[1] Epigramma
Ad Schema Frontispicii.
Georg-Philippus Harsdörffer.
Ad Schema Frontispicii.
Georg-Philippus Harsdörffer.
Fratri Germano Sincerè ponebam M. Christianus Betulius.
An alle Edle Liebhaberer und Hochmögende Fördere/der Teutschen Sprache.
Euer Dienstergebenster Knecht Floridan/ Pegnitzschäfer.
Woher die Hirtengedichte ihren ersten Vrsprung genommen/ meldet der Vorbericht der jüngst aufgelegten Diana ümständlich/ wie dann auch darvon zu lesen das 219/ Gesprächspiel, §/ 6. welches wir allhier zu wiederholen für unnötig erachten. Müssige Stunden erfordern solche Sachen; massen Schäfere deren ein behägliches Einkommen haben, wann sie ihren weidgierigen Heerden zu Feld gefolget, und alda den Tag über bey ihnen ausharren müssen. Merkwürdig aber ist es, daß fast alle Poeten ihre trefflichste Kunstgedanken von langen Zeiten her in solche Gedichte eingekleidet; ja es erhellet aus ihren Schrifften, daß sie in solchen niemahlsglükk seeliger gewesen, als wann sie etwan ein Verlangen nach der freyen Feldlufft- und Lust bekommen.
Daher haben sie auch zu allen Zeiten die Hirten Nahmen entlehnet, beydes, damit sie unter solchem Vorzug ihres anderwärtlichen Standes ihre Gedanken desto freyer ausbilden, und dann auch bey solchen Schäfer Nahmen sich der Feldergötzungen allezeit erinnern möchten; wie dann dieses nicht allein vor Alters in belieblichem Brauch gehalten worden, (massen Virgilius sich selbsten bald Tityrus, bald Corydon, bald so, bald anders in seinen Hirtengesprächen tauffet) sondern auch noch zu unsren Zeiten von den meinsten beliebet und fortgesetzet wird wie dessen H. Opitz/ Flemming/ Rist/ Schottel/ Tzscherning/ Augspurger/ Homburg/ und andere mehr in ihren Schriften genugsame Zeugen geben.
Es scheinet über die Teutschen durch ein sonderbares Geschikke verhaügen zu seyn, daß sie zwar iederzeit in Künsten und Wissenschaften alle Völker weit hinter sich gelassen/ in Ausübung aber eigner Muttersprache eine Zeitlang andern williglich den Vorzug eingeräumet. Doch vergleichen sie sich dißfalls etlicher massen mit dem Maulbeerbaum/ [3] welcher zwar unter allen Bäumē im Jahre der letzte zu grünen beginnet/ hernach aber andre fast an Frucht und Blüte übertrifft/ auch gegen dem Herbst der letzte seine Begrünung fallen und falben lässet: Gleichermassen haben wir Teutsche uns etwas langsam hierzu gefunden, nämlich, in angebohrner Sprache berümt zu werden; lässet sich aber aus den ersten Vorspielen denoselben Aufnehmens mutmassen/ als würde sie kurtzkünftig allen fremden Sprachen an Mänge zierlöblicher Schrifften den Vorsitz abdringen. Massen sich dann nächstverflossener Jahren viel ädle Teutsche Gemüter daran gerichtet/ und ihrer Sinnen Kunstvermögen nicht allein in nutzlichen Schrifften/ Teutscher Sprache Aufnehmen betreffende/ sondern auch in anmutigen Feldabhandlungen der Welt kund gemachet/womit sie zugleich bezeuget/ dasß Teutschland unter einem ja so milden Himmel lige/ als Frankreich/ Spanien/ Welschland/ und andere; und mangle es zwar bey etlichen Teutschen an dem Willen/ nicht aber am Verstand, ihre Muttersprach weltberümt zu machen.
Ich der Geringste unter den Wenigen habe mit meiner Vnternehmung zu gleichem Zwekke gezielt/ aber mit ungleichem Fortgang. Es geht mir/ wie denen Kindern/ die/ wann sie nicht vollkömmlich in die Sonne sehen mögen/ durch ein gelöchert Holtz oder Papier solches verrichten wollen: Ich muß nur von fernen ein wenig in den hohen Glantz unsrer Heldensprache gukken und blindseln/ weil mir meine Wenigkeit ein mehrers noch der Zeit versaget. Der günstige Leser wird in so wohl gemeintem Thun den Willen für die Werke schätzbarachten.
Sonsten hab ich in dieser meiner schlechten Lustarbeit es andern nachgemachet/ und (weil ich sonderlich eben in Vnterhandenhabung deren/ in die löbliche Schäfergenoßschaft an der Pegnitz, wiewohl unwürdig, aufgenommen worden) die Mitglieder besagter Genoßschaft unterredend [4] miteingeführet; wie ich dann aus eben denen Vrsachen (sowohl auch auf willkürliches Anmahnen rümlichgedachter Pegnitzschäfere) den Anlaß und Bewandschaft kurtzerwänter Gesellschaft ausfürlich mit beygebracht/ und sonsten dererselben Kunstgedanken, mit welchen sie meiner Lustarbeit ein vielgültiges Ansehen erteilen wollen, (mit bemerket) zugleich mit eingerukket. Die vielfältigen Menglingsreden sind gar nicht deßwegen beygefüret worden/ als wann wir obdenenselben ein wohllüstiges Belieben schöpfeten/ sondern damit wir dem gönstigē Leser den Vnform sothaner Flikkwörter in unsrer Sprache schertzweis vorstellig macheten.
Daß aber hierinnen der vornehmsten Helden unsers Teutschen Kriegs mit Ruhm gedacht/ ist solches zu Nachfolge anderer Schäfereyen beschehē/ unn wird mich verhoffentlich niemand hierüm verdenken: dann/obwohl solcher Krieg unser allgemeines Vatterland in höchstverderblichen Schaden gestürtzet/ so bleibt doch die Dapferkeit/ welcher Ruhmbeschreibung den Poeten oblieget, an seinem Ort lobwürdig/ sie wohne gleich in Freundes oder Feindes Hertzen; massen wir auch einen ieden beederseits unparteyisch aufgeführet. Man lobet und begehret den Krieg nicht/ aber doch/wann ihn Gott über ein Land verhenget/ redet man also von ihm/ daß dabey erhellet/ die Tugend könne auch mitten unter der Grausamkeit raum und statt finden.
An denen eingemengtem Göttergeschichten wird und kan sich auch niemand ärgern/ wann er bedenket/daß sie auch bey den gelehrten Heiden dasselbige nicht/ was sie eigentlich sind/ bedeuten/ sondern oft mit solchen Nahmen/ und was denen zugeeignet/ die schönsten Tugenden und schändlichsten Lastere zu lieben unn hassen in (Apologis) Lehrgedichten vorgestellet werden. Nachdenklich ist/ was von den Götzen-Häinen Plin. schreibet: wir beten nicht so sehr an die an Gold und Helffenbein zierreiche Seulbilder/ als die Häyne/ und in ihnen das stumme [5] Stillschweigen. Mit dem Pan (daß ich anders vorbeygehe) haben sie dieses Gantze (τὸ πᾶν, universum) das ist/ alles/ was in der Natur befindlich/ verstanden; wir wollen dem gönstigen Leser belieblicher Kürtze halber zu des Freyh. von Verulam zweytem Buch von Mehrung der Wissenschaften gewiesen haben/ welcher nicht allein von obbesagten Lehrgedichten ausfürlich redet (Natalis henget sie auch überall mit an seine Fabelschriften) sondern auch die gantze Geschicht Pansierzterwänter massen sehr schöne deutet und ausbildet; welches auch/ aus ihme übersetzet/ in dem 152. Gesprächspiel zu sehen ist.
An Gutem ärgert sich niemand/ dann ein böses Gemüt; und so iemand hieraus etwas ärgerliches erzwingen wolte ist die Schuld nicht deß Liechts, sondern dessen/ der sich daran wie die Schnaken verbrennet. Ich schätze mich üm soviel glükseeliger/ wann mir ein Narr das jenige thut/ was er soviel Hochverständigen vor mir sonder Nutzen gethan. Narren sind es/ sag ich nicht unrecht, welche nicht allein der Teutschen Poeterey und derselben Zugethanen mit ungegründtem Haß widerstehen/ sondern auch solche ihre törichte Verbitterung an den unschuldigen Bäumen wollen tätig machen/ welchen sie/ wolgemeinte Reimkerbungen mit ihren neidischen Hundsnägeln aus derē Rindenkratzend die Ewigkeit mißgönnen. Deren rähtlicher Verbässerung wir zwar unsers Teils zu folgen bester masser gesinnet/ wann sie uns zuvor ihre Gegenmeinung mit unhintertreiblichen Beweistumen bescheinen werden. Indessen wir aber solches erwarten, halten wir ihre Schmähungen gleich dem nichtigen Thon dieser zerbrochenen Glokke
An den WohlEselhaften und Seichtgelehrten Herrn Hasewald Langohr. sonsten genandt Dünkelwitz; Vornehmen Sachwaltern deß Rahts zu Klügelheim. Seinen. und aller Teutschliebenden. ringmögenden Abgönner. und ohnmächtigen Mißförderer.
Momomastix.
1 Wo man den hinwirft/ so kehrt er die Stachel übersich.
Es war die Nacht vorbey/ das frühe Pferdgetümmel
Gieng vor der Sonnen her/ am liechtbegläntztē Himmel.
Die Welt war von dem Schlaf zur Arbeit aufgewekkt/
Das Feld war mit dem Tau durchsafftet und bedekkt.
Der Tag war jetzt am tag – – –
Als sich FLORIDAN/ mit niemanden/ als seinen freyen Gedanken/ begleitet/ hinter seiner geringen Heerde zu denen gewönlichen Trifften truge. So viel ich/(sagete er zu sich selbst/ nachdem er den ersten Fus ausser seiner Hürde gesetzt/) aus gegenwärtiger Morgenwitterung abnehme/ so wird der gütige Himmel unsre Auen und Heerden mit einem heiteren Tag/ uns Hirten aber mit einem muntern Geizt/ zu Fortsetzung unsrer freymütigen Lustgedichte/ erfreulich beschenken. Möchten doch (fuhre er fort/ nach einem geraumen Stillschweigē) meine wehrte Weidgenossen für dißmal sich mir bald zugesellen/ ihr Felder/ was Lust soltet ihr alsdann eure Schäfere in eurem Schos verüben sehen.
Damit triebe er fort/ und truge ihn der Weg auf den bekanten Baumplatz. Ihme beliebte solchen zu begrüssen/ dann er hielte es für unbillich/ diese irdische Beseeligung unangeredet hinter sich zu stellen: Anmutiger Ort/ fienge er an/ wer dich unter die anmutigsten dieser Gegende zälet/ thut dir in Warheit nicht unrecht. Ein Mund voll meines Lobs ist deiner unwehrt/ weil dich ja deine fürtreffliche Bewandniß selbst lobet. Dort wächset deine Pegnitz deine Vfere/und schmeißt ihre Strudeln [1] wider dieselben/ dem Ansehen nach ergrimmet/ weil sie ihr/ weiter zu gehen und deine Stämme zu beküssen/ beharrlich verbieten. Hier weiden deine zierreicheste Gärten/ unsre Augen/deine Kleereiche Matten/ unser Wollenvieh/ und deine beschattete Rasenhügel/ unsre ermüdete Glieder. Was soll ich mehr sagen? Deine Stämme/ wie richtig halten sie ihre Schichtordnung/ wie Kertzengerad steigen sie in die Luft/ ja sie wollen alda gleichsam üm eine Wette zanken/ welcher mit seinen Gipfeln denen Wolken am nächsten kommen. Daß ich ümgehe deine drey silberspritzende Springbörner/deren Quelle mit kunstmässigem Aufsteigen und Wiederabglitzschern ein überliebliches Geräuschel machet. Ich wünsche aber/ daß alle diese deine Lust so lang möge bekleiben/ als lange seyn wird das Lobgedächtniß derer/ die dich vordessen mit kunstpreislichen Reimen freudigst beschenket und besungen.
In solchen näherte er einer Brükke/ welche nächst dabey befindlich/ und ihme ihren Rükken freywillig darbote/ woferne er sich über das Wasser wolte tragen lassen. Er weigrete sich aber nicht/ als den seine Füsse ohne das hinüberriefen/ doch schriebe er zu vor/ vielleicht zu Abstattung seiner Dankpflege/ an derer Länebalken einen folgende Reimen:
Wer hat dich schlechtes Holtz/ euch lastbejochte Fichten
Mit kluger Meisterhand am ersten eingesenkt?
Wer hat die starke Stütz in Teuffen erst verschränkt/
Vnd überhergelegt der Bretter breite Schichten?
So kan man trokknes Trits die sichren Schritte richten/
Auf Achelous Hals/ der seine Fluht nicht lenkt/
Beschauen von der Höh/ was diese Balken tränkt/
Wir können dessen Brast belachen und vernichten.
Wann dorten unverletzt das blaue Saltz durchpflüget
Ein daumendikker Baum/ der Wellen Wut besieget/
[2]So laufft man auf der See mit unbenetztem Fus:
Hier wird uns festes Land der nimmerstille Fluß/
Die Fluht ist unsre Bahn. Weil Welt und See wird leben/
Wird beyder Künstler Ruhm auf Erd und Wasser schwebē.
Nach diesem zoge er ein kleines Geiglein hervor/ und vermälete deren Tohn (weil es noch früher Tag/ und die Sonne gar neulich zu Wagen gestiegen) folgendes Morgenlied.
1
Frisch auf mein Sinn/ ermuntre dich/ 1
Weil dort die Morgensonne sich
Zeigt auf vergüldtem Hügel/
Es hüpfet ob den Büschen ümm/
Vnd singet Gott mit krausser Stimm
Das leichte Luftgeflügel.
Schläfer/ Schäfer sind geflissen
Zu begrüssen
Trift und Auen/
Dir und ihnen sich zu trauen.
2
Dir/ dir/ dir hier/ O Gott/ stimmt an/ 2
Was schwebt/ was webt/ was beben kan/
Ein Loblied deiner Güte.
Auch mich soll nichts beschämen nicht/
Daß ich vergesse meine Pflicht
Vnd dankbares Gemüte.
Höre/ mehre diß Erklingen/
Laß mein Singen
Dich jetzt preisen/
Vnd dir Ruhm und Ehr erweisen.
3
Das Leid der Nacht ist überhin/
Wer macht/ daß ich entkommen bin
Da mich ümfieng des Todes Bild/
War deine Hand mein starker Schild/
Dein Schutz wolt mich beglükken.
Pfeilen/ Seilen böser Leute/
Die zur Beute
Mich erwälet/
Hat ihr Werk der Nacht gefehlet.
4
Du Held und Hüter unsrer Wacht/
Der du nicht schläfest in der Nacht/
Dein Gnaden Aug bleib offen/
Beug ferner allem Vnfall für
Vnd öffne meines Hertzens Thür
Zu fest gefastem Hoffen.
Ende/ wende meine Schmertzen
In dem Hertzen
Ob den Sünden/
Laß mich deine Gnad empfinden.
