[109] III.
Laurette.
Molti consigli delle Donne sono
Meglio improviso, ch' a pensarvi usciti;
Che questo è speciale, e proprio dono
Fra tanti, & tanti lor del ciel largiti.
ARIOSTO.
Diese Erzählung ist eine unsrer vollkommensten.Hagedorn hat seine Laurette nach der Isabella des Boccaz gebildet, und sie nur unschuldiger oder deutscher gemacht, als er sie beym Italiener fand; ihr Gemahl war, wie er am Ende sagt, in einem hohen Alter, und bey'm Boccaz ist sie die Gemahlinn d' un cavaliere assai valoroso e da bene; dieser weiß sie auch nicht besser zu entschuldigen, [115] als daß er sagt: l' uomo non può sempre usare un cibo, ma tal volta desidera di variare.
Das Original ist in drey Stellen wahrscheinlicher, als die Copie. Bey dem Italiener ist der Gemahl der Laurette auf einige Tage auf die Jagd geritten, so, daß sie ihren Guido mit desto mehr Bequemlichkeit bey sich haben kann; und nachdem Alles geschehen, ersinnt sie eine List, damit Gismund weder von ihrem Gemahle, noch dieser von jenem das, was sie von dieser Begebenheit nicht wissen, erfahren könne. Ich mögte von den Aspasien in Deutschland hören, was sie in diesem Falle würden gethan haben.
Vermuthlich fand es der Herr von Hagedorn, da er seine Erzählung für deutsche Damen schrieb, nicht für nöthig, den Mann auf die Jagd reiten zu lassen, damit Laurette ihren Liebhaber ohne Sorge in ihren Armen haben könne. –
In Deutschland giebt es außerdem ja immer viele Herrn, die so gutherzig sind, nicht länger, als die ersten Monate ihrer Ehe, auf ihre Gemahlinnen eifersüchtig zu seyn.
Und dann beschreibt Boccaz den Liebling der Laurette ausdrücklich, als einen sanften, gefälligen Jüngling, der Gismunden die Spitze nicht habe bieten können. Man kann daraus sehen, daß die Damen, schon vor vielen Jahrhunderten, bey der Wahl ihrerFreunde – welchem [116] Worte eine Grazie bey uns die Bedeutung gegeben zu haben scheint, die das WortFreundinn bey den Griechen hatte, um das unausstehliche Wort Buhler aus den guten Gesellschaften zu verbannen – mehr auf sanfte Sitten, und eine naive Einfalt, als Witz, Feuer und Muth gesehen haben; und daß man folglich, wenn man sein Glück bey ihnen machen will, nichts weniger als witzig und weise, und tapfer seyn müsse.
Einige von unsern Aspasien verlangen noch zu diesen Eigenschaften ein männliches Alter.
Unsere gelindesten Weisen halten dies für eine wahre Schande, und für eine unbegreifliche Vergehung, wenn sie unsere vollkommensten Damen diesen Gebrauch beobachten sehen. Ich sehe mich daher genöthigt, ihre Apologie deßwegen zu machen.
Diese Wahl gereicht ihnen zur wahren Ehre.
1) Verwehrt ihnen das süße Gefühl ihrer Unschuld, das sich nicht aus dem Herzen treiben lassen will, sich einem Alcibiades zu ergeben, dem sie nicht zu beweisen hoffen können, es noch immer, ohngeachtet ihrer Vergehung, im Busen zu haben; und ohne dieses Gefühl ist die Liebe eine Kost, an welcher kein feiner Sinn einen Geschmack wird finden können, und wenn auch die Musen ihre lieblichsten Lieder dabey singen, und die Grazien Tänze aus Elysium tanzen müßten.
[117] 2) Ist die Einfalt verschwiegener, als der Witz; und Worte, nicht Handlungen, machen bey dergleichen Begebenheiten das mehrste Unheil.
3) Scheint sie mehr Empfindung zu haben, als die Weisheit.
Indessen kann es nicht fehlen, daß eine unausstehliche Langeweile die Damen bey dieser Liebe endlich in die Verlegenheit setzen müsse, dieser Spielwerke ohne Seele überdrüssig zu werden, so gern sie es auch nicht werden mögten; und ich bin so frey, ihnen zu sagen, daß sie sehr irren, nach der Meynung der größten Menschenkenner, wenn sie mehr Verschwiegenheit, Empfindung und Dankbarkeit bey dem männlichen Alter zu finden hoffen, als bey einem weisen gefühlvollen Jünglinge. Je älter der Mensch wird, desto geringer wird seine Sympathie, sein Vergnügen an der Glückseligkeit eines Andern, sein Hang zur Liebe und Freundschaft, desto größer sein Mistrauen, seine Eigenliebe u.s.w. Er kann keinen Geschmack mehr an den Scherzen und Spielen und allen den süßen kleinen Freuden finden, ohne welche die Liebe nicht leben kann. Alles hat für ihn den Reiz der Neuheit verloren. – O meine schönen gnädigen Damen! Sie machen sich unglücklich, wenn Sie einen mechanischen Mann mit stumpfen Sinnen, einen einfältigen immer lächelnden Damöt zu ihrem Lieblinge erwählen; bey dem ersten werden Sie ihre Launen, mit denen Sie [118] uns so sehr bezaubern, sich abgewöhnen müssen, und bey dem andern unausstehliche Langeweile haben, die auch bey dem ersten ihnen nicht selten beschwerlich fallen wird. Aber am unglücklichsten würden sie sich machen, wenn sie ein feiges Herz ihrer Liebe würdigten; eine deutsche Laurette hat vor kurzem dies erfahren; der tapfere Liebhaber überraschte sie bey ihrem Guido, dieser wollte entschlüpfen, aber Gismund sagte zu ihm: Bleibe, Elender! siehe da, und gehe nicht eher von dannen, als bis ich dir es befehle – und Laurette mußte – ihn vor der Thüre stehen, und nicht von dannen gehen sehen.
Fußnoten
1 Boccaz hat seine Gestalt noch anschaulicher beschrieben, er sagt:
Tirato fuori il coltello, tutto infocato nel viso, tra per la fatica durata; e per l' ira havuta della tornata del marito, come la donna gl'impose, così fece.