726. Die Totenmette

Oberhalb Schleusingen liegt die Totenkirche, vor ihr stehen uralte schöne Linden. Einstmals blieb eine Frau aus Schleusingen, welche bei einem Leichenbegängnis die Predigt mit angehört hatte und eingeschlafen war, in der Kirche sitzen und mochte ziemlich lange geschlafen haben. Als sie erwacht, ist es Nacht, und die Kirche ist voll Menschen; es wird Mette gehalten, und es summt ein leiser Gesang. Die Frau will mitsingen, kann aber wegen der Düsternis die Nummer nicht erkennen und rührt an ihre Nachbarin, sich die Nummer des Liedes zeigen zu lassen. Wie sie diese Nachbarin anblickt, hat dieselbe ein Gesicht wie eitel Spinnweben und ist eine ihr wohlbekannte längst verstorbene Frau. Diese erhebt ihre welke Totenhand, nur noch Gerippe, und zeigt mit dem gelben Fingerknochen auf das Lied – da erkennt die Frau Nummer und Buchstaben, es ist das Lied: O Ewigkeit, du Donnerwort. Die zum Tod erschrockene Frau kreischt vor Schreck laut auf, da schwinden mit einem Male die bleichen Schatten alle hinweg, und die Frau wankt zitternd nach der Türe und nach Hause, hat aber nicht gar lange mehr gelebt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 726. Die Totenmette. 726. Die Totenmette. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2CCB-C