[178] Personen.
- Otto Lambert, Professor an einem Gymnasium.
- Antonie, seine Frau.
- Edmund, sein Famulus.
- Hahnensporn, Stiefelputzer.
- Guste, Kammerjungfer. [178]
[178] Personen.
᾽Ανδρα μοι ἐννεπε Μουσα πολυτροπον, ὁς μαλα πολλα Πλαγχϑη –
Wie war es? ᾽Ανδρα Μουσα μοι ἐννεπε, nein, ἐννεπε Μουσα μοι ἀνδρα – da bin ich aus dem Verse. Es will mir auch heute nichts in den Kopf. Weiß doch nicht warum ich so zerstreut bin. Und morgen muß es gekonnt sein. ᾽Ανδρα μοι ἐννεπε Μουσα πολυτροπον, ὁς μαλα πολλα – –
Uf der ist schwer! Helfen Sie, Herr Famulus! Bringt mit Edmunds Hülfe den Koffer auf die Erde, setzt sich darauf und trocknet sich den Schweiß. Das ist eine Schlepperei! Ich[179] habe es mir gedacht, die junge Frau hat noch keinen Fuß in das Haus gesetzt, und schon geht die Schererei los! Also heute Abend kommt sie, die junge Frau. Na es thut mir leid; ich habe dem Herrn Professor gern gewichst und dem Herrn Famulus auch, aber ich sehe es kommen, nicht acht Tage bin ich mehr im Hause.
Warum nicht gar! Der Herr Professor hat ausdrücklich gesagt daß durch seine Heirath nicht das Geringste in der bisherigen Hausordnung geändert werden soll. Jeder behält sein Amt und seine Verrichtung nach wie vor.
Wir werden ja sehen, werden ja sehen! Der Herr Professor ahnt in seiner Unschuld gar nicht was die junge Frau für Verwirrung im Hause anrichten wird.
Na ob! Sie armes Schaf, mit Respect zu melden, thun mir leid, die junge Frau wird Sie schön hin und her hetzen; Sie kommen gar nicht mehr zu Athem.
Pah Sie haben keine Erfahrung! So wie Sie reden viele und tappen blind hinein in eine Heirath und hinterher seufzen sie Ach und Weh. Ich will gerade nichts Uebles vorhersagen, aber der Herr Professor thut mir leid.
Ich? Gott soll mich bewahren, ich war immer zu klug und hielt mich von den Weibern fern. Sehen Sie, ich kam als ganz junger Bursche unter die Soldaten und habe meine zwölf Jahre gedient, wäre auch Unteroffizier geworden, hätte ich ordentlich schreiben und lesen gekonnt. Als Soldat konnte ich nun nicht heirathen. Nachher wurde ich Bedienter, Hausknecht, Kutscher – da konnte ich überall nicht heirathen. Jetzt bin ich Wichsier, und wenn ich wollte, es hat schon manche ihr Auge auf mich geworfen – aber Gott soll mich bewahren; ich diene lauter ledigen Herren und bleibe selbst ledig.
[180]Bin zu klug gewesen, Herr Famulus, habe mich begnügt an andern zu sehen wie ein Hauskreuz drückt! Sehen Sie, Herr Famulus, Sie können die Spinnen nicht leiden?
Allerdings, Herr Edmund, allerdings! Die Frauenzimmer machen auch Netze, wie die Spinnen, und fangen Männer, wie diese Fliegen. Sie sind auch so eine arme Fliege, für die man Netze spinnen wird.
Junger Mann, hüten Sie sich. Wenn ich mich hier so umsehe in dieser friedlichen Wohnung, wo die behaglichste Ruhe herrscht, wo man den ganzen Tag die alte Schwarzwälderin picken hört und wo die alten Classicisten ungestört an ihrem Platze stehen, und wenn ich nun denke daß ein Frauenzimmer mit all ihrem Lärm, ihrer Unruhe, ihrem Krimskrams hier herrschen soll – puh da überläuft mich ein Schauder.
Sie verstehen das nicht, junger Mensch. Sie sind im Waisenhause erzogen, nachher hat Sie der Herr Professor als Famulus zu sich genommen, so gewissermaßen adoptirt – Sie sind ja niemals mit Frauenzimmern zusammen gewesen. »Gehe den Weibern aus dem Wege,« sagt der Prophet Epiphanias. Sehen Sie, Herr Edmund, unsere eigene Natur, gewissermaßen eine innere Stimme warnt uns vor den Weibern.
He, nicht? Wenn Sie mit einem Frauenzimmer, besonders mit einem jungen und hübschen zusammen kommen, werden Sie da nicht verlegen?
Sie schlagen die Augen nieder, Sie werden roth, Sie trauen sich nicht zu sprechen, Sie fühlen eine gewisse Beängstigung?
Sehen Sie, das ist die innere Stimme, das ist der Instinct der Natur, der Sie vor den Frauenzimmern warnt.
Hm hm! Für sich. Die Beängstigung ist gar nicht unangenehm und kommt mir gar nicht vor wie eine Warnungsstimme.
Ich begreife den Herrn Professor nicht. Ist auch niemals mit Frauenzimmern umgegangen, war Famulus wie Sie bei dem seligen Professor Oechslein, auch ein wackerer Junggeselle, da durfte niemals ein Frauenzimmer in das Haus. Und so hat es der Herr auch hier gehalten – ich besorgte die ganze Haushaltung. Ich weiß, der Herr Professor hält nichts auf die Weiber und ist doch jetzt zweiunddreißig Jahre alt, wo er über die Jugendstreiche hinaus sein könnte. Und auf einmal fällt es ihm ein zu heirathen – ich begreife es nicht.
Ziemlich so. Vor einem Vierteljahre starb der Oheim des Herrn Professors und hinterließ sein Vermögen von etwa dreißigtausend Thalern seinen beiden Bruderskindern, unserm Herrn Professor und seiner Base, mit der Bedingung daß sie sich heirathen sollten. Wenn eines von beiden nicht auf die Heirath eingehen wollte, so fällt das ganze Vermögen dem andern Theile zu.
[182]Hm so kann ich es mir erklären, dreißigtausend Thaler sind allerdings ein Grund. Der Herr Professor wird gedacht haben: mit so schönem Vermögen kann er seiner Leidenschaft Bücher zu sammeln recht nachhängen. Ich weiß aber doch nicht wie der Herr Professor mit der Frau zurechtkommen will, er ist viel zu gelehrt um mit Weibern umgehen zu können und aus den alten Classicisten hat er es sicher nicht gelernt. Steht auf. Wir wollen aber doch den Koffer in das Schlafzimmer schaffen.
