Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Versuch in Scherzhaften Liedern
Erster Teil

[3] An ***

Mein Engel!

Wenn Anakreon mir nicht vorgesungen, und wenn du mir nicht zugehöret hättest; So hätte ich niemals scherzhafte Lieder angestimmet. Du hörtest sie, du gabst ihnen Beifall, du lobtest den Dichter und seine Lieder. Einen so schönen Sieg haben niemals Petrarche erhalten! Ich darf dich nicht loben, aber ich versichere dir, wenn ich auch nichts, als dich, kleine Brunette, damit erobert hätte; Wenn ich gleich das Lob der Schönen und der Kunstrichter nicht damit erwerben kann; So werde ich doch niemals bereuen, daß ich mich unterstanden habe, die Uberreste des artigsten Geistes unter den Alten vor nachahmbar zu halten.

Du magst indessen meine Verwegenheit rechtfertigen, wenn sie von Kennern verachtet oder bewundert wird. Ich dürfte dis nicht von dir verlangen, wenn du nicht so bitter böse geworden wärest, als ich sagte: Die Urteile einer Geliebten müssen keinen Verfasser dreist machen. Ich konnte deinen Kuß nicht missen, sonst hätte ich damals noch eine halbe Stunde länger hierüber mit dir gezankt. Glaubst du nun, mein Engel, daß mich deine Urteile dreist gemacht haben? Sage [3] nein, wenn du willst, daß dir nicht eines von den Liedern an Doris allein bekannt seyn soll. Ich habe ietzo nur dieienigen drukken lassen, die du nicht vor heilig hält'st. Deine Schwestern mögen von der Sittenlehre derselben auf das Herz des Verfassers schliessen, wenn sie keinen Scherz verstehen; weiß ich doch, daß du ihn verstehst. Sage mir nur, wie ich die Scherze die du noch nicht beurteilet hast, nach deinem Geschmakke verbessern soll. Die Scherzrichter werden alsdenn erst damit zufrieden seyn.

Wie aber? Wenn sie sich unterstehen sollten, dein geheimes Lob, welches die Anzal der Lieder so groß gemacht hat, nicht zu bestättigen? Du magst dich vertheidigen, wenn du ein Mittel weißt. Mir wird kein[3] Tadel zuwider seyn, er wird mich nur behutsamer machen. Du wirst meine Wiederspenstigkeit, die du bisher eigensinnig genennt hast, bald anders nennen. Drei Urteile werden dich überzeugen, daß es nicht aus blossem Eigensinn geschehen sei, als ich vor einem Jahre den Drukk, den du veranstaltet hattest, verhinderte, ohngeachtet ich vorher wuste, daß dis Unternehmen dir zwei unzufriedene Minen, und mir zwei verdrießliche Blikke, ein Lied, und hundert gute Worte kosten würde.

Wie viel Minuten, die ich nicht vergnügt zugebracht habe, hast du schon auf deinem Gewissen? Du kamst gestern wieder eine halbe Stunde zu späte in die Gesellschaft. Die Frau von G ... hatte mich schon zweimal gefragt: Warum ich so oft nach der Uhr sähe; und das verzweifelte kleine schwarze Mädchen sahe es mir an den Augen an, daß du mir fehltest. Es war mir lieb, daß v.Z. zu spät kam. Er hätte in der That, noch einmal zu mir gesagt: Du siehst ia aus wie ein verliebter Seufzer.

Was wird deine Tante sagen, wenn Sie das Lied auf die schwarze Lerche zu lesen bekommen wird? Sie weiß nicht, daß du auch eine hast. Ich will dir mündlich sagen, was du vor einen Spas machen kannst.

Weißt du was mein Engel? Ich muß es dir nur gestehen: Die Lieder an Doris, oder die, worinn Doris was zu thun hat, gefallen mir nun, da sie gedrukkt sind. Hätt' ich doch die übrigen nur mit drukken lassen. Ach! wie böse würdest du kleines Ding nicht geworden seyn. Nein, ich werde es nicht eher thun, bis du wirst zu Stande gebracht haben, was ich dir vorschlagen werde.

Als die Frau Dacier die Scherze des scherzhaftesten Griechen, den Damen angenehm machen wollte, muste sie ihn in ihrer Muttersprache unterrichten. Wenn deine Schwestern die Lieder auf dich singen sollen, so must du sie in Reime übersetzen, wie ich die Wahl (pag. 25) übersetzt habe. Bringe morgen einen Versuch mit in die Oper, ich will dir Noten mit bringen, nach welchen du das übersetzte Lied singen und spielen kannst. Lebe wohl, kleine Brunette. Ich werde diese Nacht von dir, von einem Kusse, und von einer Sommerlaube träumen.

[4] Anakreon

Anakreon, mein Lehrer,
Singt nur von Wein und Liebe;
Er salbt den Bart mit Salben,
Und singt von Wein und Liebe;
Er krönt sein Haupt mit Rosen,
Und singt von Wein und Liebe;
Er paaret sich im Garten,
Und singt von Wein und Liebe;
Er wird beim Trunk ein König,
Und singt von Wein und Liebe;
Er spielt mit seinen Göttern,
Er lacht mit seinen Freunden,
Vertreibt sich Gram und Sorgen,
Verschmäht den reichen Pöbel,
Verwirft das Lob der Helden,
Und singt von Wein und Liebe;
Soll denn sein treuer Schüler
Von Haß und Wasser singen?

Der Rechenschüler

Mein Vater lehrt mich rechnen,
Er zälet Pfund und Taler;
Ich aber zäle Mädchens.
Er sagt: Es sollen zwanzig
Sich in zwei tausend teilen,
Gieb iedem seine Winspel;
Ich aber teile Mädchens,
Und gebe iedem hundert.
Ein Centner gilt zwei Gulden,
Er frägt: Was gelten zwanzig?
Und meinet immer Centner;
Ich aber meine Mädchens.
[5]
Er frägt mich: Wenn du zwanzig
Mit Zwanzigen vermehrest,
Wie viel beträgt die Summe?
Und wenn er mich so fräget,
So denk ich ans Vermehren
Der Schwestern und der Brüder
Und lache, wenn ich rechne.

An Herrn von Kleist

Wie lieblich sprudelt diese Quelle!
Wie sanft küßt mich der West im Gaukeln!
Wie reitzend schwebt das Laub im Schatten!
Wie fruchtbar blüht die Lind am Ufer!
Wie munter steht das Thal voll Blumen!
Hier, Freund! Hier ist das Land des Friedens,
[6]
Hier ist es gut, hier laß uns wohnen,
Hier laß uns, fern von Stolz und Sceptern,
Die kurze Lebenszeit verlängern;
Hier soll sie, frei von niedern Sorgen,
So sanft, wie dieser Bach verfliessen.
Hier darf kein Gold vor Narren glänzen,
Hier hört man keinen Muffel seufzen,
Hier läuft kein Kramer mit Gewichten,
Hier rast kein Menzel mit Husaren,
Hier wafnet sich kein Held zum Morden,
Hier soll uns kein erzürnter Priester
Und keines Prinzen Dumheit ärgern.
Hier sind wir einsam, fromm und stille,
Hier schwärmen keine schwarze Sorgen,
Hier hört man kein Geschrei der Laster,
Hier brennt kein Schwefel in der Hölle,
Hier brüllt kein Teufel, wie ein Löwe.
Hier wollen wir uns Hütten bauen,
Damit die Tugend sicher wohne;
Hier sei mein Herz ihr froher Tempel,
Hier wiß es nichts von Furcht und Sorgen,
Hier wollen wir der Freundschaft opfern,
Hier wollen wir den Himmel loben,
Ihn loben, aber ihn nichts bitten.
Hier wollen wir uns kennen lernen,
Hier wollen wir am Ufer trinken
Und trinkend scherzen und uns küssen.
Was fehlt der Fülle solcher Wonne?
Ach Freund, es fehlt uns noch die Liebe ...
Geh! hole du dein blondes Mädchen,
Ich will die braune Doris holen.

[7] Todesgedanken

Ich bin noch nicht gestorben,
Und wenn ich einmal sterbe,
Dann will man mich begraben,
Und dann soll ich vermodern,
Und nicht noch einmal tanzen.
Jetzt, da ich noch nicht modre,
Muß ich noch Rosen pflükken,
Weil ich den Duft noch rieche;
Jetzt, da ich noch nicht modre,
Muß ich noch Mädchens küssen,
Weil ich den Kuß noch fühle;
Jetzt, da ich noch nicht modre,
Muß ich den Wein verbrauchen.
Werd ich im Grab auch dursten?