Es lenkte aber damals nunmehr widerüm das grosse Weltaug/ die Sonne/ zu unsrem Theil Erdreichs ihre gold- und karfunkelgläntzende Flammenräder/ und beseelete/ so zu sagen/ mit ihren abschiessenden Strahlen die kalterstorbnen Felder: Die holdrinnende Pegnitz/ (welche allbereit ihre harte Eisfässel zerflösset/ und in beydē Vferen frey und unverhindert daherschosse) durchnässete/ vermittels der selbstgesuchten Gänge/ die entkleideten Brachen/ und überzoge dieselben mit einer neuen grünbuntlichen Dekke: Das freudige Lufftvolk machete sich hervor/ und begrüssete mit denen anmutigsten Zusammenstimmungen den jetzt-angehenden Lentzen: Kurtz/ es war üm die Zeit/da sich Schäfere und Schäferinnen mit denen bereicherten Heerden widerüm in die frischbegraseten Auen begeben/ die gewönliche Weide zu suchen.
[4] FLORIDAN ware unvermerkt/ indessen er erwänter Massen den Morgen begrüssete/ an den Ort der Triften 1 angelanget: Welches war eine breitliegende Ebene/ mit Gras fett und dikk bewachsen/ darunter die schönsten Frülingsblumen/ als Narcissen/ Veilchen/ Feldlilichen/ udg. buntfärbicht hervorblikketen: Mitten durchhin ergossen sich stille Bächlein/ welche von der Pegnitz alda-zweyen Armen abgeleitet/ und eine ergötzliche Weide verursacheten/ An den Enden rauschete die Pegnitz durch beyde Gassen/ und machete mit denen schlank-kriechenden Schlangenkrümmen dem Orte ein lustiges Aussehen Alle diese Lust vermochte soviel in des Schäfers Gemüte/ welches ohne das die Frölichkeit merklich geheitert/ daß er/solche aufs neue zu verehren/ hören liesse folgende Springreimen. 2
Nach diesem liesse er sich durch die vielfältige Beqemlichkeiten der Vfere daselbst/ (als deren schammarirte Wasen von der kunstahmenden Natur hügelartig erhebt/ und die vorbeygehenden etlicher massen/ alda ergötzliche Ruhe zu nehmen/ einluden) sowohl auch durch die von langem Gehen ermüdete Glieder dahn beredē/ daß er/ schertzweis zu reden/das Maß seiner Länge in dem Schos seiner Grosmutter nahme. In solchem betrachtete er unterschiedlich die Gegenständnisse seiner Augen und Ohren/ und weidete alle seine Sinne mit denen alda zur Gnüge befindlichen Anmutigkeitē: Die Ohren 1 ertäubeten gleichsam von dem lieblichen Gesäusel des Flusses (welcher daselbst seine krausse Wellen an etliche Reussen-pflökke sänftlich schluge/ und mit einem erfreulichen Gedrösche zu rükke pralen machete) wie auch nicht minder von denen verkrümmelten Abkehlungen der freuddigen Luftkinder/ die Augen belustigten sich mit Anschauung der mit Blumen bestirneten und mit Klee begelbeten Auen/ Mit der Nase zoge er an sich die hertzerquikkende Wolriechenheit selbiger Feldapoteken/ mit der Hand schöpfete er aus einē beyhinrauschendem [6] silberklaren Bach/ und erfrischete damit seine matte Geister: Kurtz/ alle Elemente waren gleichsam einhällig auf seine Ergötzung bedacht/ und gaben seinen Kräften einen kräftigen Zusatz/ daneben seine Gedanken/ in das Weite zu lauffen/ und solcher gestalt noch mehr Vergnügung einzuholen anreitzende und gleichsam anhertzende/ vermittels welcher er endlich/ nach vielen Irrwegen/ auf den betaurlichen Zustand seines Vatterlandes geriehte.
Alsdann klagte er mit beweglichen Worten an sein widersinniges Glükk/ daß es ihme noch zur Zeit nie/selbiges heimzusuchen/ vielweniger etwas gewisses von dessen erneuerlichen Wolstande zu hoffen/ vergönstigen wollen/ hengete auch diesen seinen Vorstellungen so lang nach/ biß sie ihn in folgende Reimzeilen herausbrechen macheten:
Noch länger liesse er seinen Gedanken ihre Reißfahrten/ welche ihn endlich wieder zu rükke an seine Saal verleiteten. Die Freunde/ die er alda verlassen/ wie auch die hohen Belustigungē [7] selbiger Orten/ wolten ihme sein Gemüte so lange vorbehalten/ biß sie es/mit höchstem Vnmuht/ (wegen jeztmahliger derselben Vermissung) beunruhet/ ihme wieder einräumeten: Daher er/ seine Betrübnis in etwas abzulasten/ in folgende (Reim-gereimte 1) Reimen herausbrache:
1 Jenisches Andenken
2 Hohe Schul in Türingen/ an der Saale Weimar. Gebietes.
3 Pindus/ ein anmutiger Wohnplatz der Künstegöttinnen. Der Mondschein.
4 Die Künstegöttinnen.
5 Nymphen/ Wald- Feld- Fluß- und Berggöttinnen
6 Lorbeerzweige Ov. Meta. 1. I. Besihe Opitz. Dafne.
7 Mars/ der Kriegsgott.
8 Krigsgeschütze/
9 Berg Aetna in Sicilien. Virg. I.G. ruptis fornacibus Ætnam. Lique factaq; volvere saxa Luc. Vulcan sideratorquet Victor. 3. Æn. Sidera lambit. Oriō, ein Gestirne.
10 Vir. Ec. 8. Sine tempora circum Inter victrices hederam tibi serpere laurus.
11 Die Flüsse (per Synecd) nach dem Mitbegrief.
12 Der Schatten. Besihe unten das Rätsel vom Schatten.
13 Tempe/ ein überluftiger Ort in Thracien.
14 Ein gelehrter Griech wird hier genommen für die Bücher Opitz. Daß ich/ Plato über dir bin gesessen usw.
15 Pomona/ die Obstgöttin. Ov. 14.
16 Ampelos/ ein Diener des Weingotts Bacchus.
17 Ceres/ die Getreidegöttin.
18 Die Blumgöttin.
19 Tellus/ die Erde.
20 Phöbus/ die Sonne. Der Wassermann am Himmel.
21 Das Paradieß
22 Lutherbrunn
23 Campus Philosophicus. (Witboden-Feld.)
24 Echo bey dem Johansturm.
25 Der Sudwind
26 Der Musen Brunn auf dem Helikon.
27 Parnassus/ Der Musen Wohnsitz.
28 Pan/ der HirtenGott/von ihme sih: unt.
29 Libitina/ der Tod.
30 Kriegsgöttinn.
31 Pythius/ Apollo/ der Künstegott/ Also genenet von dem Drachen Python/ den er erschossen. S. Op. Dafne Ov. 1.I.M.
Mehrers hätte er vielleicht gesungen/ wann er nicht von fernen einen Schäfer erblikket/ welchen seine Füsse/ als die allein seine Wegweisere zu seyn schiennen/ ihme gerad zutrugen/ und dieses war KLAJVS. Er erkante ihn aber sobald an dem weissen Band/ das auf seinen Strohhut geknüpfet/ stunde derwegen behend auf/ und erwartete seiner gäntzlichen Näherung unter einer Linden.
So glükkselig (finge Klajus an/ nachdem sie zusammengetroffen) müsse seyn meinem Floridan dieser Tag/ als lieblich er sich allbereit an sich selbsten erzeiget und anläst. Vnd Klajus müsse freundlichen Dank haben/ antwortete Floridan/ üm die so schöne Begrüssung: Sonsten aber soll dem Floridan heutiger Tag glükkselig genug seyn/ wann er/ allein in Gesellschaft seines Klajus/ solchen wird verschliessen können. Vnd dem Klajus/ sagte dieser hinwider/ in Gesellschaft des Floridans. Anderwärts/ fuhr er fort/dünkets mich etwas zu vielgetahn/ daß Floridan dem frühen Morgen dermassen eine Röte eingejaget/indem [13] er noch vor ihme sich aus der Federburg erhoben. Mit nichten/ antwortete Floridan/ wie ich zu Feld kommen/ hatte dieser allbereit alle Gipfeln der ümligenden Hügel und Bäume mit Gold betreuffelt/ massen sich ihme auch/ bey erster meiner Ankunft/ einen Gruß abgeleget: Ist demnach vergebens/ daß Klajens Beschuldigung mir diß orts eine scheltbare Schuld aufseilen will. Wie hat es aber er (Klajus) versehen/(thäte er hinzu/) daß er heut so lang im Warmen gesotten/ und dünket mich gleichwohl/ ich she die Läden seiner Fenstere noch halb zu/ Ja ein natürlicher Schlaf gukket noch zu denenselbigen heraus: So klug ist heut zu Tag die Welt/ daß sie auch mit (aufgedichter) Schuld eines andern die ihrige verdekkmäntelen will.
Wann meine Beschäfftigungen/ widerredte Klajus/so wichtig und sorgsam wären/ als Floridans seine/ so wolte ich etwan auch meiner Ruh einen Abbruch thun/ (gestaltsam er beginnet/) und meinen liebseligen Gedanken sicher Geleit von denen Morgen-stunden auswürken/ damit sie desto eilfärtiger alda angelangen möchten/ wo ich allbereit deren einen Theil gelassen. Nein/ nein/ gab Floridan zur Antwort/ Klajus thut mir auch hierinn Gewalt und Vnrecht/ dessen mir Zeugen seyn sollen hiesige Felder und Vfere/ die sonder Zweifel meine Lieder angehöret/ welche mir vielleicht verantwortlicher fallen werden/ als Klajen sein so langes Bett-hüten. Sonsten aber gestehe ich gerne/ daß für dißmahl meine Gedanken einen Blikk gethan in mein mit Krieg und Vnruh bedrängtes Vatterland/ wie auch zu meinen an der Saal hinterlassenen hertzvertrauten Freunden unnd Schäferen. Vnd vielleicht auch Freundinnen und Schäferinnen/ setzte Klajus hinzu: Doch wir wollen diesen Zank so lang aufheben/ bis uns etwan iemand aufstosse/ deme wir solchen vortragen/ und folgends von ihme einen gerichtlichen Ausspruch erwarten können.
[14] Inzwischen lasse sich Floridan erbitten/ sagete er ferner/ und erzäle mir/ auf was Weiß er sich von der Saal als unsre Pegnitz erhoben/ und was sonsten eigentlich der Ort seiner Geburt sey/ massen ich jüngsthin vernommen/ daß er allhier nicht einheimisch/ aber doch der Orten erzogen wordē. Ich bin beydens zu frieden/ antwortete Floridan/ aber lasset uns zuvor unter dieser Linde Platz nehmen/ indessen unsre Schafe auf diesen Himmelfreyen Feld-Tapeten grüne Tafel halten mögen.
Setzeten sich also diese beyde unter besagte Linde zusammen/ und fienge darauf Floridan seine Erzälung also an: An denen Lustreitzenden Quellhäuseren und Nymfen-Wohnungen der Eger/
Verhielten sich vor diesem/ und ehe die Grausamkeit mit der Rach und der Haß mit der Beleidigung/ die Gemüter der hohen Häubter widereinander erbittreten/viel nahmhafte Hirten/ und neben denenselbigen auch Gottesgelehrte Druiden 2/ von deren einem nun ward ich/ eben mit aufwallender Kriegeswüt/ zur Welt erzeuget. Ich konte aber dieser sobald nicht ansichtig werden/ sihe/ da setzete sich auch alsobald das Glükk auf die erste Staffel meines Vnfalls/ indem ich nemlich noch minderjährig/ ja fast unmündig/ durch das widrige Geschikke (welches noch immer in besagter Gegende wütet und tobet/) meine Geburts-stätte zu verlassen/ gezwungen wurde: Begaben sich also meine Eltern mit mir an die Pegnitz.
Solcher gestalt hinterlegete ich meine Kindheit an dieses Flusses kraussen Krümmen/ mitten unter denen kurtzn eiligsten Schäferspielen/ soge und zoge auch von da an/ gleichsam mit der Mutter-Milch/ in mich die lieb-löbliche Lust [15] des Feldlebens/ mit welchem Glükk mich der Himmel gleichwol/ in meinem Vnglükk/ noch beseeligte. Bald darauf starben mir/noch Vnerwachsenen/ meine liebe Eltern von der Seite hinweg/ daß ich also nohtwendig glauben muste/ ein böser Stern müsse seine Einflüsse in meine Geburtsstund gegossen haben/ oder aber zugleich mit derselbigen aufgangen seyn/ weil mich ja meine Verhängniß so empfindlich anspörete.
Doch billichte ich endlich (wie billich) diese meine Schikkung/ weil ich es von dem Himmel also versehen zu seyn/ wohl erachtete. Im übrigen beschlosse ich/ mir/ üm die wenige meiner Eltern mir vermeinte Hinterlassenschaft/ eine Heerde und Hürde eigen zu machen/ und mit meiner Person die Anzahl derer Schäfere dieses Bezirks unwürdig zu vermehren. Wie ich dann dieser Orten/ dem Hirtenbuch nach Land-sittlicher Gewonheit einverleibet/ eine geräume Zeit in höchster Zufriedenheit zu rükke geleget/ inner deren ich nichts/ was zu meiner Vergnügung/ in dergleichen Stand und Lebens-Beschaffenheit/ dienen mochte/ unterlassen: Bis daß abermahl durch dē Raht des Himmels über mich ausgeschlossen wurde/ ich solte meine Trift der Orten verlassen/ und die Schalmey in der Saalen-Schäfere Pfeiffen-Chor einstimmen.
Also erhube ich mich in erwänte Gegend/ genosse auch nach der Hand allda/ Zeit meines Verharrens/aller nur ersinnlichen Ergötzlichkeit/ zu merklichem Wachstum des Nutzes meiner Heerden und meiner: Ja ich wurde daselbst erst recht innen/ was für Behäglichkeiten in sich habe ein Leben/ daß man/ frey von eitelem Bau- und Laster-Pracht der Städte/ in niederen Hürden und einfältigen Bauerhütten verschliesse. Morgens erwartete ich/ bis die frühe Sonne dieTau-tropfen (so denen Schafen fast schädlich) von den subtielē Gräselein abgelekket: Entzwischen/ wann selbige zerstreuet/ mit Bibenell/ Hanenfus/ Wiesenklee/ [16] udg. sich ergötzeten/ die muthigen Kletterziegen/ die Weiden und Haselruhten bezwakketen/düdlete ich ihnen mit einem freudigen Lied zur Tafel. Anderwärts liesse ich mich zuweiln mit einem und anderm Schäfer in einen friedlichen Kampf ein/ entweder üm den Vorzug einer Schäferinn/ in Schön- und Vollkommenheit/ oder aber üm den Preiß/ den ich in sinnreichen Erfindungen/ hurtigen Vbungen/ und dergleichen/ vor ihnen zu erlangen/ mich bearbeitete: Zumahl/ wann etwan von denen Kampfrichteren/ oder beyderseits schönen Hirtinnen/ ein Dank/ zur Ehrbezeigung dem Siegenden/ war auf- und angesetzet worden. Hätte auch diesen vnd andren unerschätzlichen Belustigungen den mehrern Theil meiner Tage gewiedmet/ wann mich nicht/ nach Verschiessung zweyer Wintere/ ein ebenmässiger Himmels-Schluß wieder zu diesen Nordgefilden abgefordret.
Ich befande mich gleich damahls mit der samten Hirtengesellschaft in einer lustigen Ebene/ so ablängelicht mit allerhand schattichten Bäumen reyenweis besetzet/ von mancherley Sachen mit ihnen sprachende/ als der hurtige Götterbot 3/ der Herse Weltschweifender Ehmann (dann ihn seine Flügelfüsse und der Schlangenstab zeitlich verrieten) mit Pfeilschnellem Flug daher strieche/ mir schnurstrakks zueilete/ und von dem Hauffen abseits-gefüret/ solcher gestalt zuredete:
[17] Damit schwunge sich dieser/ ohne ferners Wortverlieren in die Luft/ und entkame unser aller Augen urblötzlich/ uns vor Schrekken fast erstarret hinterlassende/ da dann diese ungewönliche Begebniß an stat unzalbharer Abenteure war/ unser aller Gemüter in so viel zweifelhafte Verwirrungen zu setzen/ am meinsten aber meines/ der ich mich/ nicht so sehr von Anschauung dieser Wundergeschicht/ als Behertzigng derer Reden ermeldeten Gottes/ ausser mir selbsten befande.