Alle Wetter wahrhaftig! Da ist die Krampe losgegangen! Es wird doch nichts herausgefallen sein! Oeffnet den Koffer. Nein, noch alles in der schönsten Ordnung!
Wahrhaftig, in der schönsten Ordnung; das liegt alles so glatt und zierlich neben einander, allerliebst!
Da sehen Sie, alles dünn, wie Spinngewebe! Nimmt Schleier, Hauben, Kragen, Vorhemdchen u. dergl. heraus und entfaltet alles.
Nein, mir fällt es ein! Ich hatte einmal einen Herrn, der brauchte auch solche Dinger. Das sind Haarwickel!
Da müßte uns ein Frauenzimmer helfen! Ich kenne wol die scheele Suse, die an der Ecke einen Schnapsladen hält, aber die wird sich auch nicht auf solche luftige Sachen verstehen.
Was soll der Herr Professor denken! Er kann es nicht leiden wenn man in anderer Leute Sachen herumstöbert. Schafft Rath, Hahnensporn!
Halt, ich hab's! Ich rufe die Kammerjungfer [184] von der Frau Majorin, die im ersten Stock wohnt, die soll uns helfen.
Aber Hahnensporn, hört doch! Er ist fort! Die Kammerjungfer hier auf des Herrn Professors Stube? Ich glaube hier ist noch nie ein weiblicher Fuß eingetreten. Wenn das der Herr Professor wüßte! »Ein Weib im Heiligthume der Wissenschaft« würde er sagen! Hm er bringt ja seine eigene Frau mit, da wird das Heiligthum doch einmal entweiht. Nimmt eine Haube. Dünn wie Spinngewebe, es ist wahr, aber es muß doch hübsch aussehen wenn so ein frisches, lächelndes Gesichtchen darunter steckt! Hm jung ist die Base des Herrn Professors, hübsch soll sie auch sein, ein Bischen will ich es mir schon gefallen lassen hin und her geschickt zu werden. Lachend. Wie muß solch eine Haube einem Todtenkopfe stehen! Das muß ich einmal versuchen. Oeffnet den Schrank rechts hinten. Darin stehen mehre Schädel oder ein Gerippe, eine Elektrisirmaschine, physikalische Apparate, Gläser mit Spiritus u. dgl. Er setzt die Haube einem Schädel auf und geht zurück, um sie zu besehen. Hahaha, sieht gar nicht übel aus! Wer weiß, alter Schelm, was du im Leben auf dem Kopfe gehabt hast! Vielleicht findet die junge Frau Gefallen an dir und braucht dich als Haubenkopf!
Eigentlich sollte ich nicht! Von Ihnen, Herr Wichsier, bekommt man im Leben keinen Gruß, der Herr Professor findet es auch nicht der Mühe werth meine Wenigkeit zu beachten, und der Herr Famulus thut auch immer als ob er unser eine nicht sähe!
[185]Ach was, der junge Mensch da getraut sich noch nicht Sie anzusehen, der Herr Professor hat immer den Kopf voll und sieht überhaupt niemanden an und an mir altem Krippenbeißer würden Sie doch wenig Gefallen finden, wenn ich auch blinzeln wollte! Jetzt helfen Sie uns!
Ja, ihr Gepäck ist mit dem Fuhrmann vorausgeschickt worden, zwei Koffer habe ich schon auf ihr Zimmer gesetzt, jetzt hole ich den letzten.
Ja heute. Die Frau Professorin wohnte ja nur sechs Stunden von hier in Ebersbach. Heute Morgen ist der Herr Professor hingefahren, Mittags ist die Trauung und Abends kommen sie hier an. Ja sie müssen bald kommen, die Sonne neigt sich zum Untergehen.
Sie sind wirklich sehr naiv. Freilich von einer Hochzeits- oder Brautreise steht wohl nichts in Ihren dicken Büchern.
Sie schweigen still, lassen Sie den jungen Herrn reden. Ist denn alles zum Empfange der Frau Professorin bereit, kann ich vielleicht noch helfen?
Also nichts? Nicht ein [187] paar Kränze, Blumengewinde? Keine kleine Gesellschaft, kein Abendessen? So kahl und schaal soll die junge Frau einziehen?
Na Ihrer Jugend muß man etwas nachsehen, aber der Herr Professor und der Alte da hätten doch wissen sollen was sich schickt!
Was schwatzen Sie doch, es ist ja alles bereit: Betten, Tische, Stühle, Waschtisch, alles was der Mensch nöthig hat! Halt, da fällt mir ein, eins fehlt noch – aber am Ende braucht sie das gar nicht!
Ich glaube der Herr Wichsier ist unter Hottentotten und Eskimos groß geworden. Wo sind denn die Zimmer der Frau Professorin?
Hinten nach dem Hofe heraus? Richtig, das sind eben so ein paar kleine Löcher, wie bei uns im ersten Stock, die wir zu Vorrathskammern brauchen. Und hier unter der Dachrinne muß es ja feucht sein?
Ja, in dem einen schläft der Herr Professor, das zweite ist Bibliothek, in dem dritten wird Privatunterricht gegeben.
Ja; früher habe ich da geschlafen, ich komme jetzt eine Treppe höher; der Herr Professor liebt keine großen Veränderungen im Haushalte.
Und hier soll die junge Frau wohnen? Da ist ja nicht einmal ein Teppich vor dem Bette, und – nein es ist zu arg, kein Sopha – und – wahrhaftig in beiden Zimmern kein Spiegel!
Er will durch seine Heirath durchaus keine Veränderung in seiner Lebensweise haben. Die Hausarbeiten besorgt der Wichsier nach wie vor.
Wirklich? Eine Portion mehr? Ich dachte schon die Frau sollte essen was übrig bleibt; zu euren übrigen Einrichtungen hätte das ganz gut gepaßt.
O ausnehmend! Ich glaube die Gelehrsamkeit hat euer Gehirn ausgetrocknet. Sagen Sie Ihrem Herrn Professor: wenn er heirathen wollte, sollte er erst lernen [189] was einer Frau zukommt! Von diesem alten Hottentotten wundert mich die Dummheit nicht, aber Ihnen, junger Herr, hätte ich mehr Verstand zugetraut! Die arme Frau thut mir leid, die euch gelehrten Leuten in die Hände geräth. Wenn sie aber nicht geradezu auf den Kopf gefallen ist, wird sie euch schon zurecht stutzen und Ordnung in eure gelehrte Bude bringen. Ich muß die Geschichte nur gleich der Frau Majorin erzählen; alle Frauen aus der ganzen Stadt müssen zusammentreten, um diesen Türken und Indianern zu zeigen was einer Frau gebührt.
