Dritter Teil

[99][101]

Subskriptionsanzeige

Habe bei dieser Gelegenheit freundlich vermelden wollen, daß ich hier mit Weib und Kind glücklich wieder angekommen bin; waren am Rhein gewesen.

Der geneigte Leser wird sich vielleicht noch erinnern, daß ich in Anno 1775, als der Graf Romanzow den Großvizir geschlagen hatte, und das große Erdbeben auf der Insel Ternate gewesen war, hazardiert habe, 'n Büchel meiner Sämtlichen Werke h'rauszugeben. Das Büchel nun ist ordentlich in Zeitungen und Schriften rezensiert, und meiner dabei in allen Ehren gedacht worden – wollte also wohl wieder eins h'rausgeben! Es wird menschlichem Ansehen nach auch so stark werden als das erste, und eben solch Zeug darin stehen. Weil aber ein ehrlicher Mann mir die unverdiente Ehr erwiesen hat, mein Büchel nachzudrucken, und er's wieder tun möchte; so erfordert die Pastoralklugheit, mich durch Subskription zu decken. Wer also 's Büchel haben will, könnte etwa subskribieren, und wer Lust hat, kann Subskription annehmen; ich leiste alles, was Sitte im Lande ist. Hier in Wandsbeck nimmt mein Vetter an. Es haben zwar einige gelehrte und angesehne Leut an andern Orten sich gütigst erboten, Subskription anzunehmen, und haben mir die Erlaubnis gegeben, sie öffentlich zu nennen; sie werden's aber wohl ihres Ortes selbst tun, ich mag mich hier so breit nicht machen.

Wenn jemand Subskribenten gesammlet hat, bitte ich, daß er so gut sei, sie spätstens zu Ende des Monat Januarius k.J. an den bewußten Herrn:

»Matthias Claudius Homme de Lettres à Wandsbeck abzugeben in Hamburg bei dem Herrn Apotheker Herrmann auf dem Speersort« einzuschicken, und Ostern soll, geliebt's Gott! das Büchel dasein. Beim vorigen war die Subskription 2 Mk. Hamburger Geld; da aber 2 Mk. ziemlich viel gewesen sein soll, und ich nicht ziemlich viel mag, so ist's diesmal nur 1 Mk. 8 ßl., oder 1 fl. Reichsgeld.

Wo's möglich ist, will ich wieder zu einem Rembrandtschen Stich Anstalt machen; von andern Meistern liefre ich gewiß 'n Paar Stücke. Schließlich wünsche ich, daß das Büchel gut ausfallen möge.


Wandsbeck, den 20. August 1777.

Asmus.


(Sieh. die Hamburger und Altonaer Zeitungen vom August 1777.)
[101]

Erklärung der Kupfer

Die Dedikation, die vor dem 1. und 2. Teil steht, ist auch hier zu verstehen. Ich habe in der Zeit keinen bessern Freund kennen lernen als den Freund Hain, und so bleib ich beim alten. Er ist oben in seinem Amt und Beruf vorgestellt

, und will ich nur dazu sagen: daß er, wenn er sich so in ein Bett hereinhängt, für den der darin liegt eine ernsthafte Erscheinung sei.

Neben pag. [..]

steht mein lieber Andres mit seiner Braut und sieht nach den Sternen.

Neben pag. [..]

steh ich mit Erlaubnis selbst und will eben einen Ehrensprung tun, und der geneigte Leser wird mir diese Hausschwachheit zugute halten. Ich denk überhaupt, man soll lieber in sich fröhlich als brummsch sein; und bin sehr dafür, daß man in allen Stücken seine Freude daheim habe und nichtauswärts suche. Was kann man auch Bessers tun als in sich fröhlich und vergnügt sein? Denn solange die Stunde währt, darin man's ist, so lange währt sie; und hernach ist sie noch immer wie eine Schachtel darin Räuchwerk gewesen ist.

Es ist irgendwo noch ein Kupfer

; das mag der Leser aber selbst finden.

Pag. [...]

stellt eine Wasserfete vor die ich mir die Ehre nehme, meinen Herren Subskribenten zu geben. Seit mir das Projekt sie in Kupfer stechen zu lassen vereitelt ist, bin ich recht verlegen gewesen,[102] wie ich mich einigermaßen revanchieren sollte; 's ist doch eine Höflichkeit daß sie subskribieren, und man revanchiert sich doch gern. Endlich bin zum Glück noch auf den Einfall gekommen, diese Wasserfete zu geben. Man könnte zwar sagen, daß mir diese Fete nichts koste und meinen Herren Subskribenten eigentlich auch nichts einbringe. Aber es läßt sich doch allerlei darauf antworten und erwidern. Und denn so hab ich oft Leute von der Gnade dieses oder jenes gnädigen Herrn gegen sie sprechen hören, und habe mich denn deswegen genauer befragt; und ich weiß nicht da ist's mir fast vorgekommen, daß es damit ohngefähr gleiche Bewandtnis habe.

Pag. [...]

ist der versprochene Rembrandtsche Stich und stellt den Riesen Goliath vor. Er ist nach einer Antike gemacht, und Kenner versichern, daß er getroffen sei. Auch soll die Zeichnung nicht übel sein; doch will ich H. Chodowiecki gern für meinen Meister erkennen. Übrigens pflegt mein Vetter dies Stück: Εργον 'Ηφαιστοιο zu nennen.

Was vor dem 1. und 2. Teil von der /, dem ;, und dem kleinen Spielewerk etc. gesagt worden ist, gilt auch hier. Dies Büchel hält nur 13 Bogen; ich kann aber auf meine Ehre versichern, daß nicht Sparsucht allein schuld daran ist.

Pag. neben [..]

stellt eine Gesellschaft vor, die unter sich eine Konferenz halten. Ich weiß nicht, wer sie sind und was sie treiben; aus einigen Umständen und Anzeigen wollt ich aber fast vermuten, daß sie über Religion und Glaubenssachen arguieren, und aus der Vernunft die Offenbarung verbessern.

Das auf der letzten Seite ist ein Kreuz.

[103]

Morgenlied 3 eines Bauermanns,

mit Anmerkungen von meinem Vetter

darin er mich zum besten hat.


Da kömmt die liebe 4 Sonne wieder, 5
Da kömmt sie wieder her! 6
Sie schlummert nicht 7 und wird nicht müder, 8
Und läuft doch immer sehr 9
Sie ist ein sonderliches Wesen; 10
Wenn's morgens 11 auf sie geht,
[104]
Freut sich der Mensch und ist genesen 12
Wie beim Altargerät. 13
Von ihr kommt Segen und Gedeihen, 14
Sie macht die Saat so grün, 15
Sie macht das weite Feld sich neuen, 16
Und meine Bäume blühn. 17
Und meine Kinder 18 spielen drunter,
Und tanzen ihren Reihn, 19
Sind frisch und rund und rot und munter, 20
Und das macht all ihr Schein. 21
Was hab ich dir getan du Sonne!
Daß mir das widerfährt? 22
[105]
Bringst jeden Tag mir neue Wonne, 23
Und bin's fürwahr nicht wert. 24
Du hast nicht menschliche Gebärde, 25
Du issest nicht wie wir; 26
Sonst holt ich gleich von meiner Herde
Ein Lamm 27 und brächt es dir,
Und stünd und schmeichelte von ferne: 28
»Iß und erquicke dich, 29
30 liebe Sonn, ich geb es gerne, 31
Und willst du mehr, so sprich.« 32
Gott in dem blauen Himmel oben 33
Gott denn belohn es dir! 34
Ich aber will im Herzen loben 35
Von deiner Güt und Zier. 36
[106]
Und weil wir ihn nicht sehen können, 37
Will ich wahrnehmen sein, 38
Und an dem edlen Werk erkennen 39
Wie freundlich 40 er muß sein!
Oh! bis mir denn willkommen heute,
Bis willkomm schöner Held! 41
Und segn 42 uns arme 43 Bauersleute,
Und unser Haus und Feld. 44
Bring unserm König heut auch Freude, 45
Und seiner Frau dazu, 46
Segn ihn und tu ihm nichts zuleide, 47
Und mach ihn mild wie du! 48

;

[107]

/ Auch eine Philosophie der Geschichte
zu Bildung der Menschheit etc.1774

Die Geschichte des Menschengeschlechts und der Gang Gottes mit ihm sind, wie fast alles in der Welt, ein verschlossenes Rätsel, das zu seiner Zeit auch wohl wird aufgeschlossen werden. Die Menschenkinder konnten aber bis so lange nicht Geduld haben; sie drückten am Schloß und kehrten am Schloß und kuckten ins Schlüsselloch hinein, und gaben denn ihr Videtur unmaßgeblich ab, als ob sie etwas Rechtes gesehen hätten. Nun ergibt aber die Vernunft, daß im Schlüsselloch nicht viel zu sehen ist, und also die Methode: daraus zu weissagen, etwas mißlich sei. Der Verfasser hat dies weitläuftiger erörtert und hierüber und über manches mehr, sonderlich auch über den Einfluß der Akademien, Sozietäten der Wissenschaften etc. etc. vieles gesagt, das nicht allgemein angenommen wird. Er ist überhaupt ein Fisch der gegen den Strom angeht, und will auch, was von der Erleuchtung und den Vorzügen unsers, und dem Gehalt und den Mängeln eines jeden andern Jahrhunderts und Volks gewöhnlich vorgetragen wird, nicht so alles gradezu für bares Geld annehmen.

Einige Gelehrte, die zwischen Volk und Volk, Jahrhundert und Jahrhundert richten, haben die Gewohnheit an sich, daß sie ihre eigene Einsichten und Gaben zur Elle machen, und darnach, zum Exempel das morgenländische und ägyptische Drapdor, das schöne griechische Wassergewand usw. ausmessen, und eben daher ereignet sich das Milchgesichtlein, das verschiedentlich oben auf ihren Urteilen sitzt und selbst klug umherlächelt. Unser Verfasser wäre diesem Mißbrauch gern aus dem Wege gegangen.

Sein Gemälde von der Patriarchalwelt ist so geraten, daß man sich dabei des Wunsches nicht erwehren kann: es möchte doch von einer ganzen Nation wahr gewesen sein, und noch von uns und von allen Völkern wahr sein! Auch die ganze Galerie der verschiedenen Alter des Menschengeschlechts ist blendend gemalt, und die Meinung: als ob unser Geschlecht nach dem Plan Gottes seit der Patriarchenzeit immer zu größerer Vollkommenheit fortgehe, gegen die andre: daß wir nur zu einem neuen Zustande fortrücken mit dessen etwanigen Vorteilen andre Vorteile notwendig wieder verlorengehen, sehr glücklich umgesetzt worden.

Sonst aber dürfte in dem allen noch viel Ideal mit unterlaufen; denn alles, was man von Vervollkommnung oder Fortrückung [108] und den damit verbundenen Vor- oder Nachteilen behaupten mag, kann nur sehr von ohngefähr zutreffen, weil alles was man von einem jedweden Volk und Zeitalter halb und halb weiß, immer nur von einem kleinen Ausschuß gilt.

Vielleicht ist auch gar der Plan Gottes nicht derLänge sondern der Quere nach zu suchen. Es ist nämlich die Wahrheit zu aller Zeit in der Welt gewesen, so oder anders gekleidet.

Übrigens gehört dies Büchlein zu den Gewächsen, die auf eignem Grund und Boden gewachsen sind, und der Verfasser scheint, bei einem überflüssigen Maß von Geist, ein Herz im Leibe zu haben, das würklich zum Guten geneigt ist, und urteilt selbst: »daß das große göttliche Werk, Menschheit zu bilden, mit kleiner Eitelkeit nicht grenzen könne.«

Abendlied eines Bauermanns

Das schöne große Taggestirne
Vollendet seinen Lauf;
Komm wisch den Schweiß mir von der Stirne,
Lieb Weib, und denn tisch auf!
Kannst hier nur auf der Erde decken,
Hier unterm Apfelbaum;
Da pflegt es abends gut zu schmecken,
Und ist am besten Raum.
Und rufe flugs die kleinen Gäste,
Denn hör, mich hungert's sehr;
Bring auch den kleinsten aus dem Neste,
Wenn er nicht schläft, mit her.
Dem König bringt man viel zu Tische;
Er, wie die Rede geht,
Hat alle Tage Fleisch und Fische
Und Panzen und Pastet;
Und ist ein eigner Mann erlesen,
Von andrer Arbeit frei,
Der ordert ihm sein Tafelwesen
Und präsidiert dabei.
[109]
Gott laß ihm alles wohl gedeihen!
Er hat auch viel zu tun,
Und muß sich Tag und Nacht kasteien,
Daß wir in Frieden ruhn.
Und haben wir nicht Herrenfutter;
So haben wir doch Brot,
Und schöne, frische, reine Butter,
Und Milch, was denn für Not?
Das ist genug für Bauersleute,
Wir danken Gott dafür,
Und halten offne Tafel heute
Vor allen Sternen hier.
Es präsidiert bei unserm Mahle
Der Mond, so silberrein!
Und kuckt von oben in die Schale
Und tut den Segen h'nein.
Nun Kinder esset, eßt mit Freuden,
Und Gott gesegn es euch!
Sieh, Mond! ich bin wohl zu beneiden,
Bin glücklich und bin reich!

;

»Er schuf sie ein Männlein und Fräulein«

1. B.M. 1 V. 27


Ich hab immer gedacht, daß der Spruch nicht umsonst in der Bibel stehe, und ich denk es noch. Er soll wohl unter andern zu verstehen geben, wenn so 'n Fräulein uns mit ihren Taubenaugen überlistet, daß wir uns des ceteris paribus nicht schämen dürfen, denn Gott hat das Fräulein mit den Taubenaugen erschaffen. Ihn jammerte des Menschen, daß er so im Schweiß seines Angesichts dahinging bis er wieder zur Erde würde davon er genommen war, und gedachte ihm wohlzutun – da wandelten die zarten Lispel vom Himmel herab, da schlug die Liebe die Flügel, und seine Engel tanzten zum Klange des ersten Flügelschlags. Aber der Feind kam auch hier bei der Nacht und säete [110] giftige häßliche Drachen, und Ungeheuer mit Pumphosen und goldenen Klauen. Die kamen und verheerten die schönen Jünglinge und Mädchen im Lande, und die heilige Liebe des Fräuleins floh und verbarg sich in den Felsklüften und auf den Scheidebergen, und selig ist wer sie findet!

;

Eine Korrespondenz
zwischen mir und meinem Vetter,

das Studium der schönen Wissenschaften betreffend


Hochgelahrter

Hochzuehrender Herr Vetter,

Hätte wohl Lust, mich auf die schönen Wissenschaften zu legen; damit, wenn sich bei der oder jener Gelegenheit 'n Vers oder eine Prosa in meinem Herzen rührt und h'raus will, ich doch dem Dinge ein fein gedeihlich Ansehn und Grazias, wie sie sagen, geben könnte. Ersuche den Herrn Vetter um Seinen Rat, und wie ich das anzufangen habe, samt welche Bücher ich mir dazu anschaffen und lesen muß. Vom Batteux hat mir Herr Ahrens schon in prima gesagt; aber das ist so lange her, und ich denke, 's sind seitdem wohl andre Moden aufkommen. Das Neuste, weiß der Herr Vetter wohl, ist doch immer das Beste, und man kommt doch nicht gern mit einer Zippelprücke angestochen, wenn in allen Nacken Haarbeutel hängen.

Den Meerrettich erhält der Herr Vetter künftige Woche mit dem Fuhrmann Grumpenhagen, womit ich die Ehre habe zu verbleiben


Meines Hochgelehrten Hochzuehrenden Herrn Vetters

gehorsamer Diener und Vetter Asmus.

Antwort

Seid kein Narre, Vetter, und laßt die schönen Wissenschaften ungeschoren. Ich will Euch aber meinen Rat nicht verhalten.


  • 1) Wenn 's Euch mit dem und jenem wirklich Ernst ist, und es Dir so recht durch Mark und Bein geht, so lasse Du's durchgehen, und danke Gott dafür, und sage niemanden davon; und
  • [111] 2) Wenn es frommet, davon zu verlautbaren, und zu schreiben; so schreibe hin was und wie Du's fühlst.
  • 3) Fühlst Du aber nichts, und möchtest doch gerne vor dem geehrten Publiko das Gesicht machen; so lies den Batteux und seine Kollegen vom Longin bis an den der an die Wand und in die Zeitungen und Bibliotheken pißt.

Magst sie auch ungelesen lassen, denn Du machest doch nur närrisch Zeug in Versen und in Prosa. Lebt wohl Vetter.

Sein Diener etc.


N.S. Du kannst auch statt des Batteux den Meerrettich reiben, kommt alles auf eins hinaus. Vale.

Der große und der kleine Hund,
oder Packan und Alard

Ein kleiner Hund, der lange nichts gerochen
Und Hunger hatte, traf es nun
Und fand sich einen schönen Knochen
Und nagte herzlich dran, wie Hunde denn wohl tun.
Ein großer nahm sein wahr von fern:
»Der muß da was zum Besten haben,
Ich fresse auch dergleichen gern;
Will doch des Wegs einmal hintraben.«
Alard, der ihn des Weges kommen sah,
Fand es nicht ratsam, daß er weilte;
Und lief betrübt davon, und heulte,
Und seinen Knochen ließ er da.
Und Packan kam in vollem Lauf
Und fraß den ganzen Knochen auf.

Ende der Fabel


»Und die Moral?« Wer hat davon gesprochen? –
Gar keine! Leser, bist du toll?
Denn welcher arme Mann nagt wohl an einem Knochen,
Und welcher reiche nähm ihn wohl?

[112] Anselmuccio

Ist gar ein holder Knabe, er!
Als ob er 's Bild der Liebe wär.
Sieht freundlich aus, und weiß und rot,
Hat große Lust an Butterbrot,
Hat blaue Augen, gelbes Haar,
Und Schelm im Nacken immerdar,
Hat Arm' und Beine, rund und voll!
Und alles, wie man's haben soll.
Nur eines fehlt dir, lieber Knabe!
Eins nur: Daß ich dich noch nicht habe.

;

Brief an Andres,
von wegen einer gewissen Vermutung

Es ist mir angenehm aus Jost seinem Frachtzettel zu vermerken, daß Du willens bist, Dich wieder zu verheiraten. Glück zu!

Das Heiraten kommt mir vor wie 'n Zuckerboltje oder -bohne; schmeckt anfangs süßlicht, und die Leute meinen denn: es werde ewig so fortgehen. Aber das bißchen Zucker ist bald abgeleckt, sieht Er, und denn kommt inwendig bei den meisten 'n Stück Assa foetida oder Rhabarber, und denn lassen sie 's Maul hängen. Bei Dir nun soll's nicht so sein! Du sollst, wenn Du mit dem Zucker fertig bist, eine wohlschmeckende kräftige Wurzel finden, die Dir Dein Lebelang wohltut! Wie ich Dich kenne, und Deine Wirtschaft mit der seligen Gertrud angesehen habe, bin ich auch überzeugt, es werde so gehen, Du müßtest denn gar an einen Höllbesen geraten sein, und der gibt es nicht viele. Die Weiber sind geschmeidige gute Geschöpfe, und wenn Du von einer hörst die ihrem Manne krumme Sprünge macht, kannst Du allemal zehen gegen eins wetten, daß er sich gegen sie nicht betrage, wie 's einem christlichen Ehemann wohl zusteht.