Der Vermittler

In dem Garten, den ich liebe,
Wollt ich mitten unter Rosen,
Mit der artigsten Brunette
Frohe Gartenspiele spielen.
Schatten, West und Nachtigallen
Pries ich ihr als Spielgesellen;
Aber die vergnügte Schöne
Ließ sich nicht zum Spiele reitzen;
Ob sie gleich die Lust zum spielen
Nicht genug verbergen konnte.
Neue Gründe, neue Bitten,
Schaften endlich Ja und Willen,
Daß ich mir mit Rosenknospen
Ihren Kuß erwerben sollte,
Wenn ich sie damit, von weiten,
[8]
In der Laube treffen könnte.
Niemals hab ich mehr gezielet,
Als ich mit den Knospen zielte;
Niemals traf mein Bogen besser.
Aber Doris, die Geliebte,
Weigerte den Preis der Wette
Dem Gewinner abzuliefern,
Und versprach bei iedem Treffer
Alle Schulden auszulöschen,
Wenn noch eine Knospe träfe.
Als nun eine unter dreien
Treffen oder fehlen sollte,
Traf sie plötzlich an den Busen
Eine schwere Rosenknospe.
Augenblikks, indem sies fühlte,
Oefnete die Rosenknospe
Das Behältniß der Gerüche,
Und, ihr Schönen, welch ein Wunder!
Amor kam herausgesprungen.
Kleine Anmuts volle Lokken
Fielen von der zarten Scheitel
Von den Küssenswerten Lippen
Treufelten die Küsse sichtbar,
Und ein Trupp verliebter Geister
Und ein Schwarm vergnügter Silfen
War geschäftig sie zu sammlen.
Mit vergnügten Wollustminen
Lächelte der Götterknabe.
Schwebend flog er, wie ein Engel,
Zwischen mir und meiner Schöne,
Welche voller Furcht und Schrekken
Hurtig aus der Laube flohe.
Aber Amor rief sie freundlich:
Kleines Närrchen, bist du blöde?
Bleib nur hier, sonst schießt mein Bogen
Und du wirst ihm nicht entrinnen.
[9]
Als er eben schiessen wollte,
Gieng sie wieder nach der Laube,
Wo sich Amor ihren Augen,
Ohne Kleid und Hemde zeigte.
Hurtig wandte sie die Augen
Nach der Gärtnerin im Garten;
Wie sie schamhaft kluge Schönen
In Gesellschaft wehrter Freunde,
Von geschnitzten Liebesgöttern
Lieber nach Citheren wenden.
Aber Amor flog ihr näher,
Und befahl mir, daß sies hörte:
Liebling, pflükke Rosenknospen,
Ich will sehn, ob deine Knospen,
So, wie meine Pfeile, treffen.
Ich gehorchte dem Befehle;
Als ich aber unterwegens
Die gepflükkten Rosenknospen
In die Tasche stekken wollte:
Fand ich, Freunde glaubt dem Finder!
Beßre Knospen in der Tasche.
Diese nahm ich, statt der andern,
Und indem mich Amor winkte,
Und indem sie Amor küßte,
Ließ ich schnell die Knospe fliegen.
Kaum war sie der Hand entflohen,
Als mich schon der Wurf gereute;
Denn sie sank in Amors Arme,
Und ich dachte, meine Knospe
Hätte sie so stark getroffen,
Daß sie hurtig sterben würde.
Denn sie seufzte: Welche Wunde!
Seht nur her! ich bin verwundet!
Aber Amor lachte frölich,
Und besichtigte die Wunde,
[10]
Und wies mit dem kleinen Finger
Pfeil und Knospe an den Busen.
Siehst du, sprach er, deine Knospe
Muste diesen Pfeil verwahren,
Denn du solltest diese Lose,
Die mich oft, wie dich, verspottet,
Für die Spötterei bestrafen.
Laß sie noch ein bisgen quälen,
Und dann nimm den Liebesbalsam,
Das Geschenk von meiner Mutter,
Und bestreich damit die Wunde.
Küsse sie, nun wird sie küssen,
Laß dir den Gewinnst bezalen,
Und bezale du sie wieder,
Wenn sie dich in Zukunft mahnet;
Denn, mein Freund, so und nicht anders
Hab ich dich und sie vermittelt.
O wie oft, wie sanft, wie zärtlich
Küßte mich die liebe Schöne,
Als sie Amors Vorwurf hörte.
Neuerfüllte Freudentränen
Flossen von den schönen Wangen.
Amor ließ sie von den Silfen,
Die wie Sonnenstäubchen schwärmten,
In ihr Kußgefässe sammlen,
Wo sie, wie mir Amor sagte,
Seine Küsse feuchten sollten,
Daß sie frisch und reitzend blieben,
Bis er zu der schönen Mutter
Wieder in den Himmel käme.
Wie vertraut, wie froh, wie freundlich
Sprach mit uns der Gott der Liebe!
Könnt ihn doch mein Pinsel malen,
Daß ihn alle Schönen sähen,
Daß die Anmut seiner Glieder,
Ob sie gleich nicht männlich stehen,
[11]
Dennoch sie zum Kusse reitzte!
Könnt ich doch die kleinen Geister,
Die auf Pfeil und Bogen lachten,
Die um Kinn und Wangen schwärmten,
Mit der Göttersprache malen!
Könnt ich doch den blöden Schönen
Die Erscheinung sichtbar machen!
Doch sie werden dem Erzälen
Meiner lieben Doris glauben,
Denn man weiß, sie kann nicht lügen.
Ja, sie werden alles glauben,
Wenn sie künftig sehen werden,
Daß die Rosen nie verwelken,
Die auf ihren Busen blühen.
Doris soll zwar viel erzälen,
Aber das, was ich verschweige,
Soll sie ebenfalls verschweigen.
Welche seltne Heimlichkeiten
Hat uns Amor nicht entdekket,
Eh er schnell, vor unsern Augen,
Wieder in die Knospe flohe,
Oder in den Götterhimmel.
Drei Minuten nach dem Wunder
Blühten beide Wunder-Rosen,
In der schönsten Rosenblüte,
Auf den Busen meiner Doris.
Brüder, wollt ihr es nicht glauben?
Geht nur hin, und seht die Rosen.

[12] Pflicht zu verliebten Gesprächen

an Herrn Amtmann Fromm.


In den lauten Nachtigallen
Lokkt, und schlägt und iauchzt die Liebe;
In der Lerche unterm Himmel
Lobt und tirelirt die Liebe;
In dem Enter auf dem Wasser
Schwimmt und schnattert nichts als Liebe;
In den Schwalben unterm Dache
Zwitschert, baut und spricht die Liebe;
In den Spatzen vor dem Fenster
Lauscht und ruft und hüpft die Liebe;
In dem Täuber, in der Taube
Girrt und lokkt und lacht die Liebe;
In den Tönen meiner Laute
Klingt und lobt und scherzt die Liebe;
In dem Kind auf meinem Schosse
Hüpft und scherzt und singt die Liebe;
Alles Wild im freien Felde,
Alle Vögel unterm Himmel
Haben Stimmen zu der Liebe;
Alles scherzt und spricht vom Lieben;
Soll ich denn davon nicht sprechen?

Geschäfte

Mir deucht, so oft ich schlafe,
Schlaf ich bei lauter Mädchen;
Und immer, wenn ich träume,
Träum' ich von nichts als Mädchen;
[13]
Und wenn ich wieder wache,
Denk ich an nichts als Mädchen;
Im Schlaf, im Traum, im Wachen
Spiel ich mit lauter Mädchen.

Anlaß zum Schlafe

Von Zefirs sanftem Säuseln
Bin ich oft eingeschlafen;
Vom Saft gepreßter Trauben
Bin ich oft eingeschlafen;
Im Schatten iunger Bäume,
Vom Schwarm der muntern Bienen,
Beim Sprudeln kleiner Quellen
Bin ich oft eingeschlafen;
Doch, soll ich ietzo schlafen:
So müssen Küsse rauschen.

Das Möpschen

Du liebes kleines Möpschen,
Wie hast du mich gefunden?
Komm her! auf meinem Schosse
Will ich dich sanfte streicheln,
Und du sollt mir erzälen,
Warum du mich besuchest.
Mein Herr hat mir dis Zimmer
Und dieses Haus gewiesen,
Und schikkt mich her zum Wächter.
Was sollt du denn bewachen?
[14]
Euch selber, schöne Nimfe,
Ihr sollt mit keinem andern
Als mit Filemon sprechen,
Mit keinem andern scherzen,
Mit keinem andern spielen;
Und wenn ihrs etwa thätet:
So soll ich um mich beissen.
Ich bin ein treuer Diener,
Drum hütet euch vor Bisse.
Ich leide keinen Fremden,
Der euch die Bakken streichelt,
Der sich mit seinen Lippen
Auf eure Lippen drükket,
Und dann zurükke ziehet
Und eure Hände drükket.
Wenn aber eine Freundinn
In einem langen Kleide
Mein Schlafgemach besuchet,
Wirst du es auch nicht leiden,
Wenn ich ihr was verstatte?
Davon hat mich Filemon
Nicht völlig unterrichtet.
Geschwinde laßt mich laufen,
Ich will ihn drum befragen.

Bitte um ein längeres Leben

Lieber Tod! du wirst dich irren!
Suchst du etwa meinen Nachbar
Mit dem alten krummen Rükken?
Geh nur hin! er wohnt zur Rechten;
Geh nur hin! du wirst ihn finden,
Und er hat dich schon gerufen.
Lieber Tod! du wirst dich irren;
[15]
Lieber Tod! geh doch nur weiter.
Da! hier ist die ganze Tasche!
Alle diese Schwanzdukaten
Hab ich einst für dich gewechselt.
Nimm sie hin, und geh nur weiter.
Hörst du nicht den Nachbar rufen?
Hol ihn nur, er wird dirs danken.
Tod du irrst dich! soll ich schweren?
Nein! wir wollen uns nicht zanken.
Sieh! hier sind noch mehr Dukaten.
Sey so gut, wie unsre Richter.
Laß dich doch nicht länger bitten!
Nimm das Gold, und laß mich leben.
Willst du nicht, so laß es bleiben,
Laß mich nur noch einmal küssen.