Wenn auch wirklich hier und da etwas fehlt, das kann man ja nachschaffen. Zündet eine Studirlampe an.
Als wenn der Herr Professor Zeit hätte sich um alle die Lappalien zu bekümmern. Ein Spiegel? Hä? Das ist die liebe Eitelkeit! Ich möchte wissen zu was eine Frau einen Spiegel braucht!
Das sind eben die Launen der Weiber! Na sie hat uns wenigstens den Koffer wieder in Ordnung gebracht, ich will ihn jetzt hineinsetzen. Trägt den Koffer rechts ab.
Das Mädchen war ganz hübsch, aber als sie zornig wurde, hätte ich mich bald gefürchtet und ich bin doch sonst nicht leicht bange. Die beiden Stuben, wo die Frau Professorin wohnen soll, sind für einen Studenten eine prächtige Kneipe, ich wünschte mir im Leben keine bessere. Horch ein Wagen! Am Fenster. Da sind sie! Hahnensporn, sie sind da!
Ich merke wie das Ding geht, in vier Wochen habe ich meinen Abschied. Füllt sich seinen Tabaksbeutel, den er aus der Tasche zieht, mit Tabak aus einem Kästchen, das auf dem Tische links steht. Es thut mir leid. Ein guter Herr, der Professor, pünktlich in allen Dingen, nicht von vielen Worten, ich glaube ich habe manchmal in Monaten keine Silbe von ihm gehört. Und immer guten Tabak rauchte er. Wo werde ich mir jetzt meinen Tabaksbeutel füllen können, wenn ich hier fort bin? Und alles das einer Frau wegen? Aufgeopfert, hinausgestoßen! Es ist wirklich hart. Wahrhaftig es thut mir leid um den schönen Dienst. Eine schlechte Einrichtung das Heirathen! Ah da sind sie!
So, da sind wir zu Hause. Da wir nun Mann und Frau sind, ziemt es sich daß wir wie christliche Eheleute einander du nennen und ich fange damit an daß ich dich willkommen heiße und sage: deinen Eingang segne Got. Meinen Rock.
Dort sind deine Zimmer, in denen du unbeschränkte Freiheit hast zu thun und zu lassen was du willst, natürlich was erlaubt ist. Da ich den ganzen Tag mit gelehrten Arbeiten beschäftigt bin, so verlange ich ungestört zu sein, wünsche überhaupt daß an der Lebensweise, wie ich sie gewohnt bin, nichts geändert werde. [191] Steckt einen Tabaksbeutel ein, den ihm Edmund bringt, nimmt eine lange Pfeife von diesem und seinen Hut. So bin ich gewohnt jeden Abend auf das Casino zu gehen, um daselbst die Zeitungen zu lesen. Um acht Uhr gehe ich dahin und kehre um zehn Uhr zurück, wo ich mich zur Ruhe verfüge. Dieser Gewohnheit werde ich treu bleiben, und da es bereits zehn Minuten über acht Uhr ist, dürfte es die höchste Zeit sein daß ich gehe. Und so wünsche ich dir eine recht gute Nacht. Ab.
Die erste Nacht in einer neuen Wohnung! Der Volksglaube sagt: was man da träume gehe in Erfüllung. Ich habe nicht viel geträumt, nur unruhig geschlafen. Wie wird das enden? Oder wie soll es werden? Ich bin verheirathet – aber an wen? An einen Mann? Ich glaube eher an ein Buch. Gleichgültig kam er, mich zur Trauung zu führen, gleichgültig und kalt war er bei der heiligen Handlung, gleichgültig saß er im Wagen neben mir, als wir hierher fuhren. Kein freundliches Wort, kein Wort des Vertrauens, nicht die leiseste Annäherung. Er betrachtet die Frauen wie untergeordnete Wesen, etwa wie seine Schüler, – vermuthlich stehen in einem dieser alten Bücher solche verwünschte Grundsätze. Er weis't mich in die schlechtesten Zimmer seiner Wohnung, die kaum mit dem Nothdürftigsten ausgestattet sind, er will von den Gewohnheiten seines Hagestolzenlebens nicht abgehen, und stellt diese als Richtschnur für unser eheliches Leben auf – kann sich dabei eine wirkliche Ehe gestalten? Soll ich mich als Magd, als geduldet nur, als unangenehme Zugabe zu der Erbschaft behandeln lassen, wäre es nicht besser gewesen: ich hätte dieser entsagt und wäre, wenn auch nicht wohlhabend, doch frei und [193] fröhlich geblieben?Streicht mit der Hand über das Gesicht, munter. Pfui Antonie, was soll die Kopfhängerei? Warst du nicht einig mit dir selbst? Willst du dir selbst ableugnen daß du eine Neigung zu dem Undankbaren gefaßt hast, als du ihn vor vier Jahren zum ersten Male bei dem Oheim sahst? Daß sein Bild nicht wieder aus deinem Innern schwand? Ja, ich habe ihn im Herzen getragen – aber er erwiedert meine Liebe nicht? Je nun, er kennt mich ja noch nicht, er kennt überhaupt keine Frauen, er meint ganz unbefangen: wir müßten so behandelt werden, er meint ganz Recht zu haben. Es gilt ihn über das Falsche seiner Meinung zu belehren, ihm begreiflich zu machen was eine Frau ist – mit einem Worte: ich muß ihm gefallen! Gut und von edlem Charakter ist er, davon habe ich Beweise, und Grillen und Vorurtheile lassen sich bekämpfen. Es müßte schlimm zugehen, wollte ich ihn nicht bekehren, wenn ich mich klug und fest benehme. Sollte mir die Gabe zu gefallen ganz versagt sein? Ich will es nicht hoffen! Still, es regt sich im Nebenzimmer. Nun denn, Herr Professor, Sie lieben die Ruhe und Ungestörtheit, machen Sie sich darauf gefaßt daß Ihre Ruhe etwas sehr gestört werden wird. Wir wollen sehen ob Ihre bezopften Vorurtheile Recht behalten oder Ihre junge Frau. Rechts ab.