Schreib 's mir ja vorher wenn die Hochzeit ist; denn wir wollen selbst kommen, und ich will Dir auch einen Hochzeitbrief schreiben und Dir darin eins auf meiner Harfe singen und spielen. Heißt soviel, ich will Dir aus alter Liebe 'n Carmen machen, denn das begreifst Du wohl, daß man in einem Briefe nicht singen noch auf der Harfe spielen kann, und pflegt man dergleichen [113] poetische Redensarten zu nennen, die in Prosa immer am unrechten Orte stehen.

Leb wohl, lieber Andres, und grüße Deine Braut von meinentwegen, und schick mir ihren Schattenriß, wenn's auch nur mit einer Kohle gemacht ist, ich will's Dir zulieb aufhängen, und Du kannst Dich dadurch insinuieren; denn sie haben's gerne, daß man ihren Schatten nehme. Noch einmal leb wohl, Herr Bräutigam, Gott gebe Dir eine gute Frau, und schreibe bald oder ich verharre etc.

;

Nachricht vom Genie

Ein Fuchs traf einen Esel an,
»Herr Esel!« sprach er, »jedermann
Hält Sie für ein Genie, für einen großen Mann!«
»Das wäre!« fing der Esel an,
»Hab doch nichts Närrisches getan.«

Serenata,

im Walde zu singen

Solo

Wenn hier nur kahler Boden wär,
Wo itzt die Bäume stehn,
Das wäre doch bei meiner Ehr!
Ihr Herrn nicht halb so schön.
Denn wäre um uns her kein Baum,
Und über uns kein Zweig,
Denn wäre hier ein kahler Raum,
Und ich marschierte gleich.
So bin ich wie ein Fisch im Meer,
Und bleibe gerne hier.
Vivant die Bäume um uns her!
Der Zweig hier über mir!

A due voci

Und zählen kann ein Mensch sie nicht,
Sind ihrer gar zu viel;
[114]
Und jeder macht es grün und dicht,
Und jeder macht es kühl.

A tre voci

Und jeder steht so stolz und kühn,
Und streckt sich hoch hinan,
Dünkt sich, die Stelle sei für ihn,
Und tut sehr wohl daran.

Recitativo

Es pflegen wohl die reichen Leut
Auch Wald zu machen gern;

Fugato

Da pflanzen denn, die Läng und Breit,
Die klug und weisen Herrn
In eine lange Reihe hin
Gar künstlich Baum und Strauch;
Und meinen denn in ihrem Sinn,
Sie hätten's würklich auch.

Recitativo

Noch kömmt ihr Gärtner Lobesan,
Den sie zu han geruhn,
Und schneidet mit der Schere dran,
Wie Schneidermeister tun.

Tutti

Jedoch ihr Wald ist Schneiderscherz,
Trägt nur der Schere Spur,
Und nicht das große volle Herz
Von Mutterlieb Natur!

Tuttissimi

Und nicht das große volle Herz
Von Mutterlieb Natur!
Ist purer puter Schneiderscherz,
Trägt nur der Schere Spur.

Choral

Hoch sitzt im Sofa der Baron,
Der Schweizer an der Tür,
[115]
Die Fürsten sitzen auf dem Thron,
Und wir, wir sitzen hier,
Auf bloßer Erde, feucht und kalt!
Und wir, wir sitzen hier,
Und freun uns über diesen Wald,
Und danken Gott dafür.

;

/ Johann Caspar Lavaters
Physiognomische Fragmente zur Beförderung
der Menschenkenntnis und Menschenliebe,

mit Kupfern, gr. 4°. Bei Weidmanns Erben und Reich in Leipzig, und bei Steinern in Winterthur etc.


Das ist 'n Buch wie mir in meiner Praxis noch keins vorgekommen ist. Was da für Gesichter darin stehen! groß und klein! ehrenfest und ehrenlos! sauer und süß! schief und krumm usw.! und so viele Schnabels, und Nasen und Münde, die gar an kein Gesicht sitzen, sondern so in freier Luft schweben! Einige Gesichter sind rabenschwarz, das müssen wohl Afrikaner sein usw.

Soviel ich verstanden habe, sieht Herr Lavater den Kopf eines Menschen und sonderlich das Gesicht als eine Tafel an, darauf die Natur in ihrer Sprache geschrieben hat: »Allhier logieret in dubio ein hochtrabender Geselle! ein Pinsel! ein unruhiger Gast! ein Poet! 'n Wilddieb! 'n Rezensent! ein großer mutiger Mann! eine kleine freundliche Seele!« etc. etc.

Es wäre sehr naiv von der Natur, wenn sie so jedwedem Menschen seine Kundschaft an die Nase gehängt hätte, und wenn irgendeiner die Kundschaften lesen könnte, mit dem möchte der Henker in Gesellschaft gehen. Darum schämen sich auch einige Leute wohl so, schlagen die Augen nieder, und mögen einen nicht grade ansehen.

Da die Herren Kollegen verschiedentlich über dies Buch geperoriert haben; so werde ich wohl nicht schweigen, denn das müßte schlecht sein, wenn ich nicht noch weniger von der ganzen Sache verstünde als einer von ihnen: und dazu hab ich das Buch nur zweimal einen halben Tag bei einem vornehmen Gönner gelesen, und bin also absonderlich zu einem Judex competens qualifiziert, werde auch nicht ermangeln, die Sache zu ventilieren, pro und contra, vernünftig und unvernünftig, langsichtig und kurzsichtig, [116] nach Exempeln und nach dem Generalbaß usw. wie's das Metier mit sich bringt. Vorher will ich nur noch geschwind erzählen, wie's mir mit den Gesichtern in dem Buch gegangen ist. Bei 'n paar von den Gesichtern sah ich den guten frommen Engel, der hinter der Haut steht, klar und deutlich, und aus 'n paar andern kuckte mich der leibhaftig an. Bei den meisten war's aber so: wenn ich 'n Gesicht angesehen habe, ohne den Text zu lesen, so hab ich nicht gewußt, was darin wäre und was ich davon sagen sollte; sobald ich aber Lavaters schönen Text dazu gelesen hatte, hab ich's alles darin gefunden, und es hat mich oft recht gewundert, wie ich das alles so aus dem Gesicht sehen könnte. Doch zur Sache.

Die Physiognomie ist eine Wissenschaft von Gesichtern; Gesichter sind Concreta, denn sie hängen generaliter mit der würklichen Natur zusammen, und sitzen specialiter fest am Menschen; es wäre also die Frage: ob der berühmte Handgriff »Abstractio« und die »Methodus analytica« hier nicht zu applizieren wäre, daß man nämlich auf die Erfahrung achtgäbe: ob der Buchstabe i allemal, wenn er vorkommt, den Tüttel habe, und ob der Tüttel, wenn er vorkommt, niemals über einem andern Buchstaben stehe; denn so hätte man heraus, daß der Tüttel und der Buchstabe Zwillingbrüder wären, und, wo Castor sich betreten ließe, Pollux nicht weit sei. Zum Exempel, es sollen hundert Herren sein, die alle sehr schnell zu Fuß sind und davon Proben und Beweis gegeben haben; und diese hundert Herren hätten alle eine Warze vorne auf der Nase. Ich sage nicht, daß die Herren die eine Warze vorne auf der Nase haben Feigememmen sind; sie sollen's nur des Exempels wegen sein, und man soll nicht einen Renommisten mit einer Warze vorne auf der Nase gefunden haben, und ich wüßte das. Nun ponamus, mir käme ein Kerl ins Haus der mich einen hungrigen Poeten und Tellerlecker titulierte und mir s.v. ins Gesicht spuckte. Ich wollte mich nicht gerne schlagen, wüßte auch nicht, wie's ablaufen könnte, und stünde und dächte dem Dinge weiter nach; indem würde ich einer Warze auf seiner Nase gewahr! da würde ich mich denn nicht länger halten können, und herzhaft mit meinem point d'honneur auf ihn losgehen, und ich käme sicherlich ungeschlagen davon. Dieser Weg wäre sozusagen die Heerstraße in diesem Felde; es möchte wohl langsam Fortkommen darauf sein, aber so sicher als auf den andern Heerstraßen.

Doch die Menschen haben verschiedene Gaben, und daß ich aus [117] jedem Gesicht nicht sehen kann, beweist nichts weiter, als daß ich nichts daraus sehen kann, und darum kann's doch vielleicht ein anderer.

Ist denn aber überall etwas daraus zu sehen? Und schnürt diese Lehre nicht der Freiheit des Menschen den Hals zu? Denn wenn einer notwendig 'n Schurk ist der z.E. ein großes Maul hat; so muß er 'n Schurk leben und sterben, 's Maul wird sich nicht zusammenziehen.

Hierauf würde ich antworten: umgekehrt, so wird 'n Schuh daraus. Ein Mensch ist kein Schurke wenn er 'n großes Maul hat, sondern wenn er 'n Schurke ist, so hat er 'n großes Maul. Er wird freilich mit dem großen Maul auch wohl 'n Schurke bleiben, aber er kann's doch ebensogut auch nicht bleiben, als wenn er gar kein Maul, sondern statt dessen etwa einen Schnabel hätte oder gar rund zugewachsen wäre. Und wenn er sich bessert, warum sollte sich auch sein großes Maul nicht zusammenziehen können? Zieht sich doch eine dicke Stange Eisen, die Meister Schmidt geglüht hat, in der Kälte wieder zusammen, und so hart und dumm ist doch kein Maul als eine Stange Eisen. Aber 's mag meinetwegen groß bleiben, und die Physiognomen mögen den Eigentümer für einen Schurken halten. Wenn er ein ehrlicher Mann geworden ist, desto besser für ihn, denn es muß eine Lust sein, wenn man so die Herren Kunstverständige zum Narren haben kann. Und dazu würde ich mir die Physiognomie dienen lassen, und die Physiognomen, die in solchem Fall nicht von ganzem Herzen gerne Narren sein wollten, die hole der Kuckuck! Das sind Taschenspieler, und wage es keiner von ihnen mich scharf anzusehen, sonderlich wenn er eine Warze auf der Nase hat. Ein Physiognom, und so stelle ich mir auch den Raphael Lavater vor, ist 'n Mann, der in allen Menschengehäusen den unsterblichen Fremdling liebhat, der sich freut wenn er in irgendeinem Gehäuse, Strohdach oder Marmor, einen Gentleman antrifft mit dem er Brüderschaft machen kann, und gerne beitragen möchte dieLeibeignen frei zu machen, wenn er nur ihreUmstände wüßte. Der unsterbliche Fremdling im Menschen ist aber inwendig im Hause, und man kann ihn nicht sehen. Das laurt nun der Physiognom am Fenster, ob er nicht am Widerschein, am Schatten oder sonst an gewissen Zeichen ausspionieren könne was da für ein Herr logiere, damit er und andre Menschen eine Freude oder Gelegenheit hätten, dem Herrn einen Liebesdienst zu tun. Mag er bei seiner Entreprise parteiisch sein, übertreiben, tausendmal[118] neben der Wahrheit hinfahren, und mehr Unkraut als Weizen sammlen; er bleibt auch mit Unkraut in der Hand ein edler Mann, und denn ist noch immer die Frage erst, ob alles würklich Unkraut ist, was du nach deinem Linneus Unkraut nennst.

Das a.b.c. und ab – ab der Natur ist mir übrigens nicht unwahrscheinlicher als das a.b.c. und ab – ab in meiner Fibel. Der Maulwurf wirft anders auf als der Erdkrebs; der König Salomo baut sich ein anderes Haus als Johann Hutmacher, und diese müssen es erst durch den dritten Mann tun lassen; so kann ja der innerliche Baumeister, denn dasein muß doch einer, aus seinem weichen Mörtel selbst wohl sein Haus und sonderlich sein Kabinett nach Stand und Würden bauen! und die härtesten Knochen sind weicher Mörtel gewesen.

Ich ließe mir noch mehr a.b.c.'es und ab – ab's gefallen als an der Nase des Menschen. Was der liebe Gott anfangs alles für Weltkräfte erschaffen und wie er sie gegeneinander geordnet hat, das ist alles vor unsern Augen verborgen, und ich wäre sehr geneigt, die ganze sichtbare Welt als eine Glocke anzusehen, die wir davon läuten hören, ohne recht zu wissen, in welchem Turm sie ist. Die Natur hat, wie in den Apotheken, ihre simplicia und composita in verschiedene Büchsen getan, und die äußere Form der Büchse ist das Schild was sie darüber ausgehängt hat. Der muß wohl sehr glücklich sein und ein seltener Heiliger, der sie alle versteht, aber der ein großer Hans ohne Sorgen und Veit auf allen Gassen, der sich um keins bekümmert.

;

Kunz und der Wucherer

W.:
Ein gut Gewissen, Freund, ist eine große Gabe!
K.:
Und gute Zähne auch! Gottlob daß ich sie habe.

Görgeliana

Vorbericht

Diese Görgeliana schreiben sich von Görgeln her, und Görgel ist eigentlich ein alter lahmer Invalide, der sich in seinen alten Tagen noch auf die Feder applizierte, und würklich der Verfasser einer gewissen Druckschrift ward, die als disjecti membra poetae ins Publikum herausging. Ich war mit ihm bekannt worden, und [119] wie's unter den Gelehrten ist, daß sie einander aushelfen, so half ich ihm, wenn er keine Zeit oder Reißen im Bein hatte, nach meiner Wenigkeit auch aus, wie zum Teil folget, nicht ohne seine Erlaubnis.

Weiter wüßte ich nichts vorzuberichten, etwa noch daß die Tanne ein Wald von Tannen ist, etliche Stunden groß, darin sich's im Jahr 1776 und 1777 recht gut spazieren ließ.

No. 1. Des alten lahmen
Invaliden Görgel
sein Neujahrswunsch

Sie haben mich dazu beschieden,
So bring ich's denn auch dar:
Im Namen aller Invaliden
Wünsch ich ein fröhlich Jahr
Zuerst dem lieben Bauernstande;
Ich bin von Bauern her,
Und weiß, wie nötig auf dem Lande
Ein fröhlich Neujahr wär.
Gehn viele da gebückt, und welken
In Elend und in Müh,
Und andre zerren dran und melken;
Wie an dem lieben Vieh.
Und ist doch nicht zu defendieren,
Und gar ein böser Brauch;
Die Bauern gehn ja nicht auf vieren,
Es sind doch Menschen auch;
Und sind zum Teil recht gute Seelen.
Wenn nun ein solches Blut
Zu Gott seufzt, daß sie ihn so quälen;
Das ist fürwahr nicht gut.
Ein fröhlich fröhlich Jahr den Fürsten,
Die nach Gerechtigkeit,
Nach Menschlichkeit und Wohltun dürsten:
Der Fürsten Ehrenkleid!
[120]
Sie sind in diesem Ehrenkleide
Wie Gottes Engel schön!
Und haben selbst die meiste Freude;
Sonst muß ich's nicht verstehn.
Ein fröhlich Jahr und Wohlbehagen
Dem Fürsten unserm Herrn!
Der auch in unsern alten Tagen
Noch denket an uns gern;
Der als ein Vater an uns denket
Auf seinem Fürstenthron,
Und uns des Lebens Pflege schenket!
Dank ihm und Gotteslohn!
Und seinen Untertanen allen,
Wir sind ja Brüder gar,
Uns lieben Brüdern Wohlgefallen
Und ein recht gutes Jahr!
»Und allen edlen Menschen Friede
Und Freud auf ihrer Bahn!
Ich segne sie in meinem Liede,
So viel ich segnen kann;
Und fühl in diesem Augenblicke
Den lahmen Schenkel nicht,
Und steh und schwinge meine Krücke,
Und glühe im Gesicht.«

No. 4. Billet doux von Görgel an seinen Herrn, den 10. Jan.

Es schneit noch immer, mein lieber Herr, als ob's gar nicht wieder aufhören wolle.

Was doch für eine Menge Schnee in der Welt ist! hier so viel Schnee! und in der Pfalz so viel! und in Amerika! und in der Tanne! – ich pflege denn so meinen Gang nach der Tanne zu haben, weiß Er wohl. Der große Wald ist von Natur mein Lustrevier, und die Tanne liegt mir so bequem, grade am Tor, und führt eine schöne lange Lindenallee dahin; denn sind auch immer [121] so viele arme Leute darin, alt und jung, die Holz sammlen, und auf dem Kopf zu Hause tragen; und das seh ich so mit an, und gehe meinen Gang hin. Seit der viele Schnee gefallen ist, fehlt mir aber meine Gesellschaft; die armen Leute können nicht zu, und ich kann denken, daß sie sowohl hier, als überall wo so viel Schnee liegt, bei der Kälte übel daran sind. Mein Herr hat gottlob einen warmen Rock und eine warme Stube, da merkt Er's nicht so, aber wenn man nichts in und um den Leib hat und denn kein Holz im Ofen ist, da friert's einen gewaltig.

Am Nordpol, hinter Frankfurt, soll Sommer und Winter hoch Schnee liegen, sagen die Gelehrten, und in den Hundstagen treiben da Eisschollen in der See, die so groß sind als die ganze Herrschaft Epstein, und tauen ewig nicht auf! und doch hat der liebe Gott allerlei Tiere da, und weiße Bären, die auf den Eisschollen herumgehen und guter Dinge sind, und große Walfische spielen in dem kalten Wasser und sind fröhlich. Ja, und auf der andern Seite unter der Linie, über Heidelberg hinaus, brennt die Sonne das ganze Jahr hindurch, daß man sich die Fußsohlen am Boden sengt. Und hier bei uns ist's bald Sommer und bald Winter. Nicht wahr, mein lieber Herr, das ist doch recht wunderbar! und der Mensch muß es sich heiß oder kalt um die Ohren wehen lassen, und kann nichts davon noch dazu tun, er sei Fürst oder Knecht, Bauer oder Edelmann. Wenn ich das so bedenke, so fällt's mir immer ein, daß wir Menschen doch eigentlich nicht viel können, und daß wir nicht stolz und störrisch, sondern lieber hübsch bescheiden und demütig sein sollten. Sieht auch besser aus, und man kommt weiter damit.

Nun Gott befohlen, eliber Herr, und wenn Er 'n Stück Holz übrig hat, geb Er's hin, und denk Er, daß die armen Leute keine weiße Bären noch Walfische sind.

Sein Diener Görgel

No. 15. Schreiben von Görgel an seinen Herrn, d.d. 1777

Ich komme morgen nicht zu Hause. »Warum nicht Görgel?« Darum nicht, mein lieber Herr! ich komme nicht und kann nicht kommen.