An Doris

Könnt ich Holz, wie Menschen schnitzen,
Lauter Nimfen wollt ich schnitzen;
Könnt ich Marmorsäulen hauen,
Lauter Nimfen wollt ich hauen;
Könnt ich nur Tapeten wirken,
O! so wirkt' ich lauter Nimfen;
Lauter zärtliche Blondinen,
Lauter willige Brunetten,
Und die zukkersüsse Schöne,
Die mich ietzt so zärtlich küßte,
Sollte mir zum Muster dienen.

Amor im Garten

Die Sonne sank nach Westen,
Und machte noch im Sinken
Die letzte Abendröte;
Als mich ein kühler Zefir
[16]
Aus meinem Zimmer lokkte.
Ich folgt ihm in das Grüne,
Wo tausend Rosen blühten,
Um die er gaukelnd scherzte.
Der Büsche kleine Sänger
Ergötzten mich im Stillen,
Und meine Augenlieder
Befiel ein süsser Schlummer.
Ich träumte von der Liebe,
Ich träumte von Dorinden,
Von vielen andern Schönen,
Und von der lieben Venus.
Ich küßte sie im Traume,
Ich saß auf ihrem Schosse,
Und sagt ihr von Dorinden.
Sie hielt mich in den Armen,
Und sprach: Sie soll dich lieben.
Schnell ward ich wieder munter.
Ich sah mich um und lauschte;
Denn unter frischen Rosen
Fand ich mich ganz begraben.
Ich sprang von meinem Lager,
Den losen Gast zu suchen,
Der mich so schön bedekket;
Allein im schnellen Springen
Empfand ich plötzlich Schmerzen.
Ein kleines Kind mit Flügeln,
Das ich noch nie gesehen,
Saß lächelnd hinterm Busche
Und sprach: Dis kann mein Bogen,
Und wies mir mit dem Bogen
Dorinden in der Laube.
Ich weiß nicht, welche Wunde!
Sie schmerzt, und that doch sanfte,
Und, als ich nur die Schöne
Drauf in der Laub' erblikkte,
Verschwanden alle Schmerzen;
Denn sie war gar zu freundlich.

[17] Die Schule

Kinder! habt nur Lust zu lernen;
Seht! es fehlt euch nicht an Lehrern.
Feuer, Wasser, Luft und Erde,
Was ihr seht, und hört, und fühlet,
Alles kann euch unterrichten.
Habt nur erst den schönen Willen,
Allem etwas abzulernen.
Lernet denn und werdet klüger.
Lernt vom Löwen tapfer streiten;
Hurtig lernt vom Adler fliegen;
Lernt vom Nautul künstlich schiffen;
Lernt vom Biber sicher bauen;
Lernt von Bienen Süßigkeiten,
Und von Spinnen feine Faden.
Lernt auch etwas vom Kaninchen!
Aber eh ihr etwas lernet,
Lernt von mir und meiner Schöne
Gut zu spielen, gut zu küssen:
Seht nur her! wir halten Schule.

Die Wahl

Könnt ich malen, wie Apelles,
Lauter Mädchens wollt ich malen;
Könnt ich nur wie Orpheus spielen,
Lauter Mädchens sollten tanzen;
Könnt ich Todte lebend machen,
Lauter Mädchens sollten leben;
Aber könnt ich, wie ich wollte,
Viele wieder sterben lassen,
Viele sollten wieder sterben,
Viele wollt ich überstreichen,
[18]
Daß sie ungemalet blieben,
Und vom ersten Tanz ermüdet
Sollten viele nicht mehr tanzen.

Die Wahl

Könnt ich nur, wie Orpheus, spielen,
Alle Knaben solltens fühlen,
Und wenn ich ein Stükk gespielet,
Und wenn sie den Reitz gefühlet,
Sollten sie bei Spiel und Singen
Alle tanzen, alle springen;
Könnt ich, wie Apelles, schildern,
O so sollt es meinen Bildern
Nicht an Reitz und Schönheit fehlen,
Lauter Knaben wollt ich wählen;
Könnt ich künstlich, wie Propheten,
Menschen wekken, Menschen tödten,
O so wollt ich Geist und Leben
Allen Knaben wieder geben.
Aber könnt ich meinen Willen
Durch ein mächtig Wort erfüllen,
Einer sollte nach dem andern
Wieder zu den Todten wandern;
Vieler Knaben Schildereien
Sollten brennend mich erfreuen;
Viele sollten, unzufrieden,
Gleich vom ersten Tanz ermüden,
Stille sitzen, stille stehen
Und die andern tanzen sehen.

[19] Das Gelübde

Wo ich heute oder morgen
Meine Doris wieder finde;
Wo ich etwa dort am Ufer
Ihre Spur und Sie entdekke;
Wo ich sie vielleicht im Schatten
Unter Rosen schlummern sehe;
Wo ich heute oder morgen
Ihren zweiten Kuß empfinde;
Da will ich, vernimms o Liebe!
Da will ich, du sollst es sehen!
Ihr und mir ein Denkmahl stiften.

An das Frauenzimmer

Sagt mir doch, geliebte Schönen,
Ist euch Amor denn nicht sichtbar?
Oder sagt ihrs niemand wieder,
Weil er allzu oft erscheinet?
O! ihr dürft es nicht verbergen,
Wenn er euch gleich oft erscheinet.
Kann ein Gott euch Schande bringen?
Wenn er euch des Nachts belauschet,
Wenn er euch des Tages lokket:
O! so sagt es, euch zur Ehre,
Freunden oder Gönnern wieder.
Dann wird euch ein ieder loben.
Oder wollt ihrs mir entdekken:
[20]
So will ich, ihr sollt es sehen,
Euch einmal den Amor fangen.
Dann könnt ihr mit goldnen Strikken
Ihn an euer Bette binden,
Daß er Wunsch und Klagen höre.
Dann könnt ihr ihm alles klagen
Und ihn eher nicht befreien,
Bis er sich mit euch versönet,
Bis er alle Kammersorgen
Mit der Kammerlust verwechselt;
Bis er sich in allen Stükken
Gütig, wie ein Gott, erwiesen.
O! wie werdet ihr die Güte
Des gefangnen Gottes preisen.
Ruft mich nur, wenn er erscheinet,
Denn ich weiß ihn gut zu fangen.

An die Eltern

Väter! nöthigt eure Kinder,
Nie zum Lernen solcher Künste,
Die sie nicht erlernen wollen.
Laßt sie selber was erwählen,
Lobt und billigt ihre Neigung;
Sonst erlebt ihr, wie mein Vater,
Unglükk, an den besten Kindern.
Fragt ihn nur, ietzt wird er sagen:
Väter! zwinget keine Kinder.
Ich, sein Sohn, ward auch gezwungen,
Aber hat es was gefruchtet?
Erst sollt ich im schwarzen Kleide,
Sorgen vor die Geister lernen,
Weil es meine Mutter wollte;
Doch es rettete mein Vater
[21]
Mich von solchen schweren Sorgen;
Und da sollt ich, wider Willen,
Sorgen vor die Körper lernen;
Aber es erfuhr mein Vater,
Daß ich lieber gar nichts lernte.
Endlich nahm er mich beim Arme,
Führte mich zum Advokaten,
Und ermahnt ihn, daß ichs hörte:
Vetter, lehre diesen rechten,
Halt ihn scharf, und gieb ihm Arbeit.
Hurtig gab sie mir der Vetter.
Köpfen, Hangen, Peitschen, Rädern
Sollt ich aus den Blättern lernen.
O! wie haßt ich dieses Handwerk.
O! wie wünscht ich, oft aus Unmuth,
Meinen Lehrer an den Galgen,
Wenn er mich mit Schriften quälte,
Welche Blut und Tod verlangten.
Aber gab er mir Prozesse
Von verlornen Liebesbriefen,
Von willkommnen Nachtgespenstern,
Von ertappten Anverwandten;
Oder sollt ich, statt der Schönen,
Über blöde Männer klagen:
Gleich war Kopf und Feder fleißig;
Und mein Lehrer konnt es merken,
Daß ich nichts erlernen würde,
Als die Händel der Verliebten;
Drum verschaft er mir vom Richter
Lauter Händel der Verliebten.
Jetzo weiß ich sie zu schlichten,
Drum empfehl ich mich den Schönen,
Die mich etwa brauchen möchten.