Er stellt die Tassen auf den Tisch rechts, macht dann im Kamin Feuer mit Holz und setzt den Wasserkessel und die Wasserkanne darauf. Dabei sitzt er theils auf einer Fußbank, theils kauert er sich. Noch alles still. Sie schlafen noch. Vermuthlich sind sie müde von der Reise. Also heute beginnt ein neues Leben in unserm Hause. Etwas ängstlich bin ich doch. Aber auch neugierig wie die Frau Professorin aussieht. Gestern Abend in Hut und Schleier konnte ich ihr Gesicht nicht sehen, und nachher getraute ich mich nicht wieder in das Zimmer.
[194]Sind Sie da? Setzt sich an seinen Schreibtisch links. Guten Morgen! Schreibend. Ist gestern in meiner Abwesenheit etwas vorgefallen?
Ach ja – ich hatte ganz vergessen! Wie kommt denn eine Klingel in das Zimmer? Ich habe doch nichts davon befohlen?
Diese Unruhe kann ich nicht gestatten, sie muß sich an Stille gewöhnen. Ich werde es ihr gleich ernstlich verweisen. – Hm, wenn man hier an dieser Stelle statt magnis magis läse – so würde der Sinn weit klarer und verständlicher. Diese Conjectur ist nicht übel.
Das kann nicht gehen. Mägde sind schwatzhaft, näschig, unzuverlässig, das kann ich nicht um mich dulden. Sagen Sie ihr das Famule!
Das wäre nicht übel, ancillas, Mägde, in meinem Hause zu haben. Dieses leichtfertige Geschlecht, das keinen Ernst begreift! Dii avertant! Gott soll mich bewahren!
Beim Anziehen? Mehercule, ich bedarf niemals Hülfe beim Anziehen! – Indessen die Weiber sind das schwache, hülfsbedürftige Geschlecht – so helfen Sie ihr denn, Famule!
Doch halt! Für sich. Am Ende ist es nicht passend einen jungen Menschen, der meiner Obhut anvertraut ist, so nahe mit einem Frauenzimmer zusammenzubringen. Laut. Bleiben Sie! Ich werde selbst einmal nachsehen. Geht ein Paar Schritte und bleibt stehen. Doch nein! Darf der Mann der artige Dienste der Frau leisten? Es waren servae, Sclavinnen, welche den Römerinnen bei dem Anziehen behülflich waren. Vermuthlich auch bei den Griechen! Hm – ob nicht ein alter Autor darüber Nachweis gibt? Ich entsinne mich keiner Stelle. Ich muß mir das doch aufschreiben und einmal nachforschen. Geht nach seinem Schreibtische.
Ja so, meine Frau! Soll ich? Nein, das wäre denn doch gegen die Würde des Mannes – derartige Dienstleistungen sind unpassend. Famule, sagen Sie meiner Frau: es sei niemand da sie zu bedienen.
Wirklich ist mir dieser Umstand noch nicht aufgefallen. Ob wir bei den Griechen nicht irgend einen Nachweis –? Hm – die Mägde der Penelope [196] in der Odyssee spannen und bereiteten ein Bad – aber vom Anziehen ihrer Herrin entsinne ich mich nicht etwas gefunden zu haben.
Klytämnestra bereitete dem Agamemnon ein Bad, demnach leisteten auch bei den Griechen die Frauen den Männern Dienste, aber nicht umgekehrt. Halt, die Charitinnen bedienten die Aphrodite beim Anziehen! Aber Aphrodite war eine Göttin und man kann die Charitinnen nicht in einen Rang mit Sclavinnen setzen. Das paßt nicht. Die Frage ist von höchster Wichtigkeit.
Ganz gut, wie immer. Er ist fortwährend mehr gleichgültig, ja etwas verlegen, nicht aber barsch. Sein Benehmen geht aus Unkenntniß und Vorurtheil, nicht aus Rauhheit des Charakters hervor.
Ihre Frauen? Hm ich weiß in der That nicht ob sie außer ihrem salve noch einen besonderen Gruß für ihre Frauen hatten. Murmelnd und schreibend. Das ist schon die zweite wichtige Frage, die mir heute Morgen aufstößt, über welche ich nachforschen muß: wie grüßten die Römer ihre Frauen?
Also die Römer sind es, die mir im Wege stehen, die den mir gebührenden Platz einnehmen, die ich zu bekämpfen habe. Keck. Wir wollen doch sehen, ob eine junge Frau die alten vermoderten Schelme nicht aus dem Felde schlägt.Laut. Sage, lieber Freund, tranken die Römer auch Kaffee?
Nunquam, niemals! Das Frühstück der Römer oder prandium bestand aus – halt, das prandium der Römer war doch etwas anderes als unser Morgenbrod – Halb für sich. es ist mehr das englische lunch – hm, da stößt mir eine dritte Frage von Wichtigkeit auf. Schreibt.
Im Augenblick! Holt die Tassen vom Tische, für sich. Was der alte Hahnensporn nur will, die Frau Professorin ist ja so lieb und sanft wie ein Engel!
Meine Frau sieht recht hübsch aus. Sie scheint auch sanft und verträglich zu sein, wir werden recht gut mit einander auskommen.
[198]Bis der Herr Famule mit dem Kaffee in Ordnung ist, könnten wir wol dieses oder jenes besprechen. Wie hast du dir denn unsere Hausordnung gedacht?
Ich habe dir schon gesagt daß ich wünsche meine einmal festgesetzte Lebensweise nicht geändert zu sehen.
Sehr einfach! Das Frühstück besorgt der Famulus, das Mittagessen holt der Stiefelputzer aus dem Speisehause, Abends esse ich im Casino, und du magst dir vom Stiefelputzer holen lassen was dir beliebt.
Hm, ich bin gern geneigt deinen Wünschen etwas nachzugeben, aber meine Arbeiten und Studien erfordern –
Vorschläge? Ich denke, die Hausfrau wird nicht blos eine berathende, sondern eine beschließende Stimme haben.
Beschließende Stimme? Das geht zu weit. Bei den Römern und Griechen waren die Frauen im gynaeceum, im Frauengemache!
Lieber Freund ich denke mein Haus auch nicht römisch und griechisch, sondern einfach deutsch einzurichten. Ich werde dir kurz sagen was ich wünsche, was ich will! Erstens wünsche ich noch heute eine Köchin!
Kochen, mein Freund, sonst nichts. Das Frühstück besorge ich, das Mittagessen wird nicht im Speisehause [199] geholt sondern selbst bereitet, des Abends wird es auch besser sein wenn du zu Hause issest.
