Weiland Gottlieb Biedermaiers Schulmeisters in Schwaben
Auserlesene Gedichte
nebst Beigaben des Buchbinders Horatius Treuherz und des alten Schwartenmeier

Vorwort

Gesegnetes Schwabenland, voll Obst und Wein, Weizen, Schwaben und berühmten Männern! Da ist kein Gau zu klein, er liefert der ersteren viele und der letzteren einige. Auch ihr, freundliche Hügel Knittlingens, wo ein Faust das Licht der Welt erblickte, seid gesegnet, denn ihr saht den vortrefflichen Biedermaier aus eurem Schooße erstehen. Faust und Biedermaier, welche Gegensätze! Der übergeniale Ikarus; der genügsame Biedermaier, dem seine kleine Stube, sein enger Garten, sein unansehnlicher Flecken und das dürftige Loos eines verachteten Dorfschulmeisters zu irdischer Glückseligkeit verhelfen. Man könnte sich darüber streiten, ob Biedermaier auch wirklich eine äußere Geschichte erlebt habe. Bei einer kärglichen Besoldung [61] findet dieser würdige Mann in dem tiefen Schachte seines einfachen, redlichen und heiteren Schwabengemüthes die köstliche Quelle, welche ihm die Sorgen des Familienlebens verscheuchen und die Lasten des Berufes tragen hilft, den goldenen Zauber, der ihm die eintönige Prosa seiner dörfischen Umgebung paradiesisch verschönt, und das unschätzbare Elixir, welches ihn geliebt und verehrt von seinen Landsleuten das hohe Alter von achtzig Jahren erreichen läßt, ohne auch nur ein einziges Mal wirklich krank gewesen zu sein, oder mit seinem Gott und König gegrollt zu haben. Bibel und Gesangbuch sind seine geistige Nahrung; Volkslied und Kirchenlied lehrten ihn den gelenkigen Versbau, ja mitunter gerieth ihm ein altes Bändchen Schiller oder Göthe in die Hand, er verschlingt es, ohne rechtes Verständniß sich zuzutrauen, und bringt es dem Herrn Pfarrer bald wieder zurück, unheimlich heimlich berührt. Aber die Biographie beider Heroen, wie er sie im Pfennigmagazin gelesen, bringt er hurtig in gewählte Reime. Sein Vetter dagegen, der unfern wohnende Buchbinder Horatius Treuherz, hat, wie wir sehen werden, köstliche Bildung aus allen Büchern geschöpft, die ihm unter die konservirende Hand kamen; dieser liest auch Zeitungen. Nur Eines muß Biedermaier betrüben. Das Verhängniß scheint den Untergang des Geschlechtes der Biedermaier unabwendbar beschlossen zu haben. Mit ihm scheidet zugleich der letzte jener Ehrenmänner, welche unsre Väter Schulmeister genannt haben. An ihre Stelle tritt der moderne Schullehrer, der mit den Lederhosen, den Schnallenschuhen und dem Namen des alten Schulmeisters auch dessen Gemüthlichkeit abgestreift hat, eine Brille trägt und – George Sand liest. Gleichwohl erfreut sich das literarische Biedermaierthum, vielleicht für alle Zeit, einer erschrecklichen Verbreitung. Wir wollen aber berühmte Dichter nicht denunziren, weil sie vielmals einen oder den anderen [62] unsrer ehrenwerthesten Gemeinplätze in ursprünglicher Wahrheit und Frische wieder durchempfunden haben.

Großer Leser, etliche dieser Lieder, deren auserlesenste wir hiemit gesammelt dem Drucke übergeben, werden Dir schon bekannt sein. Insbesondere leben »das alte Dorfschulmeisterlein« und das »Kartoffellied« im Munde des deutschen Volkes. Wir konnten daher deren Einführung in diese Sammlung nimmermehr entbehren. 1 Von andern klang Dir vielleicht ein Vers oder doch ein köstlicher Reim schon oftmals vor den Ohren, ohne daß Du Dir hast klar machen können, wo Du ihn früher vernommen, wie eine lustige Melodie aus dem Rausch vergangener Jugendtage noch manchmal in einsamen Stunden an unsrer Erinnerung vorübersummt. Gemüthliche Biederkeit ist der Grundton, der durch diese Lieder zieht, eine naive Beachtung der einfachsten Verhältnisse des Lebens, welche der raffinirte moderne Weltmensch gar nicht mehr zu erkennen vermag, eine Verehrung der Autorität und Ordnung, wie sie uns in den Wirrsalen der letzten Jahre ganz abhanden gekommen ist. Schade, daß nicht schon unser großer Schiller seinen wackeren Landsmann gekannt hat, er hätte gewiß nicht vergessen, in seiner Abhandlung über das Naive auch das Verhältniß der Biederkeit zur Idee des Schönen zu entwickeln, und die ästhetischen Begriffe des Biederschönen und Biedermaiern würden ihm nicht entgangen sein, welche somit uns aufzustellen übrig geblieben ist. 2

Seinen Zweck aber vollkommen zu erreichen, mußte der Verfasser dieses »Buches« manches Fremde benützen, [63] und sei auch hier erwähnt, daß er zu Manchem die Mitwirkung eines gleichgestimmten Freundes in Anspruch nahm.

Das Verhältniß Biedermaiers zu Schwartenmaier läßt sich in wenigen Worten verdeutlichen. Biedermaier ist die unbewußte Biederkeit gegenüber der bewußten des Schwartenmaier, die natürliche Einfachheit gegenüber der künstlichen, die tugendhafte Schönheit im Gewande des dörfischen Schulmeisters gegenüber der schon etwas schadhaft gewordenen des städtischen Präzeptors. Schwartenmaier erheitert immer absichtlich, und es gelingt ihm dies oft, obwohl uns seine Absicht nicht verborgen bleibt. Biedermaier dagegen erheitert unabsichtlich; selbst da, wo er das Gegentheil von Erheiterung bezweckt, muß der herrliche Menschenfreund noch seinem Nächsten Freude machen und ihn ergötzen. Beide aber, Biedermaier wie Schwartenmaier werden bald zu den fossilen Ueberresten jener vormärzsündfluthlichen Zeiten gehören, wo Deutschland noch im Schatten kühler Sauerkrauttöpfe gemüthlich aß, trank, dichtete und verdaute, und das Uebrige Gott und dem Bundestage anheimstellte.


Geschrieben 1850. (vergl. Fl.Bl.)

Fußnoten

1 Beide bekanntlich vom alten herrlichen Schulmeister Sauter in Flehingen bei Bretten, nicht von Claudius, wie viele leichtsinnige Gelehrte behaupten. Sauter ist Prototyp für Biedermaier.

2 Anmerkung. Beiläufig sei hier erwähnt, daß unser Biedermaier, als er hörte, Schiller habe über das Erhabene geschrieben glaubte, es handle sich dabei um die allerhöchsten Hofkreise.

[64] Frühlings-Lieder

1.
Nein, über's Herz kann ich's nicht bringen,
Ich muß den schönen Tag besingen,
Womit nach so viel rauher Zeit
Der Himmel wieder uns erfreut.
Die Aepfel-, Birn- und Zwetschgenbäume
Die Traubenstöck' und Dinkelkeime
Sie alle streben schon empor,
Auch ich erhebe Herz und Ohr.
2.
Thal und Hügel werden grün
Die Bäume schlagen aus,
Ja mancher fängt schon an zu blüh'n,
Und bildet einen Strauß.
Herrlich stehen schon und hoch
Die grünen Wintersaaten,
O möchten die Kartoffeln doch
In diesem Jahr gerathen!
3.
Ach Gott, der schöne Weinstock ist
In dieser Nacht erfroren,
Die Hoffnung, die den Schmerz versüßt,
Ach, Alles ist verloren.
[65]
Vier Jahre hat die Kälte itzt
Uns Obst und Wein genommen,
Wohin wird, der in Armuth sitzt,
Wohin wird der noch kommen?

Ueber das Getraid

Ein Sommerlied.


Gleichsam wie ein Oelgemälde,
Reist uns wieder auf dem Felde,
In der schönen Sommerzeit,
Still und friedlich das Getraid.
Freu' dich Alter, freu dich Junger,
Heuer gibt es keinen Hunger,
Segen spendet weit breit
Still und friedlich das Getraid.
Danket Gott im Freudenschimmer,
Dankbarkeit gehört sich immer.
Lobt den Herrn doch allezeit
Still und friedlich das Getraid!

Lied im Zwetschgenherbst

Herunter, ihr Zwetschgen,
Herunter vom Baum,
Die Buben und Mädchen
Erwarten es kaum,
Ihr habt nun schon lange
Die Zweige beschwert,
Klipp, klapp, mit der Stange
Die Aeste geleert.
[66]
Was wie ein Magnet wirkt,
Das nennt man magnet'sch,
Was leicht sich enzwei macht,
Ist zweitsch oder zwetsch,
Von zwei entsteht Zwilling,
Zwirn, Zwusel und Zwist,
Wahrscheinlich, daß Zwetschge
Ein Schwesterwort ist.
So mag es entstanden
Das Zwetschgenwort sein,
Nun ist es vorhanden
Wir fügen uns drein,
Auch Strickstrumpf klingt häßlich,
Am niedlichsten Bein,
Was kümmert das Wort uns,
Das Fleisch soll uns freu'n.
Juchheisa, wie's prasselt,
Nur hurtig gepflückt,
Nur hurtig die Leitern
Stets weiter gerückt,
Gerüttelt, geschüttelt,
Gestreift und gerupft,
Gebengelt, geschwengelt,
Gestupft und gezupft.

Kartoffellied

Herbei, herbei zu meinem Sang!
Hans, Jörgel, Michel, Stoffel!
Und singt mit mir das Ehrenlied
Dem Stifter der Kartoffel.
[67]
Franz Drake hieß der brave Mann,
Der vor zweihundert Jahren
Von England nach Amerika
Als Kapitän gefahren.
Europa sollte diesem Mann
Auf allen seinen Auen,
Wo es nur je Kartoffeln pflanzt,
Ein goldnes Denkmal bauen.
Salat davon, gut angemacht,
Mit Feldsalat durchschossen,
Der wird mit großem Appetit
Von Jedermann genossen.
Gebrätelt schmecken sie auch gut,
In saurer Brüh' nicht minder,
Erdbirnenknöpfe essen gern
Die Eltern und die Kinder.
Hat Jemand sich die Haut verbrannt
Und hilft kein Feuersegen,
So darf er auf die Wunde nur
Kartoffelschabsig legen.
Und welche Wohlthat sind sie uns
Das Vieh damit zu mästen!
Und wie viel Sorten gibt's! Jedoch
Die gutsten sind die besten.

etc. etc.


Ein allgemeines Lob verdient
Der würdige Franz Drake
Vom Fürsten bis zum Bauersmann
Ob seinem Wohlgeschmacke.

[68] Beim Gewitter

1.

Es donnert. Gott! Wie schrecklich ist
Des Himmels Wetternacht.
Es blitzt und donnert, guter Christ,
So hör' doch, wie es kracht!
Gott reinigt seine Luft für uns,
Drum fürchtet euch und dankt
Dem weisen Schöpfer, ob er uns
Auch tüchtig heute zankt.

2.

Ein Wetter steht grad über der Erd,
Wenn's nur in's Württembergische fährt!
Denn thut es bei uns sich entladen,
So haben wir Hagelschaden.
Als Beispiel hat man es schon erlebt,
Daß ein Gewitter vorüber schwebt,
Der gütige Fürst von Baden
Thut sonst sich weh, in Gnaden.
Doch wenn auch Hagel sich herbewegt,
Wenn's nur nicht in die Kirch' einschlägt,
Mitreißend auf schrecklichen Pfaden
Des Pfarrers arme Waden.
Wie's neulich geschehen in Grimmelsbach,
Wo auch der Herr Amtmann Ungemach
Erlitten auf Retiraden,
Indem er war eingeladen.

[69] Lehrsachen

Hilf, Himmel, daß die Jugend
In Ehrfurcht oder Tugend
Auf dieser schlimmen Erde
Von uns erzogen werde.
Durch rührende Geschichten
Laßt uns sie unterrichten,
Denn lehrendes Erzählen
Wirkt sehr auf junge Seelen.
Zum Predigamtsgeschäfte
Gib auch dem Pfarrer Kräfte,
Daß er uns, wenn wir schwitzen,
Mag eifrig unterstützen.
Seid auf der Hut vor Kindern,
Rühmt euch, gleich Bürstenbindern,
Nicht eigner Uebelthaten,
Sonst müssen sie mißrathen.
Ja machet sie verehren
Des Pfarrers fromme Lehren,
Daß sie ihn, frei von Sünden,
Im Himmel wieder finden.

Das arme Dorfschulmeisterlein

Willst wissen du, mein lieber Christ,
Wer das geplagtste Männlein ist?
Die Antwort lautet allgemein:
Ein armes Dorfschulmeisterlein.
[70]
Noch eh der Hahn den Tag begrüßt
Und Alles noch der Ruh genießt,
Hängt's schon am Morgenglöckelein
Das arme Dorfschulmeisterlein.
Von diesem Frühgeschäfte matt,
Wen wundert's, daß es Grimmen hat,
Drum schluckts ein Tröpfchen Branntewein
Das arme Dorfschulmeisterlein.
Befindet sich's bei einem Schmaus,
So heißt's, wenns kaum zur Thür hinaus:
Es ißt, es trinkt, es steckt auch ein,
Das arme Dorfschulmeisterlein.
Oft macht's der Pfarrer ihm zu bunt
Und läßt ihm keine Ruhestund.
Was will's? es muß gehorsam sein
Das arme Dorfschulmeisterlein.

etc. etc.