Wahr ist es/ ich bliebe an meinem Ort unverwandt stehen/ recht wie ein andrer Battus/ den der Majen-Sohn in einē Felsen verwandelet 1/ doch ermuntrete ich mich endlich/ mehr durch mühsames Zuthun derer Anwesenden/ als von mir selbsten/ zugleich damahls in diese Wort (die ich mit einem tief-geholten Seufzer begleitete/) herausbrechende: So ist es nun an dem/sagete ich wider mich selbst/ daß du/ arbeitseliger Floridan/ daß du/ sprich ich/ verlassest diese ergötzliche Felder/ diese kleebare Auen/ diese gedeyliche Weide/ diesen silber- und Krystallenrieslenden Fluß/diese über-irdische Nymphen-Lust/ diese unvergleichliche Schönheiten/ und ach! Diese erfreuliche Gesellschaft? Ihr Himmel/ womit habe ich euren Grimm wider mich aufgereitzet/ daß ihr mir eine so schmertzliche Botschaft ankünden lasset? Ade/ Freud/ gute Nacht/ Lust und Ergötzung/ nun ich ja eurer Wohnung diß Orts soll gute Nacht sagen/ O unbarmhertziger Schluß/ der mich zu einem so betaurlichen Entschliessen zwinget.
Dieses und anders mehr stiesse ich dazumahl seuftzende heraus/ und beschlosse solches alles mit einem tiefen Stillschweigen 2. Inzwischen hielte ich mit meinen Gedanken einen Rahtsitz/ und reitzeten mich eines Theils oberwänte Ergötzlichkeiten sehr/alda zu verbleiben/ anders Theils aber widerredeten solches die Wort des Himmelsboten; Doch thäte das Verlangen/ welches ich hatte/ den weit- und Welt-beruchten STREPHON [18] zu sehen und wo möglich/ seiner Bewohnung zu geniessen/ ein merkliches in dieser Rahtspflege/ welches mich auch endlich mit meiner Widerlust einen Stillstand treffen/ und den Vrtheil-Spruch folgender massen (den ich mir selbst stellete/und also Part und Richter zugleich war) ausreden machete: Wie aber/ Floridan (fuhr ich gegen mir fort) wilt du dich widersetzen einem so mächtigen Gebieten/ oder wilt du ihm mißfolgig seyn? Nein/ nein/ eile nur bald/ wohin dich dieser rufft/ dessen Will dir ein unwiederruffliches Gesatz ist/ Eile/ sage ich/ zu begrüssen deine Erzieherinn/ zu schauen deine Pegnitz/die Ernehrerinn und Seugamme deiner jungen Tage/Eile/ einmahl abzustatten die Pflicht/ mit derem du ihr so lang verbunden gewesen/ eile/ sage ich nochmals/anzuhören Strephons/ deß vortrefflichen Schäfers/geistige Spielreden und Hirtengedichte 3: Welches allein dir Vrsach gnug wäre/ zu gesegnen den Ort deiner jetztmahligen Enthältniß.
Weiter konte ich nicht reden/ dann ich der Gesellschaft/ rings üm mich stehende/ gewar wurde/ die mich bereits aus ihren Stirnen lesen macheten den Vnmuht 4/ den meine Wort ihnen in die Hertzen geschrieben. Darüm eröffnete ich ihnen alles/ was mir der abenteuerliche Botschafter angekündet/ und name darauf von einem jedlichen/ nicht ohne Vergiessen beyderseits Tränen/ kläglichsten Abschied/ gesegnete auch/ zur Zugab/ sie/ und die gantze Gegend/ mit folgendem Lied: 5
CORYDON und AMYNTAS/ meine vertrautesten Freunde/ gaben ihre Füsse mir zu Gefärten/ und begleitetē mich so lang/ bis ihnen die Nacht/ zusamt der Ferne des Wegs/ zurükk riefe. Alsdann beschwuren sie mich bey aller der Freundschaft/ so ich bis dahin mit ihnen gepflogen/ und bey dem Nahmē der jenigen/welcher ich mein Hertz hinterliesse!
O ho/ ruffete hier Klajus/ wer war dann diese? Oder vielmehr/ [21] wer war kurtz zuvor der/ der sich so rein machen und weis brennen wolte? Es erscheinet aber jetzt/ daß Floridan zuvor sein Hertz in der Brust/und nicht auf der Zung gehabt/ weil diese mit diesem so fein zum Verräter an ihm worden. Sonsten ist/ so viel er selbsten sihet/ durch seinen eigenen Ausspruch das Fürtheil unsrer Berechtigung auf meine Seite gefallen. Nicht ein Haar/ spricht Kahlkopf/ (antwortete Floridan) Ich sehe Klajen nicht so gar für ein steinern Bild an/ daß er sich an seiner Elbe nicht eine oder die andere Schäferinn solte haben gefallen lassen/ könte ich demnach eben das jenige von ihme/ was er von mir/ schliessen/ nemlich/ daß er mit dem Leib zwar hier/ aber mit denen Gedanken bey seinem hinterlassenen Abgott wohnete. Daß aber ich einer solte mein Hertz zu rükk gelassen haben/ bleibt noch unerwiesen mit dem/ weil es besagte Schäfere ausgesaget/ dann sie ja von meiner Sinnen Bewandniß/ so wenig als Klajus/ einige richtige Gewißheit gehabt. Zudem/ so hab ich nie gesehen/ daß einer sein Hertz anderswo/als in der Brust/ benentlich über Land/ oder wie Klajus schwärmet/ in dem Mund/ haben könne/ dann es solcher gestalt sehr mißlich üm sein Leben stehen würde. Beyde Schäfere lacheten hierüber/ und bat Klajus/ Floridan wolte nur seine angefangene Erzehlung fortsetzē: Dann/ sagete er/ ich sehe wohl/ daß Floridan niemahls unrecht haben/ viel weniger sich überstreiten lassen will/ so ist es auch unterweilen nützlich und gut/ daß man von seinem Recht etwas nachgebe und ablasse. Sie beschwuren Floridan bey dem Nahmen der jenigen/ deren er sein Hertz liesse/nun fürter im Text!
Daß ich/ (fuhr Floridan fort/ nachdem er dieser des Klajus schertzhafter Wiederholung abermahls gelachet/ ihre Gedächtniß mit mir hinweg füren/ und mich ihrer Gegentreu und unzertrennlichen Freundschaft allerseits versichren wolte/ und bekräftigte solches Corydon noch mit folgendem Zusatz:
1 Abschieds-Reimen.
Ich verwilligte unverzüglich in jenes ihr billiches Ansinnen/ unn zwar allein mit einem bejahenden Kopfnikken/ dann reden konte ich nicht für Vnmut: endlich aber mochte ich närlich ein par Wort zu wege bringen/ damit ich ihnen nochmahls gute Nacht sagete/welches ich dann auch mehr mit traurigem Anblikk und liebeiferigem Handdrükken/ als mit Reden/ verrichtete. Vnd damit schiede ich von ihnen. Sie vergefärteten mich aber noch weiter mit einer unzäligen Anzahl Blikke/ welche alle/ nicht ungleich Magneten/mein Hertz kräftig und mehr zu rükke zogen/ als mich meine Füsse von dar trugen: Wiewol auch ich soviel Hertzen mit mir hinwegnahme/ als vielen ich das meine verteilet hinterliesse.
Also verfolgete ich meinen fürgezielten Weg/ jedoch mehr an den Ort/ den ich verlassen/ als zu welchen ich begehrte/ gedenkende. Ich kahm aber noch selbigē Tages in einen Wald/ welcher so dikk mit Bäumē bewachsē/ daß ich wed Sonne noch Tag allda einheimisch [23] fande/ ohne daß bisweilen ein änges Thal sich sehen liesse/ ober welchē stoltze Klippen und Felsen hervorragende dem vorübergehenden einen gähen Tod droheten: daselbst nun wolte ich/ weil der Ort mit meinem Kummer so genau einstimmete/ mit Klagen mich etwas meiner Trübnis erleichteren. Ich hatte aber kaum diese ersten Wort: Ach Vnmuht/ in die Luft geschikket/ sihe/ da brachte mir die schwätzige Echo 1 sobald herwieder den letzten Laut derselben/ nemlich/ Muht. Daher wänete ich/ die mitleidige Göttinn wolte mir gleichsam damit einen Muht einsprechen: fieng derhalben an/ sie von meinem bevorstehenden Glükk zu befragen/ folgender massen:
Also machete ich mich mit Freuden von dannen/ und nahm folgends den Weg so wakker mit/ daß mir in wenig Tagreisen die wirbelfriedige Pegnitz entgegenrauschende zu Gesichte kam. Dieses nun gab meinem Kummer sobald einen tödlichen Stoß/ ja ich beschlosse von da an/ alles Trauren von dem Hertzen zu bannen/ und meine an der Saal beurlaubete Freude und Vergnügung an diesem Fluß widerüm anzubauē. Ich begrüssete aber solchen/ welches alda mein erstes Thun war/ mit hiesigem Klingsatz.
Kurtz hernach trug mich der Weg am Gestad/ den ich von da an alsobald vor mich genommen/ eben an dieses Ort/ und zu dieser Linde/ an welcher ich auch zurhand erwittrete die Reimen/ welche [26] unser Strephon in ihre Rinden gekratzet. Die Anmuht dererselben/wie auch die Pflicht/ mit deren ich mich ihrem Verfasser verbunden zu seyn erachtete/ triebe mich/ daß ich sein Lob diese rieslenden Wässerlein nachlallen machete mit folgenden Kling-Reimen.
Nach diesem eilete ich/ und gab meiner Reiß endliche Endschaft/ mich in meine jetzige Hürde begebende. Der Himmel ist mir aber seither so gönstig gewesen/daß ich/ wie meinem wehrtē Klajus nicht unbewust/nicht allein Strephons hohe Kundschaft erlanget/ sondern auch von ihme in seine aufgerichtete Schäfer-genoßschaft gewogentlich eingenommen/ und zum Merkezichen dessen auch mit einem weissen Band wohlmeinende beschenket worden.
Also hat mein geliebter Klajus/ sagete Floridan/ümständlich vernommen die Abstattung seines vormahligen Ansinnens. Im übrigen versprich ich mir hinwiederüm von ihme eine sothane Freund-Bezeugung/ Er werde sich nicht mißbelieben lassen/ mir/ als seinem Ordens-Verwandten/ [27] auch mit wenigem zu berichten/ von dem Anlaß zu dieser unsrer Gesellschaft/und warüm rümlichsterwänter Strephon dessen Mitglieder mit einem Band zu begaben pflege/ massen ich es nach der Zeit eigentlich nicht zu wissen gebracht: Verhoffe aber allhier keine Fehlbitt abgelegt zu haben.
Wol/ wol/ mein Floridan/ gab Klajus zur Antwort: So begierlichen kan Floridan nit seyn/ solches von mir zu vernemen/ als Klajus allbereit ist/ dessen Ohren solches aufzutragen.
Dazumal/ als sie Strephon und mir das Hochzeitliche Festbegängniß zweyer ädeler par Verliebten (das euch zwar nicht unbewust seyn wird/) angekündet 2/und zugleich auch beyden aufgetragen/ dieselbigen mit einem und dem andren Lob-Gedichte und Glükkwünschungs-Lied erfreulichst zu verehren/ uns beyden einen Preiß aufgeworfen/ nämlich einen Krantz/ welcher dessen seyn solte/ der mit Kunstsinnigen Erfindungen und belieblichen Reimarten es dem andern/ bey besagten Ehrē- und Braut- Wünschen/zuvor thun würde. Nun täten wir aber folgends hierinnen beydes/ denen Verliebten und Verlobten/ und dem Gerüchte/ (so viel ihr selber davon urtheilen könnet) nicht ein schlechtes Genügen/ und wurden unsre Feld-abhandlungen von jenen mit merklichem Wohlgefallen angenommen: Diese aber kame zwar wieder zu uns/ und lösete besagten Krantz von ihrer versilberten Trompeten/ aber sie wolte weiter keinen Ausspruch geben/ wem er unter uns beyden zustünde/ sondern erteilte allein unsren Gedichten durch ihrer Zungen eine einen schönen Lobspruch 3/ und verschwande sobald darauf vor unsren Augen/ nachdem [28] sie zuvor den Preiß an den Ast eines Buchbaums gehenget.
Wer war übler zu frieden/ als wir/ nachdem wir unsre unparteyische Richterinn das Richteramt also abtreten sahen. Ich wiche aber meinerseits Strephon willig/ wie dann auch billich war/ nahme den Krantz von dem Baum/ und setzte den ihme auf das Haar/und entgab mich zugleich aller meiner Anforderung/die ich darzu haben mochte. Es wolte aber Strephon nicht/ daß ich/ als ein Mitsächer/ in eigner Sach oder Fehde solte Richter seyn/ vielweniger begehrete er den Krantz/ auf meinen Zuspruch/ für sich zu behalten/ sondern name mich bey der Hand/ und fürete mich unferne von hier zu einem Gefälse/ in dessen vielfältig-unterbrochnen Hölen und Klüften die Nymfe Echo ihre Wohnstelle hatte: Dieser Ort/ sagete er/ soll uns in dieser Sach entscheiden/ Klajus lasse sich nur belieben/ ihn hierüm mit mir zu begrüssen. In alle Wege/ gab ich zur Antwort/ und damit fiengen wir alle beyde an/ dem Gegenhall unsre Strittigkeit vorzutragen/ wie folget:
Solcher massen musten wir auch hier/ dem Ansehen nach/ leer abziehen/ weil uns der Gegenhall keine (vermeinentlich) richtige Antwort ertheilen wolte. Strephon aber dachte dessen Widerredē etwas reifer nach/ und sagete: Wie wann die Nymphe uns etwas anders angedeutet hätte/ als wir begehren/ daß aber doch damit unsrem Streit abgeholfen wäre: Wie sie dann auch mehrmals eine Wahr- und Vorsagerinn gewesen derer Sachen/ welche kurtzkünftig haben geschehen sollen. Sie sagt/ wir sollen den Krantz theilen/ und er werde uns alsdann all so nützen/ daß wir dessen Ruhm haben/ wohlan/ wir wollen sehen/ was sich zutragen möchte. Damit nahme Strephon den Krantz/ und wolte ihn zertheilen/ wir befanden aber/daß er mit sondrem Fleiß von mancherley schönen Feldblumen zusammengetragen/ welche unter denen Lorbeer-Blättern artfügig eingeschlichen/ also/ daß wir abermals Bedenken trugen/ ein so schikkförmiges Gebände zu zergliederen. Nein/ nein ruffete ich/ er bleibe wie er ist/ und kröne hinfort den Wirbel Strephons/ welcher wohl eines besseren würdig/ als dieses ringfügigen. Strephon aber wolte weder den Krantz noch das Lob auf sich nehmen/ sondern mir ebenfalls den Verdienst dieses Danks und die Besitzung des Krantzes in den Busen schieben.