Nimmermehr! Zu solchen Umwälzungen meiner Hausordnung kann ich meine Zustimmung nicht geben! Eine Köchin im Hause, Selbstkochen, der Lärm, die Umstände – nimmermehr!
Es wäre gut gewesen du hättest dir, als du heirathetest, die Verhältnisse klar gemacht. Der Mann ist der Herr des Hauses, im Hause aber ist die Frau die Herrin.
In der Kirche? Gern. Im Hause aber muß die Frau nicht schweigen, sondern anordnen, regieren, befehlen, und das alles geht nicht ohne zu sprechen und zuweilen recht vernehmlich zu sprechen.
Der Spruch war auch nur bildlich gemeint, in der Anwendung heißt er so viel als: die Frau soll sich dem Willen des Mannes fügen.
Der Wille des Mannes ist unbeschränkt. »Und er soll dein Herr sein,« sagt Moses, und der Apostel Paulus spricht: »ihr Weiber seid unterthan euren Männern;« ja die weise und tüchtige Penelope gehorchte ohne weiteres selbst ihrem Sohne Telemach, als er sie in die Frauengemächer verwies.
Du erhitzest dich ohne Noth. Die weise[200] Penelope mag es gehalten haben wie sie wollte, ich bin eine deutsche Hausfrau und halte es wie es bei uns Rechtens und Sitte ist.
Wie? Du wagst es dich förmlich gegen deinen Mann aufzulehnen? Ei ei, ich habe dich für sanft und fügsam gehalten. In abgeschmacktem Schulmeistertone. Es ist mir aber lieb daß du gleich anfangs deinen Hochmuth, deinen Ungehorsam an den Tag legst, damit ich dir unumwunden auseinandersetzen kann welche Stellung dir gebührt. Das Weib steht dem Manne nach in allen Eigenschaften des Körpers und des Geistes; deshalb soll der Mann ihr Vormund sein und Gewalt über sie haben, wie über eine Minderjährige, die sie auch ihr Leben lang bleibt. Solches bestimmt daher auch das römische Recht und darnach war die Stellung der Weiber bei den Alten geordnet, indem sie auf ihre Gemächer beschränkt waren und nicht einmal bei der coena, der Mahlzeit, erscheinen durften. Die größten Autoritäten des Alterthums sprechen sich in diesem Sinne aus. Die ältesten Philosophen, selbst die Kirchenväter weisen den Weibern ihre untergeordnete Stellung an. Ich will dabei von dem Simonides absehen, der vielleicht etwas zu weit geht, wenn er die Weiber mit Füchsen, Affen und Hunden vergleicht, ich will auch nicht genauer auf die ungünstigen Schilderungen eingehen, die Euripides von den Frauen macht, aber der Pythagoräer Secundus nennt die Weiber ein nothwendiges Uebel, und der heilige Hieronymus sagt: sie seienignarae, leves, pertinaces, unwissend, leichtsinnig und hartnäckig. Du wirst nun hoffentlich einsehen welche Stellung dir deinem Manne gegenüber gebührt, wirst dich in schweigendem Gehorsam meinen Anordnungen fügen und mich nicht zwingen meine Autorität gegen dich geltend zu machen.
Dein Pythagoräer mag ganz Recht haben, daß wir unwissend, leichtsinnig und hartnäckig sind. Unwissend bin ich so weit, als ich deine alten groben Philosophen und Kirchenväter nicht kenne, allein ich danke Gott daß ich deren Dummheiten nicht weiß und mir von ihnen nicht habe den Kopf verdrehen lassen. Leichtsinnig [201] mag ich auch sein, und das ist mir sehr lieb, denn es gehört wirklich viel leichter Sinn dazu in diesem Sammelplatze vermoderter Gelehrsamkeit als Frau aushalten zu wollen. Und damit dein Pythagoräer ganz Recht hat, werde ich so hartnäckig sein deine Autorität in Bezug auf die Hausordnung durchaus nicht anzuerkennen.
Was sind da für Anstalten nöthig? Ich nehme meine Tasse Kaffee während der Arbeit, dir kann er auf dein Zimmer gebracht werden.
Ich will mir heute einmal diese Art gefallen lassen. Schiebt die Bücher auf dem Tische rechts zusammen.
Auf ein wenig Platz wird deine Gattin doch Anspruch machen können. Herr Famule, bringen Sie mir den Kaffee hierher.
Wir kochen den Kaffee immer für vierzehn Tage im Voraus und wärmen jeden Tag die nöthige Portion auf.
Gehen Sie hinunter, sagen Sie eine Empfehlung von mir, ich würde ihr nachher meinen Besuch machen, jetzt bäte ich sie mir etwas Sahne und frische Butter zu leihen, ich sei noch nicht eingerichtet.
Armer Mann, wenn du immer so schlechten erbärmlichen Kaffee getrunken hast, mußtest du ja ganz schwermüthig werden. Jetzt kann ich begreifen daß du [204] in manchen Dingen so sonderbare Grillen hast. Schlechter Kaffee wirkt nachtheilig auf das Geblüt und erzeugt Melancholie und Hypochondrie. Nein lieber Freund, das darf ich nicht dulden, du sollst gleich guten Kaffee haben. Wo aber – halt, ich habe noch Kaffee und Zucker in meiner Reisetasche. Rechts ab.
Ich weiß nicht, sie widerstrebt meinem Willen – und doch – sie ist flink und rührig, das steht ihr ganz gut.
Ah da sind Sie ja. Hier auf den Tisch das Weißbrod! Geht zum Kamin, schüttet den Kaffee in die Maschine und gießt aus dem Kesselchen auf.
Sie sind entsetzlich langsam und ungeschickt! Stellt den Kessel weg, eilt nach hinten, legt die Bücher von dem Tische rasch auf den Stuhl, wobei einige auf die Erde fallen. Es liegt ja alles so voll von Büchern, daß man sich nicht rühren und bewegen kann. So, so, so – sehen Sie, nun ist der Tisch leer. In die Mitte damit! Eilt nach dem Kamin und gießt auf.
Aber Herr Professor, was soll das geben? Was werden die alten Classicisten sagen, wenn hier in Ihrer stillen Wohnung so gewirthschaftet wird?
Sie stellt es auf den Tisch rechts und reicht Hahnensporn die Serviette. Decken Sie das auf den Tisch.
Das Service ist ein Hochzeitsgeschenk meiner Freundin Sophie. Du hast ihm gestern nicht die geringste Aufmerksamkeit geschenkt, mein Freund. Gießt den Kaffee aus der Kaffeemaschine in die Kanne des Service. Setzen Sie Stühle an den Tisch, Herr Hahnensporn!