[22] Die Flucht

Brüder! seht doch durch die Gläser.
Seht doch, welche Menschenköpfe!
Stehn doch Köpfe von den Thieren
Auf den Hälsen schöner Männer!
Jener da weist uns die Zähne.
Welcher Hund kann wol so Bellen?
Welcher Hund ist ihm wol ähnlich?
Dort im Winkel grunzt sein Bruder.
Hört! nun fängt er an zu lästern;
Denn er lästert auch im Beten.
Welche schwarze Lästerworte
Fliegen von den frommen Lippen.
Brüder seht! die frommen Lippen
Sind so schwarz, wie Priesterrökke.
Brüder kommt, wir wollen laufen,
Denn sie speien Haß und Geifer,
Und er trift schon ihre Brüder.
Kommt, und laßt die Narren lästern,
Kommt, wir wollen hier nicht trinken.

Wünsche an Herrn Uz in Anspach

Könnt ich wider Willen lachen,
Könnt ich, was ich wollte, machen,
Könnt ich iedem, und vor allen,
Allen Schönen wolgefallen,
Könnt ich niemals beim Erwählen
In der Wahl des Besten fehlen,
Könnt ich allen braven Schönen
Meine Sitten angewöhnen,
[23]
Könnt ich stets, in iedem Leben,
Küsse nehmen, Küsse geben,
Könnt ich mich in Scherz und Lieben
Stets, wie diesen Abend, üben,
Könnt ich mitten im Vergnügen
Dich, mein Uz, zu küssen kriegen;
Könnt ich denn bei solchen Freuden
Meines Fürsten Glükk beneiden?

An den Winter

Winter mit dem grauen Barte,
Mit den angefrornen Lokken,
Willst du denn nicht einmal lachen?
Sind die Lippen zugefroren?
Komm herein, was stehst du draussen?
Komm herein, du sollst schon thauen.
Sieh! wie störrisch sind die Minen.
Bist du denn ein Feind der Freude?
Willst du meine Lust verdammen?
Gut! so will ich dich nicht bitten.
Aber sei nur immer störrisch,
Mache Felder, mache Fluren,
Mache Berg' und Thäler traurig,
Mich sollst du nicht traurig machen.
Tödte diese frische Lilgen,
Tödte diese iunge Rosen
Auf den iugendlichen Wangen,
Tödte sie einmal zum Scherze;
Aber laß mir nur die Rosen
Auf den Wangen, auf den Busen
Meiner braunen Doris blühend:
Dann so soll sie dich beschämen,
Dann soll sie mit einem Kusse
[24]
Meinen halberstorbnen Wangen
Alle Rosen wieder geben;
Dann soll sie mit ihren Lippen
Meine Lippen schöner färben.
Alter! willst du's selbst versuchen?
Komm! sie soll dich einmal küssen;
Dann sollst du, wir wollen wetten,
Bald dein Pelzwerk von dir werfen.
Dann sollst du vor Hitze dursten.
Komm! hier ist schon was zu trinken.

Lokkspeise

Meinem Vater in der Grube
Dank ich noch für seine Liebe.
Er hat einst durch seine Lehren
Dis mein iunges Herz gebildet;
Er gab mir, durch seine Lehren,
Liebe zu den schönen Künsten,
Und ein Herz voll Lehrbegierde.
Laßt uns doch die Väter loben,
Die uns nicht mit harten Worten,
Die uns mit Vernunft und Schmeicheln
Klug und Lehrbegierig machen.
Laßt uns künftig unsern Kindern
Lust und Liebe grösser machen.
Laßt uns unsre lieben Väter
In der Lehrart übertreffen!
Ja! ich will schon meine Kinder
Stärker zu den Künsten reitzen,
Als mich einst mein Vater reitzte.
Knabe, sprach er: Lerne schreiben,
Denn sonst kannst du bei dem Fürsten
Künftig keine Schätze sammlen.
Hurtig lernt ich alles schreiben,
[25]
Denn ich liebte Kutsch und Schätze.
Aber, warlich, meine Knaben
Sollens doch noch schneller lernen,
Denn ich will sie besser reitzen.
Liebste, ia! so will ich sagen,
Liebste Knaben, lernt doch schreiben,
Denn sonst könnt ihr einst im Alter
Keine Liebesbriefe wechseln.
O! wie werden sie dann lernen.
Lerne tanzen, sprach mein Vater,
Denn es macht geschikkte Glieder,
Und ich lernte hurtig tanzen;
Aber hätt' er nur gesprochen:
Lieber Sohn! man kann beim Tanzen
Manche schöne Hände drükken,
Die sich sonst nicht drükken lassen,
Und man kann im sanften Drükken
Klugen Schönen alles sagen,
Was wir sonst nicht sagen dürfen;
Drum so rath ich, lerne tanzen:
O! so würd ich ietzt im Tanzen
Dich, o Lani! übertreffen.
O! wie will ich meine Kinder
Zu den Wissenschaften reitzen!
O! was vor gelehrte Knaben
Werden meine Lehren ziehen!

Lebenspflichten

Soll ich mich mit Sorgen quälen?
Nein, so glich ich meiner Mutter;
Soll ich reichen Narren schmeicheln?
Nein, so würd ich selbst zum Narren;
Soll ich meine Brüder strafen?
Nein, sie wissen meine Fehler;
[26]
Soll ich mir viel Freunde suchen?
Nein, ich werde sie nicht finden;
Soll ich mir den Himmel wünschen?
Nein, dann wünscht ich ia zu sterben.
Soll ich an der Welt was tadeln?
Nein, sie wird nicht besser werden;
Soll ich trinken? Soll ich lieben?
Soll ich tanzen? Soll ich lachen?
Soll ich mich mit Rosen krönen?
Soll ich schmausen? Soll ich küssen?
Soll ich spielen? Soll ich scherzen?
Soll ich mich um nichts bekümmern?
Soll ich mit den Schönen tändeln?
Ja, dis soll ich, und mein Vater
Lehrt es mich bei grauen Haaren,
Und er nennt es: Lebenspflichten.

An den Tod

Tod, kannst du dich auch verlieben?
Warum holst du denn mein Mädchen?
Kannst du nicht die Mutter holen?
Denn die sieht dir doch noch ähnlich.
Frische rosenrote Wangen,
Die mein Wunsch so schön gefärbet,
Blühen nicht für blasse Knochen,
Blühen nicht für deine Lippen.
Tod! was willst du mit dem Mädchen?
Mit den Zähnen ohne Lippen
Kannst du es ia doch nicht küssen.

[27] Der Gelehrte

Soll ich von den Zeitungsschreibern
Meinen Namen schreiben lernen?
Soll ich in dem Sterngewölbe
Neue Welten sichtbar machen?
Soll ich Wolfen oder Knutzen
Zweifelsknoten lösen helfen?
Soll ich Stoff und Sittenlehren
Für die Blätterschreiber stehlen?
Soll ich von den Bücherrichtern
Schimpfen oder tadeln lernen?
Soll ich in der Weltgeschichte
Proben tapfrer Narren suchen?
Soll ich meinen Geist befragen:
Was er sei, und wo er wohne?
Soll ich mit den Oberpriestern
Heucheln, oder Ketzer machen?
Soll ich für den Kupferstecher
Mein gelehrtes Bildniß malen?
Soll ich Blei zu Golde schmelzen?
Soll ich Räthe rathen lehren?
Soll ich Miltons Teufel schelten?
Soll ich Wunderwerke dichten?
Oder soll ich sie erklären?
Nein, dis soll mein Anverwandter.
Er, der Prinz berühmter Narren,
Er, der grundgelehrte Wisser,
Er, der Prüfer der Beweise,
Soll sich noch zu Tode grübeln;
Er, der Erbfeind meiner Freude,
Soll sich blaß und elend lesen.
Und dann will ich ihn befragen:
Macht mich auch mein Mädchen elend?

[28] An die Liebe

Liebe! allerliebste Liebe!
Seegne mir mit deinem Triebe.
Laß mich deinen Reitz empfinden,
Laß mich deine Glut entzünden,
Laß mich deinen Zukker schmekken,
Laß mich durch ein Lied erwekken,
Wenn ich Zeit und Lust versäume,
Müßig wach', und müßig träume.
Laß mir hübsch durch dein Geniessen
Zeit und Stunden schneller fliessen.
Laß mirs an der Müh zu wählen,
Aber nie an Schönen fehlen,
Und damit auch viel Beschwerden
Durch ein Mittel minder werden,
Laß mir künftig nur von allen
Eine schön seyn, und gefallen.
Lehr ihr denn, sich gut zu schikken
Gut zu spielen, gut zu blikken,
Lehr ihr meine Neigung kennen,
Klug zu frieren, klug zu brennen,
Lehr ihr witzig abzuschlagen,
Lehr ihr reitzend Ja zu sagen.
Aus den Worten, aus den Werken
Laß ihr Wunsch und Willen merken;
Aber lehr ihr, Wunsch und Willen
Nicht zur Unzeit zu erfüllen,
Daß sie sich erst artig schäme
Und sich nicht zu bald bequeme.
Lehr ihr alle frohe Minen,
Die der Lust zum Vorteil dienen,
Lehr ihr alle Frölichkeiten,
Lehr ihr auch, was sie bedeuten,
[29]
Daß sie stets in Unschuld prange,
Daß sie nie zuviel verlange,
Daß sie mirs vernünftig klage,
Wenn ich ihr zuviel versage.
Lehr ihr, wie man nie veralte,
Wie man Reitz und Wert behalte,
Wenn auch einst auf Brust und Wangen
Aller Rosen Schmukk vergangen.
Lehr ihr, wenn wir uns vereinen,
Treu zu seyn, und treu zu scheinen,
Daß sie mich mit nichts betrübe
Und mich immer stärker liebe.
Lehr auch mich, durch deine Lehren,
Solchen Engel zu verehren,
Daß er, wenn ich ihn vergnüge,
Keine Lust zum Wechsel kriege.

