[Welch Unglück wittert sich?]

[39] Die Asche des Weyland wohlgebohrnen Ritters und Herren, Herren Joachim Siegmund von Seydliz und Ludewigsdorf, der beiden Fürstenthümer Schweidniz und Jauer im reichenbachischen Weichbilde hochmeritirten Landeseltisten wie auch des Fürstenthums Münsterberg im franckensteinischen Weichbilde hochverordneten Landrechtsbeysizers und Landeseltisten, Erbherrns auf Töppliwoda, Sackrau, Mittel- und Nieder-Peilau etc., begleitete am Tage des hochadelichen Leichbegängnüszes, welches am 31. May 1714. zu Töppliwoda gehalten wurde, mit Thränen des betrübten Hochadel. Hauses gehorsamster Diener.


Friedrich von Bock, Equ. Sil.


Welch Unglück wittert sich? Wie wenn ein Mordcomet
Die Lüfte blutig macht und als ein Angstprophet
Die Völcker durch sein Licht in Furcht und Schröcken sezet,
Man schon der Länder Ruh vor halb verloren schäzet,
Wie wenn Enceladus in Aetnens Kluft erwacht
Und Schwefel, Pech und Glut den Abgrund trächtig macht,
Die eingepreßte Luft aus dem Gefängnüß dringet
Und der bestürzten Welt die Trauerzeitung bringet,
Daß Krieg, Gefahr und Pest schon auf dem Wege sey:
So und nicht anders pflegt der Parzen Tyranney,
Wenn sie die Ältesten im Regiment geschlagen,
Oft die Veränderung dem Staate wahrzusagen.
Denn zieht des Höchsten Hand dergleichen Nägel aus,
So trennt sich Holz und Stein, bis das zerschellte Haus
Den Giebel sincken läst. Der Tod von großen Leuten
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Will vor die Policey gar wenig Guts bedeuten.
Mit Alexandern fiel die dritte Monarchie;
Rom weis es, was der Fall Pompejens nach sich zieh;
Vergräbt Carthago sich in die verbrandten Mauren,
So will es den Verlust des Hannibals bedauren;
So lange Pyrrhus noch den Degen rühren kan,
Zieht auch Epirus nicht der Römer Feßel an;
Weil Archimedes lebt, kan Syracusa stehen;
Wenn Augustin erblast, muß Hippon übergehen.
Was damahls gleich geschehn, wird jezt nicht eingestellt:
Wir saugen eine Luft, wir sind in einer Welt,
Wir warthen auf ein Grab. Das strenge Recht zu sterben
Macht durch sein Alterthum an allen Adamserben
Auch die Exempel neu, und die Erfahrung lehrt,
Daß ihr Register sich durch deren Abgang mehrt,
Die ihrer Republic, so nur durch sie genesen,
Durch nichts als ihren Tod schwer und betrübt gewesen.
Bedrängtes Vaterland, der Himmel zürnt mit dir,
Und deinen Gränzen steht ein großes Unglück für,
Die Stüzen brechen ein, die starcken Pfeiler spalten,
Kein Mensch vermag den Riß der Schickung aufzuhalten,
Die sich zum Schlagen schickt. Budorgis sizt verwaist,
Weil ein verwegner Sturm in ihre Cedern reißt.
Nun will das Wetter sich um die Gebürge ziehen;
Ich fürchte, keiner wird der Allmachtshand entfliehen,
Die nach der Ruthe greift. Ein Reibniz fiel und stund
Im Fallen als ein Mann, den Morgen noch gesund,
Den Abend nicht mehr kranck; ein neues Leichbegängnüß
Nimmt meinen Seidliz fort. Erbittertes Verhängnüß,
Gönnt deine Misgunst denn der Schwachheit keinen Stab,
Der Unschuld keinen Trost? Brichstu den Ancker ab,
So scheitert auch mein Schif; erschlägt der Neid das Glücke,
So mir bisher geblüht, und bricht die Hofnungsbrücke
Durch einen Donnerschlag von deiner Faust entzwey,
So lern ich, daß dein Schluß unwiederruflich sey.
