreichet/ daß sie uns wie unbekandte vorkommen. Hiernechst bekenne/ daß manch Gedicht von den meinigen mit untergelaufen/ das des Drucks noch eher als die andern hätte entbehren können: weil ich viel ausmusterte/ so wurde das Werck unvermuthet zu klein; der Hr. Verleger wolte aber gern mehr als ein [19] Alphabet haben. Doch ich hoffe/ daß wenn der gütige Leser nichts ärgerliches darinnen findet/ er mir das übrige desto leichter vergeben werde. Was nun einige fremde und geschickte Gedichte in diesem Wercke anbelanget/ solche stehen vornehmen Sönnern und Freunden zu; deren Nahmen entweder ausgedruckt/ oder mit den Buchstaben bezeichnet sind. Die Einleitung zur Poesie hätte ich in übrigen gern weggelassen: weil ich keine Zeit sahe/ solche nach dem gemachten Entwurf auszuführen. Nachdem mich aber einige Freunde inständig ersuch ten/ etwas in diesem Tractat zu berühren/ was mehr den Stylum, die Gedancken und die Erfindung/ als die übrigen Stücke der Poesie angienge: so habe ich solches zwar gewagt/ auch den Vorsatz/ sie kurtz zusammen zu fassen/ gleich anfangs geheget; aber befunden/ daß es leichter/ etwas wollen als vollenden: zumahl in derPoesie, wozu man allezeit muß aufgeräumet seyn. Was ihr Entzweck ist/ wird der geehrteste Leser auf dem ersten Blat derselben sehen. Und weil solche noch nicht von andern abgehandelt worden: so werde ich mit der Zeit/ geliebt es Gott/ noch einige Bogen zu diesem unvollständigen Werck hinzufügen/ und damit meine geringe Wissenschaft in der Poesie vieleicht beschließen. Der geneigte Leser lege alles zum besten aus/ gedencke daß Fehlen menschlich/ und sich ändern vernünftig und Christlich/ und glaube inzwischen/ daß ich gern in wichtigern Dingen seyn wolte

Dessen Dienst erzebenster

Christian Friedrich Hunold/ sonsten Menantes.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Hunold, Christian Friedrich. Gedichte. Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte. Vorrede. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-86B7-3