467. Sophias Handschuh

Als Landgraf Ludwig auf der Fahrt zum Heiligen Lande gestorben, die heilige Elisabeth mit ihren Kindern durch ihren Schwager Heinrich Raspe schmachvoll von der Wartburg vertrieben war, dem dafür auch kein Segen blühte, denn er blieb von drei Gemahlinnen erbenlos, und als auch er dahin war, da erhob sich um das Thüringer- und Hessenland ein großes Streiten. Die älteste Tochter der heiligen Elisabeth, Sophia, hatte sich einem Herzog von Brabant vermählt, hatte von diesem einen Sohn, war aber schon Witwe; die machte gerechten Anspruch für ihren jungen Sohn an ihr Muttererbe. Aber eine Schwester des heiligen Ludwig und Heinrich Raspes, Jutta, hatte zum Gemahl Heinrich den Erlauchten, Markgrafen von Meißen, der hatte bereits für sich und seine Erben Besitz vom Thüringerlande genommen. Sophia zog in das Hessenland und gewann sich mächtigen Anhang; zudem war die kaiserlose Zeit, in der es gar wild durcheinander ging, zumal in Thüringen. Da wurde zu Eisenach ein Tag der Vergleichung anberaumt, auf dem erschienen Heinrich und Sophia in Person und waren beiderseits zur Einigung dahin geneigt, daß der künftige Kaiser den Streit entscheiden solle, ob der Sohn der Tochter oder der Sohn der Schwester des Thüringer Landgrafen mehr Anrecht an das Erbe habe: da sprachen der Marschall Helwig von Schlotheim und einige andere thüringische Edle zu Markgraf Heinrich dem Erlauchten: Herr, verheißet nicht zuviel! Stündet Ihr mit einem Fuße im Himmel und mit dem andern auf der Wartburg, so müßtet Ihr den aus dem Himmel ziehen und auch zu dem auf der Wartburg setzen. Da zog sich Heinrich zurück, die Sache zu bedenken, und hinterdrein beschwur er auf eine Rippe der heiligen Elisabeth nebst zwanzig Eideshelfern sein Recht auf Thüringen. Da weinte die Herzogin von Brabant Tränen des Zorns, zog ihren Handschuh aus und schleuderte ihn hoch in die Luft empor und schrie: Nimm hin, du Feind aller Gerechtigkeit, dich, Teufel, meine ich, nimm diesen Handschuh, und die falschen Ratgeber alle dazu! Und der Handschuh fiel nicht wieder aus der Luft herunter, und von jenen Räten und Eideshelfern soll keiner eines guten Todes gestorben sein, darum, daß sie das heilige Gebein entweiht und einen solchen Eid geschworen hatten. Und nun entbrannte ein heilloser Krieg, der ganz Thüringen verdarb. Einmal wollte die Herzogin von Brabant wieder nach Eisenach hinein, das Tor ward ihr aber nicht aufgetan, da nahm sie eine Spaltaxt und hieb in das Georgentor ein paar solche Kimmen in das Eichenholz, daß man sie noch nach zweihundert Jahren sah. In diesem Kriege zerstörte Markgraf Heinrich den Mittelstein, die alte schöne Burg der Frankensteiner, und auch andere Burgen um die Wartburg her und ließ einen treuen rechtskundigen Rat, genannt Heinrich Velsbach, der ihm hartnäckig entgegen war, und den er in seine Gewalt bekam, mittelst eines großen Wurfgeschosses durch die Luft hinab nach Eisenach schleudern. Als dieser Mann von der Blide aufflog, schrie er noch vernehmlich, daß es alle hörten: Thüringen gehört doch dem Kinde von Brabant! Neun Jahre lang dauerte der Krieg, und endlich erfolgte dennoch, wozu man ohne Krieg sich hätte einigen können, die Teilung des Landes in Thüringen und Hessen, welches letztere Hermann, der Sohn Sophias, das Kind von Brabant, zugeteilt bekam, und wurde also der erste [325] Landgraf von Hessen und aller Hessenfürsten erster Ahnherr. Heinrich der Erlauchte aber hatte mehrere Söhne, da behielt er für sich und seinen jüngern Sohn Dietrich die Markgrafschaft Meißen und gab seinem ältesten Sohn Albrecht die Landgrafschaft Thüringen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 467. Sophias Handschuh. 467. Sophias Handschuh. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2CDC-8