Mein Vetter, stirbstu schon, mein Vater, wollt ich sagen,
Lästu die Söhne dich schon zu den Vätern tragen?
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Du schweigest und sprichst Ja. Die Antwort ist zwar stumm,
Und doch betäubt sie mich. Verwaistes Fürstenthum,
Komm und bemühe dich, die Trauer anzulegen;
Ich werde deine Noth, du meinen Schmerz erwegen.
Vermische Blut und Salz mit meiner Thränensee,
Geuß deinen Wermuthsaft zu meiner Aloë,
Wir wollen beiderseits den edlen Leichnahm küßen
Und, wenn wir so gepaart, uns in die Gruft verschließen.
Doch weil die Tugend mehr als ein Bochim verdient,
Ja, weil ihr Lorbeerbaum auch in der Asche grünt,
So wollen wir den Ruhm des Redlichsten im Leben
Der Nachwelt durch dies Blat einst zu bewundern geben.
Ihr, die Geburth und Geld so stolz als edel macht,
Die ihr dem Pöbel flucht, die Wißenschaft verlacht,
Den Mammon Vater nennt, der Ehrsucht Opfer schlachtet
Und den Begierden euch um Wollustzins verpachtet,
Kehrt doch im Freyen um und werdet einmahl klug,
Eh euch die Thorheit fällt. Nehmt diesen Todtenkrug,
Den stummen Prediger, mit Andacht in die Hände,
Besichtiget die Gruft, betastet Sarg und Wände
Und riecht den Schedel an, denn saget mir dabey,
Ob dies der ganze Lohn von eurer Arbeit sey.
Ihr schreyt den Himmel an, ihr rennt und schwizt auf Erden,
Durchschneidet Salz und Meer und lasts euch sauer werden,
Daß ihr den morschen Leib mit fremden Kothe schmückt
Und nur ein halbes Wort in euren Titul flickt,
Der ganze Bogen füllt. Euch bleibt, bethörte Leute,
Der Schaden zum Gewinn und der Verlust zur Beute.
Wenn ihr nun nichts gespart, was euch vergrößern kan,
So kommt der Tod und klopft an eure Fenster an.
Was habt ihr dann davon? Nichts als ein schwer Gewißen
Und einen leichten Sarg. Wohl dem, der sich beflißen,
Wie unser Seeligster der Tugend nachzugehn;
Der kan in aller Noth so wie ein Fels bestehn,
Den keine Fluth bewegt. Er wies schon in der Wiege,
Daß aus des Adlers Nest nicht eine Taube fliege.
Die Kindheit war bey ihm kein leeres Dockenspiel;
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Denn was ein Neßelstrauch und Hacken werden will,
Das brennt und biegt sich bald. Der Jugend Frühlingsmorgen
Hies seinen muntern Geist sich auf den Herbst versorgen.
Da sonst der Müßiggang der Faulen Arbeit ist
Und mancher fleißig scheint, wenn er Romanen list,
So war ein kluges Buch und ein gelehrtes Wachen
Der Wezstein, ihm Verstand und Degen scharf zu machen;
Jedoch die Schwelgerey der Bücher fing ihn nicht,
Er dachte stets an dies, was jener Weise spricht:
Der Name Hochgelehrt sey diesem wenig nüze,
Der Rang und Stelle nicht auch ohne Buch beschüze.
Den Schulen gab er selbst nicht eher gute Nacht,
Bis Zeit und Alter ihm die Thüren aufgemacht
Und sein berühmter Fleiß ihm allerdings befohlen,
Den Schaz der Wißenschaft in fremder Luft zu holen.
Viel reisen, aber wie? Mit eignen Fehlern fort,
Mit fremden Sünden heim. Erschnappen sie ein Wort
Von einem, der einmahl im Peplier gehöret,
Daß man Madame spricht, wenn man die Frau verehret,
So ist der halbe Weg schon nach Paries erspart.
