Das Labyrinth der Zeit 1 bey dem Gleditsch- und Bötticherischen Hochzeit-Feste

Der liebe Wohnung war zuerst das Paradieß/
Ein Garten/ wo die Lust in Unschuld zu genießen.
Doch da des Apfels Kost sie aus demselben stieß/
Und Adams Augen sich begunten auf zu schließen:
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Da sah' er Even an/ und die versteckte sich/
Er konte nicht die Spur der reinen Liebe schauen.
Die Sinnen schweifften aus/ und musten wunderlich
Sich selbst ein Labyrinth in ihrer Liebe bauen. 2
Der Liebe bindet man daher die Augen zu/
Weil sie vergeßen hat/ den ersten Weg zu finden.
Der Gang ist ihr verdeckt; mit solcher Tugend Ruh/
Kan man der Liebe Meer nicht wie in Eden gründen.
Die Liebe ward darauf ein Labyrinth der Zeit.
Denn wie ein Labyrinth mit Gängen wohl verstricket/
Und so verwirrt gebaut/ daß/ gehet man zu weit/
Man sich nur mehr vertiefft/ und nie das End erblicket:
So geht man auch vergnügt in Liebes-Garten nein;
Verwirrung folgt darauf. Die Liebe hat die Gänge
So wunderlich verbaut/ daß ob wir drinnen seyn/
So irren wir dennoch die Quer und in die Länge.
Wir suchen/ was allhier nicht in Vollkommenheit/
Die Rosen ohne Dorn/ die Eden hat getragen;
Und werden durch Betrug und Unvergnüglichkeit/
Auf manchen falschen Weg der Liebes-Lust geschlagen.
Wir sind den Vögeln gleich/ wer hier ins Netze fliegt/
Verwirrt die Flügel bald/ verwickelt leicht die Sinnen.
Wenn gleich der liebe Bau uns eußerlich vergnügt/
So ists ein Labyrinth/ wo Arbeit gnug darinnen.
Ein Theseus lege wohl in Creta noch verstrickt/
Wenn Ariadne nicht den Faden ihm gegeben.
Und sie hingegen blieb im Liebes-Garn berückt/
Und muste sonder Hulf' und Theseus Liebe leben. 3
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Die Liebe macht es so. Wie groß das Labyrinth/
So in Egyptens Reich/ in Lemnos hat gestanden/
Und das in Tuscia, so ein Porsenna spinnt:
So würcket Amors-Hand doch viel verwirrtre Banden.
Wenn jene Gärten sich vorlängst in Staub verkehrt/
So wächst und grünet noch das Labyrinth der Liebe.
Es bringt der Zeiten Zahn/ der jene hat verzehrt/
Aus diesem neue raus/ durch Hülffe unsrer Triebe.
Hier aber fällt mir gleich ein Labyrinth der Zeit 4
Ein solch Gebäude bey/ das Klugheit aufgeführet/
Wo Wissenschafft den Grund/ und wo Gelehrsamkeit
Und ein beredter Kiel die Gänge hat gezieret.
Wo Helden/ Könige und große Leute stehn/
Zu welchen uns die Kunst durch Ariadnens Faden/
Durch kluge leitung führt/ und das wir blühen sehn/
In der gelehrten Welt/ und ihrem Bücher-Laden.
Das aller Zeiten Macht durch Ruhm und Flor besiegt/
Dadurch ein edler Mann die Musen sich verbindet/
Und ein verdientes Lob ein Edler Gleditsch kriegt/
Dem manch vortrefflich Buch viel Ehren-Kräntze windet.
Hochwehrtgeschätzter Freund/ dein frohes Hochzeit-Fest
Erlaubet mir vieleicht/ daß ich mit Amors Reiche/
In dessen Garten dich nun Venus steigen läst/
Ein Labyrinth im Schertz/ und auch im Ernst vergleiche.
Ein solches Labyrinth muß deine Liebe seyn/
Darinnen sich dein Geist/ in dem er da spatzieret/
Und sich in das vertieft/ was ihm so ungemein
Und er noch nie gesehn/ gantz unvermerckt verliehret.
In Holland hast du zwar viel artiges erblickt/
Das voller Schertz und Lust/ und gut genung zu heißen.
Cupido aber ließ dich dennoch unbestrickt/
Vor Liebe woltest du kein Mägdgen da nicht beißen.
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In Franckreich giengest du/ um deine kleine Welt
In dieser großen schön und herrlich aus zuschmücken.
