Frühlingsgebet
Frühling, Wonnegebieter,
sonnestarker, lauterster Gott der Erde,
willst du endlich erscheinen,
mir auch erscheinen?
Nach soviel Stürmen,
soviel quälender Wetterwut,
nach manchem falschen Sonnentage
voll kalten, stechenden Glanzes:
willst du endlich geboren werden,
mein Heiland? –
Ja! mir künden heilige Schauer:
du auferstehest,
den ich dunkel geahnt
in den Dämmertagen der Kindheit
und den ich verloren, vergessen
im selbst sich vergötternden Jünglingsrausch ...
[53]
Oh, senke die Strahlen
Deines milden Himmelsauges
sänftigend, verklärend mir
in die sehnsucht offne Seele
O durchfülle mich ganz mit Deinem Odem,
Frühling, äther entsprossener,
Segen atmender, reiner Sonnensohn!
Erfülle mich mit deiner Werdelust,
nicht der gärend schäumenden,
der ziellos wilden, taumelnden Lust
stürmenden Knabenübermutes:
mit Deiner ruhig quellenden,
still knospenden,
sicher schaffenden Freudigkeit
erfülle mich, du Glückbeseelter! –
Schon jauchze ich.
Ja! du erhörst mein Gebet!
Du bist in mir, Frühling:
bist, was in mir jubelt –
du erhörtest mich schon
vor meinem Gebet!
Du, Du, Frühling, wurdest
mir in bangender Seele
heimlich ein anderer, neuer Frühling:
mein erster Frühling!
Erster Frühling,
einziger Frühling,
bleibe! weile!
verlaß mich nicht,
flüchten gleich die Tage!
Dann werden machtlos nahen
meinem geweihten Haupt
des Sommers sengende Sorgen
[54]und des Herbstes trüber Mißmut
und des Winters kalte Oede.
Erster Frühling,
einziger Frühling,
mein Frühling –
Du brachtest mir die Erlösung:
bringe mir auch das Himmelreich!