(wie bekannt.)

Auf ein Mitteljahr

Man befürchtete trotz allem Fleiße,
Daß der Jahrgang heuer werde schlecht;
Ohne Gottes edle Denkungsweise
Wäre unser Frohmuth arg geschwächt.
Doch es scheint, die Frucht will jetzt gerathen,
Denn sie steht schon ziemlich dick im Bann; –
Ach was soll der schöne Lendenbraten
Ohne Brot dem reichsten Handelsmann?
[71]
Einen Mittelpreis wird doch erzielen
Der Beständer dieses Jahr gewiß,
Und im Herzen stillen Dank zu fühlen,
Gott erlaubt uns gnädig wieder dieß.

Auf den 80sten Geburtstag des Herrn Altbürgermeisters Martin

Schlagt den Zapfen aus dem Fasse,
Das der Vierunddreiß'ger füllt
Mit dem Nasse zu dem Spasse,
Welcher unserm Martin gilt!
Achtzig Jahr ist doch ein Alter,
Und ich glaub' er tanzt noch gar,
Wie der Herr Renteiverwalter,
Der hoch in den Siebzig war!
Lustig Freunde und Bekannte,
Lustig liebe Schwägerin,
Lustig, lustig, Anverwandte,
Lustig ist nach meinem Sinn!
Leider, daß beim heut'gen Feste
Seine Kinder sind zerstreut,
Und sich in der Zahl der Gäste
Nur ein Einzig's mit uns freut.
Ach! die vielen Andern wohnen,
In Paris, in Buffalo,
Stuttgart, Sasbach – solchen Zonen,
Die wo ganz wo-anderswo!
Lustig, Freunde und Bekannte,
Lustig, liebe Schwägerin,
Lustig, lustig, Anverwandte,
Lustig ist nach meinem Sinn!
[72]
Ei, die Frau Altbürgermeistrin
Schenkt uns Einen, welcher packt,
Da ist Feuer, da ist Geist d'rin –
Und was sie für Kuchen backt!
Könnt sie doch den Kindern schicken
Von der Bretzel auch ein Stück
Hinter Vater Martins Rücken
Wär' es nöthig nicht, zum Glück!
Lustig, Freunde und Bekannte,
Lustig, liebe Schwägerin,
Lustig, lustig, Anverwandte,
Lustig ist nach meinem Sinn!
Alle sind sie gut gerathen,
Wie's von selber sich versteht,
Wo mit lobenswerthen Thaten
Stets voran der Vater geht,
Dem die Mutter geht zur Seite,
Dem die Freunde geh'n zur Hand,
Der mit sich zu Rath geht heute,
Und der morgen Rathsvorstand.
Lustig, Freunde und Bekannte,
Lustig, liebe Schwägerin,
Lustig, lustig, Anverwandte,
Lustig ist nach meinem Sinn!
Aller Waisenkinder Vater,
Und den Wittwen zugethan,
Nahm er sich sogar noch spater
Des entlass'nen Sträflings an.
Philipp, der sein Knecht geworden,
Ist der brävste Mensch nun fast,
Welcher sonst in Süd und Norden
Der Gemeinde fiel zur Last.
[73]
Lustig, Freunde und Bekannte,
Lustig, liebe Schwägerin,
Lustig, lustig, Anverwandte,
Lustig ist nach meinem Sinn!
Staunen muß es nur erregen,
Wenn der Sinn das Alles mißt,
Was nur Alles uns'retwegen
Schon durch ihn geschehen ist.
O, wie viele Amtsberichte,
O, wie viel hat er gemacht,
Sitzend bei dem theuren Lichte
Oft noch bis nach Mitternacht!
Lustig, Freunde und Bekannte,
Lustig, liebe Schwägerin,
Lustig, lustig, Anverwandte,
Lustig ist nach meinem Sinn!
D'rum soll Vater Martin leben,
Der noch immer thätig ist,
Dem der Himmel Viel gegeben,
Und der Weniges vergißt.
Trinket, esset, tanzt und singet,
Heute ist ein schönes Fest,
Sammlet dann, was ihr nicht zwinget
Und den Armen gebt den Rest!
Lustig, Freunde und Bekannte,
Lustig, liebe Schwägerin,
Lustig, alle Anverwandte,
Lustig ist nach meinem Sinn!

[74] Gegen die Thierquälerei

O quälet nie ein Thier zum Scherze
Und auch zum Ernste quält es nie!
Bekanntlich unterliegt dem Schmerze
So wie der Mensch das liebe Vieh.
Es kann euch nicht vor Amt verklagen,
Ach! um so wen'ger sollt ihr's schlagen!
Wer seinem Stier das Maul verbindet,
Der thut es auch bei Weib und Kind,
Ein Menschenfreund indessen findet,
Daß solche Thaten unrecht sind.
Sogar der Hund, der oftmals fehlet,
Hat Anspruch, daß man ihn nicht quälet.
Nach seinem frommen Ebenbilde
Schuf Gott den Menschen, das bedenkt!
O lern't von seiner Vatermilde,
Auch er hat Mitleid uns geschenkt;
Und züchtiget mit Ruthenhieben
Die Buben, die das Vieh betrüben!

Warnung vor der Trunkenheit

Wer in dem goldnen Saft der Reben
Mit frechem Muthe sich betrinkt,
Der ist nicht werth, als Mensch zu leben,
Wenn er als Thier zu Boden sinkt.
Ihm ist kein Mann von Ehre hold,
Verachtung dir, o Trunkenbold!
So manchen Gatten, treu und bieder,
Hat schon die Trunkenheit bethört,
Gottlob, daß uns ein solcher wieder
Zur Nüchternheit zurückgekehrt,
[75]
Kein And'rer war so lüderlich,
Doch seit Jakobi macht' er sich.
Gott läßt den Hausstand oft zerrütten,
Um mit dem Kreuz zu winken uns,
Doch ließ er sich durch Reu erbitten
Erst eben kürzlich bei Karl Kunz.
Es war die höchste Zeit, das Amt
Bedrohte Kunzen schon mit Gant.
Drum preiset ihn, der die Geschöpfe
Nicht gerne ganz versinken läßt,
Sichtbarlich sind des Herrn Fußstäpfe,
So tretet drein, und haltet fest,
Ja, haltet fest an seinem Pfad, –
Der Christ geht nüchtern und gerad.

Gefühle der Getrennten
oder
Klagelied für Wittwer und Wittwen

Traurig ist es einsam sein!
Einsam sitzt man auf der Wache,
Wie der Vogel auf dem Dache,
Und guckt in die Welt hinein,
Traurig ist es einsam sein.
Traurig ist es einsam sein!
Wenn wir ausgeh'n oder kommen,
Wird kein Gatte wahrgenommen,
O dies rühret ungemein,
Traurig ist es, einsam sein.
[76]
Traurig ist es einsam sein!
Wenn das Niesen uns begegnet,
Ist kein Mensch da, der uns segnet,
Dessen Worte wir uns freu'n,
Traurig ist es, einsam sein.
Traurig ist es einsam sein!
Nur verbund'ne Seelen tragen
In den schwülen Erdentagen
Leichter ihren Sorgenstein,
Traurig ist es einsam sein.
Traurig ist es einsam sein!
Mit den Schlafenden dort draußen
Können Lebende nicht hausen,
Diese müssen wieder frei'n,
Traurig ist es, einsam sein.

Die Sündfluth

(In lauter einsilbige Wörter gesetzt.)


Nur Luft und See,
Kein Land, kein Baum,
O weh, o weh!
Der Herr zürnt sehr,
Der Mensch, das Vieh,
Schwimmt todt im Meer!
Die Arch nur hält,
Wie weis' ist dies!
Den Keim der Welt:
[77]
Mensch, Rind und Schwein,
Und was das Best',
Auch schon den Wein!
Ach, ein Glas Wein
Bei Weib und Sang,
O Mensch schmeckt fein.

Der Brand in Kühbach

(Dem Genius der löschenden Menschlichkeit gewidmet.)


Kühbach – dieser Marktfleck zweier Staaten,
Abgetheilt an Hessen und an Baden –
Wurde neulich schrecklich heimgesucht;
Nebst drei Häusern fraß ein wüthend Feuer
Noch sechs Bürgern jedem eine Scheuer
Voll von Heu und siebzehn Bürgern Frucht.
Welch' ein Jammer, welch' ein Händeringen
Gab es da! – Die Habe fortzubringen
Sprangen Hundert ihren Brüdern zu;
Aber wenig, wenig konnt' man retten,
Früchte, Schreinwerk, Kleider, Weißzeug, Betten
Waren weg beinah' in einem Nu.
Wären nicht die Grenzer beigesprungen,
Weiter wär' die Wuth der Brunst gedrungen,
Und vielleicht der halbe Ort verheert.
Durch die Macht der vielen Feuerspritzen
Und durch Männer, die Verstand besitzen,
Ward dem weiter'n Umgriff abgewehrt.
[78]
Ihre Namen will man jetzt nicht melden,
Gott wird jedem Biedermann vergelten,
Der bei diesem Brande thätig war,
Wird gewiß die vielen Dienste lohnen,
So der Mannsleut', wie der Weibspersonen,
Kurz der ganzen braven Löscherschaar.
Solch ein Unglück hat in hundert Jahren
Das betrübte Kühbach nicht erfahren,
Als ihm eins durch dieses Feu'r gescheh'n,
Und zum Unheil traf es lauter Hessen,
Diesen Umstand darf man nicht vergessen,
Weil sie fern von ihrem Lande steh'n.
Möcht' mein Lied doch viele Leser rühren,
Daß sie gern ein Opfer hier spendiren,
Daß die Reichen ihre Börsen zieh'n!
Was den Armen aus der Feuerkasse
Wird bezahlt, ist eine kleine Masse,
Reichet kaum zu frischer Stallung hin!

Napoleon in Rußland

Um die Herrschaft auf der Erde
Hub mit seinem Siegerschwerdte
Und mit fürchterlichem Droh'n
Endlich sich Napoleon:
Wie der Sturmwind mit dem Meere
Zog der ruhmgekrönte Held
Mit dem ungeheuren Heere
Gegen Rußland in das Feld.
Und sie konnten sich nicht helfen
Wie die Schafe vor den Wölfen
[79]
Floh das tapfre Russenheer
Land und Städte wurden leer.
Niemand sah man in den Straßen,
Schier ganz Moskau war entfloh'n,
Zwar erstaunt, doch sehr gelassen
Schritt herein Napoleon.
Ney, des Heeres Allerbester,
Orden trug er schier ein Sester,
Ritt an seiner Seite hin,
Denn der Kaiser liebte ihn;
Und es ließ die Stimm' erschallen
Jetzt zu Ney Napoleon,
Ney, es will mir nicht gefallen,
Meinst Du nicht, es brenzelt schon?
Welch' ein übertriebnes Feuer!
Das sind keine Freudenfeuer!
Das ist Moskaus großer Brand,
Wie er in der Zeitung stand.
Seht, in Millionen Flammen
Schlägt er über jener Stadt
Und Napoleon zusammen,
Eh' er sich's vermuthet hat.
Zehnmalhunderttausend Reiser,
Stürzen nicht, wie Moskaus Häuser,
Nicht mit solchem Krachen ein;
Feuer löset das Gestein,
Feuer packt das Holz entsetzlich.
Feuer ras't in jedem Haus,
Feuer jagt die Feinde plötzlich
Sammt Napoleon hinaus.
[80]
Dieser flieht und schaut zum Himmel:
Vor ihm ist ein Schneegewimmel,
Hinter ihm die Feuersbrunst,
Dies erschöpfet seine Kunst.
Solches hat er nie vernommen:
Vorne heiß und hinten kalt!
Ei, da muß zu Schanden kommen,
Auch der Allerstärkste halt.
Hunger, Durst mit weiten Nachen
Stürzen wie ergrimmte Drachen,
Deren Magen groß und leer,
Lechzend auf sein stolzes Heer;
Und ein Frost ergreift die Schaaren,
Schnee bedecket Alles weiß,
Die am Abend Menschen waren,
Standen Morgens da als Eis.
Die verfolgten Krieger weichen.
Einmalhunderttausend Leichen
An der Beresina Strand,
Der erschrockne Russe fand.
Denn sie bauten eine Brücke,
Drängten sich in wildem Lauf,
Traten dreimal sie in Stücke,
Gingen so schier Alle drauf.
Oberst Müller hat's gesehen,
Er kann kühn als Zeuge stehen,
Für den fürchterlichen Tag,
Weil er mit im Felde lag.
So erfroren Frankreichs Krieger
Und es floh Napoleon,
Der bezwungne Weltbesieger,
Schaudernd kaum allein davon.