[31] Endlich/ nachdem wir eine geräume Weil gestritten/ (ein jeder aber/ wie er dem andern diese Ehr aufdringen möchte) sprang Strephon auf/ und sagete: Jetzt verstehe ich/ was uns der schwätzige Fels zu verstehen geben wollen/ nahme darauf den Krantz/zerschnitte das/ was ihn zusammenhielte/ und fuhr folgends fort wider mich/ ich solte mir eine/ von denen Feld-Blumen oder Gewächsen desselben/ ausersehen: Also erwälete ich mir den KLEE 1/ und Er selbst ihme das MAJENBLVMCHEN. 2 Das übrige fassete er wieder mit dem Faden/ und hengete den entgäntzeten Krantz an den nächsten Baum/ ferner also redende: Es soll/ vormahliger der Nymphen Aussag nach/ dieses Krantzes Riß bunt verhren die Hirten. Demnach so behalte Klajus sein Feldkraut/ und ich meine Blum/ und sollen die Blumen das Bemerke unsrer Hirtengenosschaft seyn/ welche auch forthin die Gesellschaft der Blumen Schäfere heissen mag.
Wird sich aber nach der Zeit einer oder der andre Schäfer belieben lassen/ in diese zu uns zu treten/ der soll von uns mit einer Blum aus jenem Krantz/ nach seinem Gefallen/ beschenket/ und in dieselbe unverzüglich aufgenommen werden/ Jedoch mit der Bedingung/ daß er fortan unsrer Mutter-Zung/ mit nützlicher Ausübung/ reinen und ziersteigenden Reimgedichten/ und klugen Erfindungen/ emsig wolle bedient seyn/ und bemühet in Beförderung ihres Aufnemens. Dieweil aber/ fuhr er fort/ diese Blumen mit Wäre der Zeit verdorren und nichtig werden möchten: So will ich eine jede derselben/ so viel deren dem Krantz einverleibet/ mit Seiden auf ein weisses Band stikken lassen/ solcher gestalt/ daß man an einem End die Blum/ an dem andern aber den Nahmen dessen/ der solche belieben würde/ sehen soll. Hierzu täte er am End folgende Bild-Reimen:
[32] Vnd solches schnitte er in eben den Ast/ woran zuvor das Gerüchte den Krantz gehenget. Also ward dieser Schäfer-Gesellschaft (beschlosse Klajus) der Anfang gegeben: Vnd fanden sich kurtz hernach sehr Viele/die sich zu Ordens-Genossen anboten/ und folgends in denselbigen zu uns traten/ wie dann Fl. dessen genugsames Wissen tragē wird/ als der nicht allein selbst einer unter denenselben gewesen/ und zwar sich die SAMMETBLVME 1 (sonst Floramor) zu einer Blumen erwälet/ sondern auch bereits eine geräume Zeit mit uns gewesen/ wie nicht weniger schon etliche Frülingstage mit uns versungen und erfreulich verschlossen.
Gar wohl ist mir solches wißlich/ sagete Floridan/und kan ich einen dabey versichern/ daß ich/ so oft ich daran gedenke/ [33] solches mit etwas Wohllust verrichte. Lasset uns aber einhalten mit diesem/ fuhre Floridan fort/ und vielmehr den Früling/ welchen das in Wochenliegende Jahr ausgebrütet zu begrüssen etwas hervorlangen. Wir täten unrecht/ täte Klajus hinzu/wann wir solches unterliessen/ dann ja wir Schäfere die bästen Freuden/ zeit wärendes dieses/ von unsren Feldern einholen. Wolte mir Klajus einsingen/ sagte Floridan/ so will ich hier etwas neues anfangen. Ich will es nicht verhindern/ gab Klajus zur Antwort? Wir wollen/ sagte Floridan/ etwas auf Art der Gespräche singen/ Klajus mag meinen Vers beschliessen/ und hernach wieder einen anfangen/ so will ich des gleichen mit seinem thun/ u.s.f. Sungen also die Beyde folgender massen gegeneinander:
1 Floridans Feldblume die Sammetblum.
2 Frülings-Willkomm. Auch die Tiere und Elemente ja unbeseelte Geschöpfe reden teutsch/ welches in diesem etlicher massen wird vorstellig gemacht. Sihe H. Schott. Sprachk.
3 Rüden sind Schafhunde.
4 Die Blumen.
5 Vorstellung der Lerchenlieder.
6 Der Störche.
7 Der Frösche.
8 Der Hummeln.
Nach diesem trieben sie/ weil es bereits/ wie sie aus dem Schatten abnamen/ Mittag war/ ihre Heerden unter etliche Stauden zusammen/ und giengen folgends an dem Gestad aufwarts den Fluß. Floridan aber schriebe zuvor an besagte Linde/ zur Dankbezeugung/ üm den genossenen Ruhschatten/ folgenden Rükk-Reimlauf.
1 Baumschrifft Rükk-Reimlauf.
Sie waren unweit gangen/ da höreten sie einen/ der nächst ihnen daher kame und den sie für einen neuankommenden Fremdling-Schäfer hielten/ folgendes singen:
1 Kriegschreyē.
Sonderszweifel/ sagete Floridan/ wird diesem Hirten etwas unrichtiges von denen Kriegsgurgeln zugestanden seyn/ weil er die allgemeine Last so nachdenklich beklaget! Ich halte selbst dafür/ erlängerte Klajus/dieser füre nicht ausser Vrsach [37] solche Klagreimen: was mich belanget/ könte ich ihm/ auf Anlaß/ wohl mit guter Fug hierinnen beystimmen/ als der ich dißfalls mit meinem bedrängtem Vatterlande ein billiches Mitleiden trage. Ich habe dessen auch Vrsach/ täte Floridan hinzu/ lasset uns derhalben auf jenem Hügel zusammensetzen/ und unsren Kummer hierob/ mit etlichen Reimen ebenmässig ablasten/ vielleicht sind unsre Lieder nicht ungeschikkter vorzustellen die erbärmliche Zeiten/ zu welchen uns leider/ der Himmel hat vorbehalten wollen. In alle weg lasset uns/ versetzete Klajus. Lagreten sich also beyde Schäfere auf ernennten Hügel/ und fienge darauf Floridan also an:
1 Kriegesklage. Gesprächreimen.
2 Jan. Vit. Romæ in Românil reperis meidâ.
3 Virg. Ecl. I.
4 Cic. Cat. M. Per fraudes. per furta. per homocidia. ad favores ad summarerum fastigia ascenditur.
5 Cluv. in Germ. Ant.
6 Cunas innocuo sangvine proluens. Mur. Ov. 5. F. Magna fuit quōdam capitis.
7 War ein merklicher Verlust.
8 Ist/ leider/ nur zu bekant.
Indem sich/ wie sie also sassen und sangen/ der Hügel neben ihnen sich auftäte/ 1 aus welchem sobald hervortrat ein Satyr/ (ihres Erachtens) den sie aber in kurtzem für den Gott Pan erkenneten/ weil er/ gestaltsam ihn ihnen ehmahls der alte ehrwürdige Thyrsis beschrieben/ ein buntes Pardelfelle über den Achseln truge/ zu dem auch in der linken Hand seine siebenrörige Schilfpfeiffe/ in der Rechten aber einē Stab/ der obenzu etwas krumm war/ fürete/ 2 Sein Haubt/ auf welchem ihme ein grosses par Hörner stunden/ war mit grünem fichtenlaub bekräntzet/ und vergliche sich das jenige Teil des Hügels/ daß ihme den Ausgang geöffnet/ einer von Erde und Wasen zusammen gesetzten Tür/ welche sich so schikklich auf und wieder zumachete/ daß man von aussen dessen einiges Bemerke nicht haben konde. Vnd hatten den Gott beyde Schäfere kaum ersehen/ da fienge er also gegen ihnen an:
Die Schäfere/ ungewohnt sotahner abenteurlichen Begegnisse/ erstauneten halb von Bestürtzung/ waren auch gutes Willens zu lauffen/ doch kondē sie ihre Füsse so wenig von statten bringen/ als die nächste Steinklippe/ so hatte ihnen die Forcht alle Empfindlichkeit gehemmet. Endlich nahme sie beyde der Gott Pan bey den Händen/ und fürete sie mit sich in die Höle/ woraus er kommen/ und waren sie kaum hineingetreten/ da täte sich auch ermeldte Wasentür hinter ihnen zu/ worüm sie eine geraume Zeit in Finstern/ohne einiges Wissen/ wohin/ fortstrichen/ bis sie letzlich zu einer andern Tür kamen/ welche auch aus einem dichten Felsen geschnitten/ so füglich/ daß man dessen innerhalb gar nicht warnehmen mochte.
Sie befanden sich aber/ nachdem sie auch durch dieselbige eingangen/ mitten unter einem Hauffen Satyren oder Waldgötter/ welche alle mit feuerrohten Antlitzern und mosichten Bokksbärten/ auch zottichten Geisfüssen/ anzusehen/ und war dieses/ darinn sie waren/ eine fast zierlich und in die Runde ausgehauene Gruft/ so üm und üm mit Mos gleichsam schattieret war/ wiewol es eigentlich und natürlich aus dem Felsen hervorgewachsen/ hatte sich auch an den Wänden fast schikkmäßig herümgelegt/ also daß es mit seinen mannichförmigen Schattirungen viel Geschichten und alte Historien vorstellete.
Sie erschraken nochmehr/ wie sie sich unter so viel geisgefüsten Männern allein sahen/ zudem daß sie auch ihres Fürers nicht mehr konden ansichtig werden/ welcher sich bey letztbesagter [42] Tür von ihnen verlohren. Närlich aber waren sie in diese ihre Gesellschaft getretten: Seit willkommen/ ihr Schäfere/ fienge einer unter ihnen an/ euch hat der grosse Pan diesen Tag etwas sonderlichs vor andern erzeigen wollen/damit er erwiese/ wie gewogen er sey der löblichen Hirten-genosschaft dieser Gegende/ deren Mitglieder er euch zu seyn gar wohl weiß. Nach diesem nahme dieser/ (welcher Pyrops 1 heissen solte/) und noch einer den Klajus/ andre zween aber den Floridan zwischen sich mitten ein/ und: Wir haben Befehl/ fuhre dieser fort/ euch alles/ was hierinnen seltsames zu sehen/ zu zeigen/ und/ wo noht/ mit Ausdeutungen verständlicher zu machen/ so kommet derhalben mit uns/ ihr Schäfere/ und förchtet euch nicht/ dann wir euch mehr gewogen sind/ als ihr nicht meinet: Beschauet erstlichen diese Wände/ hernach wollen wir euch weiter füren.
Es waren aber/ wie gesagt/ an den Wänden viel Historien mit Mos gleichsam eingeleget/ die dann beyde Schäfere solcherley befanden/ als ihnen vordessen rümlich erwänter Thirsis erzälet und gelehret. Vnd sonderlich war daselbst zu sehen die Geschicht des Vulcanus/ der/ als er wegen seiner Garstigkeit von Jupiter aus dem Himmel geworffen worden/ 2 auf Raht des Bacchus Silens Esel geborget/ und nachdem er sich ümgekehrt darauf gesetzt/ den Schwantz an stat des Zaums in der Hand haltende wider gen Himmel geritten/ worüber dann auch Jupiter gelachet/ und ihn sobald widerüm in der Götter Gesellschaft aufgenommen. Nechst darbey sahe man/ wie der unselige Marsyas den Apollo mit seiner Blokpfeiffe ausgefordert/ 3 und aber/ überwunden/ von demselben lebendig geschunden/ und also üm seine Vnterfahung grausamlich gestraffet worden: Vnd konden sich dazumahl der Hirten Begleitere/ indem sie diese Trauergeschicht mit ihnen in Augenschein nahmen/ nicht enthalten/daß sie nicht dieses ihres lieben Gesellens erbärmliche Begegnis mit etlichen Trehnen nochmahls bezäreten.
[43] Hart dabey konde man auch sehen den Anlaß des Vorigen/ nemlich/ wie die Pallas am Vfer erwänte Pfeiffe erstlich erfunden/ und darauf geblasen/ und aber/ als sie den Vnform jhres Mundes/ in dem sie pfiffe/ in der Bach wahrgenommen/ dieselbige unwillig von sich geworfen/ welche nachmahls erwänter Marsyas gefunden/ und folgends darauf so lieblich spielen gelernet/ daß er sich erkünen dörfen/ der Leyer des Apollo einen Kampf anzubieten/ wiewohl/ wie gehöret/ zu seinem grossen Vnglük. 4
Insonderheit aber waren alle Her- und Ankünfte der Götter daselbst befindlich/ als des Jupiters/ Bacchus/des Mercurius/ welcher/ wie er kaum einer Wochen alt gewesen/ dem Apollo seinen Bogen und Köcher/und als der hierüber zornig worden/ die Leyer dazu gestohlen/ 5 wie nicht minder Mulcibern seinen Hammer/ Nächst diesem der Pallas/ welche in Jupiters Hirn gezeuget worden/ worüm ihr Vulcan mit einem Beil den Ausgang öffnen müssen/ udg.
Sobald die Schäfere solche durchsehen/ nahmen sie die Satyren abermahls bey den Händen/ und füreten sie zu einer andern Tür hart an der vorigen/ mit deren sie auch eines Zeugs und Form war/ welche sich auf blosses Anrüren eines unter ihnen auftäte/ und giengen sie sobald in Gesellschaft der Viere hinein: Vnsre Mitgesellen/ sagete Aegopus 6 auch deren einer/ werden hingehen die Geschenke von den Schäferen zu nehmen und hereinzubringen/ (es war aber eben üm die Stunde des Tages/ da die Schäfere das Morgenbrod essen/ und dem grossen Pan in ihren irdinen Gefäsen Milch und Honig brachten) indessen/ daß wir euch/ ihr Hirten/ die Seltenheiten dieser Höle ausfürlich zeigen.
Die Schäfere verwunderten sich erstes Trits über den hellen Tag der Hölen/ worein sie traten/ (in die vorige fiel er durch ein breites Krystallen-Fenster/ das oben an der Dekke eingemachet) aber die Vrsach dieser Verwunderung schlug ihnen bald in eine [44] blinde Forcht aus. Dann an den beyden Ekken jenseits (diese Höle aber war vierekkicht/ und zwar etwas ablang) stunden zwey Krystallen-Pfeilere/ mit güldnen Füssen und Kräntzen/ auf deren jeglichem aber ein Cupido oder Liebesgott/ unter welchen der eine die Senne seines Bogens weit an sich gezogen/ und mit aufgelegtem Pfeil gerad auf die Tur zielete/ Der ander aber zwar sich verschossen zu haben schiene/ aber allem Ansehen nach bereits willens war/ einen frischen Pfeil aus dem Köcher am Rükken zu langen/ und den auch auf die Hereingehenden zu drükken/ (massen dann dieser so meisterlich ausgebildet war/ daß er mit den Augen allbereit zu drohen schiene/ was er in kurtzem mit dem Bogen zu Werk zu richten willens/) die Satyren lacheten/ als sie die Schäfere Eingangs sich etwas sträuben sahen/ und wiesen ihnen sobald zwey gleiche Pfeiler zu beyden Seiten der Tür/ versichreten sie auch daneben/ der Schützen Absehen wäre nicht auf sie/sondern auf die ober den Pfeilern disseits stehende Nymphen gerichtet. Froh waren die beyde/ als sie sich vor einer so (vermeintlich) grossen Gefahr sicher wusten/ und beschaueten erstlich die beyde Pfeiler beym Eingang/ und derer Nymphen/ welche dann von weissem und reinem Marmel über die massen künstlich gebildet waren/ also daß sie an ihnen nichts vermisseten/ als das wahrhaftige Leben: Die zwey Liebsgötter aber gegenüber waren von klarem Albaster/ und zwar nicht weniger kunstmässig ausgearbeitet/ als die Nymphen. Vnd waren beyderley Kunst-stükke üm so viel desto sehwürdiger/ weil sich der Meister der natürlichen Adern der Steine bedienet/ üm die vollständnisse der blossen Gliedmassen desto lebhafter auszudrükken/ massen sie auch die Schäfere ersten Anblikks für wahrhafte Nymphen und Götter gehalten hatten.