's wird Ihm bekannt sein, daß unser lieber Erbprinz sich morgen vermählt, und daß alle Leute im Lande, Vornehme und Geringe [122] so was machen und tun wollen, so 'n Carmina, oder Illumination, oder Musik, Tanz und dergleichen, ein jeder nach seiner Art und wie ihm der Schnabel gewachsen ist, alles aber damit der Erbprinz sehen soll, wie lieb sie ihn und seine Braut haben. Und da wollen wir alten Invaliden auch was tun, sieht Er, mein lieber Herr! und da wollen unser etliche zusammenkommen in unsern Sonntagsröcken und mit weißen Vorärmeln, und denn will ich vor ihnen hintreten und eine Rede halten.

Er kann leicht denken, was das für eine Rede werden, und daß es nicht gehauen und nicht gestochen sein wird. Aber 'n jeder macht's so gut er kann, und kurz ich werde ohngefähr so sagen: »Kamraden, wir haben alle graue Haare und sollen bald sterben; hofieren und schmeicheln steht uns nicht an. Aller Welt Lust und Herrlichkeit ist eitel und vergänglich, und am Ende besteht nichts, als wenn man Gott fürchtet und recht tut! Kamraden, auch die besten Fürsten sind Menschen, und darum muß man bei aller Gelegenheit für sie beten. Glück zu denn heute unserm geliebten Erbprinzen und seiner Braut! wenn sie der Pfarrer einsegnet und sie einander die Hände geben, so segne sie Gott ein, und die Sonne scheine milde und freundlich vom Himmel herab! – Und wenn er einst, wir erleben's nicht, wir liegen denn alle schon im Grabe, aber wenn er einst die Regierung seines Landes übernimmt, so erfülle Gott unsre Hoffnung, und gebe, daß er ein guter Regent werde, damit er in Himmel zu uns komme.«

Wenn ich das sage, »daß er ein guter Regent werde etc.« dann sollen alle Kamraden die Hüte und Kappen abtun, und denn wollen wir 'n »Vater Unser« beten, und hernach uns hinsetzen und unsers gnädigen Herrn Landesfürsten, des Erbprinzen, der Erbprinzessin und aller F. Herrschaften, und des Herrn Präsidenten seine Gesundheit trinken, in 66er wenn uns der Wirtsmann nicht betriegt. Addies lieber Herr, schreib Er mir doch 'nmal, Er hat mir so lange nicht geschrieben, und schenk Er mir einen krummen Kamm in meine Haare.


Sein Diener etc. Görgel

No. 19. Beschluß-Nachricht von Görgel
an seinen Herrn, d.d. Gr. den 27. Febr. 1777

Das Himmelszeichen ist auch hier zu sehen gewesen; 's ging grade über unser Invalidenhaus! und hat ausgesehn wie eine [123] Rute! Es wird aber doch mit Gottes Hülfe nichts Böses bedeuten. Denn es war so schön weiß und helle, und man konnte die lieben Sternlein durchsehen.


Ende der GÖRGELIANA

Phidile,

als sie nach der Kopulation allein in ihr Kämmerlein gegangen war


Ach, Gottes Segen über dir!
Weil du ihn mir gegeben,
Du schwarzer Mann! Mein Herz schlug mir
Nie so in meinem Leben.
Und meinem Wilhelm schlug es auch! –
Als ihn der Pfarrer fragte,
Und das nach hergebrachtem Brauch
Von Glück und Unglück sagte;
Da sah er her mit Ungestüm,
Als wollt er mich umfangen;
Die hellen Tränen liefen ihm
Wohl über seine Wangen. –
Ja, Wilhelm, ich bin auch bereit,
Ich will dich nicht verlassen!
Von nun an bis in Ewigkeit,
Will ich dich nicht verlassen.
Will immer um und bei dir sein,
Will Not und Tod nicht scheuen!
Mein trauter Wilhelm! du allein
Kannst meine Seel erfreuen,
Und sollst allein! drauf ruf ich Gott
Zum Zeugen hier hernieder.
Und nimmt mich oder dich der Tod,
So finden wir uns wieder!

[124] / Die deutsche Gelehrten-Republique etc.

Herausgegeben von Klopstock. Erster Teil. Hamburg, gedruckt bei J.J.C. Bode. 1774.


Hochgeehrter

Lieber Herr Hartwig Rohrdommel,

Ich ersehe aus Dero Schreiben, wie Dieselben obengenanntes Buch als einen Klecks für sich und die ganze Rohrdommelsche Familie ansehen. Ist nicht meine Schuld! Wie Dieselben ferner die angeführten Fakta, und namentlich das von Dero Herrn Bruders Laurenz Rohrdommels Verhör und Bartrupfen, von dem Mäuseberg, dem Landtage, H.H.S.T. Nachtwächtern, den Avantüren des Herrn de la Pepipiere Tauperau, dem Geisterbannen, den Irrsalen, dem Avancement des berühmten Herrn von Voltaire, und sonderlich die Stücke aus einer deutschen Grammatik und die Verse S. 293 bezweifeln wollen, und sich überhaupt in das ganze Buch nicht finden können. Ist auch nicht meine Schuld! und bedaure es recht sehr. Übrigens Familienklecks hin Familienklecks her, die Sach ist wahr, und das Buch hat seine gute Richtigkeit, und ist nicht auf der Leutkircher Heide gefunden, darauf kann sich mein hochgeehrter Herr verlassen. Meine Zeit erlaubt mir nicht über alles Beweis zu führen, ist auch für gewisse Familien nicht nötig, doch will ich zu Dero Satisfaktion über einiges praestanda praestieren, und z.E. die Wahrheit der Büchergeisterbannerei dartun. Oft zwar bannt man, und kommt kein Geist aus dem Buch h'raus, das ist denn 'n Zeichen daß keiner darin ist, wenn aber einer drin ist, so muß er h'raus, da hilft nichts dafür. Soll itzo gleich vor Dero Augen eine Prob an der Gelehrten-Republique selbst gemacht werden. Herr Hartwig Rohrdommel braucht nicht bange zu sein, ihm soll kein Leid geschehen, nur bitte ich die linke Hand geballt sich vor die Stirne zu legen, und mit der andern Dero Zunge festzuhalten. Acht gegeben!


† o à o †


k-ik-lik-blik-ublik-publik-epublik-Republik.

Hurrehrihruhröhnihdomh.


Siehst 'n Herr Hartwig? – Ist 'n feiner Geselle, mit hellen blauen Augen, die er in und außer Landes wendet; weiß von vielen Bescheid, und dünkt sich so gut als wenn er außer Deutschland geboren [125] wäre; möchte manches gerne anders haben; hat vorne 'n ehrbares gestrenges Gesicht, aber im Nacken den bekannten Herrn; haßt die Nachtwächter; hat sein Vaterland lieb und pfeift auf'm Finger; ist sonst, wie Du siehst, schlank und wohlgewachsen, und, Hartwig Hartwig!!! – sagt: du sollst immer so stehen bleiben.

Ich rate aber, daß Dieselben das Buch etwa noch einmal zur Hand nähmen, und wenn's denn nicht geht, nun so muß es 'n Familienfehler sein, oder der meisterhafte deutsche Stil in allen Gattungen muß schuld haben, und ist weiter nichts zu machen.

Schließlich habe ich noch anführen wollen, daß der Vortrag der Bonmots verschieden sei. Mancher nämlich reißt das Maul ellenweit dabei auf und hält sich die Seiten, und mancher kontinuiert ein ganz trocknes ehrbares Gesicht. Der erste findet gewöhnlich den meisten Beifall, und der letzte ist doch eigentlich der Virtuose, mein Herr Rohrdommel!


Dero etc. Asmus.

Wächter und Bürgermeister

In einer Stadt ein Wächter war,
Wo? hab ich nicht gefunden,
Der blies da schon manch liebes Jahr
Des Nachts und rief die Stunden;
Und zwar war das sein Methodus:
Er tat das Horn aufs Maul und blus,
Und denn pflegt' er zu sagen:
»Das Klock hat zehn geschlagen.«
Einmal nun, eh er sich's versah,
War Wipp, der Rathausdiener, da:
Gleich marsch zum Bürgermeister!
»Was ruft Er denn so falsch und dumm?
Der Klock heißt's, Bärenhäuter!
Denn Klock ist genris masculum,
So ruf Er also weiter!«
»Ihr Exzellenz und Hochgeborn
Hat in der Stadt zu schalten;
[126]
Sonst hätt ich wohl ein Wort verlorn:
Der Klock reimt nicht zu meinem Horn;
Drum will ich das Klock halten.«
»Er will nach einer solchen Tat
Noch wider den Hochweisen Rat
Ein Wort und Obstat wagen?
Im Namen unsrer guten Stadt:
Will Er bald der Klock sagen?
Das genus hat Er uns verhunzt
All unsre Ehr zerreißt Er!
Meint Er, man trägt das Schwert umsunst?
Ich schätze Wissenschaft und Kunst!
Und bringst mich da in solche Brunst« –
»Der Klock, Herr Bürgermeister!«

Antwort an Andres auf seinen letzten Brief

Ich hätte mir eher des Himmels Einfall vermutet, als daß Du eine Astrologie schreiben würdest. Du hast zwar von jeher mit den Sternen Dein Fest gehabt, und pflegtest es immer als eine besondre göttliche Wohltat anzusehen, wenn 's Abends der Himmel helle und so recht voll Sternen war; aber das, glaubt ich, stecke so in Dir, sei Rührung und Freude über den großen herrlichen Anblick, weiter aber denkest Du nichts, und von Deinen Projekten und Deiner Astrologia puriore und sublimiore ist mir niemals 'n Wörtlein in den Sinn kommen. Du hast aber recht, Andres, ich habe dem Dinge nachgedacht, und die Astrologie fängt an, mir einzuleuchten.

Wenn alle Sandkörner auf der Erde Augen wären, so würden alle die Augen jedweden Stern über sich am Himmel sehen, und also fließen beständig aus jedwedem Stern Strahlen auf jedes Sandkorn der ganzen Erdfeste herab: nun ist es aber allerdings sehr unwahrscheinlich, daß eine so große Menge einer Materie, die so schnell so weit herkommen kann und aus so schönen unvergänglichen Körpern kommt, ohne alle Würkung sein sollte. Mich dünkt, der bloße Eindruck in einer heitern Nacht lehrt's einen auch schon, daß die, mit so unbeschreiblicher Freundlichkeit[127] leuchtenden, Sterne nicht kalte müßige Zuschauer sind, sondern Angehörige der Erde, undFreunde vom Hause.

Was Du aus den Sternen sehen willst und was Du von ihren Kräften und Einflüssen vorbringst, das sind vor mir lauter böhmsche Dörfer, kommt mir aber alles doch sehr gründlich vor, und ich wünsche mir von Herzen Deine andächtige fromme Empfindung, mit der Du von den Sternen sprichst, und darin alle Deine Ideen schwimmen wie Blumen im Morgentau und wie die Inseln im Meer. Die Himmelslichter sind doch würklich, wie die Augen am Menschen, offnere oder zarter bedeckte Stellen der Welt, wo die Seele heller durchscheint.

Sehr anmutig ist's mir in Deinem Brief zu lesen gewesen, daß Deine Braut auch so an den Sternen hängt und in Deine Ideen entriert, und daß Ihr beide oft stundenlang den allumfunkelnden Sternhimmel anseht, ohne durch Eure Liebe in Eurer Andacht gestört zu werden. Sie muß gar eine gute Person sein, und Du bist 'n lieber Andres.

Es freut mich jedesmal in die Seele, wenn ich von einem Menschen höre, der bei einer Leidenschaft den Kopf immer noch oben behält, und Braut und Bräutigam für etwas Bessers vergessen kann. Addies Herr Zoroaster.

Sonst tu ich Dir noch berichten, daß ich itzo, Gott sei tausendmal Dank! drei Kinder hab und aufs andre halbe Dutzend losgehe. Du kannst nicht glauben, Andres, was ein Fest es für mich ist, wenn der Adebär ein neues Kind bringt, und die Sach nun glücklich getan ist und ich 's Kind im Arm habe. Kann sich keine Truthenne mehr freuen, wenn die Küchlein unter ihr aus den Eiern hüpfen. »Da bist du, liebes Kind!« sag ich denn, »da bist du! sei uns willkommen! – es steht dir nicht an der Stirne geschrieben, was in dieser Welt über dich verhängt ist, und ich weiß nicht wie es dir gehen wird, aber gottlob daß du da bist! und für das übrige mag der Vater im Himmel sorgen.« Denn herz ich's, beseh's hinten und vorn und bring's der Mutter hin, die nicht mehr denket der Angst! und denn die alten Kinder auf die Erde gelegt, und in Gottes Namen oben darüber weg, und über Tisch und Bänke. Leb wohl Andres. Dein


Seindiener etc. ; [128]

Trinklied

Eine oder etliche Stimmen:

1

Auf und trinkt! Brüder trinkt!
Denn für gute Leute
Ist der gute Wein,
Und wir wollen heute
Frisch und fröhlich sein.
Auf und trinkt! Brüder trinkt! ::
Stoßet an, und sprecht daneben:
»Alle Kranke sollen leben!«

Coro von Anfang.

2

Herrlich ist's hier und schön!
Doch des Lebens Schöne
Ist mit Not vereint,
Es wird manche Träne
Unterm Mond geweint.
Herrlich ist's hier und schön! ::
»Allen Traurigen und Müden,
Gott geb ihnen Freud und Frieden!«

Coro von Anfang.

3

Auf und trinkt, Brüder trinkt!
Jeder Bruder lebe,
Sei ein guter Mann!
Fördre, tröste, gebe,
Helfe wo er kann.
Auf und trinkt! Brüder trinkt! ::
Armer Mann, bang und beklommen!
Ruf uns nur, wir wollen kommen.

Coro von Anfang.

4

Seht, denn seht! Brüder seht!
Gott gibt uns ja gerne,
[129]
Ohne Maß und Ziel,
Sonne, Mond und Sterne,
Und was sonst noch viel.
Seht, denn seht! Brüder seht!
Armer Mann, bang und beklommen!
Sollten wir denn auch nicht kommen?

Coro

Armer Mann, armer Mann!
Bange und beklommen!
Wollen's gerne tun
Wollen gerne kommen,
Ruf uns nur. Und nun
Auf und trinkt! Brüder trinkt.

;


NB. Für Andres. Hör, dies Lied hab ich zu einer Melodie gemacht, und darum ist es hin und wieder etwas steifer und intrikater geworden, als grade nötig gewesen wäre. Wenn Du's singen willst, wär's doch wohl gut, daß Du die Melodie hättest; ich will sehen, ob ich sie Dir begreiflich machen kann. Merk also: die Melodie geht aus G-Dur; in jedwedem Takt sind zwei Viertel; und die großen Buchstaben sollen Viertel vorstellen, und die kleinen Achtel. Hätte Dir das auch nicht sagen dürfen, denn wenn in einem Takt, wo nur zwei Viertel sein sollen, vier Noten vorkommen, so können's nicht Viertel sein, das gibt die Regeldetri. Die Melodie muß aber etwas geschwind vonstatten gehen, und denn könnten Könige und Kaiser wohl mitsingen. Einen Baß fühlst Du wohl selbst heraus.





[130]

Nachricht von meiner Audienz
beim Kaiser von Japan

Vorrede

Der geneigte Leser weiß aus dem 1. und 2. Teil meiner Sämtlichen Werke, was zwischen mir und dem Kaiser von Japan für eine Konnexion ist und wie sich das angesponnen hat. Wer hätte es aber denken sollen, daß eine Art von Romanze, die ich hier oben [131] auf der Weltkugel geschrieben habe, mich hunten nach der andern Seite bringen würde? und da liegt doch Jedo des Kaisers seine Residenz, hier grade unter Wandsbeck, und da bin ich gewesen. Wie gesagt, wer hätte das denken sollen? Ich für mein Teil hab's nicht gedacht, wie ich auch damals in der Zueignungsschrift geäußert habe. Aber, wenn etwas sein soll so muß sich alles darnach haben und fügen, und so ging's auch hier.

Mein Vetter kam auf'm Morgen zu mir: »Hört Vetter, ich hab's auf dem festen Lande satt; wollt Ihr mit zur See gehen?« Ich hatte eigentlich keine Lust, aber ich kann ihm nichts abschlagen, und so zog ich mich an und ging mit ihm zur See. Als wir nun auf der Höhe von China kamen, sie nennen's nur Höhe ist aber eigentlich flache See, und einige Tage in den Zimmet- und andern Spezereigerüchen hin und her geschifft waren, kam mein Vetter wieder: »Gelt, so was wird Euch zu Hause nicht geboten? aber hört Vetter, wir sind nun nicht weit von Japan, der Kaiser ist ja Euer Patron; wollen wir nicht vollends hinfahren?« Ich sagte wieder ja und wir fuhren hin, und auf die Weise bin ich nach Japan gekommen, das die Einwohner Nippon nennen.

Ich mag die Leser mit den Ebenteuern unsrer Reise nicht aufhalten, 's wird auch schon in andern Reisebeschreibungen alles viel besser stehen. Die Hauptsache ist, daß wir unterweges gewaltig viel Wasser angetroffen haben, und mir für Freude der Schweiß ausbrach, als ich wieder Land untern Füßen fühlte. In einem Wirtshaus unterwegens, Capspranz genannt, ist der Wein sehr gut, recht sehr gut, das muß ich sagen.

Die Schildwache in Japan hielt uns nicht lange auf, und wir kamen bald in die Stadt. Sie liegt am Hafen und heißt auf japansch Nagasaki. Wir blieben acht Tage da und sahen alles, was merkwürdig war, den Tag über an; ich habe auch noch verschiedenes davon aufgeschrieben und ordentlich die Konterfeis dazu gemacht, und des Abends studierte mein Vetter die japansche Mythologie und Philosophie, und ich den japanschen Kalender.

Unterdes kam ein Gerücht in der Stadt aus, ich weiß nicht durch wen, ich will aber wohl glauben, daß mir mein Vetter selbst diesen Streich gespielt habe, er hat seine Lust an solchen Dingen, diesmal wär es aber bald übel für uns abgelaufen; ich hab's ihm auch auf dem Rückwege oft recht ernstlich zu Gemüte geführt, und rundheraus zu ihm gesagt: »Pamphile, Pamphile! es wäre bald übel abgelaufen.« Er gab mir aber zur Antwort: [132] »Es wäre bald – also ist's doch gut abgelaufen. Wie kann denn etwas übel ablaufen? Ihr habt doch Japan gerne gesehn, nicht wahr Vetter?« darin hat er nun recht, Japan hab ich gerne gesehn, aber es kam also ein Gerücht aus, daß ein großer Gelehrter und Polyhistor aus Europa, der alle Schriften gelesen und geschrieben, mit seinem Famulus in Japan angekommen sei. Das Gerücht ist vermutlich weiter ins Land gegangen, und wir erhielten Ordre, nach Hofe zu kommen.