Wenn du immer so zwischen den Arbeiten trinkst, kann es dir nicht bekommen, man muß sich zu allem Zeit nehmen, auch zum Essen und Trinken.
[206]Willst du jetzt die Güte haben die erste Tasse Kaffee, die deine Frau bereitet, mit ihr in Gesellschaft zu trinken?
So erfüllen Sie ohne Widerrede die Aufträge, die ich Ihnen gebe, ich, die Frau vom Hause. Und rasch, kommen Sie bald wieder, ich habe noch mehr für Sie zu thun. Gehen Sie!
Erlaubst du daß ich dir eins bereite?Schmiert ein Weißbrod und reicht es ihm dann auf einem Teller. Das Essen, das man so halb stehend und halb gehend zu sich nimmt, kann ja nicht bekommen.
Daran mag etwas Wahres sein. In der That, der Kaffee ist trefflich! Famule, mit Ihrer Kochkunst ist es nicht weit her, da müssen Sie etwas lernen.
Ich entbinde Sie in Zukunft von dem Küchenamte, das sich jedenfalls besser für die Köchin als für Sie paßt.
Nun ja – es schmeckt mir trefflich, ich muß anerkennen daß du dich darauf verstehst ein Frühstück zu bereiten.
Ich hoffe, du sollst in jeder Beziehung finden daß ich meinen Platz als Hausfrau auszufüllen verstehe. Trinkt der Herr Famule noch ein Täßchen?
Das sind die verschiedenen Casusendungen. Es gibt einem tüchtigen Grammatiker immer einen Stich in das Herz, wenn ein Casus falsch angewendet wird.
Nun, mein Freund, vielleicht lerne ich [208] die Anwendung der verschiedenen Casusendungen noch von dir. Schenkt Edmund ein. Damit aber über die Casus nicht der Casus eintritt daß Sie keinen Kaffee bekommen, hier! Zu Otto. Hättest du nicht Lust zur letzten Tasse ein Pfeifchen zu rauchen?
Hm hm, du bist sehr gefällig – ich finde es in der That ganz behaglich, was ich bisher niemals gethan, sein Frühstück mit etwas Ruhe zu genießen. Es scheint mir auch im Grunde kein Unrecht sich an dem Wohlgeschmack der Speisen und Getränke zu erfreuen, da dieser Wohlgeschmack eine Eigenschaft ist, die Gott seinen Gaben beigelegt hat.
Ich möchte wohl – indessen – Springt auf. o weh, es ist schon neun Uhr vorüber, und ich muß in die Classe. Ich begreife nicht wie die Zeit so rasch vergangen ist.
Kannst du nicht am ersten Tage deiner Ehe den Unterricht einmal aussetzen? Ich habe noch so manches mit dir zu besprechen, niemand wird es unbillig finden wenn du einmal einen Tag überschlägst.
Nun denn es ist ohnehin schon spät, ich habe mich auch nicht ordentlich vorbereiten können. Famule, eilen Sie in die Classe und sagen Sie: ich wurde Morgen sowol die Stunde des Tacitus als die des Xenophon ausfallen lassen.
Richtig! Der selige Oheim war ein munterer Mann und liebte es viel Gesellschaft um sich zu sehen. Du aber standest immer finster und zurückhaltend in einer Ecke und runzeltest die Stirn, wenn wir munter und fröhlich waren. Die jungen Mädchen nannten dich den Philosophen! Ich habe dich immer darauf angesehen. Mir wollte diese Benennung gar nicht passend erscheinen. Unter einem Philosophen dachte ich mir immer einen alten graubärtigen Mann, du aber sahst jung und gar nicht übel aus.
Ich bitte dich, jetzt keine Gelehrsamkeit. Ich weiß auch ungefähr daß Philosophie Weisheit sein soll – wenn ich aber an die Aussprüche der Philosophen denke, die du mir vorhin mitgetheilt hast, so erheben sich in mir doch einige Zweifel an ihrer Weisheit.
Und du meinst daß sie Recht haben?Springt auf. Da war der eine, der uns Frauen mit Füchsen, Affen und gar mit Hunden verglich. Sich anmuthig vor ihm drehend. Sieh mich einmal an. Findest du denn Aehnlichkeit an mir mit einem Fuchse oder Affen oder gar – ach ich mag es gar nicht sagen.
Mein Kind, das ist auch nicht wörtlich gemeint. Simonides spricht nicht von körperlicher Aehnlichkeit, sondern von geistigen Eigenschaften. Man nennt diese Redeweise –
Pst – heute Morgen schweigt die Gelehrsamkeit. Sitzend. Warum schautest du vor vier Jahren so finster darein, wenn wir lustig waren? Hältst du die Fröhlichkeit für Unrecht?
[210]Sieh mein Freund, da ertappe ich dich. Du kennst also die Frauen nicht aus eigner Anschauung, sondern nur aus deinen alten, garstigen Büchern. Und gestehe es nur, es war nichts als Verlegenheit, was dich damals bestimmte in deiner Ecke zu bleiben?
Verlegenheit? Quod non. Der Mann, der sich seiner Würde bewußt ist, wird niemals verlegen. Allein ich fühlte mich da nicht an meinem Platze.
Das ist dasselbe. Der Mann, der sich seiner Würde bewußt ist, muß sich an jedem Platze zurechtfinden können. Sieh, du kennst weder mein Geschlecht, noch die Art mit uns umzugehen, und deshalb bin ich nachsichtig gegen dich.
Du übst Nachsicht gegen mich? Die Frau gegen den Mann und Herrn? Das ist ein gänzliches Verkennen deiner Stellung.
Meinst du? Ich will einmal von allen den harten und ungerechten Urtheilen absehen, die du über mein Geschlecht gefällt hast, muß ich aber nicht nachsichtig gegen dich wegen der Art und Weise sein, mit der du mich heimgeführt hast? Als unsere Verbindung feststand, freute ich mich schon auf die Hochzeits- oder Brautreise. Eine solche Reise ist jetzt allgemeine Sitte, und ich habe noch so wenig von der Welt gesehen. Statt dessen kommst du einsylbig angefahren, lässest dich mit mir trauen, fährst einsylbig hierher, führst mich in dein Haus und lässest mich ruhig stehen. Gestehe daß ich dafür sehr nachsichtig sein mußte.
[211]Die Griechen und Römer führten ihre Frauen einfach in das Haus, aus dem diese nie heraus kamen. Die Alten wußten auch nichts von der Hochzeitsreise.