An Herrn Gleim

Nimm mich mit, geliebter Damon,
Nimm mich mit auf deine Fluren.
Laß mich dort den iungen Früling,
Und den Glanz der Morgenröte,
Und die Thäler voll Violen,
Und den Thau auf müden Blumen
Und die frühe Venus sehen.
Schweig! es lispelt schon ein Zefir,
Ein vergnügter Freund des Lenzen.
Sieh! er wälzt sich auf dem Grase,
Und im Wälzen küßt er Blumen,
Und die wankende Narzisse
Wird verliebt und küßt ihn wieder.
Komm, wir wollen ihn erhaschen,
Und es soll sein sanftes Säuseln
Uns bis in den Busch begleiten,
[30]
Wo wir seinen Freund, den Früling,
Unter Linden suchen wollen.
Komm, sobald wir ihn gefunden,
Wollen wir, in seinen Armen,
An dem weichsten Ufer schlummern;
Bis uns ein vergnügtes Mädchen,
Welches unser Schlummer ärgert,
Durch ein Schäferlied erwekket.

An die Helden

Helden! dingt mich nicht zum Dichter.
Meine Laute will nicht schallen,
Wenn ich euch ein Loblied singe.
Immer ist sie widerspenstig,
Immer giebt sie falsche Töne,
Wenn ich euch ein Loblied singe.
Wenn ich von der Liebe singe,
Wenn ich Amors Waffen preise
Oder wenn ich trinkend lalle:
Dann trift sie die schönsten Töne,
Dann, so geht sie immer richtig.

An Herrn Rittmeister Adler

Mein Wein vertreibt die Grillen,
Mein Schwerdt die blöden Helden,
Mein Lob die lauten Schmeichler,
Mein Tanz die Winternächte,
Mein Spott den Schwarm der Narren,
Mein taubes Ohr die Prahler,
Mein Schimpf die falschen Freunde,
Mein Glaub' und meine Lieder
[31]
Vertreiben tausend Teufel.
Nur den verschmitzten Amor,
Den Schmeichler, den Tirannen,
Kann kein Gebet, kein Degen,
Kein Spott, kein Schimpf, kein Lachen
Und auch kein Wein veriagen.
Freund! mit dem krummen Schwerdte,
Weißt du ihn zu vertreiben?
Kannst du es mit Husaren?

Der Sternseher

an Herrn – – – –


Der Kenner aller Welten,
Der in dem Sterngewölbe
Kometen und Trabanten
Und neue Sonnen suchet,
Und ohne Scherz und Liebe
Durch alle Nächte wachet,
Bewog mich iüngst am Abend
Zu frieren und zu wachen.
Den holen Raum des Himmels
Erhell'ten tausend Sterne,
Wie tausend helle Lampen
Den weissen Saal erhellen. 1
Sie brannten in dem Blauen,
Und warfen kleine Stralen,
Wie Lichter Stralen werfen;
Und oft sah ich, verwundernd,
Wie sie sich selber putzten.
Sie brannten still und sicher,
[32]
Bis Lunens stolzer Schimmer
Den Abgrund heller machte;
Schnell waren von der Menge
Die kleinsten ausgelöschet.
Ich rief dem Mond entgegen:
So dulde doch, Tiranne,
Bey deinem grossen Schimmer
Die kleinen Himmelslichter!
Allein der Sternbeseher
Beseufzte meine Dummheit,
Und rief beim letzten Seufzer:
Du Dummer, steh doch stille!
Ich stand; er rief: Steh veste!
Und legt auf meine Schulter
Ein Rohr, als wollt er schiessen.
Ich bat ihn um mein Leben,
Allein ich muß ietzt lachen,
Es fehlt ihm Rohr und Pulver,
Denn die vermeinte Flinte,
Das Rohr auf meiner Schulter,
War nur ein langes Auge,
Womit er durch die Lüfte
Den Mond herunter holte.
Er holt' ihn auch herunter
Und sah ihn in der Nähe,
Und sprach: Ich will im Monde
Die Thäler voller Tannen,
Und alle Wälder zälen;
Ich will die Berge messen
Und alle Flüsse zälen.
Er zälte schon bis zwanzig;
Allein, indem er zälte,
Erhub er schnell die Stimme
Und rief, wie Wächter rufen:
Im Monde wohnen Mädchens!
Er, der noch nie gelächelt,
Fing plötzlich an zu lachen,
Und sahe nach dem Monde,
[33]
Und lachte plötzlich wieder,
Und sprach, noch halb im Lachen:
Ich sehe kleine Mädchens;
Sie tanzen unter Knaben,
Sie tanzen nach Figuren,
Nach Winkeln und Quadraten,
Nach Kegeln und Cilindern,
Nach Zirkeln und Ovalen,
Und spielen mit dem Zirkel,
Und stehn auf hohen Gipfeln,
Und sehn mit längern Augen,
Als Neuton und Kopernik.
Ich habe nie mit Mädchens
Getanzet und gespielet;
O! könnt ich doch im Monde
Mit diesen Mädchens spielen.
Ach lieber Sternbeseher!
So sprach ich, blöd' und furchtsam,
Ach laß mir doch die Mädchen
Mit meinem Auge sehen.
Gleich grif er an mein Auge,
Und sprach, wie Zaub'rer sprechen:
Dis Auge werde länger.
Indem er dieses sagte,
Ließ ein vergnügtes Mädchen,
Das mich und ihn beschau'te,
Das mich und ihn verlachte,
Die schwarzen Augen funkeln.
Schnell rief ich: Weg vom Auge!
Mein Auge soll nicht wachsen.
Besieh' du deine Mädchens.
Ich will mit diesen spielen.

Fußnoten

1 Auf dem Königlichen Schlosse in Berlin.

[34] Amor ein Werber

Amor wirbt, ich seh ihn werben.
Wie geschäftig und wie freundlich
Dringt er sich in alle Haufen.
Doch! er ist nicht iedem sichtbar.
Seht! ietzt geht er mit spatziren,
Seht! ietzt führt er die Geworb'nen
An den Händen treuer Freunde
Unter Weiden oder Linden;
Und, gesichert vor Verrätern,
Schweren sie zu seiner Fahne.
Seht ihn bei den Ueberläufern,
Seht doch! er bedekkt mit Larven
Wangen, welche leicht erröten,
Und entführet sie den Wächtern,
Und verbirgt sie vor Verrätern,
Und begleitet sie zum Tanze,
Und entdekkt sie nur dem Tänzer,
Dem er sie zum Tanze bringet.
Graun und Cato hilft ihm werben.
Er bestellt in weissen Säälen
Spieler zu den Spielerinnen,
Tänzerinnen zu den Tänzern,
Und Verliebte zu Verliebten;
Und dann wirbt er sich die Besten.
Wenn es ihm an Volke fehlet,
Darf er keine Trommel rühren.
Alle Strassen voller Schlitten,
Alle Sääle voller Larven,
Alle Böden voller Tänze,
Alle Stühle voller Andacht,
Alle Bänke voller Weisen,
[35]
Alle Gärten voller Rosen,
Alle Ufer klarer Bäche,
Alle Logen und Parterren
Dienen ihm zu Werbeplätzen.
Seht! dort führt er die Geworb'nen
Durch die Tür des Operhauses;
Sagt mir, konnten einst die Preussen
Ihre Riesen besser werben?

Der Atheist

Allerliebster Gott der Liebe,
Die dich lieben, liebst du wieder.
Ach! willst du mich denn nicht lieben?
Doris ist noch immer spröde.
Spanne doch den Bogen strenger,
Nimm den ärgsten deiner Pfeile,
Denn ihr Herz ist hart, wie Marmor.
Mit der Kunst bered'ter Lippen,
Mit der Macht vertrauter Schwüre,
Mit der Staatslist deiner Lehrer,
Mit der Würkung meiner Waffen,
Werd' ich es nicht leicht erobern;
Denn sie ist zu stark bewafnet.
Sie versteht die Kunst zu siegen,
Trotz dem besten deiner Krieger.
Wirst du sie denn überwinden?
Liebesgott! nur drei Minuten
Glaub' ich noch an deine Pfeile;
Hast du mir nach drei Minuten
Diese Spröde nicht gebändigt:
O! so will ich in der vierten
Dich und deine Mutter läugnen.

[36] Ursachen zum Lieben

Da, wo die Adler fliegen,
Ist alles voll von Liebe;
Da, wo die Karpen schwimmen,
Ist alles voll von Liebe;
Im Garten, auf den Fluren,
In Thälern, auf den Bergen,
In Stuben und in Kammern,
Auf Kanzeln und auf Thronen,
Im Himmel und auf Erden,
Ist alles voll von Liebe;
Soll denn mein Herz nicht voll seyn?