Mich ahndete bei dem allen nicht viel Gutes, aber mein Vetter lachte dazu, und nannte mich von nun an gewöhnlich Ihr Magnifizenz! Ich wollte mit ihm Abrede nehmen, was ich bei der Audienz und was er sagen wollte; er ließ sich aber auf nichts ein, und ich mußte ihm sehr lange gute Worte geben, bis er endlich noch drein willigte, daß, wenn der Kaiser etwas fragte was der große Polyhistor nicht wüßte, ich ihn denn ansehn und er mir die Antwort ins Ohr sagen sollte; »aber«, setzte er hinzu, »Ihr Magnifizenz müssen's höchstens nicht mehr als zweimal tun, sonst sag ich's dem Chan, warum Dieselben mich ansehen.« Ich hab's auch nur einmal getan, und alles lieber selbst beantwortet so gut ich denn gekonnt habe. Vieles von dem, was ich bei der Audienz vorgebracht habe, hatte ich vorher gelegentlich von meinem Vetter gehört, oder aus seinen Papieren behalten, und das übrige ist zum Teil schlecht genug; aber bei dem allen war's doch nicht anders, als wenn sein Geist bei der Audienz in mich gefahren wäre. Denn sonst hätt ich das auch nicht vorbringen können was ich noch vorgebracht habe.

Wir hatten schon in Nagasaki gehört, daß der Chan ein guter Herr sei, aber von lauter argen Schmeichlern umgeben, und daß sonderlich ein gewisser Albiboghoi, der dem Chan seine Serailangelegenheiten besorgte, und ohngefähr soviel als Hofjunker oder Hofmarschall tituliert ward, von allen den argen Schmeichlern der ärgste und 'n rechter Ausbund und böser Mann sei, und grade der introduzierte uns bei der Audienz.

Auf dem Wege von Nagasaki nach Jedo sahen wir verschiedene sonderbare japanische Tiere, als Kirims, Kaitsus, Tatsdrias, Tatsmakis, und gewaltig viel Hunde, die in Japan größtenteils keine Herren haben und als Privatpersonen für sich leben. Bei einem Walde, nicht weit von Jedo, trafen wir von den grünen Fibakarris an, aus denen eine berühmte Arzenei gemacht wird, und weiterhin auf einigen Bäumen am Wege verschiedene Affen. Einer von diesen hatte einen Menschenschädel und spielte damit. [133] Mein Vetter warf einen Stein auf den Affen und der Schädel fiel herunter; der Unterkiefer fehlte daran, sonst war er ganz. »Steckt ihn bei«, sagte mein Vetter zu mir, »wir wollen ihn begraben wenn wir heimkommen, daß er wenigstens nun Ruhe habe; der arme Junge ist vielleicht genug in seinem Leben gehudelt worden.« Das freute mich sehr. Mein Vetter ist 'n großer Liebhaber von Naturalien, und ich dachte gewiß, er würde den Schädel in seinen Muschelschrank legen wollen, und das wäre mir nicht recht gewesen. Aber so geht's mir immer wenn ich seine Absichten erraten will, er hat mich allemal zum Narren, und darum hab ich ihn eben so lieb. Ich steckte also den Schädel bei, und wir gingen vollends nach Jedo. Gleich den andern Tag holte uns der Albiboghoi ab zur Audienz, wie folget.

Ich habe zuweilen das Japansche mit beigesetzt, damit man die gewaltige Energie dieser Sprache sehe, und sonderlich des x und der :, samt wie so überall der spiritus asper steht und nirgends ein kleines n, etc. etc.

Es könnte zwar der Zweifel aufgeworfen werden: wie ich so geschwind Japanisch gelernt hätte? 's gibt aber bei dem ganzen Vorgang noch mehr Zweifel zu lösen, wer daran seine Lust hat. Das ist aber bei die ser Nachricht meine Absicht nicht gewesen, und ich bin überzeugt, daß um ihretwillen der Kaiser von Japan selbst, wenn ihm diese Nachricht zu Gesicht kommen sollte, mir nicht würde ungnädig werden; hab's auch nicht verdient, und so kann sie der Leser, dünkt mich, sich auch gefallen lassen. Übrigens hatte ich bei der Audienz meine rote Weste an und ein langes japansches Kleid, und mein Vetter trug mir die Schleppe.

Die Audienz

DER HOFMARSCHALL ALBIBOGHOI: 'Lima Neli 'Haschmu 'WaNschbok.

Ich habe die Ehre Ew. Majest. den Sieur Asmus aus Wandsbeck untertänigst zu präsentieren.


Ich machte hier eine tiefe Verbeugung vor dem Chan; er ist lang und schön, und sah gegen den Albiboghoi aus wie 'n Engel.


DER CHAN: 'Tame 'Haschmu. :'Porto labi 'Paehu.

Sei Er willkommen, Sieur Asmus.


In der Grundsprache nannte der Chan mich eigentlich nicht ER sondern SIE, vermutlich weil er mich für 'n Gelehrten hielt, und wenn ich [134] das wäre hätte ich auch geradezu SIE übersetzt, denn 'n Gelehrter muß immer SIE heißen und nicht ER; so aber habe ich lieber ER sagen wollen, damit man nicht meine, ich wolle groß damit tun, daß mich der Kaiser von Japan SIE genannt hat.


Es ist mir angenehm, Ihn in meinem Lande zu sehen. Aber wie ist Er auf den Einfall gekommen, mir eine Romanze zu dedizieren?

ASMUS: 'Mui 'Pia Neti.

Ich habe von Natur einen besondern Respekt für die Potentaten, die weit weg sind.
DER CHAN: 'Tamiba 'Temibo.
Kommt Er durch Norden oder durch Süden zu uns?
ASMUS: 'TemibaNu 'Karuzu.
Wird wohl durch Süden sein, Sire, denn es ist sehr heiß gewesen.
DER CHAN: 'HaifatuNeti.
Hat Er eine vergnügte Reise gehabt?

ASMUS: 'Haifatusolum 'RofuNo.

Man hat allemal eine vergnügte Reise, wenn man hingeht, einen guten Fürsten und ein glückliches Volk zu sehen.

DER CHAN: 'Hoi 'Kirwimme. 'Katosta. 'Healobe 'Kepipi.

Ja, Künste und Wissenschaften werden hier im Lande geehrt. Ich liebe und belohne sie. Er hat sich, wie ich höre, besonders der Poesie gewidmet?

ASMUS: 'Schamfusu.

Ich-bit-te-Ew.-Maj.-un-ter-tä-nigst um Vergebung.


Ich ward bei dieser Frage ganz verlegen, und wußte nicht was ich dem Chan antworten sollte. Sagst duNEIN, dacht ich, so könnte er die Dedikation ungnädig nehmen, und sagst du JA, so ist's eine Reservatio mentalis, und ich hatte keine Lust auf asiatischen Grund und Boden zu faseln. Und in solchen Fällen ist's würklich recht gut, daß es

Redensarten gibt die weder JA noch NEIN sagen.


DER CHAN: 'ANoti 'Piprase. 'WaNsch bok 'Heomo.

Ich habe mir Seine Romanze übersetzen lassen, und sie mit Vergnügen gelesen. Das Wandsbeck muß ein angenehmer Ort sein.

ASMUS: 'Heomeo.

Ganz angenehm Sire.
DER CHAN: 'Hussiput 'Pipis.
Gibt es viele Poeten in Europa?

Ich sah meinen Vetter an.

[135] Mein Vetter mir ins Ohr: Poeten genug; große und kleine, und Ihr seid einer von den kleinen.


ASMUS: 'Pipise 'Brame 'Miose 'Mio seti.
Poeten genug; große und kleine, und ich bin einer von den kleinen.

DER HOFMARSCHALL: 'NipoNpi 'Gabo Né 'FereNuzzi 'SchomfusiNù.

Der japansche Poet Gabon ist ohne Zweifel der größte von allen Poeten, denn er hat sich an den größten Gegenstand gewagt und Ew. Majest. erhabenes Lob und Dero Serails und Hofes Glanz und Herrlichkeit alleruntertänigst besungen.

MEIN VETTER mir ins Ohr: Gabon heißt er, merkt Euch den Namen. Ihr könnt ihn künftiges Jahr in den Leipziger Musenalmanach schicken, oder an des sel. C.G. Jöchers Erben.

DER CHAN: 'Helmore 'Misasi.

Was sind in Europa für Anstalten, sich in der Poesie zu perfektionieren?

ASMUS: 'SchemiNa 'BoNte 'SchemiN to.
Wir haben da einen schönen Himmel und eine schöne Erde, Sire, und eine heilige Religion.
DER CHAN: 'Habuse 'Pipi.
Wie hängt das mit den Poeten zusammen?
ASMUS: 'Timsch.
Ich meine, eigentlich sehr nahe.
DER CHAN: 'KermeiNe 'Lumpipi.
Was versteht Er denn eigentlich unter Poeten?

ASMUS: 'WaruNe 'SchemiNa 'BoNte 'SchemiNto 'Hazitzit.

Helle reine Kieselsteine, an die der schöne Himmel, und die schöne Erde, und die heilige Religion anschlagen, daß Funken herausfliegen.

DER CHAN: 'Pizotto. 'Borai 'Haquirla. 'Tim 'HaquirlirumaNo.

Er wird am besten wissen was Er sagt. Aber wie steht's mit der Philosophie? Man sagt hier, daß die Philosophen in Europa auf allen vieren gehen.

ASMUS: 'Habu: 'Kipuffer.:.

In ihren Schriften vielleicht; die hab ich nicht gelesen. In natura ist mir doch eben noch keiner so begegnet. Es soll zwar vor einiger Zeit einer diesen Gang in Vorschlag gebracht haben, bei unsrer Abreise war er aber, soviel ich weiß, noch unter ihnen nicht eingeführt.

[136] DER CHAN: 'Laila 'Haquirla, 'Putosi 'BumoNe. 'SchemiNto.

Es ist ein gut Ding um die Philosophie! Sie klärt ein Land auf, und ist vortrefflich gegen Alfanz und Aberglauben, ganz vortrefflich. In meinem Lande steht sie obenan, neben der Religion. A propos macht man in Europa viel aus Religion?

ASMUS: 'Priprasai.

Viel und wenig, Sire, wie man's nimmt.
DER CHAN: 'Ruzzi 'Haquirli 'Budsdo Ne.
Hier machen die Philosophen den Priestern viel zu schaffen.
DER HOFMARSCHALL: 'Atulamai: 'Me miNolulu:. 'CramaiNe 'Ritozzo.

Ich muß bei dieser Gelegenheit einen alleruntertänigsten Gedanken äußern, den ich schon oft gehabt habe: Ob nämlich Ew. Majest. nicht einmal darangehen wollen, eine neue brauchbare Religion zu machen? Die Zeiten scheinen dazusein. Der alte Aberglauben meckert wie ein Ziegenbock im dunkeln, und ihm scheint selbst nach Ew. Majest. erhabnen Lumières die Zeit lang zu werden.


Es lief mir eiskalt über den Leib, als ich ihn so leichtfertig von seiner Religion sprechen hörte, und ich tat heimlich einen Seufzer zu Gott, daß er ihm seinen Unverstand nicht zurechnen wolle.


DER CHAN: 'Aika 'RumNa 'SemNilo 'Potokai 'Jettasch.

Wahr ist es, die alten Fabeln von dem Geschlecht der drei und sieben himmlischen Götter, die zuerst, und von den fünf Halbgöttern, die nach ihnen Japan so viele tausend Jahre regiert haben, von den zwölf Jettas oder Himmelszeichen usw. sind würklich wider alle gesunde Vernunft.

ASMUS: 'Rambafito: 'Fitosai 'PuN ::.

Es ist der Weltlauf, Sire, daß einige Leute Fabeln und Anordnungen machen, und andre Leute darüber lachen und sie wieder abschaffen. In Europa hat man aber viele Beispiele, daß die letzten nicht immer die Klügsten gewesen sind. Die Mißverständnisse in der Welt kommen gewöhnlich daher, daß einer den andern nicht versteht.

DER HOFMARSCHALL: 'Ormito 'Isitata ki.

Ah! der Vogel Isitataki! das ist ein gar vernünftiger artiger Vogel gewesen.


Was der Chan da sagte von den drei und sieben himmlischen Göttern, das sagte er nicht so aus seinem Kopf her; das ist würklich die [137] alte Tradition der Japaneser, mein Vetter hat das alles in ihrer Mythologie gefunden. Es wird aber so erzählt: der erste von diesen Göttern sei ein Sohn des Chaos gewesen, seine allersubtilste Kraft als es zuerst anfing sich zu bewegen, und hernach habe immer ein Gott den folgenden durch Hülfe der über- und unterhimmlischen Elemente auf eine verborgene Weise generiert, bis endlich der siebente, Isanami, in ein leibliches Wesen übergegangen sei, und die unter Menschen gewöhnliche Art sein Geschlecht fortzupflanzen von dem Vogel Isitataki gelernet habe. Weiter kamen nun fünf Halbgötter etc. Das ist freilich dunkel; ich denke aber, wenn's deutlicher hätte sein sollen, hätten's die Leute ja wohl deutlicher gesagt.


DER CHAN: 'BisiNami 'Burro.

Aber der Isanami muß ein gar einfältiger Herr gewesen sein!
DER HOFMARSCHALL: 'Aio 'Roosi 'Sete.

Freilich, Roosis Scharfsinn scheint ihm nicht beigewohnt zu haben.


Roosi ist Stifter der einen berühmten

philosophischen Sekte in Japan, und Sjaka der Stifter der andern. Sjaka lehrte, daß die Seele unsterblich und die Tugend der Weg zur Glückseligkeit sei in dieser und jener Welt. Roosi aber war 'n BRUDER STUDIO; er lachte über die Tugend und über jene Welt, und statuierte, daß man nichts Klügeres tun könne, als sich's in dieser recht gut schmecken lassen, und daß Leute von Verstand und Bon Ton es von jeher auch so gehalten hätten. Der Narr hat auch den Stein der Weisen gesucht, damit er und seine Gesippschaft recht lange liederlich sein könnten.


DER CHAN: 'BoNoNte 'Roosi 'Matod do.

In Europa kennt man vermutlich den Roosi und seine Lehre nicht? Hier findet sie allgemeinen Beifall, Sieur Asmus.

ASMUS: 'Hogsutjo 'Rosoli.

Den findet sie überall, Sire! und wird ihn finden, solange die Welt steht, denn sie leuchtet jedem gar zu natürlich ein.

DER CHAN: 'SomeNto 'Filete 'Oschsa 'PituNi 'QuirlischemiNto.

Die Welt ist, wie ich höre, sich überall gleich. So wird's auch wohl in Europa an Einwendungen und Zweifeln gegen die Religion nicht fehlen?

ASMUS: 'LeschschoNg 'BalmaNeraku 'Tif.

Herr Lessing hat noch ganz neuerlich in seinemvierten Beitrag verschiedene Zweifel eines Ungenannten bekanntgemacht, davon einige recht gelehrt und artig sind. Er hat sie aber widerlegt.

DER CHAN: 'Tif.

Hat er sie widerlegt?
ASMUS: 'Hairo, 'Pulote.
[138] Nicht eben förmlich; denn er ist unparteiisch.
DER CHAN: 'Butoquirle.
Herr Lessing gehört doch auf die Bank der Philosophen?

ASMUS: 'Ruto: 'Habussi 'Ruf.

Ich wollte aber doch raten, daß Ew. Maj. ihm lieber seinen eignen Stuhl setzten. Die gewöhnlichen Bänke passen nicht für ihn, oder vielmehr er paßt nicht für die Bänke, und sitzt sie alle nieder.

DER CHAN: 'LamaiNowe.

Wie hat er's denn eigentlich bei den Zweifeln gemacht?

ASMUS: :: 'Xipulxo:.

Wie er's immer macht, Sire. Er meint, wer recht hat wird wohl recht behalten; der soll's aber auch behalten, und darf das freie Feld nicht scheuen! und also läßt er die Zweifel mit Ober- und Untergewehr aufmarschieren: marschiert ihr dagegen! So 'n Trupp Religionszweifel ist aber wie die Klapperschlange, und fällt über den ersten den besten wehrlosen Mann her; das will er nicht haben, und darum hat er gleich jedem Zweifel einen Maulkorb umgetan, oder wenn Ew. Maj. den Maulkorb etwa nicht leiden können, er hat jedwedem Zweifel 'n Felsstück mit scharfen Ecken in den Hals geworfen, daran zu nagen, bis sich irgendein gelehrter und vernünftiger Theologe rüste. Und, sagt er, ehrlich gegen den Feind zu Werk gegangen! und schreie niemand Victorie wenn er 'n alten rostigen Musquedonner einmal mit losem Kraut abgebrannt hat! Und besetze keiner ein größer Terrain als er soutenieren kann, und als der Fuß der Religion bedarf! etc etc.

DER CHAN: 'HaleschschoNg 'Seira. 'NipoNipol.

Herr Lessing gefällt mir. Sollte er wohl Lust haben nach Japan zu gehen?

ASMUS: 'OrpauNex.

Ich weiß nicht, Sire! wenigstens müßten Ew. Majest. ihm die Conditions sehr bündig und detailliert vorlegen lassen, denn er mag gern alles hell und klar mit seinen Augen sehn.

DER CHAN: 'TuNepioNe: 'Bambalté.

Ich würde ihm gewiß mehr halten als ich ihm versprochen hätte, und er vorher vermuten könnte.
Die förmliche Widerlegung der Zweifel ist also noch nicht gekommen.

ASMUS: 'Sammata, 'Fammulo.

Noch nicht, soviel ich weiß, wird aber vielleicht noch kommen, [139] vielleicht zögert sie aber auch noch; das muß man abwarten Sire.

DER CHAN: 'Repisi.

Ihm scheint an dieser Widerlegung nicht sonderlich viel gelegen zu sein?
ASMUS: 'I.
Gar nichts, Sire.
DER CHAN: 'Pipetoi.
Die Poeten sind gewöhnlich Spötter und schlechte Heilige; es geht hier auch so.

ASMUS: 'AruNze :: 'PolPiter 'BreN haNum.

Das nun ist hier der Fall eben nicht. Ich sehe aber, nach Herrn Lessings elektrischen Funken, die Religion als eine Arzenei an, und den Zweifler als den Doktor Peter, und den Widerleger als den Doktor Paul, die beiderseits die Arzenei vor sich auf dem Tisch liegen haben und darüber streiten.

DER CHAN: 'BreNzeha.

Und wozu will er die beiden Doktors brauchen?

ASMUS: ::'XaNPolPiter: 'RobeNu.

Wenn ich nun krank und elend neben dem Tisch und den beiden Doktors stünde und gerne geholfen sein wollte, und der Doktor Paul behielte recht, so würde ich doch nicht gesund werden wenn ich die Arzenei nicht einnähme; und nähme ich sie ein und sie wäre gut, so würde ich gesund werden und wenn auch der Doktor Peter recht behielte. Und also ist das Rechtbehalten nur für die Herren Auditores, das Einnehmen aber die eigentliche Sache, und ein einziger Patient, Sire, der gesund worden wäre, würde, auch für die Herren Auditores, mehr beweisen und schaffen, als hundert Siege der Pauls über die Peters.