[81] An meinem 70sten Geburtstage

Vor fünfundzwanzigtausend und
Fünfhundertfünfzig Tagen stund
Ich ziemlich in Gefahr,
Denn schwer ward ich zur Welt gebracht,
Doch hat's den Eltern Freud' gemacht,
Daß ich ein Büblein war.
Ja siebzig Jahre sind es schon,
Daß meiner Frau, der Appollon',
Nichts ahnte von dem Glück. 1
Wie bitter hat mich nun gemahnt,
Seit ich zum erstenmal gezahnt,
Des Lebens Ungeschick!
Und doch, obschon ein Siebziger,
Bin ich ein Mensch ein glücklicher:
Kaum einmal war ich krank.
Zwar unberufen sag' ich's nur,
Es denkt mir nicht, daß ich Mixtur
Aus meinem Glase trank.
Vonnöthen hab' ich keine Krück',
Und keine Brille für den Blick,
Ich hör' und schmecke gut;
Was schreib' ich eine feste Hand!
Gottlob es ist mir unbekannt
Das Zipperlein, wie's thut.
Nur geht es mir wie jedem Greis,
Daß mir die Zähne reihenweis
Ausfallen kreuz und quer;
[82]
Doch tröstet mich der Umstand auch
Daß ich jetzt nicht zu beißen brauch'
In saure Aepfel mehr.
Und wird auch mein Gedächtniß schwach,
Daß ich oft letze Sachen mach',
So weiß ich doch noch scharf,
Zu unterscheiden Bös und Gut,
Und was ein Christenmensch voll Muth
Zur Seligkeit bedarf.
Ja loben muß ich Gott darum,
Daß er so alt und doch nicht dumm
Mich zeitlich werden läßt.
Ein unzufried'ner Jubilar?
Er wäre ja ganz undankbar
Für ein so selt'nes Fest!

Fußnoten

1 Bei meiner Geburt war nämlich meine nunmehr selige Frau ein fünfjähriges Kind.

Dem Herrn Pfarrverweser Samuel Schulzeweck bei seinem Abschiede von Stierbach

Schulzeweck! bei deinem Scheiden
Werden uns're Augen naß, –
Alle wollen dich begleiten,
Sieh' die große Menschenmaß'!
Nie war noch die Liebe größer
Gegen einen Pfarrverweser;
Sieh' ganz Stierbach ist gerührt,
Weil es seinen Freund verliert.
Nie wird Stierbach es vergessen,
Daß es sieben lange Jahr
Einen Schulzeweck besessen,
Und wie sehr beliebt er war.
[83]
Deine Kinderlehr' und Predigt
Hat zum Ausspruch uns genöthigt:
»Schulzeweck ist uns're Lust,
Dessen sei er stets bewußt!«
Wir verehren die Gesetze
Eines weisen Kirchenraths,
Dieser gibt die bessern Plätze
Aeltern Dienern unseres Staats,
Und ertheilet dann den jüngern
Wohlbedächtig die geringern.
Schulzeweck auch du gewinnst
Bald wohl einen bessern Dienst.
Lasse dir zum Angedenken
Einen Silberbecher weih'n,
Dich nach Würden zu beschenken,
Sollt' er freilich größer sein;
Tausend Glück und tausend Segen,
Wünschen wir zu deinen Wegen,
Rufen herzlich, thränenvoll:
Schulzeweck, o lebe wohl!

Die Schlacht bei Leipzig

In das Zeitbuch mit Zinnober,
Nein, mit Golde schreibt ihn ein
Deutschland's achtzehnten October,
Laßt uns ihm ein Feuer weih'n,
Das von freien Stücken lodert,
Nicht von oben aufgefordert.
Wie viel Wunden! wie viel Leichen!
Mensch, was läßt du doch gescheh'n!
Könntest du dich nicht vergleichen,
[84]
Eh' du geh'st zum Aeußersten?
Solches muß uns stets betrüben,
Denn der Mensch soll Menschen lieben.
Aber dennoch soll man ehren,
Diesen deutschen Siegestag,
Wo mit heißen Freudenzähren
Der Monarch auf Knieen lag,
Wilhelm, Franz und Alexander
Knieten selber bei einander.
Holder Frieden, süßer Frieden,
Der dem Volk die Nothdurft giebt,
Jener Tag hat dich beschieden,
D'rum wird er mit Recht geliebt,
Da man kühn das Joch zerschlagen,
Das wir fünfzehn Jahr' getragen.
Warum sollten wir auch dürsten,
Noch nach einem fremden Herrn,
Fehlt es uns doch nicht an Fürsten,
Und sie führen uns ja gern.
Fort mit den Napoleonen,
Vivat uns're Landeskronen!

Die letzten Worte des Gutsbesitzers Herrn von Zips

Kommt es einst mit mir zum Sterben,
Nun so setz' ich keinen Erben,
Ich mach' auch kein Testament,
Meinen nächsten Blutsverwandten,
Guten Freunden und Bekannten
Wird mein Nachlaß gern gegönnt.
[85]
Mich wird Niemand balsamiren,
Auch in kein Gewölbe führen,
Wozu nutzt auch dieser Pracht?
Gott befehl' ich meine Seele
Und den Leib der frischen Höhle,
Die ein Todtengräber macht.
Keine Frau soll mich begleiten,
Denn ich hab' an meiner Seiten
Ein solch' Kleinod nicht geküßt;
Also darf sich keine grämen,
Noch vor andern Weibern schämen,
Daß sie Wittwe worden ist.
Es soll Niemand um mich trauern,
Noch in Briefen mich bedauern,
Schont das schwarze Siegellack!
Woher rührt das tolle Weinen,
In verhüllter Tracht erscheinen,
Als von heidnischem Geschmack?
Einen Leichnam zu begraben,
Sollt ihr keine Kosten haben,
Das verbittert nur das Leid.
Wenn man todt ist, geht's auch ohne
Weiße Handschuh' und Citrone,
Diesem Dank der Eitelkeit.
Todtenhemd mit theu'ren Spitzen
Brauchen nicht an mir zu blitzen,
Nach dem Tod' ist Niemand schön,
Arme Leute aus dem Spittel
Mögen meinen Sterbekittel
Schlecht und recht zusammennäh'n.
[86]
Um den Nußbaum wär' es Schade,
Leget mich in eine Lade,
Die von Tannenholz besteht;
Griff und Leisten könnt ihr sparen,
Nur mit Zapfen mich verwahren,
Bis der Sarg zu Grabe geht.
Putzet mich mit keinen Rosen,
Höhnt nicht den Empfindungslosen,
Der sich nicht bedanken kann,
Füllt die hölzerne Pastete
Statt dem irdischen Geräthe
Blos mit Hobelspähnen an!
Lasset keine Glocken läuten,
Denn es schauert oft den Leuten,
Wenn sich so die Anstalt häuft,
Laßt mich ohne Pferd' und Wagen
Durch sechs arme Männer tragen,
Die es weniger ergreift.
Lobt mich auch nicht nach dem Tode,
Oeffnet nicht nach neuer Mode
Mich nach meinem Todesfall;
Denn was wollet ihr ergründen?
Da ist nichts Apparts zu finden
Wie an einem Feldmarschall.
Ich will nicht, daß von den Reisen
Oder guten Handlungsweisen
Jemand nach dem Tode schreibt,
Ich will, daß ihr mich vergesset,
Und das Brod mit Freuden esset,
Was von mir noch übrig bleibt!
[87]
Pyramid und Monumenten
Ueber'm Grabe zu verschwenden,
Laß' ich gern der großen Welt;
Fürst und Diener gleicherweise
Werden doch der Würmer Speise,
Weil der Tod vom Rang Nichts hält.
Hier war Nichts an mir zu loben,
Das Jerusalem dort droben
Ist der Ort nach meinem Sinn,
Weil ich Gott gefürchtet habe,
Lieg' ich fröhlich in dem Grabe,
Zieh' ich ohne Murren hin!

Winterfreuden

Nicht nur der Sommer, sondern auch
Der Winter hat sein Schönes,
Wiewohl man friert bei seinem Hauch,
So ist doch dies und jenes
Im Winter wirklich angenehm,
Besonders daß man sich bequem
Kann vor dem Frost bewahren,
Und auch im Schlitten fahren.
Das weite Feld ist kreidenweiß,
Wem machte das nicht Freuden?
Die Knaben purzeln auf dem Eis,
Wenn sie zu hurtig gleiten,
Und ist nicht die Bemerkung schön,
Bei Leuten, die zu Fuße geh'n,
Daß sie schier alle springen
Und mit den Händen ringen?
[88]
Und wenn man sich versehen hat,
Mit Holz, um einzuheizen,
So muß die Wärme früh und spat
Uns zum Vergnügen reizen,
Man richtet mit zufried'nem Sinn
Den Rücken an den Ofen hin,
Und wärmet sich nach Kräften
Für Haus- und Hofgeschäften.
Ein altes Buch zur Abendzeit
Muß ich zumeist doch lieben,
Wenn man da liest die Albernheit
Der Vorzeit schön beschrieben,
Man sitzt und liest und freuet sich
Und danket Gott herzinniglich
Genügsam und bescheidten
Für uns're jetzgen Zeiten.

Nachtlied

Bei dem Unschlittlichte
Sitz' ich hier und dichte
Dieses Lied der Nacht,
Alle uns're braven
Bürgersleute schlafen,
Nur der Biedermaier wacht.
Horch, ein Frühlingsregen
Träufelt milden Segen,
Während Alles ruht,
Träumet froh, ihr Leute,
Eure Lust und Freude
Däucht dem Biedermaier gut.
[89]
Obrigkeit und Hirte,
Schlafet ohne Bürde
Schlummert leicht und süß,
Ach, die besten Tage
Haben ihre Plage,
Biedermaier wünscht Euch dieß.
Schlumm're sanft, mein Liebchen,
Schlumm're sanft mein Bübchen,
Sanft mein Töchterlein,
Mit des Gatten Minne,
Treuem Vatersinne,
Biedermaier liebt euch rein.
Bei dem Unschlittlichte
Sitz ich hier und dichte,
Nur mein Auge wacht,
Mensch und Vieh hienieden,
Allen wünscht in Frieden
Biedermaier gute Nacht.

An einen Baumeister 1

Der Kaufmann sammelt Schätz' in der Levante,
Er sammelt Schätze in der Indier Lande,
Er sammelt Schätze in Australia,
In Afrika und in Amerika.
Es blühen Veilchen rings um Attika,
Es prangen Rosen in Arkadia,
Es glänzen Lilien an Neapels Strand,
Die schönsten Blumen aus der Flora Hand;
[90]
Am Himmelszelt
Der Künstlerwelt
Erglänzen in der Höh' und Ferne
Als die erhabensten und ersten Sterne
Der alte Dädalos
Der kühne Ikaros,
Der göttergleiche Phidias,
Athenens Stolz und Attikas,
Erwin und Angelo.
»Hochmüller«, Du sollst ebenso,
Mit »Schön« dem großen Meister,
Im Kreis der Künstler und der ersten Geister,
Ein Hochgestirn am Himmel stehen
Und um den Thron des Ew'gen gehen!
Ambrosia enthält die Silberschale
Bei uns'rer Festlichkeit,
Und Nektar füllt die Glaspokale –
Hochmüller lebe heut'!
Wir leeren uns're Teller,
Wir leeren den Pokal,
Das Haupt wird immer heller,
Das Zimmer wird ein Himmelssaal.
Die Musen fangen an zu singen,
Und ihre Stimmen, die da neunmal klingen,
Erhaben wie ein Wasserfall,
Vom Helikon, Parnaß, Olymp und Himmel nieder,
Sie hallen in uns Menschen wieder.
Der Himmel und die Götter schau'n erfreut
Mit heiterm Angesichte
Und blendend weißem Lichte
Auf uns're Lust und fromme Seligkeit.
[91]
Doch der, der Alles hat gebaut,
Und dem Du dieses Haus vertraut,
An den wir heut' zu Tage glauben,
Und den uns Niemand mehr wird rauben,
Er, der der größte Bauherr ist,
Er schütze Dich, Künstler, Freund und Christ!
D'rum soll auch Wilhelm, unser Gastwirth, leben
Und seine Schwester auch daneben,
Wie der Olymp und Himmel hoch!
Sie leben tausend Jahre noch!