An die Sonne

Sonne! alle Menschenzungen
Loben deine goldne Stralen.
Bäche, wo sich Nimfen baden,
Wo sie sich am Ufer troknen;
Thäler, wo sich Hirt' und Heerden
Deiner Glut entgegen lagert;
Berge, wo von dir erwärmet
Eiß und Schnee in Thäler rinnet;
Klippen, wo an kalten Eichen
Ziegen hangen, Gemsen klettern;
Fluren, wo Narzissen blühen,
Wo dein Stral Violen wärmet,
Danken dir für deine Stralen:
Aber ich kann dir nicht danken;
Denn du straltest gar zu helle,
Als mich in der Sommerlaube
Keine Mutter sehen sollte.

[37] Mittel die Franzosen zu schlagen

Neulich sagt ich meiner Laute:
Carl besiegt die Franzen tapfer,
Willst du ihn denn nicht besingen?
Er verdient's, ich will dirs sagen,
Er besiegt, dis mußt du wissen,
Deutsche Laute, deine Feinde.
Willst du sie nicht auch besiegen?
Lokke sie doch in ein Treffen;
Ich will singen, du sollt streiten;
Aber nicht mit starken Waffen,
Nicht mit tödlichem Geschosse,
Nein, mit sanften Liebestönen.
Laß sie denn so zärtlich klingen,
Laß dich so bezaubernd hören,
Daß das ganze Heer der Franzen
Sich den Augenblikk verliebe.
Dann soll Carl dazwischen kommen,
Und zum Vorteil seiner Helden
Ihnen alle Mädchens rauben,
Und wenn er das beste küsset,
Soll er sie noch spöttisch fragen:
Wie gefällt euch unsre Beute?

Amor auf der Jagd

Amor winkt mir, soll ich folgen?
Seht! wie schalkhaft kann er lächeln.
Seht ihn doch! den kleinen Jäger.
Dort im Busche sieht er Mädchens;
Seht! er zeigt sie mit dem Bogen.
Seht! nun schleicht er an der Seite;
Seht ihr nicht? er winkt schon wieder.
Brüder, laßt uns nicht mehr trinken,
Wollt ihr mit? ich muß ihm folgen.
Kommt, er soll die Nimfen schiessen.
Seht! er schießt schon. Laßt mich laufen.

[38] Die geheime Sprache

Wenn ich mich und meine Schöne
Mit der gelben Nelke kröne,
Wenn ich ihr mit Efeu winke,
Und ihr zeige, wie ich trinke,
Wenn ich lustig guter Dinge
Ihr vergnügt entgegen springe,
Wenn ich, da ich ihr begegne,
Ihren vollen Busen seegne,
Wenn ich ruf': ich will im Garten
Bei der Sonnenblume warten,
Wenn ich sie ins Thal begleite:
Weiß sie schon, was es bedeute;
Und weil wir uns fürchten müssen,
Muß sie's nur alleine wissen.

Trinklied

Seht den iungen Bacchus an!
Seht doch! wie er trinken kann;
Seht die Augen, die Geberden
Sollen unsre Muster werden,
Wenn die Gläser, voll von Wein,
Aug' und Herz und Geist erfreu'n.
Treue Brüder, laßt euch rathen,
Thut doch, was die Alten thaten,
Gebt Verdiensten ihren Lohn,
Krönet diesen Bacchussohn;
Daß die Tugend auf der Erde
Lieblich und erkennet werde.
[39]
Den die Weisheit sichtbar schmükkt,
Der sich doch zum Bacchus schikkt,
Den man sieht sein Amt verwalten,
Und des Abends Piknik halten,
Der noch nie bestrafet ist,
Weil man ihn dabei vermißt;
Der noch keinen Trunk vermieden,
Der sich selbst darzu beschieden,
Den kein voller Römer schrekkt,
Dem der Wein am besten schmekkt;
Der verdient zum rechten Lohne
Von den Brüdern eine Krone.
Brüder! seht den Bruder an,
Wie der Bruder trinken kann!
Unter allen Bacchussöhnen
Muß man ihn zum König krönen,
Brüder, ia, er muß es seyn,
Seht! er schenkt schon wieder ein.

Der Sternseher

Des Abends funkeln Sterne;
Und ist der Himmel helle:
So seh' ich gern ihr Funkeln.
Doch seh' ich meiner Schönen
Recht feuervolle Augen
Zugleich im Fenster funkeln:
So lenk ich schnell mein Auge
Vom Himmel nach dem Fenster.
Da seh' ich beßre Sterne;
Da schimmert meinen Augen
Die allerschönste Venus;
[40]
Da seh' ich, in der Nähe,
Den Glanz der rechten Henne,
Und einen bessern Wagen.

Auf den Tod einer Nachtigall

an Herrn Naumann.


Singe! Meister starker Lieder,
Singe! Preis der Nachtigallen,
Singe! Liebling meines Freundes,
Die gewohnten Abendlieder.
Siehst du nicht? die Spree wird dunkel,
Und es dient ihr helles Ufer
Keiner Schönen mehr zum Spiegel;
Dennoch kommen sie gepaaret,
Aus Verlangen, dich zu hören,
Oder doch aus Lust zum Schatten.
Siehst du nicht, du Freund des Schattens,
Siehst du nicht die Sonne weichen?
Singe doch! sie geht zur Ruhe;
Singe doch den Stern zu Grabe.
Vogel! nein, bei todten Gräbern
Kannst du deine Lieder sparen.
Nein! du bist kein Leichensänger.
Du beschäm'st mit frohen Tönen
Tausend Opersängerinnen;
Du besingst nur Scherz und Liebe
Und das Volk im stillen Schatten,
Das für neue Leichen sorget.
Soll ich meine Doris holen?
Oder soll mein Freund im Schatten
Eine Schäferinn versönen?
Nachtigall! dann wirst du singen.
Aber wie? du bist so stille.
Schläfst du? oder bist du traurig?
[41]
Denn es regt sich ia kein Flügel.
Freund! du bist noch nicht gestorben.
Hüpfe doch so frei, wie gestern.
Sieh! dort geht dein Herr gepaaret,
Sieh doch! welchen Schatz er führet.
Wilt du denn kein Brautlied singen?
Nachtigall! bald werd' ich schelten.
Hörst du keine Küsse rauschen?
Siehst du keine Zärtlichkeiten?
Keine Boten süsser Freuden?
Keine Zeichen der Verliebten?
Störe sie mit lauten Tönen
In der Reihe des Vergnügens.
Sage, willt du sie nicht stören?
Schweigst du noch? hör auf zu schweigen;
Schlage, daß sie sich erschrekken,
Stärker, wie die Abendglokke.
Hilft kein Bitten? Willt du trotzen?
Vogel! soll ich zornig werden?
Bald wird mich dein Schweigen ärgern.
Warte nur! man soll dich strafen;
Denn dein Herr soll auf mein Bitten
Dich von deiner Gattin trennen.
Höre doch ihr zärtlichs Girren.
Du, der stets die Liebe hörte,
Willt du sie denn ietzt nicht hören?
Doris! komm nur mit der Kerze,
Daß die Dämm'rung sich entferne;
Denn ich muß den Vogel sehen,
Und du sollt ihn zu dir nehmen
Und ihn meinem Freunde bringen,
Daß er seinen Trotz bestrafe.
Vogel! willst du noch nicht singen?
Warte nur! dort kommt die Kerze,
Rette dich noch von der Strafe.
Siehst du? Doris soll dich nehmen.
Nimm den trotzigen Gefang'nen,
Nimm ihn, Doris! bei den Flügeln,
[42]
Und begleit ihn selbst zur Strafe;
Laß ihn – – Doris! welch ein Schrekken!
Siehst du wohl den armen Vogel?
Siehst du wohl? er ist gestorben.
Die betrübte Todtenfarbe
Dekkt den Schnabel und die Augen.
Must er denn so schnell erblassen?
Gestern sang er noch so munter.
Zwölf gelehrte Stimmenkenner
Priesen gestern seine Stimme.
Unter seinen hellen Tönen
Klang kein Ton, wie Trauertöne.
Warum sang er denn nicht traurig?
Wollt er etwa, wie ein Weiser,
Seinem Tod entgegen scherzen?
Ja, er wollt es, dir zu gleichen,
Denn er war ein weiser Vogel,
Und es ist die Art der Weisen,
Daß sie leben, wenn sie können,
Daß sie lachen, wenn sie sterben.
Warum sah' ich ihn nicht sterben?
Seine letzten frohen Töne
Hätt' ich, so wie sie erschallten,
Schnell auf Noten setzen wollen,
Daß du einst mit seinem Liede
Gleichfalls meine Todesstunde
Adeln und besingen könntest;
Daß ich oft auf meiner Flöte,
Nach den Küssen deines Mundes,
Mit den Tönen des Verstorb'nen,
Tod und Gruft verlachen könnte.
Tod! als du den Vogel holtest,
Sprich! scherzt er dir nicht entgegen?
Ja, er war gewohnt zu scherzen.
Er empfand Verdruß und Klagen,
Aber mitten unter Tränen,
Wenn verwais'te Augen trau'rten,
Scherzten dennoch seine Töne,
[43]
Wie sie, wenn die Freude lachte,
Frölich mit darunter scherzten.
O! wie bald, wie sehr, wie sehnend
Wird mein Freund den Vogel missen,
Wenn sich keine frohe Lieder
Unter seine Scherze mischen.
O! wie wird mein Freund sich grämen,
O! wie wird er sich erschrekken,
Wenn er diese Leiche siehet.
Doris! sieh' sie doch, die Leiche,
Kann sie nicht dein Kuß erwekken?
Küß ihn doch, den kleinen Todten,
Gieb ihn her, ich will ihn küssen,
Und dann will ich ihn verbergen,
Daß mein Freund im Klee am Ufer
Mitten unter Scherz und Küssen
Keinen Todesfall erfahre.
O! wie wird mein Freund sich grämen!
Wär ich doch kein Trauerbote!
O! wie wird in ienem Bauer
Die betrübte Gattin trauren!
Doris! komm, ich will sie trösten.
Aber nein! sie mag nur trauren,
Denn ich mögte bei dem Trösten
Auch an unsre Trennung denken;
Und wer würde mich denn trösten?
Engel! werde nur nicht traurig.
Schweig! sonst machen deine Tränen
Den Verlust des Vogels grösser.
Schweig! sonst schätzen deine Tränen
Den Verlust des besten Sängers.
Doris! warlich, dieser Vogel
War der Preis der Nachtigallen,
War ihr bester Virtuose.
[44]
Tausend Opersängerinnen,
Tausend Hälse halber Männer
Sollten ihn zu Grabe singen;
Denn er sang so schön, wie tausend.
Macht Catull den Sperling ewig?
O! es muß ein beßrer Dichter
Diesen Vogel ewig machen.
O! es muß ein beßrer Tröster
Meines Freundes Trauer tilgen.
Broks, der Herold seiner Brüder,
Broks soll ihm ein Grablied singen.

