635. Zwergschabernack

Bei Zittau liegt der Breitenberg, in dem hausten gutartige Zwerge, welche oft in der Stadt und den umliegenden Dörfern sich einfanden, den Menschen hülfreich waren und gern, wenn auch unsichtbar, an deren Leiden und Freuden teilnahmen. Bei guten Gelegenheiten und Gelagen ließen sie sich's trefflich wohl sein und vergüteten auf andere Weise, was sie genossen. Eines Tages rief eine Frau ihrem weggehenden Manne nach: Eile, daß du bald zurückkehrst, damit wir nicht zu spät zur Hochzeit kommen! – Diesen Ruf hörten einige Zwerglein und riefen es ihren Brüdern, dem stillen Volke, zu, daß Hochzeit gehalten werde. Gleich fand sich eine Schar zusammen, die wollten alle hin, und es hörte ihre Beratung darüber ein Mann, der am Breitenberge arbeitete, und rief ihnen zu: Wenn ihr unsichtbar zur Hochzeit fahren wollt, ei so nehmt mich doch auch mit, ihr guten Gesellen! – Die Zwerge stutzten, sagten ihm aber seines Wunsches Erfüllung zu, doch unter der Bedingung, daß er, obschon er essen und trinken dürfe, so viel er wolle, doch durchaus nichts heimlich zu sich stecken und mitnehmen dürfe. – Und so fuhren sie alle miteinander ungesehen zum Hochzeithause; das war zwar schon ganz voll von Gästen, allein die Zwerglein bedurften wenig Raum, zwischen jedem Gast saß ein Gezwerg, und der Peterbauer, den sie mitgenommen, hatte einen guten Platz, aber freilich kein hochzeitlich Kleid an, und hätte ihn einer gesehen, so würde er wohl an den Ort des ungebetenen Gastes befördert worden sein. Er zechte wacker und ließ sich's trefflich schmecken, und tat ihm nur leid, daß seine Frau nicht bei ihm war, denn der Bauer Peter war im Grunde ein guter Kerl und genoß nicht gern allein. Und diese Liebe zu seiner Frau ließ ihn sein Versprechen brechen und etwas einstecken. Das nahmen die Zwerge übel, sie brachen schleunig auf, und der zunächst beim Peter saß, riß diesem die Nebelkappe vom Kopf und schwand hinweg samt den andern. Da saß der Peter in seinem Schmierkittel mit bausenden Backen und kauenden Zähnen, und alles sah auf den seltsamen Gast, und der war noch nie ein so angesehener Mann gewesen wie heute; der Peter aber langte tapfer zu und kaute und schluckte, was das Zeug hielt, denn er hatte die Entführung des leichten Zwergenmützchens von seinem Stickelhaar gar nicht wahrgenommen, bis er von verschiedenen Seiten her Püffe und Rippenstöße bekam und erst noch hinter [424] dem Braten her die Suppe, nämlich die Prügelsuppe. Sodann ward er zum Hause hinausgefuhrwerkt und vor der Türe seinem Nachdenken und schmerzlichen Gefühlen überlassen.

Hernachmals sind die Zwerge aus dem Breitenberge fortgezogen, man sagt, nach Böhmen hinein, in Rübezahls Reich, und sagt auch, das viele Glockenläuten oder die vielen Hunde, welche die Bauern in Ober- und Niederolbersdorf halten, wo die Häuser und die Hunde kein Ende nehmen und aus jedem Haus ein Köder springt und bissig die Fußreisenden ankläfft, die vom Oybin kommen, haben die Zwerglein vertrieben. Ein Bauer aus Heinewalde habe auf zwei Wagen die ganze Schar der Zwerge und alle ihre Schätze hinweggefahren und habe sehr reichen Lohn erhalten. Sie würden wiederkommen, sollen sie gesagt haben, wann Sachsenland an Böhmen falle, das heißt, wann es österreichisch sein werde. Wer weiß, ob sie nicht in der Tat wiederkommen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 635. Zwergschabernack. 635. Zwergschabernack. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2DFE-3