Lieber Freund, wir sind aber nicht die Alten. Alle Achtung vor den Griechen und Römern, allein wir haben andere Sitten und nicht zu verwerfende Sitten. Eine solche ist die daß zwei junge Eheleute zum Antritt ihrer Ehe eine Reise zusammen machen. Wird nach und nach ernster. Zwei Menschen, die sich für das Leben mit einander verbinden, die Freud' und Leid zusammen tragen wollen in langen, langen Jahren, die es aufgeben in selbstsüchtiger Vereinzelung zu stehen und hinfort eins für das andere leben wollen, müssen sich in einander fügen und schicken lernen, sie müssen ihre Seelen austauschen in unbegrenztem Vertrauen, in gegenseitiger Liebe. Denn das, mein Freund, ist das Wesen der Ehe. Darum ist es eine schöne Sitte daß sie sich zum Anfang losmachen von den gewöhnlichen Geschäften des Lebens und mit einander hinausreisen in die weite Welt. Sie meiden für den Anfang die Menschen, mit denen sie gewöhnlich umgehen, um eins nur für das andere auf einige Wochen wenigstens zu leben. Als Bild der großen Lebensreise gilt ihnen die kleine Reise durch Städte und Länder, und wie sie da, überall fremd, desto mehr auf einander angewiesen sind, so lernen sie daß sie im Leben auch fest an einander halten sollen. In heiterer Muße durchwandeln sie auf ihrer Reise die herrlichen Gegenden und erregt von der Fülle und Schönheit der Natur ketten sich ihre Herzen fester an einander, denn der Mensch fühlt nie wärmer, tiefer, besser, als wenn der frische Athem der weiten Natur seine Brust durchzieht. Es ist eine recht schöne Sitte, eine Hochzeitsreise, die beste Vorbereitung für die Freude – – und den Ernst der Ehe.
Es hätte dessen gar nicht bedurft, denn morgen [212] beginnen die Ferien auf sechs Wochen, in denen ich ganz frei bin.
Das ist nun vorbei, die Alten machten keine Hochzeitsreise, also thun wir es auch nicht. Mein Geplauder scheint dich zu langweilen?
Wirklich? So will ich einmal eine recht gelehrte Frage an dich thun. Haben die Alten ihre Frauen nicht geliebt?
Hm es ist keinem Zweifel unterworfen daß die Alten die Liebe kannten, hatten sie doch einen Gott der Liebe, Amor oder Eros genannt, und auch die Venus oder Aphrodite kann man als Göttin der Liebe bezeichnen – dennoch war das Verhältniß der Frauen ein anderes als bei uns, es war würdiger, gemessener, gehaltener. Die Frauen waren auf das Haus beschränkt und hatten weder Stimme noch Einfluß bei den Männern.
So? Es schweben mir so einige Geschichten vor von einem gewissen Coriolan, von einer Frau Lucretia, einer Arria, Cornelia u.s.w., die beweisen daß die Alten dennoch viel auf ihre Frauen hielten, wenn diese nur darnach waren.
Sieh sieh, auch einige Kenntniß des Alterthums, wie ich mit Wohlgefallen bemerke. Auch ist diese Citation ganz gut angebracht.
Es freut mich deinen Befall zu haben. Wenn also die Alten unzweifelhaft auch geliebt haben, du aber den Alten nacheiferst – hast du denn auch schon geliebt?
Man muß hier bedenken daß später das Christenthum uns offenbart und dadurch die Sitten der Alten wesentlich verändert worden sind. Das Christenthum gebietet aber die Liebe zu seinem Nächsten, und ich habe mich immer bestrebt seine Gebote zu erfüllen.
s.w. auf dem Präsentirteller zusammengesetzt, steht jetzt auf und trägt ihn auf den Tisch rechts. Während[213] dessen für sich. Es ist wie ich dachte, nichts als Unkenntniß und Unerfahrenheit.
Als du mich gestern Abend allein ließest, hatte ich hinreichend Zeit mir alles zu besehen und auch den größten Theil meiner Habseligkeiten auszupacken. Ich muß dir doch das Schlafkissen geben, das uns Base Karoline zur Hochzeit geschenkt hat; das Geschenk ist doch für dich und wird sich auf dem Sopha im vordern Zimmer ganz gut ausnehmen. Rechts ab.
Sie hat die Hochzeitsreise so hübsch beschrieben, daß man fast Lust bekommt. Die Alten konnten diese Sitte auch füglich nicht haben, da sie weder Posten, noch Dampfschiffe, noch Eisenbahnen kannten. Jedenfalls sind wir in dieser Beziehung fortgeschritten, und deshalb möchte die Sitte der Hochzeitsreise nicht zu verwerfen sein. Es muß lohnend sein die Schweiz einmal zu sehen – ich kann mir eine solche Reise ganz angenehm denken.
Ich fand in meinem Zimmer keinen Schrank, und da ich doch einen Platz für meine Kleider haben mußte, so habe ich sie hieher gehängt.
Wie, meine theuren, kostbaren Apparate in dem feuchten Zimmer, wo sie dem Roste und dem Verderben ausgesetzt sind?
So, mein Freund, du wußtest, daß diese Zimmer feucht und dumpfig sind? Und doch hast du diese feuchten Zimmer, in die du nicht einmal deine Instrumente stellen willst, deiner Frau angewiesen?
Dann müßtest du in dem feuchten Zimmer schlafen und Unterricht geben? Nicht doch, wir wollen überlegen wie es sich am besten einrichten läßt – und geht es nicht, ei nun, so nehmen wir eine andere Wohnung!
Wie du meinst. Für sich. Wo hatte ich auch meine Gedanken, sie in die feuchten Zimmer zu weisen? Und sie ist so gut, kein Vorwurf kommt über ihre Lippen. Laut. Es ist wirklich ein grober Verstoß meinerseits mit den Zimmern, Antonie, und ich bitte –
Sprich nicht mehr davon, du hast es nicht bedacht, nicht überlegt. Für sich, vergnügt. Das erste Mal daß er mich beim Namen nennt. Laut, sich umsehend. In der That wird es am besten sein eine neue Wohnung zu nehmen, ich kann mich dann auch mit der Küche besser einrichten.