Fußnoten

1 Gedicht, das Herr Pfarrer Klein dem Biedermaier für seine Sammlung mitgetheilt hat.

Große deutsche Literaturballade 1

Gegen Abend in der Abendröthe,
Ferne von der Menschen rohem Schwarm,
Wandelten der Schiller und der Göthe
Oft spazieren Arm in Arm.
Sie betrachteten die schöne Landschaft,
Drückten sich die großen edlen Händ',
Glücklich im Gefühl der Wahlverwandtschaft
Unterhielten sie sich excellent.
Dieser war schon etwas grau von Haaren,
Jener zwar nicht weit vom frühen Grab,
Aber grad in seinen besten Jahren
Als ein Dichter und geborner Schwab.
Keiner that dem Andern was verhehlen,
Sie vertauschten ihre Lorbeerkränz',
Und die schöne Harmonie der Seelen
Trübte nicht der Wahn der Convenienz.
[92]
Sehen Sie, so redete der Göthe,
Dort die edle Pflanze in dem Gras,
Jenes Steingebilde, diese Kröte,
Dort den Schmetterling und dies und das,
Und – die Sonn', erwiederte verwundert
Drauf der Schiller, sehen Sie, o Freund,
Eben, seh'n Sie, eben geht sie unter!
So hab' ich's im Räuber Moor gemeint.
Und ein andermal begann der Schiller,
Als sie wandelten am Wiesenbach,
Und der Göthe wurde immer stiller,
Während der entzückte Schiller sprach:
Sehen Sie, wie diese Wellen fließen,
Ohne Ruh und ohne Rast dahin,
Wie die Menschen alle wandern müßen,
Und die Zeiten unaufhaltsam flieh'n!
Herzlich ist, was Sie mir da bemerkten,
Gab der Göthe seinem Freund zurück:
Seyn Sie überzeugt, daß Sie bestärkten
Meine Meinung von des Menschen Glück.
Alles seh ich gleichsam in dem Wasser,
Form und Ordnung, Maßstab und Bezug,
Vieles Trefflichen bin ich Verfasser,
Doch am Ende sey's gerad genug.
»Alexander und Homerus starben,
Dieses ist das Loos von Allem fast.«
Und was sagen Sie denn von den Farben,
Welchen ich so sorgsam aufgepaßt?«
»Geht es Ihnen auch so sehr zu Herzen,
Herr Geheimerath, das Ideal?«
Mich ergreift, ich weiß nicht darf ich scherzen,
Himmlisches Behagen auf einmal'!
[93]
Unter solchen göttlichen Gesprächen
Schritten die verklärten Dichter oft
In des Waldes unbetretnen Schlägen,
Bis es dunkel wurde unverhofft.
Und die weltberühmtesten der Verse
Machten miteinander unterwegs
So der Dichter Tell's und der des Lerse,
Eingedenk des großen Künstlerzwecks.
Zum Exempel jene Prachtballaden
Von dem frommen Knechte Fridolin,
Von der Bürgschaft vielverschlungnen Pfaden,
Von dem Gotte und der Müllerin;
Ferner jene Xenien, unergründet,
Die der Genius des Jahrhunderts sann,
Wo der Mensch, der solche Bücher findet,
Vor Erstaunen sich nicht helfen kann.
Manchmal blieben sie auf einmal stehen,
Wie in plötzlicher Versteinerung,
Tief durchschauert von dem heil'gen Wehen
Gegenseitiger Bewunderung.
Auf dem Rücken faltete die Hände,
Dann der Göthe, eh man sich's versah,
Und so ganz in seinem Elemente
War der große Schiller da.
Hochbegeistert schwebten sie nach Hause;
Jener brannte schon vor Ungeduld,
Dieser knitterte an seiner Krause,
Bis er stünd' an seinem Schreibepult.
Sehe nun ein Jeder, wie er's treibe,
Sprach der Aeltre zu dem Jüngeren,
Der versetzte mit verneigtem Leibe:
Geh Du rechtwärts, laß mich linkwärts gehn!
[94]
Und bis zu der nächsten Morgenröthe,
Schrieb der Schiller an dem siebten Band,
Und den dreißigsten diktirt der Göthe
Seinem Sekretär noch in die Hand.
Still und dunkel auf den Straßen war es,
Nur die Lampe brannte wieder hell
In den Zellen unseres Dichterpaares,
Mahnend an der Wahrheit Strahlenquell.
Fragt ihr nun, ihr lieben deutschen Brüder,
Welche Lehr' aus diesem hohen Lied,
Welche Lehr' aus diesem Lied der Lieder
Der vernunftbegabte Leser zieht?
O begreifet, daß der Freundschaft Flöte
Die Musik der Sphären weiter spinnt,
Daß man spricht vom Schiller und vom Göthe
Wo zwei Deutsche nur versammelt sind!

Fußnoten

1 Nach Durchlesung eines schönen Aufsatzes des Pfennigmagazins gedichtet, welches mir durch die Güte Sr. Hochwürden des Herren Pfarrers einmal geliehen wurde. G.B.

Das Menschenbewußtsein

Wie muß ich meinem Schöpfer danken,
Daß Ich nicht eine Kröte ward,
Die ohne sittlichen Gedanken,
Im Kothe nur sich wälzt und scharrt,
Ich bin ein Mensch, vor Gott zu wandeln,
Kein Schamgefühl bringt mir mein Handeln.
Wär' ich ein Ochse an der Krippe,
Ich wüßte mir zu helfen nicht,
Kein Wort belebte meine Lippe,
Verstehen könnt' ich kein Gedicht.
Wie müßt' ich mich unglücklich fühlen,
Wenn ich nur könnte sinnlos brülen!
[95]
Wär' ich zum Tiger gar verfluchet,
Der raubt und mordet grausen Sinns,
In Wildheit sich die Gattin suchet –
Ich schauderte zu sehn, ich bin's.
Gottlob, daß ich ein Mensch geworden,
Der nicht den Trieb hat, wild zu morden.
O, Mensch zu sein von Gottes Gnaden,
Gut sein zu dürfen, fromm und rein,
Die Vögel, Fische, Molche, Maden,
Sie ahnen nicht, was Das mag sein!
Der Seraph aber muß uns neiden,
Denn er entbehrt Familienfreuden.

Lied der Säulenheiligen

Dreihundert Jahre wollen wir
Uns Gott, so Gott will, weihen,
Schon siebzig Jahre steh'n wir hier
Auf Säulen hoch im Freien.
Wenn er uns Regenwetter schickt,
Daß wir durchnässet triefen,
Wir stehen heiter, unverrückt,
Der Herr will uns nur prüfen.
Wenn er im Blitz und Schloßen kömmt,
Uns donnert um die Ohren,
Wir werden doch nicht weggeschwemmt,
Wir haben keine Moren.
Wir essen nicht, wir trinken nicht,
Wir sammeln nicht in Scheunen,
Wir schlafen wie der Gänsericht
Auf einem von den Beinen.
[96]
Wir büßen für die böse Welt
Die eigenen Vergehen,
Und ob auch Katzenhagel fällt,
Wir lassen's halt geschehen.
O Herr, du lohnest uns einmal
Im Jenseits unser Ringen,
Wo wir entrückt der Erdenqual
Dein Loblied endlos singen.
Wir bitten dich, o schlaf nicht ein
Bei unsern langen Chören,
Und lohne unsrer jetz'gen Pein
Durch gnädiges Anhören.
Was haben Ander's angestrebt
Die Kröten ohne Nahrung,
Die über tausend Jahr' erlebt
In steinerner Verwahrung?
Und Menschen, sollten sie nicht schon
Soviel als Kröten können?
Das sagen nur, die uns den Lohn
Schändlicherweis mißgönnen!

Der Räuber Link

(Auf Verlangen gedichtet zur Drehorgel von G. Biedermaier, corrigirt durch den bösen Schwartenmaier).


Laßt uns schaudern vor der Szene,
Die ich nun enthüllen muß,
Gräßlicher als die Hyäne
Ist des Mörders Bruderkuß;
[97]
Link, der Mordmensch, ach geboren
Ward er in der Mutter Schooß,
Doch dem Teufel zugeschworen
Wuchs er auf und wurde groß.
Seht, schon lief er aus der Schule
Mit dem Messer in der Hand,
Ruhig sitzen auf dem Stuhle
War ihm gänzlich unbekannt;
Ganz besonders auf die Katzen
Hatte er es abgesehn,
Und den unverschämten Spatzen
Thät' er früh den Hals umdrehn.
Fenster konnt' er gar nicht leiden,
Darum schmiß er alle ein,
Balgen, schreien, Fratzenschneiden
Waren die Vergnügen sein.
Unvorsichtig ging er frühe
Schon mit schwarzem Pulver um,
Und er gab sich alle Mühe
Zu erschrecken 's Publikum.
Seinen Lehrer, den er hatte,
Prügelt er auf eigner Stub,
Frecher war als eine Ratte
Der verzog'ne Gassenbub.
Zwetschgen bengeln, Birnen stehlen,
Teller knicken und so fort
Konnten später nicht verfehlen,
Daß er schritt zu Raub und Mord.
Gar nichts aber wollt' er lernen,
Und es war des Vaters Pflicht,
Aus dem Hause zu entfernen
Den verkappten Bösewicht.
[98]
Aber dieses Zwangsverfahren
Schlug zum Guten gar nicht aus,
Dem gemäß den Flegeljahren
Ist die Zucht im Vaterhaus.
In des Waldes finstern Höhlen
Hauste Link letzt ganz allein,
Morden, rauben, brechen, stehlen,
That er grausam wie ein Stein;
Wehe, wer ist ausgetreten,
Aus dem menschlichen Verein,
Wer verlernet hat zu beten,
Er muß tief gesunken sein.
Wer nun denkt nicht an den Winter,
Wo die großen bösen Wölf'
Waren Thier- und Menschenschinder
Anno 1812!
Dort lebt in dem Schwabenlande
Eine dicke Rittersfrau,
Welche schon am Grabesrande
Stille Demuth trug zur Schau.
Ihr Herr Gatte war begraben
Schon seit manchem Leidensjahr,
Denn im braven Lande Schwaben
Dieser Fall nicht selten war.
Und in jener Hundekälte
War sie ganz allein im Schloß,
Und sie sah im weiten Felde
Einen Reiter hoch zu Roß.
Ach! wenn der Herr Sohn es wären'
Welcher heimkehrt aus der Fremd',
Und ihm Wölfe oder Bären
Rissen von dem Leib das Hemd!
[99]
Doch auf einmal ging die Thüre
Wie durch einen Zufall auf –
Aber sprecht! wer stürzt herfüro,
In der Hand des Dolches Knauf?
In des Sohnes bestem Rocke
Steht der Link vor ihrem Leib,
Bis herauf zum dritten Stocke
Drang er zu dem armen Weib.
Er verwürget sie und drücket
Sie vor heuchlerischer Lieb,
Daß sie jämmerlich ersticket,
Daß sie auf dem Platze blieb.
Hurtig springen die Bedienten
Zu der Flügelthür' herein,
Wollen es sogleich ergründen
Was das für Spektakel seyn?
Doch sie kommen grad zu späte,
Wie sie ihren Geist aufgibt,
Stellen aber den zu Rede,
Der sie so zu Tod geliebt.
Aber aus dem Hinterhalte
Brechen jetzt die Räuber vor,
Und verstellen jede Spalte
Und verriegeln Thür und Thor.
In die wundervollsten Möbel
Schlägt der Unmensch Nägel ein,
Und mit seinem Mohrensäbel
Haut er wie besessen d'rein.
Da wird Schonung nicht geboten,
Wo der Mensch sich nicht bewußt,
Seht, auf den gewichsten Boden
Speien sie mit roher Lust.
[100]
Rauben, plündern, sengen, brennen,
Bringen Alles lebend um,
Bis sie nimmer schnaufen können
Und das ganze Haus ist stumm.
Jetzo geht es an ein Schwelgen,
Daß es unsereinem graust,
Ach! sie trinken aus den Kelchen,
Essen aber aus der Faust.
Welch' ein schrecklich Heidenleben
Führen sie, wie nicht gescheit
Schamlos, ohne nur zu beben
Vor der hohen Obrigkeit.
Wie sie nun zu Ende waren
Kehren sie zum Wald zurück,
Um die Kräfte aufzusparen
Für ein größ'res Bubenstück.
Denn es kam vom Jahresmarkte
Heim der Eltern traurig Paar,
Und der Sohn, der Link, verargte
Ihnen schnöd das letzte Jahr.
Denn mit seinen Mordgesellen
Bricht er flugs aus dem Gebüsch,
Thät den armen Vater fällen
Mit dem Dolche kühn und frisch;
Doch der Mutter ängstlich Flehen
Rührt den Sohn zu mild'rer Straf,
Statt den Hals ihr abzudrehen,
Peitscht er sie als einen Sklav.
Seinem Brüderlein daneben,
Einem hoffnungsvollen Knab,
Statt ihm einen Kuß zu geben,
Beißt er Nas und Ohren ab;
[101]
Doch es konnte tapfer laufen
Dieser kleine Kamerad,
Und mit athemlosen Schnaufen
Springt er in die nächste Stadt.
Schreit und jammert ganz entsetzlich,
Winselt, zwitschert, pfeift und klagt,
Heult und hustet, bis ihn plötzlich
Jemand nach der Ursach fragt.
Und sogleich zu hohen Ohren
Kommt es einem Magistrat,
Daß die Eltern er verloren
Unter einem Blutgebad.
Und man frägt sich, was man mache,
Und man kratzt sich hinter'm Ohr,
Kitzlich nämlich war die Sache,
Das geht aus sich selbst hervor.
Doch nach vielerlei Debatte
Stimmte Alles Einem bei,
Der sogleich die Ansicht hatte,
Daß der Link zu fangen sei.
Mannschaft wird hinaus beordert,
Man umzingelt schnell den Wald,
Und der Link, herausgefordert,
Weiset seine Schreckgestalt.
Und er spricht so rohe Worte,
Daß man's gar nicht sagen kann,
Daß man glaubt, die Höllenpforte
Hätt' ihr Maulwerk aufgethan.
Doch sie werfen ihn in Ketten,
Der wie wüthend sticht umher,
Und er kann sich nimmer retten
Trotz der großen Gegenwehr.
[102]
Fort mit ihm! Er fahr' zur Hölle,
In den tiefsten Schlund hinab,
Nimmer schau' er Tageshelle
Sitze wie im finstern Grab!
Hingeschleppt vor seinen Richter
Wird der Vatermörder nun,
Und die größten Kirchenlichter
Disputiren dran herum.
Ja, er wird es büßen müssen
– Freue dich, o frommer Christ –
So ein Mensch, dem sein Gewissen
Ganz abhanden kommen ist!
Und er wird sogleich befraget,
Ob er nicht ein Mörder sei,
Daß er so am hellen Tage
Treibe solche Lumperei?
Doch er will nicht Antwort geben,
Wie der Richter ihn verlockt,
Gehen wird es ihm an's Leben,
Denn man hält ihn für vestockt.
Ach wie soll ich mich zerstreuen?
Was ist das für eine Zeit!
Daß er gar nicht will bereuen
Seine große Schuldigkeit!
Ganz vergeblich, daß der Pfarrer
Ihm in das Gewissen sprach,
Ach so miserabel war er,
Daß es gar nichts half darnach.
Doch es enden alle Faxen
Und es frägt sich nur noch dies,
Ob man ihm den Kopf abhaxen
O der besser henken ließ?
[103]
Und nach fünfundzwanzig Jahren,
Weil er gar nichts sagte nicht,
Wurde er hinausgefahren
Zu dem heil'gen Halsgericht.
Der Verdacht war zu handgreiflich,
Wenn auch Zeugniß dünngesä't,
Aber an dem Menschen zweifl' ich,
Dem das nicht zu Herzen geht.
Blutig waren seine Hände
Und man wußte, wer er war,
O was nimmt das für ein Ende,
Und was gibt es für Gefahr!
Doch man läßt ihm nach der Sitte
Vor dem Tod noch einen Wunsch,
Und man reicht auf seine Bitte
Ihm Essenz zu einem Punsch –
Aber dieser Hottentotte
Setzt die Flasche an den Hals,
Leert sie aus und macht zum Spotte
Mit der Zunge seinen Schnalz.
Alles ist bereits versammelt
Vor dem Thore, Alt und Jung,
Und mit Militär verrammelt
Für die kleinste Unordnung.
Still wird's bald an allen Ecken,
Als ein Ton die Ohren packt,
Wie wenn Einer einen Stecken
Mitten auseinander knackt. 1
[104]
Ha! es war der grimme Henker,
Der zerbrach den Todesstab,
Doch der Link, der ew'ge Zänker,
Spricht mit Hohn zum Volk herab:
Willst du morden, stehlen, fischen.
Hochverehrtes Publikum,
Laß dich niemals nicht erwischen,
Mach' es nicht wie ich so dumm!
Kaum war dieses ausgesprochen,
Zappelt er schon in der Luft,
Dann von Knochen hin zu Knochen
Wird gerädert unser Schuft;
Und zum Schluß wird er zerrissen
Von vier Ochsen, die das freut,
Und als guter Rabenbissen
In die Landschaft hingestreut.
Hätt' ich Zungen, hätt' ich Wörter,
Zu verwünschen, wie's gehört,
Diesen schlechten Vatermörder,
Der die Mutter selbst nicht ehrt!
Jeder aber überlege,
Daß er bleib' ein guter Christ,
Unerforschlich sind die Wege
Dessen, der im Himmel ist!