Die Probe

Schweig, Doris! schweig, ich bin schon müde,
Ich höre nichts von deinem Liede;
Sei still und singe nur nicht mehr,
Dein Lied verdienet kein Gehör.
Du wekkst mich, Doris! laß mich schlafen,
Mein Schlummer soll den Kaltsinn strafen,
Den ich aus deinen Augen las,
Als Damon dir zur Seite saß.
Du lächelst, und du willst mich küssen;
Ja, Doris! komm und laß mir wissen:
Ob Falschheit in dem Kusse stekkt,
Ob er nach Damons Küssen schmekkt.
Er schmekkt – – – allein du must nicht schelten,
Laß dismal Grund und Argwohn gelten;
Dein Kuß, und nicht dein Lied beweist:
Wie treu, wie liebenswert du seist.
[45]
Nun kann ich dich mit Grunde loben;
Doch nein, ich muß noch weiter proben,
Dein Lied verdienet kein Gehör,
Dein Kuß beweist mir zehnmal mehr.

An Doris

Künstlerinn! wir künsteln beide,
Du kannst stikken, ich kann malen.
Aber stikkst du denn nur Blumen?
Kannst du nicht mit goldnen Faden
Knaben oder Mädchens stikken?
Wag' es nur, es wird schon gehen.
Aber erstlich stikke Knaben.
Stikke solche, wie ich male,
Ohne Perlen, ohne Purpur,
Wie sie sich im Grünen iagen,
Oder wie sie sich das Hemde
Vor den Augen blöder Nimfen
Vorwerts auf die Knie halten.
Sieh' sie selbst, hier sind im Buche
Zwanzig Knaben abgeschildert,
Wähle dir den allerbesten,
Nimm den Knaben, der so lächelt,
Oder ienen, mit dem Bogen,
Der dich mit dem Pfeile drohet,
Nimm sie nicht, hier sind noch andre,
Sieh sie an, und wähle selber,
Ich will sehn, wie gut du wählest.
Diesen Knaben willst du stikken?
Diesen, der nach Küssen schmachtet,
Der halbnakkend sich nicht schämet?
Doris! dieses bin ich selber.
[46]
Hat mein Pinsel mich getroffen?
Kennst du mich an diesen Zügen?
Gut, du sollst mich selber stikken.
Aber erst must du mich schildern.
Höre nur, wir wollen tauschen.
Ich will stikken, du sollst malen.
Hurtig gieb mir Gold und Nadel,
Diese Rose will ich enden;
Denn sie wird in blauer Seide
Einst auf deinem Busen blühen.
Unterdeß kannst du mich malen,
Und sobald du mich gemalet,
Sollst du das Gemälde stikken.
Da! hier hast du meinen Pinsel!

Das Fehlbare

an Herrn – – – –


Dir, Weisheit, bin ich gar nicht gut,
Du läßt mirs oft an Freuden fehlen;
Denn das, was man am liebsten thut,
Willst du sogleich zum Bösen zälen.
Dich, Frömmigkeit, dich lieb ich zwar,
Doch! laß mich auch zuweilen fehlen;
Ich will mir ia durchs ganze Jahr
Den Früling nur dazu erwählen.
Dich, liebes Glükke, bet' ich an,
Laß mirs an keinem Guten fehlen!
Nur laß mich, wenn ichs haben kann,
Mehr Neider, als Dukaten zälen.
[47]
Wenn du mir, Liebe, günstig bist,
So laß mir nicht Brunetten fehlen;
Wenn ich Brunetten gnug geküßt,
So will ich denn Blondinen wählen.
Es fehlet mir des Ehstands Quaal,
Ach möchte sie nur immer fehlen;
So könnt ich einst zur frohen Zahl
Der Tage auch die Nächte zälen.
Ach seeliger Anakreon,
Ach daß uns deine Zeiten fehlen!
Den Vorteil wünscht ich mir davon,
Du solltest mir ein Mädchen wählen.
Doch! wenn gleich dieser Kenner fehlt,
So soll mir doch die Wahl nicht fehlen.
Mein Freund, der iüngst für sich gewählt,
Soll auch für mich ein Mädchen wählen.

Der Komet

Freunde! seht den Schrekkpropheten.
Unter Millionen Sternen,
Die mir zum Vergnügen funkeln,
Funkelt dieser mir zum Schrekken;
Denn mir grau't für seinem Schwanze.
Glaubt es nur, wie ich es glaube,
Glaubt es den Kometenkennern:
Dieser Stern war einst ein Körper,
Welchen Engel oder Menschen,
Für Tirannen oder Priester,
Schön und fruchtbar machen musten.
Jetzt verwüstet ihn sein Schöpfer
Aus Erbarmung oder Rache,
Jetzt verzehrt ihn Dampf und Feuer,
Und sein Schwanz ist voll Gewässer,
[48]
Und er weiß ihn zu eröfnen,
Und dann können seine Fluthen
Ganze Welten untertauchen,
Oder, wenn er uns berühret,
Kann er mich und euch verbrennen,
Und dann können wir im Brennen
Keine Brüderschaften stiften.
Freunde! laßt uns Brüder werden,
Daß wir uns wie Brüder trösten,
Daß wir Bruder! rufen können,
Wenn wir brennen oder schwimmen.

Der Regenbogen

Blöder Schönen blasse Wangen
Werden schnell vor Scham erröthet,
Wenn sich bei der lieben Mutter
Ein erwünschter Bräut'gam meldet;
Wenn sie auf Befehl der Mutter
Seinen ersten Kuß empfinden:
Wird das holde Roth erhöhet,
Und dann gleicht es iungen Rosen.
Aber wenn sie, ohne Mutter,
Küssen und sich küssen lassen,
Dann beschämt das Roth der Wangen
Alle Rosen, allen Purpur.
Laßt mir tausend solche Wangen
Um den halben Himmel setzen.
Setzt sie mir in runder Ordnung
Unter diesen Regenbogen.
Plötzlich soll er sich verlieren,
Denn er soll dem Wangenbogen,
Wie der Mond, der Sonnen weichen.

[49] Auf eine schwarze Lerche

Lerche! mit dem schwarzen Kopfe,
Mit dem glänzend schwarzen Schnabel,
Sage! bist du nicht ein Hähnchen?
Deine freie Vogelmine
Ist so männlich, wie die meine,
Und deshalb lobt dich mein Mädchen.
Sage! hast du denn kein Weibgen?
Sind dir keine Kinder ähnlich?
Oder, hast du keine Schwestern?
Wo sind deine Anverwandten?
Gleicht dein Vater dir an Farbe?
Oder, was hat ihn bewogen,
Daß er dich so schwarz gefärbet;
Denn es gleicht dir ia kein Bruder.
Vogel! schaffe mir geschwinde
Junge Lerchen, die dir gleichen;
Ja! du mußt dich gleich verlieben.
Sieh! hier ist für dich ein Weibgen.
Sieh! mein Mädchen soll dirs geben,
Nimms und schaffe mir Brunetten.
Ich will sehn, ob deine Brüder
Ebenfalls Brunetten lieben.
Mädchen, sieh! er wird sich paaren,
Mädchen, sieh! er ist kein Hähnchen.
Sieh! wie artig kann man irren!
Ist dein Weibgen doch ein Hähnchen.
Gleicht dir doch mein Frülingsbote,
An Geschlecht, und Lust, und Farbe,
Wie er mir an Freiheit gleichet.
Da! ich schenk ihn dir, den Vogel,
Unvergleichliche Brunette!
Lieb' ihn, denn er ist dir ähnlich.
Doris! ia, du kannst ia malen,
Hurtig male mir den Vogel,
Mal' ihn zwischen andre Lerchen,
Daß man sieht, wie er sich paaret.