Sie verstunden aber von der Satyren einem/ daß die Nymphe zur rechten Hand des Eingangs Echo/ die zur Linken aber Syringa wäre. 7 Vnd dieweil jene/ ehe sie wegen des hartsinnigen [45] Narcissus zur Stimme worden/ den Pan geliebet/ und hinwieder von ihme geliebet worden/ hatte sie einen guldnen Pfeil in dem Leib/üm die Gegend des Hertzens 8; Syringa aber/ als die in ihrer Härtigkeit gleichs. verhärtet und zum Schilfgeröre worden/ stund unverletzet/ und schiene es/ als ob der ihr entgegen gestellte Liebesgott zornig wäre/daß er fast alle seine Pfeil an sie verschossen/ und sie dannoch nicht verliebt hatte machen können.
Sehr verwunderten sich die Schäfere/ nachdem sie dieselben etwas genäuer beschauet/ über die Schönheit bey der Nymphen/ sonderlich aber der Echo. Sie giengen aber/ als sie sie gnug betrachtet/ zu beyden Seiten der Tür aufwarts an der Wand/ die sie gleichfalls mit Mos überwachsen/ darunter aber viel Historien befanden/ und waren dieser Hölen Wände nicht allein viel kunstreicher und zierlicher als die vorigen/(alldieweil man von fernen wänete/ solche Geschichten wären mit dem Pinsel dahin gemahlet) sondern auch in dem von jenen unterschieden/ daß sie nicht mangerley/ sondern allein des Pans Lebensläufe/ und Geschichten ausdrükketē. An der Wand gegenüber hienge das sprenklichte Pardelfell/ (worinnen ihn erstlich Mercurius soll gen Himmel getragen haben) wie auch die aus der Siringa Rohren geschnittene Pfeiffe/welche beyde Pan/ wann er sich zu Feld sehen lässt/noch immer mit sich zu haben pfleget. Vnten am Ende (zur linken Seiten der Tür) war ein frölicher Dantz angebildet/ in welchem die Napeen/ Oreaden/ Dryaden/Hamadryaden usw. (welche mit den Eichen jung werden/ und wann jene abgehauet/ auch mit ihnen wieder sterben sollen) üm den Pan/ welcher mittē unter ihnen auf seiner Rohrpfeiffe spielte/ herümsprungen und sungen. Sie gelangeten aber in kurtzem disseits der Tür unten an eine Ekke der Hölen/ worbey sich ein Altar/ mit mannichfärbichen Feldblumen bewachsen von der Erden erhube/ auf welchē allbereit etliche Hirtengeschenke geliefert stunden 9: An den vier Ekken desselben stiegen vier kertzengerade Fichtē (welcher Baum [46] dem grossen Pan von langen Zeiten her heilig gewesen) bis an die Dekke des Gemaches/welche zimlich hoch sich zeigete/ woselbst sie ihre dikkbelaubten Arme einander gleichsam boten/ und mit Vereinigung derselbigen den Altar fast anmutig überdacheten. Allernächst diesem war ein langes/vierekkichtes unngleichförmiges Stükk Erde/ in Form einer Tafel/ zu sehen/ woran vielleicht der Pan mit den Satyren Speiß und Trank zu nehmen pflegete. Vnd war sonst diese Höle auf dem Boden so milde/und dabey so zierlich/ mit Gras überwachsen/ daß es eine Lust zu sehen war.
Indeme höretē sie ein ungewönliches Knarren und Schnurren/ wie eines Rades/ welches wo es herrüre/die Schäfer mit Gebärden gnug dartäten/ da sie es gerne gewust hätten. Worüm einer unter den Satyren/der solches merkete/ anfienge/ und sie berichtete/ wie daß in einer nahangräntzenden Höle die drey Parcen ihren Wohnsitz hätten/ welchen sie sich darüm solcher Orten erwälet/ damit sie von dannen desto freyer in die Welt wandern/ und von der Menschen Leben und Tod Vrteil und Ausspruch geben möchten 10: Vnd hat Clotho/ sagete er/ allererst gestern einen neuen Rokken angeleget/ der/ wie sie vorgabe/ etlichen Teutschgelehrten lauter Gold abspinnen soll: Worüm dann der Lachesis Rädlein fast unmüssig ist/wiewol sonsten der Atropos sobald nichts davon abzuschneiden werden wird: Vnd ob sie wohl sämtlich sich unferne hiervon verhalten/ so ist doch Menschlichen Augen verboten/ sie daselbst heimzusuchen. Die Vrsach aber/ daß sich Pan mit seinen 3. Schwestern aus Arcadien an dieses Ort begeben/ meldete einer unter den vieren/ diese zu seyn/ weil besagte Gegend der Zeit von wilden und ungezämten Leuten bewohnet würde/ die von Verehrung der Götter gar nichts wüsten/ zu deme so hätte ihn auch/ sein Erdgemache der Orten auszuwälen/ bewogen die an der Pegnitz neuaufgerichtete Hirtengesellschaft/ von derē Mitgliederē seiner mit Geschenken und Liedern am bästen würde gepfleget werden/ er verhoffete.
[47] Welche seine Hoffnung/ fuhre der Satyr fort gegen ihnen/ ihme seither auch gar nicht versaget. Daher er dann dem Vrheber dieses Ordens unnd allen dessen Mitgenossen mit merklichen Gnaden gewogen ist/ hat auch krafft deren heutiges Tages euch beyden alle diese Gunst erweisen wollen/ damit er euch also nochmehr zu Bedienung und Verehrung seiner anfrischete. Die Schäfere bedanketen sich hierauf/ soviel ihnen ihre Geschikklichkeit zuliesse/ mit untertänig-ehrbezeugenden Gebärden/ und folgeten im übrigen ihren Füreren zu der
Seiten der Hölen oberhalb/ alda sie eine Felsenwand befanden/ welche die Höle/ in deren sie waren/von einer andern/ in welche man durch einen Schwibbogen eingehen muste/ unterscheidete. Sie lasen aber aussen über dem Schwibbogen folgende Reimen:
1 Feuermund. Besihe Gesp. CCIIX. sonst Feurgesicht.
2 Nat. Com. Myth. I. 2. c. 6.
3 Idem. I. 6. c. 15 Ov. I. 6. Metā.
4 Id. ibid. Athenæ. I. 14.
5 Lucan. Dial. Iov. & Vulc.
6 Geisbild/ so: Geisfuß.
7 Ov. I. 1. Metam.
8 Ov. I. 1. Metā. Nat. Com. I. 5. c. 6.
9 Nat. Com. I. 5. c. 6.
10 Nat. C.I. 3. c. 6 Mythol.
11 Vberschrift.
Gehet hinein/ ihr Hirten/ (fuhre einer unter ihnen fort/) und beschauet das jenige/ worüm ihr vornemlich in die Höle seit gebracht worden/ Alsdann/ wann ihr alles zur Gnüge beschauet/ solt ihr mehrers von uns vernemen. Also giengen die beyde Schäfere allein in die andere Höle/ worinn sie ebenfalls/ obenüber/ an einer güldnen Tafel fanden folgende Reimzeilen:
Diese Höle war etwas änge/ aber zimlich lang/ und wusten die Schäfere nit/ wo sie die zu durchsehen solten anfangē/ so vielfältig sahen erstes Eingangs gegen ihnen die prächtigsten Bildnissen/ als ihnen jemahls vor Augen kommen: Dann es hiengen zu beiden Seiten gegeneinander über herrliche Tafeln von dichtē Golde/ mit über die massen schönen Gemälden kostbar. Es waren aber die Bildnisse alle im gantzen Küriß anzusehen/ auch gekrönet/ jedoch unterschiedlich/ teils mit Königlichen/ teils mit Fürstlichen/ teils mit Gräflichen/ udg. Kronen/ allein der Letzerē etliche hatten/ an stat deren/ Lorbeer-Kräntze/ allermassen/wie sie vorzeiten die Römische Feldherren/ wann sie im Triumf eingezogen/ gebrauchet/ mit kunstprächtiger Arbeit denen Tafeln derselben einverleibet/ von deren Glantz das gantze Zimmer erhallete 1. Sonsten fünkelten daselbst von dem Krongipfel dreyer Königshäubter drey Karfunkeln/ jedweder so groß als ein Taubeney/ Es war auch je zwischen zwey Tafeln zum Vnterscheid eine Seule von Porphyrstein gesetzet/ und sahe man unten am Ende der Höle noch viel leere Abschnitte/ vielleicht/ damit nach der Zeit mehr Tafeln könten beygehenget werden.
Die Schäfere fiengen an die Tafeln/ von der ersten an bis zu der letzten/ aufs genauste zu besehen/ und dz täten sie üm soviel desto lieber/ weil sie unter einer jedlichē etliche Reimē geschriebē fanden/ und dabey den Namen des Helden/ von dē solche redeten/ auch zu Ende der Bildschrift das Jahr/ in welchen er abgeleibet. Vnd verhielte es sich/ zur rechtē und linkē Seiten/ mit diesen folgender massen:
[49] Heinrich Graf zuTampier
und
Kaum hatten die Schäfere dieses letzere beschen/ sihe/da kamen die Satyren zu ihnen hinein/ und frageten sie so bald/ ob sie dieses alles verstünden. Vnd dieweil jene weder ja noch nein dazu sageten/ als die gerne etwas mehrers hiervon gewust hätten/ fienge einer unter ihnen an/ und sagte: Es sind diese Tafeln/die ihr allhier ordentlich vor euch sehet/ ihr Hirten/von unterschiedlicher Orten Nymphen hierein geliefert worden. Die Personen aber/ die von denselben blikken/ sind theils Könige und Königs-Söhne/ theils Fürsten/ Grafen/ und mit einem Wort eitel dapfre Helden/ welche in den nächsten XL. Jahren gelebet/ und ihren Nahmen in der Welt mit dapferen Tahten und Anschlägen ruchbar gemacht. Vnd/ dieweil jetziger Zeit die Kriegesflamme in allen Winkeln der Welt leider kreucht und schleichet/ werden diese ihre Lobes-Tafeln in dieser Höle aufbehalten/ bis so lange gedachte Flamme einmahl verlöschen möchte: Alsdann soll ihrer jedem in seinem eignen Land/ Gebiet/ oder Mutterboden [55] ein Ehrentempel erbauet/ und in demselben ihme allhier-zuständige Tafel/ zu ewigem seinem Lobgedächtniß/ aufgehenget werden. Massen jedlichen Orts Nymphen/ als des Landes Müttere und Närerinnen/ solche ihren Lands-Heldē von dem bästen Arabischen Golde zurichten lassen/ und folgends/ wie erwänet/ hieher gebracht. Das übrige/ sgte er/ werdet ihr allbereit so wol von den Vorstellungen selbst/ als denen Bildschriften satsam erlernet haben.
Nach diesem nahmen sie die Satyren wiederüm zwischen sich/ und füreten sie aus dieser Höle in die vorige/ und von dannē gar in die erste. Daselbst sahen sie den vertrunkenen Silenus den langen Weg hingestrekket liegen/ welcher kurtz zuvor von des Bacchus Feyere einer zu rükke kommen/ so voll und besoffen/daß an ihme nicht die geringste Empfindlichkeit zu merken war/ und stunden üm ihn herüm ein Hauffen Satyren und Faunen/ welche ihn an allen Orten des Leibs zupfeten und zwakketen/ wiewohl er es/ als der mehr einem Glotze/ als ihm selbst/ änlich/ gar nicht fülete: Allernächst darbey war auch sein Esel/ der sprange/ schrye und igaete/ vermutlich froh/ daß er von einer so schweren Last erlediget/ fienge auch/ ehe man sich dessen versahe/ an zu laufen/ und kame/nachdem er zuvor etliche Satyren/ die ihme im wege stunden/ zu Hauffen gerennet/ bey den Silenus/ und dantzete so lange über ihn hin und wieder/ bis ihme einer unter ihnen mit einer Peitsche den Rükken in etwas striegelte/ und ein andrer ihme seinen Staub so säuberlich zwischen die Ohren legete/ daß er seines Muhtwillens bald vergasse: Wiewohl ihme nichts desto weniger diese/ die er vormahls den Boden küssen gelehret/ fast unbarmhertzig auf dem Halse waren/ dieweil sie von den andern sehr besagter Abenteur halben ausgelachet wurden. 1
In solchem gienge Pyrops hin in die andere Höle/ daraus sie allererst gegangen/ zu der Wand/ wo [56] mehrerwänte des Pans Rohrpfeiffe hienge/ nam dieselbige von dannen/ und nachdem er damit wieder bey den Schäferen angelanget/ fienge er also an gegen ihnen: Wir wissen/ ihr Hirten/ daß ihr unter den löblichen Schäfer-Orden dieses Flusses eure Nahmen gegeben/so wisset auch ihr/ gestaltsam ihr es zuvor von uns vernommen/ daß der grosse Pan euch und eurer Genosschaft mehr/ als einiger andern/ geneigt ist: Daher er auch heutiges Tages euch beyden so hohe und grosse Gunst erwiesen/ dergleichen eine keinem vor euch jemahls wiederfahren ist. Nunmehr aber will er auch der gantzen Genosschaft ein sonderliches Zeichen seiner Gnade darthun/ und lässt derselbigen durch uns verehren gegenwärtige PFEIFFE/ welche ihr eben diese zu seyn wol wisset/ die er das erstemahl aus den Verwandlungsrohr seiner Nymphe geschnitten. So nehmet sie nun (sagete er/ in dem er sie diesen beyden darreichete) im Nahmen aller eurer Ordensgenossen von unsren Händen/ und wie sie dem grossen Pan seither allzeit über die massen lieb gewesen/ also könd ihr leichtlich erachten/ diese müssen ihm auch lieb seyn/ denen er so ein liebes Kleinod übereignet und schenket. Sonsten verspricht er euch und allen euren Ordensvervvandten/ daß er hinfort euch wolle ein gütiger Pan seyn: Eure Auen sollen immerzu fette Weide haben/ Eure Schafe sollen des Tags zwier können gemolken werden/ ihr solt in euren Hürden sicher wohnen/ eure Heerden sollen frey seyn von Gefärden des Wolfes/ keine zufällige Krankheit soll ihre Zahl ringeren/ sondern sie sollen järlich vor andern merklich zunehmen/ und kurtz/ er will aus euch die gesegnetesten unnd seligsten Hirten machen/ unnd an euch vielfältig darthun/ wie hoch beglükket werden die jenigen/ so wegen ihrer Treu und Frömmigkeit den Göttern lieb sind.
