834. Alberade

Im alten Banzgau saß ein Gaugraf hennebergischen Stammes, der vermählte sich mit einer frommen Dame aus dem Niederland, die hieß Alberade. Deren Leben ward gar schwer geprüft; einen blühenden Sohn verschlang ihr der Main, als der Knabe auf dem gefrornen Strom seinen Kreisel trieb, und auch den Gemahl verlor sie; nur eine einzige Tochter gleichen Namens Alberade blieb ihre Stütze, ihre Freude, ihr Glück. Da gründete sie das herrliche Benediktinerstift Banz, indem sie einen Teil ihres umfangreichen Schlosses demselben einräumte, und hoffte nun den Himmel versöhnt zu haben und ihre Tage in Ruhe zu beschließen. Dies ward ihr auch vergönnt, und sie erlebte noch die Freude, daß ihre Tochter sich einem Grafen Vohburg vermählte. Aber nach dem Tode der alten Gaugräfin begann das von ihr begründete Kloster schnell in Abnahme zu kommen; solches ging der Tochter sehr zu Herzen, und sie wandte alles an, das gottselige Werk ihrer frommen Mutter im Flor zu erhalten. Aber auch ihr legte der Himmel herbe Prüfungen auf. Ihr Gemahl fiel in einer Schlacht, und sie zog sich nun mit ihrer Tochter Hedwig auf das mütterliche Erbe, nach Schloß und Kloster Banz, zurück. Da entbrannte einer ihrer Vasallen, einer von Ratzeburg, in Minne gegen Hedwig, und da die Mutter ihm deren Hand verweigerte, so entführte er Hedwig mit Gewalt. Außer sich vor Zorn tat die Mutter, was jene Thüringerin Sophia, der heiligen Elisabeth Tochter, zu Eisenach tat, sie schleuderte ihren Handschuh in die Luft und schrie: Wie diesen Handschuh so übergebe ich den schamlosen Räuber dem Teufel! – und wie dort kam auch hier der Handschuh nicht wieder aus den Lüften herunter. Der Ratzeburger aber setzte sich[546] auf seiner Burg Steglitz fest, plagte die Gegend und bedrängte Kloster Banz so arg, daß die Mönche sich entschlossen, von dannen zu ziehen. Da sann Alberade auf eine List. Sie kleidete ihre Mannen in die Farben der Ratzeburger und legte sie in einen Hinterhalt, lauernd, bis der Raubritter mit seinem Haufen auszog. Als dieser aus dem Gesicht war, sprengten und liefen die Banzer, wie in eiliger Flucht, gegen Steglitz, und da der Burgwart die Farben der Mannen seines Herrn sah und rufen hörte: Der Feind! der Feind!, so ließ er rasch die Zugbrücke nieder und öffnete Tor und Fallgatter. Rasch bemächtigten sich die Eindringenden der Burg, befreiten Hedwig, und als der Ratzeburger wiederkehrte, fand er statt seiner Burg Steglitz eine Ratzeburg, ein Ratzennest, einen Steinhaufen. Lange lebte das Andenken der beiden Frauen Alberade, welche das hernachmals so prachtvolle Stift Banz gründeten und zur Blüte hoben, im dankbaren Andenken.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 834. Alberade. 834. Alberade. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2B6C-C