DER CHAN: 'Aibapirre.

Das ist wohl wahr; aber das Einnehmen ist so unangenehm und genant.

ASMUS: 'Bugedompo, 'BaloNi.

Nun so bleibt man krank; aber das Gefühl der Gesundheit ist doch so herrlich, Sire! und eines Versuchs und, sonderlich für einen Mann, des bißchen bittern Geschmacks wohl wert.

DER CHAN: 'Soibe, 'Barballa.

Ich habe nichts dagegen. Aber auf etwas anders zu kommen, wie viele Weiber hat ein Mann in Europa?
ASMUS: 'U.
Nur eine Sire.
[140] DER CHAN: 'SoNe 'Vi.
Nur eine? Damit kommen wir nicht aus, Herr Hofmarschall.

DER HOFMARSCHALL: 'Hami 'Noperli No.

Ich bin glücklich, daß ich einem Herrn diene, dem ich täglich neue Proben meiner Devotion geben kann.

ASMUS: 'Umbatafo 'BaboNu.

's ist auch 'n Volk in Europa das nicht damit auskommt, aber wir halten es besser nur eine zu haben.
DER CHAN: 'Talla 'Le 'Sulto.
Und warum denn das? Vier Kanarienvögel singen doch mehr Töne als einer.

ASMUS: 'Nasul: 'Xaremo:.

Es ist uns aber nicht ums Singen allein bei den Kanarienvögeln; sie müssen uns auch den ganzen Tag auf Hand und Schulter hüpfen, uns aus dem Munde essen und aus unserm Becher trinken: Mit einem Wort Sire, wir sehen die Weiber auch als unsre Freunde an, und lieben sie von ganzem Herzen; und kann der Kaiser mehr als eins von ganzem Herzen lieben?

DER CHAN: 'Ip.

Es ist etwas darin.

ASMUS: 'SpaNaNamube :: 'Homi.

Bei den Vielweibern hat auch selten ein Mann so viele Kinder als bei uns, und gibt es was Schöners und Herzlichers in der Natur, als 'n Vater in einem großen Schwarm von Kindern und neben sich das Weib das sie ihm alle geboren hat?

MEIN VETTER bei sich selbst:

– ου μεν γαρ του γε κρεισσον και αρειον
Η όϑ' όμοφρονεοντε νοημασιν οικον εχητον
Ανηρ ηδε γυνη. πολλ' αλγεα δυσμενεεσσι
Χαρματα δ' ευμενετησι; μαλιστα δε τ' εκλυον αυτοι.
DER CHAN: 'Craimi 'Bugio.
Was sagen Sie dazu, Herr Hofmarschall?

DER HOFMARSCHALL: 'Puleste 'BalsaN te 'WermiNti.

Für den Pöbel mag's gelten; aber ein Fürst muß in allen Stücken groß und frei sein. Er ist der Gärtner in seinem Garten, und wo er eine schöne Blume sieht, wenn sie auch schon an jemandes Busen säße, da nimmt er sie mit hoher Hand und geht weiter.

MEIN VETTER bei sich selbst: God bless my soul, what does that rascal say! [141] Mir ins Ohr: Fragt doch den Herrn Hofmarschall einmal, wie er das meint?

ASMUS: 'Saimia 'Pup.

Wie meinen Ihr Exzellenz das?

DER HOFMARSCHALL: 'Saimo 'Tipo.
Wie ich's meine? – was meint Er?
ASMUS: 'KeturNoba.
Ja, ob es zum Exempel auch recht ist, wie Ihr Exzellenz zu sagen belieben?
DER HOFMARSCHALL: 'JopetiNos, 'Tur Noba.
Was den Fürsten gelüstet ist recht, und seine Neigungen sind Winke der Götter.
ASMUS: 'Mui.
Die armen Untertanen also?
DER HOFMARSCHALL: 'Amui 'Epurepez.
Was Untertanen! die braucht man wozu sie gut sind und wozu die Götter sie gegeben haben.
ASMUS: 'Saimi 'Repezzo 'Bi.
Und wozu meinen Sie, daß die Götter sie gegeben haben, ich bitte Ew. Exzellenz um Gottes willen.
DER HOFMARSCHALL: 'Bialte 'PoluNho.
Wozu? – regiert zu werden, dem Fürsten zu Gebot zu stehen. Wozu sonst?
MEIN VETTER mir ins Ohr: Sagt ihm, daß die Götter keine Hofmarschälle sind.
ASMUS: 'Nepi 'Bugiosi.

Die Götter sind keine Hofmarschälle, Ihr Exzellenz.


Der Chan lachte, aber ich hätte das nicht sagen sollen. Es war doch spöttisch, und ich merkt es dem Albiboghoi auch wohl an, daß er mir deswegen keine Pension geben würde, wie der geneigte Leser auch gleich merken wird.


DER CHAN: 'BamaNe, 'Jura.

Aber Sieur Asmus, was soll ich Ihm für Seine Dedikation für eine Gnadenbezeugung machen?

DER HOFMARSCHALL: 'Ater 'Sioka 'Mavai.

Dürfte ich untertänigst vorschlagen, ob Ew. Majest. ihm nach der löblichen Gewohnheit einiger Ihrer großen Vorfahren die Gnade angedeihen lassen, daß er sich in Ihrer hohen Gegenwart den Leib aufschneiden dürfe.

ASMUS: 'Mavai 'Po.

Den Leib aufschneiden? ich verstehe Ew. Exzellenz nicht.

[142] DER HOFMARSCHALL: 'Ater 'Amave 'Pi oNha.

Der Kaiser will Ihm gnädigst erlauben, daß Er sich hier in seiner Gegenwart den Leib aufschneiden darf.

ASMUS: 'Ama.

Was für 'n Leib Ihr Exzellenz?
DER HOFMARSCHALL: 'Blusima 'Romi No.
Einfältiger Europäer, Seinen eignen, da unter der schönen roten Weste.

ASMUS: 'Laimi 'Pi 'ZoNti 'Korkuzo.

Ich bitte Ew. Exzellenz, nehmen Sie mir das nicht ungnädig. Ich bin ein Königlich-Dänischer Untertan und will's mir gehorsamst verbeten haben.

MEIN VETTER: 'Bre 'Misro 'Burru 'Bar.

Hört Herr Hofmarschall, treibt Euern Mutwillen mit den Japanesern wenn Ihr's nicht besser haben wollt, meinem Herrn habt Ihr nichts zu befehlen.

ASMUS leise zu meinem Vetter: Vetter! Vetter! wir sind in Japan.

MEIN VETTER zu mir: So sind wir ja am rechten Ort närrischer Kerl. Die Weiber müssen sich doch zuweilen den Kaiserschnitt gefallen lassen, so werdet Ihr wohl nicht bange sein?


Mir war gar nicht wohl. Mein Leib war mir lieb, und dazu dacht ich, was wird Frau Rebekka sagen? Der bösliche KAISERSCHNITT ist würklich sonst in Japan Mode gewesen. Der Kaiser Buretz, der im sechsten Jahrhundert regiert hat, pflegte den schwangern Frauen zur Lust mit eigner Hand den Leib aufzuschneiden; er ließ Leute lebendig oben in den höchsten Bäumen aufhängen und denn mit Pfeilen nach ihnen schießen, oder auch die Bäume unten absägen. In Siam ist 1689 ein Priester aus Pegu an einen Pfahl geschlossen, und lebendig aufgeschnitten worden, und große Hunde haben ihm die Därme aus dem Leibe fressen müssen usw. Das alles ging mir im Kopf herum, und mir war, wie gesagt, gar nicht wohl. In der Angst fühlte ich, wie

man bei solchen Gelegenheiten wohl tut, auf meiner roten Weste und in allen Taschen herum, und zog von ohngefähr den Schädel heraus, und als ich die Augen darauf schlug, fiel mir ein was mein Vetter von »gehudelt werden« sagte, und mir kam eine Empfindung ins Herz die ich nicht beschreiben kann, daß ich hätte mögen um mich hauen, und zu gleicher Zeit die Hände sinken lassen und bitterlich weinen. Ich trat mit dem Schädel vor den Albiboghoi


ASMUS: Wie gefällt er Ew. Exzellenz?

DER CHAN: Was hat Er da Sieur Asmus?

ASMUS: Es ist 'n Menschenschädel, lieber Kaiser, der Unterkiefer fehlt daran, sonst ist er ganz. Wir haben ihn auf dem Wege [143] gefunden und wollen ihn begraben, wenn wir heimkommen, daß er wenigstens nun Ruhe habe. Der arme Junge ist vielleicht in seinem Leben genug gehudelt worden.

DER CHAN: Mir graut wenn ich ihn ansehe.

ASMUS: Mir nicht. Ich habe dem Mann in seinem Leben kein Leid getan.

DER CHAN: Wer war er, Albiboghoi? und leben noch von den Seinen?

ASMUS: Er war 'n Mensch, lieber Kaiser! und sein Leben und Glück in dieser Welt war deiner Hand anvertraut. Alle Japaneser sind seine Brüder, und alle Siamer, und Chineser, und Malaien, und Moguln, und wir Europäer auch. Ich sage dir Dank im Namen der Europäer, für alles Liebes und Gutes was du ihm getan hast. Er ist nun tot, und wenn er tugendhaft und fromm gewesen ist, hat er's nun besser als wir. Wir müssen aber alle sterben.

DER HOFMARSCHALL: Ihro Maj. dürfen ihn nicht länger in dem Ton fortreden lassen. Die Hofetikette leidet's nicht.

MEIN VETTER bei sich selbst: Damn'd Courtier!

ASMUS: Ja, du lieber Kaiser, alle Menschen sind Brüder. Gott hat sie alle gemacht, einen wie den andern, und gab ihnen diese Welt ein, daß sie sich darin bis weiter wie Brüder miteinander freuen und liebhaben, und glücklich sein sollten. Sie konnten sich aber nicht vertragen und taten sich untereinander allerhand Unrecht und Herzeleid an; da wählte Gott die besten, die edelsten unter ihnen aus, die demütig, weise, gerecht, reines Herzens, gütig, sanftmütig und barmherzig waren, und verordnete sie, bei den übrigen Vaterstelle zu vertreten. Und das sind die Fürsten, Kaiser und Könige.

DER HOFMARSCHALL: Ihro Maj. erlauben Sie ihm doch –

DER CHAN: Was denn Herr Hofmarschall?

DER HOFMARSCHALL: Daß er sich den Leib aufschneide. Das wird ihn auch auf andre Gedanken bringen.

DER CHAN: Ihr habt ja gehört, daß er keine Lust hat. Laßt mir aber zwanzig Goldbarren hereinbringen.

Sieur Asmus, Seine Philosophie gefällt mir, aber ein Fürst hat doch Recht und Macht über seine Untertanen, und sie müssen ihm gehorchen?

ASMUS: Freilich müssen sie ihm gehorchen, in allen Stücken, ohne Widerrede, und nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen. Aber eben weil sie das müssen, [144] wählt Gott gute Leute zu Fürsten, die keinem Menschen etwas zu nahe tun können.

DER CHAN: Aber Zorn und die andern Leidenschaften Sieur Asmus! Und überhaupt, wie kann ein Mensch immer wissen und tun was recht ist?

ASMUS: Ein guter Fürst fürchtet Gott, und bittet von ihm Weisheit, daß er wohl regieren möge; und denn gibt ihm Gott Weisheit und salbt ihm sein Herz mit hoher himmlischer Gesinnung, und denn kann er alles, und achtet keiner Mühe, vergißt sich und seine eigne Glückseligkeit ganz und gar und lebt und webt nur für sein Volk.

DER CHAN: Aber was hätte man denn davon, Fürst zu sein?

ASMUS: Frage die Sonne, was sie davon hat, Tag und Nacht um die Erde zu gehen. Und siehe, sie geht! fröhlich wie 'n Bräutigam, und vom Aufgang bis zum Niedergang triefen ihre Fußstapfen von Segen. Der es ihr geheißen hat, wird sie auch dafür zu belohnen wissen. Stelle dir ein weites Land vor, lieber Kaiser, wo in jeder kleinen Hütte vergnügte Leute wohnen, die ihren Fürsten liebhaben, alle Morgen 'n Abendsegen für ihn beten, und gerne ihr Leben für ihn ließen – möchtest du nicht der Fürst sein? Und das ist nur so 'n kleiner Vorlaut des Lohns. Ein guter Fürst soll und kann von Menschen nicht belohnt werden; er sitzt mit den Göttern zu Tische.

DER CHAN: Sind die Fürsten alle so in Europa?

ASMUS: Kaiser, ich bin zu gut, eine Lüge zu sagen; ich weiß es nicht. Die aber so sind, die haben sanften Schlaf, und sind angenehm im Himmel und auf Erden.

DER CHAN: Er hat wohl recht, Sieur Asmus! Es muß ein Vergnügen sein, wenn man den Untertanen recht und wohl getan, und bei jedwedem, der einem begegnet, einen Dank zugute hat. So ein Schädel mag denn auch besser anzusehen sein. Ich hätte fast selbst Lust –

ASMUS: Gott segne dich, Kaiser, und walte über dich. Du wirst dich zum glücklichsten Mann in deinem ganzen Reich machen, das ist gewißlich wahr! Und denk an mich, lieber Fürst, wenn du dich einmal so ruhig und wohlgemut in den Beinhäusern deines Reichs hinsetzen kannst, als 'n Vater früh morgens in der Schlafkammer seiner Kinder, wenn 's kleine Gesindel noch in den Betten herumliegt und schläft.

DER CHAN: Aber warum wären denn nicht alle Fürsten so, und immer alle so gewesen?

[145] MEIN VETTER bei sich selbst:

– αλλα σφιν νεφελη πραπιδεσσι κελαινη
Αμφιπεριπλασϑεισα, βαδιζεμεν ανϑεμοεντα
Εις αρετης λειμωνα πολυστεφανον τε μεγαιρει.

ASMUS: Wer kann das sagen Sire? Weil sie's nicht wissen, weil sie's nicht können. Es hält bei jedem ehrlichen Mann schwer, klug zu werden, da unsereiner doch täglich und auf mancherlei Weise seiner Sterblichkeit erinnert und so oft mit der Nase drauf gestoßen wird – und nun dies und das, und nun die Kratzfüßer und Schmeichler. Oh! die haben schon manchen guten Fürsten auf ihrer Seele.

DER CHAN: Wie könnte Schmeichelei so viel schaden?

ASMUS: Hast du wohl eher eine Katze gesehn? Je mehr man der den Rücken streichelt, desto höher hält sie den Schwanz.

DER CHAN: Und weiter.

ASMUS: In jedem Menschen ist eine solche Katze, Sire, und klein und niedrig muß der Mensch zuvor sein, sonst kann er nicht groß und gut werden. Die Schmeichler machen's umgekehrt, und es ist schwer ihnen zu entrinnen. Wir haben in Europa unter andern einen König, Kanut, den Großen genannt, nicht sowohl weil er Länder erobert, als weil er einmal seine Hofleute, die ihm schmeichelten, öffentlich und ernstlich gescholten und mit Verachtung von sich gewiesen hat. Es ist davon ein eignes Kupferstich zu haben.

Laß dich die Schmeichler nicht verführen lieber Kaiser, und glaube ihnen nicht. Sie sagen dir nicht was recht ist sondern was du gerne hörst, und es wäre doch schade um deine schöne Krone wenn du sie je durch Unrecht entehren solltest. Sieh um dich und wenn du einen Mann in deinem Reich findest, lieber Kaiser, der dir immer die Wahrheit sagt, auch wenn du sie nicht gerne hörst; der ist der rechte Mann, den wähle du dir zu deinem Freund und ehr ihn hoch, denn er ist's wert, und achtet und liebt dich mehr weder sie alle.


Die Goldbarren wurden hereingebracht.


DER CHAN: Da, Sieur Asmus, sind zwanzig Goldbarren, nehm Er die zum Andenken von mir an.

ASMUS: Ich danke dir, Sire. Ich kann sie nicht fortbringen; und überdem hab ich Goldbarren genug zu Hause.

DER CHAN: Ich kann Ihn nicht unbeschenkt von mir lassen; so bitte Er sich sonst von mir eine Gnade aus. Sie betreffe was sie wolle, bei meiner Krone! ich will sie Ihm gewähren.

[146] ASMUS: Weil der Kaiser befiehlt, so will ich gehorchen. Diese Gnade betrifft aber den Albiboghoi, und bitte um eins von seinen Ohren.

DER CHAN: Er soll's haben.

Der Chan klingelte, daß sein Chirurgus gerufen würde.

DER HOFMARSCHALL zu mir: 'Opupi 'Laipu 'Olemia 'Pipasi 'Piposi.

O du allerweisester Europäer! Du allergrößter Philosoph! und Poet! und Prophet! Ich bete dich in meinem Herzen an, und habe dich lange in meinem Herzen angebetet. Sei mein Freund, ich habe allerlei Kleinodien, und Diamanten, und schöne Mädchen, und Schmaragden, und Landgüter, und Perlen. Komm doch, und sieh es an und wähle.

ASMUS: 'AruNha 'Terremehu. 'Katal ba. 'Waita 'Kirozzi.

Ich kann von Ew. Exzellenz nichts brauchen als das Ohr, und das will der Kaiser mir geben. Übrigens daurst du mich, Albiboghoi, weil du so'n schlechter Mann bist, und könntest an der Stelle wo du stehst so viel Gutes schaffen, und könntest es selbst so gut haben! – Das eine Ohr ist nicht mehr zu retten, mache nur daß du das andre mit Ehren trägst.

DER HOFMARSCHALL sehr heftig: Quelle bête! Cependent il attrapera mon oreille, diable m'emporte. Diable, diable! Mais mon dieu, Sa Majesté Japonoise si éclairée comment a pû-t-elle accorder une grâce comme ça à un fanfaron d'Europe! Er konnte also Französisch, und sprach's auch recht gut aus soviel ich davon verstehe; doch kehrte er gleich zu seiner Muttersprache zurück, und fuhr mit Ungestüm fort und schlug dabei die Hände übern Kopf zusammen: 'Pairuzzo 'Kra poNti.

Aber das ist Unrecht, himmelschreiendes Unrecht!
MEIN VETTER: 'JopetiNos 'TurNoba.

»Was den Fürsten gelüstet ist recht, und seine Neigungen sind Winke der Götter.«


Der Bediente sagte an, daß der Chirurgus dasei, und der Chan ging hinaus und hieß den Albiboghoi nachfolgen.


DER CHAN im Hinausgehen: 'CapsuNo 'Aschmu.

Will Er den Kopf auch, Sieur Asmus?
ASMUS: 'A 'Waita.

Nur das Ohr, Sire!