Fußnoten

1 Diese erhabene Schilderung ist des größten Dichters würdig. Anmrkg. des Amtmanns Müller.

[105] Lieder des Buchbinders Horatius Treuherz

Hochgeehrter Herr!

Wie Herr Pfarrer Klein mir dieser Tage erzählt hat, sind Sie beschäftigt, die Gedichte meines sel. Freundes Biedermaier in einer auserlesenen Sammlung herauszugeben. Ich bin mit Biedermaier von mütterlicher Seite her verwandt und rührt es vielleicht daher, daß auch ich mich viel mit dem Dichtergeschäfte abgegeben habe. Wir sind früher immer gerne zusammen gewesen, da die Stadt, wo ich Buchbinder und großes Ausschußmitglied bin, nicht weit von Biedermaiers Wohnorte liegt. Aber später haben wir etwas Stuß bekommen, denn Biedermaier war eben wegen seines vorgerückten Alters nicht mehr zum Fortschritte zu bewegen, und so sind wir bei der Landstandswahl im Jahre 1834, wo wir Liberalen den berühmten Maier damals durchgesetzt haben, als Wahlmänner etwas hart aneinander gerathen. Denn er stimmte für den Oberamtmann Müller, der doch keine solche Verdienste für Fürst und Vaterland gehabt hat, wie der berühmte Maier, wo ja alle Zeitungen in Europa damals nur von Maiers großen Reden gesprochen haben, und Biedermaier nichtsdestoweniger nahm es auf sich, mir in's Gesicht Maiern einen Unruhmacher, ja, meine Herren, solchen sogar einen Robesbier zu nennen, welches fürchterliche Wort mehr als sieben Schwerter in uns gefahren ist. Denn man hat seit der Zeit, Gottlob, wohl einsehen können, wie gut es der sel. Maier mit der Regierung ebenso, wie mit dem Volke gemeint hat, und wie groß sein Unterschied von [106] denjenigen war, die in den letzten Jahren das liebe Vaterland und alles Gesetz und Ordnung mit verruchten Füßen darniedergetreten haben. Maier hat nur gewollt, was ich auch gewollt habe, und was Sie, meine Herren, gewiß auch gewollt haben, und was Alle gewollt haben, und was wir jetzt auch besitzen, nämlich, keine Censur.

Es würde mich nun freuen, dem Geschiedenen über das Grab hin die Hand zu reichen, indem Sie von meinen Gedichten die schönsten auswählen und denen des edlen Mannes verschwisternd beifügen. Ich gebe Ihnen meinheiliges Ehrenwort, daß es keine niedrige Ehrsucht ist, die mich treibt, sondern einzig und allein die Liebe zu der Dichtermuse und dem sel. Freunde, sowie der Umstand, daß man jetzt nicht mehr so zu sorgen braucht, daß Einem seine besten Sachen durch die Censur verhunzt werden.


Mit Achtung ergebenster

H. Treuherz, großes Ausschußmitglied

Abendlied

O Musa des Gesanges,
Bemächtige Dich mein,
Du Gegenstand des Dranges,
Du süße Schmerzenspein,
Komm', sitze zu mir nieder
Und mache mit mir Lieder!
Der Tag mit seinen Plagen
Beklemmt mir oft den Sinn,
[107]
Der Abend, so zu sagen
Schickt mir die Trösterin.
Die Musa des Gesanges
Erbarmt sich meines Dranges.
Sie kennt die zarten Schwächen
Des menschlichen Gemüths,
Und spornet uns, zu brechen
Die Rosa drum des Lied's:
Damit sich ihren Düften
Des Herzens Kammern lüften.
Sie zeigt mir die Contraste,
Sie lehrt die Harmonie,
Sie macht mich zum Phantaste,
Als wär' ich ein Genie:
Wenn sie nicht wär' zugegen,
Wo wär' ich so verwegen?
Mit meiner Meerschaumpfeife
Bin ich der beste Mann,
Und wenn ich was ergreife,
Fang' ich's zu dichten an,
Doch was ich dicht' und mache,
Das ist auch meine Sache.
Oft muß ich Thränen weinen,
Daß diese Welt so schlecht,
Die Musa, sollt' ich meinen,
Macht Alles wieder recht:
D'rum will ich Lieder reimen
Bis sie den Sarg mir leimen!

[108] Politische Triolette

1. Vormärzliche

1.
Freiheit, Recht und Kinderzucht
Sind die Dinge, die ich singe,
Ob es mir auch Nachtheil bringe
Und der Metternicht mir flucht!
Ob der Metternicht mir flucht,
Ob es mir auch Nachtheil bringe,
Sind die Dinge, die ich singe,
Freiheit, Recht und Kinderzucht.
2.
Freiheit muß der Deutsche haben,
Doch Censur ist dieses nie,
Noch auch die Bureaukratie,
Treuherz sagt euch dies aus Schwaben.
Treuherz sagt euch dies aus Schwaben,
Weder die Bureaukratie
Noch Censur ist dieses nie,
Freiheit muß der Deutsche haben.
3.
Recht verlangt der wack're Bürger.
In dem freien deutschen Staat,
Weh' dir Nordens Autokrat,
Wehe dir, du großer Würger.
Wehe dir, du großer Würger,
Weh' dir, Nordens Autokrat!
In dem freien deutschen Staat,
Recht verlangt der wackre Bürger.
[109] 4.
Kinderzucht begehren wir,
Ohne sie ist nirgend Segen,
Darum soll man Lehrer pflegen,
Darum zahlt sie nach Gebühr!
Darum zahlt sie nach Gebühr,
Darum soll man Lehrer pflegen,
Ohne sie ist nirgend Segen,
Kinderzucht begehren wir.
5.
O du deutsches Vaterland,
Deine 40,000,000,
Sage vierzig Millionen,
Knebelt dir des Censors Hand,
Knebelt dir des Censors Hand
Sage vierzig Millionen,
Deine 40,000,000,
O du deutsches Vaterland!
6.
Landesfürst ist Landes Sonne,
Landständ' sind des Landes Sterne,
Christian Maier nenn' ich gerne
Unsrer Landsnacht Mond und Wonne,
Unsrer Landsnacht Mond und Wonne,
Christian Maier nenn' ich gerne,
Landständ' sind des Landes Sterne,
Landesfürst ist Landes Sonne.
7.
Ja es kommt der Tag gewiß!
Dann erschau'n wir sie in Reinheit,
Deutschlands Freiheit, Deutschlands Einheit,
Und es weicht die Finsterniß!
[110]
Und es weicht die Finsterniß,
Deutschlands Freiheit, Deutschlands Einheit,
Dann erschau'n wir sie in Reinheit,
Ja es kommt der Tag gewiß.

2. Nachmärzliche

1.
Deutschland, ich befürchte sehr,
Dir droht Revolution,
Denn in Frankreich donnert's schon.
Wenn man nur vernünftig wär!
Wenn man nur vernünftig wär!
Denn in Frankreich donnert's schon,
Dir droht Revolution,
Deutschland, ich befürchte sehr!
2.
Heil uns! Freiheit ohne End'!
Der Herr Amtmann grüßt uns schon,
Und der Censor ist entfloh'n,
Und es gibt ein Parlament!
Und es gibt ein Parlament,
Und der Censor ist entfloh'n,
Der Herr Amtmann grüßt uns schon,
Heil uns, Freiheit ohne End!
3.
Gott, was man für Sachen hört!
Dieses ist die Freiheit nicht,
Wenn man so abscheulich spricht,
Ei, wie ist mein Herz empört!
Ei, wie ist mein Herz empört,
Wenn man so abscheulich spricht,
Dieses ist die Freiheit nicht,
Gott, was man für Sachen hört!
[111] 4.
Bürger, laßt euch nicht verleiten!
Nimmer strebt ein bied'rer Sinn,
Nach Latern und Guillotin,
Solchen Unfug muß man meiden.
Solchen Unfug muß man meiden,
Nach Latern und Guillotin,
Nimmer strebt ein bied'rer Sinn,
Bürger, laßt euch nicht verleiten!
5.
Christian Maier, Christian Maier,
Tritt auf deines Grabes Stufen,
Hebe mächtig an zu rufen:
»Haltet ein, ihr Ungeheuer!«
Haltet ein, ihr Ungeheuer,
Hebe mächtig an zu rufen,
Tritt auf deines Grabes Stufen,
Christian Maier, Christian Maier!
6.
Uebertrieb'ne Anarchie!
Rothe Federn an den Hüten,
Lange Säbel, Stulpenstiefeln,
Jetzt, o Menschenfreund, entflieh!
Jetzt, o Menschenfreund, entflieh!
Länge Säbel, Stulpenstiefeln,
Rothe Federn an den Hüten,
Uebertrieb'ne Anarchie!
7.
Danket Gott, jetzt ist's vorbei!
Dieses übertrieb'ne Brüllen,
Sagt mir um des Himmels Willen,
Sind wir jetzt nicht wirklich frei?
[112]
Sind wir jetzt nicht wirklich frei?
Sagt mir um des Himmels Willen!
Dieses übertrieb'ne Brüllen,
Danket Gott, jetzt ist's vorbei!