[50] Die freie Liebe

Wie war es zu der Aeltern Zeit,
Wenn sich ein schönes Paar gefrei't?
Der Ehestand war voller Streit,
Voll Einigkeit die erste Liebe.
Wie geht es in der iungen Welt,
Wenn sich ein schönes Paar gefällt?
So bald es eh'lich sich gesellt,
Verwandeln sich die ersten Triebe.
Der allerwürdigste Genuß,
Ein süsser und verschwiegner Kuß
Wird bitter durch das Wörtlein: Muß.
Dis war der klugen Alten Glaube.
Ich glaub' es mit und sage dis:
Vor meinen Mund schmekkt ganz gewiß
Ein Schmätzgen noch einmal so süß,
Wenn ich es schönen Lippen raube.
Wem seine Liebe glükken soll,
Der prüfe Herz und Nieren wol,
Sonst wird sein Haus von Kummer voll,
Und leer von Lust, und Scherz, und Liebe.
Dann geht es so, wer weiß nicht? wie,
Sie wünscht sich den, er wünscht sich die,
Und beide finden ohne Müh
Ernehrer der entstandnen Triebe.
Ein Beispiel ist mir schon bewußt,
Und ohne Lieb' und ohne Lust
Hört Martha: Schätzgen, komm, du mußt;
Und folgt langsam mit kleinen Schritten.
[51]
Wenn sich Bellander eingestellt,
Der sich vor viel geschikkter hält,
Von dem sie selbst dis Urteil fällt,
So läßt sie sich nicht lange bitten.
Was würket nicht der schnöde Zwang!
Gefälligkeiten ohne Dank,
Und oft sein ganzes Lebelang
Erkenntniß eh'licher Beschwerden.
Es lebe, was sich scherzend übt!
Es lebe, was sich mir ergiebt!
Und doch dabei die Freiheit liebt,
Die Freiheit, meinen Schatz auf Erden.

Die Aerzte

Durch den Anblikk holder Nimfen,
Durch die Würkung sanfter Hände,
Frischer Wangen, schwarzer Augen
Senken sich in Geist und Glieder
Neue Kräfte, neues Leben.
Wenn ich, voll von Schlafsucht, liege,
Darf mich nur Dorinde kützeln,
Plötzlich hör' ich auf zu schlafen.
Wenn mir Kopf und Wangen schmerzen,
Darf Sie sie nur einmal streicheln,
Plötzlich weichen alle Schmerzen.
Neulich raubte mir ein Fieber
Kraft und Lust aus allen Nerven,
Und ich fing schon an zu sterben;
Aber Doris, meine Taube,
Strich, mit sanften Liebeshänden,
Alle halberstorb'ne Glieder,
Und indem ich sterben wollte,
Küßte sie zum Abschiedsseegen
[52]
Noch einmal die blassen Lippen,
Plötzlich hört' ich auf zu sterben.
Plötzlich flohen Brand und Fieber,
Plötzlich ward ich froh und munter.
Zwanzig Stunden nach dem Kusse
Fühlt' ich schon in allen Gliedern
Neue Kräfte, neues Leben;
Und nach zwanzig andern Stunden
Hatt' ich mir, mit neuen Kräften,
Schon die Lippen roth geküsset.
Doris! dein Genesungsmittel
Hat den Beifall aller Aerzte;
Aber lehr es keinen Aerzten,
Spar es nur für meine Fieber,
Und verschreib es keinen andern.
Deinen Schwestern kannst du's lehren.

Die Jugendlust

Laßt den alten Ehrenmann
Unsre Jugend schelten!
Weil er es nicht lassen kann,
Soll ers nicht entgelten.
Weiß er doch, worauf er schilt,
Was ihm ietzt so wenig gilt,
That er sonst nicht selten.
Ist es denn nicht Zeit genung
Zu den bittern Klagen?
Alter! warum wär ich iung?
Etwa mich zu plagen?
Sprich nur, ob dein Herz nicht spricht:
Thu' es erst, wenn Muth gebricht,
In den alten Tagen.
[53]
Alter schweig! ich weiß, ich bin
Auf dem rechten Wege.
Bruder sieh! mein froher Sinn
Ist nicht faul noch träge.
Sieh! es macht kein Kummerschweiß,
Nein, ein iugendlicher Fleiß
Diese Herzensschläge.
Mütter hört dem Vater zu,
Höret seine Lehren.
Bruder – – – – ich und du
Dürfen sie nicht hören.
Nimm das Glas, das Doris hält.
Wäre dis die beste Welt,
Wenn wir müßig wären?
Bruder! ia, dich lehrt der Wein
Deine Weisheitssprüche.
Könnt ich wohl dein Bruder seyn,
Wenn ich dir nicht gliche?
Nein, wir wären nicht gescheut,
Wenn ein Tropfen Lebenszeit
Ohne Lust verstriche.
Brüder! ruft die Warheit aus
Auf den Bacchusfesten.
Und die bittet auf den Schmaus,
Wählet die zu Gästen,
Welche längst, wie wir, gewußt,
Welten voller Jugendlust
Sind die allerbesten.

[54] Die Brüderschaft

Laßt mich lachen, laßt mich scherzen,
Denn was hilft mir Gram und Sorge.
Weg, verdammter Schwarm der Grillen!
Weg, und schwärme schnell und sicher
Nach den Feinden meiner Freude.
Komm! du Stifter des Vergnügens,
Komm! du Freund von Lust und Brüdern,
Komm! es soll der Saft im Glase,
Den du aus den Trauben drükktest,
Grillen, Gram und Haß ertränken.
Trinke mit, vergnügter Vater,
Bringe mir den vollen Römer,
Ich will ihn dem Nachbar bringen,
Und der Nachbar soll ihn nehmen
Und ihn andern Nachbarn bringen,
Bis ihn dir der letzte Nachbar
Voll und perlend wieder bringet.
Dann sollt du von forne trinken,
Und dann werd' ich wieder dursten,
Und ihn freudig wieder leeren,
Und, durch deinen Kuß berechtigt,
Werd' ich mich zum Bruder trinken.
Bruder Weingott! ia, ich merke,
Ja, ich bin bereits dein Bruder.
Küsse mich, ich will dich küssen,
Daß sich Treu' und Bruderliebe
Durch den Bruderkuß verstärke.
Bruder gnug! sie ist gestärket,
Laß mich nun die Brüder küssen.
Brüder habt ihr keine Schwestern?
Nun sind sie mir auch verschwistert.
Holt sie mir, ich will sie küssen.

[55] Kaffee und Thee

Es fragten mich einst Mädchen
Mit braunen Augenbraunen:
Freund, warum trinkst du Kaffee?
Da sprach ich zu dem Mädchen:
Zur Ehre der Brunetten!
Dis rühmten sich die Braunen
Heut in der Kaffeestunde,
Als sie den blonden Mädchen
Den Vorzug streitig machten.
Sie zankten sich beim Kaffee,
Und riefen mich zum Schlichten.
Komm! sprach ein loses Mädchen,
Und winkte mit dem Fächer,
Du hast ja einst gesungen,
Du köntest Händel schlichten;
Nun schlicht auch unsre Händel.
Doch, erst muß ich dich fragen:
Warum trinkst du den Kaffee?
Verrätrische Brunette,
Es hören mein Bekentniß
Die artigsten Blondinen,
Es hörts die blonde Doris,
Allein ich darf nicht schweigen.
Ich sprach, so bald sie fragte:
Zur Ehre der Brunetten!
Und that den stillen Seufzer:
Minerva gib mir Weisheit.
Noch da ich also seufzte,
Bewegten sich die Braunen
An allen Kaffeetischen,
Und klatschten in die Hände,
[56]
Und wiesen auf die Blonden,
Und machten stolzre Minen
Als Juno, da sie herschte.
Schnell trat ich zu den Blonden,
Und frug die blonde Doris:
Was iauchzen denn die Schönen?
Da sprach die Blonde spöttisch:
»Du trinkest ia den Kaffee
Zur Ehre der Brunetten.«
Hier sagt ich langsam wieder,
Was mir die weise Göttin
Unsichtbar heimlich sagte:
»Den braunen Trank der Türken
Trink ich des Nachmittages
Zur Ehre der Brunetten;
Den weissen Trank der Seren,
Den Thee, trink ich des Morgens
Zur Ehre der Blondinen.«
Schnell iauchzten alle Blonden,
Und klatschten in die Hände,
Und wiesen auf die Braunen,
Und spotteten der Minen
Des Vorzugs und des Stolzes.
Ich aber gab Minerven
Den Dank für ihre Weisheit,
Und schlich mich aus dem Zimmer,
Und ließ die Schönen zanken.

Notizen
Erstdruck: Berlin 1744.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Gleim, Johann Wilhelm Ludwig. Versuch in Scherzhaften Liedern, erster Teil. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D98A-E