Der Albiboghoi schien von meiner Antwort mehr erbaut zu sein als [147] von der Frage des Kaisers, und folgte ihm langsam, und wie es anzusehen war, sehr

ungerne nach. Wie er nun so hinausging, dauerte er mich doch fast; und wenn ich nicht geglaubt hätte 'n Gotteslohn mit dem Ohr zu verdienen, ich hätte selbst wieder dafür gebeten. Unterdes war's mir sehr lieb, daß die Operation draußen geschahe. Als sie hinaus waren, ließ mein Vetter die Schleppe fallen und trat vor mir hin: »Aber Vetter, so wahr ich Euer Famulus bin, Ihr seid viel gescheuter in Asia als Ihr in Europa seid! Was doch das Klima tut! Übrigens habt Ihr einen Kuß bei mir zugut. Kommt, wollen's gleich abmachen.« Indem kam der Chan wieder herein und hinter ihm das abgeschnittene Ohr in einer Porzellandose. Er nahm gleich Abschied, und war so gnädig mir seine Hand zu geben.


[148] DER CHAN: Leb Er wohl, Sieur Asmus! Er läßt einen Freund in Japan zurück. Grüß Er Herrn Lessing – und hier ist das Ohr des Albiboghoi!

ASMUS: Lebe wohl, Gott segne dich, und gebe dir langes Leben!


Ich steckte das Ohr bei, und blieb stehen und hielt noch des Chan seine Hand.


ASMUS: Ich habe noch eins auf dem Herzen, Sire. Wir haben in Nagasaki so viele Soldaten und Kanonen gesehn: wenn du irgend umhinkannst, lieber guter Fürst, so führe nicht Krieg. Menschenblut schreiet zu Gott und ein Eroberer hat keine Ruhe.


Und damit drückte ich ihm seine Hand, bückte mich und ging weg, und die Tränen standen mir in den Augen. Sobald wir zurück nach Nagasaki kamen, tat ich das Ohr in Spiritus, und band das Glas mit einer Blasen zu.

Täglich zu singen

Ich danke Gott, und freue mich
Wie 's Kind zur Weihnachtsgabe,
Daß ich bin, bin! Und daß ich dich,
Schön menschlich Antlitz! habe;
Daß ich die Sonne, Berg und Meer,
Und Laub und Gras kann sehen,
Und abends unterm Sternenheer
Und lieben Monde gehen;
Und daß mir denn zumute ist,
Als wenn wir Kinder kamen,
Und sahen, was der heil'ge Christ
Bescheret hatte, amen!
Ich danke Gott mit Saitenspiel,
Daß ich kein König worden;
Ich wär geschmeichelt worden viel,
Und wär vielleicht verdorben.
Auch bet ich ihn von Herzen an,
Daß ich auf dieser Erde
Nicht bin ein großer reicher Mann,
Und auch wohl keiner werde.
[149]
Denn Ehr und Reichtum treibt und bläht,
Hat mancherlei Gefahren,
Und vielen hat's das Herz verdreht,
Die weiland wacker waren.
Und all das Geld und all das Gut
Gewährt zwar viele Sachen;
Gesundheit, Schlaf und guten Mut
Kann's aber doch nicht machen.
Und die sind doch, bei Ja und Nein!
Ein rechter Lohn und Segen!
Drum will ich mich nicht groß kastein
Des vielen Geldes wegen.
Gott gebe mir nur jeden Tag,
Soviel ich darf zum Leben.
Er gibt's dem Sperling auf dem Dach;
Wie sollt er's mir nicht geben!

;

Lückenbüßer

Man will bemerken, daß die Stummen
Nicht deutlich sprechen, sondern brummen.

/ Christiani Zachaei Telonarchae Prolegomena

über »die neueste Auslegung der ältesten Urkunde des menschlichen Geschlechts«. In zweien Antwortschreiben an Apollonium Philosophum.


Ergo ubi commota feruet plebecula bile,
Fert animus calidae fecisse silentia turbae
Majestate manus – – –

Persius Sat. IV


1774. 11/2 Bogen in 4° auf Postpapier.

Die Plebecula hat außer der commota bile noch das Nebenverdienst, daß sie den Verfasser der neuesten Auslegung nicht versteht, und doch verstanden haben will, und darüber geschwätzig [150] wird; daher denn so 'n Wunder – Majestate manus –gar kein übler Einfall ist. Wir unsers Orts können auch diesen Rezensenten, nach so vielen und mancherlei Anzeigen der neuesten Auslegung, mit nichts Bessers vergleichen als mit dem bekannten Mann beim Virgil, der, wenn er sein Haupt über die Welle heraushebt, Majestate Oris und Manus alle windige, Beaux Esprits, Dog- und Schis-matiker, der Wasserwelt auf der Stelle Mores lehrt. Er gibt zuerst Kardinalpunkte der neuesten Auslegung an, und beantwortet denn einige vorläufige Fragen, doch alles nach seiner Art, d.i. daß er nicht schwätzt noch sagt, sondern nur Zeichen und Winke macht, der Leser aber viel zu denken und zu lernen hat. Übrigens ist er der Mamamuschi von 3 Federn, seiner Gansfeder, seiner Schwanenfeder und seiner Rabenfeder.

Als C. mit dem L. Hochzeit machte

Das Liseli sieht so freundlich aus,
Will heute Hochzeit machen;
Ein Engel Gottes soll ihr Haus
Und ihren Hof bewachen!
Soll ihren edlen Mann und sie
Ihr Lebelang bewachen,
Und 's gute fromme Liseli
Und ihn recht glücklich machen!
Und soll euch liebe Kinderlein
Die Hüll und Fülle geben:
Von Herzen, zart und fromm und rein,
Und hold und schön daneben!
Und Freund L – – – soll euch dort
Am Berge kopulieren;
Und ich will hier an meinem Ort
Trompet und Pauke rühren.

;

[151]

/An Prediger

Funfzehn Provinzialblätter. Leipzig. 1774. 118 Seiten in Octavo.


Alldieweil die Idee, die sich die Menschen, Philosophen und Nicht-Philosophen, Denker und Schafsköpfe, Leinweber und Staatsräte, Waschweiber und Hebammen, Procuratores und Prediger selbst, etc. von dem Predigerstande machen oder machen lassen, so verschieden und meistens so ungerecht wenigstens unrichtig sind; so erscheint hier ein Prediger, der die Würde seines Berufs kennt, und tut seinen Mund über seinen Stand auf, nicht zu Komplimenten und Federlesen, sondern zu geflügelten Sprüchen, mit der edlen Freimütigkeit eines Mannes der sich seines Werts und seiner guten Sache bewußt ist und den die Wahrheit kühn macht. »Ein Prediger ist nicht: un des quarants de l'Academie Ecclésiastique; ist keiner von den sieben Weisen Griechenlandes; kein Gemeinortkrämer und Lehrer der Weisheit und Tugend; kein Professor Moralium, der allenfalls im Staat zu tolerieren ist, weil er durch seine Diskurse Untertanen Gehorsam lehren, und die Zollregister und die Kasse der Fermiers Généraux verbessern kann, etc. sondern er ist ein Säemann, der nicht für diese sondern für eine bessere Welt säet; ein Lehrer der großen seligmachenden Lehre Gottes; ein Vater und Tröster seiner Gemeine; ein schwacher unwürdiger brechlicher Mensch, aber mit dem Blitz Gottes in der Hand, den er nicht von Menschen sondern von Gott erhalten hat, und den er nicht zu kleiner Eitelkeit noch zu etwas Geringerm braucht, als Mark und Bein, von Untertanen und Fürsten, zur Besserung und zum Empfängnis einer über alles herrlichen Seligkeit zu treffen und zu durchdringen« usw.

Es wird wohl nicht leicht jemand etwas gegen diese Vorstellung einzuwenden haben, und wenn es demgemäß von jeher wäre gehalten worden; so – wär's gut.

Obiges ist das Haupt-Corpus-Delicti dieser Blätter, durch das nebenher eine Ader läuft, von Wärme und Enthusiasmus für Wahrheit und die gute Sache, und von Erfinders Unruhe und Behendigkeit, daß man ein sonderliches Behagen an dem Büchel findet.

[152]

Der Maler der den Sokrates gemalt hatte

Sonst treff ich alle. Sagt mir an:
Warum nicht auch den Einen?

Antwort:

Sei erst, wie er, ein großer Mann,
Sonst male nur die Kleinen.

Der Mann im Lehnstuhl

Saß einst in einem Lehnstuhl still
Ein vielgelehrter Mann,
Und um ihn trieben Knaben Spiel
Und sahn ihn gar nicht an.
Sie spielten aber Steckenpferd,
Und ritten hin und her:
Hopp, hopp! und peitschten unerhört,
Und trieben 's Wesen sehr.
Der Alte dacht in seinem Sinn:
»Die Knaben machen's kraus;
Muß sehen lassen wer ich bin.«
Und damit kramt' er aus;
Und machte ein gestreng Gesicht,
Und sagte weise Lehr.
Sie spielten fort, als ob da nicht
Mann, Lehr, noch Lehnstuhl wär.
Da kam die Laus und überlief
Die Lung und Leber ihm.
Er sprang vom Lehnstuhl auf, und rief
und schalt mit Ungestüm:
»Mit dem verwünschten Steckenpferd!
Was doch die Unart tut!
Still da! ihr Jungens, still, und hört!
Denn meine Lehr ist gut.«
[153]
»Kann sein«, sprach einer, »weiß es nit,
Geht aber uns nicht an.
Da ist ein Pferd, komm reite mit;
Denn bist du unser Mann.«

;

Vorlesung an die Herren Subskribenten

Man hat schon in ganz uralten Zeiten Vorlesungen gehalten und zwar in arabischer und chaldäischer Sprache; ich darf aber glauben, daß vielleicht einige von meinen H.H. Subskribenten kein Arabisch und Chaldäisch verstehen, und gesetzt sie verstünden's auch alle, so habe ich doch meine Ursachen, warum ich keine arabische und chaldäische Vorlesung halten will.

Unter den Griechen hat der berühmte Aristoteles Vorlesungen an den König Alexander gehalten, der auf seine Werke subskribiert hatte. Dieser Alexander soll ganz Griechenland und halb Asien erobert haben, und wird der Große genannt. Er mag wohl groß gewesen sein, das will ich nicht streiten, doch kann ich's eben nicht groß finden, wenn einer alles vor der Faust wegnimmt, und in meinen Augen ist ein Fürst, der das Land was er hat gut regiert, viel größer.

Unter den Lateinern wüßte ich nicht gleich ein Subjekt das Vorlesungen gehalten hätte, es sind deren aber ohne Zweifel auch unter ihnen gewesen.

Was nun alle diese Leute vorgelesen haben das weiß ich nicht, wollte auch nur, daß ich wüßte, was meinen H.H. Subskribenten ein Vergnügen machen könnte, sollte mir nichts zu schlecht noch zu gut sein. Ich will so allerlei versuchen; ist's nicht das eine, so ist's vielleicht das andre. Zuerst

a) Das von dem Schneider und dem Elefanten in Surate

a) Das von dem Schneider und dem Elefanten
in Surate

Vorläufig muß ich sagen, daß hier die Rede von einem asiatischen Schneider sei der von den europäischen ganz verschieden ist. Ich habe einen nahen Anverwandten der 'n Schneider ist; der möchte sonst meinen, daß ich ihn und sein löbliches Handwerk beleidigen wollte, und das will ich nicht.

Der Elefant saß also an der Tür und der Schneider ward zur Tränke getrieben – umgekehrt! Der Elefant ward zur Tränke getrieben, [154] und der Schneider saß an der Tür und hatte Äpfel neben sich stehen; und als der Elefant an die Äpfel kam, stand er stille, streckte seinen Rüssel hin und holte einen nach dem andern weg. Der Schneider wollte die Äpfel lieber selbst essen, und als der Rüssel wieder kam, stach er mit seiner Nadel hinein und der Elefant sagte 'P''r''r''r''r''rm, und ging weiter zur Tränke, trank sich satt, und nahm einen Rüssel voll Wasser mit zurück. Und als er wieder an den Schneider kam, stellte er sich grade vor ihm hin und blies ihm das Wasser ins Gesicht und über den ganzen Leib, und ging weg.

Die Herren Menschen könnten von dem Elefanten etwas lernen, und sollten, wenn sie sich doch 'nmal rächen wollten, ihren Rüssel, wie er, nur voll Wasser nehmen; das wäre nicht ganz geschenkt, und Arm' und Beine blieben ganz. Sie dünken sich so doch mehr als Elefanten, und sind's auch. Ja wohl, die Menschen sind mehr als alle Tiere, das ist leicht zu beweisen wie folget:

»Die Biber und Elefanten werden für die klügsten unter allen Tieren gehalten; nun hat man aber, zu geschweigen daß bei beiden Tierarten nicht die geringste Spur von Subskription zu finden ist, niemals gehört, daß 'n Elefant einen Hexameter gemacht, oder die Biber einen Musenalmanach herausgegeben hätten. Beides vermögen aber die Menschen; sie haben schon viele Tausend Hexameter gemacht, und geben alljährlich an die sieben Musenalmanachs heraus, und der von Johann Heinrich Voß bei Carl Bohn soll bis dato der prinzipalste von allen sein; und also ist der Mensch prinzipaler als alle Tiere.«


Vor einiger Zeit beehrte mich ein Herr Subskribent mit einem Briefe, klagte darin über den Verfall des vaterländischen Briefstils und wünschte in dem Subskriptionsbüchel eine Abhandlung über den Briefstil und seine verschiedene Gattungen zu lesen. Er war so gut zu meiner großen Beschämung noch hinzuzusetzen, wie er glaube, daß ich der rechte Mann dazu sei, wenn ich nur wollte. Warum sollte ich nicht wollen? Wenn ich meinem Vaterlande dienen kann, von Herzen gerne!

b) Eine kurze Theorie über den Briefstil und die eilf Gattungen desselben

b) Eine kurze Theorie über den Briefstil
und die eilf Gattungen desselben

Der Briefstil, Stilus epistolaris, ist sehr verschieden, und kommt es dabei hauptsächlich auf den Briefsteller an. Es sind aber eilf [155] Gattungen desselben zu merken, wie die Tabelle umständlich auseinandersetzt und erweist.


1. mit der Post; 1) Stilus epistolaris ordinarius. In diesem Fall sind die Briefe geschrieben oder nicht. 6) Stilus extraordinarius. Wenn die Briefe nicht mit der Post kommen, so sind sie gestellt 1. schlecht und recht; 2) St. Simplex. oder mit Geschmack. 3) St. catarrhalis, a vocabulo graeco. Die simplices sind 1. von leblosen Substanzen; 7) St. per Prosopopoiiam. oder von Tieren. 8) St. Aesopicus 1. zugesiegelt; 4) St. sigillatus. oder betreffen das Land Wursten. 5) St. Geographicus. 9) St. Aëreus 10) St. Aquaticus 11) St. Terrestris.

c) Schreiben eines parforcegejagten Hirschen
an den Fürsten der ihn parforcegejagt hatte,
d.d. jenseit des Flusses

Ein Preisversuch der das Accessit erhalten. Ich führe ihn hier nur bloß an als eine Probe des Stilus Epistolaris Extraordinarius Aesopicus Terrestris, und weiß bis diese Stunde nicht, wo das Accessit geblieben ist; ich habe nichts gekriegt, sie schrieben mir aber in dem Briefe ich hätt's erhalten. Was den Inhalt anlangt, da kommt's mir freilich vor als wenn der Hirsch recht hätte; ich weiß aber nicht was dagegen gesagt werden kann, und denn bedaurt auch mancher einen Hirschen und würde ihn am ärgsten jagen wenn er nur könnte.


Durchlauchtiger Fürst,

Gnädigster Fürst und Herr!

Ich habe heute die Gnade gehabt, von Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht parforcegejagt zu werden; bitte aber untertänigst, daß Sie gnädigst geruhen, mich künftig damit zu verschonen. Ew. Hochfürstl. Durchl. sollten nur einmal parforcegejagt sein, so würden Sie meine Bitte nicht unbillig finden. Ich liege hier und mag meinen Kopf nicht aufheben, und das Blut läuft mir aus [156] Maul und Nüstern. Wie können Ihr Durchlaucht es doch übers Herz bringen, ein armes unschuldiges Tier, das sich von Gras und Kräutern nährt, zu Tode zu jagen? Lassen Sie mich lieber tot schießen, so bin ich kurz und gut davon. Noch einmal, es kann sein, daß Ew. Durchlaucht ein Vergnügen an dem Parforcejagen haben; wenn Sie aber wüßten, wie mir noch das Herz schlägt, Sie täten's gewiß nicht wieder, der ich die Ehre habe zu sein mit Gut und Blut bis in den Tod etc. etc.


S. 136 Z. 6 v.u. ist 'Habu statt 'Habubu, und an einem andern Ort dieses Büchels Dutzend für Halbdutzend gesetzt worden. Es gibt in der Folge wahrscheinlich noch mehr Druckfehler; die kann ich hier aber noch nicht anmerken, ob hier gleich dazu die beste Gelegenheit von der Welt wäre.

d) Die Geschichte des Konstantin Phaulkon

Konstantin Phaulkon war, daß ich's kurz mache, in Griechenland geboren, ging mit englischen Schiffen nach Siam, kam am dortigen Hofe erst zu kleiner und hernach zu großer Ehre und Herrlichkeit, so daß er sozusagen nach dem Kaiser der erste im Lande war, und unter andern allemal auf einem silbernen Sessel getragen ward. Unter diesen Umständen machte er mit dem de Forgues, Kommandanten der Festung Bankok, eine Verschwörung, den Monpi oder vielleicht sich selbst auf den Thron zu setzen, und den Petratja und die andern Reichsprätendenten auf die Seite zu schaffen. Die Verschwörung ward entdeckt, und das Blatt fing an sich mit dem Konstantin Phaulkon gewaltig zu wenden. Der Petratja warf ihm den 19. Mai 1659 den abgerissenen Kopf des Monpi vor die Füße, und lachte ihm dabei in die Zähne. Nach diesem Anfang ließ er ihn vierzehn Tage auf allerlei Art martern und quälen, und den funfzehnten auf einem Mistsessel nach dem Gerichtsplatz tragen, unterwegens aber bei seinem Hause anhalten, damit er vor seinem Tode noch alle seine Herrlichkeit zerstört sehen möchte. Seine Gemahlin lag hier gebunden in einem Stall, mit seinem jüngsten Sohn auf ihrem Schoß, und der älteste war seit einigen Tagen gestorben und lag tot neben ihr. Konstantin Phaulkon wollte Abschied von seiner Frau nehmen und sein Kind auf ihrem Schoß küssen; sie aber wollte nicht Abschied nehmen noch das Kind küssen lassen, spie ihn an und stieß ihn von sich, und so ward er weiter nach dem Gerichtsplatz getragen und jämmerlich hingerichtet.