Auf den Tod des Geschichtschreibers Schmizlin von Uihingen

Lasset heut' die Leichenglocke schallen
In der Harfe Todtenmelodien,
Ach, ein großer Mann ist uns entfallen,
Schwabens Zierde, Schmizlin, ist dahin!
Ewig soll im Tempel der Geschichte
Ihres Priesters Name aufrecht stehn,
Und im Lied, im Drama, im Gedichte
Soll die Nachwelt ihn verherrlichen.
Mit dem Geist der alt' und neuen Zeiten
War der Hingetretene vertraut,
Er enthüllte die Begebenheiten
Mit der Wahrheit unverzagtem Laut.
O Verhängniß, warum diese Härte
Ueber's Vaterland, war's nicht genug,
Daß der Krieg mit seinem Heidenschwerte
Ihm erst jüngst so manchen Sohn erschlug?
Warum ist das Loos der Feuerköpfe
Schweres Unglück oder früher Tod?
Während die gewöhnlichen Geschöpfe
Finden lebenslang ihr täglich Brot.
Ward nur darum diesem selt'nen Manne
So im Nu dies arge Lebensziel?
Fiel er darum wie die hohe Tanne,
Und ist Tannensturz ein Kinderspiel?
[113]
Aber besser so, wie es gekommen,
Als wenn Schlimmeres noch wär' geschehn.
Kann Gebrest und Altersschwäche frommen
Einem Geiste aus den Himmelshöhn?
Welcher zu den Menschen kam hernieder,
Zu belehren dieses Publikum,
Solche Geister kommen nicht gleich wieder,
Wenn sie scheiden, wissen sie warum!
Darum schäm' ich mich, mit längern Klagen
Zu entsetzen euer friedlich' Ohr;
An der großen Männer Sarkophagen
Ziemt sich blos für Dankbarkeit ein Chor.
Auf darum, und laßt uns diesen singen!
Ewig bleiben wir davon entzückt,
Daß der sel'ge Schmizlin von Uihingen
Uns mit seiner Gegenwart beglückt! 1

Fußnoten

1 Dieses Lied hat Buchbinder H. Treuherz dem Biedermaier weggenommen und »verschönert«.

Zur Enthüllungsfeier des Christian Maier'schen Denkmals

Heil! der Mitwelt ist gelungen
Was die Vorwelt kaum gedacht,
Maier ist in Stein gesprungen
Aus der finstern Grabesnacht,
An dem städt'schen Wassergraben
Zum Genuß dem ganzen Land,
Er, der Größte, den wir haben
Aus dem Deputirtenstand!
[114]
Ausgezeichnet war sein Wirken,
Wie er selbst auch in Person,
Dieses kann gottlob verbürgen,
Von dem Staat das Lexikon,
Welches wirklich überschüttet
Ihn mit beispiellosem Preis,
Und, obschon er sich's verbittet,
Dennoch es zu schätzen weiß.
So besonders in der Kammer
Seine Reden klein und groß,
Wo er für des Volkes Jammer
Zog auf die Regierung los;
Doch sie konnten ihn nicht leiden,
Weil er Alles sagte grad,
Mußten ihn jedoch beneiden
Wegen seiner großen Schwad.
Niemand hat sich so erprobet,
Als des Fortschritts edler Sohn,
Und mit solcher Wuth getobet
In der Opposition,
Darum ward ihm auch genommen
Seine schöne Professur,
Und um den Verdienst gekommen
Ist er fast durch die Censur.
Gleichwohl wußt' er brav zu fristen
Weib und Kind die Existenz,
Niemals ließ er sich gelüsten
Ordensstern und Excellenz,
Lieber krank an Leib und Seele
Und mit einem Fuß im Grab',
Fiel der Mann von seiner Stelle,
Als von seinem Grundsatz ab.
[115]
Kurz und gut, sein hohes Streben,
Galt dem Volke ganz allein.
»Lieber«, sprach er, »gar nicht leben,
Als ein Bureaukrat zu sein,
Denn von den servilen Tröpfen
Hab' ich stets mich abgewandt,
Lieber hängen mich und köpfen
Für das deutsche Vaterland!«
Und er wich von seinem Pfosten
Nie zu seiner eig'nen Schand,
Hat auf seines Herzens Kosten
Nie gebildet den Verstand.
Jede Zeitung, jede Zone
Richtet' sich nach seiner Uhr,
Destowen'ger nichts der Krone
Rieth er stets zum Besten nur.
Darum auch so viele Essen,
Hielt man diesem Mann zum Dank,
Darum hat er auch besessen
Einen großen Nußbaumschrank,
Einen Schrank mit Glas, darinnen
Er die Becher aufbewahrt,
Die, zu ehren sein Beginnen,
Sich das Volk am Mund erspart.
Lang schon hätt' es sich gehöret,
Und wahrhaftig nicht erst jetzt,
Daß, was Jeder heiß entbehret,
Daß ein Denkmal ward gesetzt,
Länger durfte man nicht schweigen,
Und so kam man alsgemach,
Wie das Bildniß kann bezeugen,
Dem Bedürfniß wirklich nach:
[116]
Nein! ein Mann, wie Der gewesen,
Findet sich nicht alle Tag,
Was man auch von andern Größen
Unbegreiflich's sagen mag!
So ein Mann, ein vielgeplagter,
So gemein und grundgescheidt,
So ein Mann von dem Charakter
Und von der Persönlichkeit!
Doch er ist nicht ausgestorben,
Denn er lebt im Denkmal fort,
Das er sich mit Recht erworben,
Auf mein heilig Ehrenwort!
Denn er lebt in seinen Söhnen
Und in unsern Herzen noch,
Darum laßt zum Schluß ertönen
Ihm ein dreifach Lebehoch!

Als man mich in vornehmer Gesellschaft kränkte

O daß ich jetzt kein Mensche wär',
Wie fröhlich wollt' ich sein,
Wie gut hat es der Esel,
Wie wohl ist es dem Schwein!
Den Menschen gäb' ich einen Tritt,
Wenn ich der Esel wär',
Da müßten sie sich schämen
Und ärgern schändlich sehr.
Wär ich das Schwein, so lief ich gleich
In einen Saal voll Leut,
Da kämen ja die Damen
Sehr in Verlegenheit.
[117]
O weh, daß ich ein Mensch muß sein,
Kein Esel und kein Schwein,
Wie wollt' ich sie blamiren
Die stolzen Feinde mein!

Morgenstund

Früh aufzusein, o du Vergnügen,
Du reinster Wonne Hochbefund!
Wer soll da lang im Bette liegen,
Wo Morgenstund hat Gold im Mund?
Früh aufzusein erquicket Jeden,
Früh aufzustehn doch – fällt oft schwer,
Ha! wer gelanget in das Eden
Durch ein bequemes Ohngefähr?
Die größten Männer, wie zu lesen,
Die nützlich ihrem Vaterland,
Gelehrte, Feldherrn sind's gewesen,
Sie waren all' früh bei der Hand.
Erinnern will ich blos an Solon,
Glaubt Ihr, daß er lang liegen blieb?
Die Makkabäer, Christoph Kolon,
Der vulgo sich Columbus schrieb?
Diocletian, der große Kaiser,
Wußt' auch, warum er früh aufstund,
Und Wilhelm Tell, der kühne Schweizer,
Dacht': Morgenstund hat Gold im Mund!
So hab' auch ich – der im Vergleiche
Zu Jenen Nichts – erfahren spät,
Daß in dem menschlichen Bereiche
Vor sechs Uhr Alles besser geht,
[118]
Daß mit den Hühnern aufgestanden,
Sich noch vor Abend selbst belohnt,
Und daß sich Alle wohlbefanden,
Sobald sie's nur einmal gewohnt!

Klage ob den Folgen der Ueberkultur

Als Gott aus seinem Paradies
Den Adam und die Eva stieß,
Hat er es wohl sogleich bereut
In seiner Unerforschlichkeit.
Denn jetzo ward der Mensch bekannt
Mit seinem eigenen Verstand,
Er wurde stolz, bezwang die Noth,
Und machte ich's bequem im Koth.
Zwar anfangs forchte man ihn noch,
Man opfert', winselte und kroch,
Doch bald erlebt er große Schand;
Es lebt der Mensch auf eigne Hand.
Er log, er mordete, er stahl,
Er hauste wie ein Kannibal;
Sobald das Heidenthum begann,
Fand man auch sein Vergnügen dran.
Es traten Leute auf sogar,
Die es bewiesen bis auf's Haar,
Es existire gar kein Gott,
Und fügten zu dem Unglück Spott.
Zuletzt erlitt er noch die Straf,
Daß Mancher war von selber brav;
Und jetzt erlebt er gar die Schmach,
Man macht ihm seine Sachen nach!

[119] Elegie an Griechenland unter Rom

Lesend mit poetischem Intresse
In des Hölderlin's Gedichtenbuch,
Von dem Plato und dem Sophlokesse,
Kann ich mich verwundern nicht genug,
Daß er nicht von jenen Zeiten schwärmte,
Wo ganz anders die Angora lärmte,
Weil sein Album Jeder bei sich trug.
Damals war zu Grabe längst gegangen
Die zeitraubend leid'ge Politik,
Alle dichteten und Alle sangen,
Und bekamen's dennoch gar nicht dick.
Sophlokes war Jeder aus dem Volke,
Drohend wie die dichte Regenwolke,
Auf dem Markte stand die Dichterklik.
Keiner konnte da volljährig werden,
Der nicht schon ein Trauerspiel ersann,
Und mit guter Lunge und Geberden,
Einen Hörer mindestens gewann.
Denn natürlich war das schwer, weil Damen,
Greis und Jüngling vorzulesen kamen,
Wo durch Blumen der Ulysses 1 rann.
Herrlich war's im Schatten der Planeten,
Wo man las und sprach in Einem fort,
Jeder war der Erste der Poeten,
Kaum vernahm man noch sein eigen Wort.
Ganz verschwand bei solchen Elementen
Das fatale Volk der Rezensenten,
Denn zum Kriteln war die Zeit nicht dort.
[120]
Schöne Welt, Du bist hinabgeglitten,
Wo der Lorbeer jedes Haupt umragt,
Nur Gesichter werden jetzt geschnitten,
Wenn sich Einer vor mit Versen wagt.
Im Materialismus ganz versunken,
Dient man knechtisch, ohne Götterfunken,
Dem Gesetz der Schwere, wie man sagt.
Freilich ward auch Unfug viel geduldet
In Achaia, wie ich hören muß,
Die Gemeinden waren arg verschuldet,
Und man schwelgte nicht im Ueberfluß.
Aber das hat manchmal auch sein Gutes,
Und die Griechen blieben guten Muthes,
Denn nicht bitter schmeckt der Musen Kuß!

Fußnoten

1 Illyssus.

Anmerkung des Setzers.

Lehrgedicht

Kurz nur ist das Menschenleben
Und die Kunst ist lang allein,
Jedem ist es nicht gegeben,
In der Feder gut zu sein.
Aber Jeder könnte nehmen
Gute Bücher in die Hand,
Daß er nicht sich braucht schämen,
Wenn man spricht von allerhand.
Bildung ziert den Freigebornen,
Hebt den Jüngling, ehrt den Mann,
Und von Hinten und von Vornen
Sieht man Jedem Bildung an.
Darum legt Euch an den Laden,
Aber lest nicht viel bei Licht,
Denn es möcht' den Augen schaden
Und das möcht' ich selber nicht!

[121] An Julius Cäsar

Ich habe oft in Beck's Naturgeschichte
Gelesen von des Löwenthieres Art,
Ich habe oft in Pfeffel's Sinngedichte
Bewundert seine Geistesgegenwart,
Nicht minder seine Großmuth, seine Mähnen,
Selbst seines Brüllens wirkungsreiches Dröhnen.
In solchem Bilde tritt mir vor die Seele
Dein Geist, o Cäsar, Mann der schnellen That,
Ein Löwe bist du, welcher an der Kehle
Das schlimme Messer der Beschränktheit hat,
Denn Brutus sowie Cassius, engverschworen,
So hoch ich sonst sie schätze, waren Thoren.
Ich frage Jeden, der sich nur ein wenig
Im Leben umgeschaut, der je gewirkt
Für die Verfassung, ohne seinem König
Zu nah' zu treten, der nicht ganz vertürkt,
Ich frage ihn, ob nicht die Leidenschaften
Des Pöbels ihm sein Ideal entrafften?
So war's zu deiner Zeit in Rom, o Cäsar,
Die Anarchie war schon zu weit gedieh'n;
Ist's da nicht besser, wenn ein Reichsverwesar,
Den Karren weiß dem Unflath zu entzieh'n?
Besonders wenn mit Löwengeist und Stärke
Er Vorschub leistet dem erhab'nen Werke!
Pompejus, Cato, Cicero und Solche,
Der freien Staatsverfassung zugethan,
Die Catilina einst und seine Strolche
Schon angenagt mit gift'gem Wühlerzahn,
Die Hochgestirne waren jetzt erloschen,
War da nicht Alles leeres Stroh gedroschen?
[122]
Wie muß der Denker sich noch heute grämen,
Wenn er für Menschenwohl empfindlich ist,
Daß du, o Cäsar, göttlich von Benehmen,
Dem Vorurtheile unterlegen bist;
Schon krächzen rings des Knechtsinns feile Möwen,
Und die dir folgten, waren keine Löwen!
Entschuldiget, des Cäsars große Manen,
Daß ich so frei war, Euch dies Lied zu weih'n.
Ein schlichter Bürger, dessen schlichte Ahnen
In Weltgeschichte nie sich mischten ein –
Doch konnt' ich nicht umhin, euch anzusingen,
In einer Zeit voll Schwäch- und Finsterlingen!

Versuch des Horatius Treuherz, unsere Zeit in Hexametern zu besingen

Mitternacht war es vordem, jetzt ist es so ziemlich Mittagszeit,
Wenn nur die Reaktion nicht allzu fatal über Hand nimmt,
Zwar, und das tröstet mich recht, sich dem Geiste der Zeit zu entziehen
Ist eine Schwierigkeit selbst für die finstern Gewalten des Stillstands,
Welche dem Fortschritte wehrt, stets vorwärts zum Lichte zu schreiten;
Freiheit, Licht und auch Recht, seit Guttenberg's edler Erfindung,
Seit Amerika ward entdeckt von Christoph Columbus,
Seit nun das Leinwandpapier und die Taschenuhr wurde erfunden,
Ist keinem Angriff so leicht wie ehemals aus jetzt gesetzet;
[123]
Aber erst seit man Censur abgeschafft und Geschwornengerichte
Ueberall eingeführt hat, erschrickt die Partei der Verdummung
Schier vor sich selbst, da sie sieht, wie bethört sie den Mißbrauch gefürchtet.
Darum lobsing' ich der Zeit, die gewiß noch nicht da ist gewesen,
Wo keine Inquisition, kein Autodafeh mehr ist möglich,
Weil schon die Staatspolizei sich selbst reformirt und gebessert.
Glücklich der Mann, welcher lebt in der Zeit, die der Zukunft so nah' steht,
Wo sich sogar der Jesuit nicht scheut, mit dem Bahnzug zu fahren
Und mit dem Telegraphist auf vertrautestem Fuße zu stehen.
Glücklich die Zeit, wo der Fürst das Talent auch mit Orden versiehet,
Daß es nicht böslich verstimmt nur dem Wahne des Pöbels sich hingibt
Und an den Säulen des Staats ehrgeizig rüttelt und krittelt.
Schmäht nicht die jetzige Zeit, nicht dieses neunzehnte Jahrhundert,
Denn wo gab einst es, wie heut', Leihbibliotheken in Krautheim
Oder in anderen Nestern, wodurch sich die Geister entwickeln,
Daß selbst das ärmste Genie schon als Kind nimmer braucht zu ersticken
Und die mißbildetste Frau durchaus nie als Hexe verbrannt wird.