Es war dein gantzes Thun geschickt und wohl bestellt/
Dein Absehn aber nicht/ die Liebe da zu drücken.
Wie mancher Teutscher hat in Franckreich sich verirrt/
Daß denn Verstand und Glück im Labyrinth geseßen?
Ein Creta ist daselbst/ und manche Schönheit wird
Der fremden Gut und Blut/ gleich Minotauren freßen.
Nein/ Edler Gleditsch/ nein/ du warest zwargalant,
Doch klug/ und liefest nicht in diesen Schönheits-Garten/
Wo Rosen/ denen längst die Knospen aufgerannt/
Die auf den stehen Bruch von allen Völckern warten.
Der Himmel hatte dir was bessers ausersehn/
Und ließ dich voller Ruhm von jenen Liljen reisen/
Die den geprägten gleich durch aller Hände gehn/
Dir in der Vaters-Stadt was edlers anzuweisen.
Wer dich ein Labyrinth, galantes Leipzig/ nennt/
Wo bey der großen Zahl der Schön- und Seltenheiten
Man leichtlich irre wird/ und so genau nicht kennt/
Wem unter allen doch der Vorzug an der Seiten/
Der saget/ was bekandt/ und deine Pracht verdient/
Und wird/ geliebter Freund/ dein Glück im lieben rühmen/
Da dein Vergnügen itzt in einem Garten grünt/
Den Anmuht/ Sittsamkeit/ und Tugenden beblümen.
Diß Lust-Gefülde heist die edle Böttcherin.
Der bloße Nahme wird dein zartes Hertz entzücken/
Und ihre Trefflichkeit führt deinen Geist und Sinn
In so ein Labyrinth das zaubrend kan bestricken.
Dein Auge sah' an Ihr die schönen Augen an/
Verstand und Lieblichkeit/ Geschlecht und schöne Sitten/
Du wurdest unvermerckt auf diesem Liebes-Plan/
Mit tausend Regungen verwickelt und bestritten.
Hier an dem schönen Ort/ aus Amors Trieb und Krafft/
Lagst du so Tag als Nacht gefangen in Gedancken.
Wenn/ seufzest du/ das Glück mir mein Ergetzen schafft/
So schließet es mich selbst in diese Liebes-Schrancken.
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Sind in diß Labyrinth Gedancken/ Hertz und Geist/
Zu meiner Böttcherin/ die mich mit Anmuht bindet/
In Garten meiner Lust die Sinnen stets verreis't/
So will ich/ daß man mich bey ihr beglücket findet.
Die Tugend kam hierauf/ und sprach zu der Natur:
Du würdest ohne mich im Labyrinthe bleiben.
Komm gib mir Aug' und Hertz/ so zeig' ich dir die Spur/
Wo lieben sonder Schuld und unverwirrt zu treiben.
Nun führt sie dich mein Freund/ durch ihre Himmels Hand
Aus diesem Labyrinth, das eitle Liebe bauet/
Zum Liebes Paradieß; so heißt der Ehestand/
Wo man die Liebe klug und voller Tugend schauet.
Ein reicher Seegen fließt sonst auf ein edles Paar.
Dich wolle Gottes Huld zum Seegens-Erben setzen.
Die Liebe werde dir/ was sie erst Adam war/
Ein reines Paradieß im Wohlseyn und Ergetzen.

Fußnoten

1 Man hat diese Invention dem Bräutigam zugefallen neh men müßen/ sonsten man vieleicht eine bessere gewehlet.

2 wie wohl die Liebe in dem Ehestande kein Labyrinth heissen soll/ indem die unordentlichen und wieder die Tugend laufenden Begierden uns allein in Verwirrung führen: so wird dennoch diese Vergleichung mit Adam seiner nach dem Fall gegen Evam getragenen Liebe billig seyn/ wenn wir sie gegen seinen ersten geruhigen Stand halten.

3 Aus der Mythologie ist bekandt/ das Theseus dieAriadne verlaßen/ die ihm aus Liebe und vermittelst eines Fadens/ denn er vorn angebunden aus demCretischen Labyrinth geholffen.

4 Zieglers Labyrinth der Zeit/ welches sie im Verlag haben.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Hunold, Christian Friedrich. Gedichte. Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte. Glückwünschungs-Gedichte. Das Labyrinth der Zeit. Das Labyrinth der Zeit. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-84F6-5