An einen gewiszen Officier, der sich auf einer Gondel nach Goliz mit einem Frauenzimmer verlobte
Leipzig Sommer 1717 – Sommer 1719
Es ist die Mode so: Man schiert und wird geschoren;
Seitdem des Noä Schif ein neues Volck gebohren,
Seitdem hat auch die Welt durch Geilheit, List und Macht
Den Nechsten oftermahls um Ehr und Gut gebracht
Und um das Licht geführt. Es heist: Wir fehlen alle –
Wie jene junge Magd, die kam bereits zu Falle
Und meinte gleichwohl noch, sie wüste nicht warum.
Ja, wenn kein Bursche wär! O macht mich nur nicht tumm!
Ich bin noch klug gewiegt und weis wohl auszuführen,
Daß alle Laster nicht von Übereilung rühren;
Denn ist der Mensch ein Thier, das noch Verstand und Rath
Nach Adams Sündenfall in etwas übrig hat,
So wunderts mich, warum so viele Duzend rennen
Und sich, wer weis was sonst? die Schnauzen oft verbrennen.
Gescherzt ist nicht geschimpft. Herr Bruder, nimm in Acht,
Wie weit ich diesesmahl die treue Pflicht gebracht.
Die Misgunst wird gewis bey meinen Zeilen dencken,
Als sucht ich dir hiemit ein Kleckschen anzuhencken.
Allein du siehst wohl ein, wie viel ich allzeit thu
Und was vor Redligkeit in meiner Feder ruh;
Denn daß ich dann und wann die Welt zu striegeln scheine,
Das macht es, daß ich stets die nackte Warheit meine,
Zumahl zu unsrer Zeit, in der der Hundsstern billt
Und Adams Blöße fast beym Frauenzimmer gilt,
Weil die Bequemligkeit nicht eben haben wollte,
Daß manch galantes Kind im Schweiß ersaufen sollte.
Die Lieb und auch die Flöh sind oft von einer Art;
Wer hier den Grif vergißt und kühne Finger spart,
Den trift oft der Beweis: Es hat sich nichts gefangen;
Daher wir oft ein Holz vor einen Hecht erlangen.
Und dies erfuhr nechst Mops, der zu der Fräule kam,
Den großen – – an statt des Hofnungsanckers nahm,
[3]Um, wenn es möglich wär, im Trüben viel zu fischen;
Allein er muste sich die magre Gusche wischen.
Denn die, nach der er schos, verlor sich ohngefehr;
Und weil er öfters schwur, wie günstig sie ihm wär,
So must er nach der Zeit das schnelle Schimpfwort hören:
Der Herr bekommt sie wohl, jedoch sein Wort in Ehren,
Koth löscht auch öfters Glut. Du weist wohl, daß ich oft,
Mehr als ein junger Mann auf einen Sohn, gehoft,
Dir auf den Ehrentag ein nettes Lied zu dichten;
Jezt muß ich meinen Reim in tausend Falten richten,
Da theils Verwunderung, theils Wärme, theils Verdruß
Den höchstverwirrten Geist in Zügeln führen muß.
Doch hab ich noch so viel in wichtigem Vermögen,
Daß, wenn auch die und die mich durch ein Irrlicht zögen,
Mir gleichwohl jezt der Werth von deiner lieben Braut
Zeug, Zunder, Wißenschaft und alles anvertraut,
Was sonst die Poesie zum Pferdeleihen brauchet.
Der wäre doch wohl toll, der, wenn die Jugend rauchet
Und Blut und Ader springt, sich nicht der Zeit bedient.
Allein wie schweif ich aus! Indem dein Brautkranz grünt,
So blüht auch mein Parnaß; das heist: Indem du liebest
Und als ein andrer Mars der Venus dich ergiebest,
Erhalt ich Kraft und Lust, von weitem einzusehn,
Wie manches Wunderwerck auch unter uns geschehn
Und daß Geschwindigkeit, die tausend Helden üben,
Den Cäsar nicht allein auf Ehr und Ruhm getrieben.
Er kam und sah und schlug; du kommst, du siehst und freyst.
Da deine Großmuth so ein Heldenwerck beweist,
So ist der Vorzug da. Der Erste thats auf Erden,
Dir aber muß sogar das Waßer dienstbahr werden;
Denn unser Pleißenfluß hat, wie man mir erzehlt,
Dich durch den schönen Blick mit Angst und Streit gequält
Und auch zugleich vergnügt, nachdem dein artig Wesen
Auf das geschwinde Ja der Braut bequem gewesen.
Es lüge nun der Neid, so viel er immer will,
Es hält ihm die Gedult wie dir dein Schäzchen still.
[4]Und daß dein Vaterland dir nicht ein Kind geschencket,
Das macht, daß hier mein Kiel auch an das Sprichwort dencket,
Daß da, wo jeder Mensch nur Wein und Brodt geneust,
Das nechste Canaan von Milch und Honig fleust
Und, wo wir in der Welt was Angenehmes finden,
Uns Lieb und Redligkeit ein andres Eden gründen.
Ich rede fast zu viel; denn wenn ein Postillant,
Er sey auch noch so tumm, den Seiger umgewand,
So fängt er erstlich an und will den Leuten fluchen,
Die in des Höchsten Wort den geilen Misbrauch suchen.
Gedult hilft allen durch. Dies wuste jenes Weib;
Die Bursche kamen ihr zu küzlich auf den Leib,
Sie hielt als wie ein Lamm und lies die Leute wißen:
Wer vor den Jungen lauft, der wird mit Koth geschmißen.
Doch wieder an das Ziel! Die Freyheit ist nun weg,
Und dein vor diesesmahl erhaltner Liebeszweck
Erweist dir allbereit den Stand geflickter Hosen;
Sie aber weis die Kunst, nachdrücklich liebzukosen.
Und da dir sonst dein Amt den wahren Sturm befiehlt,
So wiße, daß dein Fleiß hier nicht vergebens zielt.
Nur dies ist etwas schwer: Sie wird sich kaum bequemen
(Was thut das Alter nicht!), die Paucken anzunehmen.
Ein Klöppel klingt nur hohl; doch wiltu Sieger seyn,
So schraube wie Eugen Petard- und Flocken ein.
Es kostet wenig Müh, das weite Thor zu sprengen;
Nur nimm dich auch in Acht, daß nicht Fr – – drängen.
Denn wie Erfahrung lehrt, so hat der Feind die List,
Daß, wenn er allbereit der Flancken mächtig ist,
Er dennoch seine Macht mit starckem Feur zu zwingen
Und deßen Anlauf oft zum Abmarch pflegt zu bringen.
Ich wüntsche dir dabey ein fettes Siegesfeld,
Worauf dein Lanzenst[oß] die Oberhand behält,
Und wüntschte, könt es seyn und hätt ich noch das Leben,
Bey solcher Tapferkeit den Zeugen abzugeben.
Nein, nein, das war gefehlt, der Teufel hält das Licht,
So spricht man insgemein; doch da die Feder bricht
[5]Und meine Muse schweigt, so wüntsch ich dir das Glücke,
Daß deine Stärcke nur die Feindin glücklich drücke
Und daß ihr Gegenstand dir diesen Trost verleih,
Daß Beute, Lust und Kind auf einer Wahlstatt sey.
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- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Gelegenheitsdichtungen der Leipziger Zeit. Leipzig Sommer 1717 - Sommer 1719. [Es ist die Mode so]. [Es ist die Mode so]. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2447-3