So bestürtzt wurden beyde Schäfere ob so unerwteteter Gunst-erteilung/ daß sie sich darüm zu bedanken kein Wort zur Bahn bringen konden/ sie unterliessen aber doch nicht mit stummen [57] Gebärden und stiller Ehrbezeugung solches zu verrichten/ so gut es ihnen abermals ihre schlechte Schäfer-Sitten zuliessen. Die Satyren aber eileten unsäumig mit ihnen zu einer Tür/ zu nächst ihnen/ welche ihnen eine andere Grufft aufschlosse/ voller Felsen und Klippen/ darinn der Tag oben zu etlichen Löchern hereinfiele/ Sie war bald änge/ bald wieder weit und geräume/ zu weilen auch fast niedrig/ also daß sie gebükket gehen musten. Endlich truge sie der ungewisse Weg zu einem külen Ort/ woselbst zu beyden Seiten ein kleines Wässerlein aus dem Felsen hervorquellete: Dieses/sagete einer von ihren Begleiteren auf das zur linken Seiten zeigende/ ist die Schwartzach/ ein klar Wasser/wie ihr wisset/ und ergeust sie sich von hier duch etliche Norische Täler/ in solcher Grösse/ wie ihr es allhier sehet. Nachdem sie aber etwas baß fürter gekrochen/ breitet sie sich aus und verliehret den Namen einer Bach/ indem sie zu einem kleinen Fluß wird/ biß sie endlich etwas ferne von hinnen von der Rednitz verschlukket wird. Jenes Wasser aber/ fuhre er fort/auf das zur rechten Hand zeigende/ ist jetzterwänter Fluß/ die Rednitz/ welche nachdem sie sich ebenmässig durch etliche unwegsame Oerter ergossen/ ihre Flut endlich mit der Pegnitz vermälet/ und mit derselben nachmahls an einem gewissen Ort in den Mäyn fället. Die Schäfere giengen hinauf an diesen Strömen fort/ kamē aber bald zu einem Ausgang/ und indem sahen sie sich üm/ und befanden/ daß sich indessen ihre Geleitsmänner von ihnen gestohlen.
Also giengen sie zur Hölen hinaus/ neigeten sich aber zuvor mit gebürender Ehrbezeugung/ und sahen folgends einander bestürzt an/ sich verwundrende der Wundersachen/ deren sie diesen Tag einen guten Tell in Augenschein genommen/ sonderlich aber der Helden-höle/ und der aldabeygestellten Bildnissen/ und fielen unter ihnen/ inzwischen daß sie ihre Füsse nach den Triften [58] (von denen sie sich alda fast ferne befanden/) richteten/ mancherley Meinungen von diesem allen. Zuletzt/ wie sie einen ziemlichē Wege in solchen Gesprächen hinter sich gebracht/ fragete Klajus den Floridan/ ob sie nicht dem grossen Pan zu Abstattung ihrer Dienst- und Dankpflicht für sotahne erwiesene Gunst-bezeugungen etliches absingen wolten/welches weil es Floridan nicht allein nicht abschluge/sondern auch selbst dazu noch mehr vermahnete/ fienge er (Klajus) also an:
So emsig waren diese Beyde in ihrem Singen/ daß sie Strephons und Montano nicht gewar wurden/ bey welchen sie gleich mit Endung desselben zu allemächst vorbeygiengen.
Es waren aber besagte zwey Schäfere eben damahls/ als Klajus und Floridan von dem Pan in die Höle gefüret wurden/ von einer Verrichtung/ welche sie ausser Lands geruffen hatte/ wiedergekehret/ und sobald an das Ort kommen wo diese ihre Heerde gelassen: Worüm sie/ weil sie solche ohn ihre Hirten irrende fanden/ fast sehr erschrokken/ als die sich von denenselben eines wiedrigen Falls besorgeten/ weil sie sie nirgends in der Nähe erruffen oder sonst ausspüren mochten/ ungeacht/ wie sehr sie sich bemüheten. Sie hatten aber bald [61] von ferne den Alcidor erblikket/ auf welchen sie so bald zuliefen/ und sich befrageten üm den Zustand beyder Abwesenden/ welcher aber hierob ja so sehr erschrake/ und sonsten gantz keine Nachricht zu geben wuste/ als deme es eben so fremde vorkame/ als ihnen: Daher sie ihn baten/ er wolte doch der Heerden acht haben/ entzwischen daß sie hingiengen und jene sucheten/ welche sie sobald daherzufüren versprachen/ wann sie sie gefunden hätten. Also waren sie nach vielen Vm- und Irrwegen an dieses Ort kommen/ woselbst sie/ wie gesagt/ ihre Verlohrnen frölich und singende daherstreichen sahen/ mit was Zufriedenheit/ ist leicht zu erachten.
Wie sie nun bereits vorbey waren/ sagete Strephon mit etwas lauter Stimme: Ich gläube/ Klajus und Floridan haben unsre Genosschaft aufgeben/ weil wir zu unsrer Wiederkunft also kaltsinnig von ihnen empfangen werden. Klajus/ der solches am ersten gehöret/wande sich geschwind üm/ und wie er Strephon und Montano also nahe ersahe/ liefe er unverzüglich hinzu/ und hiesse sie hertzmeinentlich willkommen seyn/ desgleichen täte auch Floridan/ welcher anfienge diesen ihren Fehler zu entschuldigen. Es fiele ihm aber Montano ein/ und: Klajus und Floridan/ sagete er/ sollen es nicht also schlecht hin und ümsonst gethan haben/ wir wollen ihnen eine Buß auflegen/damit sie forthin in ihrē Verfahrungen desto vorsichtiger seyen/ welche ist/ daß sie uns also bar erzälen/was für ein Anlaß sie/ ihre Heerden verlassen/ und unsre Widerkunft mit ihrer selbst vermeintlichen Verlust dermassen zu beunruhen/ beredet: massen wir mehr ihnen/ als sie uns/ willkommen zu sagen befüget.
Diese leidliche Buß/ gabe Klajus zur Antwort/ wollen und sollē wir mit Willen erfüllen: Erzäleten ihnen darauf ümständlich alles das jenige/ was sie diesen Tag gesehen/ und was ihnen aufgestossen/ auch endlich was der gantzen Hirtengesellschafft von dem grossen Pan geschenket worden/ und wie geneigt er der selbigen [62] sey/ alles nach der Ordnung/ wie ihnen solches begegnet und vor Augen kommmen/ überreichete auch sobald Strephon als dem Vrheber des Ordens/die Rohrfeiffe Pans/ mit Wiederholung eben der Worte/ welche sie bey Einhändigung derer von dem Satyr vernommen: Daß wir aber/ täte er hinzu/ unsre Schafe verlassen/ ist wider unser Wissen geschehen/in Erachtung/ wir vor Forcht halb todt von dem Pan in die Höle gerükket worden/ wiewol ich mich auch erinnere/ daß er uns bey erster Erscheinung versprochen/ unsrer Heerdē solte indessen wohl gehütet werden.
Heftig verwunderten sich Strephon und Montano über so seltsamē Begebenheitē/ am meinstē aber über dē Göttergeschenke/ welches sie dann fast andächtig küsseten. Sie wustē aber nicht/ wie sie sich erzälte Abenteuer gnug einbilden solten/ ja sie fiengē zuweilen an den Kl. und Flor. zu beschwörē/ daß sie ihnen doch die richtige Warheit sagen wolten/ dann sie wäneten noch immer/ diese gedächten sie mit Erörterung sothaner Seltenheiten allein aufzuziehen/ ungeacht/wie hoch selbige solches für wahr beteuerten und dartäten. Sie erinnreten sich aber/ nachdem sie so lange hiervon Reden gewechselet/ ihrer Zusage/ so sie zuvor dem Alcidor gesan: Macheten sich derhalben sämtlich auf/ und eileten dahin/ wo sie ihn vormals gelassen/alda sie ihn zwar nicht mehr fanden/ sie ersahen aber unferne davon die Heerden/ und einen von denen Vnterhirten derselben hütende/ welcher sie/ nachdem sie bey ihme angelanget/ berichtete/ Alcidor wäre einer Beschäftigung halber hinweggangen/ hätte aber ihme die Heerden anvertrauet und befohlen/ er solte ihn/ wo ferne sie zu rükke kämen/ entschuldigen: Mit welcher Aussage sie sich dann zu frieden gaben/ und darauf einer breiten Linden näherten/ üm alda in etwas auszuruhen/ und von mehrbesagter Begegnis weiter zu sprachē. Sie erblikketen aber/ sobald sie bey derselben ankommen/ in deren Rindē welche Reimen gekratzet/ und zwar an dreyen unterschiedlichen[63] Orten/ macheten sich derhalben hinzu/ üm deren Innhalt zu vernehmen Also lasen sie diese folgende:
Sie erkandten alsobald/ daß die ersten Zweye/ Myrtillo und Leria/ ihre Gedächtnis/ (als welche ihr Glükk und Geschikke vor etlichen Monaten anderswohin geruffen/) solcher gestalt würden hinterlassen haben/ der dritte aber/ Alcidor/ vielleicht ihnē zur Folge/ das seinige beygesetzet. Daher sie sämtlich beschlossen/ ein jeder auch das seinige beyzutragen: Gestaltsam sie es sobald an eben selbigem Baum zu Werk richteten/wie folget:
[66] Floridan/ wie er dieses vollendet/ wolte/ indessen die andern mit den ihrigen unmüssig waren/ noch etwas eingraben/ schnitte derhalben in Form der Pfeiffe/ mit deren sie selbigen Tages der grosse Pan beschenket/folgendes siebeneilichtes:
1 Bildreimen.
Die andern namen hiervon Anlaß/ der Sach ferner nachzusinnen/ und beschlossen endlich alle mit einhäkligem Raht/ weil oftgedachte Rohr-pfeiffe ihrem samten Orden von dem gütigen Pan als ein sonderliches Geschenke/ verehret worden/ sie solte hinfüro solcher ihrer Genosschaft eigenes Sinnbild 1 Kenn-und Merkzeichen seyn und heissen/ worbey sie/ sowohl als an den Blumen (von denen oben erwänet)/von allen andern solte unterschieden werden/ setzeten auch krafft solcher Abredung hinzu diesen Spruch-Reim:
Mit Nutzen Erfreulich.
[67] Nach diesem zoge Strephon aus seinem Tanister einen Brief/ welchen ihme/ wie er sagete/ vordern Tages Lerian aus seinem Paläcome überschikket/ dabey aber war ein Lied/ so an die gantze Gesellschaft lautete/worüm solches Strephon seinen Triftgenossen vorlase/ folgendes Innhalts:
1 Rosenlied. Im Thon: Meine treue Charis usw.
2 Die wilde Rosen. Letterw. Weid/ loser Neid.
3 Alex. Sardus de mor & rit. gent. I. 1. c. 23.
4 Domitian. Idem ibid.
5 Hölen Rosen. Lw. Schöne Krone.
6 Lignarid. Obl. Acad. c. 31. Wilde Rosen Lw. Liebesdorn.
7 Pers. Satir. Quicquid calcaverit hic. rosa fiet.
Es hatte aber Strephon/ indem er besagten Brief her vorgelanget/ unvermerkt ein ander Papier mit ausgeschleudert/ welches Floridan aufgehebt/ und ihme/nach beschehener Ablesung des Rosenliedes/ wieder zustellete/ jedoch mit dem bittlichen Zusatz/ er wolte den Innhalt dessen ihnen auch nicht unwissend seyn lassen/ wo ferne er eben dergleichen behandlete und sonsten nicht etwan in heelen Sachen begriffen wäre. Worein Strephon verwilligte/ mit Vermeldung/ daß er ohne daß eine so merkliche Abenteuer ihnen zu entdekken langst gewillt gewesen/ Es solten aber Montano und Klajus gute acht darauf haben/ als die solche zugleich mit/ wiewohl ohne ihr Wissen/ betreffen würde.
Fuhre darauf also fort: Es ist nicht so gar lang daß ich/ meinen Heerden eine fette Weide ausspürende/von ungeschicht auf einen Abweg gerahten/ welchen ich/ weil er mir zuvor unbekandt und daher wegen Neuheit desto annehmlicher/ so lang verfolget/ bis ich vermittels seiner Irrsteige endlich an einen öden Ort kame/ welcher mir wegen seiner einsamen und stillen Gelegenheit so wohl gefiele/ daß ich Papier und den Bleygriffel (allhier ist zu merken/ daß diese Schäfere sich immer zu mit Papier und Wasserbley in ihren Hirtentaschen versehen/ damit ja ihnē bey Gelegenheit an Matery zum Schreibē nicht ermangeln möchte/) ergriefe/ und meine Gedanken von dem alda-wesenden alt-verfallenē Schloß/ anrieslenden Deich/ beystehenden Morast/ und denen mit Baumen verwachsenen Klippen ausbildete in hiesigem Gedichte:
[70] Die Einsamkeit
1 Nach der Sehkunst (ad opticam) wann im Wasser die Bäume herwiederschatten.
Dieses nachdem ich es zu Papier gesetzet/ kame mich weiß nicht was für ein Vnlust an/ welcher mir erwäntes Gedicht so schlecht und unschiklich vormahlete/daß ich aus einer unzeitigē Hitz das geschriebene Papier auf dem Rükkwege in zwey Stükke zertrümmerte/ Nicht allein aber das täte ich/ sondern ich sange auch mehrbesagtem Reimgebände/ als wann ich mich noch nicht sattsam an demselben gerochen/ gleichsam zu Grabe mit diesen Honversen:
Es fügte sich aber ohngefär/ daß das erste Theil des zerrissnen [72] Papiers an einer Hekken hangend bliebe/das andre aber/ nachdem es von dem Winde etliche mahl überworfen/ mitten auf der Strassen liegend bliebe. Hier wolten ihme Montano und Klajus in die Rede fallen/ er bate aber/ sie wolten ihn diese Erzehlung vollenden lassen/ hernach könden sie/ wann etwas darinnen gefehlt/ genugsame Anmerkung thun. Welches/ weil sie es ihme verwilligten/ fuhre er ferner also fort: Folgender Tagen gelangeten der Orten herüm Montano und Klajus/ deren dieser den ersten/jener den letzern Teil von dem zertrümmerten Gedichte gefunden/ wiewol keiner mit des andern Vorwissen/Vnd sind sie beede vermutlich sobald mit ihrem Fund/ nach eben der vorbesagten Wildniß/ als die ihnen vielleicht allbereit bekandt/ geeilet/ einhälligen Willens/ jeder sich/ seinen Teil zu ergäntzen/ zu bemühen/ und zwar mit ungleichen Gedanken: Dann Klajus wänende das Gedicht behandle
Die Ein-falt.
(massen ihme nur die zwo ersten Sylben/ des Titels/die Einsamkeit als den Inhalt anmeldende/ zu handen kommen) ergäntzete die ersten Halbreimen solcher massen/ wie ihr von diesem Papier vernehmen möget: 1
[74] Montano aber konde aus der halbirten Vbeschrift die (Ein-)samkeit nichts anders schliessen/ als/ das Gedicht an sich selbsten müsse von der Einsamkeit handeln/ zumahl weil solches noch die erste halbe Reimzeil im Gedichte unlaugbar darthun wolte: Setzte derwegen meinen hindern Reimen vor diese halben Vorzeilen:
Die Ein-samkeit.
Kurtz hernach (vollfürte Strephon) kam ich zu den beyden in ihre Hürden/ und fand alda für mein Gedicht/ wie erzälet/ unversehens zwey andre. Daher ich veranlast wurde/ solche meines Gedichtes Kinder mit mir zu nehmen/ und neben demselben (dann ich schriebe das Meinige nach der Hand aus denen beyden wieder ab) unter andern meinen Lustgedichten aufzubehalten.