Herr Professor, die Hausordnung ist meine Sache. Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen Rath geben wollte über eine Stelle im Plautus? Es bleibt also dabei, wir nehmen eine neue Wohnung. Die alten Griechen und Römer hier im Zimmer werden sich wundern, wenn sie aus ihrer behaglichen Ruhe vertrieben werden. Sie hatten sich so fest eingenistet, als wollten sie ewig hier bleiben. Neckisch, sich verbeugend. Ja ja, meine Herren Cicero, Virgil, Horaz, Tacitus, [215] Terenz, und ihr Herren Sophokles, Homer und Pindar, ihr müßt auswandern.
Recht vertraut? Bewahre der Himmel, nur oberflächlich kenne ich die alten Herren, just so viel als eine christliche Frau darf, um nicht in schlechten Ruf zu gerathen.
O doch, wenn man die Lebendigen darüber vergißt. Wir leben um zweitausend Jahre später, sind andere Völker, in andern Ländern und müssen uns selbstständig entwickeln. Wollen wir die Ansichten und die Sitten der Alten auf unser Leben übertragen, so verwischen wir unsere Eigenthümlichkeit und in dieser liegt unser Werth.
Ha jetzt kommst du mir in mein Feld und ich werde dir die Antwort nicht schuldig bleiben. Die Sitten der Alten waren so vortrefflich, daß wir uns immer bestreben sollen nach ihnen zu leben. Ich werde dir das beweisen. Das Leben zerfällt –
Halt, glaubst du wirklich ich wäre so einfältig dich in deinem Felde mit deinen Waffen bekämpfen zu wollen? O nein, euch ihr Herren gehört das Wissen, uns die Anwendung!
Du willst nach den Sitten der Alten leben? Sieh dich einmal an mit diesem Schlafrocke, dem weißen Halstuche, der langen Pfeife – und denke dir du wärst Plato oder Sokrates, mußt du nicht lachen? Denke dir: Cicero wäre in deiner gestrigen Kleidung, im [216] schwarzen Frack mit rundem Hute in den römischen Senat getreten, um eine seiner berühmten Reden zu halten! Oder denke dir, ein römischer Jüngling, der die Toga vir – vir –
Daß ich nicht klug wäre, ich bleibe bei dem was ich verstehe. Uebrigens sprich nicht so verächtlich von den Aeußerlichkeiten, in ihnen liegt die Schönheit, und das Gefühl für Schönheit war eine der größten Tugenden des Alterthums. Davon lehrt ihr auf eurem Katheder wol nichts?
Sieh, so könnte ich eher sagen daß ihr an den Aeußerlichkeiten klebt, daß ihr die todte Form der Sprache zur Hauptsache macht und euch das Wesen des Alterthums entschlüpfen laßt.
O wie gern möchtest du mich in eine gelehrte Disputation verwickeln, daß ich bald wie ein gefangenes Mäuschen nicht aus noch ein wüßte. – Nichts da, mein gelehrter Herr, ich beweise auf meine Art. Wenn ihr denn Römer sein wollt, so fangt wenigstens etwas im Aeußern an. Wie geschmacklos das glattrasirte Kinn, die zurückgestrichenen Haare! Setzt einen solche Kopf, getragen von der steifen weißen Halsbinde, auf eine römische Statue und ihr müßt vor Lachen vergehen.
Wo hätte jemals ein Römer sein Haar so getragen, [217] daß sein Kopf einem Kehrbesen ähnlich sieht? Macht rasch Edmund, der das Haar von vorn nach hinten glatt zurückgestrichen trägt, einen Scheitel, und kämmt das Haar an der Seite herunter. Ihr scheltet uns Frauen eitel, weil wir uns gern putzen, ich meine aber: wenn der liebe Gott nicht seine Freude an unserm hübschen Aussehen haben wollte, hätte er uns wie Nachteulen erschaffen und uns nicht mit Schönheit begabt. Ist fertig. Da, ist das nicht ein anderes Gesicht?
Hübsch auszusehen? Drollig ihm die Augen sehend. Ei warum denn nicht? Und obendrein für einen jungen Ehemann! Sage einmal ehrlich: hast du nie gewünscht mir zu gefallen?
Das heißt: es ist dir nicht eingefallen. Zur Strafe setze dich hieher, ich will dir auch einen Scheitel machen.
Und Possen trieben deine ehrbaren Alten nicht? Ja, mein Freund, das macht, ich gehöre nicht zu den Alten, sondern zu den Jungen – und deine Philosophen sagen ja: wir seien etwas leichtsinnig!
Wenn du nun das steife weiße Halstuch mit einem farbigen vertauschest, wenn deine Röcke ein wenig mehr nach dem Schnitte der Welt sich richten werden – und du erzeigst mir die Ehre mich einmal spazieren zu führen, so werden die Leute sagen: ein ganz hübsches Paar!
Der Eitelkeit? Nicht doch, ein wenig Eitelkeit steht ganz gut. Du kannst von mir etwas abbekommen, vielleicht habe ich zu viel – denn ich will dir nur gestehen, ich habe entsetzlich gewünscht dir zu gefallen, dir sehr zu gefallen – und ich hatte mich gestern geputzt, so gut ich konnte – aber Komisch ärgerlich. du hast es gar nicht beachtet.
Das muß ganz inwendig bei dir gewesen sein, denn gezeigt hast du nichts davon. Nicht einmal die Hand hast du mir gereicht. Sag', hast du nie andern Mädchen die Hand gereicht?
Am Ende verstehst du gar nicht wie man das [219] macht? Sieh, da kannst du gelehrter Mann noch von deiner dummen Frau etwas lernen! Ich will es dir gleich zeigen. Herr Famule, kommen Sie einmal her!
Liebe Antonie, wir wollen die Hochzeitsreise noch machen, aber gleich, wir reisen noch heute ab – ist es dir recht?
Liebe Frau, ich bin dir kalt, gleichgültig entgegengekommen – sieh, ich verstand es eben nicht besser!
[220]Aber du hast sie herausgeschlagen – Mit naiver Verlegenheit. – du bist so liebenswürdig – ich habe das früher nicht gekannt.
Sehr recht, ich möchte nicht daß du anders wärst. Schüchtern. Du beklagst dich daß ich dir keine Hand gegeben – darf ich? Reicht ihr die Hand.
Die andre auch! Nimmt sie bei beiden Händen, hält diese mit der Linken fest, zieht Antonien an sich und legt schüchtern den rechten Arm um sie. Mir ist so seltsam zu Muthe, Antonie, kannst du mir meine Unbeholfenheit vergeben?
Du wolltest vorhin den Famulus küssen – er ist zwar noch ein halbes Kind – aber du mußt das doch nicht thun.