[124] Gute Freunde

Welch' eine Freud' in einem Buch zu blättern,
Das einen schönen festen Einband hat,
Und einen Inhalt, der mit saubern Lettern
Nach allen Flanken streut des Guten Saat;
Wie muß erst Der vor Lust die Händ' sich reiben,
Der ein so gutes Buch vermag zu schreiben!
Da nehmen wir z.B. Körner's Werke,
Wo jedes Blatt ist seinen Goldschnitt werth,
Dies edle Zeugniß von Characterstärke,
Von kühnem Sinn, von Leier und von Schwert;
Man könnte sich vor Freud' bewogen finden
So schöne Bücher gratis einzubinden.
Den Seume sollte auch kein Mensch vergessen,
Der auf die Tugend heut noch etwas hält,
Der an Neuschottlands Strand betrübt gesessen,
Ein Biedermann, ein Dichter und ein Held,
Und der das große Werk sich unterfangen
Und ist zu Fuß nach Syrakus gegangen!
Und auch den alten Voß, der die Luise
Besungen hat und ihres Vaters Rock,
Den Schlafrock und den Flausrock und die Lise;
Die gute Kuh, und den Kartoffelstock,
Ich würde gern noch heute Essig schlürfen,
Hätt' ich ein einzigmal ihn binden dürfen.
Ja, es ist wahr, was ich erst jüngst gelesen,
Daß gute Bücher gute Freunde sind,
Was ist der Mensch doch ein betrübtes Wesen,
Wenn er nicht Freund' und gute Bücher find't?
Viel lieber schläng' ich Gras und trüge Hörner,
Als ohne Seume sein und Voß und Körner.
[125]
Ja, es ist wahr, und lieber will ich sterben,
Denn der Gedanke macht mich beben schon,
Den Menschen trifft kein größeres Verderben,
Als einsam sein, wie einstens Robinson,
Und also hab' ich dieses Lied gedichtet,
Noch eh' mein Weib das Frühstück zugerichtet.

Hymnus auf Schiller

Wer wird nach Klopstock fragen,
So lang der Schiller geht,
Wer sich mit Platon plagen,
Den Niemand nicht versteht;
Komm' Einer her, was will er,
Er findet es im Schiller.
Das Menschenherz zu rühren,
Gelang ihm früh und spat,
Man kann es deklamiren,
Was er gerichtet hat.
Des Lebens höchste Zieler
Erflog der muth'ge Schiller.
Niemals in frechen Scherzen
Verletzt er die Moral,
Ihm ging ja stets zu Herzen
Das große Ideal.
Kein Mensch war difficiller
Als seiner Zeit der Schiller.
Auf allen seinen Blättern
Ist Tugend und Geduld,
Und an den griech'schen Göttern
Ist mehr der Göthe schuld.
Denn immer zeigt als Stiller.
Sich der erhab'ne Schiller.
[126]
Zwar manchmal wollt' er weichen
Vom rechten Pfad abseits,
Doch kroch er dann desgleichen
Auch wieder gern zum Kreuz.
Und nicht um's Leben fiel er
Vom lieben Gott ab, Schiller.
Daß er das Laster haßte,
Zeigt deutlich Karl von Moor,
Mit Bürgerglück nicht spaßte,
Kommt im Fiasko vor.
Doch war er gar kein Wühler
Der edelherz'ge Schiller.
In der Kabal' und Liebe
Merkt man, was ehrbar ist,
Der Freundschaft hohe Triebe
Man in Don Carlos liest.
Den Posa und den Miller
Erfindet nur ein Schiller.
Die Religion vergöttert
Er in der Jungfrau hell,
Die Tyrannei verwettert
Er kühn im Wilhelm Tell.
Ein Scheußlichkeitsverhüller
War niemals Friedrich Schiller.
Die Wunder seines Geistes
Im Räthsel ich erblick';
Die Glocke ist, so heißt es,
Ein wahres Meisterstück.
Und selbst der Doktor Brüller
Schreibt ab aus seinem Schiller.
[127]
Des Schicksals dumpf Getöse
Bricht in der Braut herein,
Und als gefall'ne Größe
Warnt uns der Wallenstein.
Denn keinen rothen Heller
Gibt auf den Ehrgeiz Schiller.
Und die Maria Stuart
Nimmt auch kein gutes End,
Schon darum dürft' in Stuggart
Besteh'n sein Monument,
Deß fürstlicher Enthüller
Entschädigt hat den Schiller.
Getilgt sind seine Schulden!
Und Cotta obenan
Hat mit viel Tausend Gulden
Die Kinder abgethan.
Ach, Mezger oft und Müller
Verklagten ehmals Schiller!
Doch jetzt ist er im Himmel
Und jetzt geht es ihm gut,
Wo er vom Weltgetümmel
Auf einem Lorbeer ruht.
War Einer bräver, stiller
Als der bescheid'ne Schiller?
Die eingefall'nen Backen
Schwillt jetzt ein Zephyr an,
Von vorn und hinten packen
Ihn große Männer an.
Stets lichter und stets heller
Verklärt sich unser Schiller.
[128]
Deß freu'n sich alle Menschen,
Die für das Gute sind,
Und Böses kann ihm wünschen
Nur wer ihn gar nicht kennt.
Denn Schlegel blos und Kriller
Mißhandeln unsern Schiller.
Sein Fürst verstand ihn besser,
Da herrscht nur eine Stimm';
Er macht ihn zum Professer
Und gab den Adel ihm.
Drum mit dem höchsten Triller
Schließ' ich mein Lied auf Schiller.

Hymnus auf Göthe

Es preisen alle Zungen
Den Namen Göthe laut,
Die Alten und die Jungen
Sind noch von ihm erbaut.
D'rum sag' auch ich, nicht blöthe:
Gepriesen sei der Göthe!
Es war ihm nichts zu schwierig,
Er dichtet es geschwind,
In Trauerspiel und Lyrik
Hat er den Preis verdient.
D'rum, ob er sich's verböthe:
Gepriesen sei der Göthe!
An seinem Werther härmt man
Sich seiner Zeit wie jetzt,
Das deutsche Blut erwärmt man
Am Berlichinger Götz.
[129]
D'rum rufet früh und spöthe!
Gepriesen sei der Göthe!
Wen sollte nicht ermahnen
Der gottvergessne Faust,
Der auf des Lasters Bahnen
Der Hölle zugesaust.
D'rum lodre die Raköthe:
Gepriesen sei der Göthe!
In seinen Elegieen
Hat er sich nicht geniert,
Man hat's ihm gern verziehen,
Daß man sich alterirt.
D'rum thu auch ich nicht spröthe:
Gepriesen sei der Göthe!
Als alter Musenpriester
Trieb er Chinesisch noch,
Und war er gleich Minister,
So nahm er Zeit sich doch.
D'rum riefen seine Räthe:
Gepriesen sei der Göthe!
Er hat gemalt, gezeichnet,
Gott und die Welt studirt,
Und sonst sich angeeignet,
Was einen Menschen ziert.
D'rum, blies er auch nicht Flöthe:
Gepriesen sei der Göthe!
Er schrieb den Wilhelm Meister,
Ein Buch wie andre mehr,
Das gute Herz beweist er
In seinem Hermann sehr.
D'rum, gäb' es auch Emöthe:
Gepriesen sei der Göthe!
[130]
Einsamer Schlaf und Wanzen,
War ihm, er sagt's, verhaßt,
Auch hat er stets die Pflanzen
Gemüthvoll angefaßt.
D'rum rufe Hans und Gröthe
Gepriesen sei der Göthe!
Selbst an der Farbenlehre
Schrieb dieser große Mann,
Und das ist doch so schwere,
Daß man nur staunen kann.
D'rum, ob man mich auch tödte:
Gepriesen sei der Göthe!
Bettina, die so kindlich,
Sprach ihn als Freundin an;
Auch sagt er Vieles mündlich
Dem treuen Eckermann.
Drum, noch als alter Schwöthe
Gepriesen sei der Göthe!
Daß ein Genie nicht rauche
Das hat er auch gesagt,
Ob allzuvielem Lauche
Hat er in Rom geklagt.
D'rum, war ihm noch so öthe:
Gepriesen sei der Göthe!
Bei seinem Freund, dem Schiller,
Ist ihm die Zeit entflohn,
Auch sprach er mit dem Müller
Und mit Napoleon.
Drum sprach auch der zum Wröthe:
Gepriesen sei der Göthe!
[131]
In seinen alten Tagen,
Bescheidener als nie,
Beschrieb er mit Behagen
Seine Biographie.
Drum, ohne Widerröthe:
Gepriesen sei der Göthe!
Als Weisester der Weisen
Starb er im Tode ab;
Ach Jeder sollte reisen
An sein berühmtes Grab,
Worauf ich schreiben thäte:
Gepriesen sei der Göthe!

Gefühl des Lesers von Schillers Gedichten

Kleiner Mensch, der du im Weltgewühle,
Wie ein Tropfen in dem Meer vergehst,
Und im Nichts durchbohrenden Gefühle
Vor dem eignen Werk erschrocken stehst,
Flötetest du gleich mit Engelzungen
Blieben deine Worte ja zu grob,
Doch, von edler Dankbarkeit durchdrungen,
Stammelst du ein unbescheidnes Lob!

[132] Erzählungen des alten Schwartenmaier

Der verlorene Sohn

oder

lästerlicher Lebenswandel, traurige Schicksale, doch endliche reuige Heimkehr Balthasars von Mesopotamien, im Triumphe der Reimkunst.


In dem Land Mesopotamien,
Fruchtbar durch des Euphrat Schlamien,
Lebt' einst, fern von Babylon,
Damian ein Oekonom.
Ungeheuer reich war selbiger,
Hatte tausend Küh und Kälbiger,
Pferd und Esel, Schaaf und Rind,
Und zwei Söhnlein auch zum Kind.
Kinder gleichen sich nicht allemal,
Sagt der weise König Salemal;
Ist auch ähnlich das Gesicht
Gleichen sich die Herzen nicht.
Also war auch bei des Damian
Zwofach aufgesproßtem Samian
Aehnlich zwar das Angesicht,
Aber ihre Herzen nicht.
Morgens früh schon ging der Michael
In das Feld mit seiner Sichael,
Half den Knechten beim Geschäft
Und wies auch die Mägd zurecht.
[133]
Balzers Muth stand freilich anderweit,
Ihm mißfiel die rauhe Handarbeit,
Der Herr Pfarrer meinte drum:
Thut ihn auf das Studium!
Seine Mutter Athanasia
Liebt' ihn ohne Ziel und Maßia,
Hat's beim Vater durchgedrückt,
Daß er ihn zur Hochschul schickt.
Man erzählt vom alten Babylon
Wundersame Pracht und Fabylon,
Dort schrieb man ihn ein als Fuchs,
Doch statt Jus trieb er nur Jux.
Und er lebt in dulci Jubilo
Und in einem ew'gen Nubilo,
Wein und Bier wie auch Likör
Trank er täglich mehr und möhr.
Leider aber die Kollegien
Ließ er gänzlich unterwegien,
Von dem Babylonier-Corps
Ward er bald der Senior.
In den Gärten der Semiramis
Spielt' er manchen Schlauch und Bierramis 1
Und ergab sich allgemach
Pharao und derlei Sach.
[134]
Auch der Liebe that er huldigen,
Dies bracht' ihn zumeist in Schuldigen
Und der schlimme Zeitvertreib
Ruinirt ihm Seel und Leib.
Endlich war er gar zu liederlich,
Seine Bein und Hände zitterlich,
Und auf seinem Haupte war
Auch nicht mehr ein einzig Haar.
Sich zu machen zahlungsfähiger,
Kam er an die Manichäiger,
Dies hat ihn so weit gebracht,
Daß er aus dem Staub sich macht.
Da er nächtlich schied von Babylon,
War's ihm ziemlich miserabylon,
Und er ging hinaus auf's Land,
Wurde ein Komödiant.
Jetzt als Priester von der Thalia,
Trieb er allerlei Skandalia,
Zog von Dorf zu Dorf herum
Und entsetzt das Publikum.
Schweinepriester war er immerdar,
Und ein schlaues Frauenzimmer war,
Wenn er sich zu fassen schien,
Immer wieder sein Ruin.
Da geschah zu seiner Läuterung
Eine große Noth und Theuerung,
Eine Vieh- und Menschenplag'
Wie man's kaum gedenken mag.
[135]
Niemand ging mehr in Komödien,
Und sein letztes Hemde flödigen,
Als ein Schweinhirt aß er nun
Trebern, wie die Schweine thun.
Solche Kost kann nicht wohl sättigen,
Mager bald wie ein Skelettigen,
Sehnt nach Hause sich sein Geist
Zu des Vaters Hammelfleisch.
Und er wandert mit Geschwindigkeit,
Tief bereuend seine Sündigkeit,
Ohne Strümpfe, Hemd und Hut,
Fort nach seines Vaters Gut.
Da man's Vieh zu Mittag tränkete,
Damian an gar nichts denkete,
In der Küch' die Mutter war,
Sieh da kommt der Balthasar.
Ei du Strolch und Erzlumpazius,
Galgenstrick und Hauptkujazius,
Welcher Wind führt dich in's Reich,
Ei, wo ist mein Farrenschweif?
Balthasar warf sich auf's Esterich:
Hau' nur zu, denn ich trieb's lästerig!
Doch die Mutter kommt, zum Glück,
Und der Vater weicht zurück.
Und in heißen Thränen bitterlich
Klaget laut das gute Mütterlich,
Küßt' ihn und ruft ohne End':
Ach, mein Balzer, mein Student!
[136]
Und der Vater alsbald umgewandt
Hat zu allen Nachbarn 'rumgesandt,
Und zur großen Gasterei
Seinen Sohn bekleidet neu.
Um den Mondschein zu beseitigen
Seines Schädels für den Heutigen,
Mußt' ein altes Handschuhpaar
Lassen seines Pelzes Haar.
Spät kam, als der Abend dämmerte,
Michel heim vom Feld und jämmerte,
Weil Musik er hört' und Tanz,
Sparsam war er gar und ganz.
Euer Bruder kam, der Balthasar,
Darum tanzen sie den Waltasar,
Haben auch ein Kalb gemetzt;
Hat ihm drauf ein Knecht versetzt.
Zornig stampfte da der Michael;
Knecht' und Mägd' und das Geflüchael
Flohen hocherschreckt in's Haus,
Und der Vater trat heraus.
Micheln wieder zu begütigen,
Trat er schmunzelnd zu dem Wüthigen,
Redet ihm in's Herz gelind:
Komm herein und sei kein Kind!
Komm herein und tanz den Schottischen
Mit des Jakobs rothem Lottichen,
Zwanzigtausend bringt sie mit,
Wirb um sie, weil ich dich bitt'.
[137]
Geb' dir gleichfalls soviel Baaria,
Aber laß die Larifaria,
Geb' das halbe Gut dir gleich,
Aber komm herein und schweig!
Komm herein und laß dich sänftigen,
Spiele nicht den Unvernänftigen,
Freu dich, weil der Herr Student,
Wiederum zu Hause send!