[157] Beim Konstantin Phaulkon fällt es sehr in die Augen, daß man zu seinem Unglück groß werden kann; bei einigen fällt es nicht so sehr in die Augen, und sie sind doch im Grunde nicht weniger unglücklich als er.

e) Von den Jammabos oder Bergpriestern in Japan

Die Jammabos tragen einen Gürtel, darin linker Hand ein Wakisafi oder Dolch hängt, Wurzeln damit auszugraben, und rechter Hand ein Foranokai, oder Schülphorn, Wasser damit zu schöpfen. An den Füßen hat er Jatzuwono Warandje, Strohschuhe sehr bequem die Pönitenzberge zu ersteigen, in der Hand ein Sakkudsio oder Stäblein des Gottes Dsiso mit vier kupfernen Ringen damit er beim Gebet klingelt, und an der Schulter einen Oji, oder Beutel darin sein Gebetbuch liegt – und so geht er Tag und Nacht in den Einöden des wilden Gebirges Fusi und des hohen Fikoosan, und sucht die Glückseligkeit. Ob er sie findet das weiß Gott: aber ich suchte sie doch wahrlich auch lieber hier, als wo sie Konstantin Phaulkon suchte.

Will meinen Herren Subskribenten noch zum Beschluß etwas von der heiligen Wallfahrt der Japaneser nach Jisje erzählen. Man erzählt doch gern von seinen Reisen, und wer mir nicht auf mein Wort glauben will, kann den Kämpfer nachlesen, der auch in Japan gewesen ist, und ein sehr gutes Buch davon geschrieben hat. Er hat auch die Geschichte des Konstantin Phaulkon, viel umständlicher und besser als ich.

Ein jeder guter Japaneser muß wenigstens einmal in seinem Leben nach Jisje wallfahrten, zum Haupttempel ihres größten Gottes Tensjo Dain Sin; gewöhnlich wallfahrtet er aber alle Jahr dahin, und deswegen ist, sonderlich zu einer gewissen Jahrszeit, die Straße voll Pilger. Der Hof sollte es eigentlich auch tun; er macht sich's aber kommoder nach der beliebten Philosophie des Roosi, und schickt eine Deputation.

Die Pilger tragen auf dem Rücken eine aufgerollte Strohmatte, die des Nachts ihre Decke ist, haben einen Stab in der Hand, einen von Binsen geflochtenen weiten Hut auf dem Kopf, und einen Wasserschöpfer im Gürtel. Auf dem Hut und dem Wasserschöpfer steht des Pilgers Name und Geburtsort geschrieben.

Der Tempel, zu dem sie wallfahrten, liegt in einer Ebene, und ist von Holz klein und schlecht gebaut mit einem sehr niedrigen Strohdach. Inwendig ist nichts zu sehen, als ein Metallspiegel [158] in der Mitte, und, an den Wänden hin und her, weißes zerschnittenes Papier, und hinter dem Tempel ist eine kleine Kapelle »für den Geist«. Der Spiegel deutet auf die Allwissenheit des Tensjo Dain Sin, und das weiße Papier auf die Reinigkeit des Orts, und daß, wer sich ihm nahen will, ein reines Herz haben müsse. Um diesen Tempel stehen mehr als hundert andre Tempel minderer Gottheiten, zum Teil so klein, daß ein Mensch nicht darin stehen kann, und ein jeder Tempel hat seinen Wächter. Wenn ein Pilger ankömmt, meldet er sich bei einem der Canusj oder Geistlichen. Der läßt ihn erst durch seine Unterküster bei den Nebentempeln herumführen und ihm die Namen und Taten ihrer Gottheiten erklären, und endlich führt er ihn selbst an die Gittertür des Haupttempels. Hier kniet der Pilger demütig nieder, legt seine Stirne auf die Erde und bringt sein Anliegen vor, und hernach gibt er eine Gabe und wird von dem Canusj bewirtet und beherbergt. Überall in der Gegend um Jisje wohnen viele Nege, Tempelherren, oder Taije, Boten Gottes, die zur Beherbergung und Verpflegung der Pilger Wohnungen unterhalten.

Wenn der Pilger nun solchergestalt seine Andacht verrichtet hat, erhält er von dem Canusj 'n Ofarrai oder Ablaßzeichen, denn Farrai heißt auf japansch säubern, reinigen. Dieser Ofarrai ist eine kleine viereckigte Schachtel, etwa acht Zoll breit und einen und einen halben tief; sie ist von Tannenholz gemacht und voll dünne Stäbchen von ebendem Holz, die so lang als die Schachtel, und jedes säuberlich in rein Papier eingewickelt sind; vorn auf der Schachtel steht mit großen Buchstaben der Name des Tensjo Dain Sin, und unten der Name des Canusj. Der Pilger empfängt diese Holzware mit großer Ehrerbietigkeit, heftet sie vorn unter den Hut, und hinten am Hut ein Strohbündel dagegen, und trägt sie so auf seiner Stirn zu Hause. Hier werden denn die Ofarrais Mannes hoch an einem Leisten nach den Jahren aufgehängt, und wenn dem Japaneser bei Tage oder Nacht das Herz schwer ist, sieht er seine Ofarrais an, und wird besser.

Ich bitte die Herren Subskribenten um Vergebung, daß ich so lange von den Jammabos und Pilgern erzähle; aber ich kann mir nicht helfen. Ein Mensch, dem es in Ernst um Glückseligkeit zu tun ist und der im frommen einfältigen Glauben alles das, wonach andre sich die Beine ablaufen, kaltblütig oder mit verbissenen Zähnen vorbeigeht, 'n solcher Mensch, wo ich ihn auch treffe, ist für mich sehr rührend, und ich kann nicht wieder weg. Gott [159] höre jeden, der auf dem Fusi klingelt, und der vor der Gittertür zu Jisje seine Stirn auf die Erde legt! Und das tut auch Gott, glaub ich, denn ist er nicht auch der Japaneser Gott? Freilich ist er auch der Japaneser Gott.

Also nochmals um Vergebung, wenn einige Herren Subskribenten bei dieser Erzählung Langeweile gehabt haben! Auf der andern Seite ist eine kleine Kollation veranstaltet; und ich will bitten, sich's gut schmecken zu lassen und gütigst vorliebzunehmen.

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Auskunft über diesen Holzschnitt


  • 1) Böte mit Subskribenten.
  • 2) Ein plattes Fahrzeug mit den Exemplaren des dritten Teils.
  • 3) Eine Gallion darauf sich die Herren Collecteurs befinden.
  • 4) Eine Jacht darauf sich die Herren Gelehrten und Trompeten und Pauken befinden.
  • 5) Eine dito mit denen Herren Buchhändlern. Da ich ihnen nach meinen Umständen nicht auf eine andre Art gefällig sein kann, so habe ich mir hier die Ehre von ihnen ausbitten wollen.
  • 6) Herr Ahrens, der dem Geruch der kalten Küche nachgeht.
  • 7) Ein Haus darin die ganze Gesellschaft, wenn sie wieder an Land kömmt, mit kalter Küche und allerhand Erfrischungen bedient werden soll.
  • 8) Eine Partei Digestivpulver nach dem Souper.
  • 9) Meine alte Muhme die sich über die Fete nicht genug wundern und freuen kann.
  • 10) Ein armierter Schoner mit den Herren Kritikern und Rezensenten. Sie sind hier auf den Strand geraten, und ich und Andres suchen sie wieder flottzumachen.
  • 11) Der Nachdrucker des 1. und 2. Teils der am Ufer hin und her läuft und nach dem platten Fahrzeug hinsieht, wie eine Henne die junge Enten ausgesessen hat. Ihm soll hernach von allem reichlich vorgesetzt werden, und Herr Ahrens soll ihn bei der Gelegenheit vermahnen.

[160][162]

Nach der Krankheit 1777

Ich lag und schlief; da fiel ein böses Fieber
Im Schlaf auf mich daher,
Und stach mir in der Brust und nach dem Rücken über,
Und wütete fast sehr.
Es sprachen Trost, die um mein Bette saßen;
Lieb Weibel grämte sich,
Ging auf und ab, wollt sich nicht trösten lassen,
Und weinte bitterlich.
Da kam Freund Hain: »Lieb Weib, mußt nicht so grämen,
Ich bring ihn sanft zur Ruh«:
Und trat ans Bett, mich in den Arm zu nehmen,
Und lächelte dazu.
Sei mir willkommen, sei gesegnet, Lieber!
Weil du so lächelst; doch
Doch, guter Hain, hör an, darfst du vorüber,
So geh und laß mich noch!
»Bist bange, Asmus? – Darf vorübergehen
Auf dein Gebet und Wort.
Leb also wohl, und bis auf Wiedersehen!«
Und damit ging er fort.
Und ich genas! Wie sollt ich Gott nicht loben!
Die Erde ist doch schön,
Ist herrlich doch wie seine Himmel oben,
Und lustig drauf zu gehn!
Will mich denn freun noch, wenn auch Lebensmühe
Mein wartet, will mich freun!
Und wenn du wiederkömmst, spät oder frühe,
So lächle wieder, Hain!

;

[162]

Den Pythagoras betreffend

Hinz und Kunz.


HINZ:
Sie machen vom Pythagoras viel Wesen,
Als wär ein solcher Mann noch nie gewesen.
Er ist vielleicht ein Lumen bei den Alten;
Doch sollt er uns die Stange halten?
Was meinst du, Kunz, auf deine Ehr?
KUNZ:
Das tät er schwerlich, Herr Compeer!

Über das Gebet, an meinen Freund Andres

Es ist sonderbar, daß Du von mir eine Weisung übers Gebet verlangst; und Du verstehst's gewiß viel besser als ich. Du kannst so in Dir sein, und auswendig so verstört und albern aussehen, daß der Priester Eli, wenn er Dein Pastor loci wäre, Dich leicht in bösen Ruf bringen könnte. Und das sind gute Anzeichen, Andres. Denn wenn das Wasser sich in Staubregen zersplittert, kann es keine Mühle treiben, und wo Klang und Rumor an Tür und Fenstern ist, passiert im Hause nicht viel.

Daß einer beim Beten die Augen verdreht etc. find ich eben nicht nötig, und halte ich's besser: natürlich! Indes muß man einen darum nicht lästern wenn er nicht heuchelt; doch daß einer groß und breit beim Gebet tut, das muß man lästern, dünkt mich, und ist nicht auszustehen. Man darf Mut und Zuversicht haben, aber nicht eingebildet und selbstklug sein; denn weiß einer sich selbst zu raten und zu helfen, so ist ja das kürzeste daß er sich selbst hilft. Das Händefalten ist eine feine äußerliche Zucht, und sieht so aus als wenn sich einer auf Gnade und Ungnade ergibt und 's Gewehr streckt etc. Aber das innerliche heimliche Hinhängen, Wellenschlagen und Wünschen des Herzens, das ist nach meiner Meinung beim Gebet die Hauptsache, und darum kann ich nicht begreifen was die Leute meinen, die nichts von Beten wissen wollen. Ist ebensoviel als wenn sie sagten, man solle nichts wünschen oder man solle keinen Bart und keine Ohren haben. Das müßte ja 'n hölzerner Bube sein der seinen Vater niemals etwas zu bitten hätte, und erst 'n halben [163] Tag deliberierte, ob er's zu der Extremität wolle kommen lassen oder nicht. Wenn der Wunsch inwendig in Dir Dich nahe angeht, Andres, und warmer Komplexion ist; so wird er nicht lange anfragen, er wird Dich übermannen wie 'n starker gewappneter Mann, wird sich kurz und gut mit einigen Lumpen von Worten behängen und am Himmel anklopfen.

Aber das ist eine andre Frage, was und wie wir beten sollen. Kennt jemand das Wesen dieser Welt, und trachtet er ungeheuchelt nach dem was besser ist; denn hat's mit dem Gebet seine gewiesene Wege. Aber des Menschen Herz ist eitel und töricht von Mutterleibe an. Wir wissen nicht was uns gut ist, Andres, und unser liebster Wunsch hat uns oft betrogen! Und also muß man nicht auf seinem Stück stehen, sondern blöde und diskret sein, und dem lieber alles mit anheimstellen der's besser weiß als wir.

Ob nun das Gebet einer bewegten Seele etwas vermag und würken kann, oder ob der Nexus Rerum dergleichen nicht gestattet, wie einige Herren Gelehrte meinen, darüber lasse ich mich in keinen Streit ein. Ich hab allen Respekt für den Nexus Rerum, kann aber doch nicht umhin dabei an Simson zu denken, der den Nexus der Torflügel unbeschädigt ließ und bekanntlich das ganze Tor auf den Berg trug. Und kurz, Andres, ich glaube, daß der Regen wohl kömmt wenn es dürre ist und daß der Hirsch nicht umsonst nach frischem Wasser schreie, wenn einer nur recht betet und recht gesinnt ist.

Das »Vater Unser« ist ein für allemal das beste Gebet, denn Du weißt, wer's gemacht hat. Aber kein Mensch auf Gottes Erdboden kann's so nachbeten wie der 's gemeinet hat; wir krüppeln es nur von ferne, einer noch immer armseliger als der andere. Das schadt aber nicht, Andres, wenn wir's nur gut meinen; der liebe Gott muß so immer das Beste tun, und der weiß wie's sein soll. Weil Du's verlangst, will ich Dir aufrichtig sagen, wie ich's mit dem »Vater Unser« mache. Ich denke aber, 's ist so nur sehr armselig gemacht, und ich möchte mich gerne eines Bessern belehren lassen.

Sieh, wenn ich's beten will, so denk ich erst an meinen seligen Vater, wie der so gut war und mir so gerne geben mochte. Und denn stell ich mir die ganze Welt als meines Vaters Haus vor; und alle Menschen in Europa, Asia, Afrika und Amerika sind denn in meinen Gedanken meine Brüder und Schwestern; und Gott sitzt im Himmel auf einem goldnen Stuhl, und hat seine [164] rechte Hand übers Meer und bis ans Ende der Welt ausgestreckt, und seine linke voll Heil und Gutes, und die Bergspitzen umher rauchen – und denn fang ich an:


Vater Unser der du bist im Himmel. Geheiliget werde dein Name.


Das versteh ich nun schon nicht. Die Juden sollen besondre Heimlichkeiten von dem Namen Gottes gewußt haben. Das lasse ich aber gut sein und wünsche nur, daß das Andenken an Gott, und eine jede Spur, daraus wir ihn erkennen können, mir und allen Menschen über alles groß und heilig sein möge.


Zu uns komme dein Reich.


Hiebei denk ich an mich selbst, wie's in mir hin und her treibt und bald dies bald das regiert, und daß das alles Herzquälen ist und ich dabei auf keinen grünen Zweig komme. Und denn denk ich, wie gut es für mich wäre, wenn doch Gott all Fehd ein Ende machen und mich selbst regieren wollte.


Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden.


Hiebei stell ich mir den Himmel mit den heiligen Engeln vor die mit Freuden seinen Willen tun, und keine Qual rühret sie an, und sie wissen sich vor Liebe und Seligkeit nicht zu retten, und frohlocken Tag und Nacht; und denn denk ich: wenn es doch also auch auf Erden wäre!


Unser täglich Brot gib uns heute.


'n jeder weiß was täglich Brot heißt, und daß man essen muß solange man in der Welt ist, und daß es auch gut schmeckt. Daran denk ich denn. Auch fallen mir wohl meine Kinder ein, wie die so gerne essen mögen und so flugs und fröhlich bei der Schüssel sind. Und denn bet ich, daß der liebe Gott uns doch etwas wolle zu essen geben.


Und vergib uns unsre Schuld als wir vergeben unsern Schuldigern.


Es tut weh wenn man beleidigt wird, und die Rache ist dem Menschen süß. Das kömmt mir auch so vor, und ich hätte wohl Lust dazu. Da tritt mir aber derSchalksnecht aus dem Evangelio unter die Augen: und mir entfällt das Herz, und ich nehm's mir vor, daß ich meinem Mitknecht vergeben und ihm kein Wort von den hundert Groschen sagen will.

[165] Und führe uns nicht in Versuchung.


Hier denk ich an allerhand Exempel, wo Leute unter den und jenen Umständen vom Guten abgewichen und gefallen sind, und daß es mir nicht besser gehen würde.


Sondern erlöse uns von dem Übel.


Mir sind hier die Versuchungen noch im Sinn, und daß der Mensch so leicht verführt werden, und von der ebnen Bahn abkommen kann. Zugleich denk ich aber auch an alle Mühe des Lebens, an Schwindsucht und Alter, an Kindesnot, Kalten Brand und Wahnsinn, und das tausendfältige Elend und Herzeleid das in der Welt ist und die armen Menschen martert und quält, und ist niemand der helfen kann. Und Du wirst finden, Andres! wenn die Tränen nicht vorher gekommen sind, hier kommen sie gewiß, und man kann sich so herzlich heraussehnen, und in sich so betrübt und niedergeschlagen werden, als ob gar keine Hülfe wäre. Denn muß man sich aber wieder Mut machen, die Hand auf den Mund legen, und wie im Triumph fortfahren:


Denn dein ist das Reich, und die Kraft und die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen.

Die Geschichte von Goliath und David,
in Reime bracht
1

War einst ein Riese Goliath
Gar ein gefährlich Mann!
Er hatte Tressen auf dem Hut
Mit einem Klunker dran,
Und einen Rock von Drap d'argent
Und alles so nach advenant.

2

An seinen Schnurrbart sah man nur
Mit Gräsen und mit Graus,
Und dabei sah er von Natur
Pur wie der – aus.
[166][169]
Sein Sarras war, man glaubt es kaum,
So groß schier als ein Weberbaum.

3

Er hatte Knochen wie ein Gaul,
Und eine freche Stirn,
Und ein entsetzlich großes Maul,
Und nur ein kleines Hirn;
Gab jedem einen Rippenstoß,
Und flunkerte und prahlte groß.

4

So kam er alle Tage her,
Und sprach Israel Hohn.
»Wer ist der Mann? Wer wagt's mit mir?
Sei Vater oder Sohn,
Er komme her der Lumpenhund,
Ich bax 'n nieder auf den Grund.«

5

Da kam in seinem Schäferrock
Ein Jüngling zart und fein;
Er hatte nichts als seinen Stock,
Als Schleuder und den Stein,
Und sprach: »Du hast viel Stolz und Wehr,
Ich komm im Namen Gottes her.«

6

Und damit schleudert' er auf ihn,
Und traf die Stirne gar;
Da fiel der große Esel hin
So lang und dick er war.
Und David haut' in guter Ruh
Ihm nun den Kopf noch ab dazu.
Trau nicht auf deinen Tressenhut,
Noch auf den Klunker dran!
Ein großes Maul es auch nicht tut:
Das lern vom langen Mann;
Und von dem kleinen lerne wohl:
Wie man mit Ehren fechten soll.

;

[169]

Brief an Andres wegen den Geburtstägen
im August 1777

Mein lieber Andres,

Wir haben einen recht lustigen Tag gehabt. Du weißt wohl, ich habe vieles nicht, aber 'n Geburtstag hab ich doch, und der ist gefeiert worden. Mein Vetter stellte vier Gevattern und Freunden, die alle im August geboren sind, zu Ehren 'n Fest an, und da war er so graziös, meinen Geburtstag mit einzuschließen. »Denn«, sagt er, »Ihr seid doch mein lieber Vetter.« Wir feierten also die fünf Geburtstäge. Merk aber, wie wir ihm täten.

