Liebe zwischen Reinier Königen aus Dännemarck, und Einer Norwegischen Heldin Algerthe
Die Geschichte, woraus folgende Briefe entsprungen, scheinet einem Gedichte so ehnlich, als ein Ey dem andern zu seyn, und wann ich sie nicht in etlichen warhafften Schrifften gefunden, würde ich sie vor eine von den grösten Auffschneidereyen von der Welt halten. Sie ist aber unverfälscht, und dessentwegen desto höher zu schätzen, besonders weil sie voll wunderlicher Zufälle und Regungen zubefinden. Ein Schwedischer König Fro, dessen Leben nichts anders als ein lasterhaffter Zeitvertreib war, fiel ohn alle gegebene Ursach in Norwegen ein, verstelte alles mit Brandt, Blutt und Unzucht, und weil das Gelücke nicht allezeit der Tugend Gefehrte ist, so fügte es das Verhängnüß so wunderbar, daß er den Norwegischen König endlich in offentlicher Schlacht erlegte. Eine gute Anzahl Adelichen Frauenzimmers hatte sich vor dieser unzüchtigen Grausamkeit frey zu seyn tieff in das Land geflüchtet, und eine unter denselben, so neben fürtrefflicher Schönheit auch mit ungemeiner Hertzhafftigkeit begabet war, rieth der gantzen Versamlung Helm und Schwert zuergreiffen, und weil der Dänische König auch albereit im Anzuge war, diesem Wütterich die Spitze zubitten. Diesser Rathspruch ward von dem gantzen Hauffen zu einem Schlusse gemacht. Und dieses Jungfräuliche Heer wuchs dergestalt, daß Fro aus Furcht einer schimpflichen Neurigkeit diese Völcker durch Gesandten zur Ruh ermahnen ließ, so aber zum Zeügnüß der grossen Verbitterung an stat erfreuliche Antwort zuerlangen, erbärmlich umgebracht worden. König Fro brach über [12] dieser unverhofften Zeitung bestürtzet, eilend auff, seine Obersten und Knechte auf Gutt und Lust vertröstende. Und der Dänische König machte sich gleichfalls in das Feld, ehe sich die Schweden dessen vermutheten. König Fro ward zur Schlacht genöthiget, und diese tapfere Heldin, so zu diesen gestossen, thaten das Ihrige so wohl, daß die Feinde geschlagen, und mehr gedachter unzüchtiger König von Weiblicher Hand in Stücken gehauen ward. Reinier als ein junger Held wuste nicht wie er diesem Jungfräulichen Hauffen mit genugsamer Danckbarkeit entgegen gehen sollte; Besonders erlustigte er sich über das freudige Ansehen der Algerthe, (so hieß die fürnehmbste unter ihnen) welcher der Feinde Blut noch über Brust und Armen lieff. Die erhitzeten Geister, so dazumal wegen grosser Bewegung aus ihrem Leibe fuhren, steckten den König mit Liebes Flammen an, und diese muthige Heldin, so bey sich niemahls einem Manne unterthan zu werden festiglich beschlossen, muste endlich gleichsam genöthiget, sich mit dem Könige Reinier vermählen. Doch diese Liebe wehrete nicht lange, wie denn solches Feuer selten so beständig als hefftig ist. Nachdem Reinier dieser schönen Blüthe genossen, und durch sattsahme Ergetzung seine Regungen ziemlich gekühlet hatte, begunte er seine Augen auf etwas höhers zu wenden. Das Königliche Fräulein aus Schweden war das Ziel seines Absehens, und Algerthe, so dennoch zu zweyenmahlen Mutter worden, muste sich mit einem Scheidebriefe befriedigen. Nach Verlauff etlicher Zeit, als Reinier durch die sichere Ruhe seines Reichs verleitet, in Dennemarck und andern Landen wollüstig herümschweiffete, begab es sich, daß ein gefährlicher Handel in der Crone sich ereignete, und Harald ein fürnehmer Herr sich unversehens zum Könige aufwarff. Reinier bemühte sich dieses Feuer eilend auszuleschen, kehrete bestürtzt in sein Reich, brachte einen und den andern Stand auf seine Seite und ruffte die verstossene Algerthe um hülffe an. Diese, zu Bezeugung, daß einer rechten Liebe oft eine Beleidigung zu einer Befestigung dienet, führete in kurtzen eine Flotte von vielen Schiffen zusammen, und satze, gleich Reinier mit dem Haraldt in offentlicher Feldschlacht sich zu versuchen begonnen, glücklich über, da sie dann nicht verabsäumet zu ihres Königes Völckern, so allbereit auszureissen gedachten, mit ihren Leuten zu stossen, und durch ihre Tapfferkeit so viel auszurichten, daß der Feind in die Flucht gieng, und Reinier Cron und Scepter erhielt. Der Dänische König durch [13] diese scheinbare Danckbarkeit gleichsam aus dem Traume seines Irrthums erwecket, hette fast die andere Thorheit begangen, und den ersten Fehler auszulöschen die Schwedische Gemahlin sitzen lassen. Algerthe aber dieses zuverhindern, reisete nach Norwegen, allda sie Regentin wegen ihres Sohnes Friedleben, dem Reinier solches Land gewidmet, erkläret ward.
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- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Sinnreiche Heldenbriefe. Liebe zwischen Reinier Königen aus Dännemarck. Algerthe an Reiniern. Algerthe an Reiniern. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6D1F-0