Fußnoten

1 Der Bierrams ist wie das Pharao eigentlich ein egyptisches Spiel, erfunden angeblich von Ramses II. (Ce çostris, Cäko). Auch Schlauch erinnert an die alten Weinschläuche Egyptens dieses Mutterlandes aller Kultur.

Mythus vom ersten Bruder Liederlich

Unweit von dem Paradies,
Wo sich Adam niederließ,
Hat's auch Eva unternommen
Und ist zwofach niederkommen.
Höflich riefen alle Leut:
Welche große Aehnlichkeit!
Der ist ganz der alte Adam,
Und der Blonde ganz die Madam!
Und von diesem Zwillingspaar
Hieß der Jüngre Abel zwar,
Weil er brav versprach zu werden
Unter Schaf- und sonst so Heerden.
Kain ward zu seiner Schand
Gleich der Rothkopf zubenannt,
Denn an seiner Stirne mächtig
Trug ein Mal er sehr verdächtig.
[138]
Das verursacht stillen Gram,
Adam, als er wahr es nahm,
Und ihm schwante wenig Gutes,
Von dem Setzling seines Blutes.
Aber Eva, seine Frau,
Nahm es nicht so sehr genau,
Ließ den Knab im Wald sich tummeln
Bei den Käfern und den Hummeln.
Langsam wurden Beide groß,
Und der Kain sittenlos.
Aber schüchtern auf den Nabel
Sah sich stets der sanfte Abel.
Als die Hosen und der Wamms
Waren nun verwachsen ganz,
Schickt der Adam, dieser Sünder,
An die Arbeit seine Kinder.
Abel dünkte sich ein Graf,
Als er hüten durft' die Schaf'!
Kain schätzte sich ein König,
Als er jägdeln durft' ein wenig.
Nach vollbrachtem Tagewerk,
Haben sie sich dann gestärkt,
Und behaglich in Pantoffeln
Aßen sie zu Nacht Kartoffeln.
Als die Mahlzeit war zu End',
Wuschen sie die langen Händ',
Haben sich die Pfeif' gestopfet
Und ein Thier am Berg geopfert.
[139]
Während in den Himmel hoch,
Abels Opfer rauchte, kroch
Kain's Rauch hinab zur Höllen,
Das verdroß den Waidgesellen.
Darum eines Abends spat
Grübelt er auf Uebelthat;
Als der Abel goß den Lattich,
Stellt sich Kain hin wo's schattig.
Seht, er richtet seine Flint'
Auf das Bruderherz geschwind,
Ernst, besorg ich, will er machen,
Kain, was seyn das für Sachen!
Hoffentlich drückt er nicht los!
Nein, das ist gewissenlos!
Das ist nicht blos unvorsichtig,
Das ist schändlich, niederzichtig!!
Adam, als er wahr es nahm,
Stößt ihm auf der alte Gram,
Stürzt herbei mit seiner Gattin
Und versetzt: o Gott, es hat ihn!
Hilfe, liebe Nachbarsleut!
Was ist unserm Abel heut?
Solches kann ich nicht kapiren,
Weiß ihn Keiner zu kuriren?
Immer steht noch Alles dumm
Um den armen Abel 'rum,
Plötzlich fängt man an zu wissen,
Daß ein Sterbfall eingerissen.
[140]
Kain spürt der Reue Fluch
Ueber dieser Treue Bruch,
Und das belfernde Gewissen
Hätt ihn beinah todtgebissen.
Adam aber kommt und sagt:
Hab ich es doch gleich gedacht!
Thut das Haar ihm rückwärts streichen
Und entblößt des Kains Zeichen.
Kain wie die Pestilenz
Flieht erschreckt die Landesgrenz,
Um sich auswärts unter Beben,
In den Ehstand zu begeben.
Weiter sagt die Weltgeschicht',
Kain wurde liederlich,
Und sein Samen schwerlich feiner,
Die Freischärler und Zigeuner.

Fridolin

Gern sing' ich den Biedersinn,
Des Barbiers, des Fridolin,
Aber Käthchens falsche Art
Zu erzählen fällt mir hart,
Denn dies Nähermädchen hat
Aufgebracht die ganze Stadt.
Käthchen hatt' ein schön Gesicht,
Sittsam aber war sie nicht,
Fridolin hat mit Verstand
Dieses allzuspät erkannt, –
Ach, es macht uns sehr betrübt,
Wenn man solche Mädchen liebt.
[141]
Schon in früher Morgenstund'
Machte Fridolin die Rund',
Eilend in der Stadt herum,
Und bedient das Publikum,
Seines Messers flinker Schnitt
Bracht' ihm Ehr' und Appetit.
Doch bei Tage wie bei Nacht
Hat er Käthchens nur gedacht,
Wie ein Bild an einer Wand
Sie vor seinem Geiste stand,
Nachts erblickt er sie im Traum,
Und bei Tag im Seifenschaum.
Einen Hut mit Seidenband
Kauft er und ein schön' Gewand,
Käthchen ward mit Recht entzückt,
Weil er ihr so Vieles schickt,
Und mit einer großen Scham
Nannte sie ihn Bräutigam.
Für die unbefleckte Ehr'
Schien das Mädchen sorgsam sehr,
Abends schloß sie ihre Thür',
Fridolin durft' nicht zu ihr,
Auf daß ihrer Unschuld nicht
Schaden in der Nacht geschicht,
Nur bei hellem Tagesschein,
Ließ sie ihn in's Kämmerlein,
Und vergönnt' ihm einen Kuß
Zum beglückenden Genuß;
Kam der Abend dann herbei,
Ging er in die Brauerei.
[142]
Spät noch eines Abends saß
Fridolin beim Gerstenglas,
Freute sich mit reinem Sinn
Auf den nächsten Morgen hin,
Und gedacht' in einem Jahr
Sie zu führen zum Altar.
Plötzlich sprach zu ihm ein Freund,
Bastian, der's redlich meint:
Ei pfui tausend, Fridolin,
Duldet dies Dein Biedersinn,
Daß ein Reiteroffizier
Schleicht zu Käthchens Kammerthür?
Dieses Wort des Bastian
Faßt ihn sehr mit Schrecken an,
Mit den Beinen greift er aus,
Eiligst nach der Liebsten Haus,
Und mit einem starken Stoß
Sprengt er das Pariser Schloß.
Da beim Lampenscheine sah –
Großer Gott, was sah er da?
»Großer Gott, verleih' mir Kraft,
Nein, das ist nicht tugendhaft,
Käthchen nein, und dreimal nein,
Käthchen, Du bist nicht allein!«
Fridolin, vom Zorne roth,
Fand die Worte nur mit Noth:
»O Du ungetreue Braut,
Meinst Du, daß mich das erbaut?
Bei Dir ist ein fremder Mann,
Gott, wie greift mich dieses an!«
[143]
»Käthchen, Käthchen, meine Pflicht
Duldet solchen Unfug nicht,
Käthchen, noch in dieser Nacht
Ist die Brautschaft ausgemacht,
Käthchen, wenn der Morgen graut,
Hat der Pfarrer uns getraut!«
Als sie dieses Wort vernahm,
Meinte Käthchen jetzt vor Gram,
Sprach gerührt der Offizier:
»Solches kam mir niemals für,
Fridolin, Du edler Mann,
Sei mein Freund von heute an!«
Wer auf eine Led'ge traut,
Mensch, der hat auf Sand gebaut,
Denn ein Windhauch, ohne Spur
Ist des Mädchens Liebesschwur,
Weislich knüpft der biedre Mann,
Fest'res Band im Ehstand an!

Schwartenmaier's Klage um den entschlafenen Biedermaier

Meine Finger laß' ich gleiten,
Tiefgerührt auf Brummbaßsaiten,
Schlott'rig sind sie nur gespannt,
Und es zitiert meine Hand.
Wie aus einem hohlen Hafen
Muß man singen von dem Braven,
Den bereits das Grab verschlingt,
Daß es dumpf und schollrig klingt.
[144]
Biedermaier, Biedermaier,
Was verstimmst Du meine Leyer?
Sagt, wo nehm' ich Thränen her?
O, der Gottlieb ist nicht mehr!
Ist es möglich? So ein Dichter,
So ein sanfter Friedensstifter,
So ein beispielloser Mann
Stirbt und thut uns dieses an!
Soll ich sein Verdienst erzählen,
Eure Ohren müßt' ich quälen
Mit der überflüß'gen Zahl,
Das geht nicht mit Einemmal.
Rechnen, lesen, schreiben, dichten,
Wachtelhunde abzurichten,
Für die Freunde zeitenweis,
Freut den liebenswürd'gen Greis.
Brachten es die Jahreszeiten,
Oder sonst Gelegenheiten,
Wer ertrug und machte Spaß,
Als der Biedermaier baß?
Himmel! war die Lug', das Laster,
Irgend Einem je verhaßter?
Wie war er so treu beständ'sch,
Ach, ein wahrer Nebenmensch!
Nein, wie ist mir in den Magen
Dieser Todesfall geschlagen;
Angst und bang, so wird mir schier,
Reichet einen Bittern mir!

[145] Klagelied des Schulmeisters Jeremias Birkenstecken um den hingegangenen Freund

O Spektakel, welch' ein Schrecken!
Das ist Trauersiegellak.
Jeremias Birkenstecken,
Bürste deinen schwarzen Frack!
Welche Botschaft! Biedermaier,
Dieser Edle, lebt nicht mehr!
Bindet Flor an meine Leier,
Denn der Vorgang schmerzt mich sehr.
Bindet Flor an Hut und Hauben,
Daß die Thräne besser fließt,
Niemand wird die Nachricht glauben,
Bis er's in dem Blättle liest.
Gott! hätt' ich das können ahnen,
Daß der große Mann verschied,
Als wir eben in dem Schwanen
Sangen sein Kartoffellied!
Morgen wird man ihn begraben,
Schlag halb zehn Uhr, denn genau
Will es das Gesetz so haben:
Uns're weise Leichenschau.
O muß Alles denn von hinnen,
Was da schön und edel ist,
Dieses bringt mich schier von Sinnen,
Solch ein Dichter, Mensch und Christ!
[146]
Nein, wer wird sich da nicht grämen,
Wenn er einen Freund verliert?
Namentlich, muß er vernehmen,
Daß man ihn hat falsch kurirt 1
Darf der Bürger denn nicht klagen,
Wo selbst die Regierung klagt,
Die ihm erst vor wenig Tagen
Die Medaille angesagt?
Klaget, klaget, lieben Leute,
Denn das Klagen ist erlaubt,
Wenn der Tod als seine Beute
Einen Biedermaier raubt.

Fußnoten

1 Diese Nachricht erwies sich als eine böswillige Verleumdung des Biedermaier'schen Hausarztes und ich nehme deßhalb meinen Unwillen feierlich zurück.

Jeremias Birkenstecken.


License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Das Buch Biedermaier. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9EB8-D