Floridan lachete ob dieser seltsamen Abenteuer/mit Vorgeben/ daß Strephons Kunstgedanken in Warheit fast Fruchtbringende wären/ weil sie also/ zuvor eintzelich ausgereiset/ selbdritte wieder zu Hause kämen. Montano aber und Klajus konden sich hierob nicht satsam verwunderen/ Endlich aber fienge Montano an/ unnd sagete/ er vermissete in der Erzälung[76] weiters nichts/ als daß Strephon zu Ende vergessen der Entschuldigung wegen begangener höflichen Entwendung des Gedichtes. Welches Strephon mit diesem beantwortete/ er erwarte vielmehr von ihnen einer demütigen Abbitte/ üm daß sie ihme sein Gedichte so freventlich angehalten und gehörter massen gleichsam geradbrechet hätten. Es versetzete Montano/ daß sie ihrerseits auch dieses nicht schuldig/ sondern hingegen Dankes von ihme gewärtig wären für die Heimsteuer/ mit welcher sie seine Verse begabet wieder hinweggelassen. Worüber sie dann alle lacheten/ und in solchem
Aber etwas/ und das sie zuvor übersehen/ an besagten Baum geschriebenes erwittreten/ welches sie sobald ablasen/ und folgendes Innhals befanden:
Das zu End angefügte L. verriehte ihnen bald/ daß dieses Lerians Gemächte seyn müste/ und gefiele ihnen die Erfindung/ vermög welcher er den ersten Buchstab seines Nahmens in erwänten vier Reimzeilen ein und viertzig mahl wiederholet/ dermassen wohl/ daß Strephon anfienge mit des seinen erster Letter S. auch also zu verfahren/ und die andern zu ebenmässigē Thun mit den ihrigen anzumahmen/ ja er setzete noch einen Preiß auf/ daß/ welcher in dem seinigen die meiste Zahl würde können aufbringen/ solte von der andern jeglichen mit einer neuen Flöten beschenket werden. Welches nachdem es allerseits verwilliget worden/ schriebe jedweder seines an einen sonderlichen Ort/ und hieltē sie alsdann gegeneinander. Strephon/ nachdem er von dem nächsten klaren Bächlein Anlaß genommen/ schriebe folgendes:
Montano schriebe von dem Stummen und Dummen 1/ deren jener aus Mangel der Rede/ dieser aus Zagheit/ unvernehmlich ist hiesiges:
Vber die massen verwundreten sich die Schäfere sämtlich/ als sie in der Abzehlung jedwedern Reimschluß Ein und viertzig der gehäuften Buchstaben just inhaltend befanden/ welcher Vrsach halber auch ihrer keinē der angesetzte Preiß konde zugesprochen werden/ daher sie auch diesen Zank auf eine andere Zeit zu verschrieben [78] geruheten. Folgends: Ich erinnere mich/ fienge St. an/ bey Fl. sein Gedichtchē/ der Heldengedächtnisse/ welche Kl. und er heute in Pans Höle beobachtet zu haben kurtz zuvor angebracht/ begehre derhalben von Mont. bittlich/ mit mir etwas von dieser unser letzten Heldenzeit abzusingen. Meines Erachtens sagete Mont. ist vielmehr die güldne Zeit der ersten Welt lobens wehrt/ mißbeliebe derhalben St. nicht/ wann ich ihme in seinem Singen Gegenpart zu halten gedenke. Ich bin wohl zu frieden/ versetzete Strep. Montano wolle den Anfang machen/ ich will aber seine letzten Reimworte behalten/ und folgends über meinen Leist schlagen. Nun wohl/ sangte Mont. so fange ich an.
1 Gespräch K. nach der Spanischen Art. S. der schönen Diana 1. Th. 4. B. 144. Bl.
Nach diesem setzeten sie sich unter dieselbige Linde zusammen/ und gab ihnen so bald Anlaß zu reden die daselbst-vorbeywaschende Pegnitz/ welche sie unter andern darüm hoch preiseten/ weil sie nicht allein mit Vbergiessung der Auen ihren [80] Schafen erspriesliche Weide/ wie auch gesunde Tränke/ zuflösset/ sondern auch ihnen/ den Schäfern/ mit sanftem und lieblichen Gesäusel die Ohren ergötzet/ mit Bekleidung aber der Vfere und Matten die ermatteten Glieder. Strephon und Floridan/ sagte Klajus/ werden sich mit mirs verwissen/ was massen wir vordessen die ursprüngliche Quelle dieses Flusses/ zwar zimlich ferne von hier/angetroffen/ welche in Warheit einem kleinen Bächlein änlicher/ als diesem breiten Strohm. Sie breitet sich aber/ sagete Floridan/ unweit davon aus/ und erzeiget sich stärker: Sonsten ergeust sie sich/ meines Gedenkens/ unter der Rechtē eines alten Steingreisses/(deme die viele der Jahre/ und Länge der Zeit/ Haar und Bart in Mos und Riedgras verwandelet) aus eines Felsens kleinem Hügel/ der in Form eines Krugs ausgehauen/ worauf diese nachdenkliche Worte/ vielleicht von einem Vorübergehenden/ geschrieben:
Ich netze und nütze.
Soviel ich höre/ täte Strephon hinzu/ so treuget meine beyde Mitschäfere ihr Gedächtnis nicht/ wie dann alles dieses auch noch frisch in dem meinē haftet: Mir fället aber jetzund bey/ daß Floridan damahls besagten Greis mit etlichen Reimen angesungen. Ich gedenke es auch noch wohl/ sagete Klajus/ und dieweil ich dazumahl solche/ wegen einer gewissen Hindernis/nicht wohl vernehmen mögen/ möchte ich sie gerne noch einmahl absingen hören. Noch lieber aber ich/setzete Montano hinzu/ als der ich selbiger Spatzierlust gar nicht beygewohnet. So wird demnach Floridan/ fuhre Strephon fort/ geruhen/ uns selbige zu wiederholen/ woferne er sie anderst behaltē hat. Ich solte wol/ sagte Fl. solches zu thun bedenkē tragen/ weil selbige Wiederholens nicht würdig/ doch damit ich meinen wehrten Schäferen willfärig werde/ so waren es/ meines Behaltens/ diese:
[81] Wir gönnen dir die Ruh/ du Mosbewachsner Greis/ 1 Wir gönnen dir die Lust in Schilfbewonten Sümpfē: Gieß ferner/ wie du thust/ dē Felsgeschmoltznē Schweiß/ Laß deinen Kruge nicht erschöpftes Naß beschimpfen. Laß die schnellen Fluhtkrystallen Nicht von Krieger Mordthat lallen/ Nicht den Blutgetränkten Koht unsrer Hürden Sie bebürden/ Nicht das Metzeln machen roht. Hier streichet und schleichet in lehmichten Gründen/ Hier krümmelt und wimmelt in schlüpfrigen Schlünden/ Der Fische Gespör/ Das schuppichte Heer. Segeln schon belaste Fichten Nicht durch deinen Kiesel-sand/ Lässt doch den beleichten Strand Nicht der nasse Nutz vernichten. Dort strampfet und stampfet der Mülen Gehämmer/ Was Aeren und Erde geschenkt/ Dort weiden mit Freuden die lustigen Lämmer/ Wann daß du die Auen getränkt. Nun wir eilen nach den Triften/ Lassen dich hier bey den Klüften/ Wollen auch dein Lob besingen/ Weil die Schäferpfeiffen klingen.
1 Pegnitzlob.
Sie sind wohlbehaltens würdig/ und daher auch Wiederholens/ sagete hierauf Montano: Ich will aber auch diß Orts etwas schlechtes erwänen/ so es denen wehrten Anwesenden nicht mißbelieblich/ womit ich diesen Mittage Laub und Gras besungē. Wir wollen darüm noch gebeten haben/ versetzete Strephon. Hierauf sange Montano hiesiges:
1 Sonnet. Lobspruch/ Vber Laub unn Gras.
Wann dieses schlecht ist/ fienge Strephon an/ so weiß ich nicht/ was gut ist/ Meine lieben Mithirten wollen ohne Beschweren auch ein Achtzeiliches abhören/welches ich heut Morgens über den Tau ausgesonnen/des Innhalts:
1 Huictain. Lobspruch über den Tau.
Klajus/ der ihme bißher zugehöret/ stunde auf/ und sagete zu Strephon und Montano/ er hätte mit Floridan eine Fehde auszutragen/ so sie nun zu Richtern sich wolten gebrauchen lassen/ so wolte er ihn hiemit auf einen Reimenkampf ausgefordert haben. Floridan hatte dieses kaum gehöret/ da sprang er auf [83] und bate die zween andern/ sie wolten doch des Klajus Begehren stat geben/ und ihnen beyden eine Matery zu solchem Kampf. Strephon und Montano liessen sich endlich/ wiewol langsam/ darzu bereden/ und gaben ihnen beyden auf/ sie solten etwas singen von der Behäglichkeit des Feldlebens/ welches beyde sobald eingiengen und fienge Klajus/ als der geforderet/ der erste an/ also:
1 Feldbehäglichkeit.
Kaum hatte Floridan geschlossen/ sihe/ da höreten sie jemand etwas anstimmen/ bemüheten sich derhalben des Gesangs Innhalt zu vernehmen/ und vernahmē sobald fogendes:
1 Mauer. Abschied.
Ich wolte wünschen/ sagete Strephon/ daß der Verfasser dieser Reimen anjetzt bey uns wäre/ uns solte dann gewiß an Vrsachen zu lachen keines Wegs ermangelen.
Wer mag/ sagete Floridan/ dieser sonst seyn/ den ich/ die Warheit zu sagen/ noch nie gesehen/ aber über die massen gerne etwas von ihme und seiner Standsbewandschafft vernehmen möchte/ will ihn sonsten nicht verrahten was er gesungen/ als der vielleicht auch in Vorbringung so rohtwelscher Reden nicht begehret verstanden zu werden. Soviel zwar ich weiß/ fienge Mont. an so hat sich dieser (der ein Schäfer ist) vor der Zeit in Städten verhalten/ ist aber gar neulich aus dem Burgerrokk in die Hirtenjuppe gekrochen nur darüm/ weil er unsren Stand von so vielē hochsinnigen Schriftsabfasseren lobpreislichst beschreiben und herausstreichen hören/ sowol auch gelesen. Sonsten weil der abenteurliche Mensch sich von Kindsbeinē auf in Liebs- und Poetischē Büchern mit überflüssigen Fleiß ümgesehen/ und dabey sine eigenen Verstand und Vernunftsmaß/ in Auslegung solcher Lehr- und Lustgedichte/ (welche alle sich doch gemeiniglich auf etwas anders gründen/ und oft wohl gar das Gegenspiel wollen verstanden haben) nachgangen/ als gläubet er von allen den Lügenfünden der alten Dichtere/ als wann sie den Wortverstand nach zu fassen/ ja die natürliche Warheit selbst wären. Gebrauchet sich derhalben so seltsamer und Rhodomontischer Redarten in Beschreibung seiner Liebespossen und anderer Sachen/ daß einem die Ohren darüber schwitzen möchten/ und könde man mit seinen Schwänken zur Noht einer Kröten vergeben.
[87] Zum Wahrzeichen sehet hier einen Klafterlangen/und mit vielen/ zwar gestimmelten/ Mänglingswörtern geflikkten und gespikkten Brief/ welchen dieser Hasenhäubtige Mensch (also sagete Montano/ und zoge zugleich den langen Zettel aus seiner Tasche) an eine seiner Liebsten ablauffen lassen/ und welchen ich dieser Tagen in einer holen Baumrinden gefunden. Floridan/ begierig dessen Innhalt zu vernehmen/ nahme ihn sobald dem Montano aus den Händen/ befande aber/ daß solcher von eitel gebrochnen Worten geschrieben/ und daher unleslich ware. Strephon aber sagete/ er hätte dergleichen mehr gesehen/ und müste der Zettel üm einen Stab gewikkelt werden/ damit also die zergliederten Wörter zusammenträfen/ und der Innhalt vernemlich würde. 1 Welches dann Floridan ungesäumet ins Werk richtete/ und darauf den Brief ablasse/ welcher sich folgender Massen verhielte:
Madamoiselle.
Cupido hat sich mit eurer formosirtet armiret, und eine lange Zeit her meine libertet blocquiret gehalten/welche sich in den Furt meiner raison retiriret, so bald sie vermerket/ daß die blocquade in eine formalisirte Belägerung changiret werden solte. Wie dann auch subsequiret, gestalt prænominirter Copido durch eine escalade meine Augen überrumpelt/ meinen Sinn pedartiret, und mein Hertz auf discretion aufgefordert hat: Doch hab ich noch soviel faveur von diesem meinem Feind obteniret, daß er geruhet/meine Feder mit seinem Pfeil zu temperiren, und mich mit meinen lacrimis (welche ich an stat der Dinten gebrauche) dieses Handbrieflein concipiren zu lassen. Wie ihr dann/ Madamoiselle, observiren könnet/ daß ich es mit dem Wachs von seinem flambeau cachiret unn versiegelt habe. Diesem nach flagitire [88] ich nichts mehr/ als daß auch ihr wie Cupido dasquartir beziehen möget in dem Hertzen
Eures
realmente-Ergebenen
Hylas.
Alle lacheten sie darüber/ und: Hylas nennet sich/fuhre Montano fort/ dieser kluge Alber/ und ob es wohl allbereit ein halb Jahr ist/ seit daß er ein Schäfer worden/ so unterlässet er doch nicht/ sein beurlaubtes Stadtleben noch immer mit tausenderley Schmähworten anzustechen/ und dagegen seinen jetzigen Stand über die massen und mit nur ersinnlichen Farben auszumahlen/ gestaltsam aus abgehörtem satsam zu schliessen.
Aber sehet ihn dort an dem Vfer heransteltzen/ Wer ihn allein mit denen Füssen wahrneme/ der dörfte wohl Stein und Bein schwören/ es wäre ein Kalekutsher Han/ so aufgeblasen ist er/ ungeacht sein Rokk weniger nicht dann fünf Jubeljahre gesehen. Jetzt streicht er den Knebel/ sagete Klajus/ meine wehrten Schäfere kommen mit mir hinter diesen Strauch/damit wir ihn nicht irre machen/ was gilts/ Floridan wird bald erfahren/ daß er in Beschreibung eines Hasen mehr Worte machen dörfte/ als derselbe Haare am Wadel hat.
Kaum hatten sie sich verkrochen/ da fienge dieser mit pralender Stimme also an zu reden: 2 So bald als heutigen Morgen der nächtliche Schlaf-Gott Morpheus die Grotte meiner Augen quittiret, (zu euch rede ich/ ihr Lüfte/) hab ich mich retiriret aus meiner Federburg/ üm zu vermeiden das importune wekken weiner wakkren Rieden/ Darauf promovirte ich mich auf den pertistyliis meines Körperlichen Gebäudes/und verschraubete mich à propos zu Feld mit meinen Schafen/ welcher freudiges Fussen den Schos unsrer Tellus so hurtig gepflastert/ daß ich also fast unvermerkt in diesem buntbemahlten Pallast der Blumgöttinn Flora, mit höchstem meine [89] contento arriviret. Balanciret aber mit mir/ ihr Lüfte/ auf juster Wagschale/ wie sehr diese eure Serenation varire mit eurer gestrigen und aller vorigen: So gar aber embarquiret sich hierob die Verwunderung den Segeln meiner Gedanken/ daß ich mir die bonasse eures Wolkenmeers etwas von wichtiger importanz præsagiren lasse/ nemlich/ Diespiter habe heut die gesamtē Götter zu einen convivio solenniter invitiret, welche meine opinio so sie infallibel wäre/ würde sie mein Gemüt nicht wenig traversiren, als der ich allbereit die pedarten meiner Andacht eingeschraubet/ üm damit die Thor zu Jupiters güldnem Trohn zuruinirn, weil ich seiner adjutanz in einem propos expressement benötiget. Ich werde aber ungeacht dessen/ mich in der grossen Hofhaltung zu Olympo bey dem Vice Roy anmelden/ auch woferne derselbe/ mir hülflich zu succurirn, nicht bastant seyn wird/ nach dem Jovi, im Schloß Phœbi, selbst inquirirn und mein Anbringen bey ihme in optima forma ablegen: Wird er mich alsdann etwan hineinfüren/ und hernach mit poculirē viel importunirn wollen/ so will ich darwider bey aller Götter Leben protestirn, und ihnen ein par leges ex utroque jure, oder aber ein dutzet Verse aus einem alten Poeten/ so schikklich zu allegiren wissen/ daß sie mich ohne einiges Weigerndimittirn und noch Geld darzu geben sollen.