Nein, nein, Hochseeligster, von dieser Blinden Art
War deine Brust ein Feind. Rom sahstu nicht von ferne
Noch auf der Charten an. Du folgtest diesem Sterne,
Den dir die Tugend wies. Der Sitten Unterscheid,
Der Länder Eigenschaft, der Franzen Höfligkeit,
Der Britten freyes Thun, der Niederländer Wißen
Hat deiner Klugheit noch den Anstrich geben müßen.
Des Vaterlandes Wuntsch war deine Wiederkunft,
Aus Franckreich zogstu weg und ließest die Vernunft
Vor ein verbrämtes Kleid wie mancher nicht zu Pfande,
Der, wenn er wiederkommt, die Schwindsucht am Verstande,
Den Durchlauf aber gar im Beuthel mit sich bringt
Und weiter nichts gelernt, als wie der Welsche singt
Und der Franzose tanzt. Du machtest dich nach Hofe;
Doch weil die Gottesfurcht auch der geringsten Zofe
Arm und verächtlich scheint, so war dein fester Schluß,
Daß, wer nicht heulen will, die Wölfe meiden muß.
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So lebtestu bisher vor dich und deinetwegen
Und kontest ohne Gram dich stets zu Bette legen;
Allein die Wirtschaft nahm dir eilends alle Ruh,
Und endlich kam die Last der Ämter noch dazu.
Du durftest zu der Wahl die Stimmen nicht erkaufen;
Die Tugend pflegt doch nicht der Ehre zu entlaufen,
Die ihrem Fuße folgt. Was Wunder, wenn der Rath
Der Stände dich viel mehr zur Aufsicht zwang als bat.
Dein Eifer lies niemahls die Schwachheit unterdrücken,
Und deine Vorsicht hielt der Unschuld stets den Rücken,
Des Goldes Gelbesucht hat dich nicht angesteckt,
Der Unterthanen Schweiß nicht deinen Ruhm befleckt.
Ein jeder, welcher dich und deinen Wandel kannte,
Sah, wie kein Eigennuz in deiner Seele brannte.
Recht und Gerechtigkeit, die man jezt in der Welt
Und zwar nicht ohne Grund vor Exulanten hält,
Erfreuten sich, bey dir den Aufenthalt zu finden.
Das Saufen, eine Frucht der unerkandten Sünden,
Verkürzte nicht dein Ziel. Mehr beißen durch den Fraß,
Mehr durch die Trunckenheit als durch das Schwerd ins Graß.
Kein Schwelgen übergab dich vor der Zeit dem Tode.
In deinem Hause war die allerneuste Mode
Die alte Redligkeit, die Wörter Ja und Nein
Der allergröste Schwur. Das Alter brach herein,
Und deines Winters Schnee bereifte nun die Haare,
Kein Schröcken, keine Furcht vergällte dir die Baare,
Die Blindheit dieser Welt brach dir die Augen auf;
Drum kontestu getrost bald deinen lezten Lauf
Durch einen guten Kampf mit Fleisch und Blut vollenden
Und den erlösten Geist in Salems Freystatt senden.
Sagt, Armen, die er jezt zu zeitlich noch verläst,
Hat er die Thränen euch im Leben ausgepreßt?
Nein. Also könt ihr nun nach seinem Tode weinen.
Sprecht, Reichen, die mit Boy bey seiner Gruft erscheinen,
Wie er vor euer Wohl ihm ofters weh gethan.
Klagt, Musen, denen er hinfort nicht helfen kan:
Stirbt dieser, ach, so wird an unsern Mäcenaten
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Der Miswachs dieses Jahr gewislich gut gerathen.
Nimm, Seeligster, den Kranz, den Jesus dir versprach:
Die Wercke folgen dir in jenes Leben nach.
Verschlafe Noth und Angst, nachdem in Kedars Hütten
Dein Leiden auch nunmehr den Untergang erlidten.
Ich wollte, dörft ich nur auf meine Kräfte traun,
Aus Erz und Marmor dir ein Mausoleum baun;
Dies würde diese Schrift an seiner Stirne haben:
Hier hat des Landes Last des Landes Heil begraben.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Frühere Gelegenheitsdichtungen. Schweidnitz 1710-1715. [Welch Unglück wittert sich]. [Welch Unglück wittert sich]. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-215D-F