Des Morgens vor Sonnenaufgang las ich 'n Kapitel in der Bibel, legte drauf meine rote Weste an, die ich in Japan bei der Audienz anhatte, und sah darin die Sonne aufgehen, und weckte denn alle Leut im Hause. Eine Stunde drauf feuert ich 'n Pistolenschuß los. Ich habe die Pistole noch von meinen Reisen mitbracht, und sie knallt gut wenn sie recht geladen ist, diesmal war aber durch 'n Versehn das meiste auf die Pfanne gekommen. Nachdem nun solchermaßen dem Publiko war kundgetan worden was den Tag werden sollte, waren wir einige Stunden ganz stille, den Effekt davon abzuwarten; doch wuschen wir uns während der Zeit alle im klaren Bach das Gesicht, damit es recht fröhlich aussehe, und gingen 'n kleines am Bach auf und nieder.

Um sieben Uhr ward 'n Signal gegeben, daß das Frühstück parat sei, und wir züngelten 'n wenig, und nach dem Frühstück ging 's Glückwünschen an. Die fünf Geburtstagsleute waren H – am – l, – r in W –, – y in – g, – n in – i, und ich. Die beiden letzten als nämlich – und ich, waren gegenwärtig, die drei ersten aber nicht. Wir beide empfingen also von der ganzen Gesellschaft einen Glückwunsch und Handschlag; die Abwesenden aber wurden mit Kreide auf dem Tisch gemalt, und 'n jeder von der Gesellschaft machte 'n Strich zu ihren Füßen. Weiter wurden nun allerhand Gespräche von Geburtstägen geführt, und wie Personen bei dieser Gelegenheit in Excessu oder in Defectu peccieren, Geschichten erzählt, Fragen aufgegeben, z. Ex. warum 'n Geburtstag nur alle Jahr einmal kömmt usw.

Um zwölf Uhr ward zur Tafel geblasen, und weil grade keine Trompeten und Pauken zur Hand waren, mußte ich's auf'm Triangel tun. Die Tafel war von acht Kuverts, und drei Gängen. Zuerst Reisbrei in einer großen Schale mitten auf dem Tisch, und nach kurzer Weile auch auf acht Teller rund um die Schale; [170] denn kam Butter und Kalbfleisch; und zuletzt Kuchen. Du siehst draus, daß wir hoch schmausten; zugleich kannst Du aber daraus sehen, daß der Luxus seit Abrahams Zeit um ein Drittel gestiegen ist. Mein Vetter spendierte auch einige Flaschen guten Wein, die denn gewaltig würkten und vor Gesundheiten, die aus dem Munde herauskamen, kaum hineinkommen konnten, und die Pistole brummte immer drein und zerarbeitete sich recht.

Es ist mir lieb, daß Deinem Jost die Knollen am Halse wieder vergangen sind. 's ist im ganzen menschlichen Leben so, Andres. Es werfen sich aber von Zeit zu Zeit Knollen auf; ich hab aber bemerkt, daß sie meistens auch wieder vergehen wenn man nur Geduld hat. Und denn so kommt 'nmal so 'n Geburtstag oder sonst etwas, und macht einen auf lange Zeit alle Knollen vergessen.

Nach der Tafel ward von jung und alt eine große Promenade in den Wald vorgenommen. Die Schapoos machten bei der Gelegenheit allerhand Sprünge wie die Ziegenböcke, und die Weibsleute kramten mit Blumen.



Hätt's bald vergessen, Dir zu melden. Ich habe mir seitdem eine Kanone angeschafft, die gar vortreffliche Dienste tut, und viel Metall in der Stimme hat. Wenn Du nun Geburtstag, Kindtaufe, oder sonst was zu kanonieren hast, lieber Andres, 's sei was es wolle; so schreib's mir nur, soll so gut besorgt werden als wenn's meine eigne Sache wäre.

Um fünf Uhr kamen wir wieder zu Hause, und ward gleich Ordre gegeben daß die Oper angehen sollte. Sie war von meinem Vetter, und führte den Titel: Ahasverus und Mardochai. Es war eigentlich eine Wandoper die so mit einem Stock an der Wand vorgestellt wird, und erhielt allgemeinen Beifall.

Nach der Oper wurden Bäume gepflanzt, damit die Kinder und Kindeskinder sich dabei dieses Tages erinnerten, und sich von den vier Gevattern und der Pistole und der Oper Ahasverus und Mardochai erzählten.

[171] Abends war wieder Grand Souper von Kartoffeln und Kaltenhöfer Bier; und damit war's alle, wirst Du denken. Das dacht ich auch; aber höre weiter. Es hatte schon den ganzen Tag gemunkelt, daß 'n Feuerwerk abgebrannt werden sollte; nun ward es aber hautement deklariert, und die ganze Gesellschaft begab sich in Prozession hinten in meines Vetters Garten neben dem Echafaud, das Feuerwerk anzusehen. Es bestand aus einem Petermännchen von anderthalb Zoll und reussierte ungemein. Weil so'n Ding gar zu herrlich anzusehen ist, hab ich mir von meinem Vetter das Rezept ausgebeten, und will's Dir hier kommunizieren. »Man nimmt 2 Lot Pulver, reibt es klein und tut Brunnenwasser dazu quantum satis; denn wird's 'n Teig, und man formt es, entweder kegelförmig wie 'n Kirchturm oder viereckigt wie die Pyramiden in Ägypten waren, tut oben darauf einige Körner trockenes Pulver und zündet's an.« Du mußt aber alles Pulver, wenn Du noch welches hast, vorher auf die Seite tun, auch Dich überhaupt mit dem Pulver in acht nehmen, sonst kannst Du Dir die Nase verbrennen. Um 10 Uhr 8 Minuten ging das Feuerwerk an, und währte bis 10 Uhr 8 1/3 Minute. – Du lachst Andres? Hör, das Groß und Viel tut's nicht immer, und ich schwöre Dir, daß der Großsultan, wenn er an seinem Geburtstag ein Feuerwerk von 20000 Löwentaler abbrennen laßt, nicht vergnügter sein kann, als wir bei dem Petermännchen von anderthalb Zoll waren. Der Mensch ist gottlob so gebaut, daß er mit anderthalb Zoll recht glücklich sein kann, und wenn das die Leute nur recht wüßten, so würde 'n groß Teil Ach und Weh weniger in der Welt sein. Da mischen sich aber gleich Eitelkeit und Stolz ein, und die hemmen allen Genuß, und das ist ein großes Unglück.

Um eilf Uhr gingen wir zu zu Bett, und schliefen flugs und fröhlich ein. Dein etc.

Rheinweinlied

Bekränzt mit Laub den lieben vollen Becher,
Und trinkt ihn fröhlich leer.
In ganz Europia, Ihr Herren Zecher!
Ist solch ein Wein nicht mehr.
Er kommt nicht her aus Hungarn noch aus Polen,
Noch wo man franzmännsch spricht;
[172]
Da mag Sankt Veit, der Ritter, Wein sich holen,
Wir holen ihn da nicht.
Ihn bringt das Vaterland aus seiner Fülle;
Wie wär er sonst so gut!
Wie wär er sonst so edel, wäre stille
Und doch voll Kraft und Mut!
Er wächst nicht überall im deutschen Reiche;
Und viele Berge, hört,
Sind, wie die weiland Kreter, faule Bäuche,
Und nicht der Stelle wert.
Thüringens Berge zum Exempel bringen
Gewächs sieht aus wie Wein;
Ist's aber nicht. Man kann dabei nicht singen,
Dabei nicht fröhlich sein.
Im Erzgebirge dürft Ihr auch nicht suchen,
Wenn Ihr Wein finden wollt.
Das bringt nur Silbererz und Koboldkuchen,
Und etwas Lausegold.
Der Blocksberg ist der lange Herr Philister,
Er macht nur Wind wie der;
Drum tanzen auch der Kuckuck und sein Küster
Auf ihm die Kreuz und Quer.
Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben;
Gesegnet sei der Rhein!
Da wachsen sie am Ufer hin, und geben
Uns diesen Labewein.
So trinkt ihn denn, und laßt uns allewege
Uns freun und fröhlich sein!
Und wüßten wir wo jemand traurig läge,
Wir gäben ihm den Wein.

[173] Hussans Dedikation seiner Kriegslieder
an Ali Bey

Dein Hussan sang dir diese Lieder,
Fein frech und wahr nach seiner Art.
Er sah oft als er sang auf seine Narben nieder,
Und strich sich oft den Knebelbart.

Motetto,

als der erste Zahn durch war


Victoria! Victoria!
Der kleine weiße Zahn ist da.
Du Mutter! komm, und groß und klein
Im Hause! kommt, und kuckt hinein,
Und seht den hellen weißen Schein.
Der Zahn soll Alexander heißen.
Du liebes Kind! Gott halt ihn Dir gesund,
Und geb Dir Zähne mehr in Deinen kleinen Mund,
Und immer was dafür zu beißen!
;

Eine Korrespondenz
zwischen mir und meinem Vetter,

angehend die Orthodoxie und Religionsverbesserungen


Hochgelahrter,

Hochzuehrender Herr Vetter!

Ich habe seit einiger Zeit so viel von biblischer und vernünftiger Religion, von orthodoxen und philosophischen Theologen etc. gehört, daß mir alles im Kopf rundum geht, und ich nicht mehr weiß wer recht und unrecht hat. Die Religion aus der Vernunft verbessern, kömmt mir freilich ebenso vor, als wenn ich die Sonne nach meiner alten hölzernen Hausuhr stellen wollte; aber auf der andern Seite dünkt mir auch die Philosophie 'n gut Ding, und vieles wahr was den Orthodoxen vorgeworfen wird. Der Herr Vetter tut mir einen wahren Gefallen, wenn Er mir die Sach auseinandersetzt. Sonderlich ob die Philosophie ein Besen sei, den Unrat aus dem Tempel auszukehren; und ob ich meinen Hut [174] tiefer vor einem orthodoxen oder philosophischen Herrn Pastor abnehmen muß. Der ich die Ehre habe mit besonderm Estim zu verharren,


Meines Hochgelahrten,

Hochzuehrenden Herrn Vetters

gehorsamer Diener und Vetter Asmus.

Antwort

Lieber Vetter,

Die Philosophie ist gut, und die Leute haben unrecht, die ihr so gar Hohn sprechen; aber Offenbarung verhält sich nicht zu Philosophie wie viel und wenig, sondern wie Himmel und Erde, Oben und Unten! Ich kann's Ihm nicht besser begreiflich machen, als mit der Seekarte die Er von dem Teich hinter Seines sel. Vaters Garten gemacht hatte. Er pflegte gern auf dem Teich zu schiffen, Vetter, und hatte sich deswegen auf Seine eigne Hand eine Karte von allen Tiefen und Untiefen des Teichs gemacht, und darnach schiffte Er nun herum, und 's ging recht gut. Wenn nun aber ein Wirbelwind, oder die Königin von Otahite, oder eine Wasserhose Ihn mit Seinem Kahn und mit Seiner Karte aufgenommen und mitten auf dem Ozean wieder niedergesetzt hätte, Vetter, und Er wollte hier nun auch nach Seiner Karte schiffen; das ginge nicht. Der Fehler ist nicht an der Karte, für den Teich war sie gut; aber der Teich ist nicht der Ozean, sieht Er. Hier müßte Er sich eine andre Karte machen, die aber freilich ziemlich in Blanko bleiben würde, weil die Sandbänke hier sehr tief liegen. Und Vetter, schifft hier nur immer gradezu; auf 'n Meerwunder mögt Ihr stoßen, auf den Grund stoßt Ihr nicht.

Hieraus mögt Ihr nun selbst urteilen, wieweit die Philosophie ein Besen sei die Spinnweben aus dem Tempel auszufegen. Sie kann auf gewisse Weise 'n solcher Besen sein, ja; mögt sie auch einen Hasenfuß nennen, den Staub von den heiligen Statuen damit abzukehren. Wer aber damit an den Statuen selbst bildhauen und schnitzen will, seht, der verlangt mehr von dem Hasenfuß als er kann, und das ist höchst lächerlich und ärgerlich anzusehen. Paulus, der vieles in der Welt versucht hatte, der auch 'n Sadduzäer und Fort Esprit gewesen und hernach eines andern war belehrt worden, bei allem seinen Enthusiasmus für das neueSystem, doch aber in seinem Brief an die Römer die Dialektik [175] noch so gut treibt und versteht als einer: dieser alte erfahrne Mann sagt, und bringt darauf seine alten Tage in viel Arbeit und Fährlichkeit zu, und läßt sich fünfmal vierzig Streiche weniger eins darauf geben »daß der Friede Gottes höher sei denn alle Vernunft!« – und so 'n Gelbschnabel will räsonieren.

Daß das Christentum alle Höhen erniedrigen, alle eigne Gestalt und Schöne, nicht wie die Tugend mäßigen und ins Gleis bringen, sondern wie die Verwesung gar dahinnehmen soll, auf daß einNeues daraus werde: das will freilich der Vernunft nicht ein; das soll es aber auch nicht, wenn's nur wahr ist. Wenn dem Abraham befohlen ward aus seinem Vaterlande und von seiner Freundschaft und aus seines Vaters Hause auszugehen in ein Land das ihm erst gezeigt werden sollte; meinst Du nicht, daß sich sein natürlich Gefühl dagegen gesträubt habe, und daß die Vernunft allerhand gegründete Bedenklichkeiten und stattliche Zweifel dagegen hätte vorzubringen gehabt. Abraham aber glaubte aufs Wort, und zog aus. Und es ist und war kein anderer Weg; denn aus Haran konnte er das Gelobte Land nicht sehen, und Niebuhrs Reisebeschreibung war damals noch nicht heraus. Hätte sich Abraham mit seiner Vernunft in Wortwechsel abgegeben; so wäre er sicherlich in seinem Vaterlande und bei seiner Freundschaft geblieben, und hätte sich's wohl sein lassen. Das Gelobte Land hätte nichts dabei verloren, aber er wäre nicht hineingekommen. Seht, Vetter, so ist's, und so steht's in der Bibel.

Da also die heiligen Statuen durch die Vernunft nicht wiederhergestellt werden können; so ist's patriotisch, in einem hohen Sinn des Worts, die alte Form unverletzt zu erhalten, und sich für ein Tüttel des Gesetzes totschlagen zu lassen. Und wenn das ein orthodoxer Herr Pastor heißt; so könnt Ihr für so einen den Hut nicht tief genug abnehmen. Sie heißen aber noch sonst was orthodox.

Nun lebt wohl, lieber Vetter, und wünscht Frieden, laßt Euch übrigens aber den Streit und das Feldgeschrei kein Haar nicht krümmen, und braucht die Religion klüger als sie. – Da steht mir Potiphars Weib vor Augen! Du kennst doch die Potiphar? Diesesanguinische und rheumatische Person packte den Mantel, und Joseph flohe davon. Über das Point saillant, über den Geist der Religion kann nicht gestritten werden, weil den, nach der Schrift, niemand kennt als der ihn empfähet, und denn nicht mehr Zeit zu zweifeln und zu streiten ist.

[176] In summa Vetter, die Wahrheit ist ein Riese der am Wege liegt und schläft, die vorübergehen, sehn seine Riesengestalt wohl, aber ihn können sie nicht sehen, und legen den Finger ihrer Eitelkeit vergebens an die Nase ihrer Vernunft. Wenn er den Schleier wegtut wirst Du sein Antlitz sehen. Bis dahin muß unser Trost sein, daß er unter dem Schleier ist, und gehe Du ehrerbietig und mit Zittern vorüber, und klügle nicht lieber Vetter etc.

Parentation über Anselmo,

gehalten am ersten Weihnachttage,


NB. nicht in der Kirche sondern nur im Zimmer neben dem offenen Sarge, und war niemand da als Andres.


Andres, hier liegt er! Aber er hört und sieht uns nicht mehr. Anselmo ist tot, unser lieber Anselmo! Wie ist Dir zumut, Andres?

Er pflegte, wie Du weißt, die Welt 'n Krankenhospital zu nennen, darin die Menschen bis zu ihrer Genesung verpflegt werden. Er ist nun genesen, und hat seinen Hospitalkittel ausgezogen. Und wir stehn neben dem Kittel, und haben ihn nicht mehr, und finden so einen Anselmo nicht wieder.

Wie ist Dir zumut, Andres?

Er war fromm und geduldig, und die Engel haben seine Seele gewiß grade in Abrahams Schoß getragen.

Sieh her! Er sieht noch aus, als da er lebte, nur hat ihn der Tod blaß gemacht. Der Tod macht blaß, Andres!

Hast Du wohl eher eine Leiche in voller Verwesung gesehen?

Solange noch die Gestalt da ist, dünkt's einen, als wäre der Freund noch nicht ganz verloren. Er wohnt zwar jenseit des Wassers, daß wir nicht zu ihm können; doch wohnt er noch da, und wir können doch seinen Schornstein rauchen sehn. Aber auch das darf nicht so bleiben eh es wieder vorwärtsgehen kann; das hat Gott so geordnet. Anselmo muß ganz weg aus unsern Augen, muß Asche und Staub werden.

Ich bin so betrübt, Andres. Wollte Dich gerne trösten, aber ich kann nicht. Lehne Dich an die Wand oder in eine Ecke, und weine Dich satt; ich will mich hier hinsetzen, und 'n Kopf wider den Sarg stützen – – – – – – – – – – – – – – – [177] Es ist doch alles eitel und vergänglich, Sorge, Furcht, Hoffnung, und zuletzt der Tod! – – – Die Zeit wird kommen, Andres, wo sie uns auch in Leinen wickeln und in einen Sarg legen. Laß uns tun, lieber Junge, was wir denn gerne möchten getan haben, und unser Vertrauen auf Gott setzen!

– Und nun Abschied nehmen, Andres. Wir können ihm doch nichts mehr helfen.

Ich habe hier einen Blumenstrauß, den will ich ihm noch in den Sarg legen; schenk Du ihm Dein kleines Silberkreuz, und leg's ihm auf die Brust. Und denn wollen wir beide hintreten und ihn zu guter Letzt noch einmal ansehen.

Anselmo! Lieber Anselmo mit Deinen blassen gefaltenen Händen, schlafe wohl! Gott sei mit Dir!! O Du lieber Herzens-Anselmo!!! Gott sei mit Dir!!!!

– Wir werden uns wiedersehen –

Und komm, Andres, und gutes Muts! Mußt nun recht gutes Muts sein. Unser Herr Christus ist auch heute geboren.



[178]

Notizen
Entstanden überwiegend zwischen 1775 und 1778, daneben aber auch einige ältere Texte. Erstdruck der Sammlung: [1778] »beym Verfasser, und in Comißion bey Gottlieb Löwe in Breslau«.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Claudius, Matthias. Dritter Teil. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-5473-2