Häftig lacheten hierob die Schäfere/ als die in ihrem Busch dieses alles bey einem Wort vernemen konden. Es hieß ihn aber seine Reden fortsetzen die Erwitterung einer gemeinen Hirtin/ genandt Neride/welche sonst nicht viel holdseliger war als ihr zottichster Ziegenmann.
Wann mich/ fuhr er fort/ das perspectif meiner bewärten Stirnfenstere nicht mocquiret, so bländen mich von jenem Vfer her zwey mächtige Himmelsliechter: Ja/ ja/ die Götter belieben nun wieder diese sublunarische Anmutigkeiten zu [90] invisiren, weil der lieblicheZephyrus und seine Buhlerische Flora allbereit ihre grün-rot-blau-braun-gelbliche/ unn mit fünklenden Sternen üm und üm verbosementirte Tapeten auf denGalerien dieses Weltbaues ausgespannet. Vnd im fall mir mein memoire nicht banquerote drohet/ so hab ich dieser Tagen die Götter mehrerntheils/ als Irrliechter/ in dieser Elysischē Gegende herümvagiren sehen: Von dē Jove zwar dunkte mich/ als wann er eine andere Inachs Tochter/ oder eine Danaem, Europam, ja wohl gar noch einen Ganymedem suchete/ als der sich bald in formâ eines Menschen/ bald eines Stiers/ bald wieder eines Adlers sehen liesse/ ja endlich gar zum Goldreif wurde und nächst bey mir niederfiele/ welchen ich aber im minstē nicht an mich bringen konde/weil er sich fast sehr an der Tellus Haaren consolidiret: Aber der arme Gott hatte hohe Zeit/ sich par posta von dannen zu salvrin, dann die eifersüchtigeJuno kame kurtz hernach mit einem grausamen pusican, womit sie ihm sonder zweifel ein hartes requiem würde gesungen haben/ woferne er sich nicht mit dem Fersengeld ranzoniret. Vnd nun/ wie wann auch jenes eine von denen Himmels-Königinnen wäre? Ich dörfte schier wänen/ es sey die Jägermeisterin Diana: Doch/es möchte wohl auch der dreyen Göttinnen eine seyn/von deren Schönheit vor der Zeit der Schäfer Paris auf dem Berg Ida judicirn müssen. Was thue ich aber/ (fuhr er fort) daß ich nicht meinē Füssen die Sporen gieb/ damit sie mit mir sonder Säumnis zu diesem Wunderbild galopyren, und ich alsdann ihren mein devotes hommage tres-houmbement deferrin könne? Geschwind machet euch auf/ ihr meine Leibssteltzen/ und befleisset euch/ wie ihr mit einem par Schritte den port meiner affecten einholen möget.
Damit gienge der hasenhaffte Mensch unverwandtes Fusses auf die Neride zu/ und nachdem er ihr genähret/ fienge er also an gegen ihr:
Neride hätte ihm (dem äusserlichen Ansehen nach) gerne geantwortet/ wann sie eines der Reden oder Reimen verstehen mögen/ Sie fassete aber so viel noch daraus/ daß er sie üm Liebe anlangete/ fienge derhalbē an/ als die solche Ansprechung (wegen deren seltnen Begebung) in der linken Fußsole kitzelte/ zu schmutzmäulen/ unterliesse aber unterdessen nicht mit ihren Schafen fortzutreiben/ und schwiege im übrigen damit sie ihm zu solcher Reden Fortsetzung veranlassete/ stokkstille/ worzu sich dann auch Hylas nicht lange bitten liesse/ und seine Aufschneidereyen verlängerte folgender massen:
Damit schwiege er wieder/ vielleicht von ihr erwartende einer erfreulichen Antwort. Doch sie bliebe auch auf dieses stummer als ein Fisch/ gabe ihm aber mit einem dutzet freundlicher Blikke zu vernemen/daß sie sich gerne mehr möchte also anbeten hören. Worüm er abermahls also fortfuhre:
[94] Mit diesem beschlosse er abermahls/ und kamen sie beyde in solchem so einen weiten Weg von den Schäfern hintan/ (ungeacht sie ihnen ohne das ein geräumes nachgeschlichen)/ daß sie ferner nicht vernemen konden/ was es zwischen ihnen vor Reden und Gebärden abgabe. Sie hatten zwar bißher beyden mit Lust und Lachen zugehöret/ hielten aber für unnötig/ ihnen nachzufolgen/ und den Ausgang ihrer abenteurlichen Handlungen in fernern Augenschein zu nehmen. Inzwischen konde sich Floridan nicht enthalten/ daß er nicht die überschöne Neride ein wenig beschriebe mit folgenden Klingebände:
1 Sonnet. Mißlob einer Garstigen.
Die andern lacheten hierüber/ und setzeten hinzu/diese Schöne könde so wohl nicht beschrieben werden/ daß nicht noch immer etwas rükständig bliebe/so man in ihrer Lobrede vergessen.
Es hatte aber die Sonne allbereit ihren gewönlichen Wolkenlauf zu Ende gebracht/ also/ daß die Schäfere an dem rohten Himmel wohl merketen/ der Mond würde bald seine [95] nächtliche Verwaltung antreten/ und die halbe Welt in seinen Schattenrokk verhüllen/ derenthalben sie auch beschlossen/ den Weg nach ihren Hürden vor sich zu nehmen. Zuvor aber und ehe sie sich aufmacheten/ fienge Klajus an gegen Strephon und Montano/ und bate/ sie wolten den Ausspruch machen/ welcher in nächstverwichenem Reimenkampf seiner und Floridans das bäste gethan: Vnd eben dieses begunte auch Floridan zu bitten. Jene beyde aber entschuldigten sich/ und sageten/ die Kämpfere hätten es zu beyden Seiten so gut gemacht/ daß sie keinem den Preiß mit recht zusprechen könden/ doch gaben sie endlich auf innständiges Anhalten ihrer beyden die Aussprüche folgender massen:
Floridan und Klajus bedanketen sich hierob zum sehrsten/ wiewohl sie sonsten mit dem Parteyischen Vrtheil nicht allerdings zu frieden waren/ musten es aber damahls dabey bewenden lassen.
[96] Indem sahen sie abermahls einen Schäfer hinter ihnen singend daherstreichen/ welchen Strephon alsobald für PERJANDERN ekennete. Sie höreten ihm aber zu/ bis so lange er sein Lied hinausgesungen/welches dieses war.
1 Blumenlied.
Wir sehen sie nakkicht/ entweichet mit mir!
Nach Vollendung dessen giengen sie auf ihn zu/welcher/ als er sie ersehen/ ihnen auch entgegen kame/ und nach vollendetē [97] Gruß sich entschuldigte/üm daß er diesen Tag ihrer Gesellschafft nicht beygewohnet/ woran er durch ein wichtiges Geschäffte verhindert wodren zu seyn/ sie versicherte. Die andern aber liessen sich sotahne Entschuldigung gefallen/und erzäleten ihme darauf alle die Abendteuere/ so ihnē den Tag über zu Handen kommen/ worbey sie am Ende auch nit vergassen der Schwänke des Hylas mit der kohlweissen Neride. Welches alles Periander beydes mit Verwunderung/ und dann auch voll Gelächters abhörete: Von des Pans Geschenke aber/sagte er/ hab ich mir jetzt ebē allbereit schwanen lassen/ nachdē ich alles das/ wz meine liehe Weidgenossen an einen Baum/ bey welchem mich mein Weg vorbeygetragen/ geschrieben hinterlassen. Wie ich dann ebenmässig etliches von meiner Blume hinzugethan/ ohngefehr dieses Inhalts:
Periander die Schlüsselblumen. 1
Die Schäfer lobeten Periandern üm die getreue Nachfolge/ und nahmen ihn so bald mitten zwischen sich/sich abermahls nach den Hürden wendende.
Bald aber/ indem sie sich also den Weg dahin tragen liessen/ fienge Periander unter andern an zu reden von den Rätzelfragen/ zu welchem ihme/ wie er [98] sagete/ Anlaß gab eine dergleichen Aufgabe/ derē er sich von dem nächstvorhergehenden Tage (in einer Gesellschafft beschehen) erinnerte; welche zu vernehmen weil die andern ein Verlangen trugen/ widerholete er ihnen solche/ und waren die Reimen diese:
Die andern lacheten ob der seltzamen Beschreibung/wiewohl sie das Beschriebene nicht errahten konden. Damit sie aber Periandern zu dessen Auflössung vermögeten/ fiengen sie an/ ein ieder auch eines zu erzälen/ so gut es ihnen in der Eil ihre Gedanken eingaben/ folgender massen:
Nach diesem fienge Periander/ als dessen vormahliger Anfänger/ an/ das seinige zu entdekken/ also sagende: Meines/ daß zwar mir dieser Tagen aufgegeben worden/ ist das/ was Strephon und Montano/ wann es nur ihnen beliebet/ an ihren geliebten Schäferinnen mit gutem Fug und Recht wahrmachen/ nämlich ein Kuß. Vnd meines/ sagete Strephon/ ist eben das/ wovon Periandern seines mehrent eils beliebet wird/ benentlich/ein Weibesbild. Was meines betrifft/ erlängerte Montano/ [100] so will ich es meinen Weidgenosē diese Nacht an statt einer Beyschläferin mit zu Bette geben/ und ist es der Schatten. Ich bedanke mich meines Teils/versetzete Klajus/ des freundlichen Ansinnens; das Meinige hat ein jeder an seinem Arm/ und zeigete damit auf ihre Sakkpfeiffen. Vnd dz Meinige/ beschlosse Floridan/ wird vielleicht ietzt in der Rokkenstube übel zerzauset/ und ist ein Spinnrokke. Worüber sie alle anfiengen zu lachen/ und damit den Weg weiter zu verfolgen beginneten.
Indem aber ersahen sie allererst den Alcidor ihnen entgegen kommen/ welcher im Fortgehen dieses Abendlied sange:
1 Abendlied. Im Thon: Wie nach einer Wasserquelle.
Zu einer zeit beschahe dieses Lieds Endung/ und die Näherung Alcidors/ welchē Klajus sagete/ er solte freundlichē Dank haben/ dz er für sie dem gütigen Himmel gehörter massen Dankgebür ablegen wollen. Welches Alcidor mit diesem beantwortete/ er hätte dißfalls der allgemeinen Schuldigkeit genug thun sollen und wollen/ und daher nichts dankwürdiges verbracht. Sonstē aber sagete er/ erfreuete michs/ als ich Klajus und Floridan also in Gesellschaft der andern frisch und gesund daherfussen sahe: Dann ich/ sobald ich mich meiner Beschäfftigung entladen/ wieder nach denen Triften eilete/ des sorgsamen Vorhabens/ nicht eher zu ruhen/ biß ich von ihrer beeden Verabwesung richtige Gewißheit eingeholet. Floridan bedankete sich üm sothane Gewogentliche Sorgsamkeit zum sehrsten/ und erzälete ihme sobald alles/ was sich mit ihm und Klajen zugetragen/ über welchen sich Alcidor höchlich erfreuete/ und mit ihnen den Rükkweg vor die Hand nahme.
In solchem/ wie sie nunmehr bey ihren Hürden angelanget/ [102] wolte Floridan/ weil er diesen Tag der Erste mit seinem Singen zu Felde gewesen/ auch in gleichem Thun der Letzte seyn/ beschlosse derhalben mit folgenden Ringelreimen.
ENDE.
1 Rondeau. Stat. 6. The. Iamnovies cœlo dimiserat astra Lucifer. & totidem lunæ prævenerat ignes.
Ich gestehe dem gönstigem Leser gerne/ daß ich hierinnen in Vielem gefehlet/ massen ich auch hiemit ihme meine schlechte Arbeit zu gewogener Verbässerung dienstfreundlich will empfohlen haben/ des sichern Versprechens von demselben/ er werde in Ansehung so wohlgemeinten Absehens/ diese Erstlinge meiner Sinnen wegen ihrer Vnvollkommenheit nicht verdenklich halten.
Sonsten ermahne ich hiemit/ in diesem Werklein Dreyerley zu beobachten: Deren das Erste die Randschrifften/ (marginalia) welche zum öfftern des Gedichtes Innhalt deutlicher machen/ und daher nicht zu übergehen/ wiewohl sie meistentheils selbigen zum bästen beygefüget/ denen die alten Nahmen und [103] Historien nicht läuffig. Folgends/ durch die kleinen und grossen Bilderbuchstaben/ wird mehrmahls des Gedichts Innhalt etlicher massen ausgebildet/ zuweilen auch Sinnbildsweis (emblematicè) vorgestellet: Vnd war ich gutes Willens/ jedwedern derselben mit einer kurtzen Deutschrifft den Regeln gemäß/ am Rand klärer zu machen/ wo ich nicht in den ersten Bögen übereilet worden/ worüm ich/ wegen der Gleichheit/ solches in denen folgenden unterlassen müssen. Drittens/welches das vornemste/ so hab ich mit den schwärtzern (Schwabacher) druk allezeit etwas sonderliches bemerket/ benenntlich unter andern die beschriebene und besungene Sachen/ (wie 1. 2. usw. Bl.) kunstübliche Reimendungen/ (Bl. 38. 59. usw.) wie auch Reimzierden/ (wie in den Heldenreimen/ usw.) udg. Welches alles der gönstige Leser genäuer zu betrachten/ und alsdann ein geneigtes Vrtheil davon zu fällen/ gebeten wird.
Dem gönstigen Leser will ich noch mit wenigem darthun einen Entwurf der vornehmsten Drukkfehler/welche wider Verhoffen eingeschlichen/ und können solche/ jedweder an seinē Ort/ zuvor und ehe man zur Lesung schreite/ zu desto mehrerer Verständniß/ ab-und außgethan werden.
Blat 3 Zeil 6. Ließ/ dessen. B.8 Z.4 L. Reingereimte. B.11 Z.14 L. wohnt. Z.16 L. In B.12 Z.5. L. hatt Z.31 L Ich. B.26 Z.28 L. Strephon hast. B.36 Z.13 L. ansteigrende. B37 Z.10 L. Hürden. B.46 Z.17 L mancherley. B.50 Z.11 L. noch. B.57 Z.13 L. rohren. B.63 Z.19 Lösche/ so. Z.20 L. gethan. B.78 Z.13 L. keiner. B.80 Z.21 L Dein und Mein. B.83 Z31 L. Reimenkampf B87 Z3 L. Adieu B.91 Z.26 L.houmblement.
Am Rande.
Blat 38 Zeil 7 Ließ/ mediâ. B.41 Z.6 Lösche/l.5.c.Z.7. L. Ibid c. B.69 Z.6 L. Höcken. B73 Z1 L.Heimstichium. B.79. nach Z.6. Zeichne.
Bl.49 von 19 bis 23 ließ also: Sonsten funkelten daselbst von dem Krohngipfel dreyer Königshäubter 3. Karfunkeln/ jedweder so groß als ein Taubeney mit kunstprächtiger Arbeit den Tafeln derselben einverleibet/ von deren Glantz das gantze Zimmer erhellete.