976. Die fromme Barbara

Herzog Albert III. zu Bayern hatte eine Tochter des Namens Barbara, die war gar fromm und schamhaft und wollte nimmer heiraten und keinem angehören als Christo, dem himmlischen Bräutigam, und darum verschmähte sie selbst den Kronprinzen des Königs von Frankreich, für den bei ihrem Vater des Prinzen Vater Werbung um ihre Hand tun ließ. Da sich nun darob großer Verdruß erhob, so zergrämete sich das arme achtzehnjährige Jungfräulein und welkte hin, wie ihr Majoranstöcklein, das sie in ihrem Fenster pflegte, und welches abstarb. Und war nicht mehr fröhlich und sang nicht mehr und blieb stumm, wie ihre Vöglein, die acht Tage nach des Majorans Absterben von den Stänglein fielen und also tot blieben. Das Herz mocht' ihr schier zerspringen, wie ihre Busenkette, die sie zum Geschmuck von ihrem Herrn Vater geschenkt bekommen, acht Tage nach der Vöglein Ableben recht über dem Herzen zersprang. Und da aber acht Tage um waren, sank Barbara hin wie eine bleiche Lilie, entschlief und erwachte [629] nimmer. Und da nun zweimal acht Tage vorüber waren, starb eine Ordensschwester, welche Barbara geliebt hatte, und aber nach zwei Wochen wieder eine, und das so fort, bis ihrer zwanzig gestorben waren, und ward einer jeden Seele in eine weiße Taube verwandelt, die flogen Barbara nach in den Himmel. Barbaras irdische Hülle ruht in St. Jakobs Kirche auf dem Anger zu München.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 976. Die fromme Barbara. 976. Die fromme Barbara. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2BAF-3